Seasons of life. von robin-chan (If it's meant to happen, it will.) ================================================================================ Kapitel 9: Cozy time. --------------------- early winter Triumphierend klatschte Nami. Der Weihnachtsbaum stand und endlich hatte sie die Lichter ihrer Vorstellung entsprechend drapiert. »Gehst du mit den Kugeln ähnlich vor, sind wir erst spätabends fertig.« Es folgte ein heiteres Lachen. Zur Antwort warf sie einen unbeeindruckten Blick zurück. Saniel saß mit vergnügten Zügen halb auf der Sofalehne. Den Punkt stritt sich nicht ab, alles zusammen hatte Zeit beansprucht. Ganz rund lief der Monat nicht ab. Es war der dritte Advent, als Nami den Baum aufstellte. »Mach mir keinen Stress, ich habe noch eine Woche«, konterte sie gelassen und trat zum Glastisch, auf dem der Schmuck wartete. »Zahlt sich das aus?«, sagte er mit einem Grinser. Wenn sie bedachte, dass es in manchen Kreisen normal war, dann ja. Normalerweise stand der Baum bei ihr pünktlich zum ersten Dezember oder am ersten Adventsonntag. Der Besuch am Weihnachtsmarkt hatte sie überraschenderweise nicht in Stimmung gebracht. Minimale Dekorationen, aber nicht das volle Programm. Passend zu den Veränderungen, warum also nicht auch in ihren Gewohnheiten. »Ja, und sollte er nur einen Tag stehen.« Saniels Baum stand seit Monatsbeginn, er war bereit für die Feiertage. Manchmal summte er Weihnachtslieder und definitiv hörte er sie beim Kochen. »Okay, okay. Na los, sonst ist Montagmorgen.« Sein Kommentar brachte ihr Kopfschütteln mit sich. So übertreiben musste er nicht. Die Dämmerung setzte langsam ein, aber noch war Sonnenlicht. »Reiju ist auf einem Grün-Trip: schon gesehen? Grün auf einer grünen Tanne … verstehe ich nicht.« Betrachtete sie seine Denkfalte, so grübelte er ernsthaft nach. »Redet der, der kunterbunt bevorzugt«, zog sie ihn daher auf. Es funktionierte und die Falte verschwand, dafür erntete sie Tadel. »Mir kann niemand vorhalten, ich sei ein schlechter Bruder.« Richtig. Er machte Reiju die Freude und verband alle kleinen Geschenke, ob für den Baum oder zum Dekorieren, in seiner Wohnung. Letzte Woche hatte sie es leibhaftig gesehen, als sie ihn zum Kochen besuchte. Ja, sie war seiner Einladung gefolgt, nachdem er ihr doch ans Herz wuchs. »Bordeaux mag ich«, sagte er sanft und hielt eine der größeren Kugeln hoch. Nami lächelte. »Ist länger her«, gestand sie. Über die Jahre hatte sie verschiedenste Kombinationen ausprobiert. »Stell dir vor, die Farbgestaltung hätte eine Bedeutung. Wie bei Rosen. Würde reichend Spekulationen geben, oder?« »Auweh – du wärst das lebende Beispiel für Konflikte. Oder«, und sie setzte ein herausforderndes Grinsen auf, »dein Innerstes entspricht purem Chaos, statt der Liebe zu deiner Schwester.« Saniels Hand sank und er lachte, während er sprach. »Hey, du musst nicht persönlich werden!« »Du hast angefangen«, winkte sie nur ab und ging mit den ersten Kugeln zum Baum zurück. »Anderes Thema – bist du nervös?« Ihre Antwort triefte vor Sarkasmus. »Ich? Nicht die Spur. Drei Monate sind ein Klacks. Da ändert sich nichts.« Fast auf den Tag genau drei Monate ohne ihre Liebsten. Je näher die Ankunft rückte, desto ungeduldiger wurde Nami. Ihre Nerven litten, obwohl es eben einfach ein Wiedersehen war. Nojiko und Genzo kamen Samstag an und flogen kurz vor Silvester zurück. Weihnachten mit ihr ließen sie sich nicht nehmen und Nami freute sich ungemein. Robin landete einen Tag früher und blieb fast zwei Wochen. Während ihr Herz bei dem Gedanken an ihre Familie vor Glück fast zersprang, schwang bei Robin eine neue Form von Nervosität mit. Vielleicht sogar Angst. Distanz konnte zwischenmenschliche Beziehungen verändern. Jetzt noch hielten sie an dem Bekannten fest. Was war, wenn die plötzliche Nähe anders war? Wenn sie nicht länger stimmte? War Nami ehrlich, so machte sie sich darüber Gedanken. »Ich denke, ich durchschaue dich«, hörte sie Saniel spitzbübisch, während er ihr die nächste Kugel reichte. Sie hing sie nicht auf, stattdessen warf sie ihm einen fragenden Blick zu. »Na, ich an deiner Stelle wäre nervös. Ich hätte dankend abgesagt.« Schnell hob und senkte er seine Augenbrauen. Das und seine schelmischen Züge halfen Nami zu verstehen. Innerlicht ohrfeigte sie sich. Sie sollte allmählich wissen, wie er tickte. »Ich an deiner Stelle, ich würde mich tagelang mit meiner Freundin im Bett verbarrikadieren. Die verlorene Zeit muss aufgeholt werden. Neben der Familie gestaltet sich das wesentlich schwieriger. Also ja, ich hätte dankend abgelehnt oder darauf gepocht mir einen Vorsprung zu geben.« Sein Blick wurde verträumter. Gerade wollte Nami sich nicht ausmalen, was in seinen Kopf vor sich ging, welche Fantasien. Ihm Parole geben, machte sie gern. Anstatt ihm Genugtuung zu geben, nahm sie ihm die nächste mit einem belustigten Gesichtsausdruck ab. »Tagelang das Bett? Findest du das nicht ein bisschen zu eintönig? Du enttäuschst mich.« Sie trat einen Schritt zurück, betrachtete die bisherige Ordnung. »Ich schiebe beide nicht grundlos ins Hotel ab.« Gelogen. Nami hätte durchaus eine Möglichkeit gefunden, Nojiko und Genzo wollte es aber nicht. »Was?«, antwortete er gefühlt zwei Oktaven höher. »Was?«, wiederholte sie und blinzelte unschuldig. Schwer unterdrückte sie ein Lachen, stattdessen schob sie sein Kinn nach oben. »Mund zu, du sabberst mir sonst noch den Boden voll.« Gefährlich drückte er die Augen zusammen. Er wollte zur Antwort ausholen, aber hielt sie ihm schon die Hand vor. »Nein oder du fliegst raus.« Obwohl sie ernst klingen wollte, tat sich Nami schwer. Seine Züge nahmen die verschiedensten Ausdrücke an. In seinem Kopf ratterten es und genau diese Reaktion brachte sie schlussendlich zum Lachen. Ein helles, aufrichtiges. Reiju verdankte sie das Kennenlernen und sie mochte sie, keine Frage, aber mit ihm hatte sie eine andere Verbindung. Wie sie zustande kam, verstand Nami nicht. Es war auch nicht wichtig. Sie war einfach dankbar ihn getroffen zu haben, er tat ihr gut. Schließlich hielt er verteidigend die Arme in die Höhe. An manch einem Finger hingen noch Kugeln. »Ein Gentleman genießt schweigend«, sagte er, sobald sie die Hand zurückzog. Dennoch grinste er bis über beide Ohren. Nein, mit ihm war Langeweile ein Fremdwort. »Idiot«, nuschelte sie. »Und du wolltest mir die Schuld geben, dass wir nicht vorankommen!« »Erstens bin ich ein liebenswürdiger Idiot. Zweitens unterbrichst du ständig. Drittens förderst du meine schmutzigen Gedanken!« Untermalt wurde seine Aufzählung von einem herausfordernden Funkeln, das Nami verblüffte. »Also, beeile dich. Wir haben uns noch gar nicht mit dem Mistelzweig beschäftigt. Die Position ist essenziell! Im Notfall müssen wir sie durchspielen, damit an Tag X alles korrekt abläuft.« »Wow«, entfloh ihr. Seine Ein-Gentleman-genießt-Ansprache hielt ja lange. Der Mistelzwei war dieses Jahr sinnlos. »Den lasse ich aus.« »Was?« Das Entsetzen war erkennbar. »Der gehört zur Tradition!« »Ich durchschaue dich«, dabei stupste sie Saniel mit dem Zeigefinger auf die Brust, gefolgt von einer Warnung: »Meine Schwester ist ein Tabu!« »Du bist herzlos«, seufzte er theatralisch. Passend läutete es und entlockte Saniel ein scheinheiliges Grinsen. »Und meine rettet mich gerade.« ∞ Ein Déjà-vu. Auf Flughäfen warten wurde ihr Ding. Mit dem Unterschied, dass sie über ihre Nervosität in Schottland lachte. Was sie heute empfand, stand in keinem Vergleich zu damals. Vergleiche waren oftmals schwer, zumal sie an zwei unterschiedlichen Ausgangslagen standen. Im Juli war alles anders. Hier erwartete sie die Frau, die sie liebte, mit der sie eine Beziehung führte. Der Grund ihrer Unruhe. Sie tapste ununterbrochen von einem auf den anderen Fuß. Geduld galt nicht als ihre größte Stärke. Nami stritt es nicht ab und in diesen Minuten merkte sie es deutlich. Es ging alles zu langsam. Umso erleichterter und schneller zugleich klopfte ihr Herz, als sie in der Menschmenge endlich die vertraute Silhouette ausmachte. Der Herzschlag erreichte einen Höhepunkt. Die Frau, die sich einst vornahm, sich niemals zu verlieben, hatte ihr Herz verloren. In dieser Sekunde hörte sie das Pulsieren in ihren Ohren. Alles um sie herum trat in Vergessenheit, denn ihre Augen galten einzig und allein ihr. Als wäre sie zurück im Museum. Das Warten hatte ein Ende. Mit zügigen Schritten überbrückte sie die letzten Meter und bevor Robin reagieren konnte, fiel sie dieser glücklich um den Hals. Die Umarmung trug das Gewicht von Monaten der Abwesenheit. Jeder Moment der Trennung schmolz dahin, als ihre Umarmung all die vermissten Berührungen aufgriff und in einem einzigen Augenblick zusammenfasste. Es war, als hätten sie eine Zeitschleife durchbrochen und endlich wieder zueinander gefunden. Eine Leichtigkeit umfing sie. Wobei sie auch daran liegen konnte, dass sie mit ihrer stürmischen Art kurzweilig keinen Boden unter Füßen hatte. Was es auch war, Robin war bei ihr. Endlich. »Du hast mir gefehlt«, nuschelte Robin in ihre Haare. »Er hat gute Arbeit geleistet.« Robin trat an die Fensterfront heran. Ein Anblick, der Nami ein Lächeln entlockte. Diese Nacht würde sie dort nicht stehen und halb verloren auf den weiten Horizont starren. »Hat er. Danke.« Die Wohnung verdankte sie ihrer Freundin. Das Umherziehen brachte vorteilhafte Kontakte. Sie hatte ihren vertrauten Immobilienmakler beauftragt. Nach all den Vorschlägen entschied sich Nami für diese hier. Wegen der Nähe, aber in erster Linie des Panoramas wegen, direkt auf die Rocky Mountains. Vorsichtig trat sie an Robin heran. Zum Glück konnte sie ihr Gesicht nicht sehen. Nami hatte das Gefühl, als grinste sie die halbe Zeit wie einer dieser verliebten Teenager. »Wart auf morgen, dann verstehst du mich besser.« Tagsüber. Ihre Arme legten sich um Robins Bauch und drückten den Körper fest an ihren, während sie das Gesicht in ihrem Rücken vergrub. Tief atmete sie durch. All das Vertraute, das sie vermisst hatte. Robin legte die Hände auf ihre Arme, ließ sich fallen. Wie sollte sie sich danach nicht sehnen. Eine Weile standen sie einfach da, das Beisammensein genießend. »Hat sich Franky über den Direktflug beschwert?«, fragte Nami dann. Eine Frage, die Robin zum Lachen brachte. Franky war Robins Zoro. Ein hünenhafter Mann, der einem vom Anblick her, eher die Straßenseite wechseln ließ. Dabei war er ein gutmütiger Kerl, der immer einen lockeren Spruch parat hielt. Nami hatte ihn ein einziges Mal getroffen, als er im August für einen Zwischenstopp in London war. Mit ihrem besten Freund lebte Robin, so gesehen, seit einer Weile in einer Fernbeziehung. Vor drei Jahren hatte ihn endgültig das Heimweh gepackt und heute lebt er wieder in Chicago, zusammen mit Frau und Kind. Im Februar, wenn Nami für Robins Geburtstag zurückkehrte, würde sie ihn erneut treffen. Sie hatten eine Vereinbarung. Jedes Jahr verbrachten sie einen ihrer Geburtstage zusammen und feierten somit beide. Im kommenden war er an der Reihe und reiste rüber. Robin und Franky gaben ihr Hoffnung, was ihre eigenen Freundschaften anging. »Oh, das hat er.« Als sie eine Regung vernahm, lockerte sie die Arme. Robin drehte sich in ihrer Umarmung und lächelte. »Zum Glück hast du dich anderweitig entschieden. Er hätte dich behalten.« Verständlich. Andererseits sahen sie sich übernächste Woche. Bevor Robin nach London zurückkehrte, legte sie einen zweitägigen Stopp ein und besuchte ihn. »Weihnachten mit ihm … er hat einen Schlitten auf dem Dach. Der Albtraum aller Nachbarn.« »Sein Auftreten passt überhaupt nicht zusammen.« Robins Schultern zuckten. Das hatte sie vermutlich oft genug gehört. »Irgendwelche Wünsche?«, lenkte sie in eine neue Richtung und warf kurz einen Blick Richtung Küche. »Du gehst duschen und ich fange mit dem Kochen an.« Wie sie selbst, war auch Robin der Typ, der nach einem längeren Flug erstmal unter die Dusche wollte und für sie ging der Tag schon eine Weile. Dabei ließ Nami etwas von Robin ab, stellte sich auf Zehenspitzen und küsste sie. »Du wirst die neuen Rezepte lieben.« »Wäre eine Option«, sagte sie, als Nami gehen wollte und hielt sie sofort bei sich. Nami verstand, und doch spielte sie die Unwissende. »Was ist die zweite?« »Du kommst mit und wir kochen gemeinsam. Oder eine dritte Option. Wir bestellen, wir gehen duschen, wir essen eine Kleinigkeit. Und sehen weiter.« Wobei Nami von weitersehen eine genauere Vorstellung hatte. Robins unschuldiges Lächeln, konträr zu dem das ihre Augen sagten. »Drei überzeugt mich.« ∞ Der Wecker riss Nami aus dem Schlaf und so griff sie blind auf das Nachtkästchen. Den ersten erfolglosen Versuch den Störenfried zum Schweigen zu bringen, kommentierte sie mit einem genervten Brummen. Sie war gefühlt erst eingeschlafen! Schweren Herzens öffnete sie die Augen, suchte blinzelnd. Natürlich. Das Handy lag am letzten Eck und um den Weckruf abzustellen, musste sie sich leicht abstützten. Normalerweise starteten ihre Samstage mit der inneren Uhr. Nur triftige Gründe dürften das durchkreuzen und heute war einer dieser Tage. Nojiko und Genzo landeten am frühen Nachmittag. Bevor sie wieder zum Flughafen musste, wollte sie noch ein paar Dinge erledigen und noch Zeit mit Robin verbringen. Was die Zweisamkeit anging. Die nächsten drei Tage waren verplant. Übermorgen stießen zudem die Geschwister hinzu. Erst zu Silvester flogen sie zur Familie. Jetzt erst realisierte Nami ihre Gedanken. Sie war nicht allein, Robin war bei ihr. Ruckartig drehte sie sich auf die andere Seite und starrte überrascht, während ihr Herz schneller klopfte. Robin saß neben ihr im Bett, ein breites Grinsen auf den Lippen und in der Hand ein Buch. Ihres, darin hatte sie die letzten Abende gelesen. Einer dieser kitschigen Romane. Die so gar nicht Robins Genre entsprachen, aber die Nami mochte. Waren sie allesamt durchschaubar? Mit Sicherheit. Einfache Unterhaltung, die entspannte. Es war wie mit diesen Filmen. Manchmal tat es gut sich berieseln zu lassen. Nicht nachdenken, sich fremdschämen, über Protagonisten den Kopf schütteln oder, und das gab sie selten zu, manchmal sogar wie ein Teenager zu grinsen, wenn sie sich endlich küssten. Ob Nami wollte oder nicht, in manchen Momenten war sie dann doch eine hoffnungslose Romantikerin. Nun hatte sie ihre eigene Liebesgeschichte direkt vor sich und dazu noch spärlich angezogen. »Du starrst wieder«, neckte Robin und blätterte um. »Ich hole nach.« Das tat sie und würde sie in nächster Zeit bei jeder Gelegenheit, die sich bot. »So verzweifelt?« Nami blieb auf der Seite liegen, stützte den Kopf an der Hand ab. »In der Not muss ich improvisieren.« Damit schenkte sie ihr einen verschmitzten Seitenblick, der Nami zum Lachen brachte. Robin könnte sonst was machen, solange sie es neben ihr tat, sie nicht allein aufwachte. Eigentlich gehörte Robin jener Sorte an, die, sobald sie munter wurde, sofort aufstehen musste. Blieb sie, tat sie es ihretwillen. Obwohl sich Nami gerade fragte, warum diese Frau munter war. Um sieben Uhr, nach vier Stunden Schlaf. Nach einem Tag wie gestern. »Was ist dein Geheimnis?«, fragte sie daher unverblümt. Gerade wollte sie lieber die Decke über den Kopf ziehen und weiterschlafen. »Stell dir vor, ich habe im Flieger geschlafen.« »Du?« Geradeausschauend kniff Robin die Augen zusammen. »Unglaubwürdig?« »Bei dir? Ja, ist es.« Robin nickte leicht. »Power-Naps! Und Koffein. Ausreichend Koffein.« Daraufhin setzte sich Nami auf. »Willst du mir gerade sagen, du bist lang genug auf, um einen Kaffee zu trinken?« Ihr Kopf wollte das gerade nicht so recht verarbeiten. Kurz vor drei hatte sie das letzte Mal auf die Uhr geschaut. »Laut meinem Körper haben wir vierzehn Uhr. Bessere Erklärung?« Robin grübelte einen Moment, ehe sie es abwinkte. »Ist doch unwichtig. Sei lieber glücklich, dass ich mit einem Schnulzenroman auf dich warte.« Nami verdrehte die Augen. Als ob sie interessiert, womit sie wartete. »Ich liebe dich.« Kaum gesagt, verlor das Buch endgültig seine Aufmerksamkeit. »Miss Ich-werde-mich-nie-verlieben … sag’s nochmal, die Akustik ist miserable. Ich möchte sichergehen, mich nicht verhört zu haben.« »Und du bist besser?«, säuselte Nami und warf ihr beim Aufstehen das Kissen ins Gesicht. Sie wollte das, aber natürlich fing es Robin ab. Den tadelnden Blick quittierte sie mit einem noch breiteren Grinsen. »Ich nehme all meine Kraft zusammen und bleibe im Bett und was machst du?« Unbeeindruckt schlüpfte sie in eine lange Hose und Pullover. »Pass auf, sonst drehe ich die Heizung auf. Mal sehen, wie du heute Nacht schläfst.« Robin hasste warme Schlafzimmer. Solange sie es so warm hatte, war es Nami egal. »Schlaf wird überbewertet«, rief ihre Freundin noch hinterher. In die Gänge kommen, erwies sich als dezentes Problem. Eventuell holten sie gerade tatsächlich drei Monate auf. Manches hatte sie glücklicherweise die Tage zuvor erledigt. Manches erschien gerade unwichtig. Sagte man nicht, Stress sei ungesund? »Knapp zwei Stunden«, hörte Nami. »Sei froh, dass ich für morgen alles eingekauft habe und Saniel parat steht«, neckte sie daraufhin. Bevor der Flieger landete, konnte sie nicht mehr viel machen. »Darf ich dich erinnern-« »Schon gut«, unterbrach sie sogleich einlenkend. »Noch fünf Minuten, okay?« Halb auf Robin liegend, lauschte sie ihrem Herzschlag. Ein Tag Vorsprung war eindeutig zu wenig. So sehr sie sich auch auf ihre Familie freute, wollte sie am liebsten einfach liegen bleiben. Tatsächlich mit Robin untertauchen (Saniel würde den Gedanken nie erfahren). Der Sex lag gar nicht im Fokus. Umso mehr die Nähe an sich. »Deine fünf Minuten kenne ich«, wurde sie aufgezogen. Demonstrativ stützte sie sich an ihrem Unterarm ab. Wenn sie ihre Freundin betrachtete – mit ihrem verspielten Lächeln – war es manchmal unglaubhaft, dass dieselbe Frau andere mit einem einzigen Blick einschüchterte. Dann, wenn das warme Blau ihrer Augen, das Nami an einen Sommersee erinnerte, zu einem Eismeer wurde. »Was?« »Na los, steh auf, ich halte dich nicht ab«, neckte Nami. »Du bist frei.« Stattdessen erhielt sie die gewünschte Antwort, indem Robin den Griff festigte und Nami somit einen triumphierenden Ausdruck bescherte. »Ich habe noch eine Minute.« Zu einem Kuss beugte sich Nami vor. Nur kurz. Langsam ging ihnen tatsächlich die Zeit aus. »Heute sollte der Tag schnell vorbeigehen«, fing sie dann an, wobei sie mit einer von Robins Haarsträhnen spielte. »Abholen, ins Hotel, das Abendessen.« Nicht jeder ähnelte ihrer Freundin. Sie war gespannt auf das Essen. Nachdem sie mit Nojiko über Saniel gesprochen hatte und erklärte, dass er Teilinhaber eines Restaurants war, wollte sie es gerne ausprobieren. Dass er nicht nur als Koch arbeitete, hatte sie erst bei einem späteren Gespräch herausgefunden. Sobald Jeff in Rente ging, gehörte es ihm allein. Heute bot sich die letzte Chance, Saniel hatte im alten Jahr den letzten Arbeitstag. Generell schlossen sie über die Feiertage. Gleich danach flog er nach Japan. Robin legte den Kopf schief. »Ob sie dich gehen lassen?« »Müdigkeit gewinnt in den meisten Fällen und Genzo wird alt.« Eigentlich humorvoll gedacht, aber lag ein Funken Wahrheit dahinter. Die Sechzig rückte näher. Eine Tatsache, die ihr erneut vor Augen führte, wie schnell die Zeit verging. Natürlich war er topfit, aber das Alter zeichnete sich ab. Besonders an seinen weiß werdenden Schläfen. »Fit ist er allemal, dein Oberbefehlshaber.« Neckend salutierte Robin. »Trau dich, mach es bei ihm.« Spätestens seit Namis Umzug standen die drei in Kontakt. Für sie blieb das eine manchmal unwirkliche Umstellung, sobald Robin wieder von einem Gespräch erzählte. Im positiven Sinn. Es war ihr wichtig. »Nojiko ist das Zauberwort. Längere Flüge machen sie müde. Solange du ihr keine Schlaftablette unterjubelst, bleibt sie munter.« Ihre Schwester war taff, aber hierbei fand sie ihren Meister. Während Nami über den Wolken Entspannung fand, sah Nojiko darin eine Tortur. Wo sie wiederum an die Uhrzeit dachte. Seufzend griff sie über Robin hinweg zu deren Handy. »Unsere Zeit ist abgelaufen.« Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)