A moment just for us von Sturmdrache (It started differently than expected.) ================================================================================ Kapitel 1: Sincerely - Insincere -------------------------------- Die Sonne ging über dem Bergkamm auf und hellte den Morgenhimmel mit einem rosafarbenen und goldenen Schimmer auf. Einige Wolken vermischten sich mit der Wärme des Sonnenaufgangs. Das Licht schnitt wie eine Kunaiklinge durch den Wald im tief liegenden Tal und erleuchtete den blassen Nebel, der sich zwischen den Bäumen gesammelt hatte. Sakura blinzelte und rieb sich die Schläfe, denn die kalten Strahlen schmerzten in den Augen und sie hatte in der Nacht kaum schlafen können. »Die Heimreise ist bald zu Ende«, murmelt sie und biss ein Stück von dem Reisbällchen ab. Doch sie freute sich trotzdem, den Morgengrauen mit allen Sinnen mitzuerleben. Beim Kauen formte sich ihr Mund zu einem kleinen Lächeln und ihr Herz hüpfte in der Brust herum. Dieser Moment bedeutete, dass sie bald nach Konoha zurückkehren konnte. Irgendwie fühlte es sich ironisch an. Die Rückkreise dauerte noch drei Tage, wenn unterwegs keine Hindernisse auftraten. Jedenfalls brachte die stille Dämmerung in den Wäldern und Bergen die stärkste Welle an Heimweh auf, die sie je empfunden hatte. Sie atmete die Bergluft ein, als der Wind ihre Haare streichelte und sie die Beine über die Klippe baumeln ließ. Das beruhigte sie ein bisschen.   »Hier versteckst du dich also.« Erst blieb ihr Herz stehen, dann riss sie die Augen auf und musste husten, da sie beinahe an den Krümeln im Hals erstickte. Es bestehen keine Zweifel, diese dunkle und tiefe Stimme erkannte sie auf Anhieb. Dafür brauchte sie sich nicht umzudrehen und der Person ins Gesicht zu sehen. Nach dem der trockene Husten und das Kratzen im Hals verschwanden, räusperte sie sich und packte das Essen ein. »Ich habe mich nicht versteckt.« Kaum stand sie auf und drehte sich um, trafen sich die Blicke der Shinobis. »Ich wollte nur in Ruhe essen, Sasuke.« Wieso schleicht er sich ständig von hinten an? Im Kampf diente es zum Vorteil, doch außerhalb des Kampffeldes ging es ihr auf die Nerven. Soeben hatte sie das Bedürfnis, ihn von der Klippe zu stoßen. »Du bist nachlässig und sehr naiv«, sagte er trocken und hielt ein Kunai in der Hand. »Ich hätte dich in der einen Minute umbringen können.« Sakura rollte mit den Augen. Ständig spielte er den unnahbaren Wunderjungen und den Stolz des Uchiha-Clans. »Ich lebe aber noch. Also…« Die Kunoichi verstummt auf einmal und dachte über die Situation nach. Sie legte die Stirn in Falten, betrachtete Sasuke aus kritischer Sicht und erkannte das reflektierte Sonnenlicht auf dem Kunai. Es blendete kurz. Da fiel es Sakura ein und sie starrte ihn wütend an. »Hast du mich etwa ausspioniert, ohne dir jemals die Erlaubnis erteilt zu haben?« Sasuke zuckte mit den Schultern. Der Aufregung schenkte er keine Beachtung und wich auch nicht ihren zornigen Blick aus. »Das definiert Spionage.« Ein Brummen drang aus Sakuras Kehle, dann folgte ein amüsierter Laut und sie stemmte die Hände in die Hüfte. Seit wann kannte er Sarkasmus? Sie musste das Verlangen unterdrücken, nicht gleich mit der Faust zu reagieren. »Was willst du von mir?« Der Uchiha hob eine Augenbraue hoch und sagte keinen einzigen Satz. Natürlich, warum sollte er auch. Wie aus dem Nichts fächelte eine Windprise, die Blätter raschelten und die Grashalme tanzten. »Verachtest du mich, Sakura?«, fragte der Chunin. Einzelne schwarze Strähnen fielen ihm ins Gesicht, es war kein Bedauern zu erkennen. »Was?« gab sie rasch zurück. Mit der Frage hatte Sakura nicht gerechnet. Einige Male mied sie seinen Blick. Nachdem sie den Mut fand, wiederhinzusehen, sah sie ihren Kameraden schweigend vor sich. Sie öffnete den Mund, um eine Antwort zu geben, doch die Worte erfroren ihr in der Kehle. Das Gespräch wurde ihr langsam unangenehm.   Eine Weile war es still zwischen ihnen. Als sie nicht antwortete, setzte er erneut zum Sprechen an. »Ich verstehe.« Seine Stimme klang eiskalt und stach in Sakuras Brust. Bevor sie ihm antworten konnte, drehte er sich um und entfernte sich von ihr. Zweige und Nussschalen knackten unter seinen Schritten. Jetzt bekam sie ihre Ruhe wieder, ohne seine Anwesenheit ertragen zu müssen. Allerdings fühlte es sich falsch an. So durfte die Unterhaltung nicht enden. Oder doch? Augenblicklich stieg Panik in Sakura auf. »Nein, warte!«, rief sie ihm hinter her und streckte die Hand nach ihm aus, obwohl sie ihn nicht erreichen konnte. Doch sie hatte Erfolg. Sasuke hielt an, stand im Schatten eines Baumes, der krumm und blühend auf einem Felsen stand. Irgendwie fiel Sakura ein Stein vom Herzen. Denn diese Anspannung in den nächsten drei Tagen auf sich zunehmen, war für sie keine Option, sowie den Kopf sich darüber zu zerbrechen. Auf Kopfschmerzen hatte sie echt keine Lust. Sasuke schwenkte sich zu Sakura um, da zog sie ihre Hand zurück und seufzte. »Ich hasse dich nicht«, erklärte sie zögernd. Sogleich biss sie sich dabei auf die Unterlippe und blieb dabei sehr ernst. »Ich wollte mir keine Ablenkung leisten. Das ist alles.« Es dauerte eine halbe Ewigkeit, bis Sasuke endlich etwas erwiderte. Gefühlt waren es 100 Herzschläge hintereinander. Er zog die Lippen zu einem schmalen Strich zusammen und verschränkte die Arme vor der Brust. »Das ist alles?« Ein Nicken kam von Sakura. Mehr wollte sie nicht verraten. Sasuke schaute sie nüchtern an. Irgendetwas ließ ihn zaudern, ihre Antwort zu glauben. Leise murrte sie und schnalzte mit der Zunge. »Ja, das ist alles«, wiederholte sie, zweifelsohne mit Nachdruck. Gerade bereute Sakura es, dass sie ihn nicht einfach weggehen lies. Und jetzt hatte sie den Salat!   Aus der Ferne war das Röhren eines Hirsches und der Ruf einer Eule zu hören. Der Wald mochte wohl auch eine Diskussion einleiten, kam es ihr in den Sinn. Schließlich erregte Sasuke ihre ganze Aufmerksamkeit, indem er den Kopf schüttelte und mit den Fingerspitzen über die Kunaiklinge strich. Sein Verhalten irritierte sie noch mehr als seine Frage, ob sie ihn verabscheute. Danach blickte sie ihn forschend an. Sie wusste nicht recht, wonach sie suchen sollte. Weder Mimik noch Gestik sagten etwas über ihn aus. War es Reue, Enttäuschung, Hass oder ein Hinweis auf einen Plan? Was immer es war, sie fand es nicht und das frustrierte sie ganz gewaltig. »Ich hasse vieles und mag daher wenig«, raunte Sasuke und wendete seinen Blick vom Kunai ab. »Und du befindest dich dazwischen.« Momentan huschte ein dunkler Schatten über sein Gesicht und die schwarzen Augen durchbohrten ihre Seele. Ein Kloß steckte in Sakuras Hals fest, als sie nun verstand, wie ernst er es meinte. Indes beruhigte sie sich, dachte nach, ob sie ihm mehr entgegenkommen sollte. Es brannte ihr auf die Seele, es ihm zu erzählen, doch sie wusste nicht, ob das die Situation ins Negative lenkte. Warum konnte er sie nicht in Konoha konfrontieren? Dort hatte er die Zeit der Welt. »In Konoha hast du mehr Chancen, mir aus dem Weg zu gehen, als auf der Heimreise nach einer Mission«, durchschaute er ihre Gedanken. Bitterkeit drückte ihre Kehle zusammen und sie fühlte, wie das Gefühl langsam durch ihre Adern rinnt, wie dickflüssiges Gift. Für einen Moment hielt Sakura inne, scheinbar nur, um laut auszuatmen. Deswegen suchte er sie hier und jetzt auf. Wieder einmal wurde ihr bewusst, wie stur er sein konnte, wenn er ein Ziel verfolgte. Unzufrieden betrachtete sie seine Augen, die trotz der Dunkelheit hell und klar emporloderten. Während sie seine Entschlossenheit schrittweise respektierte, verflog ihre Wut rasch zu einem Unbehagen. Na gut! Er wollte Antworten, dann bekam er diese auch. So blieb ihr keine andere Wahl und sie holte tief Luft. »Ich hatte Angst und fühlte mich unsicher, als du mit mir und Naruto ins Team 7 kamst. Davor war einiges passiert und ich bin bei dir immer auf Abstand gegangen deswegen.«   Einen Moment lang standen sie schweigend einander gegenüber, wussten beide nicht recht, mit der Situation umzugehen. Sasuke reagierte unbeeindruckt und hob bloß eine Augenbraue hoch. Die Iryōnin dagegen zeigte mehr Emotionen. Erst wirkte sie betreten, dann lockerte sie ihre Haltung. Der Griff um Sakuras Herz löste sich und hinterließ eine Wallung der Erleichterung, ihr wurde beinahe schwindelig. Nichtsdestotrotz blieb sie beharrlich und stand aufrecht mit selbstbewusster Miene. Sie wollte keine Schwäche zeigen. Niemals! Allein der Gedanke zerrte an ihren Nerven wie Aasfresser an frischem Fleisch. Diesen Fehler konnte sie sich nicht noch einmal leisten, denn das letzte Mal ging für die Betroffenen nicht gut aus. Sakura zwang sich zu einem Lächeln. Vielleicht erhielt sie heute eine neue Chance, auch wenn sie winzig und untragbar war. »Also war das doch nicht alles. Es steckte mehr dahinter«, brummte Sasuke und wurde dann lauter. »Warum hast du mich angelogen?« Kälte ertönte in seinem scharfen Unterton und Abneigung kam als Beigeschmack dazu. Sasuke war von der Erkenntnis nicht begeistert, er versteckte keineswegs seinen Unmut vor ihr, vielmehr scheint es ihn wirklich zu bedrücken. Als Team funktionierten sie auf Missionen hervorragend, aber im Alltag verbrachten sie nur durch Naruto oder Kakashi gemeinsam die Zeit. Das war alles. Momentan brach Sasuke diese traditionelle Regel aus Team 7 und suchte ohne die anderen das Gespräch mit Sakura, die derzeit unter Schock stand.   Nur ein Augenblick. Und doch umklammerte sie diese Sätze wie einen verfluchten Schatz, den sie nie mehr loslassen wollte. Ihr war, als könnte sie Sasukes Groll in den kleinen Sätzen berühren, wie sehr er sich von ihr hintergangen fühlte. Sie verstand seine Reaktion keinesfalls, weil sie all die Jahre nichts weiter als diesen inneren tobenden Sturm empfand. Die Kunoichi wurde still, bis ihre Wut ihr Gesicht verzerrte. »Lügen? Wie kommst du denn jetzt darauf? Ich habe es nur für mich behalten. Mehr nicht.« Sie konnte ihre Emotionen nicht zügeln. Aus Gewohnheit ballte sie ihre rechte Hand zu einer Faust, sammelte darin viel Chakra und schlug problemlos einen Steinbrocken in viele Einzelteile. Der Lärm verscheuchte die Vögel aus den Baumkronen und das Wild aus dem Unterholz. Nur Sasuke rührte sich nicht vom Fleck. »Nimm das zurück«, befahl sie zwingend. Sasuke musterte Sakura, den Mund leicht spöttisch verzogen. Ihre Muskeln zitterten, dieses höhnische Schmunzeln, dass wie eine Brise über sie zog, biss eisig an ihrer Haut. Es bildete sich eine Gänsehaut. Die Iryōnin wusste nicht, was sie tun sollte. Weglaufen oder sich weiterhin verteidigen? Zudem versucht sie vergeblich, ihren Herzschlag zu beruhigen, aber Sasukes schneidender Blick verhinderte dies. Etwas erwachte in seinen Augen, sowas wie ein Funken, was ihm erlaubte, ihren derzeitigen Schwachpunkt auszunutzen. Sie presste die Kiefer fest zusammen und eine Hitze wallte im Körper auf. »Liegt es an Inos Unfall vor vier Jahren?« Also entschied er sich, bei der Wahrheit zu bleiben. Davor hatte sie große Angst. Damals hagelten unzählige Vorwürfe auf sie ein, die von den Kindern und von den Erwachsenen kamen. Sakuras Magen verkrampfte sich. Sie formte ihre Lippen zu einem stummen »Ja« und blickte bekümmert zu dem Uchiha. »Du bist eine hohle Nuss. Es war nicht deine Schuld«, meinte er beherrscht und zeigte mit dem Kunai auf sie. Die Wut auf Sakuras Gesicht erlosch. Unwillkürlich folgten ihre hellgrünen Augen der Kunaispitze und schauten den Boden unter ihren Füßen an. Das Rauschen des Windes hallte in ihren Ohren wie ein zartes Lied wider, welches ihr aufheiternde Worte zu flüsterte. Woher stammte dieses Gefühl? Plötzlich verblassten die Erinnerungen von damals und ihr Körper fühlte sich federleicht an. Sie legte die Hand auf ihre Brust und erlebte die sanften Herzschläge. »Nicht … meine Schuld?«, nuschelte sie und in ihren Augen sammelten sich Tränen. Geschwind wischte sie die salzige Flüssigkeit mit dem Handrücken weg und hob den Kopf. »Wie kommst du zu dieser Einsicht?«   Das Blatt wendete sich. Erst war Sasuke misstrauisch und stellte ihr die Fragen, dann kroch sie aus dem Schneckenhaus heraus und hakte jetzt bei ihm nach. Er schnaubte zufrieden. Das Kunai senkte sich und verschwand zurück in seine Tasche. »Ich habe dir niemals die Schuld dafür gegeben, genau wie Ino«, erwiderte er. Erstaunt blinzelte sie und ihre Kinnlade fiel nach unten. Die sonst so eisigen, harten Augen spiegelten eine milde Wärme wider, die Sakura noch nie in ihrem Leben gesehen hatte. »W-wirklich?« Als Antwort nickte er, keine Lüge war zu erkennen. »Ich danke dir und es tut mir leid«, fügte sie reumütig hinzu, schloss die Augen und atmete tief durch. Sie hatte Sasuke all die Zeit Unrecht getan und schluckte es schuldbewusst herunter. Nachdem einige Gedanken und Gefühle offenbart wurden, kehrte der Schleier des Schweigens zurück und umhüllte die jungen Shinobis. Das Ziehen in ihrer Brust war verschwunden, dennoch plagte Sakura ein schlechtes Gewissen, dass sich sehr vertraut anfühlte. Nervös spannte sie ihre Muskeln an und bereute es ein bisschen, ihm ihr Geheimnis anvertraut zu haben. Sakura holte Luft, aber selbst wenn sie Worte herausgebracht hätte, wäre ihr nichts Angemessenes eingefallen. Sie zauderte mit sich. Es fühlte sich wie ein Kloß in ihrem Hals an und als sie endlich etwas zu ihm sagte, klang ihre Stimme kräftiger als sie dachte. »Können wir zurück und später weiterreden?« Sofort schritt sie voran, in der Hoffnung, er stimme ihr zu. Hier konnte sie ihm nicht weiter unter die Augen treten, da sie erstmal mit den aufgewühlten Gefühlen klarkommen musste. Es war ein völliges Durcheinander. »Willst du noch etwas loswerden?« Ein Durcheinander, welches heute nicht endete und weiter in ihrer Vergangenheit grub. »W-was?«, schreckte sie auf und ihr Blick fiel nach unten. Ein Kunai flog auf sie zu und stach vor ihr in die Erde ein. Es handelte sich um Sasukes Waffe. Verwirrt runzelte sie die Stirn und warf ihm einen stechenden Blick zu. Er ging auf sie zu, seine Fassung war entschlossen und seine Aura zuckte, wie ein Blitz, um seinen Körper. Die Stimmung spannte sich an, wie scharfe Fäden kontrollierte sie alle Bewegungen. Bei Sakura blieb es der Stillstand. Mein Körper gehorcht mir nicht, stellte sie verzweifelt fest. Ein Meter von ihr entfernt stoppte Sasuke sein Vorhaben und zog sein Kunai aus der Erde heraus. »Wir sind noch nicht fertig, Sakura.« Die Kunoichi keuchte. Ihre Hoffnung verstarb innerhalb eines Wimperschlages. »Wieso?« brachte sie hervor. Ihr Herz schwebte gefühlt in der Luft, als wäre es nicht mehr in der Brust. Er zuckte mit den Schultern und seufzte schwer, als er das Kunai eisern umklammerte. »Deine Situation erinnerte mich an Itachis Bürde, als er sich niemanden anvertraute und fast sein eigenes Leben ruinierte. Das Leben seiner Familie ebenso. Leider habe ich es viel zu spät bemerkt, genau wie bei dir.«   In diesem Moment spürte Sakura alle Farben aus ihrem Gesicht weichen und wie der Schweiß vom Nacken bis zum Kreuz sickerte. Sie wusste, wovon er sprach. Er beschrieb den Plan, wo Itachi vorhatte, seinen ganzen Clan auszurotten, um den Frieden in Konoha zu bewahren. Sie dachte nach und rang nach Luft, während sie die Informationen verarbeitete. Tränen flossen über ihre Wangen, ohne, dass sie sie davon abhalten konnte. Auf ihrer Zunge schmeckten diese salzig und verbreiteten sich wie ein reizloser Geschmack in ihrem Rachen aus. »Ich bin so eine Heulsuse. Es nervt mich und auch die anderen«, zeterte sie und biss sich auf die Unterlippe, um ein Schluchzen zu unterdrücken. Dabei schwor sie sich selbst, niemals ohne Grund zu weinen, denn als eine Kunoichi durfte oder konnte sie sich so eine Schwäche nicht erlauben. Mit den schwarzen Kampfhandschuhen tupfte sie die Tränen vorsichtig weg. »Du nervst weniger seit unserer Teamaufstellung«, widersprach Sasuke. Sie schüttelte den Kopf. Bedauerlicherweise half es ihr nicht weiter. Sein Versuch scheiterte bedingungslos. »Ich nerve dich also trotzdem ein wenig. Wie aufmunternd von dir.« Sakura fuhr sich über das Gesicht. Bei solchen Angelegenheiten war er wie eine Jungfrau. Sakura schmunzelte, obwohl der Kummer noch in ihrer Seele brannte, war ihr Lächeln echt. »Über was denkst du nach?«, fragte er sie neugierig. Die grünen Augen verloren kurz den Fokus und ihre Gedanken glitten in ihre eigene Welt ab. »Ich habe dich als eine Art Jungfrau vorgestellt und … und«, plapperte sie los und erstarrte mit glühenden Wangen. Selbst Sasuke bekam flüchtig einen Schock und räusperte es entsprechend weg. Das schelmische Lächeln verblasste und bedenken flackerte in ihrem Blick auf. Je mehr die Zeit verging, desto wärmer wurde ihre Gesicht. Panisch hob sie die Hände hoch und wedelte diese mit einem hämmernden Herz in der Brust hin und her. »Das ist nicht das, was du denkst«, beharrte sie und klatschte mit der rechten Handfläche gegen ihre Stirn. »Verdammt! Wie konnte ich das nur laut sagen oder denken.« Es steht eindeutig fest. Sie musste nicht raten, was er jetzt von ihr dachte. Beschämt vergrub sie ihr Gesicht in den Handflächen und wünschte sich, sich in Luft aufzulösen. »Es bleibt unter uns«, versprach Sasuke und seine Augenbrauen beschrieben einen perplexen Bogen, bevor sie schlaff herabsanken. »Vergessen wir es einfach.« Es lag keinerlei Abscheu in der Stimme des Uchihas. Sein Ton war leicht und sie konnte sehen, dass er es ernst meinte. Da konnte sie nur aus ganzem Herzen zustimmen. Diese Situation sollten beide vernünftig von ihrem Gespräch abgrenzen und mit dem Kernpunkt weiter machen. Dafür war sie Sasuke sehr dankbar.   Sie massierte ihre Nasenwurzel und ordnete ihre Gedanken sowie Gefühle in ihrer zielgerechten Reihenfolge. Eine ihrer Stärken. Dann murrte sie leise. »In Ordnung. Mit Schwächen oder Gefühlen kennst du dich sowieso nicht aus.« Das Gespräch rutschte in eine skurrile Richtung ab. Am liebsten hätte sie losgelacht, bis Bauch und Brust schmerzten und sie keine Luft mehr zum Atmen hatte. Warum klang bei ihr alles so dramatisch und schmerzhaft? Daran musste sie noch arbeiten. »Ich bin nicht perfekt«, sagte er harsch und knirschte mit den Zähnen. »Wenn du meine Schwäche kennen würdest, würdest du sie gegen mich verwenden?« Die Atmosphäre änderte sich schlagartig. Die groteske, aber reizende Stimmung entzweite. Es herrschte wieder eine Distanz zwischen ihnen. Sakura war ratlos. Mit anderen Worten, sie hatte sich genau diese fade Beziehung gewünscht, doch es schmerzte in ihrer Brust, wenn Sasuke so unwirsch mit ihr redete. Schließlich wollte sie den Fehler nicht wiederholen. Koste es, was es wolle. »Tut mir leid und nein, ich würde deine Schwäche nie ausnutzen. Egal um welchen Preis.« Vielleicht war es wieder Zeit, auf Abstand zu gehen und ihn in Ruhe zu lassen. Dann hatte sie ihren Frieden zurück.   Aus Sasukes Kehle entwich ein tiefes Brummen und er beugte sich zu ihr rüber. »Du hast eine scharfe Zunge.« Schwarze Augen fangen die Funken der jadegrünen Augen ein, die rasch zu einer Flamme auflodern. Sie widerstand dem Drang, die Augen zu verdrehen. Jedoch schoss ihr das Blut in die Wangen. »Das … habe ich schon mal gehört. Nur in der Form von erbarmungsloser Kritik« zischte sie. »Ich will nicht darüber reden.« Der bittere Geschmack wirkte wie Gift und ihre Zunge war nichts weiter als ein aufgequollener Klumpen im Mund. Ein unbeholfenes Klopfen auf ihrer Schulter holte sie aus den Gedanken zurück. »Wenn wir zurück in Konoha sind, hast du genügend Zeit, mir alles zu erzählen.« Ein gequältes Lächeln umspielte Sakuras Lippen, als sie seinen klaren Ausdruck erkannte. Sasuke duldete keine Widerworte. »Ich habe wohl keine andere Wahl.« Einen Augenblick dachte sie, er würde noch etwas erwidern, denn sein Mund öffnete sich. Bevor sie reagieren konnte, bemerkte sie eine Kleinigkeit. Seine Hand ruhte noch immer auf ihre Schulter, die Wärme und Sicherheit spendete. Genau genommen, gehörte diese tröstende Geste ihrem besten Freund Naruto, der immer für sie da war und sie regelmäßig zur Weißglut brachte. Heute lag es an Sasuke. Ihr Herz schlug aufgeregt. Aber sie hatte schon wesentlich schwierigeres gemeistert, was machte es da für einen Unterschied, wenn sie jetzt auch noch Sasuke umarmte? »Du überrascht mich heute, Sasuke«, sagte sie erkenntlich und umarmte ihn. Ihr Gesicht fiel auf seine Schulter und sie schloss erschöpft die Augen. Seine Nähe beruhigte ihre Nerven. Ein belustigter Laut entfloh aus ihrer Kehle. Die letzten vier Jahre kannte sie nur die Distanz zu ihm und hatte vergessen, dass sie davor noch Gefühle für ihn hegte. Nach Inos Verrat und Unfall schwor Sakura sich, die Liebe aus dem Leben zu verbannen, um nicht an Herzschmerz zu ersticken und sich stattdessen auf die Karriere als Iryōnin zu konzentrieren. Zunächst fühlte es sich fremd an, wie ein Schneehagel im Sommer, denn ihr Herz wog schwerer als jemals zuvor und jetzt genoss sie seinen wohlwollenden Geruch, der ihre Sinne betäubte. Alte Gefühle keimten auf. Von seiner Seite kam ein Zögern, aber keine Ablehnung, da er ihre Umarmung erwiderte und ihr etwas unbeholfen auf den Rücken klopfte. Der Druck war weder zu stark noch zu herzlich. »Du machst Fortschritte«, wagte Sakura einzuwenden. Zerstritten, wie sie war, getraute sie sich nicht hinzuzufügen: »Deshalb kehrt diese Wärme in meinem Herzen zurück.« Sie hütete sich, dies auszusprechen. Er bemühte sich, sie bedankte sich, indem sie ihm entgegenkam. Doch obwohl sie diesen Satz für sich behielt, schien Sasuke diesen Gedanken zu vernehmen. Intuitiv spürte sie das Zucken seines Mundwinkels. »Es wird sich einiges verändern, stimmt‘s?«   Alles in ihr erstarrte. Das Herz stand für einen Moment still und ihr Körper versteinerte. Dann drehte sich alles und sie bekam einen trockenen Hals. Sie erinnerte sich an den Streit mit Ino, um Sasukes Gunst, wie sie ihre beste Freundin verließ und damit einer Gefahr aussetzte, die für sie unverzeihlich war. Bis heute plagen Sakura endlose Schuldgefühle und Ino stellte sie niemals dafür bloß. »Als Kameraden und Freunde. Nur als Freunde?« Die Frage zitterte über ihre Lippen und klang dennoch verständlich. Zeit war alles, was sie jetzt brauchte. Einzelne Haarsträhnen kitzelten Sakura am Nacken, als der Uchiha nickte und ihr etwas ins Ohr flüsterte. »Es fängt meist immer mit Freundschaft an.« Sein warmer Atem berührte ihre weiche Haut. Die Erregung brannte wie Feuer im Körper und erlosch in wenigen Sekunden. Nicht jetzt, nicht heute, entschied sich Sakura. Kleine Rückfälle schmerzten, doch daran hatte sie sich schon längst gewöhnt. Ein halbherziges »Hmpf« ertönte und sie löste die Umarmung auf. Sasuke trug wieder seine gleichgültige Maske und das Schwarz in seinen Augen verlor den milden Glanz. Offenbar verstand er ihre Botschaft, wie sehr sie diese gedeihende Freundschaft ernst nahm. Seitdem ihre Schuldgefühle zur Sprache gekommen waren, rauschte in ihrer Seele eine Unruhe. Nicht, weil sie Sasuke nicht traute oder die neu gewonnen Freundschaft als unerträglich fand, ihm von den unterdrückten Gefühlen erzählt zu haben. Vielmehr war da diese Düsterkeit, die sie nicht loslassen wollte. Sie schüttelte traurig den Kopf. Vielleicht sollte sie endlich mit Ino reden. »Sakura, es war nicht deine Schuld«, sagte er. »Zuerst musst du dir selbst verzeihen. Glaub mir, ich spreche da aus Erfahrung.« Mit zwei Fingern tippte er gegen ihre Stirn. Konfus blinzelte sie und tastete vorsichtig über ihre Stirn. Mit der Geste war sie vertraut. Auch er zeigte Diskretion. »Also gut. Ich versuche es. Zufrieden?« Anders als laut zu seufzen konnte sie nicht. Manchmal blieb jemandem keine andere Wahl, als sich dem Schicksal hinzugeben. Sasuke schnellte herum und ging voraus. »Nicht ganz. Du schuldest mir etwas. Denk einfach daran«, betonte er trocken. Auf Anhieb erkannte sie seine Absichten und stieß eine gehetzte Empörung aus. »Das zahle ich dir heim.« Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)