Neue (und alte) Abenteuer von Sharry (Szenen, die es nicht in die Hauptfic geschafft haben) ================================================================================ Kapitel 19: Extrakapitel 16 - Stellvertreter -------------------------------------------- Extrakapitel 16 - Stellvertreter   -Zorro- Zu sagen, er wäre schlecht gelaunt, wäre wohl die Untertreibung des Jahrhunderts. Die letzten Tage waren nervig gewesen, so nervig! Zunächst war alles gut gewesen. Dulacre hatte zwar Zorros ultimatives Training unnötigerweise unterbrochen – es waren doch hauptsächlich innere Blutungen gewesen, also nichts zum drüber aufregen – aber dafür hatte Zorro dann plötzlich die Gelegenheit gehabt, gegen den roten Shanks höchstpersönlich zu kämpfen und das war… echt cool gewesen. Aber, obwohl der Samurai Zorro versprochen hatte, dass sie am Tag darauf weitertrainieren würden, war daraus nichts geworden, weil Jiroushin plötzlich aufgetaucht war, irgendetwas wegen irgendeiner Versammlung gequatscht hatte, Ray im Arm, nur um am Tag darauf wie ein Sterbenskranker im Bett zu bleiben. Zorro wusste, dass noch ein paar Tage Schonfrist für seinen Körper vielleicht gar nicht schlecht waren, aber ihm fehlte die Ruhe dafür, und selbst das komplizierte Übergangstraining, was Dulacre sich für Zorro überlegt hatte, damit er seinen weiblichen Körper besser trainieren konnte, hatte im Endeffekt ausfallen müssen, weil Zorro Ray und Jiroushin auf deren Heimatinsel begleitet hatte – natürlich als Loreen, sonst wäre es wohl an Bord des Marinetankers etwas schwierig geworden – und auch, wenn Lirin eine freundliche Gastgeberin war, so war Zorro doch wirklich entnervt und froh gewesen, als der Tag endlich zum Ende gekommen war und er sich hatte zum Hafen aufmachen können, wo der Samurai ihn aufsammeln sollte. Und genau das war der Grund, warum er wirklich angepisst war. Die Sonne war schon lange untergegangen, es war dunkel, der Horizont nicht mehr als eine blutrote Linie, die das nachtschwarze Meer vom ebenso dunklen Himmel trennte. Und Dulacre war nicht da! Zorro war wirklich alles andere als gut gelaunt. Er starrte das Meer an, auf dem Steg, wo er stand, die Arme verschränkt, versucht, sich zu verwandeln und einfach los zuschwimmen, aber brav wartete er, während der Samurai sich seine Zeit ließ. Freiwillig – mehr oder weniger – hatte Zorro den vor sich hinleidenden Vizeadmiral und dessen Kleinkind begleitet, er hätte es nicht gemusst, es war ein Gefallen gewesen. Daher konnte er das schlecht jemand anderem zur Last legen. Aber es nervte ihn, wie viel Zeit er verlor, wieder mal, mitten in einem Training, was sie nur unterbrochen hatten, weil Zorros anderer Körper zu schwach gewesen war. Er war unzufrieden, er war wütend und sein inneres Monster machte es nicht besser. Die Ungeduld in seiner Magengegend war kaum auszuhalten. Er musste weiterkommen, stärker werden. Er durfte nicht noch mehr Zeit verschwenden, er musste trainieren, er musste… Da sah er es, endlich sah er das kleine Sargboot, was zügig auf den Hafen zusteuerte und ohne drüber nachzudenken, rannte Zorro los und sprang mit all seiner Kraft in diesem schwächlichen Körper vom Steg ab. Doch er hatte sich verschätzt, die Wut hatte ihm unnötige Kraft gegeben und er hatte die Entfernung nicht richtig wahrgenommen. Beinahe flog er über das kleine Schiff hinweg. „Uah!“ Aber wie zu erwarten, packte eine starke Hand seinen Oberarm und so baumelte Zorro über dem Wasser, in das er nur nicht gefallen war, weil der Samurai rechtzeitig aufgesprungen war. „Was soll das denn werden?“, fragte ebendieser mit einem herablassenden Schnauben. „Du bist spät dran!“, knurrte Zorro, als der andere ihn auf Deck zog. „Du wolltest vor Sonnenuntergang hier sein! Du hast gesagt, wir würden heute…“ Laut stöhnte Dulacre auf und ließ sich auf seinen Thron fallen. „Könntest du nur ein einziges Mal damit aufhören?“, herrschte er nun Zorro an mit ausufernden Armbewegungen. „Ich weiß! Ich weiß! Jede Sekunde, die du nicht trainieren kannst, ist eine Zumutung für dich. Und alles in deinem Leben dreht sich um deine Crew und deinen Traum, alles andere muss sich dem unterordnen. Aber tut mir ja leid, doch wir Erwachsenen haben diesen Luxus nicht! Es gibt auch andere Dinge, die manchmal einen Plan zerwerfen, und um die wir uns kümmern müssen, egal wie sehr uns das missfallen mag.“ Zorro war absolut nicht bereit, dieses Mal klein beizugeben. „Aber du hast…“ „Es tut mir leid, dass ich zu spät bin!“, fuhr der andere ihn an, während sich das Sargboot wieder in Bewegung setzte. „Es tut mir leid, dass du warten musstest und ich unsere Abmachung nicht eingehalten habe. Aber das ist alles, was ich bereit bin, heute einzugestehen, Lorenor. Ich verstehe deine schlechte Laune, aber damit kann ich mich heute nicht auch noch herumschlagen. Also hör auf, dich wie ein unerzogenes Gör zu beschweren und akzeptiere die Fakten. Morgen ist die Sitzung und bis dahin sind deine Probleme ausnahmsweise mal nicht der Dreh- und Angelpunkt meines Denkens. Ob es dir passt oder nicht, wenn du von mir unterrichtet werden willst, dann musst du dies jetzt einfach aushalten.“ Dulacre lehnte sich in seinem Stuhl zurück und verschränkte die Arme, schloss die Augen. Viel mehr seiner Mimik konnte Zorro im flackernden Licht der Sargkerzen kaum ausmachen. Zorro war wütend und sah absolut nicht ein, sich wieder mal zurückzunehmen, nur weil der andere einen schlechten Tag hatte – schließlich war er nicht derjenige gewesen, der Babysitter für ein furchtbar wehleidiges und jammerndes Baby hatte spielen müssen, und Ray war ja auch noch dabei gewesen – aber gerade, als Zorro den Mund öffnete, hob der andere eine Hand. „Sei so wütend wie du willst, aber es wird heute keine Diskussion geben. Ich bin müde, also sei so gut und strafe mich mit Schweigen.“ Seine Fäuste zitterten, er war drauf und dran dem anderen eine reinzuschlagen und er wusste, dass Dulacre das wusste, spüren konnte. Wollte er Zorro provozieren? Wollte er, dass Zorro dieser Wut nachgab? War das hier wieder mal ein Spiel mit doppeltem Boden und gezinkten Karten? Oder war es einfach nur ein Streit? Oder waren sie beide einfach nur von der derzeitigen Situation angepisst und konnten nichts dran ändern, sodass sie es am jeweils anderen ausließen? Aufschnaubend ließ Zorro sich zwischen den Kerzen auf die niedrige Balustrade fallen, brachte das Boot zum Wanken. Er wusste es nicht und es war ihm auch egal. Dann eben so, bekam dieser Mistkerl halt sein Schweigen, ihm doch egal. Selbst Yorus beständiges Summen konnte ihn nicht besänftigen. Er wollte nicht auf das Schwert hören. Natürlich ergriff es Partei für den Mistkerl, der es Blut schmecken ließ, und Zorro wollte davon nichts hören. Vor einer Woche hätte die derzeitige Situation ihn vielleicht nicht so sehr aufgeregt, aber nach dem Kampf gegen Shanks… es war frustrierend, so unglaublich frustrierend. Er rieb sich mit beiden Händen durchs Gesicht, durch die Haare, hielt sich den steifen Nacken, sah zum Himmel mit unzähligen Sternen hinauf. Wie konnte es dem Samurai egal sein? Er hatte es doch auch gesehen! Was Zorro in diesem Moment gespürt hatte! Was er getan hatte! Im Kampf gegen Shanks, dank Yoru! Warum also? Warum also brannte er nicht genauso wie Zorro darauf, dass sie endlich weitertrainieren würden? Oh. Verdammt! „Urgh!“ Wenn Zorro so darüber nachdachte, dann war er benahm er sich gerade wie ein richtiger Mistkerl. Wobei, nein, der Samurai war der Mistkerl, aber Zorro war der Vollidiot, der nicht zwischen den Zeilen lesen konnte, und sich daher kein Stück besser verhielt. „Sorry“, stieß er zwischen zusammengepressten Zähnen also hervor, weigerte sich jedoch, den anderen anzusehen, sondern starrte mit verschränkten Armen aufs Meer hinauf, „war nicht so gemeint.“ Doch er bekam noch nicht mal eine Antwort! „Arroganter…!“ Er war eingeschlafen. Dulacre saß mit verschränkten Armen auf seinem Thron, der Kopf zur Seite gelehnt, die Augen geschlossen, der Mund leicht geöffnet, gleichmäßig am Atmen. Langsam hockte Zorro sich wieder hin und in Stille setzte das kleine Sargboot seinen Weg fort.   Als das Sargboot dem kleinen Anlegehafen von Sasaki nahekam, stand der Samurai auf, als wäre nichts gewesen, verließ das Boot und vertäute es, ehe Zorro sich ebenfalls erhob und von Bord ging. Er wunderte sich kurz, warum sie nicht den etwas längeren Umweg ums Dorf herumgingen – was er bevorzugte, weil um diese Uhrzeit noch recht viele Leute unterwegs waren, die ihn in seiner derzeitigen Gestalt natürlich alle grüßten, worauf er überhaupt keinen Bock hatte – aber er hielt den Mund. Die Situation war immer noch beschissen, aber er wollte nicht erneut einen Konflikt heraufbeschwören; er hatte nicht das Gefühl, dass es derzeit irgendetwas bringen würde. Mit einem hatte der Samurai zumindest Recht, egal was war, vor dem Ende der Versammlung würde Zorro diese Insel hier nicht verlassen können, also brachte es nichts, sich drüber aufzuregen. Mittlerweile hatten sie das kleine Städtchen hinter sich gelassen und gingen durch den dunklen Wald, gemächlichen Tempos. Doch kaum hatten sie den Wald verlassen und konnten in der Dunkelheit die einzelnen Lichtpunkte ausmachen, welche die Nähe des alten Herrenhauses verkündeten, da eilte bereits eine dunkle Gestalt auf sie zu. „Junger Herr!“ Es war die Haushälterin der Familie Mihawk, die fast schon panisch ihnen entgegenkam. „Da seid Ihr ja, ich habe mir schreckliche Sorgen gemacht!“ „Kanan, bitte, senken Sie Ihre Stimme, Sie sind zu laut.“ „Ihr hättet doch nicht mehr auslaufen müssen, junger Herr. Ich hätte eines meiner Kinder schicken können.“ Nun stand sie vor ihnen, zerknüllte die Schürze zwischen ihren Händen. „In Eurem derzeitigen Zustand sich allein auf hohe See zu begeben, ist äußerst gefährlich.“ „Hören Sie auf so einen Unsinn zu…“ „Zustand?“, hakte Zorro nach und sah misstrauisch zwischen den beiden anderen hin und her. „Was ist hier los?“ „Nichts ist los“, knurrte der Samurai mit einer verwerfenden Handbewegung. „Kanan übertreibt mit ihrer unnötigen und absolut unangebrachten Sorge. Es ist wirklich…“ „Junger Herr, vergebt mir, aber ich muss widersprechen. Ein Blinder könnte sehen, wie schlecht es Euch geht, und wenn Cho Jiroushin erkrankt ist, dann…“ „Lassen Sie dieses Ammenmärchen“, murrte der andere und schritt an der Haushälterin vorbei. „Nur weil Jiroushin und ich einmal in frühester Kindheit gleichzeitig erkrankt waren – wie die halbe Insel überdies – müssen Sie nicht jedes Mal eine solche Szene machen, wenn dessen Immunsystem wieder mal versagt.“ Den ganzen restlichen Weg zum Herrenhaus stritten die beiden über irgendwelche Kinderkrankheiten, die Dulacre gehabt oder eben nicht gehabt hatte. Zorro begutachtete währenddessen den Samurai, als sie in den hell erleuchteten Flur traten. Doch er konnte nichts sehen, was laut Kanan selbst für einen Blinden offensichtlich war. Dulacre sah aus wie immer, blasse, harte Gesichtszüge, unterstrichen von seinem gestutzten Bart und seinen perfekt angelegten Haaren, stechende Augen, die auf Kanan herabsahen, ein weißes Hemd, mit viel zu vielen Rüschen. Nichts an ihm sah in irgendeiner Form so aus, als wäre der Samurai krank oder auch nur angeschlagen, insbesondere nicht im Vergleich zu Jiroushin, dem ein Soldat hatte Hühnerbrühe füttern müssen, nachdem Zorro sich entschieden geweigert hatte. „Wie dem auch sei“, unterbrach der Samurai nun wieder Kanan, „ich muss noch einiges für morgen vorbereiten. Das Abendessen kann ohne mich stattfinden, ich möchte einfach nur meine Ruhe haben.“ Dann wandte er sich Zorro zu: „Mir ist gleich, in welcher Gestalt du dich hier aufhalten möchtest, aber vergiss bitte nicht, dass wir nicht auf Kuraigana sind. Sei achtsam, verstanden?“ Zorro hob nur eine Augenbraue an, entgegnete aber nichts. War ja nicht so, als hätte der Samurai ihn mit dessen besten Freund mitgeschickt, nur für den Fall, dass etwas passieren würde, wohl wissend, dass Zorro sich dann im Zweifel hätte verwandeln müssen. Da ihm nicht wirklich etwas anderes übrigblieb, folgte er Kanan in die Küche und half ihr beim Kochen – also er saß dabei und sie redete unablässig darüber, wie schlecht der Samurai aussah und dass er ins Bett gehörte – ehe sie zu Abend aßen und Zorro dann eigentlich nur noch schlafen wollte. Der Tag war nervig gewesen und er hoffte, dass der kommende besser werden würde. Er hatte sich schon verwandelt und umgezogen und stand nun im Bad des Gästezimmers und konnte sehen, wie sein Spiegelbild über ihn urteilte. Die ganze Situation nervte ihn, dass ihm wieder Tage verloren gingen und er hier auf Sasaki abwarten musste, bis der Samurai seinen Mist geregelt hatte, nervte ihn. Dass er nicht trainieren konnte, nervte ihn. Aber es war nicht das erste Mal, dass solche Dinge passierten, gerade wenn Eizen ihn einforderte, waren es immer mehrere Tage, die wegen irgendetwas Unwichtigem draufgingen, und hier schien es zumindest etwas Wichtiges zu sein. Aufstöhnend gab er nach, blieb kurz vor der Türe stehen, aber er hatte sich bereits entschieden. Also klopfte er an und trat ins Arbeitszimmer des Samurais. Dieser war soeben aufgestanden und schien eine Vielzahl von Unterlagen zu ordnen. „Lorenor, was kann ich für dich tun?“, fragte er, offensichtlich überrascht, und ließ die Papiere in seinen Händen sinken. „Ich hoffe doch, du möchtest mich jetzt nicht noch zu einer Trainingseinheit überreden. Wenn dies deine Absicht sein sollte, dann…“ „Komm mal runter“, murrte Zorro und winkte ab. „Ich bin nicht hier zum Streiten, okay?“ „Und warum dann?“ Dulacre fuhr mit seiner Tätigkeit fort. „Wenn Kanan dich geschickt hat, dann Nein, danke, ich bin nicht hungrig und…“ „Niemand hat mich geschickt, ich will auch nicht diskutieren, ich will nur…“ Zorro zögerte, als er langsam die Türe hinter sich zuzog, dann seufzte er erneut auf. „Sorry, wegen der letzten Tage. Weiß gar nicht, was los ist, warum ich so gereizt bin, aber ich hab mich im Ton vergriffen, hätte ich nicht tun sollen.“ Mit großen Augen sah der Samurai ihn an, ehe er schließlich lächelnd den Kopf schüttelte und weiter Papiere sortierte und wegräumte. „Wieder einmal verblüffst du mich, Lorenor, dabei verstehe ich deine Anspannung sehr wohl.“ „Ach?“ Nun war Zorro der Überraschte. „Natürlich. Es würde nicht für dich sprechen, wenn du nach deinem Kampf gegen den roten Shanks diese verschwendeten Tage geduldig abwarten würdest. Nein, ich verstehe dich sehr gut, glaube mir, und ich wünschte, ich müsste nicht wertvolle Zeit mit Verwaltungstätigkeiten vergeuden.“ Zorro zuckte mit den Schultern, eher stutzig von dem gemäßigten Ton des anderen. „Schon okay, scheint ja was Wichtiges zu sein, oder? Kanan hat gesagt, es geht um irgendeine Gruft oder so? Sie sagte, du könntest das nicht einfach so entscheiden, sondern musst die anderen Stimmberechtigten überzeugen. Warum? Bist du nicht der Herr der Inseln, ich dachte, dein Wort ist hier Gesetz?“ „Ich wünschte, es wäre so“, seufzte Dulacre auf und räumte mehrere Ordner weg. „Aber leider geht es in diesem Fall um uralte Entscheidungen, die meine Vorfahren gefällt haben und die ich nicht einfach ignorieren kann. Ich muss einen sehr schmalen Grat gehen, um meinen Willen durchzusetzen, ohne dabei meine Autorität als Mihawk selbst zu untergraben. Am sinnvollsten kann ich dies erreichen, wenn ich schlicht die einfache Mehrheit erziele. Ach, Demokratie kann so unnötig sein.“ All diese Worte ergaben für Zorro wenig Sinn. Aber er hatte ja schon öfters festgestellt, dass politische Strategien nicht unbedingt logisch waren. „Und worum genau geht’s?“, fragte er stattdessen. „Ach, um nichts Interessantes. Die Familie Mihawk ruht seit jeher in einer Gruft auf dem Friedhof der Insel Suzuno. Dabei werden normalerweise die sterblichen Überreste aufgebahrt, damit die Überlebenden ihnen die Ehre erweisen können.“ Der Samurai schwieg für einen Moment und wandte sich dann den dunklen Fenstern zu. „Aber weder meine Mutter noch meine Schwester konnten geborgen werden. Es gibt für sie einen Gedenkstein auf dieser Insel hier, damals von der Bosatsu-Familie errichtet, aber kein Grab in der Gruft. Dies möchte der Vorstand des Friedhofes und die Vertreter der Gläubigen nun ändern, aber ich halte nichts davon, nur aus einer Farce heraus leere Särge in einer Gruft aufzubahren und dafür den Gedenkstein zu entfernen. Darüber hinaus ist man sehr erbost, dass ich nicht beabsichtige, selbst dort in dieser Gruft aufgebahrt zu werden. Als wohl letzter der Mihawks sei es gewissermaßen meine Pflicht, als Schutzpatron dieser Inseln; fast schon ein bisschen scheinheilig, nicht wahr?“ „Bisschen morbid über das eigene Grab zu diskutieren“, murmelte Zorro nur nachdenklich. „Pragmatisch, aber deshalb nicht weniger nervtötend. Diese Gruft ist ein Zeichen der Vergangenheit und die Vorstellung, dass mein Körper dort einbalsamiert zwischen anderen Toten liegt, widert mich regelrecht an. Selbst mein Vater beabsichtigt, auf dem Friedhof der Marinesoldaten beerdigt zu werden und auch, wenn ich es nicht gerne sage, so stimme ich ihm zu: Es ist an der Zeit, diese Gruft zu schließen. Aber ich kann nicht so einfach Mihawk Yakumos Wort widersprechen, welches fast schon gottgleich gilt. Es ist äußerst frustrierend.“ Zorro stimmte nur wortlos zu. Er verstand nicht wirklich viel von diesen Dingen, verstand nicht, warum es überhaupt eine Diskussion gab und warum Dulacre diese überhaupt führen musste, aber eines verstand er. „Du willst, dass das Grab deiner Mutter und deiner Schwester hier auf dieser Insel verbleibt und ihre Totenruhe nicht gestört wird, oder?“ „Kannst du dir etwas Ehrloseres vorstellen, als in einer Schlacht zu fallen, nur damit irgendwelche Robenträger eine Puppe von dir anfertigen lassen und diese in eine Gruft neben vertrockneten Leichnamen aufstellen? Es ist entwürdigend. Und dann noch nicht mal auf ihrer Heimatinsel, was für eine respektlose Farce.“ Laut schnaubte er auf. „Jiroushin hat Recht, dass hier politische Finesse gefragt ist, aber es erzürnt mich durchaus, dass sie sich überhaupt wagen, einen solchen Vorschlag auf die Agenda zu schreiben. Fast schon so dreist, wie die verdeckte Forderung an mich, den Inseln einen Erben zu bescheren.“ Dann wandte er sich um. „Aber dies soll nicht deine Sorge sein. Ich werde morgen am frühen Mittag aufbrechen, es wird vermutlich spät werden. Nutze die Zeit, wie du magst, und dann werden wir hoffentlich dein Training bald wieder aufnehmen können.“ Er stellte sich wieder an seinen Schreibtisch und ordnete einen kleinen Stapel an Blättern, den Zorro als Notizen einer Rede erkannte. „Mir gefällt dein Ansatz, Lady Loreen mehr in den Fokus zu nehmen und diesen Nachteil so klein wie möglich zu halten. Ich werde mir dazu noch weitere Gedanken machen, wie wir dies entsprechend in deinem ultimativen Training umsetzen können.“ „Mhm“, machte Zorro nur und streckte die Hand nach den Notizen aus, die der Samurai ihm mit fragendem Blick reichte. „Willst du mir mal vortragen?“ „Wie bitte?“, fragte der andere mit einem leichten Lachen nach. „Was soll das denn? Weder hast du Interesse an diesem Thema, noch muss ich meine Reden üben. Im Gegensatz zu dir bin ich ein Naturtalent und kann äußerst überzeugend sein.“ Zorro rollte mit dem Auge. „Und das wird genau der Grund sein, warum es schief geht. Du sagst es selbst, du bist wütend und siehst es überhaupt nicht ein, jemanden erst überzeugen zu müssen. Außerdem bist du einfach ein arroganter Arsch und wenn deine Rede auch nur halb so herablassend ist, wie du sonst redest, dann wird die Hälfte der Leute rein aus Prinzip gegen dich stimmen. Das hier scheint wichtig zu sein, also solltest du sichergehen, dass du es nicht mit deinem Riesen-Ego kaputt machst.“ Er begegnete diesem Blick, genoss fast schon, dass der Samurai nicht wusste, ob er fassungslos oder wütend reagieren sollte. Dann schnaubte er auf. „Du würdest die Hälfte der Worte doch nicht mal verstehen.“ „Genau wie die andere Hälfte der Leute, die abstimmen werden.“ „Warum solltest du das überhaupt tun? Es bringt dir nichts.“ „Es bringt mir noch weniger, wenn du durchdrehst, weil du deinen Willen nicht bekommen hast.“ Aufstöhnend packte Dulacre seine Notizen, die Zorro noch hielt. „Na meinetwegen, aber beschwer dich später nicht, und wehe du schläfst ein.“ Zorro wusste selbst nicht genau, warum er es tat, aber er saß da, während Dulacre seine Rede hielt, tatsächlich ein geborener Redner, ganz anders als Zorro selbst. Und Zorro hörte zu, bemühte sich, zu verstehen, zu begreifen, das zu tun, was Dulacre, Eizen und Rihaku ihm versucht hatten, beizubringen. Er hörte die Rede insgesamt vier Mal, nur wenige Worte anders, nur wenige Korrekturen, die er anzumerken hatte und noch weniger, die der Samurai akzeptierte, aber Zorro selbst musste gestehen, dass er beeindruckt war, obwohl es um etwas ging, was ihn absolut nicht interessierte. „Nun gut, ich denke, wir sollten es für heute gut sein lassen. Ich danke dir, Lorenor. So werde ich hoffentlich etwas bescheidener wirken.“ „Bescheiden? Nein, nie. Du klingst nicht mehr ganz so sehr wie ein selbsternannter Gott, aber das war es auch schon.“ Er streckte sich und betrachtete gähnend seinen eigenen Steckbrief, der immer noch dort an der Wand hing. „Sag mal, hat Kanan Recht?“ „Womit?“, bemerkte der andere abwesend, raschelte hinter Zorro mit seinen Blättern. „Sie sagte, du wärest krank.“ „Ach, Unsinn!“, schnaubte der andere laut auf. „Sie dramatisiert unnötig. Du brauchst diesem Gerede keine Beachtung zu schenken.“ Mit den Händen hinterm Hinterkopf verschränkt, wandte Zorro sich zu ihm um. „Mal ehrlich, ja, auf mich wirkst du wie immer, aber eben bist du während der Fahrt eingepennt, ohne Vorwarnung. Und du hast die vergangenen Tage wenig geschlafen und mit Jiroushin - der am Tag drauf aussah wie ne Leiche - für Stunden in der Bibliothek gehockt. Also?“ Er hielt diesem berechnenden Blick unbeeindruckt stand. „Ich bin nicht krank“, antwortete Dulacre schließlich, „aber ich gebe zu, dass ich erschöpft bin und etwas Schlaf benötige. Daher, wenn du keine Einwände mehr hast, würde ich mich nun auch gerne zu Bett begeben.“ Zorro zuckte nur mit den Schultern und folgte dem anderen nach draußen. Auch er wollte endlich schlafen gehen.   Am nächsten Morgen starrte er die Zimmerdecke mit den weißen Verzierungen an und überlegte, ob er überhaupt aufstehen sollte. Aber dann dachte er an den Trainingsraum und erhob sich doch mühselig. Gähnend verließ er schließlich das Gästezimmer und lief beinahe in Kanan hinein, die gerade den Flur entlang eilte. „Ach, Guten Morgen, Schätzchen“, flüsterte sie. „Kanan, was ist denn los?“ Kurz blieb sie stehen und Zorro konnte ihr ansehen, dass sie besorgt war. „Der junge Herr ist noch nicht aufgestanden“, erklärte sie nach einem Seufzen. „Auch, wenn er es nicht wahrhaben möchte, es geht ihm nicht gut, und er sollte in diesem Zustand weder eine Reise noch eine Ratssitzung auf sich nehmen. Aber natürlich wird er nicht auf mich hören.“ Jetzt, da sie es sagte… es war wirklich ungewöhnlich. Auf Kuraigana mochte der Samurai gerne bis in den Nachmittag hineinschlafen, aber auf Sasaki stand er normalerweise immer früh – verdammt früh! – auf, warum auch immer. Jetzt war es sogar schon später als seine gewohnte Zeit auf Kuraigana, wenn Zorro von seinen Laufrunden zurückkam. Zorro brauchte nur eine sehr lange Sekunde, um eins und eins zusammenzuzählen, und fällte zähneknirschend eine Entscheidung. „Kanan“, meinte er und sah die Haushälterin an, „können Sie veranlassen, dass mich irgendwer zur Ratsitzung heute bringt?“ Ihre Augen wurden groß. „Aber… aber, Kindchen…? Das wird der junge Herr niemals zulassen.“ „Das lassen Sie mal meine Sorge sein. Wenn er nicht reisen kann, werde ich es an seiner Stelle tun, aber dafür brauche ich Ihre Hilfe.“ Er erstarrte fast, als sie ihm unvermittelt die Wange streichelte, ein mütterliches Lächeln auf den Lippen. Er hatte es nie leiden können, wenn sie ihm so begegnete, aber er wusste auch nicht, wie er sich dem entziehen konnte. „Du bist wirklich lieb.“ „Schwachsinn“, murrte er und schritt dann den Gang hinunter. Einmal klopfte er an, dann trat er ein. Dulacre saß in seinem Bett, einen Arm auf dem aufgestellten Bein abgelegt, und rieb sich durchs Gesicht. Nichts an ihm wirkte wirklich anders als sonst, er wirkte nicht krank, wenn überhaupt erschöpft, was durch die Augenringe noch unterstrichen wurde. „Lorenor, was ist denn?“, fragte er und sah ihn an. „Du weißt, dass ich heute keine Zeit für dich habe.“ „Mhm“, machte Zorro nur und zog die Türe hinter sich zu. Er hatte das Gefühl, dass diese stechenden Augen doch etwas glasiger wirkten, und irgendwie vertraute er Kanans Aussage mehr als der des Samurais. Vielleicht weil er selbst ebenfalls jemand war, der aus Prinzip nicht krank wurde und wegen so einem Unsinn geschont werden wollte, aber vielleicht auch, weil er wusste, was für ein verdammt stolzer Lügner der andere war. „Ich hab dir was zu sagen und du wirst es nicht mögen.“ „Ach, ist das so?“, kam es vom anderen misstrauisch, der noch nicht mal Anstalten machte, aufzustehen. „Ich werde für dich heute zu dieser Ratssitzung reisen.“ „Wie bitte?“ Zorro verschränkte die Arme. „Ja, bin da auch nicht glücklich drüber, aber…“ „Was für einen Unsinn denkst du dir gerade zusammen, Lorenor? Hör auf, meine Zeit zu verschwenden und…“ „Du bist krank“, unterbrach Zorro ihn. „Vor mir magst du es verbergen können, aber Kanan hat Recht. Du bist auf dem Sargboot eingeschlafen, du hast heute verschlafen. Und du sagst mir immer, dass man sich schonen soll, wenn man nicht fit ist, also wirst du heute genau das tun und ich…“ „Du unverschämtes Gör!“ Nun riss der andere doch seine Decke zur Seite und stand auf. „Was erlaubst du dir eigentlich? Einfach so irgendwelche Behauptungen…“ „Hey!“ Zorro machte schon einen Schritt nach vorne, die Hände ausgestreckt. Für einen ganz kurzen Moment wankte der Samurai, dann packte er die Lehne seines Lesestuhls und schloss kurz die Augen, atmete tief ein. „Behauptungen also?“, hakte Zorro mit hochgezogener Augenbraue nach. „Mach dich nicht lächerlich. Mir geht es…“ „Du bist derjenige, der sich lächerlich macht.“ Zorro stellte sich vor den anderen. „Sei nicht so ein Sturkopf, du Mistkerl, dir geht es nicht gut, egal wie gut du es verbergen kannst.“ Dulacre stierte ihn nieder. „Selbst wenn du Recht hättest, ich habe keine Wahl. Ich muss heute dorthin, habe ich das nicht gestern deutlich genug gemacht?“ „Nein, der Grabstein muss bestehen bleiben, aber das heißt nicht, dass du derjenige sein musst, der die Stimmberechtigen überzeugt.“ Er konnte sehen, wie der andere ihn eher fassungslos anstarrte. „Seien wir doch mal ehrlich, du bist kein Sympathieträger, aber die Leute mögen Lady Loreen. Ja, ich mag mit deinen Redekünsten nicht mithalten können, aber ich weiß, worum es geht, und ich kenne deine Argumente, ich kenne deine Rede. Ich weiß, wie man das echte Ziel nicht aus den Augen verliert über das politische Verhandeln hinweg. Wahrscheinlich liegen meine Chancen, die anderen zu überzeugen, besser als deine.“ Einen Atemzug war es absolut still zwischen ihnen. „Warum bietest du das überhaupt an?“, kam es dann vom anderen. „Du hasst solche Auftritte, warum also solltest du das tun?“ „Ist das nicht offensichtlich?“, murrte Zorro. „Wenn du wirklich nicht gut dran bist und es einfach weiter verschleppst, dann bist du morgen wahrscheinlich richtig krank und dann müssen wir das Training um noch mehr Tage nach hinten verschieben. Ich kann heute eh nicht wirklich viel Sinnvolles tun, aber wenn ich das mache, kannst du dich ausruhen und wir können morgen weitertrainieren. Außerdem musste ich wegen Eizen diesen ganzen Mist doch sowieso lernen, dann kann ich dieses Wissen doch auch mal für was Wichtiges einsetzen, dann hat es sich wenigstens gelohnt.“ Zorro war nicht ansatzweise so überzeugt davon, wie er sich gab. Aber seine Entscheidung war gefallen. „Ich werde es hinbekommen. Kanan kann mir eine Mitfahrgelegenheit besorgen und mir ein passendes Kleid raussuchen. Deine Argumente sind logisch und die Leute mögen Lady Loreen, und ich komme in Diskussionen nicht wie ein arroganter Arsch daher, deshalb werden die Leute lieber mit mir diskutieren als mit dir.“ Er wusste noch nicht mal, warum er den Samurai dazu überreden wollte, sich selbst diesen Mist aufladen musste, aber es stimmte schon. Er wollte trainieren, so schnell wie möglich, und dafür musste Dulacre fit sein. Und auch, wenn er es nicht laut sagen würde, so wäre dies eine Möglichkeit für ihn, sich für die Hilfe des anderen zu revanchieren. Aus scharfen Augen begutachtete der andere ihn, schwieg, zeigte, dass er zumindest ernsthaft über Zorros Worte nachdachte. „Jiroushin wird dich nicht begleiten können. Herr Koumyou steht in dieser Debatte auf neutraler Position und gehört zu denen, die überzeugt werden müssen. Seine Frau mag zur Debatte zugelassen werden, aber sie hat kein Stimmrecht und darf somit nicht aktiv teilnehmen. Du wirst also niemanden haben, der ein Fehlverhalten deinerseits decken könnte. Niemand wird da sein, solltest du…“ „Das ist mir klar. Ich weiß, dass wenn ich das mache, dann wird niemand mir helfen können, und ich weiß, dass ich erfolgreich sein muss.“ Er grinste. „Aber vergiss nicht, dass ich Pirat bin, diese Friss-oder-Stirb-Momente sind genau mein Ding.“ Erneut schwieg der andere für mehrere Sekunden. „Du erwartest ernsthaft, dass ich so ein Vertrauen in dich setze, trotz deiner lückenhaften Bildung und deines nicht vorhandenen Redetalents? Solltest du scheitern, würde ich dir das nie verzeihen; wobei es natürlich mein Fehler wäre, deinem Vorschlag überhaupt zuzuhören.“ Ja, als wäre das Zorro nicht bewusst und er war wirklich nicht so überzeugt von seiner Idee, aber er hatte nun mal entschieden, es durchzuziehen, jetzt konnte er auch keinen Rückzieher mehr machen. „Es wäre nicht das erste Mal, dass du mich unterschätzen würdest.“ Noch einen langen Moment sah der andere ihn an, dann atmete er tief durch und schritt einfach an Zorro vorbei. „Hey!“ „Kanan!“, rief er den Gang hinunter. „Junger Herr!“ Fast augenblicklich tauchte sie am Treppenabsatz auf und kam hergeeilt. „Ignorier mich nicht ein…“ „Haben Sie Lorenors Mitfahrgelegenheit bereits geregelt?“ „Natürlich, Herr.“ Der Samurai seufzte. „Nun gut, Sie werden ihn begleiten.“ „Aber, Herr, ich…“ „Ich vertraue darauf, dass Sie sicherstellen, dass Lorenor sicher von dieser Reise zurückkehrt, ohne sich zu verraten – oder zu verlaufen.“ Auf ihr stummes Nicken hin, deutete er den Gang entlang Richtung Arbeitszimmer. „In meiner Schreibtischschublade liegt eine Vollmacht, welche Lady Loreen bestätigt, in meinem Namen handeln zu dürfen. Sorgen Sie dafür, dass diese neben allen weiteren notwendigen Unterlagen vorliegt.“ „Natürlich!“ Sie wandte sich um und eilte von dannen. Zorro sah den anderen an, welcher erneut tief einatmete, ehe er zu Zorro hinabsah, harte Gesichtszüge, nichts an ihm wirkte gerade in irgendeiner Art nicht absolut überlegen. Aber Kanan musste Recht haben, sonst hätte der Samurai nie im Leben zugestimmt. „Zieh dich um und mach dich abreisebereit. Danach komm her, ich habe nur eine knappe Stunde, um dich vorzubereiten, beeile dich also.“ „Du weißt schon, dass der Sinn ist, dass du dich ausruhen sollst?“ Wortlos winkte Dulacre ab und ging zurück in sein Zimmer. In was für eine Scheiße hatte Zorro sich nun wieder reingeritten?   Spät kamen sie zurück, sehr spät, bis weit nach Mitternacht hatte die Sitzung gedauert und im Verhältnis zu all den Verhandlungen, auf die Zorro Eizen hatte begleiten müssen, war diese hier… es war der reinste Kindergarten gewesen, ganz ehrlich. Zorro hatte sogar etwas gelernt, und zwar, dass kommunale Politik scheiße war. Er hatte ja Sorge gehabt, dass es auffliegen würde, dass er absolut keine Ahnung hatte, aber sehr schnell hatte er kapiert, dass er tatsächlich mehr Ahnung hatte als mindestens die Hälfte der Anwesenden, und das war schon echt traurig gewesen, wenn man bedachte, dass er nur irgendein Kerl aus dem East Blue war. Als er Dulacre damals zur Jahreshauptversammlung der fünf Inseln begleitet hatte, war es ihm nicht wirklich aufgefallen – vermutlich, weil er kaum etwas verstanden hatte – aber die meisten dieser Möchtegernpolitiker wussten noch nicht mal, wovon sie sprachen, und hielten oft einfach aus Prinzip an ihrer Meinung fest. Es war wirklich anstrengend gewesen, so viele erwachsene Leute, die nicht in der Lage waren, einander aussprechen zu lassen, und immer lauter wurden, um einander zu übertönen. Dagegen waren selbst die Diskussion in seiner Crew gesittet und sie waren nie gesittet. Er hätte wirklich gerne jemandem eine reingehauen – gerade dieser Typ, dessen einziges Argument gewesen war, dass es halt immer so gemacht wurde, und er es deshalb besser fand - aber Zorro hatte sich zurückgehalten – worauf er echt stolz war – und nach einer langwierigen Diskussion mit viel falschen Lächeln und abertausenden Wiederholungen hatte er es dann gepackt. Allerdings hatte er vorher eben nicht darüber nachgedacht, dass auf diesen Sitzungen mehr als nur ein Thema besprochen wurden, von dem Rest hatte er natürlich noch weniger Ahnung gehabt, und so war es ein sehr langer Tag geworden. Aber dafür hatte er sich jetzt sein Training sowas von verdient! Kanan hatte ihn überredet, die Nacht noch zu bleiben, und nicht gleich aufzubrechen, aber am nächsten Tag würden sie dann endlich loslegen. Zufrieden schritt er durchs dunkle Herrenhaus, ganz überrascht, dass Dulacre nicht unten in seinem Sessel auf ihn gewartet hatte, wie er es doch sonst für gewöhnlich tun würde, gerade bei einem so wichtigen Thema. Also hielt er vorm Schlafzimmer des Samurais inne, ehe er schließlich leise anklopfte und die Türe öffnete. Im Licht des Mondes konnte er die Silhouette des anderen sehen, sein beständiges Atmen füllte die Stille, er war noch nicht mal aufgewacht. Kopfschüttelnd schloss Zorro die Türe wieder, er würde ganz gewiss nicht am Bett des anderen sitzen, bis dieser aufwachte, da konnte er doch viel besser selbst etwas pennen.   Am nächsten Morgen wachte Zorro spät auf und wieder mal war niemand da. Kanan sah er draußen beim Holzhacken und da Mantel und Hut fehlten, ging er davon aus, dass auch der Samurai das Haus verlassen hatte. Erst war es Zorro egal, aber irgendwann wurde er ungeduldig, also entschied er, ins Dorf zu gehen, wo er den anderen vermutlich finden würde. Aber er landete nicht beim Dorf, sondern irgendwann später tief im Wald bei den Klippen, wo er schon mal gewesen war, damals, als er für Kanan hatte einkaufen gehen sollen. Und dort saß Dulacre, an der Klippe, vor einem Grabstein. „Habe ich dir nicht gesagt, du sollst in dieser Gestalt vorsichtig sein?“, fragte er, als Zorro näher kam, ohne aufzusehen. „Upps, sorry, vergessen.“ Hinter dem anderen blieb er stehen, sah den Grabstein an, las die Inschriften. „Ich hab’s geschafft“, sagte er ruhig. „Natürlich. Ich hätte dich nicht gehen lassen, wenn ich auch nur den leisesten Zweifel daran gehabt hätte, dass du erfolgreich sein würdest.“ „Sicher.“ Er verschränkte die Arme und schwieg. Damals hatte er nicht darüber nachgedacht, warum hier an diesem Ort ein Grabstein stand. Er konnte sich nicht erinnern, dass der Samurai diesen Ort vorher je erwähnt hätte und gewiss gehörte er nicht zu den Menschen, die oft ein Grab besuchten. „Wie geht es dir?“ „Besser, auch, wenn ich immer noch recht erschöpft bin“, kam eine überraschend ehrliche Antwort. „Es tut mir leid, dass du so viel Zeit für dein Training verloren hast.“ „Schon okay, das hier war wichtig.“ So stand er da und starrte das weite Meer an. „Ja, das hier war wirklich wichtig“, antwortete Dulacre schließlich. „Danke, Lorenor.“ Zorro sah zu dem anderen hinab und verschränkte dann die Arme, ehe er den Blick wieder abwandte, seine Wangen unangenehm warm. „Gern geschehen.“     Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)