Die Tür von Fux1 ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Die Tür sah unscheinbar aus. Braun, groß, normal eben. Das einzig ungewöhnliche an ihr war, dass sie eigentlich nicht dort hingehörte. Hinter dieser Wand war nichts, oder sollte zumindest nichts sein. Und bis vor kurzem war dort auch noch keine Tür gewesen. Aber Türen konnten doch nicht einfach so erscheinen, oder? Neugierig geworden schlug der Junge die Bettdecke zur Seite und rutschte mit den nackten Füßen auf den Boden. Dann tapste er näher, zu der Wand, an der eine Tür war, die dort nicht sein sollte. Wo kam sie her? Und wieso war sie hier? Was war dahinter? All diese Fragen schossen dem Jungen durch den Kopf, während er die Hand an das Holz legte. Sie fühlte sich warm an, fast, als würde sie pulsieren, als würde sie leben. Der Junge hatte jedoch keine Angst, sondern blickte nur fasziniert zu ihr auf. Jetzt musste er erst recht wissen, was dahinter war. Als er sich jedoch streckte, um an die Türklinke zu kommen, musste er feststellen, dass diese viel zu weit oben war. Noch gab er aber nicht auf, sondern zog sich seinen Schreibtischstuhl heran, um darauf zu klettern. Jetzt müsste er doch darankommen. Doch wieder war die Klinke zu weit oben. Der Junge sammelte nun ein paar Kissen, um die restlichen Zentimeter zu überbrücken, doch auch als er auf die Kissen stieg, blieb der Abstand zur Klinke gleich. Verwirrt zog er die Augenbrauen ins Gesicht und stellte sich dann in einem letzten Versuch auf die Zehenspitzen, um doch noch daran zu kommen. Mit seiner Bewegung wuchs jedoch auch die Klinke in die Höhe. Der Junge gab auf und setzte sich in sein Bett, um zu überlegen, die Tür weiterhin im Blick. Wenn er nicht darankam, indem er Hilfsmittel benutzte, so konnte sein Vater die Tür ja vielleicht öffnen. Der käme auch ohne Stuhl an die Klinke. Das Problem war nur, dass es mitten in der Nacht war, und sein Vater hasste es, nachts geweckt zu werden. Wenn er ihn nicht verärgern wollte, blieb ihm wohl nur übrig, bis zum Morgen zu warten. oOo Der Junge hatte sich extra seinen Wecker gestellt, damit er nächsten morgen früh genug aufwachte, um seinen Vater noch zu erwischen, bevor dieser zur Arbeit musste. Jedoch war dies gar nicht mehr nötig, denn als der Jungen an die Wand sah, an der gestern noch die Tür geprangt hatte, so war sie heute wieder verschwunden. „Unmöglich“ entkam es ihm. Sicherheitshalber ging er zur Wand und tastete sie ab. Vielleicht war sie ja nur versteckt, oder wechselte die Farbe? Aber so gründlich er auch suchte, er fand sie nicht mehr. Dort war kein Holz, sondern nur Putz unter seinen Händen. „Gestern Nacht is' plötzlich 'ne Tür in meinem Zimmer aufgetaucht“, erzählte er beim Frühstück. „Sie war ganz warm, aber jetz' is’ sie wieder verschwunden.“ Seine Mutter warf ihm nur einen kurzen Blick zu, während sie ein Glas vor ihm abstellte und wandte sich dann wieder der Zubereitung des Essens zu. „Was für 'ne Tür denn?“ Ihr Sohn hatte wirklich seltsame Träume. „Das weiß ich ja gerade nich'! Ich konnte sie nich' öffnen, die Klinke war zu weit oben!“ Er streckte demonstrativ die Hände in die Luft, um seine Anstrengungen zu verdeutlichen. „Die war ungefähr … ungefähr so weit oben, wie Papa groß is'“, erklärte er dann, einen Finger an das Kinn gelegt. „Ich dacht' er könnt' sie aufmachen, aber dann war sie weg.“ „Dann hat sich das ja erledigt“, schlussfolgerte seine Mutter nur. „Nich' für mich“, erwiderte der Junge und nahm einen Schluck aus seinem Glas. Er würde schon noch rausfinden, wohin die Tür verschwunden war. oOo In der Nacht legte sich der Junge zwar in sein Bett, aber er hatte nicht vor, einzuschlafen. Vielleicht tauchte die Tür ja wieder auf und wenn sie es tat, wollte er sehen, woher sie kam. Er wartete also, doch an der Wand regte sich nichts. Während die Zeit so voran Schritt, wurden seine Augenlieder immer schwerer und letzten Endes musste er doch eingeschlafen sein, denn er schreckte erst wieder auf, als er plötzlich eine zarte Stimme hörte, die nach irgendjemanden rief. Nanu, in seinem Zimmer war doch niemand, außer er selbst? Noch verschlafen blickte er sich um und stockte dann, als ihm erneut die Tür ins Auge fiel, die dort nicht sein sollte. Sie war also doch wiedergekommen! Aber was war mit der Stimme? Hatte er sich diese nur eingebildet? Er stand auf und legte ein Ohr an die Tür, konnte aber nichts Ungewöhnliches hören. „Hallo?", rief er dann einfach selbst. "Is' da jemand?" Eine Weile lang passierte nichts und er wollte sich schon wieder von der Tür lösen, als doch noch ein zaghaftes "Hallo?", von der anderen Seite erklang. Der Junge stockte und presste sein Ohr wieder gegen das warme Holz. "Ja?! Wer is' da?" Befand sich hinter der Tür also jemand? Und wenn, wer? Etwa ein Alien oder ein Monster? Dabei war er der festen Überzeugung gewesen, dass es so etwas nicht gab. Genauso wenig sollte es aber Türen geben, die plötzlich auftauchten und wieder verschwanden. Das unbekannte Wesen antwortete aber nicht mehr. "Sag doch was. Ich tu dir auch nich's." Es dauerte wieder eine Weile, aber dann kam ein leises "Wirklich?" zurück. Vielleicht war es doch kein Alien, es klang eher wie ein Mädchen. "Kann ich doch auch gar nich', es is' doch 'ne Tür zwischen uns und ich kommt nich' an die Klinke." Dies schien sie überzeugt zu haben, den nun war ihre Stimme deutlicher lauter. "Und wer bist du? Und warum is' diese Tür in meinem Zimmer?" "Das versuche ich gerade rauszufinden. Ich heiße Heiji und du?" Wieder dauerte es quälend lange, bis sie antwortete, sodass der Junge schon fast dachte, dass sie einfach gegangen war. "Kazuha." "Kazuha, huh? Das klingt gar nich' nach 'nem Monster." "WIE BITTE?!" Heiji erschrak heftig, als sie plötzlich so losschrie und bohrte dann in seinem schmerzenden Ohren. Was war denn in die gefahren? "Ich bin doch kein Monster, du Idiot!!" Heiji ließ sein Ohr wieder los und blickte genervt zur Tür. "Und woher sollt ich das wissen? Ich kann dich ja schlecht sehen." "Bin ich eben nich'!", erwiderte sie nur beleidigt. "Das is' kein Argument. Außerdem haste doch bestimmt dasselbe von mir gedacht." "Hab' ich nich'"; behauptete sie. "Sonst könnteste nich' mit mir reden." "Ach und warum bitte nich'?" Heiji ging es gegen den Strich, dass er angeblich der einzige gewesen sein sollte, der die Existenz von Monstern doch kurz in Erwägung gezogen hatte. Dabei glaubte er an so etwas ja sonst auch nicht. Waren doch nur Kindergeschichten. "Ganz einfach, wennde 'n Monster wärst, hätt dich mein Talisman schon vertrieben." Heiji blinzelte überrascht, dann brach er in schallendes Gelächter aus. "'N Talisman? Du glaubst echt, dass sowas hilft?" Die war ja doch abergläubischer als er. "Nein, ich weiß es!", feuerte sie nun wahrlich erbost zurück. Scheinbar hatte er da wohl irgendwie einen wunden Punkt getroffen. "Also hör auf, darüber zu lachen, du Idiot!" "Dann hör du auf, mich 'n Idioten zu nennen!" "Dann lern du mal netter zu sein!" "Ich bin nett!" "Biste nich'!" "Du bist doch diejenige, die mit Beschimpfungen um sich wirft!" "Du hast mich 'n Monster genannt!" "Das is' aber schon ewig her!" Ihr Streit wäre sicher noch für eine Weile so weitergegangen, wenn es in diesem Moment nicht an Heijis Zimmertür geklopft hätte – seiner richtigen Zimmertür. "Was schreiste mitten in der Nacht so rum, Heiji?" Seine Mutter war im Türrahmen erschienen und blickte ihn strafend an. "Dein Vater und ich versuchen zu schlafen und du solltest auch schon längst im Bett sein." "S-sorry, ich hab' nur-" Er deutete dann auf die Tür in der Wand. "Da is' die Tür, von der ich heut' morgen erzählt hab'." Seine Mutter warf nur einen kurzen Blick dorthin, schien aber unbeeindruckt. "Dort is' nich's und jetz' leg dich wieder ins Bett. Morgen musste zur Schule." "Aber da is' doch die Tür!" Heiji presste nun aufgeregt die Hand dagegen. "Siehste sie denn nich'?" "Los jetzt." Seine Mutter blickte ihn streng an. Heiji zog nachdenklich dich Augenbrauen ins Gesicht. Sie konnte die Tür nicht sehen? "Das bringt nich's", hörte er Kazuha durch die Tür wispern. "Ich hab' gestern auch versucht meinem Vater die Tür zu zeigen, aber er hat nur behauptet, da sei nich's." Also war seine Vermutung wohl richtig. "Ich will's nich' nochmal sagen müssen, Heiji." Der Ton seiner Mutter war bedrohlich tiefer geworden, weswegen er lieber gehorchte und zurück ins Bett schlüpfte. Vorerst. Kaum war seine Mutter aber wieder verschwunden, hockte er erneut bei der Tür. "Hast du denn schon versucht, die Tür selbst zu öffnen?" "Ja, aber die Klinke is' zu weit oben." Heiji nickte. "Und wenn man sich 'nen Stuhl nimmt, wächst die Tür mit." "Wie sieht es denn auf deiner Seite aus?" "Normal eben." Er blickte sich in seinem Zimmer um und überlegte, was er davon ihr beschreiben sollte. "Ich hab'n Bett und 'n Schrank mit Spielsachen. 'N Schreibtisch—" "Nich' sowas. Ich will wissen, was es bei dir so für Sachen gibt. Gibt's Feen? Oder so 'ne riesig große Katze mit gaaaanz breitem Grinsen? Oder Drachen?!" Heiji verzog hinter der Tür das Gesicht. "Schwachkopf. Sowas gibt's doch gar nich'." "Hör auf, mich schon wieder zu beleidigen!" Kazuha hätte diesem Idioten am liebsten die Zunge rausgestreckt, aber das könnte er ja gar nicht sehen. „Ja-ja, sorry.“ Heiji lehnte nun mit dem Rücken gegen die Tür und überlegte. Wenn sie die nicht aufbekamen, dann konnten sie wohl wirklich nur miteinander reden, um rauszufinden, was es damit auf sich hatte. „Jedenfalls, scheint die Tür also nur an einen anderen Ort auf der Erde zu führen.“ Warum sie da war, erklärte das aber immer noch nicht. „Also ich wohne in Osaka und du?“, gab Kazuha sofort bereitwillig preis. „Osaka, echt?!! Ich auch!“ Dann konnte er die Tür ja auch von der anderen Seite in Augenschein nehmen. „Wo wohnst’e genau?!“ „Ähm, ich weiß nich‘, ob ich das sagen darf.“ „Komm schon, dann erzähl ich dir auch meine Adresse. Du willst doch sicher auch wissen, wasses mit dieser Tür auf sich hat, oder nich‘?“ Eine Weile lang schwieg Kazuha wieder, aber dann siegte doch ihre Neugier und sie gab sie ihm. Heiji sprang sofort auf und lief zu seinem Schreibtisch, um die Information in sein Notizbuch einzutragen. „Das is‘ gar nich‘ so weit weg! Wer weiß, vielleicht mach ich dich sogar zu meiner Assistentin!“ „Assistentin?“, fragte Kazuha verwirrt. „Genau! Ich bin nämlich Detektiv!“ Diesmal war sie es, die lachte. oOo Oh Heiji würde ihr schon beweisen, dass er ein echter Detektiv war, aber von Angesicht zu Angesicht. Deswegen befand er sich nun auch auf seinem Fahrrad und radelte die Strecke entlang, die zu dem Bezirk führte, in dem Kazuhas Haus stand. Es war ein kleiner Bezirk und auch ihr Haus wirkte klein, im Gegensatz zu dem Anwesen, in dem er aufwuchs. Sie hatten nicht mal einen Garten. Heiji stellte sein Fahrrad an einer Mauer ab, dann suchte er das Klingelschild mit ihrem Namen darauf. "Toyama … Das muss hier doch irgendwo sein." Zu seiner Verwunderung jedoch, entdeckte er keinen solchen Namen. Ob er die Schriftzeichen einfach noch nicht richtig deuten konnte? Oder sie hatte ihm einen falschen Namen genannt. Schlussendlich beschloss er einfach zu klingeln und sich nach ihr durchzufragen. Als erstes machte ihm eine ältere Dame auf, aber die kannte keine Kazuha und das, obwohl sie hier schon seit 50 Jahren wohnte. Auch der Mann, der ihm danach aufmachte, wusste nichts über die Toyamas. Es war wie verhext. Nachdem Heiji genug Leute befragt hatte, sodass er sich sicher sein konnte, dass Kazuha hier nicht zuhause war, stieg er wieder auf sein Rad und fuhr zurück. oOo "Warum haste mich belogen?", fragte er abends direkt. "Belogen?" Sie tat auch noch so, als wüsste sie davon nichts. "Die Adresse, die du mir gegeben hast, die war falsch." "Is' sie nich'!", protestierte Kazuha. "Is' sie wohl! Ich war da und niemand dort wusste etwas von den Toyamas oder einer Kazuha!" Heiji fühlte sich verraten, schließlich hatte er ihr auch seine Adresse genannt. "Dann warst'e am falschen Ort, die Adresse stimmt jedenfalls. Außerdem bist du's, der mich angeschwindelt hat." "Bitte?" Sie hatte nun auch noch die Nerven, IHN zu beschuldigen? "Ich hab' deine Adresse wirklich aufgesucht, aber dort gab's kein Haus mit Mauer drum. Und auch kein Tor oder 'n Schild mit deinem Namen drauf." "Unsinn, mein Haus is' so groß, das kann man gar nich' übersehen! Du musst dich verfahren haben." "Ich hab' mich nich' verfahren!" Also tauschen sie die Adressen noch einmal aus, aber es waren immer noch dieselben. Die beiden schwiegen eine Weile. Später meinte Kazuha vorsichtig: "Meinst du, unsere Osakas unterscheiden sich voneinander? Das es dein Haus in meinem nich' gibt und umgekehrt?" "Aber das is' unmöglich." An so etwas wollte Heiji nicht glauben. "So unmöglich wie 'ne Tür zwischen unseren Zimmern?" Heiji blickte wieder zur Klinke hinauf und musste sich eingestehen, dass Kazuhas Erklärung, in Anbetracht dieser Tür, gar nicht so weit hergeholt klang. "Das heißt, wir können uns erst treffen, wenn wir dies Tür öffnen können", stellte er fest. Kazuha nickte und schickte schnell ein "Ja" hinterher, als sie sich daran erinnerte, dass er diese Geste ja nicht sehen konnte. "Nur wie sollen wir sie öffnen, wenn die Klinke immer außer Reichweite is'?" "Vielleicht is' sie das ja nur, solange wir Hilfsmittel benutzen, um an sie ranzukommen, oder uns strecken? Vielleicht können wir sie öffnen, wenn wir groß genug sind?" "Also müssen wir bis dahin warten?" "Scheint so." Heiji lehnte seinen Kopf an die Tür und dachte nach, aber eine bessere Lösung fiel ihm nicht ein. Wenn sie nicht darankamen und ihre Eltern die Tür nicht sehen konnten, dann mussten sie Wohl oder Übel warten. "Aber wir reden so lange miteinander, oder?", fragte Kazuha hoffnungsvoll. "Jeden Abend", bestätigte Heiji Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)