Arkham School for Wayward Teens von ReptarCrane ================================================================================ Prolog: -------- Ivy hatte geahnt, dass die Sache schiefgehen würde, auch, wenn sie versucht hatte, diese Zweifel zu ignorieren. Zwei oder drei Mal hatte sie angemerkt, dass das Risiko womöglich höher war, als sie glaubten, dass es Sachen gab, die sie unmöglich beeinflussen und die ihnen somit zum Verhängnis werden könnten, und dass sie sich das Ganze vielleicht doch noch einmal überlegen sollten… Doch damit war sie bei Selina auf taube Ohren gestoßen. Nicht, dass Ivy davon wirklich überrascht gewesen wäre – sie kannte ihre Freundin bereits seit Jahren, wusste, wie stur sie war wenn es um ihre geliebten Tiere ging. Nichts konnte Selina dazu bringen, zu ignorieren wenn unschuldigen Kreaturen Leid zugefügt wurde. Das war einer der Gründe, weshalb die beiden sich so gut verstanden. Sie waren Naturschützerinnen mit Leib und Seele, hatten gemeinsam an Demos teilgenommen und ehrenamtlich im Tierheim ausgeholfen. Ivy hatte Selina überredet, vier Wochen der langersehnten Sommerferien einem Projekt zu widmen, bei dem sie Bäume pflanzten um dem Stadtbild Gothams ein wenig Grün zurückzugeben, und im Gegenzug hatte Ivy Selina auf eine Reise nach Europa begleitet, wo sie gemeinsam mit einer Tierschutzorganisation ungefähr drei duzend herrenlose Hunde in einer vor der Schließung stehenden Tötungsstation gerettet hatten. Ja, Ivy war für gewöhnlich immer dabei, wenn es darum ging, etwas gutes für Tiere oder Pflanzen zu tun. Das hier jedoch war einfach ein ganz anderes Kaliber gewesen. “Wenn wir erwischt werden, sind wir wirklich dran”, hatte sie gemurmelt, während sie sich alle Mühe gegeben hatte, mit Selina Schritt zu halten, deren Wendigkeit und Akrobatikkünsten sie weit unterlegen war. Selina hatte ihr bloß einen Blick zugeworfen – ihren typischen “Noch ein Wort, und ich kratze dir die Augen aus”-Blick, der normalerweise für aufdringliche Typen reserviert war und den Ivy selbst bisher noch nie abbekommen hatte -, hatte sich die Kapuze ihrer Kunstlederjacke tiefer ins Gesicht gezogen und sich wieder dem Schloss zugewandt, das es zu knacken galt. Falls sie auch nur annähernd so nervös wie Ivy gewesen war, so war ihr nichts davon anzumerken gewesen. Es war Ivy zunehmend schwerer gefallen, ruhig zu bleiben, und sie hatte sich selbst für diese Tatsache gehasst. Verdammt, sie war normalerweise alles andere als zurückhaltend, gab alles, um ihre Prinzipien zu vertreten und das, was ihr wichtig war, zu schützen. Und jetzt stand sie hier und musste gegen den Drang ankämpfen, einfach wegzurennen. Ihre Gedanken waren ein wirres Knäuel aus Wortfetzen gewesen: “Wahnsinnig – renn- sofo- nicht das-“. Nichts davon hatte wirklich Sinn ergeben, doch die eigentliche Message war klar gewesen: Ihr Verstand legte es mit aller Kraft darauf an, Ivy dazu zu bringen, zu verschwinden. Doch das hatte sie nun einmal schlichtweg nicht tun können. Nicht bloß, weil sie damit die armen Tiere in dem Versuchslabor, dessen Türen Selina gerade so verzweifelt zu überwinden versuchte, einfach im Stich gelassen hätte. Da war auch noch der mindestens ebenso schwerwiegende Fakt, dass Selina Kyle ihre beste Freundin war. Ein Klacken hatte Ivy aus ihren von Panik geprägten Gedanken gerissen, gefolgt von dem gezischten Ausruf Selinas: “Ja! Endlich!” Ein Gefühl der Erleichterung hatte Ivy überschwemmt wie eine Flutwelle, während sie zugesehen hatte, wie die schwere Metalltür sich öffnete, ohne dabei einen laut von sich zu geben, wie Selina sich aufrichtete und ihre Kleidung zurechtzupfte, bereit, in das Innere des Gebäudes vorzudringen, das sie bisher bloß aus ihren eigenen, finstersten Vorstellungen kannten, die auf den Erfahrungen basierten die sie bei ihren bisherigen Unterfangen in diesem Bereich gesammelt hatten… Diese Erleichterung in Ivy hatte vielleicht ein, zwei Sekunden angehalten. Dann hatte eine Stimme die Stille der Nacht durchschnitten und sowohl sie als auch Selina in der Bewegung innehalten und zusammenzucken lassen, sie beide damit erstarren lassen wie Rehe im Scheinwerferlicht: “Keinen Schritt weiter, ihr Punks. Die Cops sind schon auf dem Weg, aber verdammt, das hält mich nicht davon ab, im Zweifel selbst zu schießen!” “Ich hasse es, recht mit meinen Befürchtungen zu haben”, war es Ivy durch den Kopf geschossen, während sie sich umgedreht hatte um den Wachmann zu betrachten, der, eine Taschenlampe an seiner Brusttasche und eine Pistole in beiden Händen haltend vor ihnen stand. “Ich hasse, hasse, hasse es!” Kapitel 1: Die Insel -------------------- Der Tag war ausgesprochen schön. Am tiefblauen Himmel war keine Wolke zu sehen, die Temperatur lag bei angenehmen 20,5 Grad Celsius, und selbst auf dem Wasser war der Wind kaum mehr als eine milde Brise. Ein Wetter, wie es ausgesprochen ungewöhnlich war für Gotham. Ed war es vollkommen gleichgültig, wie das Wetter war. Oder, besser: Er hätte es bevorzugt, wenn es, wie so häufig in dieser Stadt, grau und regnerisch gewesen wäre, so dass er nicht das Gefühl gehabt hätte, dass die strahlende Sonne höhnisch auf ihn herabsah und ihn verspottet. Eds Laune war so ziemlich das Gegenteil von strahlend. Er war selten wirklich gut drauf, dazu war er viel zu schnell genervt von allen möglichen Dingen um ihn herum, und überhaupt gab es nicht viel in seinem Leben, was ihm Grund dazu gegeben hätte, fröhlich zu sein – doch an diesem Tag hätte er am liebsten jedem Menschen, der sich auch nur durch sein Blickfeld bewegte, den Hals umgedreht. Leider war ihm das nicht möglich. Nicht bloß, dass jemandem den Hals umzudrehen ein körperlich weitaus anspruchsvolleres Unterfangen war als Filme einem den Eindruck vermittelten, und Ed mit seiner schmächtigen Gestalt maximal dazu in der Lage gewesen wäre, jemandem eine mittelmäßig schmerzhafte Ohrfeige zu verpassen. Das weitaus größere Hindernis, das zwischen ihm und der Auslebung seiner Frustration stand, stellten die beiden Sicherheitsleute dar, die die Überfahrt vom Festland bis zu der Insel eine knappe Meile vor der Stadt mit starren Blicken überwachten. Egal wohin Ed auch ging – nicht, dass sein Bewegungsspielraum auf der Fähre sonderlich umfangreich gewesen wäre – heftete sich einer der beiden sofort an seine Fersen. Vielleicht befürchteten sie, er würde sich von Bord stürzen wollen um den zu entgehen, was ihn dort auf der Insel erwarten würde, die am Horizont immer größer wurde. Ein verlockender Gedanke, aber Ed war einfach nicht der Typ für Suizid. Was für eine Verschwendung seines Potenzials und Genies das doch gewesen wäre! Mit einem Seufzen wandte Ed den Blick wieder dem Notizbuch zu, das auf seinem Schoß lag. Einer seiner Begleiter hatte zu Beginn ihrer Reise einen Blick auf die Seiten geworfen, nur, um mit einer Mischung aus Verständnislosigkeit und Spott den Kopf zu schütteln bei den kryptischen Zeichen, die die Seiten des DinA 5-Heftes zierten, derart eng beschrieben, dass sie teils beinahe zu einer einzigen Masse verschmolzen. Natürlich hatte er nicht verstanden, was es dort zu sehen gab. Ed war noch nie jemandem begegnet, der es verstanden hatte, und genau genommen auch niemandem, der es ernsthaft versucht hatte. Es war frustrierend, wie desinteressiert seine Mitmenschen an seinen Ideen und Gedanken waren – aber man gewöhnte sich daran, wenn man erst einmal akzeptiert hatte, dass man nun mal nur von Idioten umgeben war. “Na los, Nashton! Aufstehen!” Die Stimme des Sicherheitsmannes, plötzlich direkt hinter ihm, ließ Ed innerlich zusammenzucken. Wieder war da das Bedürfnis, aufzuspringen und dem Mann die Hände um den Halt zu legen, zuzudrücken, bis sein Gesicht sich rot verfärben und die Augen aus seinen Höhlen treten würden… Gedanken dieser Art waren in letzter Zeit irgendwie immer häufiger geworden. Natürlich war Ed klar, dass er das nicht tun konnte – jemanden zu erwürgen war eine Sache von Minuten, und es war harte Arbeit, und selbst, wenn jemand theoretisch bereits nach zehn Sekunden das Bewusstsein verlieren und somit keine Gegenwehr mehr leisten konnte, glaubte er nicht, dass der durchtrainierte Mann ihm diesen Gefallen tun würde. Also drehte Ed sich lediglich um, musterte den Mann mit kühlem Blick, und entgegnete: “Ich sagte doch, Sie sollen mich Nigma nennen! Nicht Nashton!” Er hasste es, diesen Namen zu hören, musste er doch bei seinem Klang unwillkürlich an seinen Vater denken, etwas, was er nur zu gerne vermied. Aber natürlich verstand der Sicherheitsmann das nicht, oder falls doch, war es ihm egal. “Nashton ist aber nun einmal dein Name”, entgegnete er ungerührt. “Meinetwegen kannst du dich selbst Mickey Maus oder Darth Vader nennen, aber ich werde das nicht tun!” Ed musste sich sehr zusammenreißen, dem Mann keine sarkastische Antwort an den Kopf zu werfen. Das zu tun hätte nichts weiter gebracht als dass die Unterhaltung sich weiter in die Länge gezogen hätte, und darauf hatte Ed wirklich keine Lust. Also klappte er sein Notizbuch wieder zu und schob es in seinen Rucksack, wobei er darauf achtete, dem Sicherheitsmann einige Sekunden lang demonstrativ den Umschlag zu präsentieren, auf dem in dicken Buchstaben “E. Nigma” geschrieben stand. Ein Name, den er, sobald er alt genug sein und das nötige Kleingeld zur Verfügung haben würde, offiziell annehmen würde. Ein Name, der viel besser zu ihm passte, als der, den er von seinem nichtsnutzigen Vater geerbt hatte, und der in Kombination mit seinem Vornahmen ein seinen Interessen angemessenes Worttspiel ergab. Nicht, dass Ed vielen Leuten zugetraut hätte, es zu verstehen. Für den Moment jedoch konnte er nichts weiter tun, als dem Sicherheitsmann zu folgen, zur gegenüberliegenden Seite der Fähre, die gerade am Steg der Insel anlegte. Die Insel, auf der Ed die nächsten Monate verbringen würde, ständig begleitet von den wachsamen Augen von Aufpassern, die dafür sorgen sollten, dass er nichts dummes anstellte. Als ob sie im Zweifel dazu in der Lage sein würden, ihn aufzuhalten. Hätte Ed es darauf angelegt, hätte er sogar schon auf der Fähre etwas anstellen können, was den Richter, der dafür verantwortlich war dass er nun hier war, seine Entscheidung, Ed nicht direkt in den Jugendknast zu werfen, aufs Tiefste hätte bereuen lassen. Bloß legte Ed es wirklich nicht darauf an, dass das passierte. Der Knast war kein Ort für ihn. Sicher, irgendwie wäre er zurecht gekommen, war er doch schließlich gut darin, Leute zu manipulieren und zu seinem Vorteil zu nutzen. Trotzdem war das Gefängnis eine Erfahrung, auf die er gut und gerne verzichten konnte. Als er jedoch, von den Sicherheitsleuten begleitet, an die Reeling trat und das Gebäude, das ungefähr die Hälfte der Insel für sich einnahm, von Nahem betrachtete, fragte er sich, wie groß der Unterschied zwischen seiner Strafe und einer gewöhnlichen Haft tatsächlich war. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)