Ter´nak Band 1: Wind von Drachenlords ================================================================================ Kapitel 4: Der silberne Fuchs ----------------------------- Ein fieser Sonnenstrahl ärgerte mich im Gesicht. Warum zum Teufel hatte ich den Rolladen nicht runtergelassen. Ich wollte noch nicht aufstehen, dafür war mein Traum viel zu schön. Etwas Schweres landete auf meiner Brust und ließ mich nach Luft japsen. Erschrocken riss ich die Augen auf und fand einen silbernen Fuchs auf meiner Brust sitzend vor. Der Kleine wedelte leicht mit dem buschigen Schweif, während er mich neugierig musterte. Ich blinzelte ihn an. Das alles war kein Traum! Einen Augenblick lang war ich in meinem alten Leben gewesen. Meine Gedanken schweiften ab. Ob es meinen Eltern und Freunden gut ging? Ob sie um mich trauerten? Eine unbekannte Leere erfasste mein Herz. Ich war allein. Allein in einer mir völlig unbekannten Welt. Die Menschen, die ich liebte, würde ich nie wieder sehen. Erst jetzt, nach all dem, was am gestrigen Tag passiert war, erfasste mich meine Situation mit Trauer. Plötzlich bellte der silberne Fuchs mit heller Stimme auf als wollte er mich aus meinen Gedanken holen. Rasch wischte ich mir die unbewussten Tränen weg. Es brachte nichts in der Vergangenheit zu verweilen. Kopf hoch und nach vorne sehen. Ich hatte eh noch mehr als genug zu tun. Gespielt fröhlich grinste ich mein neues Haustier an. »Guten Morgen, mein Kleiner.« Der Fuchs schnaubte und sah demonstrativ woanders hin. Was war denn jetzt los? War der Kleine etwa beleidigt? Sah ganz danach aus. Aber warum? Vielleicht sollte ich meinen Analyse-Skill zur Rate ziehen. Noch ehe ich etwas sagen konnte, erschien vor meinem geistigen Auge das Infofenster. Es genügte also daran zu denken, um meinen Skill einzusetzen. Das war echt praktisch. Rasch las ich mir die Infos durch. Name: (Namenlos) Geschlecht: weiblich Spezies: Fuchsgeist Beschwörer: Adrian Alter: 1 Tag Spezies Skills: Listig Extra Skills: Lockvogel Abwehr Skills: keine Jetzt verstand ich. »Oh, entschuldige bitte, junge Dame. Natürlich muss es meine Kleine heißen.« Die Füchsin sah wieder zu mir und nickte zustimmend. Offenbar verstand sie jedes meiner Worte. Ob das in dieser Welt normal war? Ich hob die rechte Hand und begann sie zu kraulen. Während sie sich schnurrend gegen meine Hand schmiegte, sah ich mir das Infofenster genauer an. Unter dem Begriff Lockvogel konnte ich mir noch etwas vorstellen, aber Listig? Was das wohl für ein Skill war? Schade, dass meine Analyse mir hier nicht weiterhelfen konnten. Erstaunt riss ich die Augen auf. Vor dem Infofenster öffnete sich ein Zweites, dort stand geschrieben: Listig passiver Skill Verbesserte Fähigkeit im Umgang mit Täuschungsmanövern. Egal ob mit einer Lüge, Finte, Falle oder Hinterhalt. Irgendwie passte das wie die Faust aufs Auge. Füchse waren schlau und listig. Das wusste doch jeder. Aufgeregt öffnete ich das Infofenster von Lockvogel. Dieses Mal handelte es sich um einen aktiven Skill. Er wirke also nur, wenn man ihn einsetzte. Der Effekt war, dass der Anwender in der Lage war die Aufmerksamkeit eines oder mehrerer Gegner auf sich zu ziehen. Bei einem Kampf würde dieser Skill sicherlich nützlich sein. Ich sah durch das transparente Fenster zu der Fuchsdame. Auch wenn ich sie erst seit kurzem kannte, würde ich es nicht zulassen, dass sie ihr Leben in einem Kampf riskieren würde. Dafür war sie viel zu klein und unschuldig. Ich musste ihr unbedingt noch einen Namen geben. Aber welchen? Nachdem ich das Interesse an den beiden Infofenstern verloren hatte, schlossen sie sich von selbst. Es war wohl eine Frage des Willens und der Übung. Angestrengt dachte ich nach. Silver. Belustigt kniff ich die Augen zu und streckte mir selbst die Zunge raus. Ne besser nicht, damit würde ich mich lächerlich machen. Viel zu einfallslos. Da kam mir eine Idee. Mit beiden Armen griff ich nach der Fuchsdame und hielt sie hoch. »Was hältst du von dem Namen Lucky?« Sie nickte mir begeistert zu. Damit stand es fest, von nun an würde sie Lucky heißen. Ein kurzer Blick in ihr Infofenster offenbarte, dass der Name bereits eingetragen war. Damit war es offiziell. Ich setzte Lucky wieder auf meine Brust, während ich nachdachte. Ob ich auch meinen eigenen Charakterbogen sehen konnte? Kaum hatte ich daran gedacht, erschien das gewünschte Infofenster. Soweit ich wusste, testeten Abenteurer in der Regel bei jedem Besuch der Gilde, ob sie neue Skills erhalten hatten. Dank meiner Analysefähigkeit konnte ich mir diesen umständlichen Weg sparen. Gleichsam schonte das meinen Geldbeutel. Fiona hatte wirklich Recht behalten. Dieser Skill war sehr nützlich. Ich warf einen kurzen Blick auf meine Informationen, während ich nebenbei Lucky streichelte. Schnurrend hatte sie sich auf den Rücken gedreht und ließ sich von mir den flauschigen Bauch kraulen. Sogleich fiel mein Blick auf meine Extra Skills. Wo zuvor zwei Fähigkeiten mit je drei Fragezeichen angegeben waren stand nun: Wiedergeborener und Magiefulminanz. Ich grinste die Decke an. Meine Analyse war demnach besser als das magische Pergament. Anschließend machte ich mich daran alles genauer zu untersuchen. Im Zusatzfenster meiner Klasse Magier, stand geschrieben, dass es sechs Elemente gab: Wind, Erde, Wasser, Feuer, Licht und Schatten. Das brachte mich nicht wirklich weiter, war aber gut zu wissen. Geknickt las ich den Infotext meines Ranges Novize. Wie nicht anders zu erwarten, war dies die unterste Stufe. Durch den Spezies Skill Entdecker hatte ich eine höhere Wahrscheinlichkeit Dinge aufzuspüren. Das galt zum Beispiel für Fallen und Geheimtüren, sowie Pflanzen oder Mineralien, ebenso wie für Feinde und Höhlen. Mein zweiter Spezies Skill Wissbegierde schien mir auch recht praktisch zu sein. Er erhöhte die Aufnahme von Wissen. Bei Wiedergeborener musste ich erstmal schlucken. Dieser Skill übersetzte automatisch alles, was ich hörte und las, in eine für mich verständliche Sprache. Zusätzlich wurde alles, was ich sagte oder schrieb in der Gemeinsprache wiedergegeben. Über eine etwaige Sprachbarriere hatte ich mir bisher keine Gedanken gemacht. Ich befand mich auf einem fremden Planeten. Natürlich sprachen die Einwohner eine andere Sprache. Dank diesem Skill war das schon mal kein Problem. Ich zuckte mit den Schultern und ging zum nächsten Extra Skill über, Magiefulminanz. Dieses Mal gab es viel mehr zu lesen. Ratlos kratzte ich mich mit der freien Hand an der Nase. Wenn ich das richtig verstand, dann erlaubte mir dieser Skill intuitiv jegliche Magie anzuwenden, vorausgesetzt ich verstand die Zusammenhänge dahinter. Mit dem letzten Satz der Erklärung konnte ich absolut nichts anfangen: [Der Konvergenz magischer Fähigkeiten steht allein die eigene Imagination im Wege.] Ich zermarterte mir das Hirn, und doch kam ich nicht weiter. Soviel zur automatischen Übersetzung von Wiedergeborener. Das Problem an der Sache war wohl, dass die Worte zwar in meiner Sprache geschrieben wurden, ich aber keinen Sinn ableiten konnte. Angestrengt versuchte ich mit Analyse diesen Passus zu übersetzen. Fehlanzeige. Dieses Mal öffnete sich kein weiteres Fenster. Deprimiert ließ ich die eingeblendeten Infos verschwinden und starrte die Decke an. Ganz so einfach war es dann wohl doch wieder nicht. Ein Spiel ohne Schwierigkeiten wäre auch langweilig. Aber das hier war kein Spiel. Es war meine neue Realität. Tot hieß Tot. Es gab keinen zweiten Versuch. Diese Tatsache sollte ich dringend im Hinterkopf behalten. Ein lautes Rumoren schreckte mich auf. Mein Magen hing mir in den Kniekehlen. Bei all dem neuen Wissen hatte ich das Frühstück vollkommen vergessen. Ich hob leicht den Kopf und sah zu Lucky, die es sich auf meinem Bauch gut gehen ließ. »Wollen wir einen Happen essen gehen?« Träge öffnete die Fuchsdame ein Auge und blinzelte mich an. Das sollte wohl soviel heißen wie: »Wenn es sein muss.« Bei diesem Satz stellte ich mir eine gelangweilte Stimme vor. Ja, das würde zu ihrem Blick passen. Ich nahm meine Hand von ihrem weichen Bauchfell. »Komm schon, hoch mit dir.« Um ihr Missfallen auszudrücken, ließ sich Lucky verboten viel Zeit beim Aufstehen. Erst als ich verärgert eine Augenbraue hob, beeilte sie sich. Leichtfüßig sprang Lucky auf den Boden. Dort angekommen streckte sie sich ausgiebig, wobei sie einen Katzenbuckel machte. Mit einem Gähnen entblößte sie ihre weißen, spitzen Zähne. Ich hoffte sehr, dass ich diese Mordwerkzeuge nie zu spüren bekommen würde. Beim Aufsetzen bemerkte ich etwas Glänzendes an meiner linken Hand. Es war der kleine Silberring. Ich runzelte die Stirn und setzte Analyse ein. Gegenstand: Ring des Fuchsgeistes Kategorie: ungewöhnlich Skills: Beschwörung / Rückzug Ich hob den Blick und sah zu Lucky. Anscheinend war sie an diesen Ring gebunden. Was wohl geschehen würde, wenn ich ihn abnahm? Gedacht getan. Lucky, die vor mir saß und mir aufmerksam zusah, begann zu glühen und löste sich in kleine Lichtpunkte auf. Eine Sekunde später war von ihr nichts mehr übrig. Soweit so gut. Ich legte den Ring wieder an. Nichts geschah. Mein Herz setzte einen Schlag aus, nur um dann doppelt so schnell zu pochen. Hatte ich mein Haustier umgebracht? Dann erinnerte ich mich an die beiden Skills, die der Ring mit sich brachte. Mit der Handfläche vor mich in die Luft deutend sagte ich laut: »Beschwörung.« Kleine Lichtpunkte erschienen und vereinten sich zu einer Masse. Ein Wimpernschlag später landete Lucky leichtfüßig auf den Holzdielen. Unbedachter Weise hatte ich sie gut einen halben Meter in der Luft materialisiert. Ihre kleine blauen Augen sahen mich tadelnd an. Das hatte ich wohl verdient. »Sorry«, meinte ich und grinste entschuldigend. Für meine Dummheit bekam ich sprichwörtlich die kalte Schulter gezeigt. Ich seufzte. Dann richtete ich meine Handfläche auf Lucky. Am Besten ich teste alle Skills. »Rückzug.« Ihr Kopf schnellte genau in dem Augenblick zu mir herum, in dem sie begann sich in Luft aufzulösen. Plötzlich stockte die Dematerialisierung. Die Lichtpartikel vereinten sich wieder. Zum Vorschein kam eine unglaublich verärgerte Fuchsdame. Mit gesträubtem Fell knurrte Lucky mich böse an. Sie hielt wohl nicht viel davon, so einfach weggeschickt zu werden. Das konnte ich ihr doch nicht übel nehmen. Mit einem Seufzen ging ich vor ihr in die Hocke und ergab mich meinem Schicksal. Ich streckte ihr meine Hand entgegen. »Entschuldigung. Wenn du mir verzeihst, dann verspreche ich dir, diesen Skill nur in Notfällen anzuwenden. Zum Beispiel, wenn dein Leben in Gefahr ist. Einverstanden?« Das Knurren erstarb, wobei sie mir misstrauisch in die Augen starrte. Mit einem Schnauben gab sie nach und kam auf mich zu. Während ich ihr mit der einen Hand über den Kopf streichelte, leckte sie schnurrend an meiner anderen. Damit war unser Deal besiegelt. Schnell säuberte ich mich notdürftig mit dem Wasser aus der Waschschüssel. Dabei erhaschte ich einen Blick auf mein Spiegelbild. Kurze, schwarze Haare umrandeten ein jugendliches Gesicht. Wie sechsunddreißig sah ich nicht mehr aus. Da hatte der Götterdrache doch tatsächlich die Uhr zurückgedreht und mich um gut fünfzehn Jahre verjüngt. Meine eigenen braunen Augen sahen mich musternd an. Für einen jungen Erwachsenen war ich ein wenig schlaksig, sah aber echt gut aus. Kein Wunder, dass Fiona versucht hatte mit mir zu flirten. Zufrieden mit meinem Antlitz, und ein wenig sauberer, sah ich mich suchend in meinem Zimmer um. Was sollte ich anziehen? Ob meine Robe schon trocken war? Wohl kaum, sonst hätte doch sicher jemand an meine Tür geklopft. Es half nichts. Ich musste wohl in Boxershorts gehen, mehr hatte ich nicht bei mir. Nebenbei packte ich noch die Zettel von der Gilde in meinen Seesack. Damit befand sich all mein weltlicher Besitz im Nimmervollen Beutel. Auf der Gangseite meiner Zimmertür fand ich - welch ein Glück - meine frisch gewaschene Robe, die ich sogleich überzog. Am besten ich achtete nicht so genau auf den leicht abgestandenen Geruch, der von dem Stoff ausging. Seife kostete offenbar extra - wenigstens waren die ekligen Blutflecken raus. Bewaffnet mit meinem Seesack und Lucky im Schlepptau, ging ich nach unten. * Wenig später saß ich im Schankraum, vor mir mein Frühstück in Form einer Schüssel Haferbrei. Für Lucky hatte ich kleine Fleischstücke geordert. Das Mobiliar hatte auch schon mal bessere Tage gesehen. Mein Stuhl wippte leicht und einige der Tische standen schief und krum. Die Sonne war vor einigen Stunden aufgegangen, es war fast schon zu spät für ein Frühstück, aber deutlich zu früh für das Mittagessen. Dementsprechend leer war der Schankraum. Fünf Tische mit rund zwanzig Stühlen, mehr gab es hier nicht. Hinter dem kleinen Tresen, dem Eingang gegenüber, stand Gisela. Ihren Namen kannte ich dank eines Blickes auf ihren Charakterbogen. Hin und wieder, wenn sie dachte ich würde es nicht mitbekommen, warf sie uns einen finsteren Blick zu. Bei der hatte ich wohl verschissen. Großartig. Wohl oder übel musste ich einen Weg finden mit Gisela auszukommen. Immerhin war dies das einzige Gasthaus in Meerblick und ich hatte vor noch eine Weile hier zu bleiben. Bevor ich weiter ziehen konnte, sollte ich mich mit meinen Skills, dieser Welt und ihren Regeln vertraut machen. Vielleicht genügte eine Goldmünze als Trinkgeld, um mir ihrer Gunst sicher zu sein. Leider beschlich mich das ungute Gefühl, dass das bei Weitem nicht reichen würde. Während ich aß ließ ich den Blick schweifen. Nebenbei setzte ich meine Skill Analyse ein. Es ging mir nicht darum in Erfahrung zu bringen wie alt oder sauber mein Besteck war, ich hatte andere Beweggründe. Ich spielte eine Weile lang herum und kam zu einigen Erkenntnissen. Um etwas zu analysieren, musste ich es sehen können. Wurde ein Objekt mit geöffnetem Infofenster von einem anderen verdeckt, verschwanden die Informationen. Als universellen Radar konnte ich diesen Skill schon mal nicht einsetzen. Nachdem ich den gedanklichen Befehl gab, analysiere alles was ich sehen kann, wurde mein Blickfeld von unzähligen Infofenstern überlagert. Es waren so viele, dass ich kaum in der Lage war auch nur ein Wort zu lesen. Das war aber ok. Das Ziel dieses Testes war etwas anderes. Im Anschluss gab ich einen weiteren stummen Befehl, blende alles aus, was mehr als einmal vorhanden ist. Schwub, und schon konnte ich mich wieder an der schäbigen Holzwand gegenüber ergötzen. Es war mir demnach möglich zu entscheiden, welche Fenster und Zeilen mir angezeigt wurden. Dieses Wissen war bare Münze wert, wenn es mal schnell gehen musste. In diesem Zusammenhang machte ich sogar noch eine weitere Entdeckung. Nahe am Tresen gab es eine lockere Holzdiele am Boden. Im allgemeinen nichts auffälliges, jedoch war das die einzige Diele im ganzen Raum, die den Zusatz [locker] besaß. Demnach war es nur logisch, dass dort etwas versteckt wurde. Das Was, interessierte mich dabei nicht sonderlich- bestimmt hatte sie dort ihre Drachmen versteckt. Ich freute mich lediglich darüber einen Weg gefunden zu haben, Verstecke aufzuspüren. Nach einigen weiteren Experimenten musste ich mir auf die Unterlippe beißen, um nicht laut zu lachen. Es war mir gelungen die angezeigten Infos mit einem Farbcode zu versehen. Wenn ich zu meinem Seesack sah, wurde mir der Name [Nimmervoller Beutel] von nun an in großen, goldenen Lettern angezeigt. Während hingegen so etwa wie ein Holzlöffel wesentlich kleiner und in grau dargestellt wurde. Wie in einem Spiel hatte ich mir eine Art persönliches Gegenstands-Bewertungssystem gebastelt. Mit nur einem Blick war ich nun in der Lage wertvolle Dinge zu erkennen. In Zukunft musste ich das noch weiter ausarbeiten und verfeinern. Für den Anfang war ich jedoch vollauf zufrieden. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)