Vanille Macchiato & Honigkuchen von Alaiya (Fanfic Adventskalender - Tag 5) ================================================================================ Chicago, 2084 ------------- „Ein Vanilla Macchiato für Noah“, rief Ziv. Sofort sprang Noah auf und ging zur Theke hinüber. Er bemühte sich, Ziv direkt anzuschauen, während seine Wangen zu brennen begannen. „Danke“, murmelte er, als er das hohe Glas etwas zu hektisch entgegen nahm und damit etwas von dem Getränk verschüttete. „Entschuldigung.“ Ziv lachte leise. „Alles in Ordnung.“ They schenkte ihm ein Lächeln. „Du wirkst heute ausgesprochen nervös. Steht irgendetwas besonderes an?“ Natürlich musste they sich auch so besorgt zeigen. Als ob es diese Sachen einfacher machen würde, wenn they so freundlich zu ihm war. Hastig schüttelte er den Kopf. „Nein. Nein. Ich …“ Was sollte er denn dazu sagen? Sein Gehirn arbeitete am heutigen Tag besonders langsam. Seine Zunge fühlte sich ganz lahm an, als er Ziv so ansah. They war ein wenig kleiner als er, hatte einen pink gefärbten Undercut und trug heute sehr weihnachtlich angehauchte Ohrringe: Einen Schneemann in einem Ohr, einen Weihnachtsbaum im anderen. Noah fiel keine passende Antwort ein. So hauchte er nur wieder „Entschuldigung“ und wandte sich ab. Ach, was war er nur für ein ungeschickter Dummkopf! Mit hängenden Schultern ging er zurück zu seinem Tisch, wo Ben auf ihn wartete. Dieser hatte eine Augenbraue gehoben, während er an seinem einfachen Tee nippte. „Versuch drei war ein weiterer Fehlschlag“, kommentierte er. Schwer seufzend ließ sich Noah auf dem Sessel ihm gegenüber nieder. „Sag nichts weiter. Bitte.“ Er bedeckte sein Gesicht mit den Händen. So ging das schon die ganzen Tage. Er hatte es jetzt mehrfach versucht mit Ziv zu sprechen, aber so richtig wollte es einfach nicht. Dabei war es zur Schulzeit noch viel einfacher geworden. Ben war ein kräftig gebauter, Schwarzer Mann, dessen Augen immer ein gewisses Funkeln innewohnte. „Ach, mein Schatz, mach dir keine Gedanken. Du brauchst halt jemand anderen, der den ersten Schritt macht.“ Noah schaute auf seinen Macchiato, an dessen Rand eine Spur von Kaffee und Milchschaum hinabgelaufen war. Wahrscheinlich hatte Ben damit Recht. Immerhin wären sie kaum zusammen, hätte Ben nicht irgendwann im Sommer den ersten Schritt gemacht. Bezüglich Ziv gab es allerdings ein Problem. „Ich weiß ja nicht mal, ob they mich überhaupt mag.“ „Komm, ihr seid immer gut miteinander ausgekommen, hast du gesagt.“ „Ja, gut ausgekommen. Halt als Klassenkameraden. Sowas eben.“ Ben lachte. „Du wirst nie erfahren, wie they von dir denkt, wenn du them nicht ansprichst.“ Noahs Blick wanderte zu Ziv hinüber, dier munter an der Theke damit beschäftigt war, die Expressomaschine zu reinigen. Irgendwie schien they immer so viel Spaß an allem zu haben. Es war ein kalter Wintertag. Draußen lag Schnee an den Straßenrändern und viele der Pflanzen auf den Dächern hatten ihre Blätter verloren oder waren anders in ihren Überwinterungsmodus gegangen. Es war eine Zeit, in der mehr Menschen als sonst in die Werkstätten kamen, um noch etwas zu basteln. Natürlich verschlug es den ein oder anderen danach in einen Coffeeshop wie diesen, um sich bei einem heißen Getränk aufzuwärmen. Noah war in den letzten zwei Wochen täglich hier gewesen – selbst an den Tagen, an denen Ziv sich theirer anderen Aufgabe zuwandte und in den Schulen Kochen lehrte. Sein Gedanke war, dass genug Routine gegen die Nervosität helfen würde. Leider soweit ohne Erfolg. „Du überdenkst die ganze Sache einfach“, stellte Ben fest. „Frag them einfach, ob they nachher einen Spaziergang mit dir machen möchte oder so.“ „Du tust so, als ob das leicht wäre.“ Ben grinste, zeigte seine strahlenden Zähne dabei. „Es ist auch ganz leicht.“ Er legte das Kinn auf seinen verschränkten Händen ab. „Schau mal. Noah, möchtest du nachher mit mir einen Spaziergang machen?“ Matt ließ sich Noah tiefer in den Sessel sinken. „Das ist unfair. Dir fällt sowas leichter und außerdem sind wir schon zusammen.“ „Aber es ist wirklich ganz leicht.“ „Ist es nicht.“ Noah holte sein Handy heraus und begann geistesabwesend durch Zeta zu scrollen. Es interessierte ihn gerade eigentlich nicht, was Leute aus seiner Kommune gerade für Bilder posteten, aber es half ihn, nicht beständig zu Ziv hinüberzusehen. Ben seufzte, verdrehte seine Augen und nahm sein Buch, an dem er bereits seit gestern las. Zeit verging. Immer wieder klingelte das Glöckchen über der Eingangstür des Ladens, wenn neue Leute kamen oder andere Menschen gingen. Dabei war es heute nicht einmal so voll im Laden. Dafür holten sich viele ein warmes Getränk zum Mitnehmen. Der Laden gehörte, wie die meisten anderen auch, einer der Nachbarschaftskommunen. Halt der Kommune, aus der Ziv auch stammte, selbst wenn es hier in der Großstadt etwas anderes bedeutete, als bei Noahs Eltern im Land. Immerhin bedeutete Kommune hier meistens ein bis vier Häuserblöcke, die sich gemeinsam organisierten. Leider nur mit den Dachgärten, die nie reichten, um die Versorgung komplett sicher zu stellen, so dass die Städte auf ihre Fruchtgürtel angewiesen waren. Noah hatte diesen Laden schon immer gemocht, auch bevor er angefangen hatte, diese Gefühle für Ziv zu entwickeln. Na ja, vielleicht hatte er diese Gefühle erst entwickelt, weil er den Laden so mochte und so viel zu oft hier gesessen hatte, um Ziv dabei zu beobachten, wie they Kaffees und Tees zubereitete und mit allerhand Zutaten experimentierte. „Wusstest du eigentlich, dass die Vanilleschote in den 2040ern beinahe ausgestorben wäre“, riss eine Stimme ihn aus seinen Gedanken. Zu seinem Schock musste er feststellen, dass es Ziv war, dier auf theirer Runde Geschirr im Laden einzusammeln, bei ihnen vorbeigekommen war. „W-was?“, stotterte Noah. Auch Ben sah von seinem Buch auf. Ein schelmisches Grinsen zeigte sich auf seinem Gesicht. „Du trinkst doch gerne Sachen mit Vanille. Die Vanilleschote wäre aufgrund des Klimawandels beinahe ausgestorben, weil sie nur in sehr spezifischen Klima wächst“, erklärte they. Noah schaute auf sein halbgeleertes Glas. „Oh, ja … Interessant.“ „Pass nur auf, dass du nicht zu viel vom Macchiato trinkst. Das ist nicht so gesund.“ Their Blick wanderte von ihm zu Ben, der seinen ohnehin schon kalten Tee nun leerte, um them das leere Glas zuzuschieben. „Mache ich“, murmelte Noah. Ziv lächelte. „Gut.“ Schon wandte they sich zum Gehen, als Ben them aufhielt. „Ziv. Eine Frage.“ They drehte sich herum. „Ja?“ „Ihr backt doch jeden Tag die neuen Kuchen, nicht?“ „Ja, natürlich.“ „Ich wollte fragen, ob wir einmal helfen können. Ihr macht so tollen Honigkuchen und wir hätten das Rezept gerne für unsere Kommune.“ Ziv überlegte kurz, zuckte dann mit den Schultern. „Natürlich könnt ihr helfen. Wir backen die Kuchen immer am Abend. Wenn ihr wollt könnt ihr heute Abend einfach kommen.“ „W-was?“, stieß Noah aus. „Äh …“ Das war ein fieser Trick von Ben. „Wann bist du denn beim Backen dabei?“, fragte Noah. „Wieso?“ „Du bist doch unserer Backlehrer, oder?“ Ein kurzes Kichern kam über Zivs Lippen. „Ja, schon ein wenig.“ They dachte kurz nach. „Am Freitagabend werde ich mitbacken. Wollt ihr dann vorbei kommen?“ „Klingt gut.“ Ben grinste zufrieden. Unter dem Tisch stieß er Noahs Knie an. Was sollte er denn dazu sagen? Ben erwartete fraglos ein Ja. Aber … Na gut, wenigstens wäre Ben dann dabei. Das würde es leichter machen. Vielleicht. Ein wenig. „Okay“, murmelte er daher und ließ ein Seufzen hören. „Dann freu ich mich drauf“, meinte Ziv und wandte sich ab. Als they hinter der Theke verschwunden war, schenkte Ben Noah einen überlegenen Blick. „Ich sag doch, es ist ganz leicht.“ „Das war gemein von dir“, zischte Noah, als sie etwa eine Stunde später auf dem Weg zurück zu ihrem Block waren. Da es nicht weit war, liefen sie zu Fuß durch die verschneite Stadt – immerhin lohnte es sich kaum die U-Bahn zu nehmen, nur um zwei Stationen zu fahren. „Ach was. Es war eine notwendige Aktion.“ Ben wirkte sehr zufrieden mit sich und seinem Einfall. „Dann macht ihr etwas zusammen und ihr könnt vernünftig miteinander reden. Nicht so zwischen Tür und Angel. Simpel.“ Noah stöhnte. Als ob er sich dann besser anstellen würde. Immer wenn er versuchte mit Ziv zu reden, wurde er so steif und ungeschickt. Er mochte sich gar nicht ausmahlen, was dies beim Kuchenbacken bedeuten würde. Wahrscheinlich würde er alles falsch machen, was man nur falsch machen könnte. „Du denkst zu viel nach“, meinte Ben und legte einen Arm um ihn. „Du musst mehr mit dem Moment gehen. Fühle den Moment.“ Er machte eine ausschweifende Handbewegung. „Oh ja, ich fühle ihn ganz deutlich“, murrte Noah. Ein weiteres Lachen seines Freundes war die einzige Antwort, die er bekam. Ben ließ ihn los, schob dafür aber seine kräftige Hand in Noahs deutlich feingliedigere. Dabei war es fast zu kalt, um wirklich Händchen zu halten. Jedenfalls ohne Handschuhe, die keiner von ihnen trug. Mit der freien Hand zog Noah seinen Schal höher über Mund und Nase, so dass bei jedem Atemzug eine Wolke aus kondensiertem Atem unter dem Stoff hervorstob. Der Himmel war bewölkt, so dass keine Sterne zu sehen waren, selbst wenn das AR-Interface in seinem Sichtfeld ihn darüber informierte, dass sich die Wolken gegen zehn auflockern sollten. Er griff Bens Hand fester. Verdammt. Er wusste ja, das Ben es gut mit ihm meinte und versuchte ihm mit der Sache mit Ziv zu helfen. Aber für ihn war es einfach nicht so leicht. Er war halt ungeschickt, vor allem mit den Worten. Er hatte immer lieber zugehört, statt Gespräche zu beginnen. Das funktionierte auch wunderbar mit Ben, der viel und gerne redete und von allem, was er so erlebte, erzählte. Nur war es schwer, mit Ziv ein Gespräch anzufangen, wenn er doch keine Worte fand. Vielleicht wäre es einfacher them über Zeta anzuschreiben und so ein Gespräch zu beginnen. Dann müsste er them wenigstens nicht dabei ansehen. Gleichzeitig kam es ihm jedoch auch als furchtbar unpersönlich vor. Ben stieß ihn leicht an. „Komm, bemitleide dich nicht. Du hast noch zwei Tage, dich entsprechend vorzubereiten. Dann fällt dir schon was ein.“ „Mhm.“ Noah sah ihn nicht an. Sein Herz schlug ihm beim Gedanken, wirklich längere Zeit etwas mit Ziv zusammen zu machen, bis zum Hals. Ach verdammt. Woher kamen diese Gefühle nur auf einmal? Als sie noch zur Schule gegangen waren, hatte er häufig mit Ziv zusammengearbeitet. Egal ob beim Handwerk, beim elektrischen Bauen oder beim Kochen, sie hatten viel zusammen gemacht. Sie waren einander zur Hand gegangen. Es war immer sehr leicht gewesen. Und jetzt? Ihr Wohnblock kam in Sichtweite. „Hast du nicht gehört: Kein Selbstmitleid.“ „Ich versuch es ja.“ Vielleicht sollte er Emma fragen. Diese hatte immer gute Tipps für solche Sachen. Ja. Am nächsten Tag würde er in der Werkstatt Emma fragen. Selbst wenn es danach sein ganzer Block wissen würde. „Also lass es mich zusammenfassen“, tratschte Emma, während sie Routinemäßig eine neue Kette auf das Getriebe des Fahrrads zog, „da ist diese Person, mit der du zusammen zur Schule gegangen bist.“ Noah nickte. „Und in der Schule habt ihr sogar viel zusammen gemacht.“ Ein weiteres Nicken. „Aber danach irgendwie nicht mehr?“ „Genau“, murmelte er, während er weiter Holzüberbleibsel nach Größen sortierte. Er war nicht im richtigen Teil der Werkstatt dafür, doch hatte er die Hoffnung, dass Emma ihm helfen konnte, ein wenig Licht ins Dunkle zu bringen. Irgendwie. Auf magische Art. Emma war Latina und hatte eine sehr kräftige Struktur. Sie hatte ihr lockiges Haar über dem Kopf hochgebunden und trug wie so oft bei der Arbeit einen Blaumann, der komplett mit Öl verschmiert war. Sie war knappe fünfzehn Jahre Älter als er, selbst wenn man es ihr kaum ansah. „Warum habt ihr dann nicht mehr so viel miteinander gemacht?“ Noah zuckte mit den Schultern. Er hatte den Korb mit den Holzüberbleibseln fast in die kleineren Körbe geleert. „Ich weiß es nicht. Wie das so ist nach der Schule. They ist von der D31-Kommune und hat halt ein eigenes Leben und ich bin für die zwei Jahre nach Kalifornien und irgendwie …“ Noch einmal zuckte er mit den Schultern. „Es hat sich halt nicht so wirklich ergeben.“ „Und du hast dich jetzt in them verliebt, weil …?“ Noah errötete unfreiwillig. Er hielt in seiner Arbeit inne, senkte den Blick. „Na ja …“ Es war so schwer in Worte zu fassen. „Ich habe halt angefangen zu diesem Coffeeshop zu gehen, weißt du? Und Ziv arbeitet die halbe Woche dort. Und they … Na ja, also, they hat immer viel gekocht. They hat das gern gemacht. They arbeitet auch in der Schule, weißt du? Bringt den Kindern da das Kochen und Backen bei. Auf jeden Fall hat they so viel Freude dabei und … Na ja, hmm, they strahlt immer so und hat dieses Lächeln und kann auch immer so viel über Essen und …“ „Ich fasse zusammen: Eine sehr positive Aura.“ „Hmm, ja.“ So konnte man es auch sagen, selbst wenn es die Sache nicht wirklich auf den Punkt brachte. Es war halt sehr schwer zu sagen. „Und dein Problem genau ist?“ „Wie soll ich mit them reden?“, fragte Noah. „Ich meine, also, wenn ich es versuche, dann geht es halt einfach nicht und … Ben hat mich halt angesprochen, aber ich bin nicht Ben und …“ Emma hob eine Hand zur Beruhigung. „Langsam, langsam.“ Noah holte einen tiefen Atemzug. „Ich weiß nicht, worüber ich mit them reden soll!“ Emma hielt in ihrer Arbeit an dem Fahrrad inne und ging zu ihm hinüber. Sie kniete sich neben ihn, da er auf dem Boden saß, und legte ihm eine ölige Hand auf die Schultern. „Du sagst, they redet gerne über Kochen und sowas?“ „Ja.“ „Dann wird they dir vielleicht das Reden abnehmen.“ „Aber … ich muss ein wenig auch was sagen, oder?“ „Dann bereite dich vor. Worüber habt ihr überhaupt gesprochen, als ihr in der Schule wart?“ Zugegebenermaßen hatte Ziv ihm dort auch meistens das Reden abgenommen. „Na ja, über halt Schulsachen. Aber auch über das Reisen. Und Ziv hat viel über Spiele gesprochen. Die hat they immer gemocht. Und natürlich Filme und sowas.“ Er dachte an die vielen Projekte zurück, die er zusammen mit Ziv, aber auch mit Aiden und Zofi zusammen erarbeitet hatte. „Dann mach es dir einfach: Schau heute was übers Kochen. Morgen ein paar neue Filme. Dann wirst du bestens vorbereitet sein.“ Emma lächelte ihn an. „Außerdem wird Ziv ja wissen, dass du lieber zuhörst.“ Sie klopfte ihm noch einmal auf die Schulter. „Dann wird das schon passen.“ Noah schloss die Augen und versuchte das zu verinnerlichen. Es würde schon passen. Das würde schon irgendwie klappen. „Außerdem wird Ben da sein“, murmelte er dann. „Ach, wird er das?“ Emma hob eine Augenbraue. „Ja, das mit dem Backen war seine Idee.“ Das Lächeln auf Emmas Gesicht versteifte sich etwas, während sie sich einen Kommentar verkniff. „Das … ist doch gut.“ „Das kann nicht dein Ernst sein!“ Noah starrte seinen Freund an, der in Seelenruhe und Pyjamas an seinem Schreibtisch saß und Tee trank. Ben sah sich zu ihm um. Da war schon wieder dieses verschmitzte Grinsen auf seinem Gesicht. „Ja, weißt du, ich hatte heute so eine Idee für meinen Roman und die muss ich wirklich, wirklich dringend aufschreiben.“ „Aber ich kann nicht allein zu Ziv gehen!“ „Oh, ich bin mir sicher, dass du das kannst“, sagte Ben und nippte genüsslich an seinem Tee. Noah schüttelte den Kopf. „Das klappt nicht. Das wird nichts. Ich brauche Rückhalt.“ „In Gedanken bin ich bei dir.“ „Wie, wenn du an deinem Roman schreibst?“ „Ach, ein Teil meiner Gedanken ist bei dir, Schatz.“ Noah schnaubte. Er war nicht dumm. Er wusste ganz genau, dass dies von Anfang an Bens Plan gewesen war. So etwas hatte er schon befürchtet. Ben wollte ihm die Chance geben, mit Ziv ordentlich zu sprechen. Als ob sie ohne ihn allein in der Küche wären! Nein, da wären eh andere und … „Ich kann das nicht!“ „Du kannst das. Du bist absolut fähig normal zu kommunizieren, wenn du willst.“ Nun stand Ben doch von seinem Schreibtisch auf und ging zu Noah hinüber. „Komm, schau mir in die Augen.“ Er legte beide Arme um ihn. Widerwillig kam Noah der Aufforderung nach, sah in die schwarzen Augen. „So, und jetzt sprich mir nach: Ich werde heute mit Ziv reden.“ Noah verdrehte die Augen und zog eine Schnute. „Ich werde heute mit Ziv reden.“ „Siehst du. So sieht Entschlossenheit aus. Du kannst das. Ich verspreche es dir.“ Damit drückte Ben ihm einen Kuss auf die Lippen. „Außerdem reicht es ja, wenn du zuhörst.“ Wieder einmal seufzte Noah. „Ich hoff's.“ Dennoch ergab er sich seinem Schicksal. Während es draußen schon dunkel war, zog er sich seinen Filzmantel über und schlang den langen Schal um seinen Hals. Sein Herz hämmerte gegen seine Rippen, wenn er an das dachte, was ihm nun bevorstehen würde. Er versuchte sich darauf zu konzentrieren, was er geplant hatte. Er konnte das. Er konnte normal mit Ziv reden. Vor allem konnte er zuhören und mehr musste er nicht. Und danach … Ja, dann, was? Irgendwie musste er them sagen, was er fühlte, oder? Oder zumindest versuchen, them auf ein Date oder sowas einzuladen. Vielleicht konnten sie gemeinsam über den Wintermarkt gehen. Wahrscheinlich wäre es komisch, mit Ziv Kaffee trinken zu gehen. „Du kannst das!“, rief Ben aus seinem Zimmer hinüber, als Noah die Wohnungstür öffnete. „Ich glaub an dich!“ „Danke“, murmelte Noah nur kleinlaut und trat ins Treppenhaus. Ja, er musste versuchen sich darauf zu konzentrieren. An sich war es ja etwas positives. Er würde Zeit mit Ziv verbringen. Das war gut, denn er mochte Ziv, er hatte sich in Ziv verliebt, er wollte Zeit mit Ziv verbringen. Aber es war so schwer und der Gedanke daran allein ließ es ihm schwummerig werden. Im Treppenhaus kamen ihm Miah und Bert entgegen, die ihn freundlich grüßten. Es fiel ihm schwer, die Begrüßung zu erwidern, fühlte sich seine Zunge doch bereits jetzt wie Blei an. Schließlich trat er in die eisige Kälte. Der Himmel war bereits dunkel und es schneite in dicken Flocken. Es war eine Zeit, zu der viele Leute unterwegs waren und Kinder liefen einander mit Schlitten ziehend über die Straße. Eine dicke Schneeschicht hatte sich über die Solarzellen auf den Dächern gelegt. Die meiste Energie würde aktuell von den Windturbinen über der Stadt und den Strömungsgeneratoren im Fluss kommen. Was für eine Technik sie bei Ziv wohl zum Backen verwendeten? Wahrscheinlich könnte they ihm darüber auch eine Menge erzählen. Leise seufzend machte er sich auf den recht kurzen Weg. Dabei wurde jeder Schritt schwerer. Sein Herz schlug immer schneller. Was war er nur so nervös? Aber es war eine Tatsache, dass er in seinem gesamten Leben noch nie jemanden ausgebeten hatte. Er war vor Ben in zwei Beziehungen gewesen, aber diese waren nie von ihm ausgegangen. Es war leichter, wenn jemand anderes ihn fragte. Dann war er auch nervös, aber zumindest nagte nicht die ganze Zeit die Frage an ihm, ob seine Gefühle wohl erwidert würden. Wahrscheinlich hielt Ziv ihn für einen Tölpel. Er hatte sich schon so oft vor them blamiert in den letzten zwei Wochen. So langsam er auch ging, am Ende führten seine Schritte ihn doch zum Coffeeshop. Dieser war im Erdgeschoss eines alten Hauses gelegen. Anders als die Läden, die in den frühen 2000ern gebaut waren, hatte dieser Laden keine große Glasfront. Viel eher waren es einfache Fenster in grüner Fassung, an deren Ecken zur Jahreszeit nun Tannenzweige angebracht waren. Er stand vor der Tür des Ladens, seufzte. Auf auf, versuchte er sich anzufeuern und doch hielt er für sicher zwanzig Sekunden inne. Dann aber öffnete jemand von innen die Tür und zuckte zusammen, als er fast in Noah lief. Es war eine Person gut einen Kopf größer als Noah und mit langem Haar. „Entschuldigung“, meinte die Person und schob sich an Noah vorbei. Okay, keine Ausreden mehr. Er hielt die Tür davon ab, zuzugehen und trat hinein. Die vertraute Luft schlug ihm entgegen. Der Geruch von Kaffee gemischt mit verschiedenen Gewürzen. Es roch köstlich. „Hallo!“, grüßte die Barista ihn, die Noah als Meg erkannte. „Hallo.“ Er merkte selbst, wie heiser er klang. „Ich … Ähm … Ziv hat mich eingeladen beim Backen für morgen zu helfen.“ Seine Stimme wurde mit jedem Wort leiser, entlockte Meg damit einen amüsierten Blick. „Moment“, sagte sie und schaute sich um. „Ich zeige dir eben, wo du hin musst.“ Damit wischte sie sich die Hände an ihrer Schürze ab und winkte ihm, hinter den Tresen zu kommen. Er gehorchte, folgte ihr durch eine Tür und einen Flug und schließlich einen Hinterhof. Als es dann durch eine alt wirkende Tür ging, schlug ihm bereits der Geruch von frisch gebackenem Gebäck entgegen. Hier musste irgendwo die Küche sein. Tatsächlich führte Meg ihn in einen großen Raum, in dem gleich vier große elektrische Öfen zu finden waren, sowie eine Crew von drei Leuten, die bereits mit dem Backen beschäftigt waren. Unter ihnen auch Ziv, die aufsah. „Oh, Noah. Hi!“ They lächelte their übliches, strahlendes Lächeln. „H-Hi“, krächzte Noah. Er starrte Ziv entgegen, während Meg neben ihm kicherte. „Du hast ihn eingeladen, ja?“, fragte sie. „Ja. Genau. Wo ist Ben?“ „Der entschuldigt sich“, murmelte Noah leise. „Er … Er hatte noch etwas zu tun.“ „Ach so, in Ordnung.“ Ziv stemmte beide Arme in die Seite. „Wir kriegen das auch so hin.“ Sie schaute zu ihrer Kollegin. „Danke, Meg.“ „Kein Ding“, flötete diese. Ziv kam auf ihn zu. „Ich zeige dir, wo du deinen Mantel aufhängen und dir die Hände waschen kannst.“ „Danke.“ Erst jetzt bemerkte er, dass er them anstarrte und wandte sofort den Blick ab. Wahrscheinlich hatte they schon lange bemerkt, dass er sich seltsam verhielt. Wahrscheinlich wusste they schon lange, wie er fühlte. Subtil war er ja nicht. Was sagte es also, dass they dazu nichts gesagt hatte? Bedröppelt folgte er Ziv in einen benachbarten Raum, wo eine überfüllte Garderobe hing. Mit etwas Mühe und zwei fehlgeschlagenen Versuchen schaffte er es, seinen Mantel ebenfalls darüber zu hängen. Sein Schal folgte. „Und hier kannst du dir die Hände waschen“, sagte Ziv und öffnete die Tür zu einem kleinen Badezimmer. „Es freut mich übrigens, dass du gekommen bist.“ „Mhm“, machte Noah nur. Gehorsam wusch er sich die Hände ordentlich. Immer wieder glitt sein Blick zu Ziv hinüber, aber dann schaute er doch wieder auf den Wasserstrahl. „Gut“, meinte Ziv nach einer wahrscheinlich viel zu langen Zeit. „Dann komm mal mit. Ich muss zu morgen noch einen Honigkuchen und einen Apple Pie backen. Du kannst mir bei beidem helfen.“ „Gern“, sagte Noah leise und folgte them zurück in die Küche. „Das sind übrigens Pietre und Kele.“ Ziv zeigte auf die anderen beiden, die ebenfalls mit Backen beschäftigt waren. Noah nickte ihnen zu. „Hallo“, murmelte er. „Ich bin Noah … Pronomen er, ihm.“ „Hallo Noah.“ Einer der beiden sah ihn an und schenkte ihm ein Lächeln. So wirklich wusste Noah nicht, wer jetzt welchem Namen zugeordnet werden sollte. „Komm mit zu meiner Station“, meinte Ziv und führte ihn zu einer Arbeitsfläche an der Türseite der Küche. Hier lagen bereits einige Sachen beisammen, teilweise in Schalen. Eine Glasschüssel stand auf einer Wage, die in der Zwischenzeit ausgegangen war. „Ich war gerade dabei die Zutaten abzuwiegen“, meinte Ziv. „Du wiegst die?“ „Ja, das ist genauer“, erwiderte they. Das hatte Noah auch schon häufiger gehört. Aber wenn er einmal selbst zuhause was machte, ging er doch meistens nach Volumen – es war halt eben einfacher. „Was … Was kann ich tun?“ „Ich muss nur noch das Mehl abwiegen“, erklärte Ziv. „350 Gramm, um genau zu sein. Magst du das eben machen?“ Noah nickte stumm und schaltete die Wage an. Ein offener Packen Mehl stand bereits daneben. Also wartete er, bis die Wage auf Null eingestellt war und wog ab. Ein wenig kam er über den Wert drüber. „358 Gramm, ist das schlimm?“ Ziv schaute auf die Wage. „Damit können wir leben“, beschloss they. Erleichtert atmete Noah auf. Soweit hatte er sich noch nicht ganz blamiert. Nur wurde alles nicht einfacher dadurch, dass Ziv nun neben ihn trat. Er konnte theire Wärme durch seinen Pulli hindurch spüren. „Ähm“, begann er. „Wir machen zuerst …“ Sein Blick glitt über die Zutaten. Butter und Mehl waren vertraut, doch da war auch ein Schälchen, das Gewürze zu beinhalten schien, sowie eine Schale gefüllt mit Honig. „Honigkuchen, ja?“ „Genau.“ Ziv strahlte. „Um genau zu sein machen wir eine Art Honigkuchentorte. Hast du die schon einmal bei uns gesehen?“ Er überlegte kurz, erinnerte sich aber an den runden Kuchen in der Auslage. „Ja. Mit einer Schoko-Buttercreme, oder?“ „Richtig.“ They schaute über die Zutaten und holte dann eine Schüssel und eine Küchenmaschine zu ihnen heran. „Wie viel weißt du über das Backen?“ „Nicht viel“, murmelte Noah. „Nicht schlimm“, erwiderte Ziv. „Du wolltest ja etwas lernen, nicht?“ Noah schluckte, nickte dann aber langsam. „Ja. Durchaus.“ Außerdem würde es them Freude machen, das zu erzählen, oder? They brachte es gerne Leuten bei. „Okay. Dann schau mal. Wir fangen mit der Butter und dem Honig an. Normal macht man das mit Butter und Zucker, aber wir süßen ja mit Honig. Der Schritt ist dennoch ähnlich. Wir wollen beides zusammenrühren, bis sich eine schaumige Paste ergibt. Das ist die Grundlage dafür, dass der Kuchen später locker wird.“ Während they sprach, gab they Butter und Honig in den Topf des Standmixers. Sie nahm einen kleinen Spachtel dazu, um den Honig ordentlich aus der Schale zu kratzen. „Dankbarerweise haben wir die Küchenmaschine, die uns die Arbeit abnimmt“, sagte they glücklich, als they die Maschine anstellte. „Küchenmaschinen sind schon spannend. Die haben sich in den letzten hundert Jahren kaum verändert. Sind nur effizienter geworden.“ Noah suchte nach einer Erwiderung. Dazu gab es sicher was intelligentes zu sagen. Vielleicht, dass es ja bei Küchernmaschinen nicht viel zu verändern gab, die waren ja gut für das, was sie tun sollten, ausgerichtet. Doch statt dies zu antworten, stand er nur mit halboffenem Mund da. „Alles in Ordnung, Noah?“, fragte Ziv. „Äh. Äh. Ja.“ Er erinnerte sich daran seinen Mund zu schließen. „Sag, wenn ich zu viel rede“, meinte Ziv. „Ich höre manchmal nämlich gar nicht mehr auf damit.“ They lachte verlegen. Das war eigentlich perfekt. Unsicher bemühte er sich um ein Lächeln. „Das ist okay. Weil ich … Ich rede nicht so viel. Also … Rede du nur. Ich … Ich finde das interessant.“ Und so redete they. Und Zeit zum Reden hatte they viel, während die Maschine einen großen Teil der Arbeit übernahm, die Zutaten nach und nach miteinander vermengte. So erzählte they zum Beispiel, dass Honigkuchen, wie die eng verwandten Lebkuchen aus Mitteleuropa kamen, größtenteils dem ehemaligen Deutschland, aber teilweise auch den Gebieten drum herum. Auch, dass es alte Gebäcksformen waren, die meistens eher fest waren und sich dafür lange hielten. Genau so aber auch, wie they das Rezept verändert hatte, um es für eine Torte geeigneter zu machen. „So eine Schokobuttercreme wäre zu schwer, wenn man das mit einem richtigen Lebkuchenteig machen würde.“ Noah stand nur daneben, machte „Mhm“ und „Ah“ und „Ja“ und war froh darum, dass er selbst nicht sprechen musste. Vielleicht hatte Emma doch Recht gehabt und das hier funktionierte ganz gut. Am Ende füllten sie den dünnflüssigen Teig in zwei runde Formen und gaben sie in den vorgeheizten Ofen. „So, und jetzt backt das ganze für 25 Minuten“, erklärte Ziv und machte eine Handbewegung, mit der they fraglos einen Timer im AR stellte. „Gut“, murmelte Noah. „Und jetzt?“ „Jetzt darfst du Äpfel schälen“, erklärte Ziv strahlend. Nun kam doch ein verlegenes Lachen über Noahs Lippen. „Okay. Klar. Wie auch immer ich dir helfen kann.“ „Warte einen Moment.“ Damit sammelte they geschickt alle Schalen ein und brachte sie zu einer großen Spülmaschine hinüber. In einer unglaublichen Geschwindigkeit waren die vielen Schüsseln in dieser verschwunden. Dann verschwand they aus der Küche und ließ Noah einfach stehen. Wieder ging ihm der Mund auf. Wahrscheinlich war they Äpfel holen, bot sein Gehirn freundlicherweise an. Ja, das machte Sinn. Und tatsächlich schleppte Ziv wenig später einen Korb mit Äpfel in die Küche und stellte diese auf die Arbeitsfläche. „So, die müssen geschält und kleingeschnitten werden – und dann gucken wir mal, wie viel Zeit wir noch haben, ehe die Tortenböden rauskommen.“ „Okay.“ Zuzustimmen war das einfachste. Allerdings erinnerte sich Noah auch daraus, dass er nicht nur hier war, um them zuzuhören. Er wollte they fragen, ob they was mit ihm zusammen machen wollte. Ob sie gemeinsam … Na ja, halt irgendwas gemeinsam machen könnten. Sein Blick wanderte über their Gesicht und theire blasse Haut, die dunklen Augen, das pinke Haar. Schon wollte er was sagen, doch wieder blieben ihm die Worte im Hals stecken. „Ist was?“, fragte Ziv, als they ihm gerade ein Messer reichen wollte. „Nein“, krächzte er. „Oh. Hast du Durst?“ „Was?“ „Du klingst, als hättest du einen trockenen Hals.“ „Oh.“ Was konnte er schon sage, außer: „Ja, ein wenig“? „Moment.“ Schon raste they zum Kühlschrank und fischte eine Glasflasche, die mit einer milchigen Flüssigkeit gefüllt war. Dann holte they ein Glas aus einem Schrank und kehrte mit beidem zu ihm zurück. „Habe ich vorhin noch extra für dich gemacht. Vanillemilch. Mit selbstgemachten Vanilleextrakt.“ Er errötete. Das hatte they für ihn gemacht? „D-danke“, flüsterte er und nahm das Glas. Die Milch schmeckte tatsächlich sehr vanillig und dabei erstaunlich unsüß. Er hatte mit mehr Süße gerechnet, doch diese war eher dezent und hielt sich im Hintergrund. So trank er gleich noch einen großen Schluck, setzte dann das Glas ab. „Danke. Das ist … sehr lecker.“ Wieder strahlte they. „Das freut mich.“ Nun aber drückte they ihm das Messer in die Hand. „Dann lass uns mal schälen.“ „Ja. Natürlich. Gern.“ Ein steifes Lächeln, dann begann er mit der Arbeit. So arbeiteten sie nebenher. Während Ziv in einer Mordsgeschwindigkeit die Äpfel von ihrer Schale befreite, schatte es Noah gerade einmal zwei Äpfel zu schälen. Dabei hatte er es zu Schulzeiten eigentlich ganz gut gekonnt. „Das tut mir leid“, murmelte er, als er die unebene Form seines Apfels beschaute. „Nicht schlimm. Die kommen ja eh in den Kuchen, dann sieht das niemand mehr.“ They tätschelte seine Schulter. Zeit hatten sie noch mehr als genug, um die restliche Füllung vorzubereiten. So schnitten sie gemeinsam die Äpfel klein. „Es tut mir leid, dass ich so langsam bin“, murmelte Noah, als er endlich mit seinen Äpfeln fertig war. „Das ist doch kein Problem.“ Ziv schenkte ihm ein aufmunterndes Lächeln. „Du musst halt lernen. Wenn du das so oft machen würdest, wie ich, dann wärst du auch so schnell. Ich meine … Was machst du normal so?“ „Ich?“ Er wandte den Blick wieder ab. Interessierte they sich wirklich dafür? „Ich … Ich mache normal Holzarbeiten. Also sowohl künstlerisch als auch Möbel und so. Und helfe Leuten, die was eigenes bauen wollen.“ „Siehst du? Das könnte ich zum Beispiel gar nicht.“ They legte ihm eine Hand auf die Schulter und ließ ihn damit zusammenzucken. „Vielleicht musst du mir demnächst mal zeigen, wie ich einen eigenen Stuhl baue oder so.“ Meinte they das Ernst? Noah nickte bloß, brachte keine Erwiderung zustande. „Dann kannst du sehen, dass ich auch zwei linke Hände haben kann.“ They kicherte und schob mit theirem Messer die Apfelstücke in einen Topf. „Aber ich koche halt viel. Richtig viel. Dann hat man Routine.“ „Ja. Wahrscheinlich.“ Dabei zweifelte er, dass er mit dem Handwerk so schnell war, wie they mit dem Kochen. Nun holte they wieder die Gewürze hervor. Diese maß they tatsächlich mit den entsprechenden Löffeln. „Was machst du eigentlich sonst so?“ „W-wie?“ „Na ja, also … Was machst du so seit der Schule? Ich weiß jetzt, dass du mit Holz arbeitest und … Der Mensch, mit dem du immer herkommst ist dein*e Freund*in, richtig?“ „J-ja. Das ist Ben. Mein … Mein Freund.“ „Und sonst? Was machst du sonst so?“ „Hmm …“ Er war doch wirklich nicht gut darin, so frei zu sprechen. Schon gar nicht über sich selbst. „Also … Ich lese. Also auch was Ben schreibt. Und … Hmm … Im Sommer mache ich Theater. Also nicht als Schauspieler … Als … Ich helfe dann mit den Kulissen und so.“ „Das heißt du baust allgemein gerne Sachen“, stellte Ziv fest. Unsicher und ohne them anzusehen nickte er. „J-ja. Kann man so sagen. Ja.“ „Das ist doch auch schön.“ Da war wieder das strahlende Lächeln auf theirem Gesicht, das sein Herz schneller schlagen ließ. Dabei schlug es doch sowieso schon so schnell und heftig, dass er glaubte, es müsste jeden Moment ins Stolpern kommen und stehen bleiben. „Wir haben noch fünf Minuten, bis die Tortenböden rausmüssen. Das sollte reichen, um die Pie-Füllung zu Würzen. Komm.“ Und so sah er aufmerksam zu, während they genau das tat und eine Vielzahl von Gewürzen in die Füllung gab, sowie etwas, das sich als Apple-Cider-Konzentrat herausstellte. Dann war es auch an der Zeit, die Böden aus dem Ofen zu holen, was they vorsichtig tat. Noah beobachtete them dabei. Meinte they es ernst, dass they bei ihm in der Werkstatt vorbeikommen wollte? Dann könnte er wieder Zeit mit them verbringen. Das wäre zumindest etwas. Ein wenig. Auch wenn es ihn nicht ganz weiterbrachte in Bezug darauf, was er eigentlich wollte. Doch was würde das schon tun? „Was ist?“, fragte Ziv. „Wie?“ „Du bist so still.“ „Ich … Ich bin einfach nur still“, murmelte er. Ein wenig Sorge zeigte sich auf theirem Gesicht. Dann aber beschloss they offenbar weiter zu machen. „Wir machen jetzt die Pie-Füllung fertig und rollen dann den Teig aus. Der ist schon fertig.“ „Okay.“ Und so taten sie genau das. Ziv tat noch Butter in die Pie-Füllung hinein und holte dann ein Packet mit Pie-Teig aus dem Kühlschrank hervor. They beauftragte ihn, diesen Teig auszurollen, wahrscheinlich um ihm das Gefühl zu geben nützlich zu sein. Er wusste es zu schätzen. Es war nett. Doch je mehr Zeit er hier verbrachte, desto mehr hasste er es, dass er nicht einfach locker mit them sprechen konnte. Warum tat er sich damit nur so schwer? Schließlich zeigte Ziv ihm, wie er den ausgerollten Teig in die Form geben und mit Gewichten beladen konnte, damit sich der Teig nicht wölbte. Noah hörte aufmerksam zu und doch dachte er immer wieder darüber nach, wie er them vernüchtig ansprechen konnte. So wanderte seine Aufmerksamkeit immer mehr, als Ziv begann die Zutaten für die Buttercreme abzumessen. Dabei erzählte they ihm noch etwas über die Geschichte und Entwicklung der Buttercreme und dass sie hier eine amerikanische Buttercreme machten, die sich irgendwie von einer französischen unterschied. Jedenfalls verlangte die Creme eine Menge Rührerei. So viel, dass sie noch nicht fertig waren, als die untere Kruste des Pie aus dem Ofen kam. „Weißt du was?“, meinte Ziv, als they die untere Pie-Kruste zum Abstellen auf ein Gitter stellte. „Ich glaube, wir brauchen eine kleine Pause.“ „Was?“ They verdrehte die Augen. „Eine kleine Pause. Ein wenig frische Luft schnappen. Was sagst du?“ „A-aber die Buttercreme.“ „Die können wir gleich weiterrühren.“ They packte ihn an der Schulter. „Komm. Wir gehen ein wenig an die frische Luft.“ „A-aber draußen ist es kalt.“ „Dann ziehen wir eben unsere Mäntel über. Komm.“ Damit schob they ihn unter dem amüsierten Blick von den anderen beiden Anwesenden aus der Küche heraus und zurück in das Nachbarzimmer, wo they seinen Mantel von der Garderobe pflückte. „Hier.“ Noah fühlte sich überfordert. Was sollte das denn jetzt auf einmal? Er verstand nicht. Vor allem ahnte er, dass es dann nur noch schwerer würde. Hier drinnen konnten sie wenigstens über Kuchen sprechen – also konnte er them über Kuchen sprechen lassen – aber da draußen? Und wahrscheinlich wollte they über irgendetwas sprechen. Sonst wäre they nicht so scharf darauf raus zu gehen. Dennoch zog er sich brav den Mantel über und band sich seinen Schal um den Hals, während Ziv in einen sehr bunten Mantel schlüpfte, der ähnlich wie seiner gefilzt war. „Komm“, meinte they dann und packte ihn am Handgelenk. Frische Luft wird dir gut tun. „Aber … Ich meine … Wieso?“ „Weil es da drinnen etwas drückend wurde, findest du nicht?“ „A-aber …“ „Kein 'Aber'. Komm einfach.“ Damit zog they ihn in Richtung der Tür zu dem Innenhof des Häuserblocks. Kaum, dass sie herauskamen, schlug ihnen das wilde Schneegestöber entgegen und ihr Atem bauschte sich zu dicken Wolken auf. Der Innenhof war im Moment menschenleer. Hier fand sich nur der Gemeinschaftsgarten, der größtenteils allerdings für den Winter abgedeckt worden war. Ziv lehnte sich an die Häuserwand und schaute ihn lächelnd an. „Jetzt komm. Atme tief durch und versuch dich zu entspannen.“ „Was?“ Er kam sich vor wie eine kaputte Widergabe. Die ganze Zeit wiederholte er sich. Wie peinlich. Aber die „Was“, „Wie“ und „Aber“ kamen über seine Lippen, ehe er sich davon abhalten konnte. „Durchatmen“, wiederholte Ziv und machte es vor. They atmete tief ein, tief wieder aus, beobachtete dann, wie theire Atemwolke in den Himmel stieg. „Jetzt du.“ Ein leises Seufzen entwich Noah, dann aber tat er es them gleich. Er atmete ein. Die eisige Luft brannte in seinen Atemwegen. Dann atmete er aus, ehe er Ziv fragend ansah. „Und jetzt?“ „Jetzt sagst du mir, was dir auf dem Herzen liegt.“ „Was?“ „Da ist doch was. Du bist die ganze Zeit so angespannt. Was bedrückt dich?“ „I-ich …“ Die Worte blieben ihm ihm Hals stecken. „I-ich …“ Ziv drängte nicht, sondern wartete mit einem sanften Lächeln auf theiren Zügen. They war so lieb, so freundlich. Er mochte them wirklich sehr gerne. Er erinnerte sich an die alten Filme, die sie früher mal geschaut hatten. Diese hatten häufig männliche Helden gehabt, die eine Frau einfach küssten. Aber das war übergriffig. So etwas konnte er nicht machen. Dennoch wünschte er sich ein wenig das Selbstbewusstsein dieser Helden zu haben, weniger zu zögern und auch mal die richtigen Worte zu finden. „Ich …“ Komm schon, ermahnte er sich. Das kannst du schon. Jetzt mach. „Ich …“ Ben hatte auch gesagt, dass er es konnte. Genau. „Ich wollte …“ Tief Luft holen. „Ich wollte dich fragen, ob du mal mit mir über den Wintermarkt gehen magst.“ Er spie die Worte förmlich aus. Doch da waren sie, lagen offen im kalten Schnee. They wirkte nicht wirklich überrascht, lächelte aber. „Das können wir gerne machen.“ Er starrte them an, unsicher ob er überrascht war oder nicht. „Darf ich dich was fragen, Noah?“ Er zögerte. „J-ja.“ „Magst du mich?“ Er leckte sich über die Lippen und bereute es sogleich, als seine Spucke in Kontakt mit der eisigen Luft kam. „J-j-ja“, gab er dann mit glühenden Wangen zu. Ziv strahlte. „Das freut mich.“ Unsicher nickte Noah. „Magst du nächste Woche mir vielleicht wieder beim Backen helfen?“ „G-gerne“, murmelte er. Dann nahm er seinen Mut zusammen. „W-willst du wirklich zum Bauen bei mir in der Werkstatt vorbeikommen?“ „Natürlich. Gern. Aber du darfst dann nicht lachen.“ „D-das würde ich nie.“ Sie lächelte, musterte ihn mit schief gelegtem Kopf. „Nein, das würdest du wahrscheinlich wirklich nicht.“ They kam zu ihm hinüber, griff seine Hand mit der eigenen und hielt sie für einen Moment. Dann hob they den Blick. „Siehst du, das musste raus, oder?“ Noch immer fühlte er sich furchtbar unsicher. „Ja“, gab er dann leise zu. „Wahrscheinlich.“ Tatsächlich war they es nun, dier seufzte – allerdings ein glückliches, zufriedenes Seufzen. „Na, dann … Lass uns uns um die Buttercreme kümmern.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)