Zauberhafte Weihnachten von Coronet ================================================================================ Kapitel 20: Höhenflüge [Rolanda Hooch & Poppy Pomfrey] ------------------------------------------------------ Hogwarts, 1973 Rolanda Hooch und Poppy Pomfrey   Wer so riskant fliegt wie Rolanda Hooch, landet früher oder später im Krankenflügel bei Madame Pomfrey. Zum Glück hat diese immer den rechten Zauber für ihre Lieblingspatientin parat. Wie aber revanchiert man sich bei am besten bei der Heilerin?   ***   »Und was haben wir heute wieder angestellt?« Einem Weihnachtsengel gleich schob sich das von blondem Haar umrahmte Gesicht Poppy Pomfreys in Rolanda Hoochs Blickfeld. Was bedeutete, dass sie im Krankenflügel zu sich kam. Kurz überlegte Rolanda, bis sich die Erinnerung an das letzte Quidditchspiel der Saison und ihren unrühmlichen Abgang als Schiedsrichterin einstellte. Inzwischen war sie darin so etwas wie eine Expertin. Ein wenig war sie gar stolz darauf, wie schnell sie sich nach einer Ohnmacht wieder berappeln konnte, auch wenn sie das Poppy gegenüber niemals zugeben würde. Der stand nämlich die altbekannte Mischung aus Besorgnis angesichts der Verletzung und Resignation über ihre sture Rekordpatientin ins sanftmütige Gesicht geschrieben. Und obwohl sie in ihrer Rolle der Heilerin durchaus alle Unfälle ernst nahm, die Tag für Tag im Krankenflügel landeten, konnte selbst Poppy ein gewisses Amüsement in ihrer Stimme nicht verbergen, als sie sich schon wieder Rolanda gegenübersah. Es war schließlich erst wenige Tage her, dass sie sich das letzte Mal an einem Krankenbett gegenübergesehen hatten, das war der Quidditchbeauftragen von Hogwarts auch klar. »Oh, heute ist es mal etwas ganz Neues«, erklärte Rolanda mit einem tapferen Grinsen, »ein Klatscher.« Poppy verdrehte die Augen und seufzte, zückte aber bereits den Zauberstab. »Na schön. Prellungen? Gebrochene Rippen? Vielleicht ein paar innere Blutungen?« »Och, Miss Fletcher hat sich zwar alle Mühe gegeben, aber ich glaube ...« Rolanda nahm einen tiefen Atemzug, bevor sie die Heilerin davon überzeugen wollte, dass es ihr gut ging, doch das schickte ein empfindliches Stechen durch ihren Brustkorb. »Na gut, vielleicht sind ein paar Rippen angebrochen. Aber sonst fühlt es sich eigentlich ganz gut an. Also ich hatte schon Schlimmeres, als diesen verirrten Klatscher.« Missmutig brummte Poppy irgendetwas, das verdächtig nach ‚Gemeingefährlicher Sport‘ und ‚verantwortungslos‘ klang. Auf einen Schlenker ihres Zauberstabs flog aus ihrem Büro im hinteren Teil des Krankenflügels ein passender Trank herbei, den sie ihrer Patientin wortlos hinhielt. »Danke Poppy, du bist ein Schatz«, verkündete Rolanda und leerte das kleine Fläschchen in einem tiefen Zug. »Brrr, sag mal, Pops, wann erfindet eigentlich irgendwer einen Heiltrank, der gut schmeckt? Es muss ja nicht gleich schmecken wie Schokoladenfudge, aber so ein bisschen Pfefferminze, wäre das zu viel verlangt? Dieses Zeug schmeckt widerlicher als die Bertie Botts Bohnen die angeblich nach Erbrochenem schmecken sollen.« »Ich glaube nicht, dass irgendjemand groß daran forscht«, erklärte die Heilerin spitz, »schließlich gibt es wenige Leute, die diese Tränke tagtäglich zu sich nehmen wie andere ihren Kürbissaft.« Was ihre Künste im Heiltränkebrauen anging, hatte Poppy großen Stolz. Rolanda hatte ihr einmal vorgeworfen, dass sie doch absichtlich dafür sorgen würde, dass die Tränke besonders ekelhaft waren – selten hatte die Heilerin so finster dreingesehen. »Eine Schande«, seufzte Rolanda jetzt. »Wenn es nach Minze schmecken würde, hätte ich noch deutlich mehr Spaß daran, wenn mich mal wieder eine Schülerin vom Besen haut.« »Du könntest auch einfach vorsichtig sein, schon mal daran gedacht?« Rolanda lachte, bereute es aber gleich darauf, als ihre Rippen sie mit einem weiteren Stechen straften. »Das ist Quidditch, Poppy. Das wäre ja, als wenn du einem Drachenpfleger erzählst, er solle sich von Feuer fernhalten.« »Nun, dann hast du dir ein wenig Leid wohl verdient«, stellte die Heilerin fest, allerdings schenkte sie Rolanda ein gutmütiges Lächeln. »Du kennst das Prozedere ja – heute Nacht bleibst du hier und in zwei Stunden gibt es den nächsten Trank, garantiert ohne Minzgeschmack.« »Ich wiederhole mich, aber du bist ein Schatz, Pops.« »Und du meine Lieblingspatientin, wenn du nicht gerade über die Tränke meckerst. Vielleicht sollte ich dir langsam ein eigenes Bett reservieren, wie für Professor Kesselbrand ...« »Ach Pops, ich hatte doch bloß Pech diese Woche. Bald ist Weihnachten, da ist erstmal Schluss mit Quidditch. Da müsste ich schon beim Schlittschuhlaufen auf dem schwarzen See ausrutschen oder so, um wieder hier zu landen.« »Bei deinem Glück reichen auch die Treppen hinauf zum Eulenturm«, grummelte Poppy, während sie ein paar Gesten mit dem Zauberstab über Rolandas Oberkörper vollzog und sich endlich der gröbste Schmerz verflüchtigte. »Ach, gib’s doch zu, du würdest dich freuen, mich wiederzusehen.« Poppy zog eine Augenbraue hoch. »Dafür reicht auch die Weihnachtsfeier des Kollegiums, wenn ich dich daran erinnern darf.« Ertappt tat Rolanda so, als betaste sie prüfend ihre angeknacksten Rippen. Die Feier hatte sie, mal wieder, ganz vergessen. »Ah, ja ...« »Übermorgen Abend, zwanzig Uhr«, half Poppy ihr auf die Sprünge. »Ich sag es ja – du bist ein Schatz.« Die Heilerin winkte ab. »Denk lieber daran, dass du noch ein Geschenk für das Wichteln besorgst.« Oh verflucht! Auch das hatte Rolanda vor lauter Klatschern, Quidditch und Besenreiten erfolgreich in die hinterste Ecke ihres Kopfes verdrängt. Irgendwann vor ein paar Wochen hatte der Schulleiter diese Sache im Lehrerzimmer verkündet und jeder von ihnen hatte ein Zettelchen mit dem Namen des zu beschenkenden Wichtelkindes ziehen müssen. Ein Zettelchen, das Rolanda, wie ihr siedend heiß einfiel, seitdem in der Tasche ihres Umhanges mit sich spazieren führte. Sie hatten es nicht vor Ort öffnen sollen, um die Überraschung nicht sofort zu verraten – also hatte sie es gar nicht getan. Reichlich schuldbewusst wartete sie ab, bis Poppy zurück in ihrem Büro war und stürzte sich dann hastig auf den schwarz-weißen Umhang, der über einem Stuhl neben ihrem Krankenbett hing. Da war es ja, das kleine Zettelchen! Flink brach sie das Wachssiegel und stierte auf den Namen ihres Wichtelkindes. Poppy Pomfrey. Als wenn die Heilerin hellsehen konnte. Rolanda ließ den Kopf ins weiche Kissen zurücksinken und verfluchte still und leise ihre Vergesslichkeit. Für jeden anderen aus dem Kollegium hätte sie den Katalog des Eulenversands bei den Sonderangeboten aufgeschlagen und einfach irgendetwas Nettes, wie einen Präsentkorb voller Leckereien bestellt. Aber ausgerechnet Poppy, die verdiente etwas ... Besseres. Rolanda gestand es sich nicht gerne ein, doch das hatte sie kolossal versaut. Poppy war so eine gute Seele und verarztete sie jedes Mal wieder, wenn ihr Übermut sie vom Besen stürzen ließ (oder Klatscher, unachtsame Erstklässler, die peitschende Weide ...). Bis auf die paar amüsierten Kommentare zu ihren häufigen Besuchen im Krankenflügel war sie schlichtweg die friedfertigste und liebevollste Person, die Rolanda je untergekommen war. Für Poppy Pomfrey stand das Wohl anderer stets an erster Stelle und alleine das sorgte dafür, dass sie nicht irgendein Geschenk verdiente, sondern etwas, das ihr wirklich gefallen würde. Etwas, das nur für sie wäre. Ein paar Pralinen voller Feuerwhiskey würden ihr sicher einen erheiterten Abend vor dem Kamin bescheren, aber das war eben nur das, ein kurzweiliger Genuss. Und so lag Rolanda in ihrem Krankenbett und überlegte fieberhaft, was sie nur für ein Geschenk finden sollte. Ihr fiel einfach nichts ein, das Poppy angemessen wäre und sich in der kurzen Zeit besorgen lassen würde. Die Sonne war längst hinter den schneebedeckten Bergen versunken und die Lichter im Krankenflügel gelöscht, da lag sie immer noch wach und starrte Löcher in die ferne Decke. Poppy schlich auf einem letzten Kontrollgang zwischen den Betten hindurch. »Für die Genesung sollte man auch einmal schlafen«, flüsterte sie, als sie bei Rolanda angekommen war. Diese konnte nicht verhindern, dass sich ein Lächeln auf ihr Gesicht schlich. »Das sagt sich so leicht, Pops.« »Soll ich dir einen Schlaftrank bringen?« »Oh, besser nicht, dann komme ich morgen früh gar nicht aus den Federn.« Poppy kam noch ein paar Schritte näher und setzte sich neben das Krankenbett. Seufzend streckte sie die Beine aus, den Kopf müde in die Hände gestützt. »Du ahnst gar nicht, wie gerne ich jetzt mit dir tauschen würde.« »Was, du hättest gerne ein paar gebrochene Rippen?« »Nein, aber ich würde gerne ein Schläfchen halten dürfen.« »Aber ...?« »Ach, einer der Schüler hat einen Unfall im Duellierclub gehabt und jetzt muss ich ihm alle zwei Stunden einen Trank verabreichen, damit die Tentakel auf seinem Körper nicht weitersprießen.« »Oh ... ja nun, das ist ein gutes Argument. Hey, soll ich dich wachhalten?« »Eigentlich solltest du schlafen, Rolanda.« Poppy unterdrückte ein Gähnen. »Vielleicht sollte ich einen Wachmachertrank nehmen ... wenn ich nicht schon einen getrunken hätte heute.« »Eben drum, zu viel davon ist nicht gesund. Aber ich könnte dir ein paar spaßige Anekdoten vom Quidditchfeld erzählen! Da regst du dich bestimmt so auf, dass an Schlaf nicht mehr zu denken ist.« Rolanda zwinkerte der Heilerin zu. Selbst im schwachen Mondschein erkannte sie, wie Poppy mit den Augen rollte. »Wenn ich nur an diesen selbstmörderischen Sport denke, rege ich mich schon auf«, murmelte sie müde. »Ehrlich, ich verstehe nicht, dass es dir das wert ist, dich jedes Mal wieder zu verletzen.« »Dann warte ab, bis ich dir von dem einen Spiel erzähle, bei dem es einen Schneesturm gab. Das war ein Abenteuer, sage ich dir! Und ein wahrlich gutes Spiel, so etwas hat man selten gesehen, selbst auf internationalem Niveau.« Über die nächsten Stunden hinweg unterhielt Rolanda Poppy mit allerlei Erzählungen von ihrem Lieblingssport, was diese wiederum mit einigen gemurmelten Zwischenbemerkungen angesichts der Gefährlichkeit von Quidditchverletzungen versah. Hin und wieder kümmerte sie sich um den Tentakelunfall und irgendwann, als sich der Morgen näherte, gingen sie schließlich dazu über, von diesem und jenem zu reden. Es gab eine Menge Dinge, die Poppy mochte. Sie erzählte von ihren Lieblingsplätzchen, die in der letzten Woche einem hungrigen, schlafwandelnden Schüler zum Opfer gefallen waren oder von den Büchern, die sie so gerne las, wenn sie sich mal wieder die Nächte um die Ohren schlagen musste. Nichts davon erschien Rolanda angemessen, um ein wirklich gutes Weihnachtsgeschenk für Poppy abzugeben. Über die letzten Stunden hatte sie dieses leidige Thema so gut es ging verdrängt, aber nun drehten sich ihre Gedanken erneut darum. Sämtliche Dinge, von denen Poppy erzählte, waren Sachen, die sie sich ohne Probleme selber kaufen konnte. Nein, Rolanda hatte es sich in den Kopf gesetzt, dass sie Poppy mehr danken wollte, für alles, was sie leistete.   Nach ihrer Entlassung aus dem Krankenflügel unternahm Rolanda einen ganzen Tag lang erfolgreich gar nichts. Wenn man einmal davon absah, dass sie reichlich weitere Löcher in die Luft starrte und darüber sinnierte, was Poppy am meisten gebrauchen konnte. Sämtliche ihrer Ideen entpuppten sich lächerlicher als die zuvor. In ihrer Verzweiflung ging sie schließlich sogar so weit, der Bibliothek einen Besuch abzustatten, obwohl sie sich hier seit ihrer Schulzeit nicht mehr hatte blicken lassen. Aber zwischen den Buchseiten versteckte sich natürlich nicht magischerweise das perfekte Geschenk für Poppy. Erst als Rolanda äußerst müde im Lehrerzimmer saß, ein Gähnen unterdrückte und trübsinnig in ihre Tasse mit schwarzem Tee starrte, kam ihr die Erkenntnis. Ein Wachmacher! Poppy brauchte irgendetwas, das sie des Nachts wachhielt, was kein Zaubertrank war. Die Tränke waren zwar praktisch, aber übermäßiger Konsum machte nicht nur abhängig, sondern auch leichtsinnig. Nur wie könnte Rolanda das umsetzen? Sie konnte ja nicht ernsthaft des Nachts im Krankenflügel sitzen, um Poppy noch weitere Quidditchanekdoten zu erzählen. Ein Haustier? Nein, das wäre absurd. Rolanda sah sich unter den übrigen Anwesenden um. Pomona Sprout hatte eine kränklich aussehende Pflanze bei sich, der sie soeben einen Schal häkelte. Ob sie vielleicht ein Gewächs kannte ...? Aber nein, das war natürlich Quatsch. Poppy hatte sicherlich keinen Bedarf an irgendeinem gefährlichen Grünzeug, das versuchen würde, sie zu beißen oder dergleichen. Auch wenn sie das bestimmt wach halten würde. Minerva McGonagall hätte sicher eine Idee, ganz zu schweigen von nützlichen Zauberfähigkeiten, aber zuerst würde sie wahrscheinlich mit Rolanda schimpfen, weil diese überhaupt erst einen Tag vor der Feier davon anfing. Darauf hatte sie keine Lust, auch wenn die Kollegin gerade am Fenster saß und energisch einen Brief an die Eltern von Potter und Black schrieb, da diese mal wieder irgendwas ausgefressen hatten. Schon deshalb hatte Rolanda gleich noch weniger Interesse, die Verwandlungslehrerin anzusprechen. Blieb nur Professor Binns – der ein Geist war. Alleine das disqualifizierte ihn schon, ganz abgesehen von der Tatsache, dass er ohnehin nur über irgendwelche Koboldaufstände redete. Geister hatten einfach keinen guten Geschmack. Der Rest des Kollegiums ließ sich nicht blicken. Doch selbst wenn, wie hätten sie Rolanda schon helfen sollen? Sie wusste ja nicht mal ansatzweise, wie man den Wachmacher umsetzen könnte. In ihrer Verzweiflung versuchte sie es schlussendlich mit einer Liste, auf der sie feinsäuberlich alles notierte, wovon ihr bekannt war, dass Poppy es mochte – was eine Menge war. Daraus ergab sich leider immer noch keine Idee, sodass Rolanda am späten Abend dazu überging, ihren nach dem Zusammenstoß mit dem Klatscher reichlich ramponierten Besen etwas zu pflegen. Das sorgfältige Stutzen der wirren Reisigzweige, das Polieren des Besenstiels und zum Abschluss die Auffrischung der diversen Schutz- und Bequemlichkeitszauber waren für sie Entspannung pur. Ihr fiel wieder ein, wie gerne Poppy sich über den gefährlichen Sport aufregte. Und trotzdem hatte sie ihren Erzählungen von wilden Quidditchspielen und riskanten Flugmanövern mit einem Lächeln zugehört. Was, wenn sie einen Weg finden würde, diese Geschichten – und reichlich weitere, denn davon hatte sie so einige auf Lager – für Poppy zu konservieren? Aufschreiben, das war nicht ihr Ding. Besenreiten lernte man schließlich auch nicht, indem man die Nase in Bücher steckte, also hatte sie sich nie viel aus dem geschriebenen Wort gemacht. Rolanda stellte es sich mehr wie eine Radiosendung vor, nur eben genau dann, wenn Poppy etwas brauchte, das sie wachhielt. Wie ein ... selbstvorlesendes Buch. Das wäre das Richtige! Es war fast Mitternacht, als Rolanda an die Tür von Filius Flitwick klopfte. Zum Glück war der kleine Zauberkunstlehrer meist sehr lange mit den ellenlangen Aufsätzen seiner Ravenclaws beschäftigt, sodass er auch jetzt nicht unmäßig verstimmt über den späten Besuch war.   Den nächsten Abend konnte Rolanda kaum erwarten. Für gewöhnlich war sie keine Freundin dieser kollegialen Zusammenkünfte, weil es in dem kleinen Lehrerzimmer viel zu voll war und sie lieber auf dem Besen sitzen würde, anstatt sich Geschichten über die frechsten Schüler des Jahrzehnts anzuhören. Aber heute war sie ausnahmsweise einmal sehr zufrieden. Sie konnte es kaum abwarten, dass endlich die Wichtelgeschenke ausgepackt werden durften. Die gesamte – zugegeben unterhaltsame – Rede von Dumbledore lang, saß sie auf ihren unruhigen Händen und warf immer wieder verstohlene Blicke zu Poppy hinüber. Sie sah zwar müde aus, aber für den feierlichen Anlass heute hatte sie ihre gewöhnliche Uniform gegen einen hübschen dunkelroten Umhang ausgetauscht. Rolanda dankte den Gründern, dass sie weder auf den eisigen Treppen zum Eulenturm ausgerutscht war (wenn auch nur knapp) und es keinen Notfall im Krankenflügel gab, der Poppys Aufmerksamkeit verlangte. Endlich war es so weit und in einem bunten Durcheinander verteilte der Schulleiter mit einem Schwebezauber die Päckchen unter den Anwesenden. Rolandas eigenes Paket enthielt eine Reisigschere mit einem Dauerschärfezauber und einen Tiegel neuen Besenwachses von Pomona, doch dafür hatte sie kaum Augen. Stattdessen achtete sie ganz genau darauf, wie Poppy ihr Geschenk auspackte. Reichlich verwundert nahm die Heilerin die kleine hölzerne Musikschatulle aus dem Einwickelpapier. Das Kärtchen dazu fiel ihr in den Schoß. Sie überflog Rolandas Worte und beinahe augenblicklich kicherte sie vergnügt. Rolanda ihrerseits grinste nun ebenfalls. Mit der Hilfe von Filius hatte sie einen Zauber gefunden, der sie ihre Stimme in die verzauberte Schatulle übertragen ließ. Anstatt Musik spielte das kleine Holzkästchen jetzt unzählige von Rolandas Erzählungen ab, sobald man den Deckel öffnete. Bis kurz vor der Weihnachtsfeier hatte sie alles aufgenommen, was ihr einfiel – zuerst die Geschichte, wie sie an einem kalten Dezembertag von einem Klatscher erwischt worden und dank einer nächtlichen Unterhaltung auf die Idee für dieses Wichtelgeschenk gekommen war. »Du bist wirklich unglaublich«, meinte Poppy wenig später zu Rolanda, nachdem sie beide die Flucht an den Kessel mit Glühwein unternommen hatten. »Jetzt werde ich mich jede Nacht so sehr aufregen, dass ich garantiert nicht mehr schlafen kann.« Lachend nahm Rolanda einen Schluck aus ihrem Becher. »Das soll der Zweck sein. Irgendwann musste ich dir ja mal danken, dass du mich so oft wieder zusammenflickst und wenn noch häufiger solche Tentakelunfälle in den Krankenflügel kommen, kannst du wohl einen Wachmacher der anderen Art gebrauchen.« »Danke, Rolanda. Du bist ebenfalls ein Schatz.« Poppy zwinkerte und drückte ihr einen flüchtigen Kuss auf die Wange. Mit reichlich rotem Kopf sah Rolanda ihr nach und stellte fest, dass ihr Geschenk wohl noch besser angekommen war, als sie es sich erhofft hatte. Trotzdem hatte sie nichts gegen einen weiteren Ausflug in den Krankenflügel einzuwenden, gebrochene Rippen hin oder her. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)