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Krieg der Zimtsterne

o3. Türchen des Fanfiction-Adventskalender 2o21
von

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Krieg der Zimtsterne


 

Krieg der Zimtsterne
 

Wenn sich das Jahr dem Ende neigt und nur noch wenige Wochen verbleiben, bis das Fest der Liebe und der Familie begangen werden kann, dann sputen sich die fleißigen Zuckerbäcker, um den gierenden Gaumen mit süßem Naschwerk zu entsprechen.

Rezepte, Jahrhunderte alt und noch immer begehrt, dass kaum jemand mehr deren Herkunft bestimmen kann, locken wohlduftend und Vorfreude versprechend.
 

Und so geschah es, dass ein kleiner Stern, geboren aus Mandeln, Zimt und süßen Kristallen, mit einem Häubchen weißen Gusses versehen, der Hitze des hiesigen Ofens einer Bäckerei hoch im kalten Norden des Landes entkam. Doch der kleine Zimtstern war nicht wie die anderen Sterne, die dort auf dem mit Papier ausgelegten Blech verweilten.

Viele seiner Freunde hatten bis zu sieben Spitzen, andere wiederum waren nur mit sechs oder gar fünf Zipfeln versehen. Dem kleinen Zimtstern jedoch fehlte es an Gleichgewicht, denn zwei seiner Zacken waren ihm abhandengekommen.

Die Worte des Meisters blieben ihm in Erinnerung, als der Schüler unbeholfen nach seinen Brüdern und Schwestern langte, um sie auf dem warmen Kuchenblech zu platzieren. Als der kleine Zimtstern seine Reise begann, verließen strenge Worte die Lippen des Meisters. Während sich jener des Backens annahm, waren Lehrling und Geselle angehalten, ihre Arbeiten rasch, doch mit Sorgfalt zu verrichten.

Wärme umfing sie, doch war jene nicht mit dem feurigen Atem zu vergleichen, der den kleinen Zimtsternen zu Größe verhalf. Langsam schwand der glühende Kuss und die Sterne rings um ihn flüsterten fiebrig. Es hieß, dass ihnen nur ein kurzlebiges Dasein beschieden sei, andere schworen, ihnen allen stünde die Welt offen.
 

Ab und an bemerkte der kleine Zimtstern, wie sich gierende Hände nach ihnen ausstreckten. Tadel hallte durch die Backstube, abermals erklangen die Worte des Meisters. Flinke Finger entrissen ihnen das schützende Pergament.

Ein junges Mädchen nahm sich des kleinen Zimtsterns an, packte ihn behutsam zu einer Gruppe feiner, glasierter Kekse. Links und rechts, über und unter ihm tummelte sich eine Vielfalt neuer Bekanntschaften. Doch nicht jeder seiner Brüder und Schwestern fand den Weg in die transparenten, kleinen Tüten, die die Frau mit dem freundlichen Gesicht befüllte.

So entkam er dem Grauen, vertilgt zu werden.
 

Wie viel Zeit verstrich, bis jemand daher kam, um sich der Mischung an feinen Köstlichkeiten zu bedienen, vermochte der kleine Zimtstern nicht benennen.

Viele Menschen suchten den Bäckermeister auf und erwarben unter staunenden Blicken und freudigen Worten allerlei süßes Gebäck. Früchtebrote, Kugeln aus Marzipan, Lebkuchenpferdchen und Baisertupfen wurden gegen Münzen getauscht. Der kleine Zimtstern verharrte in der durchsichtigen Behausung. Jene zuckrigen Leckerbissen hatte man in einem Weidenkorb drapiert und im Schaufenster des Bäckers ausgelegt.

Immer mehr Tütchen der verschiedenen weihnachtlichen Kekse verschwanden aus der mit rotem Samt verkleideten Kiepe. Neue Beutelchen gesellten sich zu dem des kleinen Zimtsterns und wurden ebenso schnell wieder entnommen.

Stunden, Tage, gar Wochen zogen dahin. Am vorletzten Tage des bevorstehenden Weihnachtsfestes, als beinahe alles Naschwerk veräußert worden war, bemerkte der kleine Zimtstern den neugierigen Blick einer alten Dame. Es schien, als ziere sie sich, doch Schneefall und das eisige Wetter trieben sie in das Brotgeschäft.

Die vergangenen Jahrzehnte zeigten sich auf ihrem Gesicht. Die Augen beinahe trüb, den Mund umrahmten tiefe Furchen. Mit zittrigen Fingern bedeutete sie der Bäckersfrau, das verbliebene Tütchen an Plätzchen erstehen zu wollen.

Aufregung huschte in dem Beutel umher. Endlich, so glaubte der kleine Zimtstern, würde auch er auf Reisen gehen.
 

Unter schlurfenden Bewegungen begab sich die alte Dame in ihr Heim. Das Treppensteigen wurde mit den Jahren schwerer, wenngleich es nur wenige Stufen zu bewältigen galt, fielen die Kekse in einander und auch die anderen Mitbringsel, die die Frau auf dem Markt erstanden hatte, purzelten in dem Korb umher.

Ächzend und keuchend hievte das Mütterchen sich und seinen Einkauf in die Bleibe. Der jüngste Sohn hatte ihr vor drei Tagen erst eine Tanne im behaglich warmen Wohnzimmer aufgestellt. Er käme am morgigen Nachmittag mit Frau und Kindern, brächte Kuchen und Geschenke, damit seine arme, alte Frau Mutter weniger Sorgen habe.

Das Leben eines Menschen schien unendlich, während der Verbleib eines kleinen Zimtsterns wohl von weniger Dauer sein mochte.
 

Schwankend gelangte das Beutelchen edler Backware in das Stübchen. Der kleine Zimtstern vernahm einen seltsamen Klang von unten her. Eine mit Schokolade umhüllte Keksspezialität wimmerte flehend, der Tüte und dem warmen Ort zu entkommen, da ihr der schützende Überzug schmolz. Unter zitternden Fingern langte die alte Frau nach dem Teegebäck. Mürbe, zarte Plätzchen klebten aneinander und wurden unter großer Anstrengung getrennt. Ein großer, glänzender Teller, mit einer bunten Serviette bedeckt, diente dem kleinen Zimtstern und seinen Kameraden als Rastplatz.
 

Der Duft nach Tannengrün und weihnachtlichen Gewürzen wehte durch das Stüblein. Längst waren die Lichter erloschen, still lag das Heim im Dunkel der winterlichen Nacht. Auf dem großen, glänzenden Teller jedoch, regten sich die süßen Naschereien.

Gemurmel erklang zögernd von der metallenen Platte her. Es schien, als war die alte Dame längst nicht nur in der kleinen Bäckerei eingekehrt, denn aus feinen Schälchen, die gleichwohl auf dem kleinen Tische in der Mitte des Zimmers einen Platz fanden, waren tuschelnde Laute zu vernehmen.

Ein Kekslein, am Fuße mit schokoladiger Glasur versehen, ergriff das Wort als Erstes und spie empörende Silben aus. Es sei ärgerlich, dass jene, die das Schälchen mit ihm teilen, nicht die einzigen seien, die zum Verzehr gedacht sein sollten.

Aus einer weiteren Schale echote ein Lebkuchenherz mit fruchtigem Innenleben, dass es unfassbar sei. Unruhe mischte sich unter die Gebäcke, denn wohl jedes unter ihnen wollte die geschmackvollste Kreation sein. Der kleine Zimtstern lauschte und empfand, dass es albern sei, zu streiten. Doch eh er seinen Gedanken Raum geben durfte, war ein Spekulatius dem Teller entwischt. Jenem Keks folgte eine Marzipankartoffel, die rollend eine Spur dunklen Kakaopulvers auf dem Holz des Tisches hinterließ.

Weitere Sorten süßer Sünden hüpften oder krabbelten umständlich über die Ränder von Schalen und Teller. Dominosteine verbanden sich mit den Printen, während die Lebkuchen über diese hinterhältige List Vergeltung forderten. Der kleine Zimtstern erspähte einige Leidensgenossen, doch diesen schien nicht an einem versöhnlichen Gespräch gelegen. Als schlügen sie ein Rad, begaben sich die Gebäcke auf ihren zackigen Füßen in Angriffsposition. Die Fronten, die zu den Seiten der Himmelsrichtungen Stellung bezogen, schienen abrupt verhärtet.
 

Aus einer Ecke des Zimmerchens ertönte eine dröhnende Stimme. Der Baumkuchen, der König der Kuchen, ein Meisterwerk handwerklicher Konditorenkunst, erhob das Wort. Es sei schändlich für seinesgleichen und traurig mitanzusehen, dass seine Kinder, in Vielfalt und so zahlreich, eine Fehde begannen, die unlängst verloren sei. Die Menschen, so hob der Baumkuchen-König an, seien nicht weniger zahlreich oder vielfältig bei der Wahl ihrer Geschmäcker. So rief er zum Frieden, denn welch Schrecken sollte die alte Dame erfassen, sähe sie am nächsten Morgen das Zimmerlein in Schutt gelegt. Wie arg würden die Tränen der Enkel quellen, wenn keine der Köstlichkeiten mehr mit Hochgenuss verspeist werden durfte?

Murmelnde Laute brandeten unter den Backwaren auf. Erneut verwies der König der Kuchen auf die Gemeinsamkeiten seiner Schar. Waren sie nicht alle fein und herrlich anzuschauen? Teilten sie nicht alle die Süße von Honig und Zucker, die Aromen von Mandel, Ingwer oder Muskat? Auch der König war aus Zucker, Ei, Mehl und Mandeln gemacht. Sie alle waren Teil eines großartigen Ereignisses, sprach der Baumkuchen-König, und doch würde auch er dahinscheiden, wie auch seine Kinder. Es sei das Bestreben eines jeden Küchleins, Kekses oder Praliné, Freude und Trost zu bringen. Ein Streit, Kampf oder gar Krieg wäre nicht im Sinne ihres Daseins.
 

Stille ließ auch die Truppen schweigen. Und so geschah es, dass der kleine Zimtstern, wenn auch ein wenig ungelenk, in der Mitte der Fronten erschien. Gelächter erfüllte die Stube, doch der Baumkuchen-König bedachte den mit Makeln behafteten Zimtstern mit Güte.

Auch wenn er nicht vollkommen sei, begann der kleine Zimtstern, so war auch er wie die anderen. Zank und Zwist waren ihm ein Graus und Friede auf den Tellern sei sein Wunsch. Ein Stollenkonfekt warf ein, dass an den Worten wohl Wahres dran sein musste. Die Menschen hatten sie erschaffen, geformt und ihnen einen Zweck gegeben. So war es an den Menschen, über den Verbleib seiner Brüder und Schwestern zu entscheiden. Das, was sie einte, sollte innige Freude sein, denn einen Wettstreit, der über Geschmack und Ansehen entschied, lehnte das Stollenkonfekt ab.
 

Erneut auf die Worten des Baumkuchen-Königs verweisend, schlossen sich dem Zimtstern und Stollenkonfekt weitere Gebäcke an. Und erst, als das Dunkel der Nacht der vereinzelten Stimmen winterfester Boten wich, waren auch die letzten Barrieren geräumt. Kekse und Marzipankartoffeln, Lebkuchenmännchen und Herzen mit fruchtiger Füllung, kehrten auf ihre Plätze zurück. Denn der Tag rückte näher, an dem eine jede Köstlichkeit ihre Bestimmung fand.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Votani
2021-12-03T21:20:06+00:00 03.12.2021 22:20
Ich fand den Prompt schon interessant, weshalb ich mich gleich gefragt habe, ob es jemand woertlich auslegt. Ich muss sagen, mir hat die Geschichte sehr gefallen. Sehr originell und die geschwungene Wortwahl hat super zu Weihnachten gepasst und ein schoenes Bild mit all den Gebaeck kreiert. :) Wie Orion_Black schon sagt, klingt es wie ein richtiges Weihnachtsmaerchen. Du hattest auch alle tollen Naschereien drin, da bekommt man wirklich gleich Appetit. :D

LG
Antwort von: irish_shamrock
04.12.2021 05:49
Hallo Votani (: ...

Hab vielen Dank für deine Worte. Ich freue mich, dass dir der kleine Abstecher auf die Weihnachtsteller gefallen hat :3
Von:  _Delacroix_
2021-12-03T16:04:32+00:00 03.12.2021 17:04
Hi.^^
Als ich auf Twitter gelesen habe, dass du eine Keks-Story planst, war ich mir nicht sicher, ob du das wirklich ernst meinst. Geschichten mit derartigen Protagonisten sind ja doch meist ganz schön schwierig. Aber ich sehe, es war dein voller Ernst und du hast gleich eine ganze Welt aus Weihnachtsleckereien erschaffen. 
Find ich cool. 
Die Geschichte hat Flair, erinnert mich wirklich an so ein typisches Weihnachtsmärchen und macht - zumindest mir - Lust auf Weihnachtsnaschereien. Glücklicherweise hab ich noch einen Baumkuchen-König im Schrank.^^
Antwort von: irish_shamrock
03.12.2021 17:32
Hallo Orion (: ...

Bei mir gibt's keine halben Sachen :') ... Ich freue mich, dass du in die Geschichte reingelesen hast und natürlich und vor allem über deine Worte :3 ...
Das Schreiben war tatsächlich nicht von Pappe @.@ und ich würde lügen, wenn ich behaupte, es wäre mir leicht von den Fingern gegangen :/ ...

Der Zimtsternteig steht kalt, der für die Linzerplätzchen auch - allerdings steht mein Baumkuchen noch unangetastet auf der Anrichte ...

Vielen Dank für deinen Kommentar :) ...

Liebe Grüße,
irish C:


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