Happy Halloween von Varlet ================================================================================ Kapitel 1: Happy Halloween -------------------------- Je später es wurde, desto mehr Menschen tummelten sich auf den Straßen in Beika. Die meisten von ihnen trugen eine Verkleidung, aber es gab auch jene, die sich dem neuen Brauch noch immer verwehrten. Halloween. Jodie müsste lügen, würden sie behaupten, dass ihr der Feiertag nichts bedeutete. Als kleines Mädchen liebte sie es, sich jedes Jahr aufs Neuste zu verkleiden. Mal war sie eine Prinzessin, dann eine Fee, einmal sogar ein Lamm – wobei ihre Mitschüler sie für eine große flauschige Wolke hielten – und dann gab es noch zig andere Verkleidungen. Abends lief sie mit ihrem Vater durch die Straßen und sammelte Süßigkeiten ein. Trick or Treat. Kindliche Stimmen, überall hörte man sie. Doch je mehr Zeit verging, desto mehr begriff sie, was Halloween in den Staaten eigentlich bedeutete. Kinder liebten die Verkleidungen und Süßigkeiten, Jugendliche und Studenten hingegen benutzten den Tag als Ausrede zum Alkohol trinken und um bis zum nächsten Morgen zu feiern. Erwachsene allerdings waren oftmals zwiegespalten. Es gab jene, die den Feiertag mochten, feierten, Kindern eine Freunde bereiteten und sich verkleideten. Dann gab es noch die Feiertagsmuffen. Menschen, die lieber zu Hause blieben, Verkleidungen nichts Positives gewinnen konnten, die Türen geschlossen hielten und sich zurückzogen. Zu guter Letzt gab es auch noch jene die den Feiertag als Legitimation für Straftaten nutzten. Die verschiedensten Rituale machten es ihnen immer leichter. Echte Waffen konnten nicht mehr von Spielzeugen unterschieden werden und niemand wusste, wer sich hinter einer Maske verbarg. Für die Polizei sowie die US-Geheimdienste war der Tag eine Katastrophe. Aber Jodie hatte sich daran gewöhnt und freute sich dennoch Jahr für Jahr auf die kleine Feier beim FBI. Jeder Agent der am Abend nicht im Außendienst tätig war oder mit seiner Familie um die Häuser zog, kam zu der Feier. Jedes Mal hatten ihre Kollegen die verschiedensten Kostüme an, nur Shu blieb sich treu und verzichtete darauf. Dabei hätte sie ihn gern in Verkleidung gesehen. Shu als Werwolf, Shu als Vampir, Shu als Skelett… Jodie hatte viele Bilder im Kopf – sie würde ihm sogar die Kostüme kaufen – aber Shu kam immer als Shu. Halloween in Japan hatte sie noch gar nicht so richtig wahrgenommen. Vergangenes Jahr war so viel passiert, dass sich Jodie gar keine Gedanken über das Fest gemacht hatte. So schnell wie der Tag gekommen war, so schnell ging er auch vorbei. Doch in diesem Jahr hatte sie nicht mit der Kudo-Familie gerechnet. Yusaku und Yukiko lebten überwiegend in den Vereinigten Staaten und waren von vielen der Bräuche mehr als verzückt. Auch wenn die Beiden nur selten nach Japan kamen, nutzten sie nun die Gunst der Stunde. Und so fand sich Jodie mit der Einladung zu einer kleinen Halloween-Feier wieder, in einem Land, welches den Feiertag eher als Import ansah. Erst im Jahr 2000 wurde Halloween in Japan bekannt. Seitdem wuchs der Andrang auf verschiedene Events und Feiern. Zudem hatten das Verkleiden und die Dekorationen einen enormen Schwellenwert, Schaufenster wurden mit Kürbissen sowie Geistern geschmückt, Süßigkeiten und Getränke wurden den neuen Gepflogenheiten angepasst und Festlichkeiten arrangiert. Auch Firmen nutzten den Tag für eine kleine Feier untereinander. Als Jodie Das gesamte Ausmaß sah, fragte sie sich, wo sie im vergangenen Jahr mit ihren Gedanken gewesen war. Es war so auffällig und doch hatte sie nichts bemerkt und die ganzen Hinweise nicht erkannt. Sofort musste sie an ihr zu Hause denken. In den Staaten war Halloween neben Silvester ein Tag mit einer hohen Kriminalitätsrate, aber ob das in Japan auch so war? Augenblicklich schüttelte die Agentin den Kopf. Einmal wollte sie nicht an die Arbeit denken, vor allem dann nicht, wenn sich die Organisation wieder bedeckt hielt. Dennoch blieb Jodie wachsam und sah sich regelmäßig um. Da sie vor kurzem zum Ziel der Organisation wurden, wäre es fatal, würden sie ihre neue Basis entdecken. Oder Shu. Allerdings war sich Jodie sicher, dass die Organisation sehr bald eins und eins zusammenzählen würde. Aber nicht heute. Jodie betrat die Einfahrt und ging auf die Haustür zu. Nachdem sie die Klingel betätigte, dauerte es nur einen Augenblick ehe Yukiko diese öffnete. Vermutlich hatte sie diesen Weg in den letzten paar Minuten mehrfach hinter sich gebracht. Unweigerlich musste Jodie die Ältere mustern und ärgerte sich im gleichen Moment, dass sie sich nicht für etwas Freizügigeres entschieden hatte. Stattdessen hatte sie sich vorgenommen, sich als Matrose zu verkleiden. Sie trug eine lange blaue Hose, ein weiß-gestreiftes Oberteil und eine weiße Mütze mit Anker-Symbol. Yukiko hingegen hatte sich dafür entschieden ein Dienstmädchen – in knappem Kleid – darzustellen. Jodie war froh, dass ihr Gegenüber verheiratet war und Shu keine hübschen Augen machte. Ansonsten wüsste sie nicht, wie sie ihr Kopfkino zügeln sollte. „Sie sehen ja toll aus“, kam es sofort von der Schauspielerin. „Kommen Sie doch rein.“ „Ach was, das sagen Sie doch nur so“, entgegnete Jodie mit einem Lächeln auf den Lippen und betrat die Villa. Sofort fiel ihr die zahlreiche Dekoration auf. Bereits im Flur hingen Spinnweben mit falschen Spinnen, Kürbisse, ein paar Geister, Skelette, Totenköpfe und mehr. „Und? Was sagen Sie? Kann sich das Haus sehen lassen?“ „Ja, es erinnert mich sehr an zu Hause“, bejahte Jodie und vermutete, dass die Frage jeder beantworten musste. „Da bin ich aber erleichtert“, gab Yukiko von sich. „Normalerweise sind wir über Halloween in den Staaten und geben dort eine Party oder sind bei Freunden eingeladen. Wie es der Zufall so wollte, sind wir dieses Jahr in Tokyo und da wir gerade so viele Gäste haben, haben wir uns spontan für diese Feier entschieden. Unsere ganze Dekoration ist in unserem Haus in New York, aber zum Glück gibt es Einkaufszentren.“ Die Schauspielerin kicherte. „Ein paar Ihrer Kollegen sind auch schon da.“ „Ich hoffe, meine Kollegen haben Ihnen beim Dekorieren geholfen.“ Jodie spielte dabei auf einen ganz bestimmten Kollegen an. „Natürlich“, schmunzelte Yukiko. „Sie waren alle herzallerliebst.“ Herzallerliebst…, wiederholte Jodie in Gedanken und versuchte sich vorzustellen, wie Shu von Yukiko durch die Villa gescheucht wurde. Sofort musste sie schmunzeln. „Ich bringe Sie ins Wohnzimmer zu den Anderen.“ Yukiko ging vor und sah in die Runde. Yusaku trug einen schwarzen Anzug und bildete ihr Gegenstück – den Butler. Er trug ein Tablett mit Getränken und reichte jedem ein Glas. Jodies Kollegen trugen Verkleidungen – wie von dem Ehepaar gefordert – aber einer stand da wie immer. Ohne Kostüm. Nur in Schwarz. Typisch Shuichi. Dabei hatte Jodie gehofft, dass er dieses Mal eine Ausnahme machen würde. Sie ging zu ihm. „Du bist ja gar nicht verkleidet, Shu“, begann sie und verzog schmollend das Gesicht. Sie verstand nicht warum er sich so schwer damit tat. Ein schwarzer Pullover und eine schwarze Hose mit weißen Knochen drauf und schon war er ein Skelett. Aber Shu machte was er wollte. Und dafür liebte sie ihn. Akai musterte sie. „Ich bin verkleidet. Sieht man das nicht? Ich gehe als FBI Agent.“ „Haha, witzig“, kam es von Jodie. „Ich hätte wetten können, dass sie dir einen Einlauf verpasst, wenn du kein Kostüm trägst.“ Shuichi zuckte mit den Schultern. „Auch wenn ich hier bin, bin ich weiterhin im Dienst.“ Jodie verdrehte die Augen. „Jaja, immer auf der Hut…nicht einmal einen Abend Spaß gönnt sich der FBI Agent.“ Es wunderte sie nicht einmal und trotzdem bestand noch Hoffnung für ihn. „Ich bin mir sicher, dass die Kudos für den Verkleidungsmuffel vorgesorgt haben und ein paar Sachen für dich bereit stehen. Also hopphopp, geh nach oben und zieh dich um.“ Akai beugte sich zu ihr. „Und wenn nicht, was tust du dann?“ Eine Gänsehaut überkam sie. „Das willst…du nicht wissen.“ Shuichi kannte Jodie gut und wenn sie sich etwas in den Kopf setzte, konnte sie unleidlich sein. Manchmal ließ er ihr aber ihren Willen. „Von mir aus“, gab er monoton von sich und ging aus dem Wohnzimmer. Das war ja einfach, dachte sich Jodie, die mit mehr Gegenwehr gerechnet hatte. Als sie sich wieder der Runde widmete, entdeckte sie Camel. Unweigerlich musste sie kichern. Camel trug schwarz und dazu die passende Strickmütze. Sie hatte sofort erkannt, wen er darstellen sollte. Jodie ging zu ihm. „Hallo Shu…“ Camel blickte seine Kollegin perplex an. „Jodie…ich…“ Verlegen kratzte er sich an der Wange. „…war mir nicht sicher, ob das eine gute Idee ist, daher hab ich noch ein Ersatzkostüm mitgebracht.“ „Auch wenn ich liebend gern Shus Reaktion sehen will, ich glaube, du solltest lieber dein anderes Kostüm anziehen.“ Camel nickte verstehend. „Dann bin ich mich schnell umziehen“, entgegnete er und verschwand aus dem Raum. Schmunzelnd schüttelte Jodie den Kopf und mischte sich unter die Kollegen. Doch je mehr Zeit verging, desto unsicher wurde sie, was Shu anging. War sie doch zu weit gegangen? Andererseits wäre es auch typisch für ihn, die Feier zu verlassen und sich irgendwo draußen zu positionieren. Gerade als sich Jodie entschied nach ihrem Kollegen zu sehen, betrat er wieder den Raum. An seiner Kleidung hatte sich allerdings nichts geändert. War ja klar, dass es vorhin zu einfach gewesen war, sagte sich Jodie und ging zu ihm. „Ich dachte, du wolltest dich umziehen.“ „Das hab ich nie gesagt“, entgegnete der Agent. „Shu…“ „Stell dir einfach vor, dass ich mich verkleidet hab.“ „Jaja, ich weiß schon, als FBI Agent.“ Shuichi lächelte. „Nein, als Scharfschütze.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)