Based on a true story... von QueenLuna ================================================================================ Kapitel 2: Die Schwimmbad-Affäre -------------------------------- Die Schwimmbad-Affäre Von Alkohol, Wasser und anderen plötzlichen Sehnsüchten Ich gab ein überraschtes Ächzen von mir, als sich plötzlich ein langer Arm um meine Schultern legte und ein schwerer Körper gegen mich sank. Erschrocken trat ich einen Schritt zur Seite, mein Anhängsel folgte mir. „Toshiya!“ „Es ist so heiß, ich mag nicht mehr“, jammerte es nah an meinem Ohr. Ich unterdrückte eine Gänsehaut und den Drang mit den Augen zu rollen. Das war ja fast klar gewesen. Erst bechern und dann zu faul zum Laufen sein. Vorsichtig versuchte ich ihn etwas auf Abstand zu schieben, gab aber ziemlich schnell auf, da er sich dadurch, ob bewusst oder unbewusst, nur noch stärker auf mich stützte. Der Stoff seines dünnen Tanktops war feucht. Meins vermutlich jetzt auch, so eng wie sich mein liebster Bandkollege an mich kuschelte. Seufzend legte ich ihm lose einen Arm um die Hüfte, damit er nicht ins Stolpern geriet, und ging langsam weiter. „Dass es warm ist, merke ich selbst. Aber das mit der Hitze macht es nicht besser, wenn du dich an mich klammerst“, murrte ich und rollte nun doch mit den Augen. Der August dieses Jahr machte seinem Ruf alle Ehre. Wobei er das ja jedes Jahr tat. Wenn es nicht gerade goss wie aus Eimern, war es derart heiß und schwül, dass jeder Gang nach draußen schon zu viel war. Und zu diesem Gang zählten theoretisch auch ausschweifende Trinkgelage mit der Band, denn nun gestaltete sich der Heimweg beschwerlicher als sonst. „Ah, Die, jetzt mach doch mal nicht so schnell.“ Schnaubend hielt ich abermals inne und warf Toshiya einen halb genervten, halb amüsierten Blick zu. Ja, sein letztes Bier war eindeutig zu viel gewesen. Während ich mich inzwischen wieder nüchtern fühlte, wirkte sein Blick immer noch leicht glasig, obwohl wir schon eine Weile unterwegs waren. Die kurzen, hellbraunen Haare standen ihm wirr vom Kopf ab. Der Gute wusste nie, wann Schluss war – das hatte sich in den bisherigen sechs Jahren unserer Freundschaft mehrfach gezeigt und er lernte einfach nicht daraus. Dennoch konnte keiner von uns ihm böse sein, denn meist war es sogar recht unterhaltsam, wenn er sich mal wieder gehen ließ. So sparte ich mir jeglichen Vorwurf – schließlich hätte ich ihn ja auch aufhalten können – und versuchte ihn stattdessen mit einem nachsichtigen Schmunzeln zum Weitergehen zu motivieren. „Ich möchte aber heute noch zu Hause ankommen und nicht auf einer Parkbank übernachten.“ Toshiya gab ein undefinierbares Geräusch von sich, aber wenigstens richtete er sich ein Stück weit auf und nahm damit ein wenig Gewicht von meinen Schultern. Das würde ein langer Heimweg werden. Besonders wenn ich Toshiya mit zu mir nahm, denn etwas anderes blieb mir nicht übrig. Die letzte Bahn war weg, unsere Bandkollegen lagen sicher bereits seit Stunden im Bett und ihn alleine nach Hause torkeln zu lassen, kam gar nicht erst in Frage. Im schlechtesten Fall verlief er sich noch und wir sahen ihn nie wieder. Also was tat man nicht alles für seine geliebten Bandkollegen? Natürlich hätte ich ihn auch in ein Taxi setzen können, aber dafür reichte mein Geld nicht mehr und ob er noch welches hatte, wusste ich nicht. Der Bar hatten wir heute Abend jedenfalls einen super Umsatz beschert. Vor wenigen Tagen waren wir vom Finale unserer Asia Tour aus Südkorea zurückgekehrt, also war es völlig verdient, darauf ordentlich anzustoßen. Allerdings war nun das Geld alle und bis wir etwas von den Erlösen der Tour und aus dem Release des »Six Ugly« Albums, das wir vor einer Woche auf den Markt geworfen hatten, sahen, würde es sicher noch bis Mitte des Monats dauern. Bis dahin hieß es eben sparen und zu Fuß gehen. Dafür war der Abend schön und ein würdiger Abschluss für die stressigen, letzten Monate gewesen. Und wieder einmal hatten Toshiya und ich unseren Ruf als Trinkfesteste der Band erfolgreich verteidigt, auch wenn er im Moment nicht danach aussah. Schmunzelnd zog ich meinen Saufkumpel enger an mich und lief weiter. Eine Weile kamen wir auch gut voran, bis Toshiya plötzlich mitten in der Bewegung verharrte und mich damit beinahe zum Fallen brachte. „Was -“ Verblüfft verfolgte ich, wie er sich von mir losmachte und einige Schritte zurückwankte, geradewegs in die schmale Nebenstraße hinein, die wir soeben passiert hatten. Ich brauchte einige Sekunden, um mich zu fangen und ihm hinterher zu hetzen. „Hey, wo willst du hin?“ „Hab Durst.“ Grell leuchteten uns die Schaufenster des kleinen Konbini entgegen, auf den Toshiya halbwegs festen Schrittes zusteuerte. Für einen Betrunkenen war er plötzlich erstaunlich gut zu Fuß. „Meinst du nicht, du hast schon genug getrunken?“ Erneut blieb er abrupt stehen, so dass ich leicht gegen ihn prallte. Irritiert sah ich ihn an, ein schiefes Grinsen zierte seine Lippen. „Schön, wie besorgt du um mich bist. Aber um dich zu beruhigen, ich will nur Wasser.“ Und schon war er im Inneren verschwunden. Wesentlich langsamer und kopfschüttelnd folgte ich ihm. Der Kerl war immer wieder für Überraschungen gut und einen kleinen Funken Vernunft besaß er anscheinend auch noch. Während Toshiya zwischen den Regalen nach dem passenden Getränk fahndete, trottete ich gemächlich durch den Laden, ignorierte die prüfenden Blicke des Verkäufers und genoss stattdessen die erfrischende Luft aus der Klimaanlage, die kühl über meine Haut strich. Hier ließ es sich definitiv aushalten, auch wenn sich allmählich die Anstrengung des Tages in mir bemerkbar machte. Wurde wirklich Zeit, dass wir nach Hause kamen. „Na, du bist wohl auf den Geschmack gekommen.“ Erschrocken zuckte ich zusammen, als plötzlich Toshiyas breitgrinsendes Gesicht neben mir auftauchte und mich vielsagend, wenn auch leicht verschwommen ansah. Verwirrt blinzelte ich ihn an und versuchte gleichzeitig mein kurzzeitig aus dem Takt geratenes Herz wieder unter Kontrolle zu bringen. „Was meinst du?“ Er deutete auf das Regal, vor dem ich stehengeblieben war, ohne es zu merken. Diverse Etiketten und Bilder mit Fischen und anderen Meeresbewohnern lachten mir entgegen, woraufhin ich reflexartig das Gesicht verzog. Was meinen lieben Bandkollegen wiederum wissend auflachen ließ, ehe er sich schließlich abwandte und auf die Kasse zustiefelte. Schnaubend ging ich ihm nach. Seit wir vor wenigen Wochen in Sapporo gemeinsam in einem Spezialitätenrestaurant gewesen waren und er dort unaufgefordert meinen kulinarischen Horizont erweitert hatte, in dem er extra für mich Krabben schälte, die ich sonst nicht mal mit Handschuhen angefasst hätte, musste ich mir nun ab und zu solche Anspielungen gefallen lassen. Nicht, dass es mich großartig störte. Ich wusste ja selbst, dass der Grund für meine Abneigung gegen jegliches Meeresgetier nicht für jeden nachvollziehbar war. Eigentlich war ich ihm sogar dankbar, denn jeder andere hätte mich nur ausgelacht und mich anschließend weiter in meiner Reisschüssel stochern lassen. Dank Toshiya hatte ich aber die Panzertierchen probiert und ich musste zugeben, dass sie durchaus lecker waren. Nur eben echt eklig anzufassen und zu schälen. Die Luft draußen schlug uns wie eine Wand entgegen. Am liebsten hätte ich mich auf der Stelle umgedreht und wäre wieder ins klimatisierte Innere zurück geflüchtet, aber so kamen wir leider nicht weiter. Anscheinend ging Toshiya etwas ähnliches durch den Kopf, denn er verzog leidend sein Gesicht und trank erst einmal einen großen Schluck aus der Flasche, ehe er sie mir hinhielt. Ich lehnte dankend ab, er hatte das Wasser nötiger als ich. Schwer seufzend setzte ich unseren unterbrochenen Weg fort. Wenn wir weiter so gut vorankämen, würde es bereits hell sein, bevor ich mein Schlafzimmer von innen sah. Die Müdigkeit, die ich in den letzten Stunden recht gut verdrängt hatte, ließ sich kaum mehr ignorieren, das Gefühl des Restalkohols nahm langsam wieder zu. Ich wollte endlich nach Hause, in mein Bett und die nächsten zwei Tage dort entspannen, die Strapazen der Tour hinter mir lassen. Doch erneut war es Toshiya, der meinen wunderschönen, gedanklich perfekt zurechtgelegten Plan durcheinanderbrachte. „Hey, Die, warte mal!“ Murrend drehte ich mich zu ihm um, doch die genervten Worte, die eigentlich raus wollten, blieben mir augenblicklich im Hals stecken. Stattdessen starrte ich sekundenlang sprachlos auf die Szene vor mir. „Toshiya, was machst du da? Komm da runter!“ In wenigen Schritten war ich bei ihm und hielt ihm am Shirt fest. „Du kannst doch nicht einfach über den Zaun klettern!“ „Aber da ist ein Pool.“ Hatte ich vor einigen Minuten noch gedacht, dass er vielleicht schon wieder etwas nüchterner und vernünftig war – ich nahm es zurück. „Na und? Das ist doch kein Grund dort einzubrechen. Außerdem -“ Ich warf einen kurzen Blick durch den Maschendraht. „Das ist kein Pool, sondern das Schwimmbecken einer Grundschule, wie es scheint.“ „Mir egal. Es schreit nach Erfrischung und ich will jetzt schwimmen.“ Redete ich hier gerade wirklich mit einem erwachsenen, wenn auch dezent angetrunkenen Mann oder einem Kind, das schmollend die Unterlippe vorschob? Oh Mann. „Du kannst da nicht rein. Wenn uns jemand erwischt...“ Das Grinsen, das sich auf seinem Gesicht ausbreitete, ließ mich verstummen und irritiert die Stirn runzeln. Er würde doch wohl nicht…? „Du hältst einfach Wache und passt auf, dass keiner kommt, okay?“ Schneller als ich reagieren konnte, zog er sich vollends über den Zaun und verschwand in einer Lücke zwischen den mannshohen Büschen, die das Schwimmbecken von der Außenwelt trennte. Verdattert starrte ich ihm hinterher. Das war - „Toshiya! Das kann doch wohl nicht dein Ernst sein!“ Hektisch sah ich mich um, ob jemand diese Einbruchaktion und meinen viel zu lauten Ausruf mitbekommen hatte. Glücklicherweise war der Konbini einige hundert Meter entfernt und leuchtete nur noch schwach durch die Bäume hindurch, die Fenster der umliegenden Häuser blieben dunkel. Kaoru würde uns persönlich einen Kopf kürzer machen, wenn wir uns erwischen ließen und am besten noch Schlagzeilen produzierten: ›Bassist und Gitarrist von erfolgreicher Visual-Kei-Rockband auf Gelände einer Grundschule verhaftet.‹ Oder so ähnlich. Im schlechtesten Fall ertrank Toshiya in seinem Zustand noch im Wasser. Da wäre er nicht der Erste. Was dachte er sich eigentlich? Vermutlich nichts. Noch einmal warf ich einen kurzen Blick über die Schulter – die Straße blieb leer – bevor ich Anstalten machte, ihm zu folgen. Für solche Kletterpartien war ich heute definitiv nicht mehr geschaffen. Aber allein würde ich ihn auch nicht lassen. Ächzend und mit einem dumpfen Geräusch landete ich auf der anderen Seite. Der Zaun war höher gewesen, als er aussah. Die Zweige der Büsche kratzten über meine Haut, als ich mich hindurchdrängte. Nach dieser Aktion war er mir was schuldig! Aber sowas von. „Toshiya. Du - “ Ich brach ab, wusste nicht mehr, was ich gerade noch hatte sagen wollen. Einige Meter entfernt stand Toshiya mit dem Rücken zu mir, bewegungslos am Beckenrand. Beinahe wie eine Statue. Mit einem Mal waren sämtliche Verwünschungen, die ich mir für meinen wunderbaren Kollegen zurechtgelegt hatte, verschwunden. Leere breitete sich in meinem Kopf aus, während ich ihn mit großen Augen anstarrte. Seine Kleidung lag verstreut auf dem Betonboden. Der schwache Schein der etwas weiter entfernten Straßenlaternen schien seinen schlanken Körper zu umspielen und ließ die nackte Haut hell erstrahlen. Wie - Mein Mund wurde trocken. „Totchi.“ Das heisere Flüstern war von alleine über meine Lippen gekommen, doch holte es ihn und mich aus der Erstarrung. Mit einem überraschten Gesichtsausdruck wandte er sich um. „Oh, du bist ja doch nachgekommen.“ Mit wenigen Schritten war er bei mir. Zwanghaft versuchte ich ihn nicht zu offensichtlich anzustarren. Es gelang mir nicht. Fuck. Doch ihn schien das wenig zu stören, mit einem schiefen Grinsen nahm er meine rechte Hand und zog mich hinter sich her zum Schwimmbecken. Ehe ich mich versah, zerrte er an meinem Shirt herum, holte mich damit vollends aus meinem geistig umnachteten Zustand. Raue Fingerspitzen strichen über meinen Bauch, hinterließen eine Gänsehaut, die mich erschauern ließ. Hastig trat ich einen Schritt zurück. „Toshiya, was soll das?“ Dasselbe sollte ich mich und meinen verräterischen Körper fragen. Das brennende Gefühl seiner Hände blieb, meine Haut kribbelte. „Na, kommst du nicht mit rein?“ Verwundert sah er mich an. „Ähm, nein.“ Ich atmete tief durch, schloss für einen kurzen Moment die Augen und versuchte in meinem Kopf etwas Klarheit zu schaffen. Was sollte das? Leise räusperte ich mich, bevor ich wieder zu Toshiya aufblickte, der immer noch ungerührt wenige Meter entfernt am Beckenrand stand – so nackt wie Gott ihn einst geschaffen hatte. Als wäre es das Natürlichste der Welt. Er brachte mich aus dem Konzept. „Ich wollte nur verhindern, dass du im betrunkenen Zustand ertrinkst.“ Augenblicklich kehrte das Lächeln, das mein Herz auf irritierende Weise stolpern ließ, auf sein Gesicht zurück. „Das ist sehr nett, aber ich pass auf mich auf. Und du passt auch auf, ja?“ Ich kam gar nicht dazu, zu fragen, was er genau meinte, da war schon ein leises Platschen zu hören und ich konnte nur noch zusehen, wie er als Schemen unter der Oberfläche verschwand. Und ich stand immer noch da, wie bestellt und nicht abgeholt, und wusste nicht, was ich tun sollte. Wusste nicht, wie ich meinen viel zu schnellen Herzschlag beruhigen sollte. Oder wie ich mein Hirn wieder dazu bringen sollte, vernünftige Arbeit zu leisten und nicht die ganze Zeit auf Toshiya zu starren, der seelenruhig durch das Wasser glitt und gerade absolut zufrieden mit sich und der Welt zu sein schien. Ach Scheiße. „Ich… ich besorge dir ein Handtuch.“ Was zur - Etwas Schlaueres hatte mir nun echt nicht einfallen können, besonders da ich es so leise vor mich hingemurmelt hatte, dass Toshiya, selbst wenn er unmittelbar vor mir gestanden hätte, es wohl nicht verstanden hätte. Doch es war mein Weg, der Situation zu entkommen, die mich gerade heillos überforderte. Wie ich es unverletzt zurück über den Zaun und zum Konbini geschafft hatte, konnte ich gar nicht sagen. Eine ungewohnte, innere Unruhe machte mir das Denken schwer, ich verstand mich selbst nicht. Verdammt, es war nur Toshiya, der da gerade schwimmen gegangen war. Nackt. Doch eigentlich nichts, was ich noch nie gesehen hätte, jedenfalls in Auszügen. Nichts, was mich aus der Bahn werfen und derart in Aufruhr versetzen sollte. Vielleicht war das Ganze auch einfach der Mischung aus Restalkohol, Müdigkeit und der Angst erwischt zu werden, geschuldet. Hoffentlich. Glücklicherweise führte selbst dieser abgelegene Convenience Store eine kleine Auswahl an Handtücher und anderen lebenswichtigen Utensilien. Ich schaffte es sogar, obwohl ich mit den Gedanken ganz woanders war, ein schiefes Lächeln auf mein Gesicht zu zaubern, als ich dem Verkäufer das in Folie verpackte Päckchen über die Theke reichte. Dessen Blick sprach Bände, er hatte mich gleich wiedererkannt – bei meinen kurzen, leuchtend roten Haaren wenig verwunderlich. Vermutlich fragte er sich, wo mein Begleiter abgeblieben war. Ging ihn nichts an und er würde auch hoffentlich nicht die Polizei rufen, wegen verdächtiger Typen, die sich des Nachts in dieser beschaulichen Wohngegend herumtrieben. * Das Bild hatte sich nicht verändert. Toshiya trieb immer noch gemächlich durchs Wasser, als ich wenig später außer Atem und mit klopfenden Herzen zurückkehrte. So sehr mich dieser Abend plötzlich durcheinander gebracht hatte, hatte ich dennoch so schnell wie möglich hierher zurückkehren wollen, weshalb ich die letzten Meter gerannt war. Nicht, dass Toshiya etwas passierte, nur weil ich nicht da gewesen war. Doch meine Sorge war unbegründet. Wahrscheinlich hatte er nicht einmal bemerkt, dass ich weg gewesen war. Tief durchatmend setzte ich mich auf einen der Startblöcke und schloss für einen Moment die Augen, um etwas zur Ruhe zu kommen. Die Grillen zirpten leise, ab und zu war ein leises Platschen zu hören. Wenn die vorherige Aufregung und das ganze Drumherum nicht gewesen wäre, hätte ich den Moment sogar genießen können. Doch so machten sich erneut die Müdigkeit und diese seltsame Aufgekratztheit bemerkbar und ließen meine Augenlider schwer werden. Seufzend rieb ich darüber, versuchte mich nicht zu sehr davon einnehmen zu lassen, schließlich musste ich Toshiya noch hier raus und sicher nach Hause bringen. Ein erneutes Platschen, diesmal deutlich näher, ließ mich aufsehen. Mit Mühe unterdrückte ich ein Gähnen. Anscheinend hatte Toshiya mich nun doch bemerkt, denn er kam langsam in meine Richtung geschwommen. Ein versonnenes Lächeln zierte seine Lippen. „Du bist wieder da. Ich dachte schon, du wärst abgehauen.“ Meine Augenbraue zuckte nach oben. Wofür hielt der mich? „Nicht doch. Einer muss schließlich auf dich aufpassen, damit du nicht ertrinkt. Einen neuen Bassisten zu suchen, wird schwer.“ Toshiya enthielt sich einer Antwort, sondern lachte nur leise. Er wirkt wirklich entspannt und zufrieden. „Du hättest ruhig mit reinkommen können. Das Wasser ist echt angenehm.“ Mittlerweile war er bei mir angekommen und legte die Arme auf dem Beckenrand ab, ehe er den Kopf auf sie bettete und die Augen einen Moment lang schloss. Ich starrte schon wieder. „Wir könnten das ruhig öfters machen“, hörte ich ihn von weit her murmeln und rief mich zur Ordnung. „Eher nicht. Kaoru köpft uns, wenn das rauskommt.“ „Hm. Na ja, vielleicht können wir ja auch tagsüber mal schwimmen gehen.“ Verschmitzt grinsend blickte er mich von unten an, sodass ich nicht anders konnte, als ebenfalls etwas wackelig zu lächeln und dabei unbestimmt mit den Schultern zu zucken. „Wo warst du eigentlich? Hab gar nicht gemerkt, dass du abgehauen bist.“ Statt einer Antwort griff ich neben mich und ließ das Handtuch vor ihm hin und her baumeln. Die Verpackung hatte ich noch vor der Tür des Konbinis entsorgt. Toshiyas Augenbrauen schnellten nach oben, während sein Mund ein stummes Oh formte. Dann – bevor ich etwas sagen oder reagieren konnte – stemmte er sich mit einer Geschmeidigkeit, die ich ihm nach diesem Abend gar nicht zugetraut hätte, aus dem Wasser. Grinsend blieb er unmittelbar vor mir stehen und nahm mein Mitbringsel entgegen, das ich immer noch in der ausgestreckten Hand hielt, während sich mein Hirn wieder einmal kurzfristig verabschiedet hatte. Shit. Seelenruhig trocknete er sich die Haare, ehe er sich langsam mit dem Handtuch über den Oberkörper fuhr und mich dabei keine Sekunde aus den Augen ließ. Ich hatte das Gefühl, in meinem Mund verwandelte sich eine Wüste. Krampfhaft zwang ich meine Augen nicht dem Handtuch zu folgen und ihn zu offensichtlich anzustarren. Das war schwerer als gedacht. Ahnte er, was er gerade in mir auslöste? Vermutlich, so wie seine Mundwinkel zuckten. Warum tat er das? Er schien inzwischen wieder einigermaßen nüchtern zu sein, so konnte man es nicht mal als Provokation im Suff abtun. „Totchi… wieso…“ Wie ich die Frage zu Ende führen sollte, wusste ich selbst nicht, denn Toshiya vereitelte den letzten, kläglichen Versuch meines Hirns, seiner vorgeschriebenen Arbeit nachzugehen, indem er den verbliebenen, viel zu kleinen Abstand zwischen uns überbrückte. Warmer Atem strich über meine Haut, als er sich zu mir hinabbeugte und mein Herz komplett zum Aussetzen brachte. „Danke für das Handtuch.“ Ich spürte einen leichten Druck auf der Wange, als er mir einen Kuss darauf hauchte. Meine Haut brannte. Und schon war der Moment vorbei. Ich hatte nicht einmal begriffen, was passierte, da löste sich Toshiya bereits schon wieder von mir und wandte sich grinsend ab. Als wäre nicht gewesen, ging er langsam auf seine Kleidung zu, die vereinsamt und unverändert am Beckenrand lag. Mein Augen wollten mir nicht mehr gehorchen, starrten ungeniert auf seine Kehrseite, folgten jeder seiner Bewegungen, während meine Wangen sicherlich rot glühten. Ging er schwungvoller als sonst? Und war – Schnaubend riss ich mich von dem Anblick los und kniff die Lider zusammen, ehe ich leicht schwankend aufstand. Mir war heiß und in meinem Kopf schwirrte es wie in einem Bienenstock. Und nicht nur da. Ach scheiße. Als ich wieder aufsah, hatte sich Toshiya angezogen und stand bereits an dem Durchgang zwischen den Hecken, durch den wir gekommen waren. Ein feines Lächeln umspielte seine Lippen, die dunklen Augen musterten mich auf eine Weise, die ich nicht zu deuten wusste. „Kommst du? Lass uns schlafen gehen.“ Mehr als ein Nicken brachte ich nicht zustande, nicht einmal ein Grinsen. Ein seltsames Zittern durchlief meinen Körper, als ich mich an ihm vorbeizwängte. Ich hatte wohl doch zu viel getrunken. Ganz bestimmt. Ende Nachwort: Zum einen: vielen Dank für's Lesen ^^ Feedback wäre wie immer hilfreich. Inspiration für die beiden Stories war wie schon erwähnt diese Talkrunde vom Mai 2020 (https://thepriceofbeingaroseisloneliness.tumblr.com/post/619289610611310592/dir-en-grey-live-archive-special-talkqa) und ich bin echt froh, diesen Input, den die beiden so bereitwillig geliefert haben, nun verarbeitet zu haben *lach* Vielleicht fällt mir irgendwann noch mehr ein. Liebe Grüße Luna Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)