die Hölle steht Kopf von pat (Ausschnitte aus dem Leben der Lia Kim) ================================================================================ Kapitel 4: 04|Abbygale ---------------------- Von der restlichen Führung und den angeblich wichtigen Vorträgen von Mister Schildkrötenpinguin bekam ich allerdings nicht mehr wirklich viel mit. Zum einen weil die ganze Tour bereits mehrere Stunden anhielt und unsagbar viele Informationen mit sich brachte, zum anderen weil sich wie aus dem Nichts eine Bewohnerin der Hölle zu uns gesellte, die vor Aufregung fast zu platzen schien. Völlig überdreht und begeistert, dass hier in dieser höllischen Einöde endlich mal etwas Abwechslung eintrat, stürzte sie sich auf mich und sabbelte wie ein Wasserfall auf mich ein. Abbygale. Oder im Allgemeinen eher als Pandora oder der Inbegriff aller Todsünden bekannt. Kurz genannt einfach Abby, brachte erneut mein ganzes Weltbild und alles was ich bis dahin glaubte zu wissen völlig durcheinander. Denn bei Pandora handelte es sich weniger um eine aus Lehm geformte Frau die auf die Erde entsandt wurde und alles bekannte Übel über die Menschheit brachte, als vielmehr um eine etwas eigensinnige Dämonin mit Persönlichkeitsstörung. Um genau zu sein mit SIEBEN Persönlichkeiten plus die eine, die sich in diesem Moment lebhaft auf mich stürzte. Jede dieser Persönlichkeiten ist der Inbegriff einer der uns bekannten Todsünden. Superbia auch bekannt als Hochmut. Avaritia, der Geiz. Luxuria, die Wolllust. Ira, der Zorn. Gula, die Völlerei. Invidia, der Neid und zu guter Letzt Acedia, die Faulheit. Jede dieser Persönlichkeiten besitzt ihren eigenen Namen und je nachdem welche gerade die Vorherrschaft besitzt verändert sich auch Abbys Erscheinungsbild und entsprechend auch einige ihrer Fähigkeiten. Im Allgemeinen hat sie sich selbst meist ziemlich gut im Griff und kann beeinflussen wer sie gerade vor hat zu sein und oft macht sie sich einen Spaß daraus zwischen ihnen hin und her zu wandern um ihrer Umwelt auf die Nerven zu gehen. In ihrer wilden Jugend, insofern Dämonen eine Jugend besitzen soll sie darin allerdings noch nicht so kontrolliert gewesen sein und so kam es, dass sie aus Trotz auf die Erde wanderte um der echten Pandora eins über den Schädel zu ziehen und in der Menschenwelt ein unbeabsichtigtes Chaos anzurichten. Zur Strafe, für ihr eigenmächtiges Handeln und den Papierkram der anschließend auf die Hölle zukam, bekam sie eine Art Hausarrest. Die Büchse der Pandora war demnach gar keine Büchse. Sie war viel mehr eine 1,50 mal 2,00 Meter große versiegelte Holzkiste, gerade großgenug damit Abbygale darin Platz fand und möglichst stark in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt war. Einige Hundert Jahre dauerte der Arrest an und wurde schlussendlich vorzeitig von einem dummen Priester aufgehoben, der sich einfach nicht an die Anweisungen seiner Vorgänger, diese Kiste unter KEINEN Umständen zu öffnen, halten wollte. Die dummen Taten von wirklich dummen Menschen in Horrorfilmen sind also nicht sonderlich weit hergeholt, denn Menschen sind wie Höllenkatzen- sie lassen sich nichts verbieten. Abby hatte in den vielen Jahren ihres Hausarrestes ein riesiges Pensum an Langerweile abzubauen und Vertrieb sich der Weile die Zeit mit dem Basteln von Unheil. Sie konnte ja nicht ahnen, dass irgendein dummer Mensch, genauso wenig auf Regeln gab wie sie und das Siegel ohne Vorwarnung brach um zu sehen was sich unter dem Deckel befand. So kam es, dass die Menschheit noch bis heute von unkontrolliertem Übel heimgesucht wird. Übel, auf das weder Himmel noch Hölle Einfluss haben. Und zwar nur, weil ein aufmüpfiger Mensch aus reiner Neugierde die sogenannte Büchse der Pandora öffnete und Abbygale es nicht schaffte ihre Zeitvertreibe rechtzeitig zu fassen zu bekommen, bevor sie auch schon in die Welt hinaus geflogen waren um ihr Werk zu verrichten. Sie muss offensichtlich geahnt haben, dass ihre Lebensgeschichte ein kleines religiöses Chaos in meinem Kopf ausgelöst hatte. Denn gleich hinten ran gab sie mir auch schon die Erklärung für gefühlt alles Wiedersprüchige was mich künftig noch verwirren sollte. Kein Glaube dem die Menschen folgen ist richtig. Aber auch keiner ist falsch. Es gibt nicht diese eine einzige Religion. Vielmehr ist jede in ihrer Art und Weise präsent und jede mit allen anderen verbunden, wodurch es immer wieder zu Überschneidungen in ihrer Überlieferungen kommt. Was in der Menschenwelt schlussendlich als Glauben herauskommt, hängt ganz allein von der Interpretation eines jeden Einzelnen ab. Doch eines haben sie alle gemeinsam. Ehre das Leben, ehre den Tod. Ein Grundsatz, der vor allem Heut zu Tage viel zu oft in Vergessenheit gerät. Abby ist eine unglaublich neugierige und wissbegierige Dämonin, die sich schnell gelangweilt und unterfordert fühlt. Allerdings auch das genaue Gegenteil verkörpern kann. Doch im Allgemeinen findet sie uns Menschen unglaublich spannend, da wir, wie sie es gerne nennt so voller Unvollkommenheit und Fehler strotzen, dennoch immer einen Weg finden durchs Leben zu kommen. Und da sie sich den Entschluss gefasst hatte ab sofort zu meinen besten Freundinnen zu gehören, fiel sie schnurstracks in mein irdisches Leben ein, indem sie sich einen Job bei mir auf Arbeit verschaffte und zwar so, als wäre sie schon immer Teil des Teams dort gewesen. Aber da sich herausstellte, dass die Firma in der ich arbeitete einem sehr hochrangigen Dämonen der A Klasse gehörte, nicht weniger verwunderlich. Auf mein Nachhaken hin, wieso ein Dämon ausgerechnet eine Lebensmittelkette in der Menschenwelt besitzt, erzählte mir meine neu gewonnene Freundin von der Macht – und Geldgier vieler Dämonen. Da nicht jeder Dämon in der Menschenwelt herumwüten kann wie es ihm gerade in den Kram passt, haben sich viele von ihnen eine Art Ventil zugelegt. Als Chefs großer Firmen steht es ihnen frei zumindest im Rahmen der geltenden Gesetze ihre Mitarbeiter auszubeuten und zu quälen. Nebenbei Scheffeln sie ein Haufen Geld, gehen ihren Vorlieben nach Luxus in Form von teuren Autos, Villen oder Jachten nach. Mein Chef ist da auch ziemlich gut drin. Er hortet das Geld und hat das unsagbare Talent die größten Vollidioten um sich zu Scharren um uns Angestellten mit unrealistischen Vorstellungen und Wünschen tierisch auf den Geist zu gehen, während wir für ihn schuften und jede noch so realitätsferne Idee in die Tat versuchen umzusetzen. Was er allerdings noch nicht mitbekommen hat, dass eine seiner Mitarbeiterinnen nun die Ehefrau seines Chefs ist und Abbygale und ich schließen immer wieder neue Wetten ab, wann er die First Lady der Unterwelt endlich erkennt. Aber da ich auch hier für die meisten gefühlt unsichtbar bin, wird das mit ziemlicher Sicherheit noch sehr, sehr, seeeeehr lange dauern. Nachdem Abby sich erfolgreich in mein irdisches Leben mit eingeschlichen hatte, konnte ich mich ihr und ihrem pausenlosen Geschwätz über den heißesten Dämon aller Zeiten nicht mehr entziehen. Jared, der Dämon aus dem Eingangsbereich. Der, der stets nur über seinen Zeitungsrand hinausblinzelte, wenn wir die Eingangshalle betraten und nie mehr Anteilnahme als ein kurzes Nicken schenkte, während man den Raum bis zum Fahrstuhl durchquerte. Aber auch der Jared, der bereits zum neunzehnten Mal zum heißesten Dämon der Unterwelt gewählt und bereits zum dritten Mal als Kalendermodel für alle 12 Monate des Labels SÜNDHAFT abgelichtet wurde. Der Jared, der so pflichtbewusst ist, dass er seinen Posten niemals verlässt ohne einen von ihm erschaffenen Doppelgänger den Platz einnehmen zu lassen. Der Jared, der stets korrekt und immer Termingerechte seine Berichte abgibt. Der Jared, der sehr viel interessierter am Geschehen der Unterwelt zu sein scheint, seitdem wir aufgetaucht sind. Der Jared- … Ja, Jared ist seither ein all gegenwärtiges Thema. Und wird es vermutlich auch für immer bleiben, da egal was Abby auch versucht um dem beliebtesten und heißesten Dämon der gesamten Hölle aufzufallen, es fruchtet einfach nicht. Im Gegenteil. Gerade weil Jared so ein Pflichtbewusster Typ ist, hat er nicht wirklich viel für sie und ihre waghalsigen und regelwidrigen Aktionen übrig, mit denen sie stets versucht alle Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Die Sache mit der Büchse der Pandora hatte ihr schon nicht besonders viele Pluspunkte eingebracht und die Ergebnisse die sie in der Menschenwelt als Invidia und Acedia außerhalb geltender Richtlinien erzielte sprechen einen so ordnungsorientierten Dämonen auch nicht unbedingt an. Von Superbia und Avartitia mal ganz zu schweigen. Und Gula-, es tut mir leid, aber Gula sieht wirklich nicht besonders anturnend aus und gehört auch nicht unbedingt zu den sympathischsten Wesen die ich kennenlernen durfte. Generell scheint Jared sich für keine ihrer Persönlichkeiten besonders groß zu interessieren, während andere ziemlich schnell dem Charme von Luxuria, der Wolllust erlegen sind, zeigt er ihr nach wie vor stets die kalte Schulter. Ganz offensichtlich findet er Abby generell ziemlich lästig. Denn nicht allzu selten wirft er mir ein stillschweigendes Augenrollen über dem Rand seiner Zeitung zu, bevor diese sich wieder zwischen unser Sichtfeld schiebt. Einzig und allein Ira lässt ihn interessiert die Zeitung senken und das Geschehen beobachten. Ich bin mir allerdings nicht sicher ob das wirklich an Abby liegt, oder vielmehr an der allgemeinen Situation, die dieses Spektakel ab und an auslöst. Das allererste Mal begann alles mit einer kleinen Meinungsverschiedenheit auf Arbeit. Wir haben ganz offensichtlich ein doch ziemlich unterschiedliches Bild in Bezug auf Qualität, was eine kleine Streiterei auslöste, welche sich durch immer mehr nervige Kleinigkeiten zu einem handfesten großen Streit entwickelte. Was unteranderem dem zu verschulden war, dass ich als Mensch sehr viel sensibler auf die Sticheleien ihrer zich widerlich stichelnder Persönlichkeiten reagiere, als jeder Dämon weit und breit. So kam es, dass wir uns wild zankend von Arbeit zur Eingangshalle begaben und es von dort gerade so bis in Damiens Arbeitszimmer schafften, als mir endgültig der Geduldsfaden riss und ich mit Teufel Seniors Geschenk auf Abby zielte und abdrückte bevor Damien mich auch nur hätte davon abhalten können. Gefolgt von einem lauten Knall entstand eine gigantische Rauchwolke um uns herum. Ich weiß noch genau wie schockiert Damien mich fragte ob ich den Verstand verloren hätte und was in mich gefahren sei. Und das ich selbst so schockiert war, dass ich ihm nicht antworten konnte. Es ist ein wirklich sehr irritierendes Gefühl. Eben noch wurdest du von unzähligen Gefühlen, vor allem aber von Wut übermannt und im nächsten Moment waren sie, so wie Abby komplett verpufft, als wären sie nie wirklich da gewesen. Man fühlt sich in binnen von Sekunden unendlich befreit. Das einzige was zurückblieb war ein kurzer Moment der Verwirrung. Ganz anders erging es Abby. Wie bereits kurz angerissen, können Dämonen nicht sterben. Zumindest nicht so wie wir es kennen. Demnach kehrte sie durch das brennende Loch im Eingangsbereich zurück und schleppte sich kraftlos zum Fahrstuhl. Der Prozess der Wiederkehr, ist ein sehr kräftezehrender Prozess, der die Dämonen quasi auslaugt und in Abbys Fall, sie in der Form von Gula verdammt hungrig durch das Loch quetschen lässt, was sie wiederum so wütend macht, dass sie zum Inbegriff des Zorns wird. Denn Hunger kann sie gar nicht leiden. Sprich, mit meiner von ihr ausgelösten Impulshandlung hatte ich nur eines erreicht. Eine wutendbrannte Ira, die immer wieder wie eine Furie auf die Fahrstuhltasten einschlug, damit dieser sich schneller Richtung Ziel bewegte, nämlich gegen alle Regeln auf direkten Weg zur Büroetage, schnurrstrakt zu mir. Als sie den Fahrstuhl verließ, hatte ich das Gefühl meinem schlimmsten Albtraum zu begegnen. Feuerrote Haare peitschten ihr ums Gesicht. Ich hätte schwören können, dass sie in Flammen standen. Vor Wut lodernde Augen und eine Körpersprache die förmlich Schrie ICH REIßE DICH IN STÜCKE, während sie auf mich zu stapfte. Aber offensichtlich hatte Jared pflichtbewusst wie er war, bereits die nötigen Einsatzkräfte informiert, die wie aus dem Nichts auftauchten und sich mit viel Mühe auf sie stürzten um sie nach einem langen Gerangel abzuführen. Nach ein paar Stunden Einzelhaft mit ausreichend Energieriegeln und Schokolade zum Hunger stillen, war sie wieder ganz die Alte und ich konnte mich ohne Angst um mein Leben bei ihr entschuldigen. An diesem Tag lernte ich wohl, dass Wichtigste für unsere Freundschaft. Hab immer was zum Essen in der Tasche. Denn viele Streitereien werden bei ihr durch Hunger ausgelöst. Schaffst du diesen rechtzeitig aus der Welt, bist du sicher. Auf jeden Fall haben wir es an diesem Tag auf die Titelseite aller Klatsch und Tratsch Zeitschriften geschafft, die Abby alle fein säuberlich ausgeschnitten und eingerahmt in ihrem Büro aufgehängt hat. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)