Fortunas verschlungene Pfade von Kikono-chan ================================================================================ Kapitel 8: Kapitel 8 -------------------- 8. Kapitel: Es war die Nacht von Freitag auf Samstag der ersten Augustwoche. Draußen war es stickig, schwül und unsagbar heiß. Schon vor Dienstantritt beschlich Nami so ein ungutes Gefühl, dass dieser Tag noch mehr als nur dieses erdrückende Wetter für sie bereit hielt. Und sie sollte Recht behalten... Am Abend kamen kurz vor Schichtwechsel gleich fünf Krankenwagen vorgefahren. Jugendliche, die sich selbst überschätzt hatten. Jeder musste den anderen beweisen, wie cool er ist. Na gut, eigentlich wollten die fünf Bengel nur einem bestimmten Mädchen beweisen, wie cool sie sind. Und das ging gründlich in die Hose. Bei einem Stuntversuch mit ihren Skateboards waren die Idioten ineinander gestoßen. Wäre alles halb so schlimm, aber sie befanden sich zu diesem Zeitpunkt oberhalb eines Treppengeländers einer 100-Stufen Treppe. Geplant war, dass sie zeitgleich auf dem Geländer aufkommen und hintereinander in Reihe das ziemlich lange Geländer herunterrutschen sollten. Das... hatte nicht wirklich funktioniert. Zeitgleich kamen sie auf, waren aber bereits beim Sprung kollidiert und dann teils unsanft auf dem Geländer gelandet oder direkt auf den Stufen und sind allesamt die 100 Stufen herunter gepurzelt wie nasse Säcke. Nachdem ihre fünf Verehrer stark lädiert, gedemütigt und ungesund verrenkt unten angekommen waren, hatte das Mädchen sofort die Krankenwagen gerufen. Bei einem der Pechvögel durfte sie sogar mitfahren. Das nannte man dann wohl Glück im Unglück – zumindest für einen der fünf. Nami massierte sich die Schläfen. Sie hatte alle Röntgen- und CT-Aufnahmen besichtigt und schon jetzt graute es ihr vor den anstehenden Operationen. Alle Fünf würden unters Messer müssen. Das würde eine schlaflose Nacht werden... Ihr Telefon klingelte und erleichtert sah sie Kayas Dienstnummer auf dem Display. „Kaya. Schön, dass du anrufst. Ist alles gut auf Station?“ „Selbstverständlich. Die Schwestern haben hier alles im Griff. Es sind ja auch nur wenige Kinder derzeit hier. Du hast wie immer den meisten ein Wochenende in Familie ermöglicht.“ Etwas peinlich berührt, versuchte Nami das Ganze zu überspielen. „Ach was, ich mach doch bloß meine Arbeit. Aber mal was anderes: Kaya, könntest du mir...“ „Assistieren? Ich bin schon auf dem Weg zum OP. Dachte, du fragst gar nicht mehr, hehe.“ Nami zog eine Grimasse, die Kaya selbstredend nicht sehen konnte. Aber das war gerade egal. Eigentlich freute sie sich, dass die Blonde so selbstständig und selbstbewusst geworden war. Außerdem würde es mit ihr die anstehende Tortur wesentlich erleichtern. Mit einem „Bis gleich“ legte die Kinderärztin auf und machte sich ebenfalls auf den Weg zum OP-Trakt. Die fünf Unglücksraben waren ebenfalls schon dorthin gebracht. Zwar konnte sie nur einen nach dem anderen operieren aber sie wollte die Jungs gerne zusammen in einem Raum lassen. Sie würden sich gegenseitig motivieren und aufziehen und somit die heranschleichende Angst vor der nahenden Operation vertreiben. Dem Mädchen hatte man freigestellt, ob sie nach hause möchte oder lieber im selben Zimmer mit ihren Idioten bleiben wollte. Sie hatte sich für letzteres entschieden, nachdem sie ihre Eltern informiert hatte. Mit den anderen Eltern hatte Nami bereits gesprochen. Nicht zuletzt wegen der Einwilligung zur Operation. Witzigerweise verhielten sich Eltern in derartigen Situationen immer gleich: Vor dem Arzt waren sie bestürzt, verängstigt und fassungslos aber kaum fühlten sie sich unbeobachtet im Beisein ihrer Kinder, wurde diesen noch direkt eine Kopfnuss verpasst, weil sie zu dämlich zum Atmen waren. Die Kinderärztin wusste genau, dass es für die Eltern lediglich ein Ventil war, um ihren Kindern auszudrücken, wie viel Sorgen sie sich wirklich machten. Aber alle Eltern wissen, dass man so etwas vor Teenagern nicht mehr aussprechen darf – schon gar nicht im Beisein von Freunden, das war uncool. Dennoch verstand jeder diese Geste. Nachdem die Eltern den Raum wieder verlassen hatten, wollte auch die Orangehaarige sich fertig machen, doch sie wurde aufgehalten. „Entschuldigen Sie bitte... werden... werden sie wieder gesund?“ Das Mädchen sah schüchtern zu Nami auf. Angesprochene drehte sich zu ihr um, legte ihre Hand auf den Kopf der Heranwachsenden und lächelte beschwichtigend. „Ich bekomme deine Jungs schon wieder hin, mach dir darum keine Gedanken. Aber...“ Mahnend richtete Nami sich wieder auf und erhob ihren Zeigefinger. „... du solltest ihnen diese Flausen echt austreiben! Wir sind schließlich nicht mehr im Mittelalter, wo man den Frauen mit halsbrecherischen Aktionen seinen Wert beweisen muss. Pass von jetzt an besser auf sie auf. Immerhin bist du die Vernünftige in der Gruppe.“ Ihr Ton wurde wieder sanfter. „Auch wenn du nur einem von ihnen dein Herz schenkst, so seid ihr doch durch ein enges Band der Freundschaft miteinander verbunden. Das kann ich sehen.“ „Danke, Dr Tamino. Das werde ich. Versprochen!“ „Sehr gut. Den Rest kannst du getrost mir überlassen. Ich flick' die Jungs schon wieder zusammen. Bis später.“ Damit wandte Nami sich dem OP zu und verschwand hinter einer Flügeltür, die das Mädchen nicht passieren durfte. Etwas wehmütig bereitete sie sich auf die erste Operation vor. Das Sechsergespann erinnerte sie an sich selbst. An ihre Jugend. An ihre Jungs – Zorro, Sanji und Lysop. An Ruffy. „Ruffy...“ wisperte sie und wischte sich schnell über die Augen. Seit einer Woche hatte sie nicht mehr mit ihm gesprochen oder ihn gar gesehen und so langsam wurde dieses beklemmende Gefühl in ihrer Brust unerträglich. Aber sie durfte jetzt nicht an ihn denken! Sie durfte an gar nichts denken, außer an die bevorstehende Operation! Das war sie dem Mädchen schuldig. Die erste Operation verlief reibungslos und obwohl sie diese als die schwierigste und dringlichste eingestuft hatte, gab es keinerlei Komplikationen. Das konnte man von den beiden folgenden nicht behaupten. Als hätte Nami irgendetwas getriggert, bekam sie immer wieder Herzrasen und ständig tauchte Ruffys Gesicht vor ihrem geistigen Auge auf. Also beschloss sie, eine Pause einzulegen und überließ Kaya die vierte Operation. Sie verfolgte diese lediglich aus der zweiten Reihe heraus. Für ihre letzte OP glaubte Nami sich wieder beruhigt zu haben und trat selbst wieder an den Tisch. Doch bereits kurz nach Beginn begannen ihre Hände ungewöhnlich stark zu zittern. Das kannte sie gar nicht von sich. Alle Versuche, sich zu beruhigen, scheiterten und zu allem Überfluss ließ sie auch noch ihr Skalpell fallen, welches eine hässliche Schnittverletzung am Bein des Jungen verursachte. Kaya schaltete schnell genug, behob den Fehler und übernahm auch diese Operation. Völlig perplex blieb die Orangehaarige an Ort und Stelle stehen. Sie konnte nichts tun, nicht klar sehen, geschweige denn einen Gedanken fassen. Sie stand einfach nur da und zitterte am ganzen Körper. Erst als Kaya sie sanft an der Schulter berührte, schien sie aus ihrer Starre zu erwachen. „Kaya... ich... entschuldige...“ Selbst die richtigen Worte fehlten ihr. Was war nur in sie gefahren? „Ist schon okay, Nami. Was immer da auch gerade passiert ist, es ist vorbei. Komm. Wasch dich erst einmal und dann solltest du dich dringend ausruhen. Sicher bist du nur überarbeitet.“ Liebevoll aber bestimmt bugsierte die Blonde Nami aus dem Saal in den Vorbereitungsraum. Selbstzweifel und Vorwürfe überfielen die junge Kinderärztin. Sie hatte es versprochen! Sie wollte sich nach besten Wissen und Gewissen um die Jungs kümmern. Um all ihre Patienten! Und was tat sie stattdessen?! Verpasste dem armen Kind eine weitere, sinnlose Narbe. Sie war so nutzlos... Wie konnte sie nur denken, irgendetwas zu können? Sie war ein Nichts ohne Kuleha. Erneut begann sie am ganzen Körper zu zittern, doch dieses Mal konnte Kaya sie fest in den Arm nehmen und ihr Halt geben. „Ich weiß nicht, was es ist, dass dich so fertig macht. Und ich weiß, dass ich nicht die richtige Person bin, mit der du darüber reden willst. Aber bitte, Nami, … bitte...“ Die Blonde vergrub ihr Gesicht an Namis Schulter. „Werde wieder du selbst. Wir brauchen dich. ICH brauche dich...“ Die Orangehaarige schreckte aus ihren düsteren Gedanken und legte nun ihrerseits die Arme um die Blonde. Wie konnte sie nur so schlecht von sich selbst denken? Alles, was sie erreicht hatte, hatte sie aus eigener Kraft geschafft. Natürlich hatte Kuleha einen Großteil dazu beigetragen, dass sie überhaupt einen so steinigen Weg gegangen war, aber letzten Endes war sie ihn allein gegangen. Sie war da, wo sie sein wollte. Und sie hatte Menschen um sich, die ihr vertrauten und auf sie bauten. Tief atmete sie ein und aus, bevor sie ihr bekanntes Lächeln aufsetzte und Kaya ansah. „Du hast Recht. Ich sollte mich echt zusammenreißen! Außerdem ist dank dir alles nochmal gut gegangen. Na komm. Wir sollten dem Mädchen die guten Nachrichten überbringen.“ Auch Kaya fand ihr Lachen wieder. „Sie sitzt bestimmt schon im Zimmer und hält Händchen.“ „Da könntest du glatt Recht haben.“ Gemeinsam verließen sie den OP-Trakt und wollten durch die große Halle zur Kinderstation. Doch auf halbem Weg spürte Nami einen intensiven Blick auf sich, blieb stehen und sah sich um. Oben auf der Galerie stand ihr Chefarzt. Die Miene unleserlich, taxierte er die Kinderärztin mit seinen kalten, grauen Augen. Es bedurfte keiner Worte. In dem Moment, als er sich zum Gehen wandte, wusste sie, dass sie umgehend in seinem Büro zu erscheinen hatte. Der Grund dafür lag auf der Hand: Ihr Versagen in der letzten Operation. „Ich glaube, du musst der Kleinen die gute Nachricht allein überbringen.“ „Verstehe. Viel Glück, Nami.“ Glück? Nein, das konnte sie auch nicht mehr retten. Höchstens ein Wunder! Law hatte am ersten Tag unmissverständlich klar gemacht, dass er Perfektion von seinen Mitarbeitern erwartete. Und was sie eben abgeliefert hatte, war jenseits aller Ansprüche ihres Chefarztes. Gedanklich machte sie sich bereits auf eine Abmahnung gefasst. Mit Sicherheit würde er ziemlich wütend sein. Und enttäuscht... Etwas zaghaft klopfte sie an die doch so vertraute Tür, neben der nun ein ganz anderes Namensschild hing, als noch vor knapp einer Woche. >>>Dr. med. sc. Trafalgar D. Water Law<<< Er war also auch Doktor für Psychologie? Was für ein Angeber... Und schon hatte sie wieder ihr nötiges Feuer für die anstehende Konfrontation. Also klopfte sie direkt noch einmal energischer an die Tür. „Treten Sie ein, Dr. Tamino.“ Natürlich wusste er, dass sie vor der Tür stand. Er wusste ja auch immer ganz genau, was in diesem Krankenhaus vor sich ging. Als ob er seine Augen überall hätte. Der Typ war eindeutig nicht normal! Und dennoch... Es gab einige Momente, in denen er sich ihr gegenüber mehr als einfühlsam gezeigt hatte. All das schoss ihr in weniger als einer Sekunde durch den Kopf, während sie die Tür öffnete und hinter sich wieder verschloss. „Sie wollten mich sprechen, Dr Trafalgar.“ Ihre Miene war unbewegt und doch tobte in ihr ein Sturm aus Emotionen, den sie nur schwer bändigen konnte. „Setzen Sie sich, Dr Tamino.“ Ohne zu zögern, kam sie seiner Aufforderung nach. Sie überschlug ihre Beine und legte ihre Arme aneinander. Ihre Haltung war nicht ganz so abweisend, wie bei ihrem ersten Gespräch, signalisierte aber dennoch eine gewisse Distanz. Hier in diesem Moment musste sie professionell bleiben. Er war ihr Chefarzt. Ihr Vorgesetzter. Nichts weiter. „Können Sie mir sagen, was genau da vorhin vorgefallen ist?“ Das sah ihm ähnlich. Ohne großes Vorgeplänkel direkt auf den Punkt. „Es war eine lange Nacht. Vermutlich hat meine Konzentration nachgelassen. Glücklicherweise konnte schlimmeres verhindert werden. Mir ist ein Fehler unterlaufen und ich stehe dazu. Ich bin schließlich auch nur ein Mensch. Auch wenn ich mir dessen bewusst bin, dass das Ihren Ansprüchen nicht im Mindesten genüge tut.“ Law verschränkte die Finger vor seinem Gesicht und fixierte Nami. Er war nicht wirklich zufrieden mit der Antwort. Irgendetwas brodelte da unter der Fassade, das spürte er ganz deutlich. Und solange das nicht behoben war, konnte sich dieser Fehler jederzeit wiederholen. Also wie sollte er sie aus der Reserve locken? „Nein. Dieses Mal ist nichts passiert. Aber was ist beim nächsten Mal? Können Sie mir garantieren, dass sich der Vorfall von eben nicht wiederholen wird?“ „Wie ich schon sagte: Ich bin ein Mensch! Mein Dienst war lang und arbeitsreich. Wenn Sie nicht wollen, dass sich so etwas wiederholt, lassen Sie mich in meinen Feierabend gehen und ausruhen.“ Immerhin war es bereits Mittag, dabei hätte sie nur bis 9 Uhr Dienst gehabt. Sie war müde, hungrig und bekam allmählich schlechte Laune. „Wenn das so ist...“ er lehnte sich in seinem Stuhl zurück und Nami sah das als Aufforderung, den Raum zu verlassen. Doch sie war noch gar nicht an der Tür, da setzte er wieder an. „Room!“ Nur ein einziges Wort. Doch sie wusste genau, was es bedeutete. Es war ihr Codewort. Es wurde ein Raum geschaffen, in dem sie nur zwei einfache Menschen waren. Nur Law und Nami. Aber warum nur musste er es ausgerechnet jetzt benutzen? Wut stieg in ihr auf und sie wirbelte herum, schlug ihre Hände flach auf seinen Schreibtisch und brüllte ihn an: „Was fällt dir eigentlich ein? Ich habe keine Probleme, okay! Es geht mir gut! Ich brauche deine beschissenen Ratschläge nicht! Lass mich gefälligst gehen!“ Beschwichtigend breitete er die Arme aus und zuckte mit den Schultern. „Du kannst diesen Raum jederzeit verlassen.“ Immer noch in Rage drehte sie sich wieder um, doch ihre Hand am Türknauf vermochte nicht, diese zu öffnen. Wieso konnte sie nicht einfach gehen? Weg von hier. Weg von ihm. Weg von diesen Augen, die ihr bis in ihr Innerstes sehen konnten... „Glaubst du ernsthaft, ich sehe es nicht? Dein Zittern. Deine verkrampfte Haltung. Dein ganzes Auftreten ist eine Fassade, die sich um Kontrolle bemüht. Was bringt dein Inneres derart aus der Fassung, dass du nicht einmal während einer OP deinen kühlen Kopf bewahren kannst?“ Seine grauen Augen bohrten sich bis in ihre Seele. Und erneut hatte er sie an einen kritischen Punkt gebracht. Ihre Tränen flossen wie wilde Bäche. Warum nur konnte er sie nicht einfach in Ruhe lassen? Warum musste er immer wieder dafür sorgen, dass sie in seiner Gegenwart anfing zu heulen, wie ein kleines Kind? „Ich hasse dich, Law!“ schluchzte sie. „Das erwähntest du bereits.“ kommentierte er schmunzelnd, während er zu ihr kam und sie einfach umarmte. „Du bist so ein sadistisches Arschloch! Warum kannst du mich nicht einfach in Ruhe lassen? Ich will nicht, dass du mich so schwach siehst...“ „Du bist immer so schrecklich charmant, wenn du traurig bist... Im Übrigen ist es keine Schwäche, sich seiner Gefühle gewahr zu werden und sich mit ihnen auseinander zu setzen. Im Gegenteil. Wenn man versucht, sie zu verdrängen und zu ignorieren, dann erst ist man wirklich schwach.“ „Hör auf, immer den Klugscheißer raushängen zu lassen und gib mir lieber ein Taschentuch!“ Beinahe in Zeitlupe schloss Nami die Wohnungstür auf. Sie wusste nicht, wie lange sie Law die Ohren vollgeheult hatte aber erneut hatte er ihr zugehört und tatsächlich herausgefunden, wo ihr Problem lag. Sie sollte endlich mit Ruffy reden, das Problem aus der Welt schaffen. Nur so könnte sie sich wieder auf ihre Arbeit konzentrieren. Als ob sie das nicht versucht hätte... er war ja nie zu hause, wenn sie kam! Seufzend ließ sie sich an der Tür herunter gleiten und legte schlaff ihren Kopf auf ihre Knie. Was waren das nur für verrückte Wochen? Wie konnte alles so plötzlich aus dem Ruder geraten? „Nami?“ Völlig überrascht fuhr sie hoch und stolperte zwei Schritte vorwärts, direkt in Ruffys Arme. Er war zu Hause? In ihr breiteten sich gemischte Gefühle aus Freude und Wut aus. Sie beschloss, zuerst der Freude nachzugehen und fiel ihm um den Hals. Etwas perplex verharrte der junge Mann vorerst in seiner Position. Dann nahm er behutsam ihre Arme von seinem Hals und sah sie an. „Können wir reden?“ „Ja, bitte.“ Endlich! Gemeinsam setzten sie sich in die Küche und obwohl Nami todmüde war und eigentlich nur noch schlafen wollte, entschied sie sich, das jetzt durchzuziehen. Sie würde keinen klaren Gedanken fassen können, geschweige denn vernünftig operieren können, wenn das hier nicht endlich geklärt wäre! Ruffy spielte mit seinem halbvollen Wasserglas und mied Namis Blick. Und obwohl er das Gespräch eigentlich gesucht hatte, fehlten ihm nun die nötigen Worte. Wie fing man so etwas überhaupt an? Oder sollte er erst einmal über etwas belangloses reden? Die Arbeit vielleicht? Ihm schoss sofort ihr letzter gemeinsamer Abend in den Kopf und der abschließende Streit. Okay, vielleicht doch nicht über die Arbeit reden. Aber worüber dann? Oder... doch genau darüber? Denn das war ja der Grund, warum sie gestritten haben. Oh Himmel, warum war das bitte so kompliziert?!? Nami hatte sich derzeit einen Kaffee gekocht und setzte sich nun mit einem langgezogenen Seufzer ihrem Freund gegenüber. „Also?“, begann sie. Irgendwann mussten sie schließlich anfangen zu reden. Sie wurde schließlich auch nicht wacher... „Ja, weißt du... wegen neulich. Irgendwie...“ „Entschuldige bitte, Ruffy.“, fiel sie ihm direkt ins Wort und sah ihn aus traurigen Augen an. Denn es tat ihr wirklich Leid. „Ich wollte unseren Jahrestag ganz sicher nicht so verbringen.“ „Ich auch nicht. Aber es ist echt schwer, irgendetwas zu planen, wenn du immer wieder zur Arbeit rennst...“ Ruffys Ton klang leicht genervt und sofort horchte Nami auf. „Ich wollte den Tag nur mit dir verbringen aber du hast ja nicht einmal geschrieben oder angerufen. Ich habe mich die letzten Tage oft gefragt, wer dir wichtiger ist: Ich oder dein Job?“ Nami stemmte die Hände auf den Tisch und fuhr hoch. „Du natürlich! Was für eine dämliche Frage! Und ich habe mich nicht melden können, weil ich die ganze Zeit im OP stand! Ich dachte, du verstehst das.“ „Arbeit! Es geht immer nur um deine Arbeit! Ich sehe ja ein, dass deine Arbeit wichtig ist aber zum einen hast auch du ein Privatleben und zum anderen bist du nicht die einzige Ärztin im ganzen Land!“ „Aber ich bin nun mal die beste auf meinem Gebiet in diesem Land!“ „Oh, jetzt bekommen wir also auch noch Höhenflüge! Auch du bist nur ein Mensch, Nami! Und Menschen machen Fehler. Niemand ist unfehlbar – hat dir das die alte Kuleha nicht beigebracht?“ „Rede nicht so über meine Mentorin als würdest du sie kennen! Du hast überhaupt keine Ahnung! Nicht von ihr, nicht von meiner Arbeit und langsam frage ich mich, ob du überhaupt weißt, wer ich bin?“ Ganz langsam stand er nun auf, sah sie dabei unverwandt an und blieb direkt vor ihr stehen. „Ich dachte, ich würde dich kennen. Und ich bin mir sicher, es gab mal eine Zeit, da hat das auch tatsächlich gestimmt. Aber du hast dich verändert. Oder... war das schon immer dein wahres Ich und ich habe es nur nicht gesehen?“ Ruffy ging aus der Küche ins Schlafzimmer, nahm seinen Rucksack und seinen Strohhut und war schon fast aus der Tür. „Vielleicht sollten wir eine Pause einlegen. Und wenn wir etwas Abstand gewonnen haben, noch einmal versuchen herauszufinden, wie viel wir wirklich voneinander wissen. Und ob wir unter diesen Bedingungen noch zusammen sein können.“ Damit verließ er endgültig die gemeinsame Wohnung und ließ Nami an Ort und Stelle zurück. Zwei weitere Tage waren vergangen, in denen die junge Kinderärztin zwischen Wutanfällen und Zusammenbrüchen mehr schlecht als recht zurechtkam. Die Stationsarbeit überließ sie hauptsächlich Kaya, verkroch sich selbst häufig in ihrem Dienstzimmer und zeigte sich nur selten. Sie redete wenig, aß kaum etwas und wenn sie jemand ansprach, setzte sie ein freundliches aber künstliches Lächeln auf und behauptete stets, dass alles in bester Ordnung sei. Doch am dritten Tag nach dem Streit konnte sie sich nicht mehr verkriechen, denn sie wurde zu einer Notoperation gerufen. Zwar handelte es sich nicht um ein Kind aber da auch sie eine Chirurgin war, und es sich um einen derart großen Eingriff handelte, dass alle verfügbaren Ärzte gerufen wurden, hatte sie keine andere Wahl. Der Patient hatte einen schrecklichen Unfall hinter sich und mehrere Baustellen, die gleichzeitig versorgt werden mussten. Bei der ohnehin verschwindend geringen Überlebenschance, war das ihre einzige Hoffnung, den Patienten zu retten. Dank den klaren und strukturierten Anweisungen des Chefarztes, lief die Operation reibungslos. Aber ausgerechnet kurz vor Ende unterlief Nami erneut ein Fehler, der eine Gefäßruptur zur Folge hatte. Die ohnehin angespannte Atmosphäre wurde plötzlich hektisch und Chaos drohte auszubrechen. Doch Law behielt seinen kühlen Kopf, gab schnell präzise Anweisungen und der Schaden konnte zeitnah behoben werden. Was jedoch nichts daran änderte, dass die Orangehaarige sich noch schlechter fühlte als ohnehin schon. Erschöpft zog sie sich um und aus dem OP-Trackt zurück, bevor Law sie abfangen konnte. Sie musste sich unbedingt kurz sammeln, andernfalls konnte sie für nichts garantieren, wenn er sie mit dieser Situation konfrontierte. Denn das würde er zweifelsohne noch tun. Sie ließ sich im Dienstzimmer der Schwestern auf einen Stuhl fallen und vergrub ihr Gesicht in ihren Händen. Sie war so schrecklich ausgelaugt und leer. Wo war nur all ihre Energie hin? „Dr Tamino.“ Da war er ja auch schon. Warum nur musste er sie so schnell finden? Sie war noch nicht so weit, sich mit ihrem Chefarzt auseinander zu setzen. „Würden Sie bitte mitkommen.“ Doch sie blieb wo sie war, sah ihn nur aus müden Augen an und protestierte mit dem letzten Bisschen der ihr verbliebenen Kraft. „Warum sollte ich das, Dr Trafalgar? Wir wissen beide, was eben geschehen ist. Es bedarf keiner weiteren Analyse. Und wenn Sie irgendwelche Sanktionen über mich verhängen wollen, können Sie das auch gern hier tun. Dann wissen meine Kollegen wenigstens gleich Bescheid.“ Laws Augenbraue zuckte kurz und sie konnte deutlich vernehmen, wie er kurz einatmete, anscheinend bemüht, seine Fassung zu halten. War er etwa ebenfalls ausgelaugt? Angespannt? Er war definitiv nicht so ruhig wie gewöhnlich. „Ich würde mich aber gern unter vier Augen mit Ihnen unterhalten wollen.“ „Aber ich will das nicht!“ Ihr Kampfgeist loderte wieder auf und bescherte ihr einen Energieschub. Jetzt wütend stand sie auf und ging sogar auf ihn zu, bis sie auf Augenhöhe mit ihm war und blickte ihn trotzig an. Allein dieser kurze Disput hatte dafür gesorgt, dass sämtliches Personal der Kinderstation innehielt in ihrem Tun, um das zu sehen. Die Spannung zwischen den Beiden war beinahe greifbar. „Dr Tamino. Das ist eine Dienstanweisung Ihres Vorgesetzten.“ knurrte er. „Und ich bin nicht gewillt, dieser Anweisung nachzukommen. Es gibt nichts, was Sie mir nicht auch hier sagen könnten.“ Law schloss die Augen und kniff sich in den Nasenrücken. Diese Frau machte ihn fertig! „Sie haben es so gewollt...“ Er sah sie wieder an und seine grauen Augen loderten geradezu vor Kälte. „Da Sie meiner Empfehlung, Ihre Probleme in den Griff zu bekommen, anscheinend nicht nachgekommen sind, werden Sie hiermit mit sofortiger Wirkung auf unbestimmte Zeit von sämtlichen Operationen ausgeschlossen!“ „Das können Sie nicht machen!“ zischte sie wütend zurück. „Doch, ich kann. Und ich habe es gerade getan.“ „Ich habe Ihnen vor einigen Tagen bereits gesagt, dass ich nur ein Mensch bin! Menschen machen Fehler! Es tut mir Leid, dass Sie das in ihrem tollen Plan nicht mit einkalkuliert haben, DOKTOR Trafalgar!“ sie schnaubte wütend, bevor sie erneut losschoss: „Im Übrigen habe ich meine Probleme sogar bestens im Griff. Sie auch?“ Der Schuss ging eindeutig unter die Gürtellinie und brachte das Fass zum Überlaufen. „Halten Sie gefälligst mein Privatleben aus ihren Fehlern heraus! Sie haben nichts miteinander zu tun. Und jetzt packen Sie Ihr Zeug. Sie sind bis auf Widerruf suspendiert, DOKTOR Tamino!“ Brodelnd vor Wut schoss Nami an ihm vorbei in ihr Zimmer, packte ihren Kram und rauschte davon. Zurück ließ sie ihre geschockten Kollegen, sowie empörte Schwestern und einen ziemlich aufgebrachten Law. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)