Fortunas verschlungene Pfade von Kikono-chan ================================================================================ Kapitel 2: Kapitel 2 -------------------- 2. Kapitel: Am Ende des Tages hatte Nami sieben Brüche der unterschiedlichsten Art gerichtet und drei Kinder operiert - 2 Blinddarmentzüngen und eine Mandeloperation. Die strahlenden Kinderaugen, wenn sie erfuhren, dass sie nach der Entfernung der Mandeln nun tagelang Eis essen durften, war immer wieder ein Highlight für die junge Kinderärztin. Getrübt wurde diese Freude lediglich durch die Anwesenheit des zukünftigen Chefarztes Dr Trafalgar in IHREM OP! Er hatte sie mit Argusaugen beobachtet und im Anschluss jede ihrer Bewegungen mit seinen kalten, grauen Augen verfolgt. Nicht ein Wort hatte er gesagt, nicht einmal die kleinste Bemerkung von sich gegeben, nur stumm gestarrt - und das hatte sie fast wahnsinnig gemacht! Die sonst eher lockere Stimmung ihres OP-Teams war zum Zerreißen gespannt. Hoffentlich kam das nicht häufiger vor, das würde ihr so gar nicht behagen. Nami saß gemeinsam mit den Schwestern vom Spätdienst beim Abendessen. Sie lachten und scherzten ausgelassen. Die junge Ärztin pflegte ein sehr gutes Verhältnis zum Pflegepersonal, davon profitierten alle. Aber es sollte nicht sein, dass ihre ausgelassene Fröhlichkeit lang anhielt. Ein kurzes, kraftvolles Klopfen riss die Gruppe aus ihrem Gespräch und als sich die Tür öffnete, sank Namis Laune zum wiederholten Mal an diesem Tag auf den Tiefpunkt. "Dr Trafalgar, was führt Sie zu uns?" fragte sie mit gezwungener Höflichkeit. Aus den Augenwinkeln nahm sie die schmachtenden Blicke der Schwestern wahr. Mochte ja sein, dass ihm die hellblaue Jeans und das schwarze Hemd wie angegossen passten und man ganz deutlich den durchtrainierten Körper darunter sehen konnte aber sah denn keine von den Weibern die kalten, emotionslosen Augen, die die Orangehaarige schon wieder fixierten, wie ein Raubtier seine Beute?! "Ich wollte dich sprechen, Nami." kam die Antwort prompt mit einem süffisanten Grinsen. Die Angesprochene explodierte geradezu - hatte der Kerl es ersnthaft gewagt, sie zu duzen und beim Vornamen anzusprechen?! "Für Sie immernoch DOKTOR TAMINO!" giftete sie zurück. "Wie Sie meinen. Also?" kehrte er wieder zur Höflichkeitsform zurück und hielt ihr auffordend die Tür auf. Wütend knallte sie ihre Hände auf den Holztisch, was das daraufstehende Geschirr zum Klappern brachte. Sie schnappte sich noch ihren weißen Ärztekittel mit ihrem Namensschild, zog ihn über ihre orangene Bereichsbekleidung, bevor sie an ihm vorbei auf den Flur rauschte. "In Ihr Büro bitte, Dr Tamino." drang seine Stimme wieder an ihr Ohr und ließ erneut einen kalten Schauer ihren Rücken entlang laufen. Sie beschloss, diese unangenehmen Regungen zu ignorieren und steuerte stattdessen ihr Zimmer an am anderen Ende der Station. Der Raum, der ihr als Büro, Bereitschafts- und Aufenthaltsraum gleichermaßen diente, war nicht besonders groß, dafür aber geschickt eingerichtet. Die Tür schwang nach innen auf und gab direkte Sicht auf einen Schreibtisch mit Computer frei, der am Ende der linken Wand stand. Man musste erst einige Schritte ins Zimmer hinein gehen, bevor man um die Ecke und in den Rest des Zimmers sehen konnte. Gegenüber des Schreibtisches, an der anderen Wand, befand sich eine gemütliche Sitzecke mit Sofa und zwei Sesseln. Daneben stand ein Regal so in den Raum hinein, dass es das dahinter stehende Bett gut verbarg. Vollgestopft mit Medzinbüchern und einigen Romanen war das allerdings auch nicht sonderlich schwer. Nami ging direkt zum großen Fenster, zwischen ihrem Schreibtisch und der Sitzecke und öffnete es. Erst danach ließ sie sich auf ihren Schreibtischstuhl nieder. So wollte sie verhindern, dass er sich in ihre direkte Nähe setzen konnte. Der zukünftige Chefarzt sah zwischen der Kinderärztin und der Sitzecke hin und her, bevor er zielsicher ihren Schreibtisch ansteuerte und sich dagegen lehnte. Na toll! Nun war er ihr fast noch näher, als hätte er sich auf dem Sofa neben sie gesetzt. Das war ja kaum zum Aushalten! Sie warf ihm einen kurzen, desinteressierten Blick zu. "Sagen Sie mir endlich, was Sie von mir wollen und verschwenden nicht länger unser beider kostbare Zeit." Wieder huschte ein kurzes Lächeln über seine Züge. "Warum so abweisend?" Zur Antwort überschlug sie lediglich ihre Beine und verschränkte die Arme vor der Brust - JETZT war sie abweisend! Bis eben wollte sie ihn nur höflich schnellstmöglich wieder los werden. "Ich war heute bei vielen Operationen dabei und habe Sie und ihre Kollegen beobachtet." Das wusste sie bereits. Wenn er ihr nichts Wichtiges zu sagen hatte, warum musste er ihr dann auf die Nerven gehen? Sein Blick glitt zum Fenster und er sah hinaus auf den Hof, wo die Abendsonne Alles in einen goldroten Ton tauchte. Ohne Nami wieder anzusehen, fuhr er fort. "Bei den meisten ist die Technik noch verbesserungswürdig und zum Teil weit davon entfernt, perfekt zu sein.." "Was erwarten Sie denn? Viele der Ärzte, denen Sie heute über die Schulter gesehen haben, sind jung und stehen am Anfang ihrer Karriere. Wie würden Sie sich fühlen, wenn Ihnen plötzlich jemand Wildfremdes genauestens auf die Finger guckt, während Sie wissen, dass jeder noch so kleine Fehler eventuell eine Kündigung nach sich ziehen könnte?" Mit einem überheblichen Grinsen erwiederte er ihren herausfordernden Blick. "Ihre Kollegen sollten diesen Störfaktor ausblenden und sich auf das Wesentliche konzentrieren. So, wie ich es immer tue. Oder wie Sie es getan haben, Dr Tamino." War das gerade etwa so eine Art Kompliment gewesen? Die Orangehaarige zog eine Augenbraue hoch. "Sie waren Kulehas beste Schülerin. Sie hat Sie hervorragend ausgebildet. Warum lassen Sie zu, dass Sie von ihr als Küken bezeichnet werden?" War das sein Ernst? "Das würden Sie sowieso nicht verstehen, Dr Trafalgar." knurrte sie böse. Was wusste er schon? Kulehas Kosename für sie mochte anfangs vielleicht wirklich herablassend gemeint gewesen sein aber im Laufe der Jahre war es eher so etwas wie eine liebevolle Anrede geworden. Kuleha war so etwas wie die Oberhenne und Nami eines ihrer geliebten Küken, über dass sie auf Teufel komm raus schützend ihre Flügel halten würde. So einer wie Trafalgar mit seinen kalten Augen konnte das garantiert nicht nachvollziehen, dessen war die junge Ärztin sich sicher. "Sie hält große Stücke auf Sie." kam es fast flüsternd von ihm. Um Namis Züge spielte ein Lächeln, doch sie erwiederte nichts. "Sie könnten es weit bringen in der Chirurgie. Warum sind Sie Kinderärztin geworden?" Nun war sie verwirrt. Versuchte er gerade, etwas über sie herauszufinden? "Das würde einer wie Sie niemals verstehen." blockte sie erneut. Und schon wieder unterstellte sie ihm emotionale Kälte. "Dann erklären Sie es mir." Nami lachte laut auf. "Hatten Sie schon einmal mit Kindern zu tun?" "Weniger." "Dacht' ich mir." Die Kinderärztin erhob sich, schritt zum Fenster und beobachtete lächelnd eine kleine Familie auf dem Spielplatz im Klinikhof. "Es geht mir nicht darum, hoch hinaus zu kommen. Beruflich habe ich Alles erreicht, was ich je wollte." Sie bedeutete dem Schwarzhaarigen ebenfalls nach draußen zu blicken. "Der kleine Jamie, der da draußen so ausgelassen spielt, hatte einen angeborenen Herzfehler, der es ihm unmöglich machte, irgendetwas zu tun, was einem Kind Freude bereiten würde. Sein Herz war viel zu klein, zu schwach und es entwickelte sich nicht weiter. Er war auf eine Transplantation angewiesen, andernfalls hätte er nicht mehr lange gelebt. Vor einer Woche dann bekamen wir endlich ein passendes Spenderherz. Ich kann mich gut daran erinnern, wieviel Angst seine Eltern vor dieser Operation hatten, auch wenn es Jamies einzige Chance auf ein Leben war. Also hat er einfach immerzu gelächelt und seinen Eltern so den Mut und die Kraft gegeben, die sie brauchten. Und das, obwohl er selbst unglaubliche Angst hatte. Er hat es mir gesagt am Abend vor seiner OP." Sie hielt kurz inne. "Ich betreue den Kleinen seit mehr als drei Jahren und dieses Lachen - ..." sie deutete auf den spielenden Jungen, der gerade breit lachend in die Arme seiner überglücklichen Eltern hüpfte. "... ist die Belohnung für meine Arbeit. Für die Arbeit von jedem hier. So ehrliche Emotionen werden Sie bei keinem Erwachsenen finden." "Haben Sie Kinder, Dr Tamino?" "Nein. Leider nicht. Es hat sich bisher einfach nicht ergeben." Es war das erste Mal, dass sie einer derartig privaten Frage nicht auswich. "Noch nicht den Richtigen gefunden?" "Falls Sie darauf anspielen, ob ich noch zu haben bin, muss ich Sie enttäuschen. Ich befinde mich in einer festen Beziehung mit einem wundervollen Menschen." Nami sah ihn unverwandt an. Kurz konnte sie etwas in seinen Augen aufblitzen sehen, das tatsächlich hätte Enttäuschung sein können. Aber ganz sicher war sie sich nicht. "War es das dann, Dr Trafalgar?" fragte sie nun wieder mit kühler Stimme und holte demonstrativ ihren Pieper aus ihrer Kitteltasche. Natürlich war in so einer Situation nicht eine Nachricht drauf aber das musste er ja nicht wissen. "Für's Erste, ja. Ich danke Ihnen, dass Sie sich die Zeit genommen haben. Wünsche eine ruhige Nacht. Wir sehen uns." Damit verließ er ihr Büro wieder. "Hoffentlich nicht so bald..." murmelte sie, kaum, dass die Tür ins Schloss gefallen war. Nach einiger Zeit gesellte sie sich zurück ins Schwesterndienstzimmer. "Na, wie war das Gespräch mit dem zukünftigen Chef?" wurde sie sofort begrüßt von einer Schwester mit schulterlangen, blauen Haaren. Nami war die Betonung auf dem Wort 'Gespräch' nicht entgangen. "Wenn du damit andeuten willst, wir hätten eine schnelle Nummer in meinem Büro geschoben, muss ich dich enttäuschen, Emily." Sofort kicherte die Blauhaarige und die anderen vier Anwesenden stiegen mit ein. Moment, vier? "Ist es schon so spät?" fragte die Kinderärztin nun verwundert. "Wir wollten gerade mit der Übergabe beginnen. Keine Sorge, der Nachtdienst ist eben erst eingetrudelt." wurde sie sogleich beruhigt. "Darf ich trotzdem neugierig sein?" setzte Emily erneut an und warf einen kurzen Blick in die Runde. Alle nickten eifrig. Alle, außer Nami. "Herr Gott nochmal... ihr gebt ja doch keine Ruhe..." Einstimmiges Kopfschütteln gepaart mit breitem Grinsen war ihre Antwort und so fuhr sie genervt fort. "Er war heute bei mir und einigen anderen Ärzten mit im OP und hat uns auf die Finger geschaut, um anschließend besonders schlaue Ratschläge zu verteilen." fasste die Orangehaarige kurz zusammen. "Und welchen Rat hat er dir mitgegeben?" fragte Hiromi, eine der Nachtschwestern mit kurzen, roten Haaren. Die junge Ärztin zuckte kurz mit den Schultern. "Keinen. Er war zufrieden mit dem, was er gesehen hat." Die fünf Schwestern tauschten schnelle Blicke aus. "Und worüber habt ihr zwei euch dann so lange unterhalten?" Genervt verdrehte Nami die Augen. "Wir haben uns über die alte Schachtel unterhalten und warum ich hier geblieben und nicht die chirurgische Karriereleiter hochgestolpert bin." "Na wegen den süßen Patienten und ihren breiten, ehrlichen Lachen, dass dein Herz zum Schmelzen bringt." grinste Hiromi breit. "Und wegen uns!" warf Emily hinterher und alle lachten. "Ihr habt beide Recht. Die schönste Arbeit der Welt ist nichts wert, wenn man sich im Team nicht wohlfühlt." Dankbar wurde die junge Kinderärztin von den Schwestern angelächelt. Nami liebte ihre Arbeit und ihr Team, auf das sie sich wirklich immer verlassen konnte. Und ein neuer Chefarzt würde nichts daran ändern! Notfalls würde sie ihn halt weitestgehend ignorieren - darin hatte sie ja bereits Übung. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)