Ein letztes Geheimnis von Sharry ================================================================================ Prolog: Prolog -------------- Prolog   „Hey Zorro, lass uns Steine für ein Lagerfeuer sammeln!“ Die Stimme des Kapitäns der Strohhutpiratenbande schallte über das friedliche Schiff hinweg. „Wofür denn ein Lagerfeuer? Lass mich schlafen, Ruffy.“ „Aber es ist eine unbewohnte Insel, Zorro! Da muss man ein Lagerfeuer machen! Lysop ist schon Holz sammeln, aber uns fehlen auch noch Steine.“ „Brauch man nicht mehr Holz als… okay, meinetwegen, gehen wir Steine sammeln.“ Die Stimmen der anderen wurden gedämpft, als Robin die Türe zur Kombüse hinter sich schloss. „Es scheint als hätte unser Kapitän das Ablenkungsmanöver erfolgreich in die Wege geleitet“, schmunzelte sie, „er und Zorro haben soeben das Schiff verlassen.“ „Endlich“, murrte Sanji, ohne aufzusehen, „es ist fast Zeit fürs Mittagessen, ab dann wäre es schwierig geworden ihn mit einer guten Ausrede aus der Kombüse zu halten.“ „Ich glaube beinahe, dass wir uns da mehr Sorgen um unseren Kapitän hätten machen müssen. Zorro vergisst doch regelmäßig Mahlzeiten“, entgegnete Robin erheitert und gesellte sich zu Sanji in die Kochnische. „Wie kann ich dir helfen?“ „Oh, Robinlein, du brauchst mir doch nicht helfen.“ „Aber wenn wir zu zweit sind, geht es schneller und wir können alle eher zusammen feiern.“ Sie neigte leicht den Kopf zur Seite und lächelte so herzlich, dass Sanjis Herz einen Schlag aussetzte. Sie schien sich wirklich auf das bevorstehende Fest zu freuen und das allein war Grund genug für Sanji sich größte Mühe zu geben. „Nun, wenn das so ist, heiße ich deine Hilfe natürlich herzlichst willkommen, meine Liebe. Du könntest schon mal das Grillgemüse waschen und zurechtschneiden.“ Mit einem Nicken wusch sie sich sogleich auch schon die Hände. „Aber du irrst dich“, murmelte Sanji, während er seinen Teig zum Rhythmus von Frankys Hammerschlägen aus den Tiefen des Schiffes rührte, „der Spinatschädel mag zwar Mahlzeiten vergessen, aber seinen täglichen Alkoholkonsum lässt er sich durch fast nichts nehmen.“ „Das stimmt wohl“, bestätigte Robin und gemeinsam setzten sie ihre Arbeit fort. Vor kaum einer Stunde waren sie an einer unbewohnten Insel angekommen und ihnen allen war der Tapetenwechsel nur recht. Die letzten Tage hatte auf der Thousand Sunny eine seltsame Stimmung geherrscht, die Sanji nicht so recht einzuschätzen wusste. Sie hatten Thriller Bark erst vor kurzem hinter sich gelassen und während die einen ganz ausgelassen waren über das jüngste Abenteuer, so waren die andere eher besorgt. Hinzukamen noch ihr neuestes Crewmitglied Brook, der sich natürlich erst einleben musste, und Zorros eigenartiges Verhalten, oder eher Sanjis Misstrauen gegenüber dessen Verhalten. Die Wunden des Marimos konnten noch gar nicht verheilt sein und dennoch trainierte er – ganz gleich was Chopper ihm verbot oder vorschrieb – wie ein Wahnsinniger tagein tagaus. Selbst als Sanji sich am frühen Morgen aus den Laken gekämpft hatte, war der Ausguck noch hell erleuchtet gewesen. Das war an sich nichts Ungewöhnliches. Zorro beendete sein Training meist um die Uhrzeit, wenn Sanji aufstand, und legte sich dann noch für ein paar kurze Stunden hin. Aber die letzten Tage hatte er das eben nicht getan. Wenn Sanji sich nicht arg irrte, hatte der Schwertkämpfer ihrer Crew die vergangenen Nächte überhaupt nicht geschlafen, sondern nur trainiert, und das beunruhigte ihn. Zorro hatte von jeher immer viel trainiert und den fehlenden Schlaf durch über den Tag verteilte Nickerchen ausgeglichen, aber seit Thriller Bark… Knacks „Oh, verdammt!“ „Alles in Ordnung, Küchenchef?“ Robin lugte ihm über die Schulter. „Oh, das muss wohl Materialermüdung gewesen sein. Warte, ich hole dir einen neuen.“ „Nicht nötig, danke dir.“ Sanji hob den zerbrochenen Holzlöffel aus seiner Rührschüssel und nahm sich einen neuen. Seufzend fuhr er damit fort den Teig fertigzustellen. „Oder vielleicht war es auch gar keine Materialermüdung“, mutmaßte Robin neben ihm, „du scheinst heute besonders energisch der Arbeit nachzugehen, Sanji.“ Überrascht sah er sie an, während sie ihn nur sachte anlächelte. „Ach was“, murrte er und konzentrierte sich wieder auf seinen Kuchen. „Ich gebe mir immer Mühe, bei jeder Mahlzeit.“ „Oh, natürlich“, stimmte Robin zu, „aber heute scheinst du dir besonders viel Mühe zu geben.“ Er errötete. „Aber…“ „Was hast du dir denn Ausgefallenes einfallen lassen? Soll diese grüne Farbe etwa eine Anspielung sein?“ Sie unterbrach seinen Einwand spielerisch und lenkte seine Aufmerksamkeit auf den Teig in seiner Schüssel. „Ein Versuch“, entgegnete er seufzend. „Ich wollte etwas, was nicht zu süß und nicht zu ungesund ist, aber dennoch ein Kuchen ist, der allen schmecken kann.“ „Ein schwieriger Spagat“, bemerkte sie, während sie beide weiterarbeiteten. „Aber ich glaube, er ist mir gelungen“, versicherte Sanji zuversichtlich. „Es ist ein Spinatkuchen mit Bier-Kokos-Creme und Erdbeeren. Er ist nicht so süß, wie das, was ich sonst backen würde, aber mit den Erdbeeren glaube ich, dass selbst Chopper ihn mögen wird.“ „Beeindruckend“, lobte Robin ihn. „Ich bin mir sicher Zorro wird sich freuen.“ „Ach, am Ende wird er ihn wahrscheinlich noch nicht mal probieren. Chopper hat mal erwähnt, dass er jeglichen Süßkram nicht abhaben kann“, murrte Sanji verdrießlich und begann die Creme vorzubereiten, während er gleichzeitig den Teig in den Backofen schob. „Aber was er an Gebäck mag weiß ich letzten Endes gar nicht. Wahrscheinlich würde er sich mehr über irgendeinen Billigfusel freuen.“ „Und dennoch machst du dir extra die Mühe einen Kuchen zu backen, der auch ihm schmeckt.“ Sanji zuckte nur mit den Schultern und ignorierte seine warmen Wangen. „Es ist nun mal sein Geburtstag“, murmelte er abwehrend. Nur zufällig war es ihnen aufgefallen – oder eher hatte Chopper nach und nach Krankenakten über jeden von ihnen angelegt, darüber unter anderem Zorros Geburtstag erfahren und diese kleine Information vor wenigen Tagen fallen lassen – und nach seinen schlimmen Verletzungen auf Thriller Bark schien es ihnen allen wichtig zu sein, Zorros Geburtstag zu feiern. Sie alle wollten heute feiern und so hatten sie entschieden Zorro damit zu überraschen. Sanji sah das alles jedoch noch etwas anders. Ja, auch er wollte feiern, auch er wollte die Bilder des letzten Kampfes durch schönere Erinnerungen verdrängen, aber er beobachtete Zorro auch misstrauisch. Der andere war nur wenige Monate älter als Sanji und wenn die Dinge sich nur etwas anders entwickelt hätten, wäre Sanji jetzt vielleicht tot, wäre Ruffy jetzt vielleicht tot, wäre Zorro jetzt vielleicht tot. Die Bilder des Kampfes mochte Sanji vielleicht bald verdrängen, aber jenes Bild – Zorro zwischen den Ruinen, der Boden um ihn herum rot verfärbt, er selbst über und über besudelt von Blut, seinem Blut – Sanji glaubte nicht, dass er dieses Bild je vergessen konnte. Dann bemerkte er Robins Lächeln. „Was?“ „Ach, nein. Es freut mich nur zu sehen, dass Zorro auch dir wichtig ist.“ „Schwachsinn!“, entgegnete er sofort und stellte die Creme in den Kühlschrank, dessen Tür er etwas zu fest zuschlug. „Dieser Mistkerl kann mir gestohlen bleiben.“ „Das glaube ich dir nicht.“ Er mochte es nicht, wenn Robin ihn so einfach durchschaute, und er hasste, dass sie richtig lag. „Während der letzten Tage hatte ich fast schon den Eindruck, dass du dich um ihn sorgst.“ „Du etwa nicht?“ Er hatte schneller gesprochen als beabsichtigt, doch es war die Wahrheit. „Machst du dir keine Sorgen, wenn du siehst mit welchen Verletzungen er herumläuft, tut als wäre es nichts, und einfach weitertrainiert als hätte er keine Schmerzen?“ Missmutig begann er damit den Salat vorzubereiten, den eh wieder nur die Damen und er selbst essen würden. „Der Kerl regt mich auf“, gestand er dann knurrend ein. „Läuft rum als wäre er unsterblich und als würden Verletzungen keine Spuren hinterlassen. Eines Tages wird er uns alle mit diesem rücksichtslosen Handeln in Gefahr bringen oder zumindest sich selbst. Ich würde ihm am liebsten…“ Robins erhobene Hand ließ ihn innehalten. Ihr Blick sagte ihm, dass etwas nicht in Ordnung war. „Wo sind die anderen?“, fragte sie aufmerksam und erst jetzt fiel es auch Sanji auf. Sie alle hatten ihre jeweiligen Aufgaben für die Überraschungsfeier zu erledigen, aber sowohl Nami als auch Brook hatten ihm ihre Hilfe angeboten, da das Herrichten eines Festmahls nun mal die meiste Zeit benötigte. Aber es war verdächtig still, nein, eher noch, es war viel zu still. Selbst mit Ruffy, Lysop und Zorro vom Schiff war es viel zu ruhig. Kein Gehämmer aus den Tiefen des Schiffes, kein Geigenspiel, keine Nami und kein Chopper, die hereinkamen, um alles weitere zu planen. Etwas stimmte nicht. Aber… nein, Schwachsinn. Sanji hörte schon die Flöhe husten. Das Geschehene auf Thriller Bark ließ ihn paranoid werden. Die lautesten Störenfriede waren an Land und alle anderen bemühten sich wahrscheinlich, sich nicht zu verraten, daher war es so… Plötzlich wurde die Türe aufgerissen und ein hochgewachsener Mann in Uniform und Marinemantel beugte sich unter dem Türrahmen hindurch. „Guten Abend“, grüßte er sie als wäre es das natürlichste der Welt, „Hakkai mein Name, Vizeadmiral und Kommandant der Marinebasis G6. Nico Robin, Schwarzfuß Sanji, ihr seid hiermit verhaftet.“ Für einen Moment stand Sanji einfach nur fassungslos da, während der Duft des Spinatkuchens die Kombüse füllte. Die tiefen Augen des Eindringlings sahen ihn ruhig an und der Soldat lächelte sachte. „Nach Möglichkeit würde ich einen Kampf gerne verhindern und euch den Weg für ein gerechtes Verfahren offenhalten. Einige eurer Crewmitglieder sind bereits in unserem Gewahrsam, also bitte, leistet keinen Widerstand.“ Das konnte doch nicht sein! Sie hatten gerade erst Thriller Bark hinter sich gebracht! Gerade erst Bartholomäus Bär überstanden! Heute sollte ein guter Tag sein! Heute wollten sie einfach mal feiern! Heute war doch… heute war doch… „Ich denke ja nicht dran!“ Sanji hechtete über die Küchenzeile hinweg und griff den Vizeadmiral an. „Das hatte ich befürchtet“, seufzte der andere und parierte Sanjis Kick mit seinem bloßen Arm. „Argh!“ Ein heftiges Stechen durchfuhr sein Bein, als er an dem anderen abprallte wie an einer Steinwand, aber er dachte nicht daran, sich aufhalten zu lassen. Nicht heute! Nicht heute! Seinen pochenden Knöchel entlastend sprang Sanji wieder in die Höhe, doch auf einmal war der Soldat direkt neben ihm und ein dumpfer Schmerz pochte über seinen Nacken hinweg. Das konnte doch nicht wahr sein. Das durfte doch nicht wahr sein. Nicht heute, doch nicht ausgerechnet heute, nicht nach allem was geschehen war, nicht nach allem… Sie hatten doch nur Zorros Geburtstag feiern wollen. Dann wurde ihm schwarz vor Augen.     Kapitel 1: Kapitel 1 - Argwohn ------------------------------ Kapitel 1 – Argwohn   -Sanji- „Und Prost!“ Ausgelassen feierten sie. Wie immer, wenn die Strohhüte eine Party schmissen. Selbst zwei ganze Jahre hatten zumindest daran nichts geändert, selbst nach zwei Jahren feierten sie immer noch genauso wie früher, vielleicht war es sogar noch schöner, vielleicht aber auch nur, weil das letzte Mal bereits so lange her war. Sanji jedenfalls konnte sich nicht beschweren, während er den schönen Meerjungfrauen und Fischfrauen frönte und deren herzliche Gastfreundschaft genoss. Erst am Morgen hatten sie wieder zueinandergefunden. Es war kaum ein Tag vergangen und doch war schon unglaublich viel passiert. Ein Abenteuer würde Ruffy es nennen, der ganze normale Alltag der Strohhutbande jeder sonst. Am Morgen erst hatten sie sich wieder getroffen, waren in die Tiefen der See hinabgesunken, waren beinahe von Tiefseeungeheuern verschluckt oder von Wassermassen zerdrückt worden. Sie hatten die Fischmenscheninsel erreicht und waren wie Freunde und wie Feinde behandelt worden, waren in eine Schlacht hineingezogen worden, welche sie schließlich gewonnen hatten. Innerhalb kaum eines Tages hatten sie genug erlebt, um ganze Geschichten schreiben zu können. Nun waren sie hier, hier unten auf dem Grund des Meeres, unter Fremden, die ihnen bereits wie Freunde waren, und feierten mit ihnen im Ryuuguu-Palast ihren Sieg über die Fischmenschenpiratenbande. Eigentlich war alles perfekt. Die Stimmung könnte nicht besser sein, das Essen nicht schmackhafter, die Frauen nicht schöner. Eigentlich war dies die perfekte Feier, um ihre Wiedervereinigung zu feiern. Eigentlich könnte Sanji nicht glücklicher sein, umgeben von den Schönheiten dieser Insel, seine Freunde, die er nach zwei langen, furchtbaren Jahren endlich wiedergesehen hatte, immer im Blick, alle fröhlich, alle wohlauf. Aber uneigentlich war da dieses unterschwellige Unbehagen und er wusste genau, warum dieses beklemmende Gefühl in der Magengegend ihn nicht in Ruhe ließ, ganz gleich wie viele Zigaretten er rauchte, ganz gleich wie sehr die entzückenden Damen mit ihm flirteten, ganz gleich wie glücklich er war wieder bei seinen Freunden zu sein. Der Grund seines Missmuts saß nicht weit entfernt von ihn, umgeben von anderen Alkoholikern, und ignorierte ihn gekonnt: Lorenor Zorro. Natürlich, Sanji sollte glücklich sein, dass Zorro wieder da war. Er sollte glücklich sein, dass Zorro trotz allem wieder da war, zurückgekehrt war wie sie alle, wohlauf war wie sie alle. Aber die Wahrheit war, Sanji war es nicht. Natürlich war er dankbar, dass Zorro noch lebte. Auch wenn er dem anderen gerne schonmal die schlimmsten Flüche an den Hals wünschte, so waren diese doch nie ernst gemeint. Nie hätte er gewollt, dass Zorro tatsächlich etwas zustoßen würde. Doch das war genau das Problem. Zorro war etwas zugestoßen. Auch wenn er nun dort saß und seinen gefühlt zehnten Bierkrug leerte und laut nach mehr verlangte, so wusste Sanji doch ganz genau, dass er unmöglich wohlauf sein konnte, als wäre er nicht mehr als ein Wunschbild, eine fleischgewordene Illusion, die verschwinden würde, sobald Sanji kurz blinzelte. Damals, vor zwei Jahren, auf der Marinebasis G6 der Senichi-Inseln, Sanji war da gewesen, er hatte die Wunden gesehen, Zorros Blick gesehen. Selbst jetzt noch hatte Sanji Albträume von dieser Nacht, vom Ausbruch, vom Feuer und den schreienden Menschen. Selbst jetzt noch träumte er von diesem traurigen Lächeln, den eigenen schmerzenden Gliedern und diesen Worten. Lebe, Sanji! Der Wein schmeckte plötzlich schal. Jetzt bist du an der Reihe. Beschütze sie! In den letzten zwei Jahren war kein Tag vergangen, an dem er diese Worte hatte vergessen können. Keine einzige Nacht war vergangen, in der er sie nicht gehört hatte. Vertraust du mir? Oh ja, er hatte Zorro vertraut, hatte ihm bis zum Ende vertraut. Sanji hatte darauf vertraut, dass Zorro doch einen Weg finden würde, um sie alle vor dem sicheren Tod zu retten und Zorro… er hatte genau das getan. Er hatte sie alle aus der Hochburg Senichis befreit, jeden einzelnen von ihnen. Selbst Sanji, der sich geweigert hatte mit den anderen zu fliehen und Zorro hatte helfen wollen die Soldaten aufzuhalten. Es war nicht mehr als eine Ahnung gewesen, eine Befürchtung. Selbst heute erinnerte er sich noch an den Moment als er mit Zorro, Nami und Lysop den Innenhof der Festung entlanggerannt war. Er erinnerte sich an die Bleiche des Schwertkämpfers, die Schweißtropfen, die zusammengepressten Lippen, erinnerte sich an das Blut, welches durch Verband und Marineuniform durchgesickert war. Sanji war zurückgeblieben, weil er gewusst hatte, dass Zorro schwer verletzt gewesen war und Sanji nicht vorgehabt hatte, den anderen zu verlieren. Dennoch hatte er nicht eine Sekunde daran gezweifelt, dass Zorro sie da noch irgendwie würde rausholen können, selbst als Zorro die Burg in Brand gesetzt hatte, in einer unglaublichen, sich schnell ausbreitenden Explosion aus Flammen, ohne, dass sie einen Fluchtweg gehabt hatten. Sanji erinnerte sich an die Hitze, die Schreie, die Schmerzen, als er mit dem anderen den Turm hoch geflohen war und die Steine durch die gleißende Feuerbrunst regelrecht unter seinen Füßen weggesprengt worden waren. Selbst da hatte er noch nicht gezweifelt, obwohl ihre Flucht in einer Sackgasse geendet hatte. Er erinnerte sich an das Meer aus Flammen, in dem all diese Soldaten qualvoll ihr Leben gelassen hatten. Er erinnerte sich daran, wie Zorro ihn fast schon den Turm hochgezehrt hatte, wie sie von den Flammen eingeschlossen gewesen waren und Sanji eigentlich schon akzeptiert hatte, dass dies ihr Ende hätte sein sollen. Es waren keine Zweifel gewesen, sondern schlichte Akzeptanz. Vertraust du mir? Doch diese Worte waren genug gewesen, damit er Zorro geglaubt hatte, dass dieser doch noch sie beide würde retten können, sie beide vor den Flammen würde bewahren können. Er erinnerte sich an den Schemen der Thousand Sunny im nicht weit entfernten Wasser und dass er darüber nachgedacht hatte, wie sie beide sicher dorthin entkommen würden, trotz ihrer Verletzungen, trotz Zorros Verletzungen. Aber Zorro hatte nie vorgehabt sie beide zu retten. Jetzt bist du dran. Beschütze sie! Als er Sanjis Arm gegriffen und ihn wild durch die Luft geschleudert hatte, war Sanji dessen abstruser, aberwitziger Plan bewusst geworden. Er mochte Sanji versprochen haben, dass er alle rausholen würde, alle retten würde, aber dabei hatte er wohl nicht mal eine Sekunde an sich gedacht. Lebe, Sanji! Zorro hatte sie alle gerettet, jeden einzelnen von ihnen vor der Verurteilung der Marine bewahrt, nachdem sie alle von Vizeadmiral Hakkai gefangen genommen worden waren. Er hatte sich einen Fluchtplan überlegt und ihn auf eigene Faust in die Tat umgesetzt, ohne auch nur einen von ihnen einzuweihen, ohne auch nur Sanji einzuweihen. Er hatte sie alle gerettet und nicht einen Moment darüber nachgedacht sich selbst zu retten und Sanji wusste mittlerweile auch genau warum. Nächte hatte er wachgelegen, war den Albträumen aus dem Weg gegangen, hatte sich den Selbstzweifeln, der Schuld und der Trauer ergeben, doch irgendwann hatte er verstanden, warum Zorro so gehandelt hatte, was seine Worte und Taten bedeutet hatten. Zorro hatte nie vorgehabt zu überleben. Je länger Sanji darüber nachgedacht hatte, desto mehr hatte er es begriffen. Er wusste von der schlimmen Verletzung, die Zorro von seinem Kampf gegen die Marinesoldaten davongetragen hatte – von irgendeinem Schwertkämpfer der Marine, dessen Name Sanji bereits vergessen hatte – und von der schlechten Behandlung, die die Ärzte der Marine dem anderen hatten zukommen lassen. Er erinnerte sich daran, als Zorro und er aus ihrer Zelle geflohen waren und sich in einer Umkleide als Marinesoldaten verkleidet hatten. Er erinnerte sich an die klaffende Wunde, welche die komplette Seite des anderen aufgerissen hatte, vom Brustkorb hinunter bis zur Hüfte, aufgeplatzte Nähte schlechter medizinischer Versorgung, wild wucherndes und eiterndes Fleisch, verklumptes und geronnenes Blut, die dunkel verfärbte Haut, der ausgemergelte Körper. Das war der Grund gewesen, warum er Sanji seine Lebensaufgabe übergeben hatte. Zorro hatte entschieden lieber im Kampf zu fallen als mit ihnen zu überleben und sein unvermeidbares Schicksal Chopper aufzubürden. Beschütze sie! Sanji hatte es immer schon gewusst, schon seit er den anderen kannte. Zorro trat zwar gerne kalt und ungehobelt auf, so als würden die anderen ihn nicht einen feuchten Dreck interessieren, aber nie hatte er gezögert, um einen jeden von ihnen zu beschützen, zu retten. Immer und immer wieder hatte er sein Leben für sie aufs Spiel gesetzt und Sanji hatte es aus nächster Nähe erfahren, hatte auf Thriller Bark erfahren, wie weit Zorro gehen würde, um sie alle zu beschützen. Sanji war sich ganz sicher gewesen, dass Zorro ihm diese Aufgabe übertragen hatte, weil er gewusst hatte, dass er selbst dazu nicht mehr in der Lage sein würde, hatte ihm diese erdrückende Verantwortung aufgebürdet das zu tun, an der selbst Zorro gescheitert war. Natürlich hatte Sanji auch immer schon die Schwächeren der Crew beschützt, die beiden Damen aus tiefster Inbrunst, aber halt auch die anderen. Aber um Ruffy und Zorro hatte er sich nie Sorgen machen müssen. Er hatte immer gewusst, wie stark die beiden waren, hatte sie nie beschützen brauchen. Damals auf Thriller Bark hatte er das erste Mal gedacht, dass auch die beiden ihre Grenzen hatten, aber wieder hatte Zorro ihn eines Besseren belehrt, hatte wieder mal Sanjis Vorstellungskraft gesprengt und obwohl Zorros Stärke ihn hätte beruhigen sollen, war es anders gewesen. Sanji hatte sich gesorgt, aber hatte es sich selbst nicht eingestehen wollen. Er hatte sich nicht eingestehen wollen, dass jemand wie Zorro, jemand wie Ruffy, dass selbst sie ihre Grenzen haben könnten. Doch selbst Zorro hatte versagt, selbst er hatte es am Ende nicht geschafft, hatte sie gerettet und sich selbst verloren, sie alle verloren. Beschütze sie! Aber werde kein Monster! Sanji wusste es nicht, er wusste nicht, was genau Zorro ihn damit hatte sagen wollen, aber was auch immer es gewesen war, Sanji hatte es nicht erfüllt. Nach der G6 waren sie in genau zwei gefährliche Situation geraten. Die erste auf irgendeiner Insel nahe der Red Line hatten sie nur überstanden, weil sie unerwartete Hilfe vom Samurai Falkenauge erhalten hatten. Die zweite hatten sie nicht überstanden. Sanji hatte versagt, er war nicht in der Lage gewesen seine Crew und seinen Kapitän zu beschützen. Weder auf jener Insel noch auf dem Sabaody Archipel war er der Aufgabe, die Zorro ihm überlassen hatte, gerecht geworden. Er war schuld, dass sie verloren hatten, weil er zu schwach gewesen war, weil er nicht in der Lage gewesen war diesen einen Schritt mehr zu gehen, so wie Zorro es immer getan hatte. Aber das war genau das Problem. Sanji hatte verstanden, warum Zorro ihm diese Aufgabe übertragen hatte – ganz abgesehen davon, dass Sanji kläglich gescheitert war – warum Zorro selbst diese Aufgabe nicht mehr hatte ausführen können. Er hatte die Wunde gesehen, dem anderen die Schmerzen angesehen und nachdem die halbe Burg unter ihnen explodiert war, hatte der andere kaum noch stehen können. Ganz gleich wie stark selbst Zorro war, Sanji hatte gewusst, dass er diese Verletzungen nicht hatte überleben können, auf lange Sicht nicht hatte überleben können. Außerdem… Aber werde kein Monster! Zorro hatte Sanji gerettet, hatte ihn durch die Flammen, die den Turm eingeschlossen hatten, hindurchgeworfen, ins kühle Meer, wo ihn die anderen aufgesammelt hatten, aufs Schiff gezogen hatten. Aber Zorro… Das kannst du nicht tun! Das kannst du doch nicht tun! Sanji erinnerte sich an das groteske Bild der von Flammen verzehrten Marinebasis, erinnerte sich an den vom Feuer entstellten Schatten des brennenden Turmes, erinnerte sich an die kaum auszumachende Figur zwischen den Flammen, die Faust zum Himmel gestreckt, als ewiges Zeichen der Freundschaft, und dann war der Turm in sich zusammengefallen, von Flammen zerstört, und so war auch Zorro gefallen, begraben unter den Trümmern der Marinebasis. Ja, Sanji erinnerte sich noch genau an jenen Tag vor über zwei Jahren, und er wusste genau, was er gesehen hatte. Zorro war gestorben, an jenem Tag eindeutig gestorben. Trotzdem – und das wollte Sanji einfach nicht in den Kopf – trotz allem, was damals geschehen war, saß der andere nun da, trank literweise Bier und freute sich seines Lebens, obwohl genau das unmöglich war! Sanji verstand nicht wie die anderen das einfach ignorieren konnten, einfach so tun konnten als wäre die G6 nie passiert, als hätten sie Zorro nie verloren, als wäre er verdammt noch mal nicht gestorben. Wie konnte es sein, wie konnte es verdammt nochmal sein, dass Zorro nun so ganz unbekümmert da saß, augenscheinlich keinen Kratzer von damals davon getragen hatte, nicht mal eine kleine Verbrennung, nicht mal eine Narbe der riesigen Wunde, die der andere einfach nicht überlebt haben konnte? Aber nein, niemand der Crew fragte nach, niemand der anderen schien überrascht. Sie alle taten so, als wäre es doch logisch gewesen, dass Zorro damals nicht mit dem flammenden Turm gefallen wäre, als wäre es logisch gewesen, dass Zorro bei so etwas natürlich nicht draufgehen würde. Dabei hatten sie doch alle damals genauso getrauert wie Sanji. Damals waren sie der G6 zwar entkommen, aber sie alle hatten unter dem Verlust gelitten. Während ihre Wunden in den Tagen danach verheilt waren, so war der Schmerz doch geblieben. Sanji erinnerte sich an die qualvollen Stunden, wenn er nachts Chopper wimmern gehört hatte, dieser sich aber nicht getraut hatte in eine andere Koje zu gehen, denn die, die er sonst aufgesucht hätte, war leer gewesen. Er erinnerte sich an die späten Abende, die er schweigsam mit Nami oder Robin in der Kombüse verbracht hatte, wenn keiner von ihnen gewusst hatte, was noch zu sagen war. Er erinnerte sich an Brooks tröstliche Worte, die es Sanji nur noch schwerer gemacht hatten. Sie alle hatten getrauert, alle außer Ruffy. Es stimmte schon, Ruffy war während ihrer Flucht ohnmächtig gewesen, schwer verwundet durch Vizeadmiral Hakkai, war erst Tage danach aufgewacht und Sanji war derjenige gewesen, der ihm die Wahrheit hatte sagen müssen. Auch daran erinnerte er sich. Er erinnerte sich daran, wie er Ruffy die furchtbare Wahrheit hatte sagen müssen, wie sie vernichtend geschlagen worden waren, gefangen genommen worden waren, wie Zorro sie alle befreit hatte und am Ende… Ruffy, Zorro ist tot. Er erinnerte sich an die Schreie des anderen, an dessen Tränen, an dessen Qualen und dann, kaum einen Tag später hatte Ruffy entschieden, dass das was Sanji am eigenen Leib erlebt hatte, nicht passiert war. Mit einem naiven Lächeln hatte er schlichtweg behauptet – wider besseren Wissens darauf bestanden – dass Zorro überlebt hätte. Sanji erinnerte sich an diese Tage, an die immer wiederkehrenden Auseinandersetzungen mit seinem Kapitän, die Verzweiflung und Verwirrung der anderen, an irrationale Hoffnungen und Schuldzuweisungen, die sie nur noch mehr geschwächt hatten. Irgendwann hatte Sanji entschieden, Ruffy seine Illusion zu lassen, wissend, dass auch dieser irgendwann aufwachen würde, und hatte die Wahrheit akzeptiert. An jenem Tag, als Zorros Steckbrief aufgehoben worden war, hatte Sanji akzeptiert – akzeptieren müssen - dass Zorro nicht zurückkommen würde und dass es von diesem Zeitpunkt an in Sanjis Verantwortung gelegen hatte, die Crew und den Kapitän zu beschützen. Doch bereits bei seiner ersten Bewährungsprobe kaum einen Monat nachdem sie Zorro verloren hatten, hatte Sanji versagt. Es war ihr erster Landgang seit… seit jenem Tag gewesen, an dem sie alle hatten feiern wollen, an dem sie alle einen ganz besonderen Tag hatten feiern wollen, und Sanji war unaufmerksam gewesen. Während Ruffy nicht einen Moment an Zorro gezweifelt hatte, war Sanji an jenem Tag erneut seinen Schuldgefühlen verfallen, hatte nicht mal bemerkt, dass sie in einen Hinterhalt geraten waren, dass die Marine nur auf sie gewartet hatte. Noch immer konnte Sanji kaum mehr als erahnen warum ausgerechnet Falkenauge und dessen bezaubernde Verlobte plötzlich aus dem Nichts aufgetaucht waren und ihnen geholfen hatten. Erst nachdem sie dem Hinterhalt entkommen waren hatten sie bemerkt, wer ihnen da zur Hilfe gekommen war und Sanji hatte befürchtet, dass nach Bartholomäus Bär nun der nächste Samurai nach ihnen geschickt worden war, um das zu vollenden was Bär nicht getan hatte, um Ruffy zu holen. Verzweifelt und wohl bewusst, dass er diesen Kampf nicht hatte gewinnen können, hatte Sanji Falkenauge angegriffen, wollte nicht noch einmal zögern, um seinen Kapitän zu beschützen, wollte diesen einen Schritt mehr gehen, ganz gleich was er bedeutet hätte. Wirf dein Leben nicht leichtfertig weg. Die Verlobte Falkenauges, Lady Loreen, hatte ihn aufgehalten, zu Boden geworfen, bereit ihn jederzeit zu töten, als wäre es das einfachste der Welt gewesen und ihr Blick… Sanji wollte sich an diese Augen erinnern, aber alles woran er sich erinnern konnte war, dass sie eine Schönheit sondergleichen gewesen war, eine einzige Naturgewalt eingezwängt in einem grazilen Körper. Er hatte keine Ahnung, warum sie und Falkenauge entschieden hatten ihnen zu helfen, aber er wusste, dass es ihm in diesem Moment alles egal gewesen war, als sie über ihm gehockt hatte und er Opfer ihrer Leidenschaft gewesen war. Wenn er so darüber nachdachte fragte er sich auch, woher Ruffy sie kannte, schließlich hatte sie nur mit ihm reden wollen, schließlich hatte er sie einfach in den Arm genommen als sie plötzlich seinen Namen geschrien und bitterlich zu weinen angefangen hatte. Sanji hatte damals vermutet, dass sie vielleicht Zorros Schwester hätte sein können, die Ruffy über den Weg gelaufen war, bevor der Rest von ihnen der Crew beigetreten war. Aber diesen Gedanken hatte er schnell wieder verbannt. Bis auf die Haarfarbe und dass sie beide wohl mit dem Schwert umzugehen wussten, hatte keine Verbindung zwischen der bezaubernden Lady Loreen und dem griesgrämigen Lorenor Zorro bestanden. Aber was auch immer sie Ruffy gesagt hatte, als Ruffy sie alle weggeschickt und sich allein mit der bezaubernden Lady Loreen und dem Samurai Falkenauge unterhalten hatte, es hatte ausgereicht damit Ruffy ihr Zorros Schwerter gegeben hatte. Entgegen Sanjis Proteste hatte Ruffy sie ihr einfach mitgegeben, mit den Worten, dass Zorro sie brauchen würde und dass Zorro noch leben würde. Doch das schlimmste an jenem Moment war gewesen, dass die Worte einer Fremden und eines Samurais, der Zorro einst beinahe getötet hatte, ausgereicht hatten, um die Crew zu überzeugen, sie alle zu überzeugen. Ruffy hatte es ja eh die ganze Zeit behauptet, aber plötzlich war es für alle ganz offensichtlich gewesen, dass Zorro ja wohl doch überlebt haben musste und irgendwann zu ihnen zurückkehren würde; selbst die kluge Robin hatte es geglaubt. Sie alle hatten Logik und Verstand ignoriert, hatten ignoriert was sie mit eigenen Augen gesehen hatten, aber nicht Sanji. Es hatte weh getan, verdammt noch mal er hatte die schlimmsten Qualen erlitten seit seiner Kindheit, denn er hatte sich dieser hoffnungslosen Hoffnung nicht hingeben wollen, hatte das getan, was Zorro von ihm erwartet hätte. Während sie alle fröhlich auf den Tag von Zorros Rückkehr gewartet hatten, hatte Sanji auf den Tag gewartet, an dem sie die Wahrheit einholen würde und er derjenige sein musste, der ihnen dann Halt geben musste. Und die Wahrheit hatte sie eingeholt, aber eine ganz andere, eine fast noch brutalere. Einen guten Monat nachdem sie bereits eines der stärksten Crewmitglieder an den übermächtigen Feind verloren hatten, hatte dieser Feind ihnen gezeigt, wie unbezwingbar die Kluft zwischen ihnen doch war. Auf dem Sabadoy Archipel waren sie vernichtend geschlagen worden, Sanji hatte versagt, hatte kein einziges Crewmitglied beschützen können, seinen Käpt’n nicht beschützen können, und er fragte sich was Zorro wohl getan hätte, wenn er da gewesen wäre, ob sie es dann geschafft hätten. Aber er war nicht aufgetaucht, um ihnen zu helfen, um sie zu retten, und deshalb hatte Sanji gewusst, dass die bezaubernde Lady Loreen und Falkenauge gelogen hatten, vermutlich nur, um an Zorros wertvolle Schwerter zu kommen. Zorro war nicht gekommen, so wie er früher immer rechtzeitig gekommen war, um sie zu beschützen, daher hatte Sanji gewusst, dass Ruffy Unrecht gehabt hatte. Hätte Zorro noch gelebt, dann wäre er gekommen, daher war die Wahrheit unausweichlich gewesen, Zorro war gestorben, wie Sanji es von Anfang an gewusst hatte. Zwei Jahre lang hatte Sanji Zeit gehabt, um den Tod des anderen und seine neue Aufgabe zu akzeptieren, um stark genug zu werden, um ihr gerecht werden zu können. Er war durch die Hölle gegangen, doch sie hatte nicht mit seinen inneren Qualen mithalten können und seiner eigenen Verachtung. Denn trotz allem, obwohl Sanji wusste, was seine neue Aufgabe von ihm verlangte, er war nicht in der Lage gewesen diesen einen Schritt mehr zu gehen. Lebe, Sanji! Beschütze sie! Aber werde kein Monster! Er hatte trainiert, hatte alles gelernt, was er hatte lernen können und noch mehr. War ein hervorragender Koch und ein noch besserer Kämpfer geworden, um das zu tun was er tun musste. Aber er war nicht in der Lage gewesen, diesen einen Schritt mehr zu gehen. Diese Worte verriegelten wie ein Fluchsiegel den dunkelsten Ort in Sanjis Seele und er wagte es nicht sie abzureißen und das Monster dahinter zum Vorschein kommen zu lassen. Warum sonst hätte Zorro ihn damals davor gewarnt? Wirf dein Leben nicht leichtfertig weg. Vielleicht hatte er Zorros Worte damals falsch verstanden, er wusste es nicht, aber Lady Loreens Worte waren eindeutig gewesen. Diesen Schritt mehr zu gehen würde bedeuten die Siegel zu durchbrechen und womöglich würde es ihn sein Leben kosten und dann wäre er auch nicht mehr in der Lage gewesen Zorros Aufgabe zu erfüllen. Zwei Jahre lang hatte Sanji Zeit gehabt Zorros Tod zu akzeptieren, was er auch getan hatte, womit er sich auch abgefunden hatte, und trotzdem, trotzdem, war da diese leise Stimme in seinen Kopf gewesen, die ihn hatte zweifeln lassen, der er aber nie zugehört hatte. Hätte er ihr zugehört, wäre er zerbrochen, hätte die Dunkelheit seines Herzens ihn verschlungen. Doch dann, nur vor wenigen Stunden, war er endlich auf dem Sabaody Archipel eingetroffen, nach zwei langen Jahren, und hatte erfahren, dass Ruffy von Anfang an Recht gehabt hatte, dass Sanji sich geirrt hatte, dass er sich geirrt hatte, obwohl er die Wahrheit doch mit eigenen Augen gesehen hatte. Wie auferstanden war Zorro aus den Tiefen des Meeres emporgestiegen, seine Stimme so rau wie eh und je, sein Blick so kühl und gelangweilt wie Sanji ihn kannte. Als wäre nie etwas passiert, als ob er damals nicht von den Flammen verzehrt und vom Turm begraben worden wäre. Nichts an seinen Körper zeugte mehr von dem was auf Senichi geschehen war. Sanji hatte ihm im Kampf beobachtet, hatte seinen nackten Oberkörper gesehen, nur mit dieser einen Narbe versehrt, die der andere stets wie eine hässliche Medaille herumzeigte. Zorro war stark geworden, unfassbar stark, stärker als Sanji je erwartet hatte, bereit die Bürde seiner Position auf seinen stolzen Schultern zu tragen als derjenige, der den Kapitän unter allen Umständen beschützen würde. Aber es war unmöglich, es war unmöglich, dass sein Körper keine Wunden davongetragen hatte, dass er die letzten zwei Jahre mit Training und nicht mit Genesung hatte verbringen können, während Sanji selbst heute noch die feinen und groben Linien von den tausenden Steinsplittern sehen konnte, die damals seine Unterschenkel durchbohrt hatten. Sanji betrachtete den anderen. Ja, er hatte sich verändert, die Narbe über dem linken Auge, das längere Haar, die anderen Klamotten – die um ehrlich zu sein keine Verbesserung zu vorher waren – und insgesamt die körperliche Entwicklung. Aber nichts an ihm, weder an seinem Körper noch an seinem Verhalten, erinnerte an das was damals geschehen war. Es war beinahe so, als hätte Sanji sich die G6 nur eingebildet, als ob sie nicht gefangen genommen worden wären, als ob sie ihn nicht in den Flammen verloren hätten, so wirkte er, so unbedarft wirkte Zorro. Sanji zerknüllte den Zigarettenfilter in seiner Hand und steckte sich eine neue an, betrachtete das Feuerzeug in seiner Hand. Es sah fast so aus, wie sein altes – jenes, welches Jeff ihm geschenkt hatte – bis auf das es goldfarben war. Dieses Feuerzeug war der Beweis, dass die G6 wirklich passiert war. Zorro hatte damals Sanjis Feuerzeug benutzt, um die Burg in Brand zu setzten, hatte Jeffs Geschenk den Flammen zum Fraß vorgeworfen, und heute, mehr als zwei Jahre später, hatte Zorro ihm ein neues geschenkt, zur Begleichung seiner Schuld, wie Zorro gesagt hatte. Aber diese Schuld war Sanji ziemlich egal. Wenn der andere ihm irgendetwas schuldete, dann war es eine Erklärung. Doch egal wie Sanji in den vergangenen Stunden versucht hatte den anderen zum Reden zu kriegen, immer war ihnen etwas dazwischen gekommen und aus welchem Grund auch immer schienen die anderen der Crew überhaupt nicht darüber nachzudenken, dass die Dinge nicht zusammenpassten, dass irgendwas nicht stimmen konnte. Er sah Zorro zu, wie dieser sich erhob und sich von der feiernden Meute entfernte, eine Tür nach außen nahm, und entschloss sich ihm zu folgen. Sanji wusste genau, dass Zorro nicht überlebt haben konnte, dass diese Wunden viel zu schlimm gewesen waren. Wie also hatte er es geschafft? Wie hatte er den Fall der G6 überlebt? Auch noch ohne die kleinste Narbe? Wie stand er mit der bezaubernden Lady Loreen und dem Samurai Falkenauge in Verbindung? Hatte er die zwei darauf angesetzt ihnen bei dem Marinehinterhalt zu helfen und wenn ja, warum hatte er es nicht selbst getan? Wenn ja, warum hatten sie da Hilfe bekommen, auf dem Sabaody Archipel jedoch nicht? Warum hatte Falkenauge dann im großen Krieg gegen Ruffy gekämpft? Er hatte viele Fragen, unglaublich viele Fragen und er würde seine Antwort bekommen, auf die eine oder andere Art. Warum war Zorro nicht selbst gekommen? Warum hatte die bezaubernde Lady Loreen nur mit Ruffy allein sprechen wollen? Warum hatte sie es nicht ihnen allen sagen können? Warum… Warum…? Warum hatte Zorro ihn im Glauben gelassen, dass er gestorben war? Doch Sanji sollte es nicht bis zur Türe schaffen. Trotz all dieser drängenden Fragen konnte er sich den Reizen der heimischen Schönheiten nicht erwehren und für einen Moment wurde sein schweres Herz ganz leicht. Kapitel 2: Kapitel 2 - Rückblick -------------------------------- Kapitel 2 – Rückblick   -Zorro- Seufzend ließ er die große Torhälfte hinter sich zufallen. Die Feiern seiner Crew waren immer schon etwas ganz Besonderes gewesen und eigentlich fand Zorro es auch ziemlich passend, dass der Tag ihrer Zusammenkunft erst von einer Verfolgung, einem Abenteuer und dann von einem Kampf und der darauffolgenden Feier geprägt wurde. Innerhalb eines Tages hatten sie genau da weitergemacht, wo sie vor über zwei Jahren aufgehört hatten und das passte doch eigentlich ganz gut zu ihnen. Uneigentlich musste Zorro sich jedoch eingestehen, dass der ganze Trubel ihm zu viel war. Er war so oder so nicht gerade ein geselliger Typ Mensch, aber die vergangenen zwei Jahre hatte er die ungestörte Ruhe und die friedliche Harmonie Kuraiganas zu schätzen gelernt. Perona konnte zwar auch ziemlich nervig sein, aber ihre Freizeit hatte sie dann doch häufig im Garten oder in der Küche verbracht, sodass Zorro eigentlich die meisten Stunden nur in Gesellschaft des Samurais verbracht hatte, und dieser war bekanntermaßen zwar ebenso nervig, gehörte aber doch auch eher der ruhigen Sorte an. Zorro mochte es sich nicht eingestehen, aber nach zwei Jahren war er nicht mehr an so viel Lärm gewöhnt. Es war schön zwischendurch, so wie wenn Jiroushin – Mihawks bester Freund aus Kindertagen – vorbeikam und die dunklen Mauern des Schlosses mit schallendem Gelächter füllte, aber die schönsten Abende waren eigentlich die stillen im Kaminzimmer gewesen. Natürlich war auch dieser Abend schön. Verdammt noch mal der ganze Tag war ziemlich unterhaltsam gewesen und Zorro hatte doch auch seinen Spaß gehabt. Er freute sich wieder bei seiner Crew zu sein, freute sich endlich wieder bei ihnen zu sein, mit ihnen zu reisen, mit ihnen Abenteuer zu erleben und auch mit ihnen zu feiern, endlich wieder mit ihnen zu feiern. Aber – und das konnte er nun mal einfach nicht verdrängen – sie alle hatten sich verändert, denn zwei Jahre waren eine lange Zeit. Der zurückliegende Kampf hatte schon die ein oder andere Veränderung mancher seiner Crewmitglieder gezeigt, am auffälligsten waren natürlich Franky und Lysop, die sich äußerlich am meisten verändert hatten, aber ein jeder von ihnen war stärker geworden, hatte sich in seinem jeweiligen Bereich weiterentwickelt und Zorro war stolz zu ihnen gehören zu können und sich ein Mitglied dieser Piratenbande nennen zu dürfen. Selbstredend war ihm bewusst, dass ein halber Tag kaum auch nur ansatzweise ausreichen konnte, um all die Veränderungen zu sehen, die die anderen während der letzten zwei Jahre durchgemacht hatten. Sie würden alle etwas Zeit brauchen, um sich wieder neu kennen zu lernen und so wie Zorro den ein oder anderen von ihnen neugierig beäugte, so wusste er auch, dass die anderen ihn beobachteten, vielleicht sogar besonders ihn, wenn er daran dachte, wie er sich damals unwillentlich von den anderen getrennt hatte. Ja, es stimmte. Die Strohhutpiratenbande war vor zwei Jahren auf dem Sabaody Archipel vernichtend von Admiral Kizaru und einigen seiner Helferlein geschlagen worden, trotz der Einmischung des dunklen Königs Silvers Rayleigh; waren vom Samurai Bartholomäus Bär zerstört worden, in alle Winde verteilt worden. Aber Zorro war an jenem Tag nicht dort gewesen, er war nicht dabei gewesen, als seine Crew besiegt worden war, seine Freunde verletzt worden waren. Er war nicht da gewesen, Zorro war nicht da gewesen, um seine Crew zu beschützen. Seufzend ließ er sich auf den Stufen der Palasttreppe nieder. Er hätte sich etwas Sake mitbringen sollen, dann könnte er solch unnütze trübe Gedanken nun im Alkohol ertränken. Das Vergangene war vergangen, es gab nichts, was er jetzt noch dafür tun konnte. Trotzdem, die Bilder von damals konnte er nicht verdrängen, sie waren immer noch so präsent vor seinem inneren Auge, wie an jenem Tag als es passiert war. Denn auch, wenn Zorro nicht bei ihnen gewesen war, so war er doch nahe gewesen, nahe genug. Er war nahe genug gewesen, um über einen marineinternen Informationssender ganz genau zu verfolgen, wie Bär seine Freunde hatte verschwinden lassen. Hilflos hatte er mitansehen müssen, auf diesen flackernden Bildschirm starren müssen, in seinem schick hergerichteten Zimmer, in seinen feinen Kleidern, dort in Mary Joa. Selbst heute noch erfüllte die Erinnerung Zorro mit einer Mischung aus unbändiger Wut und noch mächtigerer Verzweiflung. Wie viele Nächte hatte er sich gefragt, ob die Dinge anders ausgegangen wären, wenn er nicht von ihnen getrennt gewesen wäre, wenn er bei ihnen gewesen wäre, wenn er damals zu ihnen zurückgekehrt wäre. Aber Zorro wusste, dass solche Gedankenspiele sinnlos waren und wenn er ganz ehrlich war, so wusste er auch, dass er keinen Unterschied gemacht hätte, selbst wenn er damals auf Sarue zu seiner Crew zurückgekehrt wäre, wäre er zu schwach gewesen, um ihnen wirklich eine Hilfe zu sein. Nein, selbst wenn er sie nie verlassen hätte, die G6 nie passiert wäre, sie einfach friedlich von Thriller Bark aus zur Red Line gereist wären, ohne irgendwelche störenden Unterbrechungen, Zorro wusste ganz genau, dass er selbst unter solchen Umständen damals nicht in der Lage gewesen wäre einen bedeutenden Unterschied zu machen. Denn wenn Zorro eines durch Bär gelernt hatte dann, dass er damals seine eigenen Grenzen erreicht hatte und dass er selbst dann noch zu schwach gewesen war, als er entschieden hatte, sie hinter sich zu lassen. Die G6 war jedoch passiert und hatte nur bewiesen was Zorro seit Thriller Bark schon in seinen Knochen gespürt hatte. Er erinnerte sich noch gut an den Tag, als Ruffy ihn unter einer fadenscheinigen Ausrede vom Schiff gelockt hatte, als sie an einer der unbewohnten Senichi-Inseln Anker gelegt hatten, um sich von dem anstrengenden Kampf auf Thriller Bark zu erholen. Auch Zorro war erschöpft gewesen, sein geschundener Körper hatte sich unablässig beschwert, während er neben seinem Kapitän entlanggewandert war und Steine gesammelt hatte. Kalksteine, wie er später schmerzlich hatte lernen müssen, nachdem er und Ruffy damit die Feuerstelle ausgelegt hatten, welche daraufhin explodiert war, weil Kalksteine keine Temperaturschwankungen vertrugen und unter dem Einfluss großer Hitze unkontrolliert bersten und zerplatzen konnten. Damals, als Lysop Ruffy und Zorro wie kleine Kinder gescholten hatte, hatte Zorro noch nicht ahnen können, dass dieses Wissen für ihn schon in naher Zukunft elementar sein würde, denn schließlich waren die Senichi-Inseln gerade für ihr hohes Vorkommen von Kalkstein bekannt. Dafür und für ihre uneinnehmbare und stolze Marinebasis G6 unter der Leitung von Vizeadmiral Hakkai, aber das hatten die Strohhüte nicht gewusst. Ja, jener überraschende Kampf hatte Zorro bestätigt, was er schon bei Bär befürchtet hatte. Zu jenem Zeitpunkt waren sie einfach zu schwach gewesen, einfach noch zu schwach. Mit Leichtigkeit hatten die Soldaten sämtliche Crewmitglieder gefangen genommen und Zorro war nicht in der Lage gewesen auch nur einen von ihnen zu beschützen. Zum Teufel nochmal, er war noch nicht mal in der Lage gewesen Ruffy vor Hakkai zu beschützen. Knacks! Ein Schauer lief über seinen Rücken als er sich daran erinnerte, wie der Vizeadmiral Ruffy zu Boden gebracht hatte, erinnerte sich an das unnatürliche Knacken der Knochen und wie Ruffy dann aufgehört hatte sich zu regen. Für einen Moment war er sich sicher gewesen, dass er seinen Kapitän verloren hatte, dass er versagt hatte, weil er nicht ernst gemacht hatte, weil Zorro nicht diesen einen Schritt mehr hatte gehen können. Schon früh im Kampf hatte Zorro bemerkt, dass sie unterlegen gewesen waren, hatte schnell festgestellt, dass er gegen seinen Gegner - Vizeadmiral Homura, die kalte Klinge der Gerechtigkeit und drittbester Schwertkämpfer der Welt - nicht hatte bestehen können. Zorro hatte gewusst, dass er nicht seine Crew, nicht seinen Kapitän, noch nicht einmal sich selbst würde beschützen können, außer – vielleicht – wenn er diesen einen Schritt mehr gehen würde. Aber er hatte zu lange gezögert, hatte zu große Angst vor der unbändige Kraft in seinem Inneren gehabt, und dieser Moment des Zögerns war genug gewesen. Genug für Hakkai, um Zorro glauben zu lassen, dass er seinen Kapitän verloren hatte, und genug für Homura, um Zorro zu besiegen. Er griff nach seiner Seite. Nichts zeugte mehr von der schlimmen Wunde, die seinen Körper einst geprägt hatte, die ihn einst zu Grunde gerichtet hatte, aber auch diesen Schmerz würde er nie vergessen können. Der Schmerz der absoluten Vernichtung, des absoluten Versagens. Mit dieser Verletzung hatte Homura ihn töten wollen, aber er hatte sich geirrt. Selbst Tage nach dem Kampf hatte Zorro noch gelebt, hatte sich täglich mit den Soldaten der Marinebasis angelegt, um Informationen zu erfahren, über seinen Kapitän, über seine Crew, über ihre Flucht. Gemeinsam mit dem Koch hatte er nach und nach alle befreit. Es war nicht einfach gewesen, während manches zu perfekt geklappt hatte, hatten sie manche Schwierigkeiten bewältigen müssen – wie, die Soldatin, die Zorro beinahe auf die Schliche gekommen wäre und die er dann zum Sterben in einer Waffenkammer zurückgelassen hatte – aber am Ende hatte er es trotzdem geschafft. Mit der Hilfe vom nervigen Koch hatte er sie alle gerettet, wohl wissend, dass er selbst es nicht schaffen würde, nicht schaffen durfte. An die Schmerzen erinnerte Zorro sich komischerweise kaum. Er wusste, dass es wehgetan haben musste als er durch die Korridore gehinkt war, die Treppen auf und ab, es musste verdammt nochmal gekniffen haben, als er das Meer aus Flammen auf die Soldaten losgelassen hatte und die sengende Hitze die Steinmauern um sie herum hatte explodieren lassen. Aber an den Schmerz selbst konnte er sich nicht erinnern. Während er den Koch auf die Turmspitze geschleift hatte, war ihm bewusst geworden, dass er nicht mehr lange aushalten würde, dass sein Körper ihm bald den Dienst versagen würde, aber das hatte er nicht zugelassen, nicht bevor er nicht auch den verdammten Koch in Sicherheit gewusst hatte. Es war ein ruhiger Moment gewesen, als er gesehen hatte, wie Franky den Koch aufs Schiff gezogen hatte, hinter ihm der leidende Chor sterbender Menschen, um ihn herum das gefährliche Knistern der Feuerzungen und vor ihm die verzweifelten Rufe der Freunde. Aber es war in Ordnung so gewesen. Zorro hatte von Anfang an gewusst, dass er diese Verletzungen nie hätte überstehen können. Vielleicht hätte er unter Choppers wachsamen Augen noch ein paar traurige Tage länger durchgehalten, aber das hätte er nicht gewollt; er hätte nie gewollt, dass Chopper sich für Zorros eigene Unfähigkeit die Schuld geben würde, die Last hätte tragen müssen, Zorro nicht retten zu können, als Arzt versagt zu haben. Dieses Leid hatte er Chopper nicht noch einmal durchleben lassen wollen. Also hatte er da oben gestanden, eine Faust zum Himmel erhoben, als Zeichen der Freundschaft, aber auch als Zeichen des Sieges, dafür, dass er diesen einen Schritt mehr letzten Endes doch gegangen war, für sie. Der Beweis dafür, dass er das Monster geworden war, welches die Welt schon immer in ihm gesehen hatte. Dann hatte sein Körper nachgegeben und mit ihm der Turm. An diesen Schmerz erinnerte Zorro sich, an diesen unbeschreibbaren Schmerz, aber auch dieser quälende Zweifel, das Wissen nicht sterben zu wollen, aber absolut nichts dagegen tun zu können. Zorro war nicht wie Ruffy, er hatte den Tod nicht willkommen geheißen wie einen Freund. Er hatte ihn erhobenen Hauptes erwartet, hatte mit keiner Sekunde bereut was er getan hatte und doch, Zorro hatte nicht sterben wollen, aber dann war er es doch. Zumindest für einen Moment. Seufzend rieb er sich den Hinterkopf und versuchte diese Gedanken zum Schweigen zu bringen, aber es ging nicht. Nach den aufwühlenden letzten Tagen und den ereignisreichen letzten paar Stunden schien er sich nicht mehr länger vor seinen eigenen Gedanken verstecken zu können. Wie er das Grübeln hasste, aber er verstand schon warum, er wusste, warum er gerade jetzt an all das dachte. Jetzt, da er wieder bei seiner Crew war und eigentlich alles wieder hatte, wonach er sich gesehnt hatte, wieder bei ihnen war und auch noch stark genug, um nicht nur sich selbst, seine Crew, sondern gerade auch seinen Kapitän beschützen zu können. „Du verdammter Mistkerl“, murrte er und vergrub sein Gesicht zwischen den Händen. Mit dieser liebevollen Betitelung meinte er natürlich niemanden anderes als Mihawk Falkenauge Dulacre, den Vollidioten, der ihn damals gefunden hatte, unwissend wen er sich da ins Haus geholt hatte. Aber das war auch nicht verwunderlich. Zorro selbst hatte sich an jenem Tag nicht wiedererkannt, als er im Haus des besten Schwertkämpfers der Welt zu sich gekommen war. Meilen und Meilen entfernt von dem Ort entfernt, an dem Zorro gefallen war. Als Zorro im Haus seinen größten Rivalen zu sich gekommen war, hatte er feststellen müssen, dass er nicht mehr in seinem eigenen Körper gewesen war, oder vielmehr, dass sein Körper sich beträchtlich verändert hatte. Nicht nur er, sondern auch der Samurai hatten feststellen müssen, dass Zorro im Körper einer jungen Frau wieder zu sich gekommen war. Er erinnerte sich sehr gut daran, wie er diesen schwächlichen Körper das erste Mal betrachtet hatte, kaum in der Lage gewesen war, sich selbst auf den dürren Beinen zu halten, geschweige denn zu kämpfen und er erinnerte sich daran, wie er mit Mihawk gestritten hatte, immer und immer wieder gestritten hatte. Es hatte ihn überraschend wenig Zeit gekostet den Samurai davon zu überzeugen wer er wirklich war und unerwarteter Weise hatte der Samurai entschieden Zorro bei seinem Vorhaben zurück zu seiner Crew zu gelangen zu helfen. Mit Hilfe von Mihawks Kindheitsfreund Cho Jiroushin, Soldat der Marine und exzellenter Schwertkämpfer, hatten sie den Aufenthaltsort der anderen schnell ausfindig gemacht und festgestellt, dass sie auf ihrem Weg zum Sabody Archipel an Sarue, einer Nachbarinsel, vorbeikommen würden. Auf das Anraten des Samurais hin hatte Zorro entschieden, diesen Monat auf sie zu warten und die Zeit zu nutzen seinen neuen fremden Körper kennen zu lernen, anstatt zu versuchen sie in einem vergeblichen Unterfangen zu erreichen. An jenem Tag war Zorro sich seiner vollständig hilflosen Lage erst so ganz bewusst geworden, im Haus seines gefährlichsten Rivalen, im Körper eines schwachen Mädchens, nachdem er hinter den Schatten des Todes geschaut hatte. Zorro war bewusst geworden, dass - ganz gleich welcher Körper - er zu schwach war, um das zu tun was er tun musste. Ihm war bewusst geworden, dass er zu schwach war, um das zu tun, was ihm die Berechtigung gab Teil von Ruffys Crew zu sein. Also hatte er seinen Stolz verworfen und auf Knien den Samurai darum gebeten – angefleht – ihn zu unterweisen, und nachdem der andere erfahren hatte, dass Zorro im Kampf gegen Homura nicht sofort gefallen war, hatte er entschieden Zorros entwürdigendes Verhalten zu ignorieren und ihm zu helfen. Rückblickend waren diese Wochen wohl noch die entspanntesten gewesen. In jenem Körper hatte Zorro viele Grundlagen neu lernen müssen, was ihm aber auch die Chance gegeben hatte, sich über die Zeit eingeschlichene Fehler auszumerzen. Ja, jene Tage waren seltsam gewesen. Er wusste noch genau, wie nervig er den schnöseligen Samurai und dessen überschwänglich gutgelaunte Haushälterin empfunden hatte, erinnerte sich noch gut daran, wie oft sie ihn auf die Palme gebracht hatten. Aber dennoch hatte es irgendwie alles funktioniert, trotz allem war es wohl nicht die Hölle auf Erden gewesen. Friedlich waren diese Wochen allerdings auch nicht gewesen, ganz zu Zorros Missfallen. Schnell hatte es die Runde gemacht, dass der kaltherzige Herr der fünf Inseln einen Gast in seinem Haus willkommen geheißen hatte und schnell waren allerlei Leute auf Zorro aufmerksam geworden. Auf Anraten des Samurais hin hatte er seine wahre Identität verborgen und war daraufhin der Welt unter dem Namen Lady Loreen bekannt geworden. Aufgrund seiner Verbindung zum Samurai und der Verkettung einiger ungünstiger Umstände waren verschiedene Leute auf Zorro – Lady Loreen – aufmerksam geworden und hatten ihn und den Samurai zu verschiedensten Veranstaltungen gezwungen. Ja, dieser eine Monat war wirklich ereignisreich gewesen. Sie hatten viele Tage unglaublich hart trainiert, zwischen all diesen Terminen, hatten miteinander gestritten und einander kennen gelernt und irgendwann hatte Zorro auch noch erfahren, dass es noch mehr Menschen wie ihn gab. Menschen, die gestorben und zurück ins Leben gefunden hatten, und dass er sogar seinen alten Körper wiedererlangen konnte. Aber der Preis dafür war hoch gewesen und Zorro war sich selbst jetzt noch nicht sicher, ob er bereit gewesen wäre ihn wirklich zu zahlen. Nein, er hätte es wohl nicht, wenn die Dinge sich nicht anders entwickelt hätten. Seufzend ließ er sich zurücksinken und sah zum Meer hinauf. Er erinnerte sich gut daran, als er vor zwei Jahren endlich seine Freunde auf Sarue wiedergesehen hatte. Einen ereignisreichen Monat lang hatte er auf sie warten müssen, hatte in diesem Monat eine falsche Identität annehmen müssen und hatte unter diesem falschen Namen an der Gesellschaft teilgenommen, war in der Zeitung als Mihawks Geliebte bekanntgeworden. In diesem langen Monat hatte er unter den scharfen Falkenaugen seines Lehrmeisters hart trainiert, wohl wissend, dass er in diesem schwachen Körper und in einer so kurzen Zeit nicht auch nur darauf hatte hoffen können stark genug zu werden, um seine Crew oder seinen Kapitän zu beschützen, aber wenigstens, um sich selbst zu beschützen. In diesem langen Monat war er von Selbstzweifeln, Identitätskrisen und Zukunftsängsten geplagt gewesen, aber er war sich immer sicher gewesen, dass all das enden würde, wenn er zu seiner Crew zurückkehren würde. Bis er sie dann gesehen hatte. Bis er gesehen hatte, dass es nicht nur für ihn ein langer Monat gewesen war. Bis er gesehen hatte, dass die Crew innerhalb eines Monats deutlich schwächer geworden war als er je erwartet hatte. Als hätte sein vermeintlicher Tod sie mehr gekostet als nur seine Kampfkraft, so erschreckend schwach waren manche von ihnen gewesen, allen voran der Koch. Aber das war Zorro egal gewesen. Zorro hatte entschieden, dass er zu ihnen zurückkehren würde, ganz gleich, was das für Konsequenzen haben würde. Aber das ist doch Lady Loreen. Sie ist eine Berühmtheit, eine ehemalige Weltaristokratin, die aus Liebe ihren Status aufgegeben hat. Sie sind wunderschön! In diesem Moment war Zorro bewusst geworden, dass die anderen ihn nie mehr als nur den ansehen würden, der er wirklich war. Sie würden ihn nie mehr nur als Zorro ansehen, stark und unbeugsam, eiserner Wille und strikte Disziplin, vielleicht mal etwas grob, aber dafür auch loyal und ehrlich. In diesem Moment war ihm bewusst geworden, dass sie von nun an auch immer etwas von Loreen in ihm sehen würden, gerade in ihrem verdammten Körper, schwach und hilflos, höfliches Verhalten und freundliche Worte, lieblich anzusehen, gemocht und geachtet von der Gesellschaft. Nur Ruffy war anders gewesen. Ruffy hatte ihn sofort erkannt, hatte nicht eine Sekunde gezweifelt, dass Zorro zurückkommen würde und er… und er hatte Zorro gehen lassen, hatte ihm erlaubt zu gehen, um stärker werden zu können. Ruffy hatte ihm seine Schwerter gegeben und gesagt, dass er auf ihn warten würde, bis Zorro wiederkommen würde, in seinem Körper wiederkommen würde. Ruffy war der Einzige, der Zorro damals erkannt hatte. Also war Zorro gegangen, hatte sich für sich selbst und gegen seine Crew entschieden, um stärker zu werden, um seinen alten Körper wiederzuerlangen, und diese Tat hatte er bald darauf bereuen müssen, als er Dulacre zur Vorbereitung auf den großen Krieg nach Mary Joa begleitet hatte und dort hilflos hatte mitansehen müssen, wie seine Crew vernichtet worden war. An jenem Tag, in jenem Moment, hatte Zorro seinen ursprünglichen Körper zurückerlangt, aber das war ihm egal gewesen, denn der Preis dafür war viel zu hoch gewesen. Nach einem Monat hatte Zorro seinen Körper zurückgewonnen, aber dafür hatte er seine Crew verloren, weil er sich dafür entschieden hatte, beim Samurai zu bleiben, der ihn besser hatte beschützen können als seine Crew, der ihm besser dabei hatte helfen können seinen Körper wiederzuerlangen, der ihm besser dabei hatte helfen können stärker zu werden. Selbst heute, selbst jetzt, wissend, dass er was damals geschehen war nicht hätte ändern können, schmerzte es Zorro noch, konnte er den tonlosen Schrei seines Kapitäns noch über den Bildschirm hören, das verzweifelte stumme Rufen Namis, das hoffnungslose stille Brüllen Choppers. Nach dem Krieg waren Zorro und Mihawk zusammen zum Sabaody Archipel gereist, wo er auf seine Crew hatte warten wollen, doch er hatte Rayleigh getroffen, der ihn von seinem Plan erzählt hatte, Ruffy für zwei Jahre zu trainieren, und so hatte Zorro sich entschieden zur Wahlheimat des Samurais, Kuraigana, zu reisen und dort für die kommenden zwei Jahre von ihm zu lernen. So hatte Zorro also die letzten zwei Jahre verbracht, hatte tagein tagaus an Dulacres Seite verbracht, unter ihm gelernt, mit ihm trainiert, mit ihm gestritten, sich unterhalten, sich angeschwiegen, gescherzt, gelacht, diskutiert, in Stille beieinandergesessen und vor allem trainiert. Zorro würde gerne sagen, dass jene Zeit ausschließlich aus langen Tagen des Kämpfens bestanden hätte, aus späten Abenden am Schachbrett oder an der Feuerstelle, aus wilden Diskussionen über Strategien und die Kunst des Schwertes als solche, und ja, dies hatte einen Hauptteil seiner Zeit ausgemacht. Aber er hatte auch lernen müssen, dass er Lady Loreen nie mehr ganz loswerden würde. Wie sein Rückgrat war diese Gestalt seit jenem Tag Teil seines Körpers und über kurz oder lang musste Zorro sich immer wieder in sie zurückverwandeln, ob er wollte oder nicht. Über die Monate hatte er zwar die Zeitspanne, in der er seinen eigentlichen Körper innehaben konnte, auf ein paar Tage ausdehnen können, aber er konnte sie nie ganz verdrängen, musste sich für mehrere Stunden bis zu einen ganzen Tag in sie verwandeln. Und nicht nur Lady Loreen verfolgte Zorro wie ein Fluch. An ihre Existenz gebunden waren auch die Fesseln, die ihn selbst jetzt banden, die ihn solange fesseln würden, bis entweder die Welt die Wahrheit erfahren würde oder er seinen Nutzen verlieren würde. Seinen Nutzen für niemand geringeren als Rishou Eizen, mächtiger Politiker des Hochadels, der genau wusste, wer Lady Loreen in Wirklichkeit war, und der bereit war alles was Zorro lieb und teuer war zu zerstören, nur damit Zorro ihm half. Am Anfang hatte Zorro nicht gewusst, weshalb der Politiker ihn erpresst hatte einen Vertrag mit ihm einzugehen und ihn als Lady Loreen auf alle möglichen Veranstaltungen zu begleiten und er hatte entschieden sich darüber keine weiteren Gedanken zu machen, hatte sich aufs Training konzentriert, aber nun wusste Zorro, was Eizen wirklich von ihm wollte, warum dieser Mann so viel auf sich genommen hatte, nur um Zorro erpressen zu können. Im Hintergrund konnte er hören wie das große Tor sich wieder öffnete und Robin und König Neptun herauskamen. Sie sprachen zu ernsthaft, wenn man bedachte, dass sie gerade eine Party verließen – nicht, dass Zorro darüber urteilen durfte, wenn man bedachte über welchen Mist er die vergangenen Minuten gegrübelt hatte - und Zorro konnte Robins Blick kurz auf sich spüren. Er rührte sich nicht und so ging sie wohl davon aus, dass er schlief, während sie sich mit Neptun über verschiedenste Sachen unterhielt. Mehr ungewollt als gewollt hörte Zorro ihnen zu, doch als der Name Poseidon fiel wurde er hellhörig. Ja, genau darüber hatte Eizen mit ihm gesprochen, über die antiken Waffen, über das Kriegsschiff Pluton, die geheime Kraft der Fischmenschen Poseidon und über die stärkste Waffe von allen, Uranos, die derzeit im Besitz der Weltregierung stand. Über all diese Dinge hatte Eizen mit Zorro vor wenigen Tagen gesprochen und wenn er jemand anderes wäre, hätte er sich wohl Rat und Hilfe geholt, bei seinen Freunden, seinem Lehrmeister, bei irgendwem. Ja, die vergangenen Tage hatte Zorro sich oft gefragt, ob er sich vielleicht überschätzte, ob diese ganze Sache nicht doch eine Nummer zu groß für ihn war, aber er hatte keine Wahl, nein, er hatte wirklich keine Wahl. Zorro wusste ganz genau, dass er niemanden von ihnen riskieren durfte, nicht riskieren durfte, dass seine Freunde starben oder Dulacre seinen Titel aberkannt bekommen würde, also hatte er entschieden sich diesem Feind alleine zu stellen. So wie er es schon immer getan hatte, so wie er es tun musste, nur so konnte er die, die ihm wichtig waren, beschützen. Sicher, dass dies der beste Weg für sie alle war, entschied Zorro die Zukunft Zukunft sein zu lassen und erlaubte sich einzunicken.   Aber lange war ihm sein friedliches Schlummern wohl nicht vergönnt. Während die anderen um ihn herum an der Palasttreppe beieinander saßen und sich über dies und jenes unterhielten, entschied Zorro seine Augen weiterhin geschlossen zu halten. Aber trotz aller Anstrengungen konnte er zwar den Schein des Schlafens aufrechterhalten, aber leider nun mal nicht zurück ins Land der Träume sinken. Ziemlich enttäuschend. Er hatte kaum mitbekommen, wann die anderen alle hinausgekommen waren, aber das war ihm auch egal, während sie über den Kampf der Admiräle Aokiji und Akainu sprachen, Jinbei ernst, Ruffy laut wie eh und je. Auch Zorro dachte über einen Kampf nach, aber nicht den irgendwelcher anderen Leute, sondern über seinen eigenen. Mihawk hatte ihn vor den Kämpfen in der neuen Welt gewarnt, hatte ihn davor gewarnt, dass die Dinge von nun an anders sein würden, aber nicht, weil seine Gegner von nun an so unglaublich stark sein würden, sondern weil… Die letzten zwei Jahre hast du dich darauf vorbereitet auf stärkere Gegner zu treffen, aber nun solltest du dich darauf vorbereiten, dass die meisten deiner Feinde schwächer sein werden. Zorro hatte diese Warnung ignoriert. Er war schon immer jemand gewesen, der in jeder Form des Wettkampfes seinen Spaß finden konnte, selbst wenn sein Gegner deutlich schwächer sein sollte als er selbst. Er musste nicht immer ernst machen, um auf seine Kosten zu kommen, das war der große Unterschied zwischen ihm und dem Samurai. Er war sich bewusst, dass er in den letzten zwei Jahren so stark geworden war, dass nur noch wenige Menschen es mit ihm aufnehmen konnten. Nicht umsonst war Zorro immer diesen einen Schritt mehr gegangen, nicht umsonst hatte Zorro alles in seiner Macht Stehende getan, um stark genug zu werden seinen Kapitän selbst gegen die gefährlichsten Gegner dieser Welt verteidigen zu können. Mihawk hatte ihm im Laufe der Zeit vor drei große Hürden gestellt, die Zorro hatte überwinden üssen, um seiner Crew von Nutzen sein zu können. So wie die vielen Krieger in der neuen Welt hatte Zorro natürlich Haki gemeistert; eine der Grundvoraussetzungen, um in der neuen Welt bestehen zu können. Das Observationshaki hatte ihm große Probleme bereitet, selbst heute noch wusste Zorro, dass es nicht zu seinen Stärken gehörte und dass er es stetig weiterverbessern musste, aber es war anstrengend und nervig und erforderte eine Form der Konzentration und geistigen Bereitschaft, die Zorro oft einfach zu umständlich war. Ganz anders das Rüstungshaki. Es war beinahe lachhaft, wie einfach es ihm gefallen war die Grundlagen zu lernen – und die offensichtliche Überraschung seines kühlen Lehrmeisters hatte ihm auch das ein oder andere Mal ein Grinsen beschert – und trotzdem hatte dies ihn wohl die meiste Überwindung gekostet. Als Schwertkämpfer war es eine absolute Notwendigkeit gewesen, dass er die Anwendung des Rüstungshakis meisterte, aber er hatte sich gefürchtet, denn eine unbändige Kraft in seinem Inneren hatte in enger Verbindung mit der Verhärtung bestanden. Aber auch diese Kraft – sein Monster, wie Dulacre sie stets liebevoll bezeichnete – hatte Zorro kontrollieren gelernt, mehr noch, er hatte sie vereinnahmt, hatte seine eigenen Abgründe in sich aufgenommen. Ein Schritt, den kaum ein Mensch bereit war zu gehen, und mittlerweile wusste Zorro auch warum. Es störte ihn nicht sonderlich, oder viel mehr auf Kuraigana hatte es ihn nicht sonderlich gestört, hatte er es kaum bemerkt, diese gefährlichen und gierigen Emotionen dieses Biestes, die immer da waren. Sein Lehrmeister hatte genau gewusst, welchen Weg Zorro eingeschlagen hatte, war diesen Weg einst selbst gegangen, und so hatte er Zorro die Zeit gelassen, sich daran zu gewöhnen, und danach hatte es ihn kaum noch gestört, während der Ruhe Kuraiganas. Hier jedoch, unter all diesen fröhlichen, unbeschwerten und teils auch naiven Menschen, wurde es Zorro zum ersten Mal wieder bewusst. Er war nicht wie sie, für sie war er etwas geworden, was ihn immer wieder daran erinnern würde. Selbst jetzt, erst wenige Stunden nach der vergangenen Schlacht, gierte es ihm nach einem Kampf. Es war keine übermannende Sucht, die Zorro vereinnahmte, und doch merkte er diesen leisen Drang nach mehr. Dieser Kampf war nicht genug gewesen und Zorros Blutdurst noch nicht gestillt. Dieser animalische Teil von ihm verlangte befriedigt zu werden in einer Form, die Zorro vorher nicht hatte erahnen können. Trotzdem bereute er nicht, jenen Schritt gegangen zu sein. Er würde tun was auch immer nötig war, um sowohl seine Crew beschützen als auch Dulacre besiegen zu können. Außerdem hatte dieser Schritt nicht nur negative Folgen für ihn. Ganz abgesehen davon, dass er sein bisheriges Können absolut übertroffen hatte, hatte ihn dieser Schritt dazu ermächtigt sich auch endlich dem Rüstungshaki anzunehmen und es zu meistern. Diese einst unkontrollierbare Kraft, die er sich nicht getraut hatte im Kampf gegen die Soldaten der G6 zuzulassen, hatte er unter den scharfen Augen seines Lehrmeisters unermüdlich trainiert, bis er schließlich so sicher geworden war, dass Dulacre ihn nach fast einem ganzen Jahr Ausbildung vor die letzte Hürde gestellt hatte. Um in der neuen Welt bestehen zu können, war die Anwendung von Haki ein absolutes Muss, was ein jeder Krieger beherrschen lernen musste, aber nur wenige Menschen waren bereit so wie Zorro oder sein Lehrmeister das eigene Monster zu vereinnahmen. Aber es gab eine Sache, die sich noch weniger Menschen trauten, eine Sache, die nur die wenigsten überlebten. Zorros Kampf gegen seine eigenen Abgründe war nichts im Vergleich zu dem, was er im zweiten Jahr unter Dulacres Aufsicht hatte durchmachen müssen. Er hatte gewusst, dass Ruffy diese Hürde nehmen würde, also hatte auch er nicht eine Sekunde gezögert, war nicht bereit auch nur einen Schritt hinter seinem Kapitän zurückzustehen, und hatte das getan, was wohl noch weniger Menschen bereit waren zu tun, er hätte seine eigene Menschlichkeit überwunden. Dulacre hatte ihm versprochen ihn zu einem außerordentlichen Kämpfer auszubilden, ihm zu helfen stark genug zu werden, um selbst seinen Kapitän gegen die stärksten Feinde der Welt beschützen zu können und das hatte er getan. Zorro war endlich auf der Zielgeraden angekommen, bald würde er stark genug sein, um sogar den Samurai besiegen zu können. Er sollte dementsprechend eigentlich sehr zufrieden sein, eigentlich sollte er gerade äußerst glücklich sein. Kurz bevor er Kuraigana verlassen hatte, war der Samurai eingeknickt und hatte dann endlich das erste Mal richtig gegen Zorro gekämpft, ohne Schwerter. Natürlich hatte Zorro haushoch verloren – nicht wirklich überraschend – aber er hatte es tatsächlich geschafft den anderen zu verletzten und zum ersten Mal war Zorro in der Lage gewesen auszumachen, wie weit die Kluft zwischen ihnen noch war, und wenn er ganz ehrlich war, bald würde er sie überbrücken können. Also ja, eigentlich sollte Zorro wirklich zufrieden sein. Nach zwei langen Jahren war er endlich wieder mit seinen Freunden vereint und bald würde er Dulacre besiegen können. Aber die Wahrheit war nun mal, dass er es nicht war. Es lag nicht an diesem leisen Hunger nach einem Kampf. Auch wenn er es früher nicht gekannt hatte, so hatte Zorro schon immer Spaß an einen Kampf gehabt und war schon immer ungeduldig geworden, wenn der letzte zu lange her gewesen war, aber so wie damals so reichte auch heute noch ein kleines Scharmützel mit dem nervigen Kartoffelschäler aus, um diese Ungeduld zu beruhigen. Nein, Zorro war unzufrieden, weil der Samurai Recht gehabt hatte. Er hatte auf die Schwäche seiner Gegner achten müssen, mehr noch, während selbst die kleinen Plänkeleien mit dem Koch so wie immer abliefen, war dieser Kampf anders gewesen, es war… kein echter Kampf gewesen, zumindest nicht für ihn. Fühlte es sich so für Dulacre an, wenn er gegen jemanden kämpfte, der nicht sein Blut in Wallung brachte? Missmutig seufzte Zorro leise auf, merkte kaum wie einer der anderen seinen Namen erwähnte. Er war immer jemand gewesen, der Gefallen an einer Auseinandersetzung finden konnte, ganz gleich wie schwach sein Gegner war, solange dieser nur alles gab, und daran sollte sich doch eigentlich nichts geändert haben. Aber die Wahrheit war nun mal, dass dieser Kampf langweilig gewesen war, seine Gegner langweilig gewesen waren. Selbst ihre heimtückischen Attacken auf ihn oder seine Crewmitglieder waren langweilig gewesen. Es war eine Sache, wenn sein Widersacher schwach war, das war etwas mit dem er umgehen konnte, aber sie waren so langweilig gewesen, so furchtbar ermüdend und anödend. Zorro konnte sich nicht daran erinnern je einen Feind oder Konkurrenten als langweilig empfunden zu haben und irgendwie gab ihm dieses Gefühl einen fahlen Beigeschmack. Er hatte sich so auf die neue Welt gefreut und wollte diese Kämpfe genießen, wollte nichts auf die leichte Schulter nehmen, aber… aber warum waren sie nur so unglaublich langweilig gewesen? Ob er Dulacre anrufen sollte? Vielleicht konnte der Samurai ihm erklären, warum dieser Kampf so ernüchternd eintönig gewesen war? Vielleicht lag es nur daran, dass er so lange nicht mehr einen echten Kampf erlebt hatte. Vielleicht lag es daran, dass er sich eher auf seine Kameraden als auf seine Gegner konzentriert hatte. Schließlich hatte er wirklich die Zeit nutzen wollen, um seine Crewmitglieder einschätzen zu können. Er hatte sehen wollen, wie sehr sie sich alle weiterentwickelt hatten, auch damit er wusste, wann sein Eingreifen nötig sein würde und wann nicht. Wobei sein Eingreifen in dieser Schlacht wohl nie nötig gewesen wäre, so langweilig waren ihre Feinde gewesen. Er hatte sich wirklich mehr erhofft. Aber er würde Dulacre nicht anrufen, nicht schon wieder. Die kleine weiße Teleschnecke in seiner Hosentasche schmiegte sich an sein Bein. Erst vor wenigen Stunden hatte er den anderen aus einer Zelle des Ryuuguu-Palasts angerufen, um ihn auf den neusten Stand zu bringen. Nach außen hin tat er es nur, weil er es dem anderen versprochen hatte. Der Samurai war ein überfürsorglicher und besessener Lehrmeister… Nein, das war wohl falsch. Nach außen hin tat er es, weil der andere es von ihm erwartete, die Wahrheit war aber, dass auch Zorro ihre Gespräche vermisste, nicht die lauten, hitzigen, wenn der andere wieder meinte aus irgendeiner Mücke einen Elefanten machen zu müssen, sondern jene ruhigen, am Kamin, wenn der Tag schon vorbei war und sie über Dinge sprachen, über die Zorro vorher nie auch nur nachgedacht hatte. Der Samurai war anstrengend und kompliziert, genauso wie seine verwinkelten Gedankengänge, aber die Unterhaltungen mit ihm waren immer interessant gewesen und irgendwie vermisste Zorro diese ungezwungenen Gespräche, diese einfache Möglichkeit etwas zu fragen, wissend, dass er eine ernsthafte und ehrliche Antwort erhalten würde. Nein, er würde Dulacre nicht zwei Mal am selben Tag anrufen, nicht am ersten Tag, an dem er endlich wieder bei seinen Freunden war, aber, auch wenn er es sich nicht gerne eingestand, er würde es gerne. Er würde wirklich gerne die Meinung des anderen zu diesem Kampf hören, würde Dulacre gerne seine eigene Einschätzung vorlegen und mit ihm darüber diskutieren, den ach so langweiligen Kampf analysieren, denn zusammen mit dem Samurai würde zumindest das interessant werden. Aber er würde es nicht tun, allein schon, weil er dem anderen keine falschen Hoffnungen machen wollte. Verdammt! Jetzt tat er es also doch! Obwohl Zorro doch ganz klar gesagt hatte, dass er keine Rücksicht auf… „Hey, Zorro.“ Er schlug sein Auge auf als sein Kapitän seinen Namen aussprach. Es schien als würden sie sich endlich mit dem Biest beschäftigen, welches er im Palast wahrnehmen konnte. Na, vielleicht wurde es ja dann doch noch endlich interessant.   Kapitel 3: Kapitel 3 - Unzufriedenheit -------------------------------------- Kapitel 3 – Unzufriedenheit   -Sanji- „…bestimmt man über verschiedene Testseren. Je nachdem welches Blut mit welchem Serum verklumpt…“ „Ja, Chopper, schön, meinetwegen. Das ist mir aber echt egal“, unterbrach der schlechtgelaunte Moosschädel den jungen Doktor, während sie hinter Sanjis Rücken durch die Kombüse zum Krankenzimmer schlenderten. „Du wolltest eigentlich sagen, was man dafür braucht und ob du sowas hier an Bord überhaupt machen kannst.“ „Natürlich!“ Sanji konnte die Entrüstung in Choppers Stimme hören, nicht, dass er wirklich drauf achtete. Trotz der Dunkelheit draußen, war es bald Zeit fürs Mittagessen und trotz der ausschweifenden Feier der vergangenen Nacht wusste Sanji genau, dass sein Kapitän in wenigen Minuten hereinstürmen und Nahrung verlangen würde. Im Hintergrund hörte er noch, wie Chopper Zorro im Detail erklärte, wie er die Blutgruppe eines jeden Crewmitgliedes bestimmen konnte und Sanji wunderte sich beiläufig was der Schwertkämpfer wohl angestellt hatte, dass Chopper ihm schon wieder eine Predigt hielt. Aber eigentlich konnte ihm das gestohlen bleiben. Es missfiel Sanji wie sich der andere benahm und daher wunderte es ihn nicht, dass Chopper wohl das gleiche empfand.  Während des Kampfes am vergangenen Tag hatte er Zorro eindringlich beobachtet, hatte bemerkt, dass der andere immer noch genauso leichtsinnig wie eh und je kämpfte und immer noch jegliche Hilfe ignorierte. Er hatte sich kein bisschen verändert. Nein, das stimmte nicht, selbst ein Einzeller wie die Moosbirne hatte sich in den vergangenen zwei Jahren weiterentwickelt, aber nicht zum Positiven. Er war noch arroganter als zuvor, noch stolzer, noch mürrischer und noch unausstehlicher. Zorro benahm sich so, als wäre die G6 nie passiert, als würde er ihnen allen nicht eine Entschuldigung oder zumindest eine Erklärung schulden. Zorro tat so, als wären sie damals nicht vernichtend geschlagen worden, als hätten sie ihn damals nicht verloren, als wäre er nicht zumindest schlimm verletzt worden und wie sein verdammtes Getue Sanji ankotzte. Er wirkte noch abweisender als früher, beteiligte sich kaum an Gesprächen und verschwand recht zügig aus geselligen Runden, wie bei der Feier am vergangenen Abend. Daher überraschte es Sanji kaum, dass Chopper sich seiner angenommen hatte und ihn für sein unvernünftiges Verhalten belehrte, so wie er es auch früher oft getan hatte. Neben Ruffy war Chopper so ziemlich der einzige, dem Zorro zuhörte, wenn dieser ihn schalt. Seufzend entschied Sanji sich auf die Arbeit vor ihm zu konzentrieren. Er wusste gar nicht warum er sich so viele Gedanken um den anderen machte. Eigentlich sollte er sich einfach nur darüber freuen, dass die Crew wieder vereint war – inklusive des Vollidioten einer Alge – und dass sie die neuesten Ereignisse gut überstanden hatten. Eigentlich sollte er gerade auf Wolke sieben schweben, schließlich hatten sie vor wenigen Stunden erst die Heimat der wunderschönen Meerjungfrauen hinter sich gelassen und es war schon seit langer Zeit einer seiner Sehnsüchte gewesen, diesen Ort eines Tages zu besuchen. Aber die Wahrheit war nun mal, dass er nicht aufhören konnte an jenen Tag zu denken, als er geglaubt hatte Zorro sterben zu sehen und nun stand der andere so lebendig wie eh und je vor ihm, als wäre das alles nicht passiert, und tat auch noch so als wäre Sanji derjenige, der sich unpassend verhielt. Plötzlich ging die Türe hinter ihm auf und Lysop kam hereingestürmt. „Hast du sie?“, murrte er aufgebracht und kam zu Sanji in die Kochnische hinüber. „Habe ich was?“, entgegnete Sanji nicht minder unzufrieden. Warum auch immer hatte er wirklich schlechte Laune und von einem Crewmitglied grundlos angepflaumt zu werden steigerte sie nicht gerade, erst recht nicht, wenn er gerade am Kochen war und keine Ahnung hatte, worum es ging. Nein, das Einzige, was seine Laune wohl heben würde, wäre ein kleiner Schlagabtausch mit dem Moosschädel und dieses Mal würde Sanji vielleicht ausnahmsweise mal ernst machen. „Mir fehlt ein Dial. Ich kann es nirgends finden“, beschwerte Lysop sich lauthals. „Ich war mir sicher, dass es in meinem Spind war, aber da ist es nicht. Du bist der…“ „Lysop, ich habe dein Dial nicht“, unterbrach Sanji ihn. Er hatte gerade wirklich wichtigere Probleme als ein verdammtes Spielzeug. „Aber du bist der Einzige, der wusste…“ „Hattest du es bei dir als wir Bartholomäus Bär gegenüberstanden?“ Er erinnerte sich ungerne an jenen Tag zurück. „Vielleicht hast du es im Kampf verloren oder während der letzten zwei Jahre.“ „Hörst du mir überhaupt zu?!“ Lysop stand nun neben ihn und fuhr ihn wütend an. Es schien ihm offensichtlich wichtig zu sein, auch wenn Sanji nicht wirklich wusste warum. Es war nur eines von Lysops gefühlt hundert Dialen, die er damals auf Skypia erstanden hatte. Skypia… das schien schon so lange her. Auch damals hatte Zorro absolut unbesonnen gehandelt und… „Es liegt immer in meinem Spind, ich nehme es nur zum Schlafen gehen raus, und jetzt ist es weg.“ Ach, jetzt erinnerte er sich wieder daran, warum es so wichtig für Lysop war; er hatte Ewigkeiten daran getüftelt die Aufnahmezeit möglichst zu verlängern und Sanji wusste, dass er es bei wildem Wellengang immer hörte, um sich zu beruhigen. Seufzend legte Sanji ihm eine Hand auf die Schulter. „Lysop, wer weiß, wer während unserer Abwesenheit hier an Bord war. Ich will nicht sagen, dass es geklaut wurde, aber vielleicht ist es einfach verschwunden.“ „Aber wie?“ Nun zuckte er mit den Achseln. „Ich weiß es nicht, Lysop. Aber manche Dinge können wir nicht erklären und so schmerzhaft es auch sein mag, wir müssen die Dinge dann einfach so akzeptieren wie sie sind. Wenn das Dial noch irgendwo an Bord ist, werden wir es mit der Zeit schon finden und wenn nicht, dann ist es wohl an der Zeit loszulassen.“ Missmutig senkte der Kanonier den Blick. „Es war ein ganz besonderes Dial“, murmelte er, „ich hatte mir so viel Mühe damit gegeben.“ „Ich weiß, aber du hast doch so viele, mit deinem Geschick wirst du sicherlich nochmal eine so gute Aufnahme schaffen.“ „Glaubst du wirklich?“ Für einen Moment strahlte Lysop ihn so an, wie sonst nur Ruffy gucken konnte, wenn man ihm Fleisch hinhielt. „Natürlich“, bestärkte er den anderen und klopfte ihm wohlwollend auf die Schulter, „wenn es einer schafft dann du.“ „Du hast recht“, stimmte Lysop ihm zu und zeigte sein neugewonnenes Selbstbewusstsein. „Ich kann das!“ „Genau und könntest du mir jetzt beim Tischdecken helfen?“ Der andere rollte mit den Augen, fügte sich aber dann seinem Schicksal und begann fröhlich drauflos zu schnattern, welches seiner anderen Diale er umfunktionieren könnte. Sanji hörte ihm nur mit halbem Ohre zu. Eine leise Stimme in seinem Kopf fragte ihn, ob er nicht vielleicht seinem eigenen Rat folgen sollte. Vielleicht sollte er die Sache mit der G6 einfach ruhen lassen und einfach akzeptieren, dass Zorro nicht drüber reden wollte, auch wenn Sanji selbst noch keinen Abschluss gefunden hatte. Aber nein, je länger er darüber nachdachte, desto sicherer war er sich. Anders als jenes unbedeutende Dial, war Zorro nicht einfach verschwunden, sondern vor seinen eigenen Augen vernichtet worden, und anders als jenes unbedeutende Dial, war Zorro wieder aufgetaucht. Anders als Lysop hatte Sanji also noch die Möglichkeit herauszufinden was genau passiert war und deshalb würde er die Dinge nicht einfach so akzeptieren wie sie waren. Zorro schuldete ihm noch eine Erklärung und die würde Sanji sich auch einholen, wenn nötig auch mit Gewalt.   -Zorro- Augenrollend ignorierte Zorro ihn. Obwohl er wirklich versuchte sich nicht stören zu lassen, war es ihm unmöglich diese auffällig unauffälligen Blicke des Kochs nicht zu bemerken. Immer wenn der andere dachte, dass Zorro es nicht mitbekommen würde, starrte der andere ihn regelrecht nieder und wenn Zorro nur etwas besser gelaunt wäre, würde er dieses nervige Geglotzte als Aufforderung sehen mit dem anderen noch mal das Deck zu schrubben. Aber er war nun mal nicht gut gelaunt und hatte erst recht kein Interesse daran sich mit dem Smutje auseinanderzusetzen, also ignorierte er das Gegaffe des anderen und konzentrierte sich auf das Essen vor sich, während Ruffy ihm ganz aufgeregt von seinem Kampf gegen den Fischmenschen Hody erzählte, als ob Zorro den nicht mitbekommen hätte. Laut Nami würden sie am späten Nachmittag die Oberfläche erreichen und man konnte diese leise Anspannung zwischen ihnen fühlen. Endlich, in wenigen Stunden würden sie endlich die neue Welt erreichen, in der neue Abenteuer sie erwarten würden. Auch Zorro sah der neuen Welt erwartungsvoll entgegen. Nach dem enttäuschenden Kampf des vergangenen Tages hoffte er, dass dies ein einmaliges Ereignis bleiben würde und die nächste Auseinandersetzung diesen fahlen Beigeschmack überdecken würde. Er sehnte sich nach einem echten Kampf und nicht nach langweiliger Zeitverschwendung. Verdammt, jetzt klang er fast schon so abgehoben wie dieser verdammte Mistkerl eines Samurai. Gleichzeitig sah er der Zukunft nicht mehr so naiv entgegen wie noch vor zwei Jahren. Damals hatte er die Gefahren dieser Welt unterschätzt und beinahe seinen Kapitän und seine Crew verloren. Zorros Unvorsichtigkeit hatte dazu geführt, dass sie Hakkai und dessen Soldaten der G6 unvorbereitet in die Hände gefallen waren. Sein unüberlegter Kampfstil hatte dazu geführt, dass er nach Bartholomäus Bär so angeschlagen gewesen war, dass er die Verletzungen, die Homura ihm im Kampf zugefügt hatte, nicht hatte überstehen können. Zorro hatte seine Fehler gemacht und dafür bitter bezahlt, nun würde er Gefahren nicht mehr so blauäugig ignorieren, nicht ein zweites Mal riskieren alles zu verlieren. Er hatte eine zweite Chance bekommen mit seinen Freunden weiterzureisen und dieses Mal würde er sie alle beschützen, seine Crew, seinen Kapitän und auch sich selbst. Aus diesem Grund freute er sich auf die neue Welt. Er freute sich auf die Abenteuer und die Kämpfe, aber auch darauf, wie er sich all dem stellen würde. Er wollte sich beweisen, beweisen, dass er nicht mehr der naive Kerl von damals war, der sture Muskelprotz ohne Plan. Er wollte beweisen, dass er aus seinen Fehlern gelernt hatte, dass er diese zweite Chance verdient hatte. Aber manchmal wünschte er sich diese Ignoranz zurück, vielleicht würde er dann auch nicht die nervigen Blicke des Koches merken, der ihn schon das ganze Essen über komisch beäugte, als ob Zorro jede Sekunde dessen geliebte Tischdecke vollbluten würde. Der andere war unglaublich nervig und Zorro wusste nicht was sein Problem war. Wenn der Koch irgendetwas von ihm wollte, dann sollte er es gefälligst ausspucken oder ihm den Buckel runterrutschen. Zorro war zu schlecht gelaunt, um sich mit dem anderen auseinanderzusetzen. Er hatte keinen Bock sich mit ihm zu streiten und sich sein Gezeter anzuhören, nicht heute, dafür fehlte ihm heute die Geduld. Noch einen Moment wartete er bis Ruffy seine Geschichte zu Ende erzählt hatte, dann stand er auf und brachte seinen Teller zur Spüle, ehe er mit einem leisen Murmeln erklärte, noch etwas trainieren zu wollen und die Kombüse verließ. An der Türe zögerte er für einen kleinen Augenblick, als würde er auf etwas warten, ein Wort, einen Blick, aber die Crew setzte ihr munteres Mahl fort und Zorro schüttelte das seltsame Gefühl ab und schloss die Tür hinter sich. Er war sich nicht ganz sicher, was seine schlechte Laune verursachte, aber die vergangenen zwei Jahre hatten ihn gelehrt, dass Training ihm immer helfen konnte. Während er sein eigenes Monster geworden war, hatte er sich mit sich selbst auseinandersetzen müssen und hatte mit nervigen Stimmungsschwankungen umgehen lernen müssen, aber dieses Wissen heiterte ihn nicht gerade auf. Natürlich wusste er, dass seine schlechte Laune teils dem langweiligen Kampf vom Vortag und seinem leisen Appetit nach mehr zu verschulden war. Auf der anderen Seite war er so viele wild durcheinander laufende Gespräche nicht mehr gewohnt und nun hatte er Kopfschmerzen. Er war sich sicher, dass die wilden Mahlzeiten dieser Crew ihn früher nicht so sehr gestört hatten, aber vielleicht bildete er sich das auch nur ein. Heute schien er besonders leicht reizbar zu sein. Aber auch da würde ihm das Training helfen, zumindest hoffte er das. „Ähm Zorro, hättest du vielleicht einen Moment?“ Nicht so überrascht wie er vielleicht sein sollte wandte er sich um, schon auf halbem Wege zum Ausguck. Hinter ihm hatte Brook das Mittagessen ebenfalls verlassen. Sein Totenschädel offenbarte keinerlei emotionale Regung, aber seine sonst eher fröhliche Stimme hatte ungewohnt ernst geklungen. Zorro hatte erwartet, dass Brook früher oder später ihn ansprechen würde, also nickte er nur und deutete dann rauf zum Ausguck, woraufhin das Skelett ebenso nur nickte.  Während Brook ihm folgte überlegte Zorro was er sagen sollte, sich bewusst, dass Lügen ihn wohl nicht wirklich weit bringen würde. Eigentlich sollte er dankbar sein, dass Brook ihn jetzt ansprach, während eines Momentes der Ruhe, ohne die anderen miteinzubeziehen. So ziemlich jeder andere aus der Crew – vielleicht mit Robin als Ausnahme – würde nicht so viel Taktgefühl an den Tag legen, wie Brook gerade und Zorro fragte sich, ob ein solches Verhalten typisch für das Skelett war oder ob es eine Warnung sein sollte. Sie kannten einander eigentlich kaum. Brook war nach Thriller Bark zu ihrer Crew hinzugestoßen, nur wenige Tage bevor sie von den Soldaten der G6 gefangen genommen worden waren, nur wenige Tage bevor Zorro von ihnen getrennt worden war. Ein bis zwei richtige Gespräche hatte er vielleicht mit dem Musikanten geführt und doch hatte Zorro tiefen Respekt vor dem Älteren, der so unnachgiebig sein Ziel verfolgt hatte und sich im Kampf gegen die Zombies nicht hatte geschlagen geben wollen. Zorro erinnerte sich gut an den Moment, als er mit Sanji in die Zelle eingebrochen war, in der Franky und Brook gefangen gehalten worden waren. Brook hatte so wissend gewirkt, wie er Zorro damals aus seinen leeren Augenhöhlen angestarrt hatte, als hätte er gewusst was in Zorro damals vorgegangen war. Oben angekommen wartete er auf den anderen, der wenige Sekunden später auch durch die Luke stieg. Er wünschte dieses Gespräch wäre nicht notwendig, aber er wusste, dass er es nicht verhindern konnte. Er wusste, dass er die Wahrheit nicht auf ewig verheimlichen konnte. Je nachdem wie diese Unterredung ausgehen würde, würde die ganze Crew bald Zorros Geheimnis wissen, noch bevor sie überhaupt die neue Welt erreicht hatten. „Danke, dass du dir Zeit nimmst“, bedankte sich Brook etwas zu höflich für unter Crewmitgliedern und verbeugte sich knapp. Zorro zuckte nur mit den Schultern und verschränkte die Arme. „Worum geht’s?“, fragte er und spielte den Unwissenden. Als Brook sich wieder aufrichtete konnte Zorro die Ernsthaftigkeit auf seinem Totenschädel sehen. „Kannst du es auch sehen?“, fragte er und bestätigte damit Zorros Befürchtung. Er hatte es schon vermutet, aber nun wusste er, dass Brook ihn tatsächlich sehen konnte, Zorros Schatten. Es überraschte ihn nicht wirklich, schließlich sah auch er den des Musikanten. Langsam nickte er. „Was ist das?“, hakte Brook nach. „Das weißt du mit Sicherheit“, entgegnete Zorro kühl. „Der Schatten des Todes.“ Der andere trat einen Schritt zurück. Es stimmte, wie jeder andere Wiedergeborene – wie die Menschen sich nannten, die gestorben waren und in einem fremden Körper aber mit den eigenen Erinnerungen zurück ins Leben gekommen waren – verfolgte auch Zorro der Schatten seines alten Lebens, wohin er auch ging. Für die meisten Menschen war dieser Schatten unsichtbar. Am Anfang hatte Zorro gedacht, dass nur andere Wiedergeborene ihn sehen konnten, so wie Zorro ihn bei Fremden sehen konnte, nur nicht bei sich selbst. Als er damals, vor zwei Jahren, seiner Crew wieder gegenübergestanden hatte, war es ihm sofort aufgefallen, aber er hatte es ignoriert, weil er dringendere Probleme gehabt hatte. Er konnte Brooks Schatten sehen, denn auch Brook war jemand, der hinter den Schleier des Todes gesehen hatte und dann zurück ins Leben gekehrt war, wohl wissentlich wie der Tod aussah. Daher überraschte es ihn nicht im Mindesten, dass der andere auch Zorros Schatten sehen konnte. Ein nebliges Gebilde, das immer wieder verschwamm und schärfer wurde. Anders als Brook, dessen Schatten seinen Körper vor seinem Tod zeigte, wusste Zorro, dass sein eigener Schatten – obwohl er selbst ihn nicht sehen konnte – seinen jeweils anderen Körper zeigte. Jeder Wiedergeborene wusste, dass Lady Loreen in Wirklichkeit Lorenor Zorro war und nun konnte Brook den Schatten Lady Loreens hinter Zorro sehen und wusste es somit auch. Der andere sah ihn lange an und sagte überhaupt nichts, überlegte gerade wohl ob Zorros Aussage seine Vermutungen und Theorien bestätigte, überlegte vielleicht auch was dies bedeutete und was er mit diesem neuen Wissen anstellen sollte. Zorro entschied abzuwarten, während Brook nachdachte. „Also“, murmelte der andere nach einer Weile, „du hast Ruffy damals die Wahrheit gesagt. Deshalb hat er dir deine Schwerter mitgegeben?“ Zorro nickte nur. „Und du hast entschieden uns anderen nichts zu sagen?“ Wieder nickte Zorro. Erneut waren sie beide für einen Moment still. „In Ordnung“, sprach Brook aus und nickte ebenfalls, „dann möchte ich mich aufrichtig entschuldigen. Deine Worte erklären mir einiges, aber ich versichere dir, dass ich nicht absichtlich in deine Intimsphäre eindringen wollte, mir war schlicht nicht bewusst was ich gesehen habe.“ „Brook, was du…“ „Es ist schon in Ordnung.“ Das Skelett winkte ab. „Du brauchst dich mir nicht zu erklären. Ich respektiere deinen Wunsch und deine Privatsphäre. Ich werde mir nicht herausnehmen Dinge auszusprechen, die du für dich behältst.“ Der andere wandte sich zum Gehen, schien absolut ehrlich und ernsthaft in seinen Worten und Gedanken. „Natürlich möchte ich nicht anmaßend sein und ich möchte auch gar nicht so tun, als wüsste ich was für Umstände deine Handlungen beeinflussen, aber dürfte ich dir dennoch einen Rat geben?“ Brook war an der Luke stehen geblieben und sah ihn ruhig an. „Ich weiß nicht warum du dich entschieden hast uns andere nicht einzuweihen, aber ein Geheimnis dieses Ausmaßes solltest du nicht zu lange allein schultern. Nicht wenn du Freunde hast, die gerne etwas deiner Last tragen würden.“ Es überraschte Zorro wenig, dass der andere ihm dies riet, so wie auch der Samurai es ihm geraten hatte und dennoch überraschte Brook ihn. „Ich danke dir, Brook.“ Das Skelett nickte erneut und zeigte ihm dann das unbestimmbare Lächeln eines Totenkopfes, doch das Grinsen seines Schattens verriet kaum mehr. „Ich danke dir, Zorro. Wir alle stehen tief in deiner Schuld und ich werde mein Möglichstes tun, um dir deine Last zumindest etwas zu erleichtern.“ Damit begann der andere die Luke hinunter zu klettern und ließ Zorro zurück. Für einen Moment war er verwundert über die anhaltende Stille, obwohl er doch jetzt alleine war, dann wandte er sich kopfschüttelnd um. Das Gespräch war etwas anders verlaufen als er erwartet hatte. Natürlich hatte er damit gerechnet, dass Brook eins und eins zusammenzählen würde und herausgefunden hatte, dass Zorro und Lady Loreen ein und dieselbe Person waren, aber er hatte nicht erwartet, dass Brook Stillschweigen über dieses Wissen bewahren wollte und darüber hinaus Zorro auch noch seine Hilfe anbot. Hätte Brook entschieden die anderen einzuweihen, hätte Zorro ihn nicht aufhalten können und er hätte es hingenommen, daher war er dankbar, dass Brook sich dagegen entschieden hatte. Zorro wusste, dass er den anderen über kurz oder lang die Wahrheit sagen musste, aber nach Möglichkeit wollte er dies noch so lange wie möglich hinausschieben. Zum einen, weil er keine Lust hatte sich mit ihren nervenden Fragen, ihren nervenden Blicken und ihren nervenden Problemen zu befassen und zum anderen, weil er bis dahin noch etwas anderes regeln musste und dafür wäre es besser, wenn die Crew unwissend blieb. Die Weltkonferenz stand bevor. Ein Ereignis, das Zorro bis vor kurzem hätte gestohlen bleiben können. Aber Eizen hatte sichergestellt, dass Zorro – Lady Loreen – kommen würde, um den Politiker bei dessen zwielichtigen Plänen zu unterstützen. Aus diesem Grund hatte Zorro entschieden, dass seine Freunde noch nichts wissen durften, auch wenn er noch nicht genau wusste, wie er sich für ein paar Tage von ihnen abseilen sollte, ohne dass es auffallen würde. Aber er war sich sicher, je weniger die anderen wusste, desto sicherer waren sie, desto weniger waren sie eine Gefahr für Eizen und desto weniger würden sie Ziel etwaiger Angriffe werden. Er unterbrach seinen Gedankengang und schaute nach draußen als sich das erste Licht durch die Wassermassen kämpfte und die Dunkelheit um sie erhellte. Bald würden sie auftauchen. Seufzend ging Zorro zur Lautsprecheranlage hinüber und gab die Neuigkeit durch, ehe er selbst den Ausguck verließ. Er hatte sich sehr darauf gefreut zumindest für eine halbe Stunde trainieren zu können und die Sorgen des Alltags und der anderen hinter sich zu lassen. Aber das konnte er nun vergessen. Unten angekommen konnte er hören wie Nami erklärte, dass sie in weniger als einer Stunde die Oberfläche erreichen würden, während nach und nach die anderen ebenfalls nach draußen kamen. Was auch immer für trübsinnige Gedanken Zorro geplagt hatten, er musste sie nun in den Hintergrund schieben, denn wer wusste schon, was sie auf der anderen Seite der Welt erwarten würde. Konnte es sein, dass noch jemand fehlte? Nein, sich den Nacken reibend begutachtete er einen nach dem anderen. Sie waren alle da, die ganze Crew hatte sich mittlerweile um Nami herum versammelt, dennoch blieb dieses seltsame Gefühl. Während Zorro den Erklärungen und den Anweisungen der Navigatorin mit halbem Ohr zuhörte, spürte er wie sich die kleine, weiße Teleschnecke in seiner Hosentasche an ihn schmiegte und erst dann bemerkte er, dass er sich abwesend über die Halsbeuge gestrichen hatte, auf der Suche nach einem kleinen Schmuckstück, welches nicht da war, sicher verwahrt in einer Falte seiner Bauchbinde. Verdammt! Er hatte nicht erwartet, dass es so schwierig sein würde. Er hatte nicht erwartet, dass er jemand war, dem so etwas zu schaffen machen würde, aber er konnte schon nicht mehr zählen, wie oft er sich in den vergangenen Stunden umgewandt hatte, nach jemandem der nicht da war. Viel zu oft hatte er jemanden ansprechen wollen, der nicht da war, hatte die Meinung von jemandem hören wollen, der nicht da war. Als Zorro vor zwei Jahren auf Sasaki, der Heimatinsel des Samurais, gestrandet war und auf die anderen gewartet hatte, da hatte er seine Freunde vermisst. Fremde Menschen mit ähnlichen Charakterzügen hatten ihn schmerzlich an das ein oder andere Crewmitglied erinnert. Er war früh morgens aus dem Schlaf geschreckt, weil er sich eingebildet hatte, dass sein Kapitän ihn rufen würde. Viele Nächte hatte er wachgelegen, weil die Träume ihn an das erinnert hatten, was er verloren hatte, und an das Leid, welches seine Freunde wegen ihm hatten durchstehen müssen. Ja, auf Sasaki hatte Zorro viel und oft auch wehmütig an die anderen gedacht. Aber nachdem Rayleigh ihm von seinem Plan erzählt hatte und Zorro entschieden hatte für zwei Jahre mit dem Samurai zu dessen Wahlheimat Kuraigana zu reisen, um dort zu trainieren, hatte diese Wehmut abgenommen. Er hatte gewusst, was das Ziel war und er hatte gewusst, dass er seine Freunde nach zwei Jahren wiedersehen würde und auch wenn es geschmerzt hatte, hatte er auch gewusst, dass es für das beste gewesen war. Nun jedoch war er zurück bei ihnen und sollte eigentlich einfach glücklich sein. Aber während er das heller werdende Meer um sie herum beobachtete, umgeben von seinen Freunden, für die er zwei Jahre lang trainiert hatte, konnte er dieses seltsam ungekannte Gefühl der Einsamkeit kaum ignorieren und er verstand noch nicht mal warum er so fühlte. So sollte er sich nicht fühlen, so sollte das Wiedersehen mit seinen Freunden nicht sein. Er hatte mit den Sorgen, die er wegen Eizen hatte, gerechnet. Er hatte mit dem nervigen Problem Lady Loreen, welches er über kurz oder lang mit seiner Crew teilen musste, gerechnet. Er hatte sogar mit einem gewissen Misstrauen, aufgrund seines offensichtlichen Todes und seiner unerklärten Auferstehung, gerechnet. Mit all dem hatte er gerechnet, hatte noch mit viel mehr gerechnet, aber auf eine Sache war er nicht vorbereitet gewesen. Zorro vermisste tatsächlich diesen verdammten Mistkerl eines Samurais. Er vermisste wie der andere sich neben ihn stellen und mit seiner ruhigen – nervig gelangweilt klingenden – Stimme irgendetwas bemerken würde, irgendein Wissen mit ihm teilen würde oder sich über irgendetwas beschweren würde. Er vermisste wie der andere über einen blöden Kommentar eines anderen eine blasierte Augenbraue hochziehen aber sich nicht mal zu einer Antwort herablassen würde. Vielleicht würde er auch Zorro einen Blick zuwerfen, der mehr sagen würde, als selbst der andere in Worte fassen konnte. Natürlich hatte er von Anfang an gewusst, dass er Kuraigana nach zwei Jahren verlassen würde und so hatte er es auch von Anfang an gewollt. Die letzten zehn Tage, die er auf dem Sabaody Archipel verbracht hatte, um Eizen zu treffen und um auf seine Freunde zu warten, hatte ihn das alles auch nicht wirklich gestört. Er hatte immer wieder mal einen Gedanken an seinen Lehrmeister verschwendet, aber eigentlich war Zorro viel aufgeregter gewesen, endlich seine Freunde wiederzusehen. Aber jetzt, hier und jetzt, da sich alles langsam wieder einzupendeln schien in dem gewohnten Chaos dieser Crew, jetzt merkte Zorro, dass irgendetwas fehlte, ohne dass Zorro gegen diese seltsame Leere irgendetwas tun konnte. Mit einem Seufzen nahm er hin, dass sie durch die Wasseroberfläche brachen und über ihnen der strahlendblaue Himmel der neuen Welt auf sie wartete. Nicht mal darüber konnte er sich freuen, wobei zumindest für diesen Moment die nervigen Augen des nervigen Kochs mal nicht auf ihn geheftet waren. Missmutig entschied Zorro, dass das Wasser auf dieser Seite der Red Line nicht wirklich anders aussah als auf der anderen und er die Zeit besser nutzen konnte, als hier dumm rumzustehen, indem er doch noch etwas trainieren ging. Bevor er jedoch auch nur den Ausguck erreicht hatte, ließ ihn Namis laute Stimme aufhorchen. Innerhalb von Sekundenbruchteilen wuchs am Horizont ein Wolkenkoloss, der immer näher kam und selbst Zorro konnte sehen, wie stürmisch das Meer dort war, obwohl es bei ihnen noch friedlich vor sich hin plätscherten. Im nächsten Moment brüllte Nami bereits Befehle, um das Schiff zu sichern, doch bevor Zorro auch nur damit beginnen konnte seine Aufgabe in die Tat umzusetzen hatte der Sturm sie bereits erreicht und schien sie weit fortzubringen, weit weg von ihrem eigentlichen Kurs, weit fort in die Neue Welt. Kapitel 4: Kapitel 4 - Bedenken ------------------------------- Kapitel 4 – Bedenken   -Mihawk- „Du könntest die Zeit auch für etwas Sinnvolles nutzen. Ich werde mit Sicherheit noch etwas brauchen und dein stechender Blick lässt mich nicht schneller arbeiten, gegebenenfalls aber nicht so gründlich.“ „Dann konzentriere dich und arbeite gründlich“, murrte er nur, ohne den Blick abzuwenden, „ich will so schnell wie möglich aufbrechen.“ „Wie du meinst“, seufzte der alte Mann nur und fuhr mit seiner Arbeit fort. Verstimmt senkte Dulacre seinen Blick wieder auf das kleine Stück Papier in seiner Hand, das stetig gegen seine Handfläche drückte und ihn drängte weiterzureisen. Nicht, dass er dieses Appells bedurfte. Wenn Dulacre könnte, würde er sofort aufbrechen, aber das war nun mal nicht möglich. Sein Sargboot mochte schneller sein als die meisten Schiffe und Dinge wie der Calm Belt waren für ihn keine Herausforderung, aber selbst er musste die Red Line überwinden, um die neue Welt zu erreichen. Als Samurai stand Dulacre grundsätzlich die Möglichkeit zu über den Red Port der Marine zu reisen. Sein Schiff war auch klein und leicht genug, um von den verstärkten Seifenblasen des Sabaody Archipels über die Red Line hinweg getragen zu werden. Er würde vielleicht drei Stunden dafür brauchen; vier, wenn er auf der anderen Seite nicht sofort auslaufen könnte. Das Problem war jedoch, dass seit der Schlacht von Marine Ford und der Verlegung des Marinehauptquartiers der Prozess für die Überführung verkompliziert worden war. Früher hätte Dulacre einfach nur zum Red Port auf dieser Seite der Red Line reisen müssen und die Überführung verlangen müssen, kein Soldat hätte seine Forderung verweigert, nicht einmal der jeweilige befehlshabende Vizeadmiral. Nun jedoch würde er zuerst einen Antrag stellen müssen, schriftlich, mindestens 24 Stunden im Voraus und mit Begründung. Für so einen Unsinn fehlte Dulacre sowohl die Zeit als auch die Geduld; als würde er sich irgendeinem dahergelaufenem Soldaten erklären, warum er auf die andere Seite der Red Line wollte. Außerdem hatte Dulacre am vergangenen Tag die Aufforderung der fünf Weisen erhalten sich für die bevorstehende Reverie auf Kuraigana in Bereitschaft zu halten. Dies bedeutete natürlich, dass jegliche Reisen tabu waren. Bereits seine derzeitige Anwesenheit auf dem Sabaody Archipel stellte einen Verstoß gegen den Befehl seiner Lehnsherren da, nicht, dass es Dulacre interessierte. Ihm war das einerlei, alles was er gerade wollte, war seinen Weg fortzusetzen. Aus diesem Grund befand er sich gerade an einem abgelegenen Groove und wartete darauf, dass Rayleigh mit der Beschichtung des Sargbootes fertig sein würde. Große Schiffe konnten mehrere Tage in Anspruch nehmen, aber ein kleines, wie das seine, brauchte nur wenige Stunden. Aufgrund der Form des Sargbootes würde Dulacre relativ zügig hinabsteigen und er beabsichtige nicht einen Zwischenstopp auf der Fischmenscheninsel einzulegen, sondern direkt unter der Red Line hindurch zu tauchen und auf der anderen Seite wieder aufzusteigen. Eine direkte Durchreise unter der Red Line war sehr riskant, kaum jedes fünfte Schiff überstand bereits eine normale Überfahrt – oder vielleicht eher Unterfahrt – mit Neubeschichtung unten auf der Fischmenscheninsel, und jeder vernünftige Beschichter würde es einem abraten. Aber Dulacre war niemand, dem eine solche Reise abgeraten werden musste und er war niemand, für den eine solche Reise riskant war, und dass wusste sowohl er als auch Rayleigh, daher tat der alte Mann das, was er zu tun hatte. „Du kannst noch so böse auf die Vivre Card starren, das macht dich auch nicht schneller.“ „Hör auf zu reden, Rayleigh, und beende deine Arbeit.“ „Du bist noch unhöflicher als sonst, Mihawk. Wenn man bedenkt, dass dein Leben von meiner Arbeit hier abhängt, sollte man meinen, dass du etwas respektvoller mit mir umgehen würdest.“ „Arbeite einfach weiter.“ „Wie du meinst.“ Endlich schwieg der dunkle König. Dulacre fehlte die Geduld sich mit dem alten Mann zu befassen. Er wusste, dass Rayleigh tausende kluge Gedanken für ihn hatte, gut gemeinte Ratschläge und vielleicht auch seltene Ehrlichkeit. Aber davon wollte Dulacre nichts hören. Er wollte nicht hören, dass sein Handeln ihn seinen Titel kosten konnte. Er wollte nicht hören, wie unvernünftig sein Handeln für den alten Mann aussehen musste. Für einen Außenstehenden musste Dulacre wie der verrückte, besessene Mann wirken, der dem anderen nach nur einen Tag hinterhereilte, weil er Gespenster sah, wo nur Vorhänge wehten. Es musste erbärmlich und bemitleidenswert aussehen. Aber auch das war ihm gleich. Es scherrte ihn nicht, was Rayleigh oder Shakuyak dachten. Es interessierte ihn nicht, was für eine Strafe ihn erwarten würde, sollten die fünf Weisen von seinem Ungehorsam erfahren, und natürlich wusste Dulacre, dass es nur der Wind war. Doch das änderte nichts daran, dass ein Sturm herbeieilte, und anscheinend stand Lorenor im Mittelpunkt jener Naturgewalt. Deshalb wartete Dulacre nun darauf, dass Rayleigh sein Schiff fertig beschichten würde, sodass er Lorenor nachreisen konnte. Dieser war erst am vergangenen Tag mit seiner Crew zur Fischmenscheninsel aufgebrochen und die Vivre Card in Dulacres Hand sagte ihm, dass die Strohhüte zumindest noch nicht wieder aufgetaucht waren. Da das Sargboot schneller war als die meisten Schiffe würde Dulacre die Piratencrew voller Chaoten bald einholen, vielleicht schon am nächsten Tag, je nachdem, wie viele Überraschungen die andere Seite der Red Line für ihn oder die Strohhüte bereithalten würde. Natürlich wusste Dulacre, dass er gerade seine Absprache mit Lorenor brach, aber auch das war ihm gleich. Nein, viel eher noch sah er sich nicht mehr durch sie gebunden, nicht nachdem, was er am vergangenen Tag erfahren hatte. Vor kaum 24 Stunden hatte Lorenor ihn angerufen und ihm begeistert von seiner Wiedervereinigung mit seinen Freunden erzählt. Nachdem Dulacre tagelang nichts von ihm gehört hatte, sondern nur von seinem besten Freund und Vizeadmiral der Marine Cho Jiroushin über Lorenors Verbleib informiert worden war, hatte er bereits angefangen sich ernsthafte Sorgen zu machen, doch dann hatte Lorenor endlich angerufen. Einige Minuten lang hatte Dulacre den Erzählungen des anderen über die Zusammenkunft seiner Crew und die Reise zur Fischmenscheninsel gelauscht. Lorenor hatte sich glücklich angehört, wirklich glücklich und zufrieden, und Dulacre hatte gewusst, dass er in nur sieben kurzen Tagen den nächsten Anruf hätte erwarten dürfen. Aber er hatte kaum das Gespräch mit seinem Wildfang beendet als er Post bekommen hatte. Der Brief der fünf Weisen, die ihn in seiner Funktion als Samurais eingefordert hatten, hatte ihn nicht weiter interessiert. Ganz anders jedoch der Brief von Eizen. Dulacre mochte den alten Politiker nicht, hatte ihn nie gemocht, empfand seine schleimige und hinterlistige Art als peinlich und armselig. Gleichzeitig war ihm natürlich sehr wohl bewusst, dass Eizen einer der gefährlichsten Menschen im Bereich der Weltpolitik war, da er Machthunger und Kontrollgier mit Intelligenz und Strebsamkeit verfolgte, und wenn selbst Cipherpol nichts gegen ihn unternahm - dahingestellt ob freiwillig oder unfreiwillig - dann musste Dulacre seine Existenz wohl oder übel hinnehmen, zumindest noch. Eigentlich könnte jener Mann Dulacre gleich sein, früher hatten sie nie viel Kontakt miteinander gehabt, waren sich alle paar Jahre mal mehr mal weniger zufällig über den Weg gelaufen, wobei sie einander immer gleichgesinnt ignoriert hatten, während Dulacre einen vielsagenden Blick mit dessen Sekretärin Rihaku ausgetauscht hatte. Aber das hatte sich mit Lorenor – oder eher Lady Loreen - geändert. Entgegen aller Versuche hatte Dulacre nicht verhindern können, dass der Politiker einen Vertrag mit Lorenor – Lady Loreen – eingegangen war. Es war Dulacre unmöglich gewesen die Beweggründe des Politikers nachzuvollziehen. Er konnte einfach nicht erkennen, warum eine berufliche Liaison mit Lady Loreen für den Politiker interessant sein könnte. Es gab nichts, was Lorenor dem alten Mann hatte bieten können. Viel mehr jedoch hatte es Dulacre verwirrt, warum Lorenor diesen Vertrag überhaupt eingegangen war, sich vertraglich an jemanden hatte binden lassen. Erst recht, wenn man bedachte, dass Lorenor sich für Dinge wie Politik, Macht, Geld und Ruhm nicht wirklich interessierte. Lorenors Ausrede, dass es nicht zu Lady Loreen gepasst hätte, die Möglichkeiten, die ein Vertrag mit Eizen hätte bieten können, zu ignorieren, hatte ihn kaum überzeugt. Auf der anderen Seite passte ein solch naiver Gedankengang nur zu gut zu Lorenor, zumindest zu dem Lorenor von vor zwei Jahren. Also hatte Dulacre seine Zweifel ignoriert und so getan, als würde er Lorenors Ausrede glauben. Der Brief vom vergangenen Tag hatte Dulacre nun die fehlenden Puzzleteile geliefert, hatte ihm nun den Fehler seiner Subsumtion offengelegt und nun musste er handeln, schnell. In diesem Brief, verfasst nur wenige Stunden bevor Dulacre ihn erhalten und gelesen hatte, hatte Eizen sich bei ihm dafür gedankt, dass Dulacre so geduldig hinnehmen würde – sie beide wussten, dass dies eine höfliche Lüge war – dass Lady Loreen so viel Zeit im Dienste Eizens verbrachte. Der Politiker hatte Dulacre versichert, dass er sich gut um Lady Loreen’s Wohlergehen kümmern würde und dass er die werte Dame für die kommenden Tage aufgrund der bevorstehenden Weltkonferenz noch beanspruchen müsste. Eizen hatte Dulacre erklärt, dass Lady Loreen die kommenden Tage ihm bei den Vorbereitungen helfen würde, nur wenige Minuten nachdem Lorenor ihn vom Grund des Meeres angerufen hatte. Dies ließ nur einen möglichen Schluss zu. Eizen wusste, wer Lady Loreen in Wirklichkeit war. Eizen wusste, dass Lady Loreen und Lorenor Zorro ein und dieselbe Person waren. Er hatte diesen Brief entweder geschrieben, um Dulacre wissen zu lassen, dass er die Wahrheit herausgefunden hatte, oder – und das war deutlich wahrscheinlicher – um Lorenor ein Alibi zu schaffen, warum er die kommenden Tage nicht nach Kuraigana zurückkehren würde. So wie sich der Brief lesen ließ ging Dulacre davon aus, dass Eizen nicht wusste, dass auch Dulacre die wahre Identität der hochwohlgeborenen Lady Loreen kannte. Es würde zu Eizen passen, dass er Dulacre diesbezüglich falsch einschätzen würde, schließlich hatte Eizen ihn nie als ebenbürtig angesehen und hielt Dulacre für alles andere als gefährlich. Vermutlich dachte Eizen, dass Dulacre so wie viele andere auch Lady Loreens liebreizendem Charme erlegen war, schließlich war sein Verhalten äußerst ungewöhnlich in Bezug auf die junge Frau. Der Politiker hatte verhindern wollen, dass Dulacre misstrauisch werden würde, wenn Lady Loreen nach ihren Terminen auf dem Sabaody Archipel nicht zurückkommen würde, unwissend, dass Dulacre natürlich wusste wo Lorenor sich derzeit aufhielt. All dies war mehr als offensichtlich für Dulacre, nun, da er den Brief gelesen hatte. Die wahre Frage war doch, ob Lorenor wusste, dass Eizen sein Geheimnis herausgefunden hatte, welches noch nicht mal Lorenors eigene Crew wissen durfte. Nein, eher, hatte Lorenor diesen Vertrag nur unterschrieben, weil Eizen ihn mit diesem Wissen erpresst hatte? Alle Anzeichen, alle Logik und alle Indizien sprachen dafür. Es gab nur einen einzigen Grund, warum Dulacre seine Deduktion anzweifelte. Natürlich, warum sollte ich dich anlügen? Lorenor hatte damals etwas anderes gesagt. Selbstredend wusste Dulacre, dass eine Lüge – ein Herausreden oder ein Umgehen – viel wahrscheinlicher war, aber Lorenor hatte ihm damals versprochen ihn nicht anzulügen und generell würde es wohl sehr Lorenors Wesen widersprechen Geheimnisse zu haben und Dinge zu verschweigen. Nichts sprach wirklich dafür, dass Lorenor völlig blauäugig in Eizens Falle gelaufen war, nichts außer Lorenors Charakter und Dulacres Vertrauen in den anderen, dieses unlogische Vertrauen, welches er aller Ratio zum Trotz nicht aufgeben wollte. Aber die Vernunft wollte Dulacre anderes erklären. Er wusste, dass selbst Lorenor sich verändert hatte. Lorenor war schon lange nicht mehr der schlichte Einfaltspinsel, wie er sich vor zwei Jahren gerne dargestellt hatte. Auch Lorenor wusste, dass die Wahrheit nicht immer der beste Weg war, selbst wenn es ihm missfallen sollte. Außerdem hatte er sich sogar entgegen Dulacres Rat dafür entschieden seinen Freunden die Wahrheit vorzuenthalten. Es war also nicht so als hätte Lorenor sich noch nie der Lüge hingegeben.  Natürlich konnte Dulacre in gewisser Form nachvollziehen, warum Lorenor seine Crew außen vor lassen wollte, aber es missfiel ihm doch sehr, dass Lorenor seinen Freunden – für die er immerhin bereit gewesen war zu sterben – noch nicht mal sein Geheimnis anvertrauen wollte; ein Grund mehr für Dulacre den Strohhüten zu misstrauen. Nein, die Indizien sprachen für sich. Die Indizien sprachen alle dafür, dass Lorenor sich sehr wohl bewusst war, dass Eizen sein Geheimnis kannte. Die Indizien sprachen dafür, dass Lorenor Dulacre angelogen hatte, aus welchen Gründen auch immer. Die Indizien sprachen dafür, dass Eizen willentlich für Lady Loreen ein Alibi bereitgestellt hatte, um deren wahren Identität vor Dulacre zu wahren. Dulacre war nicht dumm – oh nein, er war wohl alles andere als das – er war sich bewusst, dass dies wahrscheinlich der Wahrheit entsprach. Aber dennoch… Warum sollte ich dich anlügen? Im Zweifel für den Angeklagten. Aber ganz gleich, ob Dulacres Zweifel oder seine Hoffnung nun der Wahrheit entsprachen, er musste sich beeilen und zu Lorenor reisen. Vor einem guten Jahr hatte Lady Loreen offiziell erklärt, die Moderation der Reverie zu übernehmen, aber nach Dulacres Wissensstand hatte Lorenor nie vorgehabt, dieser Aufgabe letztendlich nachzukommen. Lorenor hatte gewusst, dass er vorher zu seiner Crew zurückkehren würde und der Plan war gewesen, dass Lady Loreen verschwinden würde, bis Lorenor sein Geheimnis vor der Welt nicht mehr würde verstecken können. Eizens Brief jedoch sprach von etwas anderem. Der Politiker hatte sich dafür entschuldigt, dass er Lady Loreen so einfordern würde, aber dass dies nur bis zur kommenden Weltkonferenz anhalten würde, welcher sie alle freudig entgegensehen sollten. Eine höfliche Floskel mochte man meinen, aber Dulacre entging die Drohung nicht, die im letzten Halbsatz stand. Was auch immer Eizen mit Lorenor geplant hatte, Dreh- und Angelpunkt war die Weltkonferenz. Schon lange hatte Dulacre die Vorzeichen gesehen, dass diese Reverie im Zeichen eines neuen Zeitalters stehen würde. Nach der Schlacht von Marine Ford hatten sich diese Vermutungen nur verstärkt. Aber all das hatte Dulacre nicht mehr als ein müdes Schmunzeln entlockt. Weder der Krieg noch die Reverie waren wirklich spannend genug, um Dulacre zu unterhalten, auch wenn er siegessicher erwartete seine Vermutungen bestätigt zu sehen. Doch die Dinge hatten sich nun geändert, Eizen hatte aus ihm noch unerklärlichen Gründen Lorenor mit hineingezogen und daher musste nun auch Dulacre sich damit beschäftigen, ob er wollte oder nicht. „Es ist schon seltsam“, unterbrach der alte Mann ungefragt seine Gedankengänge, „ich hätte nie vermutet, dass deine kalten Augen mal so lichterloh brennen würden. Wer hätte schon gedacht, dass ein dahergelaufener Junge aus dem East Blue dein unbeugsames Herz rühren würde.“ Er würdigte Rayleigh nicht einmal eines Blickes. „Bist du des Lebens müde, alter Mann, oder warum riskierst du es?“ Nun lachte der dunkle König. „Ich meinte es nicht böse, Mihawk, wirklich. Ich habe nur gehofft, dass ich einer der wenigen Menschen sei, deren Rat du annehmen würdest.“ „Überschätze dich nicht, Rayleigh. Ich lege keinen Wert auf deine Meinung.“ „Würdest du mir trotzdem einen Moment zuhören, bevor ich meine Arbeit abschließe?“ Nach einer Sekunde sah Dulacre von dem Papierschnipsel in seiner Hand auf und begegnete den klaren Augen des Älteren. „Das deute ich mal als ein Ja“, bemerkte der andere mit einem Schmunzeln, ehe er sein Werkzeug sinken ließ und sich Dulacre zuwandte. „Vor einigen Jahren führte ich ein interessantes Gespräch mit Shanks und es ging um dich. Überrascht erfuhr ich, dass du nicht mehr gewillt warst dich mit ihm zu messen, nachdem er seinen Arm verloren hatte. Ich hätte nicht gedacht, dass so eine Kleinigkeit in Anbetracht deiner Kampffreude von Bedeutung sein würde. Denn ganz gleich seiner Verletzung, dir ist wohl auch bewusst, dass seine Kampffertigkeiten immer noch herausragend waren. Im Gegenteil, seit jenem Tag ist Shanks wohl nur noch stärker geworden und würde dir durchaus einen würdigen Trainingspartner bieten.“ „Worauf willst du hinaus, Rayleigh? Ich habe nicht ewig Zeit.“ Beschwichtigend hob der andere beide Hände. „Shanks hatte sich damals sehr über deine kalte Schulter beschwert und ich fragte ihn, warum er sich überhaupt so gerne mit dir maß. Es ist ja gemeinhin bekannt, dass du ungerne Überlebende zurücklässt und jeder Kampf gegen dich musste für Shanks eine wahre Feuerprobe gewesen sein, kein freundlicher Schlagabtausch, und ich muss gestehen, dass ich nie verstanden habe, warum Shanks sich so bereitwillig dieser Gefahr immer wieder ausgesetzt hat, sie sogar eingefordert hat.“ Dulacre hob nur eine Augenbraue an. Er hatte kein Interesse daran über alte Geschichten zu reden, erst recht nicht jetzt. „Das Interessante war, dass Shanks überhaupt nicht verstand von welcher Gefahr ich sprach. Er sagte es gäbe keinen Grund Angst oder auch nur Respekt zu haben. Er verglich dich mit einem Biest an der Kette, eingepfercht in einem Schlosshof, tödlich wenn man zu nah käme, aber ungefährlich auf Abstand.“ „Komm zum Punkt, Rayleigh, mir fehlt die Geduld mich von dir beleidigen zu lassen.“ „Nein, nein, das will ich doch gar nicht. Shanks meinte damit deinen Kampfstil, die Art wie du eigentlich nie unberechenbar bist, außer bei diesen seltenen Gegnern, die dein Blut in Wallung bringen können. Es gibt nur wenige, wie dich und das weißt du. Du weißt von der Gefahr, die du für deine Feinde darstellst, wenn du die Kontrolle verlierst.“ Der alte Mann sah ihn klar an, vielleicht sogar sanft. „Daher war es für mich noch unbegreiflicher, dass selbst du Shanks nicht das Fürchten lehren konntest.“ „Wer seinen Gegner fürchtet, hat bereits verloren.“ Er mochte dieses Gespräch nicht. Weder mochte er über den roten Shanks sprechen noch darüber was andere über Dulacre und seine Fähigkeiten in dunklen Spelunken spekulierten. Es überraschte ihn nicht, dass der dunkle König über seine Kräfte und Fähigkeiten Bescheid wusste. Shanks war wahrlich niemand, der Geheimnisse ausplauderte, aber bei dem ein oder anderen Vertrauten konnte er zu einem wahren Waschweib mutieren. Einer der Gründe warum Dulacre immer ihn aufsuchte, wenn er auf der Suche nach Informationen war, an die man sonst nur schwer herankommen konnte. „Natürlich, natürlich“, stimmte Rayleigh ihm zu, „das sagte Shanks natürlich auch. Schließlich habe ich ihm diesen Spruch gelehrt.“ Nun funkelte der alte Mann Dulacre verschmitzt an, wollte ihn wohl daran erinnern, dass die Dinge einst anders gewesen waren. „Sein Kommentar war – und darauf wollte ich hinaus, Mihawk – Solange das Biest noch an der Kette ist, gibt es nichts zu befürchten. Mihawks kühler Verstand und sein kaltes Herz hält sein Biest im Zaum. Aber Rayleigh, ich sage dir, wenn die Kette reißt und die Mauer einstürzt, dann weiß selbst ich nicht, was uns erwarten wird, dann könnte selbst ich es mit der Angst zu tun bekommen.“ Diese Aussage überraschte Dulacre nun doch. Sowohl, dass Rayleigh es ihm so direkt sagte als auch, dass der Rote so denken konnte – er gehörte nicht zu den hellsten Sternen am Himmel – aber am meisten überraschte ihn, dass Shanks diese Worte wohl ernst gemeint hatte, dass anscheinend selbst Shanks wohl so von ihm dachte. Selbst Shanks also. Der alte Mann zögerte einen Moment, doch dann sprach er weiter: „Ich habe mir um seine Worte eigentlich nie Sorgen gemacht. Du warst berühmt für dein Herz aus Stein, für deinen erbarmungslosen Verstand, rationaler Stratege, emotionsloser Kämpfer. Aber nun mache ich mir Sorgen, Mihawk. Ich habe vor zwei Jahren gesehen, wie du Zorro angesehen hast und ich sehe auch jetzt deinen Blick. Ich hätte nicht gedacht, dass ich dich je so voller Emotionen erleben würde, ich hatte sogar meine Zweifel, dass du überhaupt zu Gefühlen abseits eines Kampfes fähig bist.“ „Ist es das, womit du meine Zeit vergeudest? Unbegründete Angst, dass meine Gefühle mich zu einem unkontrollierbaren Biest machen? Du begibst dich auf dünnes Eis, dunkler König.“ „Und noch einmal“, murrte der alte Mann nun nicht mehr ganz so sanftmütig, „ich sage dies nicht deiner Missbilligung willen, sondern weil ich dich schätze, Mihawk. Mir ist sehr wohl bewusst, dass du nicht einfach aus unbegründeten Gefühlen heraus Zorro folgst. Ich weiß sehr wohl, dass du guten Anlass hast, ihm nachzueilen und ich hoffe, dass du ihn erreichst, bevor es zu spät ist.“ „Was willst du dann?“ „Ich will dich warnen, ich will dich um Vorsicht bitten. Es ist wundervoll, was du für Zorro empfindest – wenn ich so frei sein darf in meinem Alter – und ich wünsche euch beiden alles Glück dieser Welt. Aber bitte halte im Hinterkopf, dass deine Gefühle nicht Maßstab für Zorros Entscheidungen sind.“ „Du wirst ganz schön anmaßend, alter Mann. Bildest du dir ein du wüsstest was ich fühle und denke.“ Er trat einen Schritt auf den anderen zu, aber natürlich wich Rayleigh nicht zurück. „Ich will dich warnen, Mihawk. Shanks hat Recht. Du weißt was für ein Leben Zorro lebt, mit welchen Gefahren er tagtäglich konfrontiert sein wird. Dir ist auch bewusst, was in der Welt gerade geschieht, an welchem Abgrund wir stehen. Ich appelliere an dich, dass du ganz gleich deiner Gefühle nicht eine weitere unberechenbare Gefahr wirst.“ Kopfschüttelnd wandte Dulacre sich zum Gehen. „Ich nehme an, du bist mit deinen Arbeiten bereits fertig. Ich werde jetzt aufbrechen.“ „Mihawk!“, rief der andere ihm nach. „Ich weiß von deinem Verhalten damals nach der G6. Welche Dummheit würdest du noch begehen, jetzt wo deine Gefühle so viel mehr sind als eine leichte Faszination für ein besonderes Talent?“ „Ich wüsste nicht, was es dich angeht.“ Der andere packte ihm am Handgelenk. „Lass los.“ Rayleigh atmete tief auf. „Hass und Trauer machen einen blind, Mihawk. Bitte stelle sicher, dass du nicht Vergeltung übst an denjenigen, die Zorro beschützen wollen würde.“ Er seufzte auf. „Ich sage es dir nur ein einziges Mal, Rayleigh, du hast die Grenze überschritten und nächstes Mal werde ich nicht so gnädig sein und darüber hinwegsehen. Deine Sorge mag gut gemeint sein, aber sie ist unnötig und unerwünscht. Lorenor lebt und ich bin mir meiner Gefühle sehr wohl bewusst.“ Seinen Arm befreiend ging er an Bord. „Und was Shanks angeht, soll er sich fürchten oder auch nicht, das ist mir einerlei. Ich bin weder ein Biest, gebändigt durch Kette und Mauer, noch ein Junge, der deiner Warnung und deines Appells bedarf.“ Das Sargboot setzte sich in Bewegung. „Nur weil du dem Strohhut geholfen hast, macht uns das nicht zu Verbündeten, Rayleigh, und wage es ja nicht, diese Linie noch einmal zu verwischen.“ Der alte Mann am Ufer schüttelte den Kopf und sah ihn wehmütig an, ein Gefühl welches Dulacre von ihm nicht brauchte. „Es tut mir leid, dass du nicht verstehst, was ich dir sage, Mihawk. Ich hoffe, dass dein stoisches Wesen nicht deinen Untergang bedeutet, für dich, Zorro und auch für die Strohhüte.“ „Und selbst wenn, so würde es dich doch nichts angehen.“ Im nächsten Moment verschluckte ihn das Meer und er sank in die Tiefen hinab. Aber die Worte des alten Mannes hallten in der Stille des Meeres nach, seine Warnung, sein Rat. Wütend ließ Dulacre sich auf seinen Stuhl fallen. Er hatte gerade genug Dinge, um die er sich Sorgen machen musste, da brauchte Rayleigh nicht mit solch unheilvollen Vorahnungen um sich zu werfen. Wäre Dulacre nicht so erzürnt würde es ihn wohl neugierig machen, warum der alte Mann glaubte so anmaßend mit ihm reden zu können. Es stimmte, dass Dulacre den dunklen König stets respektiert hatte, aber sie pflegten keinen Kontakt und waren mit Sicherheit nichts was einen solch offenen Umgang rechtfertigen würde. Aber Dulacre war nun mal gerade sehr erzürnt, daher machte er sich darüber keine Gedanken, sondern fragte sich nur, wie Shanks sich erdreisten konnte, solch Dinge über ihn zu sagen. Vermutlich war es die Rache des Rothaarigen dafür gewesen, dass Dulacre sich geweigert hatte weiter gegen ihn zu kämpfen, nachdem er sich entschieden hatte ein Krüppel zu werden. Sowohl sein Urteil als auch Rayleighs Rat waren unangebracht und schlichtweg falsch. Natürlich wusste Dulacre, dass seine Emotionen für Lorenor ihn manchmal mehr beeinflussten als ihm lieb war, aber er war niemand, der gedankenlos handelte, der sich von seinem eigenen Monster überkommen ließ wie ein blutiger Anfänger. Wie konnte Rayleigh es wagen anzuzweifeln, dass Dulacre sich von seinen Gefühlen überwältigen lassen würde und zu dem Monster wurde, das andere in ihm sahen? Es stimmte, dass Dulacres Kontrolle nicht perfekt war. In einem wahren Kampf war es ihm nahezu unmöglich sich zurückzuhalten. Aber er war sehr wohl in der Lage einen solchen Kampf nicht anzutreten oder so schnell zu beenden, dass die Blutgier ihn nicht übermannte. Außerdem war er selbst in jenem Zustand absolut in der Lage Freund von Feind zu unterscheiden und würde nie jemanden angreifen, der seinem Angriff nicht würdig war. Warum glaubte Shanks also, dass so etwas Lächerliches wie ein paar Emotionen dies ändern würden? Warum glaubte Rayleigh also, dass Dulacre über seine Gefühle für Lorenor zu einem unberechenbaren Monster werden würde? Leise schnaubte er über diesen Unsinn auf. Er hatte Lorenor doch nicht zwei Jahre trainiert, damit dieser nun sang- und klanglos in der neuen Welt umkommen würde. Wieso also warnte der alte Mann ihn vor genau dieser Situation? Außerdem war er sich wohl bewusst, was für ein gefährliches Leben Lorenor lebte und gewählt hatte. Dulacre wusste genau, welchen Rang er selbst in der Prioritätenliste des andere einnahm. Nein, sowohl Shanks als auch Rayleigh irrten sich. Es stimmte zwar, dass Lorenor sein hartes Herz erweicht hatte, aber dies ließ ihn nicht zu einem emotionsgeladenen Dummkopf werden. Dulacre war sich genau bewusst was er tat und warum er es tat. Er wusste genau warum er… Plötzlich sprang der kleine Papierfetzen regelrecht aus seiner Hand und drängte in eine andere Richtung. Er sah auf zu dem immer dunkler werdenden Meer über ihm. Vor wenigen Minuten erst mussten die Strohhüte wieder aufgetaut sein, doch das rechtfertigte diesen plötzlichen Richtungswechsel nicht. Es musste ein Naturphänomen der neuen Welt sein, welche immer wieder unerwarteter Weise auftauchen und ganze Schiffe vom Kurs abbringen konnten. Seufzend rieb er sich die Schläfen. Zumindest hoffte er, dass es nur die unberechenbare Wetterlage war und nicht etwas anderes. Wenn er Pech hatte, würde es nun länger dauern Lorenor einzuholen. Aber die viel wichtigere Frage war doch, was passieren würde, wenn Lady Loreen nicht zur Weltkonferenz erscheinen würde. Kapitel 5: Kapitel 5 - Schuld ----------------------------- Kapitel 5 – Schuld   -Zorro- Er betrachtete die brennende Insel nicht weit entfernt von der Thousand Sunny. Eine leise Stimme in seinem Hinterkopf versuchte ihn daran zu erinnern, wie er solche Flammen schon mal erlebt hatte, wie sie sich auf seiner Haut, in seinem Rachen angefühlt hatten, aber er ignorierte sie getrost. Es wäre wohl verständlich, wenn der Anblick der Insel ihn in Panik versetzen würde, ihn kurzatmig lassen werden würde, aber das tat es nicht. Zorro sah diese Insel an, bewusst was damals geschehen war, und fragte sich welches neue Abenteuer auf sie wartete. Immer noch strahlten diese Flammen eine seltsame Faszination auf ihn aus; er wusste genau, wie sie sich anfühlten, kannte ihre Hitze nur zu gut, aber ängstigen taten sie ihn nicht. Während seiner Zeit auf Kuraigana hatte Zorro sich immer wieder vorm Kaminfeuer gefunden und während des ultimativen Trainings des Samurais hatte er sich auch wilden Flammen stellen müssen und jede Form von Angst, die vielleicht noch bestanden hatte, hatte er überwinden müssen. Also stand er hier, während seine Crewmitglieder berieten, ob sie nun an Land gehen sollten oder nicht, und fühlte sich ungewohnt abwesend. Es war schon irgendwie seltsam, dass die erste Insel auf dieser Seite der Red Line, die er mit seinen Crewmitgliedern betreten sollte, genauso in Flammen stand, wie die letzte Insel auf der anderen Seite der Red Line, auf der er von den anderen getrennt worden war. Wenn er ein Mensch wäre, der an das Schicksal glauben würde, wäre dieser Anblick für ihn wohl wie eine Mahnung, aber wenn er ganz ehrlich war, so fragte er sich nur, ob sein Glück heute wieder auf die Probe gestellt werden würde. Irgendwer von den anderen hatte entschieden, dass sie Lose ziehen würden, um zu entscheiden, wer Ruffy auf das brennende Land begleiten würde und als er sein eigenes Los betrachtete, schmunzelte Zorro. Er konnte es kaum erwarten sein Glück herauszufordern. Vielleicht war diese Insel seine Möglichkeit, seine Chance. Nach der enttäuschenden Schlacht auf der Fischmenscheninsel wäre es vielleicht wieder eine brennende Insel, auf der er seine Fehler von damals würde gutmachen können, indem er dieses Mal auf seinen Kapitän aber auch auf sich selbst aufpassen würde. Vielleicht hatte er auch das Glück endlich ein Kampf führen zu können, der ihn nicht langweilen würde. Der nervige Samurai würde es wohl Schicksal nennen, aber Zorro nannte es einfach nur Glück. Gleichzeitig war er sich sehr deutlich jenes nervigen Blicks bewusst, den er schon seit Stunden versuchte zu ignorieren, während Robin ebenfalls mit einem leisen Lächeln ihr Los zeigte und Lysop neben ihr eine Herzattacke zu haben schien. Das seltsame Naturphänomen, welches sie von ihrem Kurs abgebracht und hierher verschleppt hatte, hatte den anderen nur für wenige Minuten abgelenkt, aber jetzt konnte Zorro dieses Starren wieder auf sich spüren. Augenrollend entschied er wieder einmal den Koch zu ignorieren. Er hatte keine Lust sich mit der nervigen Küchenschabe auseinanderzusetzen. Sollte der andere ihn doch weiterhin böse anglotzen und leise schnauben, solange er seinen Mund nicht aufmachte und sagte, was für ein Problem er mit Zorro hatte, würde Zorro ihn ignorieren. Es war nicht seine Aufgabe sich um die Probleme des Kochs zu kümmern und wenn dieser glaubte, dass Zorro sich von so einem Gehabe beeindrucken ließ, dann irrte er sich aber gewaltig. Nicht umsonst hatte Zorro zwei Jahre unter dem harten Blick Falkenauges gelebt, im Vergleich zu diesen Augen interessierte ihn das Starren des Kochs nicht mehr als der Blick einer vorbeifliegenden Möwe. Zorro hatte nicht vor dem anderen bei was auch immer sein Problem war zu helfen. Dafür fehlte ihm sowohl die Geduld als auch das Interesse, also entschied er, dass die brennende Insel eine schöne Abwechslung sein würde, bei der er zumindest für kurze Zeit sich nicht um den Koch scheren musste. Aber als er dann endlich die Sunny verließ, konnte er diesen Blick immer noch auf sich spüren und diese leise Stimme, die ihn bereits vorher genervt hatte, war zurück und fragte ihn wie lange er wohl seine Crew – seine Freunde – weiterhin belügen konnte und ob er es nicht nur schlimmer machte. Vielleicht wusste der Koch ja etwas, vielleicht starrte er ihn deshalb die ganze Zeit so an, versuchte das Bild der liebreizenden Lady Loreen mit dem Piratenjäger Lorenor Zorro in Einklang zu bringen. Eine Sekunde lief es ihm kalt über den Rücken, als die erste Hitzewelle der Flammen vor ihnen ihn erreichte. Anders als Brook, da war er sich sicher, würde der Koch sich nicht zurückhalten, sollte er einen Beweis für seine Vermutungen finden, und anders als Brook, würde der Koch nicht zögern die anderen einzuweihen, oder? Zorro wusste es nicht. Damals, nach Thriller Bark hatte Sanji nichts gesagt, hatte nicht erwähnt, dass Zorro so beschämend schwach gewesen war, dass er Ruffy nur dadurch hatte retten können, dass er sein Leben für ihn dargeboten hatte. Damals hatte Sanji geschwiegen, es noch nicht mal ihm gegenüber zur Sprache gebracht. Plötzlich erinnerte Zorro sich wieder. Auch damals schon hatte der Koch ihn so komisch beäugt. Es war ihm nicht wirklich aufgefallen, da er damals mit ganz anderen Problemen zu kämpfen gehabt hatte, aber jetzt erinnerte er sich wieder daran. Als er aufgewacht war, als er die Verbände abgerissen und zu trainieren angefangen hatte, aber auch in ihrer gemeinsamen Zelle, auf ihrer Flucht, selbst auf dem brennenden Turm, immer hatte Sanji ihn angestarrt, manchmal unauffällig, manchmal unverhohlen. Schulterzuckend tat Zorro es seinem Kapitän gleich und zog seinen Proviant hervor, ignorierte die ungesagte Mahnung darüber, wie unklug es wäre bereits jetzt zu essen. Es war unsinnig sich über den Koch den Kopf zu zerbrechen. Wer wusste schon was die Kringelbraue dachte, und was auch immer sein Problem war, solange er es nicht ansprach, sah Zorro gar nicht ein sich damit beschäftigen zu müssen. Also ignorierte er Lysops Gejammer und sah der brennenden Insel entgegen. Ja, er hatte ein gutes Gefühl, auf dieser Insel würde er sich selbst beweisen können, dass er nicht mehr der Mann von vor zwei Jahren war. Sein Blick fiel auf Ruffy, der vergnügt seine Verpflegung verputzte, und so unbeschwert wie eh und je wirkte. Ja, heute war der Tag, an dem Zorro wieder die Rolle übernehmen würde, die er damals dem Koch übertragen hatte, weil er gedacht hatte, dass er selbst nicht mehr in der Lage dazu sein würde. Damals hatte er versagt, hatte nach Thriller Back und den Senichi Inseln endgültig auf der G6 versagt, aber nun würde er diese Schande begleichen und vielleicht, nur vielleicht, würde er dabei auch noch die Chance auf einen interessanten Kampf bekommen.   -Sanji- Ungeduldig kaute er auf dem Filter seiner Zigarette herum. Die brennende Insel nur wenige Meter vor ihnen machte ihn unruhig, erfüllte ihn mit Bildern der Vergangenheit. Gerade in diesem Moment verabscheute er den Geruch der Flammen, verabscheute das Flackern ihres Lichtes und wie sie den Himmel verfärbten und am Meer leckten. Die schreiende Stimme über die Teleschnecke hallte in seinem Kopf nach, begleitet von den anderen sterbenden Stimmen, die ihn fast jede Nacht heimsuchten und wann immer er die Augen schloss, sah er diese verdammten sanften Augen, das kaum wahrnehmbare Lächeln vor sich. Lebe, Sanji! Er zerdrückte den Zigarettenstummel an seinem Schuhabsatz und rieb über seine Unterschenkel, spürte die vielen kleinen Narben von damals unter seinen Fingerspitzen, die selbst jetzt noch bei hellem Licht sichtbar waren. Dann ergriff er sein Feuerzeug und zündete sich eine weitere Zigarette an. Erst vor wenigen Minuten hatten sie Lose gezogen und er wusste nicht was ihn mehr überrascht hatte, die unglaubliche Erleichterung, dass er nicht hatte mitgehen müssen, oder die noch größere Panik, dass Zorro musste und sich augenscheinlich auch noch darauf gefreut hatte. Nun stand Sanji an der Reling und starrte dem winzigen Boot hinterher, welches zwischen dem brennenden Eiland bereits nicht mehr auszumachen war. Zorro schien ein besserer Schauspieler zu sein als Sanji ihm zugestanden hatte. Während sie der Insel immer näher gekommen waren, hatte der andere sich sichtlich unbeeindruckt gegeben, als würde dieses Bild am Horizont ihn nicht an jene furchtbare Nacht von vor zwei Jahren erinnern, als würden die Flammen ihn nicht jede Nacht in seinen Träumen heimsuchen. Sanji fühlte sich schuldig. Als er sein Los gesehen hatte war ihm ein viel zu schwerer Stein vom Herzen gefallen. Natürlich wäre er gegangen, wenn das Los so entschieden hätte, und natürlich hatte er sich in den letzten zwei Jahren wieder mit dem Feuer angefreundet – als Koch war ihm gar nichts anderes übrig geblieben – aber als er diese brennende Insel gesehen hatte, die mit den um Hilfe schreienden Menschen ihn so sehr an die Marinebasis G6 erinnert hatte, da war er einfach nur dankbar gewesen, dass er nicht in diese Hölle zurückkehren musste. So dankbar, dass er für eine Sekunde nicht an den Schwertkämpfer gedacht hatte. Als Sanji aufgeblickt und den roten Papierfetzen in Zorros Hand gesehen hatte, war sein Herz dann beinahe stehen geblieben. Er hatte sich so egoistisch über sein eigenes Los gefreut, dass er noch nicht mal auf die eine Person geachtet hatte, die wohl am wenigsten an Land gehen wollte, abgesehen von Lysop natürlich. Wie zu erwarten gewesen, hatte Zorro sich nichts anmerken lassen, hatte wie so oft leise geschmunzelt und seine lockeren Sprüche gerissen, ehe er Ruffy gefolgt war, loyal wie er nun mal war. Aber Sanji war sich sicher, dass dieses lockere Gehabe nur ein überraschend gutes Schauspiel war. So beschränkt und einfältig der andere war, selbst die Moosbirne würde eine brennende Insel nicht ansehen können, ohne sich an damals erinnern zu müssen. Nein, er wollte gar nicht wissen, was der andere gerade durchmachen musste. Sanji hatte sogar überlegt mit ihm zu tauschen, aber er hatte gewusst, dass Zorro für so etwas zu stolz sein würde. Egal was Sanji gesagt hätte, Zorro wäre zu stur gewesen, um diese Chance zu ergreifen, und natürlich wollte Sanji ihn nicht bloßstellen. Also hatte er zugesehen, wie Zorro von Bord gegangen war, ohne etwas zu unternehmen, und er schämte sich. Er schämte sich dafür, dass er nicht das tat, was Zorro ihm damals aufgetragen hatte. Er schämte sich dafür, dass er es wieder mal Zorro überließ die anderen zu beschützen, wohl wissentlich was es für eine Qual für Zorro sein musste diesen Flammen nahe kommen zu müssen. Und er schämte sich dafür, dass trotz allem, dass er trotz allem gerade einfach nur erleichtert war, dass er nicht derjenige war, der mit Ruffy hatte mitgehen müssen. „Verdammt!“ Leicht schlug er gegen den eigenen Oberschenkel und wandte sich ab, konnte diesen Flammen nicht mehr länger zusehen. Er hatte gedacht, er hätte sich mit diesem Element wieder angefreundet, gerade als Koch war er eigentlich sehr vertraut mit der Hitze des Feuers und in den letzten zwei Jahren hatte es ihn eigentlich nie gestört. Aber hier und jetzt, mit dieser Kulisse in seinem Rücken, die ihn so sehr an damals erinnerte, schienen ihn die Bilder, die Geräusche, die Gerüche wieder einzuholen. Er glaubte verbrennendes Fleisch riechen zu können, glaubte immer noch den schreienden Mann über die Teleschnecke hören zu können, konnte selbst jetzt mit geschlossenen Augen die tanzenden Flammen vor sich sehen, und seine Unterschenkel begannen nervenaufreibend zu jucken. Er nahm einen weiteren tiefen Zug seiner Zigarette, aber das Nikotin brachte nur wenig. Natürlich wusste er, dass er sich keine Sorgen um die anderen machen brauchte. Sie alle waren in den vergangenen zwei Jahren so viel stärker geworden und dennoch… Feuer war kein Element, welches man mit bloßer Muskelkraft besiegen konnte. Er zweifelte nicht daran, dass sie alle in den letzten zwei Jahren stärker geworden waren. Er zweifelte nicht daran, dass Zorro in den letzten zwei Jahren stärker geworden war. Aber ganz gleich wie stark der andere nun sein mochte, eine brennende Insel war kein Gegner mit einem Schwert, ein Mensch mit Fehlern und Schwächen. Gerade in diesem Moment befand der andere sich im Schlund einer einzigen Naturgewalt, dieser ganz alleine ausgesetzt und… Sanji unterbrach seinen Gedankengang als er realisierte, dass seine ganze Sorge gerade dem verfluchten Marimo galt, nicht Ruffy, seinem Kapitän, nicht Lysop, seinem Freund, noch nicht einmal Robin, dem Traum seiner schlaflosen Nächte. Bis gerade hatte er kaum einen Gedanken an die anderen verschwendet. Überrascht starrte er die Zigarette in seiner Hand an. Er hatte kaum mitbekommen wie Robin und Lysop wohl auf ihr Los reagiert hatten, so beschäftigt war er mit seiner eigenen Erleichterung und seiner Sorge um den Schwertkämpfer gewesen. Warum sorgte er sich überhaupt um den verdammten Säbelrassler? Früher hätte er das nie getan. Früher hatte Sanji nie angezweifelt, dass Zorro selbst die gefährlichste Situation mehr oder minder unverletzt – naja, meistens lief der Kerl so blutig rum, als ob er es zu verschenken hätte – überstehen würde. Selbst jetzt war er wieder da, obwohl er doch eindeutig vor Sanjis eigenen Augen gefallen war. Warum also konnte er nicht einfach blauäugig wie die anderen akzeptieren, dass nichts so schnell den Säbelrassler umbringen würde und zu seinen Alltagssorgen zurückkehren? Warum also stand Sanji jetzt hier, dieser brennenden Insel den Rücken zugekehrt, und konnte nicht aufhören zu zittern, weil er sich so sehr… nein, weil er wirklich Angst um den anderen hatte? „Es ergibt keinen Sinn.“ Überrascht sah er auf. Nur wenige Meter neben ihm stand Nami, rieb sich die Unterarme als hätte sie kalt, während sie die brennende Insel ansah. Die Flammen spiegelten sich in ihren Augen und für einen Moment hätte Sanji fast geglaubt ungeweinte Tränen zu sehen. „Es ergibt einfach keinen Sinn.“ „Nami?“ Nun sah sie zu ihm hinüber und es war offensichtlich, dass sie ebenfalls nicht bemerkt hatte, dass er da schon seit einer Weile stand. „Wovon redest du?“ Eine Sekunde wurden ihre Augen groß, dann schüttelte sie den Kopf und winkte unwirsch ab, ehe sie sich ebenfalls von der Insel abwandte und sich gegen die Reling lehnte. Tief atmete sie ein, zeigte deutlich wie unzufrieden sie mit der Situation war, doch dann sah sie Sanji an und seufzte leise. „Von Zorro natürlich, wovon sonst?“ Augenblicklich musste Sanji zurück an jenen Tag zurückdenken, als sie von der Aufhebung von Zorros Kopfgeld erfahren hatten. An jenem Tag war es Nami gewesen, die ihn und Robin zur Vernunft gebracht hatte, als sie beide sich eingeredet hatten, dass diese Aufhebung zwielichtige Hintergründe gehabt hätte, die für sie nur Sinn ergeben hätte, wenn Zorro überlebt hätte. Damals hatte Sanji sich im Nachhinein für seine Hirngespinste geschämt und selbst jetzt musste er sich eingestehen, dass Namis Worte damals sehr viel wahrscheinlicher gewesen waren als seine Wahnvorstellungen. „Du also auch?“, bemerkte er nur und seufzte ebenfalls. „Ich dachte ich wäre der Einzige, der den eigenen Verstand anzweifelt. Aber du hast auch das Gefühl, dass irgendetwas komisch ist, oder?“ Leise schnaubte sie auf. „Du meinst abgesehen davon, dass der Kerl, den ich vor zwei Jahren habe sterben sehen, wiederauferstanden ist und so tut als wäre nichts passiert?“ Sanji nickte nur und sah sie ernst an. Sie traf den Nagel auf den Kopf. „Dir hat er also auch nichts gesagt?“ „Ach, Sanji, als ob er mir etwas sagen würde. Ich glaube ihm wäre am liebsten wir alle würden das ganz schnell vergessen und so tun als wäre die G6 nie geschehen.“ Nun war es Sanji, der sich umwandte, um die brennende Insel wieder anzusehen. Als ob er die G6 und alles was damals vorgefallen war je vergessen könnte. Lebe, Sanji! Als ob er jene Worte je vergessen könnte. „Du meinst so wie die anderen?“ Aus dem Augenwinkel konnte er sehen, wie sie nickte. „Glaubst du wirklich, dass die anderen Zorros Rückkehr so einfach mit einem Schulterzucken hinnehmen und nichts hinterfragen? Selbst sie können nicht so naiv sein und so tun als wäre die Vergangenheit nie passiert.“ Er spürte, dass sie ihn ansah. „Ich glaube, dass wir alle damals unglaublich gelitten haben, Sanji, ich glaube keiner von uns kann jene Bilder je wirklich vergessen. Aber…“ Sie holte tief Luft. „Mit der Zeit werden die Erinnerungen schwächer, verändern sich. Ich erinnere mich noch genau daran, wie er damals die Tür von unserer Zelle aus den Angeln gerissen hat, aber ich frage mich die ganze Zeit, ob ich mir seine schmerzverzerrte Miene, den Schweiß auf seiner Stirn, die Art wie er seine Seite die ganze Zeit hielt, ob das wirklich so geschehen ist oder ob ich mir eingeredet habe, dass er bereits vom Kampf gegen die Marine so schwer verwundet gewesen war, dass er den Ausbruch so oder so nicht überlebt hätte. Vielleicht war er wirklich so schwer verletzt, vielleicht habe ich mir das aber auch nur die vergangenen zwei Jahre eingeredet, damit die Last etwas leichter wurde, die Schuld etwas weniger schwer wog.“ Sanji schüttelte den Kopf. Nein, er wusste ganz genau, was er damals gesehen hatte. Ja, natürlich war ihm bewusst, dass Erinnerungen sich mit der Zeit veränderten, dass man anfing sich selbst einzureden was man zu sehen geglaubt hatte, aber das stimmte bei ihm nicht. Er hatte die Wunde gesehen - sie sich nicht schlimm geredet! - hatte gesehen wie Zorro ihn angelächelt hatte, ihm aufgetragen hatte, von nun an die Crew zu beschützen aber unter dieser Last nicht selbst zum Monster zu mutieren. Lebe, Sanji! Nein, diese Worte hatte er sich gewiss nicht eingeredet. All das war genauso geschehen, wie er es in Erinnerung hatte, oder? „Ich denke den anderen geht es ähnlich. Natürlich haben wir alle gesehen, wie der Turm damals zerfallen ist, aber es ergibt halt einfach keinen Sinn, wenn man es logisch betrachtet. Zorro ist hier, ihm geht es gut, ergo kann er damals nicht gestorben sein. Ergo hatte Ruffy von Anfang an Recht gehabt, ergo hatten Lady Loreen und Falkenauge die Wahrheit gesagt, ergo müssen die eigenen Erinnerungen, die mir sagen, dass Zorro damals auf jeden Fall gestorben sein muss, falsch sein. Nur so kann es Sinn ergeben, nur so kann diese ganze beschissene Sache auch nur irgendwie halbwegs Sinn ergeben.“ Er sah das alles allerdings ganz anders. Ja, er hatte seine Zweifel, ja, vielleicht hatte er sich das ein oder andere eingeredet, hatte das ein oder andere nicht mehr so in Erinnerung, wie es tatsächlich geschehen war, aber er war sich sicher, dass nicht seine Erinnerungen an damals die Ungereimtheit in Zorros mystischem Überleben waren. Lebe, Sanji! Nein, er war sich ganz sicher, dass seine Erinnerungen nicht das Problem waren. „Das würde ich zumindest gerne sagen“, sprach Nami mit einem Seufzen weiter und wandte sich ebenfalls wieder der Insel zu. „Die Wahrheit ist aber, dass ich nicht so einfach wie die anderen akzeptieren kann, dass meine Erinnerungen falsch sein sollen.“ Sie starrte ihre zur Faust geballte Hand an, ehe sie wieder zu den Flammen aufsah. „Nein, ich weiß genau, was ich damals gesehen habe. Ich weiß, dass ich mich damals gewundert habe, wie beschissen er aussah und dass er vermutlich schwer verletzt sein musste, weil dieser Vollidiot nie unverletzt aus einem Kampf herauskommt. Ich weiß, dass ich mich damals kaum getraut habe ihm zu widersprechen, weil ich mir so Sorgen um ihn gemacht habe. Ich weiß noch genau wie das Tor hinter Lysop zugefallen ist und ich nur so dachte jetzt gleich sind sie tot.“ Zitternd schüttelte sie den Kopf und holte tief Luft. „Ich erinnere mich genau an die Explosion, Ruffys bewusstloses Gesicht, an die Schreie – manchmal höre ich sie immer noch – und an euch auf dem Turm. Ich weiß noch genau wie du ins Wasser gefallen bist und wie der Turm Feuer gefangen hat. Ich weiß noch genau wie er da stand und dann…“ Beinahe fassungslos sah er Nami an. Noch nie hatte er sie darüber reden gehört, zumindest nicht so. Damals vor zwei Jahren hatte Sanji nicht über das Geschehene reden wollen, hatte es kaum aushalten können, wenn Ruffy Zorro immer wieder zur Sprache gebracht hatte. Entschieden sah Nami ihn an und dieses Mal wusste er, dass sie mit den Tränen kämpfte. „Es mag einfacher sein, dennoch werde ich nicht wie die anderen so tun, als wäre die G6 nie geschehen, das kann ich nicht. Aber Zorro wird nicht darüber reden, nicht mit mir, nicht mit dir, weil er mit niemandem über seine Gefühle redet, weil es letzten Endes keinen einzigen Menschen gibt, mit dem Zorro offen über seine Gefühle redet, weil er ein verdammter Vollidiot ist. Ich wollte sogar sein Los austauschen, aber er hat zugegriffen, bevor ich bereit war, so ein verdammter Vollidiot.“ Er war also nicht der Einzige, der solche Gedanken hegte. „Aber das ist egal. Es ist egal, ob Zorro uns die Wahrheit verrät oder nicht. Es ist egal, was an dieser ganzen Geschichte nicht stimmt. Es ist egal wie er überlebt hat. Jetzt ist er wieder da und ich werde alles in meiner Macht Stehende tun, um zu verhindern, dass so etwas noch mal passiert, ganz gleich ob er will oder nicht. Ist mir egal, wie oft ich sein Los austauschen oder ihn anlügen muss. Ich werde nie wieder zulassen, dass wir ihn verlieren könnten, ganz gleich wie er zurückgekommen ist.“ „Nami?“ Zornige Tränen rannen ihr Gesicht hinunter und sie schüttelte nur den Kopf. „Ich wusste ja gar nicht, dass…“ „Was?“ Sie zuckte mit den Achseln und rieb sich ihre Tränen aus dem Gesicht. „Dass du nicht der Einzige bist, der sich die Schuld für damals gibt? Dass du nicht der Einzige bist, dem das eigene Versagen schlaflose Nächte bereitet?“ „Aber, Nami, du…“ „Ich bin die Navigatorin, Sanji. Es ist mein Job zu wissen. Es ist mein Job uns die beste Route auszusuchen und sicher zu gehen, dass wir nie den Kurs verlieren. Ich mag nicht wissen können was für Gefahren uns auf irgendeiner Insel erwarten können, aber… aber ich hätte wissen müssen, dass die Senichi-Inseln nicht unbewohnt waren. Ich hätte wissen müssen, dass eine Marinebasis direkt um die Ecke ist, ist ja nicht so, als ob das ein Geheimnis wäre.“ Erneut rieb sie ihre Tränen weg. „Ich habe damals entschieden, dass wir vor Anker gehen würden, weil ich dachte, dass eine Feier an Land schöner wäre. Robin hatte noch bemerkt, dass wir so nahe der Red Line mit mehr Marine rechnen müssten. Aber nach… nach Thriller Bark wollte ich einfach nur einen schönen Abend haben.“ „Das wollten wir doch alle, Nami. Du hättest nicht wissen können…“ „Ich wusste es!“ Sie schüttelte entschieden den Kopf und ihre Tränen versiegten. „Ich wusste, dass eine Basis ganz in der Nähe sein musste und wenn ich mir die Zeit genommen hätte nachzuschauen hätte ich auch gewusst, dass es die Senichi-Inseln waren. Aber ich habe meinen Job nicht richtig gemacht. Ich wollte einen ruhigen Abend ohne Verpflichtungen und Verantwortungen haben und daher habe ich entschieden, dass wir dort vor Anker gehen können, ohne vorher in meinen Notizen nachzuschauen. Ich habe die kleinste, trostloseste Insel ausgesucht und behauptet sie sei unbewohnt.“ Tief holte sie Luft und straffte die Schultern. Dann sah sie Sanji ganz unverhohlen an und für diese eine Sekunde vergaß Sanji zu atmen. „Es war meine Schuld, Sanji. Ich sage das nicht, um Mitgefühl oder Nachsicht zu erhalten. Ich brauche niemandem, der mir auf die Schulter klopft und sagt, dass ich es ja nur gut gemeint habe, dass so etwas jedem passieren kann. Ich brauche nicht, dass Zorro mir sagt, dass er mir nicht die Schuld gibt.“ Sie stieß sich von der Reling ab. „Es ist nun mal Fakt, dass ich in meiner Position als Navigatorin versagt habe und eins hat zum anderen geführt und am Ende haben wir Zorro verloren.“ Sie sah wieder ernst zu ihm herüber. „Also nein, ich zweifle nicht eine Sekunde daran, was damals passiert ist, weil kein Tag vergeht, an dem ich nicht darüber nachdenke, was ich damals hätte anders tun können. Aber die Vergangenheit kann ich nicht mehr ändern. Ich kann nicht ändern, was damals geschehen ist, und ich kann nicht ändern, dass Zorro jemand ist, der sich nur zu gerne in die Schusslinie wirft. Aber ich kann jetzt handeln und verhindern, dass Zorro sich für mich in die Schusslinie werfen muss. Ich mag zwar nicht so stark sein wie er oder du, aber ich kann meinen verdammten Job richtig machen und ihn nicht in Situationen bringen, in denen er sich für andere versucht zu opfern. Ich kann mich nicht wie ein Schild vor ihn stellen und ihn beschützen, so wie er das bei mir tun würde. Aber ich bin es leid immer die zu sein, die von anderen beschützt werden muss, also werde ich im Rahmen meiner Möglichkeiten alles tun, um ihn zu beschützen, im Zweifel durch Lug und Betrug, wenn die Wahrheit bei diesem Sturkopf nicht funktioniert.“ Ihre Direktheit und Offenheit ließen ihn sprachlos werden. Ihm war nie bewusst gewesen unter welcher Last auch Nami die letzten zwei Jahre gelitten haben musste. Sie hatte sich damals deutlich besser behauptet als er selbst. Sanji hatte nie bemerkt, dass hinter all der Trauer und der Verzweiflung auch so viel Schuld und Hilflosigkeit gelegen hatte. Namis Gefasstheit beeindruckte ihn. Anders als er, der nicht aufhören konnte über die Vergangenheit zu verzweifeln, hatte sie entschieden daraus Konsequenzen zu ziehen und anders als damals zu handeln. „Du bist wirklich stark“, gestand er leise ein, „ich könnte das so nicht. Ich will die Wahrheit wissen, ich will ihn zur Rede stellen und herausfinden was wirklich passiert ist, damit es für mich einfacher wird aber du…“ Kopfschüttelnd lächelte er. „Aber du hast einfach entschieden, ihm auf deine Art zu helfen. Du weißt was für ein Sturkopf er ist und dass er nie die Hilfe anderer annehmen würde, daher machst du es so, dass er es nicht merkt, wofür er dir wahrscheinlich auch nie dankend wird. Ich wüsste nicht, ob ich das könnte.“ Nun zeigte auch sie ein leises Lächeln und zuckte mit den Schultern. „Aber Sanji, es ist Zorro. Es ist ja nicht so als könnte man ihn mit ein paar netten Worten zum Reden bewegen. Selbst wenn ich ihn zur Rede stellen würde, es würde nichts bringen und meine Schuld würde ich so auch nicht begleichen können, also mach ich es auf meine Art und du solltest es auf deine tun. Was hast du sonst vor? Du kannst ihn ja nicht einfach darauf ansprechen und im Zweifel so lange provozieren, bis er es ausspuckt.“ Mit großen Augen sah er ihr nach als sie mit einem halben Grinsen abwinkte und Richtung Kombüse schritt. „So schnell werden sie nicht zurück sein, das heißt ich werde jetzt meinen Job machen und gucken, ob ich weitere Funksprüche abfangen kann. Versuche dir nicht den Kopf zu sehr zu zerbrechen, okay?“ Sanji nickte nur und dann fiel sein Blick wieder auf die brennende Insel. Nami hatte absolut Recht. Genau das würde er tun. Sobald Zorro zurück war, würde Sanji ihn einfach zur Rede stellen und herausfinden was vor zwei Jahren tatsächlich geschehen war und im Zweifel würde er die Wahrheit aus dem anderen herauskicken. Anders als Nami würde Sanji sich nicht mit der Unwissenheit zufrieden geben. Ganz gleich was sie alle getan haben mochten, Zorro war derjenige, der sie zwei lange Jahre in Unwissenheit gelassen hatte. Er schuldete ihnen zumindest eine Erklärung. Kapitel 6: Kapitel 6 - Gespräche -------------------------------- Kapitel 6 – Gespräche   -Sanji- Aber dieses Vorhaben war einfacher gesagt als getan. Sanji hatte sich fest vorgenommen, Zorro nach dessen Rückkehr von der brennenden Insel zur Rede zu stellen und die Wahrheit hinter dessen unverständlichem Überleben herauszufinden. Aber nun ja, dann war das passiert, was immer passierte, wenn ihre Crew irgendwo war. Chaos war passiert, Feinde waren passiert, Freunde waren passiert, Kämpfe waren passiert und noch so viel mehr. Manches, an das Sanji sich sehr gerne zurückerinnerte – Namis Brüste! – und andere Dinge, die ihm ein seltsames Gefühl in der Magengegend beschert hatten - Ruffy, reiß dich gefälligst zusammen! Das ist erst der Anfang in der Neuen Welt! – aber egal, was geschehen war, nun hatten sie Punk Hazard hinter sich gelassen. Allerdings musste Sanji feststellen, dass es ihm, aufgrund der Anwesenheit ihrer neuen Gäste, schwer fiel einen passenden Moment zu finden, um den Spinatschädel endlich anzusprechen, ohne dass es direkt alle mitkriegen würden, denn das war mit Sicherheit nicht seine Absicht. Sie hatten gerade erst Kurs auf Dress Rosa genommen. Nachdem sie die Segel gesetzt hatten und alle wieder zusammengekommen waren, hatte Ruffy denjenigen, die es vorher nicht mitbekommen hatten, eröffnet, dass er und Law eine Allianz gegründet hatten – Sanji war sich ziemlich sicher, dass ihr neuer Verbündeter keine Ahnung hatte, worauf er sich da einließ – und dass sie nun beabsichtigten erst den Samurai de Flamingo und dann einen der vier Kaiser, Kaido, zu stürzen. Diese Botschaft hatte in der Crew für unterschiedlichste Reaktionen gesorgt. Während sowohl Lysop als auch Nami sich wenig begeistert gezeigt hatten, war Sanji sofort klar gewesen, dass man Ruffy nicht mehr von etwas abbringen konnte, sobald dieser eine Entscheidung getroffen hatte. Auch der Marimo schien eher angetan von der Idee, sich mit einem der vier Kaiser zu messen. Er schien sich auf neue Kämpfe zu freuen, als würde es ihm nicht reichen, dass sie innerhalb der kurzen Zeit, die sie erst wieder zusammen waren, bereits zwei Schlachten hinter sich gebracht hatten. Ja, auch Sanji konnte einem Scharmützel etwas abgewinnen und ja, auch er mochte Abenteuer und freute sich darüber, dass die Neue Welt hielt, was ihnen damals versprochen worden war. Aber wenn er ganz ehrlich war, so hätte er nichts gegen die eine oder andere Verschnaufpause zwischendurch einzuwenden. Daher hörte er mit Freuden zu, als Nami ihnen gerade erklärte, dass sie Dress Rosa wohl erst in ein paar Tagen erreichen und sie am nächsten Tag an einer anderen Insel zwischenankern würden, um ihren Proviant aufzustocken, welcher durch ihr vergangenes Fest bereits wieder gefährlich knapp war, insbesondere wenn man bedachte, dass sie nun noch ein paar Mäuler mehr zu stopfen hatten. Tatsächlich war Sanji sehr dankbar über diese Möglichkeit, denn er hatte sich darüber schon den ganzen Morgen den Kopf zerbrochen. Nicht über die Entscheidung seines Kapitäns, sich sowohl mit Kaido als auch mit de Flamingo anzulegen, nicht darüber, dass sie sich erst am vergangenen Tag mit einem anderen Kaiser, nämlich Big Mom angelegt hatten, noch nicht einmal darüber, was Nami ihm nur kurz vor ihrem Abenteuer auf Punk Hazard offenbart hatte und über sein eigenes stetes Misstrauen dem Säbelrassler gegenüber. Nein, seit heute Morgen hatte er sich am meisten Sorgen darüber gemacht, wie er die komplette Crew plus ein Allianzmitglied plus zwei Gäste plus einen Gefangenen durchfüttern sollte. Denn ob Gefangener oder nicht, Sanji würde nicht zulassen, dass jemand unter seiner Aufsicht Hunger leiden musste. Nun jedoch waren diese Sorgen vom Tisch und er ignorierte getrost, wie sich Kinemon darüber aufregte, dass sie ihr Ziel zügiger erreichen mussten, oder Caesar sie alle verfluchte, während die offizielle Besprechung wohl beendet war. Denn gerade fiel Sanjis Blick auf Zorro und er entschied, seinen Plan endlich in die Tat umzusetzen und den anderen zur Rede zu stellen, der sich gerade mit Kinemon wegen irgendeines Schwertes oder so stritt. Nami mochte es anders sehen, aber er würde sich nicht damit begnügen, dass Zorro ihnen die Wahrheit vorenthalten wollte. Er würde nicht, wie Nami die eigenen Erinnerungen immer und immer wieder hinterfragen, nur damit der verdammte Marimo sich nicht rechtfertigen brauchte. Er würde nicht, wie die anderen einfach die Vergangenheit ruhen lassen und so tun, als wäre die G6 nie geschehen. Sanji wollte Antworten und er würde sie sich jetzt holen. Mittlerweile hatten die anderen Crewmitglieder sich übers Schiff verteilt. Chopper, Franky und Lysop schienen Caesar zu beäugen, Nami und Ruffy unterhielten sich derweil über die diversesten Themen mit Law, der nicht minder genervt als Nami von Ruffy wirkte. Robin hatte sich derweil Momo angenommen, während Brook dem Marimo und Kinemon begeistert zusah. Eigentlich wäre jetzt der perfekte Zeitpunkt, um sich zurückzuziehen und ein schmackhaftes Mahl vorzubereiten, aber Sanji wusste nicht, was ihn erwarten würde, sobald er die Büchse des Zorros öffnete und daher wollte er es so schnell wie möglich angehen, damit sie etwaige Probleme bewältigen konnten, ehe sie sich des Samurais annehmen mussten. Während er noch darüber grübelte, merkte er plötzlich einen kalten Blick auf sich und erst da realisierte Sanji, dass er mit seinen Gedanken wohl abgeschweift war und gar nicht bemerkt hatte, wie Zorro und ihr Gast ihren Disput offensichtlich beendet hatten und der andere ihn nun unwirsch anstarrte. Kinemon und Brook unterhielten sich gerade recht laut und enthusiastisch, doch Sanji hörte ihnen nicht zu. Seine ganze Aufmerksamkeit lag notgedrungen auf der aufgebrachten mannshohen Alge, die wie ein herannahender Sturm auf ihn zu stapfte. „Was verdammt noch mal ist dein Problem, Koch?“, knurrte der andere so übelgelaunt wie immer. „Hör auf mich die ganze Zeit anzustarren. Das nervt, verstanden?!“ „Wa..was?“ Das Gemecker des anderen hatte ihn überrumpelt. Sanji hatte sich zwar zurechtgelegt, wie er den anderen hatte ansprechen wollen, aber da der Marimo ihn die letzten paar Tage so abweisend und abwertend wie eh und je behandelt hatte, hatte Sanji einfach nicht erwartet, dass der andere von sich aus das Gespräch suchen würde, nicht, dass er es tat, wie seine nächsten Worte ganz deutlich machten. „Ich habe keine Ahnung, warum du so einen Scheiß machst, aber lass es bleiben. Wenn du ein Problem mit mir hast, spuck es aus, aber hör auf, mir auf die Nerven zu gehen, kapiert?!“ Damit wandte der andere sich um und stiefelte Richtung Mast. „Hey!“, rief Sanji ihm nun fassungslos nach. „Jetzt warte mal, Zorro.“ Der andere hob nur die Hand wie zum Gruß und zeigte ihm den Mittelfinger. „Lass mich in Ruhe, Koch, und hör auf, mich anzustarren.“ Dann kletterte er zum Ausguck hoch, ließ Sanji auf der Wiese zurück.   Wütend stampfte er die Kartoffeln. Verdammter Spinatschädel! Verdammter Vollidiot! Verdammte Moosbirne! Warum war dieser Mistkerl nur so? Hey, ich habe gesehen, dass du mich die letzten Tage immer wieder beobachtet hast, und ich habe mir gedacht, dass du dir wegen dem, was damals passiert ist, vielleicht Sorgen machst. Willst du drüber reden? Ja, genau das. Genau so würde ein vernünftiger Mensch reagieren, vielleicht nicht ganz so freundlich, nicht ganz so umsichtig, vielleicht etwas ungezwungener, aber irgendwie so. Nicht aber der verdammte Marimo, der so tat, als wäre Sanji das Problem, der so tat, als müsste Sanji sich entschuldigen oder sein Verhalten erklären. Verdammter Mistkerl! „Oh, da ist aber jemand enthusiastisch bei der Arbeit.“ „Robin?“ Überrascht sah er auf, als die Schönheit seiner schlaflosen Nächte zur Tür hereinkam. „Kann ich dir irgendwie helfen?“ Sie zeigte wie immer ihr geheimnisvolles Lächeln und schüttelte den Kopf. „Eigentlich hatte ich vor, ein Bad zu nehmen, aber Brook hat erwähnt, dass es bald Essen geben würde, also dachte ich mir, ich komme auf einen Kaffee vorbei und sehe nach, ob du etwas Hilfe gebrauchen kannst.“ Allein der Gedanke an Robin in einer Wanne voll Schaum trieb Sanji die Röte ins Gesicht, aber das Blitzen in ihren Augen ließ ihn wachsam werden. Also lächelte er und eilte zur Kaffeemaschine hinüber. „Einen Kaffee für mein allerliebstes Robin-Schätzchen, kommt sofort.“  Mit einem Lächeln nahm sie das Getränk entgegen. „Und vielen Dank für dein Angebot, aber nach einer so deftigen Feier hatte ich überlegt, heute etwas Einfaches zuzubereiten, daher brauche ich deine Hilfe nicht. Aber natürlich kannst du gerne bleiben und mir etwas Gesellschaft leisten, darüber würde ich mich sehr freuen“, fügte er schnell hinzu, als sie eine fragende Augenbraue hob. Robin nickte nur und trank ihren Kaffee, während Sanji weiterarbeitete. Mit der Zeit fingen sie an, über die vergangenen Tage – und auch über die vergangenen zwei Jahre – zu reden, und Sanji merkte, wie sehr er das vermisst hatte. Sie redeten über dies und das, die schönen und die unschönen Dinge der vergangenen Tage, Wochen, Monate und Jahre, unterhielten sich über das, was sie selbst erlebt hatten, woran sie gezweifelt und gewachsen waren und wie die anderen sich wohl verändert hatten. Sie lachten über Frankys neue Fertigkeiten, Zorros hässlichen grünen Mantel und Brooks schrilles Outfit, bemerkten mit Wohlwollen, wie viel stärker Chopper, wie viel mutiger Nami, wie viel selbstbewusster Lysop geworden war. Nur Ruffy, da waren sie sich einig, ihr Kapitän hatte sich nur sehr wenig verändert, aber vielleicht war das Wenige gerade das Besondere. Was Zorro betraf, da hatten sie allerdings komplett andere Ansichten. Während Sanji sich darüber beschwerte, wie viel unleidiger und grummeliger der andere geworden war, erwähnte Robin wie viel umgänglicher und wortgewandter der andere sich angeblich benahm. Sanji widersprach ihr wirklich nicht gerne, aber nichts an dem wortkargen Säbelrassler wirkte auf ihn eloquent oder sympathisch. Auch darüber schmunzelten sie, nahmen ihre unterschiedlichen Ansichten nicht zu ernst, schließlich waren sie kaum ein paar Tage wieder zusammen, ihnen beiden war bewusst, dass sie in so kurzer Zeit noch nicht alle neuen und alten Facetten ihrer Freunde kennen konnten. Doch das war genau der Grund, warum Sanji dieses Gespräch so genoss. Früher war Robin oft zu ihm in die Küche gekommen, um ihn zu helfen oder einfach nur für einen kleinen Plausch, und oft hatten sie über vergangene Ereignisse und bevorstehende Abenteuer gesprochen, manchmal hatten sie sich dabei auch über ihre Crewmitglieder unterhalten und nicht selten über Dinge diskutiert, die sie vermutlich nichts angingen, aber oft hatten gerade diese Gespräche Sanji geholfen, den ein oder anderen aus ihrer Crew zu verstehen – auch wenn Robins Versuche, ihm die Gedankengänge der Moosbirne näher zu bringen, eher erfolglos geblieben waren – und so manchen Abend hatten sie auch die eine oder andere Erkenntnis erlangt, genau aus diesem Grund liebte Sanji ihre gemeinsamen Gespräche, während er kochte. Selbst an dem Abend, an dem sie alle gefangen genommen worden waren, hatten sie gemeinsam in der Küche alles für eine Feier vorbereitet, die sie nie gefeiert hatten. Für einen Moment dachte Sanji an diesen ersten Morgen danach zurück, als er in der Kombüse am Tisch gehockt hatte, kein Auge zugemacht hatte, nachdem Chopper seine Wunden versorgt hatte und dann sein Blick auf den Backofen gefallen war, in dem die kläglichen Überreste eines kläglichen Kuchens vor sich hingeschimmelt hatten. Kopfschüttelnd entschied Sanji, solche Erinnerungen zu ignorieren, und fuhr damit fort die Kartoffeln zu zerstampfen, doch dann zerbarst der Griff zwischen seinen Fingern. Für einen Moment sahen er und Robin sich an. „Sag es nicht“, murmelte Sanji und hob den Stampfer aus dem Brei, „es ist nur Materialermüdung.“ „Habe ich etwas anderes behauptet?“, fragte sie, doch er konnte ihr das Grinsen anhören, während er den kaputten Stampfer sauber machte und zur Seite legte. Wenn er Glück hatte, würde Lysop ihn über Nacht reparieren. Als er sich wieder umwandte, konnte er ihren Blick spüren, auch sie dachte ganz offensichtlich an jenen Abend zurück, als Sanji das letzte Mal in dieser Kombüse ein Küchenutensil zerbrochen hatte. „Und doch scheinst du dir auch heute wieder ungewöhnlich viele Gedanken um unseren Schwertkämpfer zu machen.“ Sie setzt ihre Tasse auf dem Tresen ab. „Wobei du auch schon die vergangenen Tage recht aufmerksam wirktest.“ Er versuchte noch nicht einmal, dies zu leugnen. „Kannst du es mir verübeln? Dir ist doch mit Sicherheit auch bewusst, dass an seiner Geschichte irgendetwas… was rede ich überhaupt? Es gibt keine Geschichte an der etwas faul sein könnte. Es gibt gar keine Geschichte! Er hat überhaupt nichts gesagt, sich nicht einmal die Mühe gemacht, uns zu erklären, was passiert ist.“ Seufzend rieb er sich durchs Gesicht. „Es wäre eine Sache, wenn er uns anlügen würde, weißt du. Das könnte ich vielleicht sogar noch verstehen, könnte verstehen, dass er uns nicht alles erzählen will. Aber es kotzt mich an, wie er einfach komplett ignoriert, was wir denken müssen und einfach so tut, als wäre die G6 nie passiert.“ Er schüttelte den Kopf und wandte sich Robin zu, die ihn ehrlich anlächelte. „Natürlich mache ich mir Sorgen“, gestand er ihr dann tatsächlich ein. „Du weißt genau, worüber wir uns das letzte Mal hier unterhalten haben, damals nach Thriller Bark. Ich habe dir gesagt, dass sein rücksichtsloses Handeln irgendwann schlimme Folgen haben würde, und ich hatte Recht! Wenn uns die G6 eines gelehrt hat, dann, dass… Ich weiß nicht, wie er überlebt hat, aber ich bin nicht bereit, dass er so weiter macht, wie bisher, und wir noch einmal in eine solche Situation kommen.“ Ich muss mit ihm reden. Das ist meine Aufgabe. Es ist jetzt meine Aufgabe. Ruffy, Zorro ist tot! Willst du es einfach nicht begreifen? Er kommt nicht wieder! Zorro ist tot, er ist für uns alle gestorben. Es ist vorbei! Ruffy sieht es nicht ein. Das ist schon schwer genug und mit seinem Gerede verunsichert er die anderen. Vor allem für Chopper ist das total furchtbar. Aber wenn ihr jetzt auch noch damit anfangt, das schaffe ich nicht! Robin, Sanji. Ich verstehe euch, so wie ich auch die anderen verstehe. Aber Nami hat Recht. Zorro ist mit absoluter Sicherheit gestorben. Ich glaube, er wusste, dass er seinen Wunden über kurz oder lang erliegen würde, und wollte unserem jungen Arzt nicht die Verantwortung geben, ein unabwendbares Schicksal zu verhindern. Chopper sollte nicht erneut die Last tragen müssen, einen ihm wichtigen Menschen nicht retten zu können. Es war meine Schuld, Sanji. „Nein, ich will nicht, dass wir je wieder so etwas durchmachen müssen.“ „Und du glaubst, dass es der richtige Weg ist, ihn zu überwachen, wie eine inaktive Bombe, nur für den Fall, dass sie doch explodieren könnte?“ Überrascht sah er auf, als er für eine Sekunde von der Vergangenheit eingeholt worden war. Robin zeigte immer noch ihr halbes Lächeln. „Ich glaube nicht, dass Zorro nicht mit uns redet, um uns leiden zu lassen. Ich denke, er hat seine Gründe und wir müssen ihm einfach vertrauen.“ Sanji holte tief Luft, als die Wahrheit ihn übermannte. Kopfschüttelnd wandte er sich wieder seiner Arbeit zu. Er wünschte, das Problem wäre, dass Robin Unrecht hätte, dass er ihren Worten widersprechen könnte, aber das war nicht der Fall. Sie hatte Recht, sie hatte wohl wirklich Recht. „Du stimmst mir nicht zu, Sanji?“ Er biss sich nur auf die Unterlippe, als seine Augenwinkel unerwartet brannten. Für einen Moment hatte er die Hoffnung, dass Robin nicht nachfragen würde, aber natürlich wusste er, dass sie viel zu neugierig war – oder vielleicht auch besorgt – um ihn jetzt in Ruhe zu lassen. „Warum willst du unbedingt die Wahrheit wissen, Sanji? Einfach nur der Wahrheit willen oder weil du ihm nicht mehr vertraust.“ Er reagierte nicht, sondern kämpfte gegen die Tränen an, als sie die Wahrheit mühelos aussprach. Er wollte es sich nicht eingestehen, wollte diese Zweifel ignorieren, wollte behaupten, dass er sich einfach nur um den anderen und um die Crew sorgte, aber die Wahrheit war nun mal… „Nein, ich vertraue ihm nicht mehr.“ Tief atmete er ein und wandte sich ihr endlich zu, während sie ihn einfach nur ansah. „Und wie könnte ich noch? Wie könnte ich ihm noch vertrauen nach alledem, was er getan hat? Nach alledem, was passiert ist? Wenn er nicht mal bereit ist, uns die Wahrheit zu sagen? Wie soll ich ihm da noch vertrauen?“ „Weil er zurückgekommen ist? Weil er trotz allem zurückgekommen ist?“ „Und wofür?“ Er schüttelte den Kopf. „Um sich bei der nächstbesten Gelegenheit wieder für einen von uns zu opfern? Um wieder mal die ganze Last allein zu schultern? Um so zu tun, als hätte er alles im Griff, anstatt einfach mal einen von uns um Hilfe zu bitten.“ Er rieb sich die Augen, verbannte jegliche Tränen, die ihn hatten bezwingen wollen. „Ich dachte immer, dass er wüsste, wo seine Grenzen liegen“, flüsterte er schließlich. „Ich habe immer darauf vertraut, dass er auf sich aufpasst, dass er sich schon melden würde, sobald er an seine Grenzen kommt, aber das hat er nicht. Bei keinem unserer Kämpfe war er bereit, uns zu vertrauen, hat immer alles auf eigene Faust erledigt.“ „Aber…“ „Nein, Robin. Du weißt nicht, was damals mit Bartholomäus Bär passiert ist, aber glaub mir, schon damals hat er sich einen Dreck um sich selbst geschert, Hauptsache er konnte uns beschützen. Genau den gleichen Scheiß hat er in der G6 abgezogen. Er hätte uns doch einfach seinen Plan erzählen können. Er hätte doch einfach die Wahrheit sagen können.“ Er schüttelte den Kopf. „Nein, selbst wenn diese Wunde so schlimm gewesen wäre, dass er sie nicht hätte überleben können – was ja ganz offensichtlich nicht der Fall war, sonst würde er ja nicht wie ein Vollidiot gerade da oben im Ausguck trainieren – er hätte es mir sagen können. Er hätte mir sagen können, dass wir uns selbst rausholen müssen und dass er es nicht mehr packen würde. Aber das hat er nicht und ich verstehe einfach nicht, warum. Ich verstehe nicht, warum er mir nichts gesagt hat, obwohl wir doch Kameraden sind. Es ist, als hätte er mich verraten.“ Seufzend nahm er seine Arbeit wieder auf und ignorierte Robins klare Augen. „Zorro ist immer derjenige, der so große Reden schwingt, von wegen, dass Ruffy der Kapitän ist, von Loyalität und dem ganzen Scheiß, aber Zorro selbst vertraut uns letzten Endes nicht. Er vertraut keinem von uns genug, noch nicht mal, um uns zu sagen, wie er überlebt hat.“ „Vielleicht hat er ja seine Gründe, warum er es uns nicht sagen kann, warum er uns diesbezüglich nicht vertrauen kann.“ „Diesbezüglich?“ Er sah sie mit hochgezogener Augenbraue an. „Wenn es nur eine Kleinigkeit oder irgendetwas total intimes wäre, würde ich nichts sagen, Robin, aber er verrät uns nichts, überhaupt nichts. Weißt du etwas über seine Vergangenheit, seine Kindheit? Er hat uns noch nicht mal gesagt, wann er Geburtstag hat. Er hat mir noch nicht mal gesagt, dass er dabei war, sich einen Plan auszudenken, während wir Tag um Tag in dieser verdammten Zelle hockten und auf unser Urteil gewartet haben. Verdammt nochmal, er hat uns einen verdammten Samurai als Boten vorbeigeschickt und seine Nachricht war nur für Ruffy. Warum durfte die bezaubernde Lady Loreen nicht uns allen sagen, was passiert war? Warum ist Zorro nicht selbst gekommen?“ Robin erhob sich und brachte ihre Tasse zur Spüle, während Sanji weiter vor sich hin grummelte. „Nein, ich zweifle keine Sekunde daran, dass Zorro alles was ihm lieb und heilig ist für Ruffy aufgeben würde. Ich würde ihm unser aller Leben anvertrauen, Robin, wirklich, aber ich vertraue ihm nicht mehr, nicht mehr so wie früher. Damals hätte ich nie gezweifelt, dass er zurückkommen würde, aber wie kann ich ihm jetzt noch vertrauen, wenn er keinem von uns vertraut.“ Sie wollte etwas erwidern, doch er sprach weiter: „Und jetzt sag nicht wieder diesbezüglich. Entweder man vertraut oder man vertraut nicht. Man kann sich nicht nur in den Bereichen vertrauen, die einem passen, sich nur die Rosinen rauspicken. Entweder man vertraut oder nicht und Zorro vertraut uns nicht, Punkt.“ Er sah sie an. „Oder hat er dir etwas gesagt? Er muss es ja noch nicht mal mir sagen, aber mit wem sonst würde er über so etwas reden? Chopper? Mit Sicherheit nicht. Nami? Sie würde ihm den Kopf abreißen. Oder sagst du, dass er dir vertraut? Hat er dir die Wahrheit gesagt? Hat er sich wenigstens dir anvertraut?“ Er fragte sie ganz unverhohlen, erlaubte ihr nicht, mit ihren klugen Wortspielen seine Frage zu umgehen. „Nein, hat er nicht“, antwortete sie ebenso unverhohlen und wich seinem Blick nicht aus. „Er hat mir nichts gesagt. Aber das heißt nicht, dass er sich niemandem anvertraut hat. Vielleicht Ruffy, schließlich ist er der Kapitän und wenn, dann ist Zorro ihm die Erklärung schuldig.“ „Ach, das glaubst du doch wohl selbst nicht“, winkte Sanji missmutig ab. „Ruffy interessiert sich für so etwas nicht. Er würde Zorro nie so etwas fragen und der Spinatschädel ist zu beschränkt, um von sich aus etwas zu sagen.“ Ohne, dass er sie darum gebeten hatte oder es auch nur wirklich wollte, begann sie ihm zu helfen. „Nun gut, du hast also vor, es selbst in die Hand zu nehmen? Wie willst du vorgehen?“ Dass sie nicht mal mehr versuchte, es ihm auszureden, sollte ihn vielleicht aufmuntern, aber Sanji war sich natürlich bewusst, dass sie es nur nicht tat, weil sie wusste, dass er sich von seiner Entscheidung nicht mehr abbringen lassen würde. „Ich werde ihn zur Rede stellen“, entgegnete er entschlossen. „Ich habe Fragen und verlange Antworten, und die werde ich von ihm einfordern.“ Sie entgegnete nichts, doch ihm entging ihr Blick nicht. „Natürlich werde ich das nicht tun, wenn andere dabei sein könnten, gerade mit Law,“ versuchte er sie milde zu stimmen. „Mir ist auch klar, wie er tickt, Robin, ich werde ihn nicht zum Reden bekommen, wenn er befürchtet, dass er sich eine Blöße geben muss.“ „Ich glaube nicht, dass du ihn so generell zum Reden bekommen wirst.“ Sie klang nun kühler, während sie sich auf die Aubergine konzentrierte. „So magst du vielleicht deiner Unzufriedenheit über die derzeitige Situation Luft machen können, aber dir ist doch auch bewusst, dass eine solche Vorgehensweise dich bei Zorro nicht zum Ziel führen wird.“ „Es käme auf einen Versuch an“, entgegnete Sanji frustriert. Der Verlauf ihres Gespräches missfiel ihm. Er mochte es, Robin zum Lachen zu bringen und seine Gedanken mit den ihrigen auszutauschen, nahm ihren Rat und ihre Vorschläge meist liebend gerne an, aber gerade ernüchterte ihre Meinung ihn. Nach Nami war sie nun die Zweite, die sein Vorhaben nicht guthieß und wenn er ehrlich war, waren die Meinungen der beiden Damen der Crew diejenigen, die ihm am wichtigsten waren. „Wenn du dich einem wilden Tier in Angriffshaltung näherst, wirst du damit rechnen müssen, dass es möglicherweise selbst angreift. Wenn du seine Wunden versorgen willst, solltest du dich behutsam nähern, sonst wirst am Ende nur du verletzt.“ „Der Marimo ist kein verdammter Kater, der kratzt, wenn man ihn unvorsichtig hochhebt. Ein paar direkte Worte werden ihn schon nicht verletzten.“ Nun sahen sie einander direkt an. „Und ich sprach auch nicht davon, dass er verletzt werden würde.“ „Okay“, seufzte er und entschied, auf sie einzugehen, „wie würdest du es denn machen? Wie würdest du eine Hohlbirne, wie den Marimo zum Reden bringen, ohne dass er sich provoziert fühlt?“ Leicht neigte sie den Kopf zur Seite. „Ich vertraue ihm, Sanji, und ich vertraue darauf, dass er uns die Wahrheit sagen wird, wenn die Zeit dafür gekommen ist. Aber…“, sprach sie zugleich weiter, als Sanji widersprechen wollte, „… wenn du auch nur die leiseste Chance darauf haben willst, zu ihm durchzudringen, solltest du ihm keine Vorwürfe machen, denn dann wird er abwehrend reagieren.“ „Und was dann?“ Nun schüttelte sie mit einem leisen Lächeln den Kopf. „Sei doch einfach ehrlich mit ihm. Sag ihm doch einfach, dass du dir Sorgen um ihn machst und nicht weißt, wie es sein kann, dass er nun überhaupt hier ist. Frag ihn, ob er es dir erzählen will oder ob du sonst etwas tun kannst, um ihm zu helfen, selbst wenn er nicht reden will.“ Sie wandte sich ab und begann den Tisch zu decken. „Wenn es dir wirklich um Zorro geht, Sanji, dann wirst du im Zweifel hinnehmen müssen, dass er dir die Wahrheit nicht sagen wird.“ Obwohl Sanji darüber alles andere als glücklich war, sah er ein, dass sie wohl Recht hatte. Natürlich wollte er die Wahrheit wissen, aber viel wichtiger war ihm doch, dass es wieder wie früher werden würde. Er wollte wieder entnervt von der einfältigen Leichtsinnigkeit des anderen sein, mit dieser naiven Sicherheit, dass der andere alles überstehen würde, aber er erinnerte sich sehr genau an das, was Zorro im Labor zu Ruffy empor gerufen hatte. Nichts mehr an Zorro war leichtsinnig oder einfältig und Sanji wollte wissen warum. Er wollte wissen, ob es einen Grund gab, warum Zorro nicht mehr der naive Traumtänzer und Draufgänger von damals war, ob er das verloren hatte, als Sanji geglaubt hatte, ihn verloren zu haben. Sanji wollte wissen, ob er Zorro wieder vertrauen konnte, auf sich selbst aufzupassen, aber mehr noch wollte er wissen, ob Zorro überhaupt sich selbst noch vertraute oder ob das, was damals geschehen war, dessen Selbstvertrauen zerstört hatte. Sanji wusste, dass er dieses Gespräch nicht innerhalb von fünf Minuten würde führen können, also entschied er, bis nach dem Essen abzuwarten. Aber während Crewmitglieder und Gäste eintrudelten, musste er feststellen, dass der Säbelrassler eine weitere Unart von früher wiederaufleben ließ; er kam nicht zum Essen. Dieses eine Mal würde Sanji es ihm durchgehen lassen, denn sie hatten so oder so nicht genug Stühle, um allen Anwesenden einen Platz am Essenstisch zu gewähren, also zogen sowohl Sanji als auch Robin und Franky zum Tresen um. Mit halbem Ohr hörte er den beiden anderen bei ihrem Gespräch zu, während er dem Marimo ein Essenspaket – hauptsächlich viel Reis und Fisch und natürlich eine Flasche Sake – zusammenstellte, in der Hoffnung mit Honig mehr Fliegen fangen zu können, als mit der Peitsche. Nachdem er sicher war, dass die anderen alle gut versorgt waren und Robin ihm ihren vielsagenden Blick zugeworfen hatte, entschied er, sein Vorhaben endlich in die Tat umzusetzen und endlich die Wahrheit herauszufinden.   Kapitel 7: Kapitel 7 - Fronten ------------------------------ Kapitel 7 – Fronten   -Sanji- Tief holte er Luft, ehe er den Ausguck betrat, konnte nicht verhindern, dass er nervös war. Irgendwie schrillten seine Alarmglocken und sowohl Namis als auch Robins Worte hallten in seinen Ohren nach. Aber nein, er konnte sie zwar beide verstehen, aber sie waren nun mal nicht dabei gewesen. Lebe, Sanji! Nein, sie alle mochten das tun, was sie für das Richtige hielten, also würde er das tun, was er für das Richtige hielt. Zorro hatte es damals ihm überlassen, auf die anderen aufzupassen. Warum hätte er ihm so etwas sagen sollen, wenn er nie vorgehabt hatte, sie im Stich zu lassen? Wenn er von Anfang an gewusst hatte, dass er zurückkommen würde? Kopfschüttelnd entschied Sanji, nicht weiter zu grübeln, sondern zu handeln. Es überraschte ihn nicht wirklich, dass er den Spinatschädel in seiner typischen Meditationsposition vorfand. „Du hast das Essen verpasst“, murrte Sanji und setzte die mitgebrachte Portion unsanft auf dem Sofa ab. „Bin nicht hungrig“, grummelte der andere, ohne überhaupt aufzusehen. „Wie du meinst, aber ich soll dir von Nami ausrichten, dass du die Nachtwache übernehmen sollst, daher habe ich mir gedacht, dass du im Laufe der Nacht vielleicht doch noch hungrig werden würdest.“ „Mhm“, murrte der andere nur und bewegte sich nicht. „Könntest wenigstens Danke sagen“, bemerkte Sanji, der sich die Sache mit der Nachtwache nur ausgedacht hatte für den Fall, dass so ein Kommentar kommen würde, und versuchte möglichst natürlich das Gespräch am Laufen zu halten. „Habe dich nicht drum gebeten und bin nicht hungrig“, entgegnete der andere und honorierte Sanjis Bemühungen nicht mal eines Blickes. Jetzt stand er da und wusste nicht, wie er anfangen sollte, nachdem Zorro ihn wieder mal in seiner üblichen ruppigen Art abgespeist hatte. Aber dann wusste er, was er zu sagen hatte. „Hey“, murrte er also und schritt auf den anderen zu, „du hast gesagt, wenn ich ein Problem habe, soll ich es ausspucken, und deshalb bin ich hier. Es gibt etwas, was ich mit dir bereden muss.“ Zorro machte nur einen abfälligen Laut und zog die vernarbte Augenbraue hoch. Sanji nahm das als Zeichen, dass er zuhören würde. „Ich weiß nicht wirklich, wie ich anfangen soll“, gestand Sanji ein, bemüht einfach das zu sagen, was ihn beschäftigte, ohne den anderen irgendwie zu provozieren, wie Robin es ihm geraten hatte, „aber wie du dir mit Sicherheit vorstellen kannst, hatte ich nicht erwartet, dich auf dem Sabaody Archipel anzutreffen.“ Er zögerte, doch Zorro half ihm nicht. „Nach allem was passiert ist, war ich mir sicher, dass du die G6… nicht überlebt haben könntest. Ich meine, ich habe die Wunde gesehen, ich habe dich gesehen, wir standen zusammen auf dem Turm und ich weiß noch genau, was du mir gesagt hast. Daher fiel es mir schwer, zu glauben, dass die bezaubernde Lady Loreen die Wahrheit gesagt hat, damals, als sie Ruffy sagte, dass du wiederkommen würdest. Ich dachte, sie und Falkenauge wären gekommen, um sich deine Schwerter unter den Nagel zu reißen.“ Die Augenbraue des anderen zuckte, aber ansonsten rührte er sich nicht. „Ich dachte, wir hätten dich verloren, Zorro“, sprach er nun die Wahrheit aus und konnte nicht verhindern, dass seine Stimme etwas zitterte. Robin hatte ihm geraten, ehrlich zu sein, Zorro nicht mit Vorwürfen anzugreifen, sondern zurückhaltend und bei sich zu bleiben. Aber das war tatsächlich deutlich schwieriger, als einfach seine Wut an dem anderen auszulassen, so wie er es sonst immer tat, so wie ihre Freundschaft sonst immer funktionierte. „Zwei Jahre lang habe ich gedacht, wir hätten dich verloren. Aber jetzt bist du hier und ich frage mich, wie du das gemacht hast. Wie bist du davongekommen? Wie hast du die G6 überlebt?“ Nun öffnete der andere zum ersten Mal sein unversehrtes Auge und sah Sanji kühl an. Er fragte sich, ob der andere schon immer einen solch mörderischen Ausdruck gehabt hatte oder ob er Sanji bisher nur davon verschont hatte. Robin hatte erwähnt, dass Zorro sich seit ihrer Wiedervereinigung viel geselliger und gesprächiger verhalten würde. Sanji konnte das keineswegs bestätigen. Er hatte das Gefühl, dass der andere noch abweisender und unnahbarer war als eh schon. Zorro hatte früher immer schon schnell desinteressiert oder gleichgültig gewirkt, aber jetzt schien er noch verschlossener und distanzierter, als Sanji ihn kannte. So, als würde er absichtlich versuchen, sie alle auf Abstand zu halten, damit sie nicht entdecken würden, was er mit aller Macht versuchte zu verbergen und das war Grund genug für Sanji, dieses Geheimnis offen legen zu wollen. „Also?“, hakte Sanji nach. „Die Antwort ist simpel“, entgegnete der andere und seine Stimme klang wie ein tiefes Donnergrollen. „Ich bin nicht davongekommen, ich bin gestorben.“ Für eine Sekunde sahen sie einander einfach nur schweigend an. „Willst du mich eigentlich verarschen?!“ Sanji sprang nach vorne und ballte die Hände zu Fäusten. „Ich habe dir eine ernste Frage gestellt, weil ich mir Sorgen um dich mache, du Arschloch! Verdammt nochmal, ich möchte mich ernsthaft mit dir unterhalten und jetzt kommst du mit so einer Scheiße?!“ Der andere regte sich nicht. „Wer sagt, dass ich dir nicht ernsthaft geantwortet habe, Koch?“ „Hör auf mich zu verarschen!“ Wütend stampfte er auf den Boden. Was sollte diese verdammte Scheiße?! Ja, er wusste auch, dass er und der Spinatschädel nicht die besten Freunde waren, verdammt nochmal, sie konnten sich kaum ausstehen, aber beide Male war er derjenige gewesen, der dabei gewesen war, in nächster Nähe gewesen war und nicht in der Lage gewesen war, zu handeln, und nun wollte der andere ihn mit so einem Scheiß abspeisen? Ihm noch nicht mal den Respekt einer ehrlichen Antwort geben? „Du hast gefragt, ich habe geantwortet, Koch. Nicht mein Problem, wenn du…“ „Lass den verdammten Scheiß!“ Im nächsten Moment riss er den anderen am Kragen hoch. „Was bist du nur für ein Arsch?! Weißt du, dass sie alle auf dich Rücksicht nehmen?! Robin will dich nicht bedrängen und tut so, als würde sie sich keine Sorgen machen. Nami gibt sich die Schuld und versucht dir so zu helfen, dass du es nicht merkst. Ruffy tut einfach so, als wäre die G6 nie passiert und die anderen ignorieren die Nächte, die sie sich in den Schlaf geheult haben, weil sie dachten, dass du gestorben wärst. Sie alle sind so dankbar, dass du wieder da bist, dass sich keiner traut, auch nur den Mund aufzumachen.“ „Lass mich los, Koch.“ „Nein! Ich denke nicht! Ich weiß, dass du von dir aus nie die Wahrheit sagen wirst, aber verdammt noch mal, was bildest du dir überhaupt ein?!“ Nun stieß er den anderen doch weg. „Tauchst hier einfach nach zwei Jahren auf und tust so, als wäre nichts passiert, als hätten wir dich nicht verloren. Aber weißt du, während du mit Falkenauge und der bezaubernden Lady Loreen Tee getrunken hast und dir Gedanken gemacht hast, welche kryptische Botschaft du uns übermitteln lässt, in dieser Zeit haben wir getrauert, haben geweint, dich vermisst. Was fällt dir ein, hier einfach aufzutauchen und so zu tun als würdest du uns nicht zumindest eine Erklärung schulden, nachdem du uns in dem Glauben gelassen hast, dass wir dich verloren hätten?!“ Zitternd gierte er nach Luft, während der andere ihn unleserlich ansah, sich noch nicht mal erhob und Sanji wie ein ebenbürtiger Gegner entgegenstellte. „Was fällt dir ein, uns alle von oben herab zu behandeln, während wir uns Sorgen um dich machen?! Du regst dich auf, weil ich dich anstarre? Ich rege mich auf, weil ich nicht weiß, ob du dich nicht jede Sekunde in Luft auflösen könntest! Du hattest es schwer? Ich war da und habe Ruffy sagen müssen, dass du gestorben bist! Ich habe die weinende Nami im Arm gehalten! Ich… ich bin nachts aus der Koje geklettert, weil Chopper gewimmert hat und sich nicht getraut hat, in eine andere Koje zu klettern als deine! Also komm mir nicht damit, dass es nicht dein Problem ist, dass ich dir auf die Nerven gehe. Du bist derjenige, der uns im Stich gelassen hat und nach zwei Jahren einfach wieder auftaucht, als wäre nichts gewesen.“ Dieses Mal konnte er einzelne Zornestränen nicht aufhalten, während der andere ihn immer noch so ausdruckslos ansah. „Du bist derjenige, der von mir etwas verlangt hat, was selbst du nicht schultern konntest. Ich habe gedacht, du wärest gestorben und stand vor dem Scherbenhaufen unserer Crew. Ich durfte nicht eine Sekunde trauern, ich durfte nicht eine Sekunde schwach sein, weil du mir gesagt hast, dass ich jetzt dran wäre, die anderen zu beschützen, und jetzt tust du so, als würde dich das ganze nichts mehr angehen? Als wäre ich paranoid, weil ich nicht einfach so tun kann als wäre das nie passiert?“ „Koch, ich…“ „Nein, ich will es nicht hören. Ich will deine fadenscheinigen Ausreden nicht hören. Wenn du mir die Wahrheit nicht sagen willst, okay, mach es nicht, aber gib dir wenigstens die Mühe eine glaubhafte Lüge auf die Beine zu stellen und speis mich nicht mit so einer Scheiße ab. Mir ist schon klar, dass du nicht wirklich viel von mir hältst, aber nach allem was du getan hast, nach allem was du uns hast durchmachen lassen, was du mich hast durchmachen lassen, da schuldest du mir doch zumindest eine Antwort!“ Für eine ganze Sekunde konnte Sanji nichts hören außer seinem eigenen Herzschlag und seinem zitternden Atem, während Zorro kurz sein unversehrtes Auge schloss, doch als er es wieder öffnete, schien der Sauerstoff aus der Luft zu verbrennen. „Ich schulde dir eine Antwort?“ Langsam erhob der andere sich und starrte Sanji unleserlich an. „Nach allem, was ich dich habe durchmachen lassen, schulde ich dir eine Antwort?“ „Du schuldest uns allen eine Antwort!“, entgegnete Sanji, nicht gewillt, klein bei zu geben. „Mehr noch, eigentlich schuldest du uns allen eine Entschuldigung! Du schuldest uns eine Erklärung. Denn während du dir mit der bezaubernden Lady Loreen und diesem arroganten Falkenauge eine schöne Zeit gemacht hast, haben wir um dich getrauert und wir waren dir noch nicht mal wichtig genug, uns selbst zu sagen, dass du überlebt hast. Nein, du schickst einen verdammten Samurai und dessen Gespielin! Du hast noch nicht mal den Anstand gehabt, uns selbst die Wahrheit zu sagen, also ja, du schuldest uns eine Entschuldigung, und mir schuldest du verdammt noch mal eine Antwort!“ „Ich schulde dir gar nichts!“ Ungewollt trat Sanji einen Schritt zurück, als Zorro vor ihm aufragte. Obwohl sie fast gleich groß waren, schien der andere auf ihn herabzuschauen. „Du denkst, ich schulde dir eine Antwort darüber, wie ich überlebt habe? Ich habe dir geantwortet, aber du wolltest nicht hören.“ „Ach, hör doch auf mich zu ver…“ „Du denkst, ich schulde dir eine Erklärung darüber, was auf der G6 passiert ist? Du warst dabei, Koch, streng dein Hirn an und vielleicht erinnerst du dich dann wieder.“ Nun stand der andere direkt vor ihm und sein kalter Blick schüchterte Sanji beinahe ein. „Und du denkst, ich schulde dir – dir – eine Entschuldigung dafür, was du hast durchmachen müssen? Du denkst, ich muss mich dafür entschuldigen, dass du versagt hast? Ich habe dich nur um eines gebeten, ich habe dich nur darum gebeten auf diese Crew, auf die anderen, auf unsere Freunde, aufzupassen und du hast versagt, hast auf ganzer Linie versagt, und ich soll mich entschuldigen?“ Erst jetzt bemerkte er, wie wütend der andere war, so ungewöhnlich wütend. So hatte er den anderen noch nie erlebt, zumindest nicht außerhalb eines Kampfes. „Du denkst, ich muss mich dafür entschuldigen, dass ich den Mund nicht aufgemacht hab? Hättest du damals zumindest ein einziges Mal deinen verdammten Mund gehalten, wäre das alles nie passiert! Du denkst, ich hatte es leicht? Du denkst, ich habe Tee getrunken und mich meines Lebens erfreut, während ich wusste, dass meine Freunde schutzlos den Gefahren dieser Welt ausgeliefert sind, während ich kaum in der Lage war, eine verdammte Treppe runterzulaufen? Du denkst, ich hatte es leicht, zu wissen, dass niemand da war, der euch beschützen konnte, während ich mich noch nicht mal selbst beschützen konnte, und Mihawk hilflos ausgesetzt war? Du denkst, du bist derjenige, um den es sich hier dreht? Da habe ich Neuigkeiten für dich, Koch, hätte ich gewusst, dass es dich anscheinend überfordert, die anderen zu beschützen, dann hätte ich dir nie ihre Leben anvertraut!“ Lebe, Sanji! „Hätte ich gewusst, dass das zu viel für dich ist, hätte ich nie von dir erwartet, dass zu tun, was ich tue. Ich habe dich wohl überschätzt. Hätte dich nicht für so schwach gehalten, dass du mir nun Vorwürfe machst, nachdem ich alles für diese Crew und dich riskiert habe.“ Nun holte Zorro tief Luft und plötzlich wusste Sanji, dass das hier ein großer, ein ganz großer, Fehler gewesen war. „Tze, vielleicht ist es auch meine Schuld, schließlich bin ich auch derjenige, der sich in dir geirrt hat, denn ich habe tatsächlich immer sehr viel von dir gehalten. Ich habe geschätzt, wie mutig du warst – ungeachtet deines affigen und nervigen Gehabes – weil du immer mit Ruffy und mir an vorderster Front gekämpft hast, nicht gezögert hast, die anderen zu beschützen, ja, noch nicht mal gezögert hast, mich zu beschützen, obwohl uns beiden klar war, dass ich das nie zugelassen hätte.“ Sanji schluckte, so etwas Freundliches hatte der andere noch nie zu ihm gesagt, gleichsam sprach sein Blick ganz andere Bände. „Die Wahrheit ist, Koch, bis heute habe ich dich immer respektiert und ich war mir sicher, dass ich mich auf dich verlassen könnte, egal was kommt. Ich war mir immer sicher, dass du auf meinen Rücken Acht geben würdest, ganz gleich, was ich sage und tue. Aber anscheinend habe ich mich wirklich in dir geirrt; solange ich keinen vollen Busen und langes Haar habe, bin ich für dich wohl doch nicht mehr, als ein nützliches Werkzeug mit Muskeln und Schwertern, welches nichts mehr wert ist, wenn es nicht mehr so funktioniert, wie du es willst, ein besseres Bauernopfer, tze, und ich habe dir tatsächlich vertraut.“ Der andere schritt an ihm vorbei. Kalt hallten seine Schritte von den Glaswänden wider und Sanji zitterte am ganzen Körper. Noch nie zuvor hatte ihn jemand aus dieser Crew so angesehen. Noch nie zuvor hatte ihn einer seiner Freunde so angesehen. Noch nie zuvor hatte Zorro ihn so angesehen. „Das ich nicht lache!“ Seine Stimme zitterte, aber Sanji wandte sich trotzdem um und folgte Zorro. „Du? Mir vertraut? Ja sicher, erzähl die Scheiße jemandem, der es glaubt.“ Verzweifelt aber auch wütend starrte er den Rücken des anderen an. „Vielleicht hast du Recht und ich entpuppe mich hier gerade als der größte Mistkerl der Welt, weil ich eben nicht wie die anderen Ruhe gebe. Vielleicht würde ich die Dinge etwas anders sehen, wenn ich die Wahrheit wüsste, aber die weiß ich eben nicht, weil du nicht bereit bist, zu reden. Also nein, solange ich nicht weiß, was passiert ist, bist du hier der Mistkerl in meinen Augen. Weil alles, was ich weiß, ist, dass wir dachten, dass du gestorben bist. Alles, was ich weiß, ist, dass wir um dich getrauert haben, dass wir gelitten haben und du mir eine Aufgabe aufgezwungen hast, an der selbst du gescheitert bist, und trotzdem bist du jetzt wieder da, jetzt, zwei Jahre später. Aber du warst nicht da, als wir in den Hinterhalt der Marine geraten sind; hast uns einen verdammten Samurai zur Hilfe geschickt. Also vielleicht hast du ja einen verdammt guten Grund, warum du nicht konntest, aber den sagst du mir nicht, also ist alles, was ich weiß, dass du nicht da warst, als du hättest da sein müssen. Du warst nicht da als wir dich gebraucht hätten.“ Langsam öffneten und schlossen sich die Hände des anderen, der sich jedoch nicht umwandte, aber immerhin stehen geblieben war. „Und weißt du, was ich noch weiß? Ich weiß, dass du mir nie vertraut hast!“ Er trat erneut nach vorne. „Sicher, du hast mir zugetraut auf mich selbst Acht zu geben, auf die anderen Acht zu geben. Aber du hast mir nie wirklich vertraut und du weißt das. Denn wenn du mir auch nur eine Sekunde wirklich vertraut hättest, dann hättest du mir nicht diese Worte auf dem Turm gesagt, dann hättest du mir viel früher gesagt, wie es um dich steht oder ob du überleben würdest. Du hättest mich nicht im Unwissenden über deinen Ausbruchplan gelassen, hättest die Zeit nicht damit verschwendet, ihn auf irgendwelche Papierfetzen zu schreiben, sondern hättest es mir gesagt, während wir uns umgezogen haben, während wir durch die Gänge gehetzt sind, während wir tagelang in dieser verdammten Zelle gehockt haben und ich mich gewundert habe, wie oft du dich noch mit den Soldaten anlegen würdest.“ Er machte noch einen Schritt auf den anderen zu. „Also vielleicht hast du Recht und du schuldest mir gar nichts, weil du so viel geopfert hast, das mag sein, das weiß ich nicht, woher auch, denn du sagst es mir nicht. Aber glaube ja nicht, dass ich dir diesen Unsinn abkaufe. Vielleicht habe ich heute deinen Respekt verloren - wenn du mich denn wirklich je respektiert hast - aber wage es nicht so zu tun, als ob ich heute dein Vertrauen riskiert hätte. Wir beide wissen, dass du mir nie wirklich vertraut hast, nie.“ Er schüttelte den Kopf. „Und wenn ich mir so ansehe, wie du mit uns allen umgehst, glaube ich nicht, dass du je auch nur einem einzigen von uns vertraut hast. Nicht Chopper, nicht Robin, nicht mal Nami.“ „Koch…“, mahnte ihn der andere. „Wenn ich so darüber nachdenke, noch nicht mal Ruffy.“ Plötzlich schnellte der andere herum und sah ihn mit seinem weit aufgerissenen Auge an, Zornesbleiche stand ihm ins Gesicht geschrieben. „Zweifelst du gerade wirklich meine Loyalität gegenüber dem Kapitän an?!“ Sanji wusste genau, dass ein falsches Wort nun sein Letztes sein könnte. „Nein“, entgegnete er klar und trat auf den anderen zu, ignorierte den eisigen Klumpen in seiner Magengegend, „deine Loyalität habe ich nie angezweifelt, Zorro.“ Dann schritt er an dem anderen vorbei, blieb an der Luke stehen. „Ich zweifle nicht eine Sekunde daran, dass du dein Leben für einen jeden von uns opfern würdest. Ich glaube, es wäre ganz egal, was ich dir noch alles an den Kopf werfen würde, du würdest trotzdem nicht zögern, um selbst mein Leben zu retten.“ „Was ist dann dein verdammtes Problem, Koch?“ „Mein Problem?“ Nun war er es, dessen Rücken der andere ansehen musste. „Was ist dein Problem, Zorro? Ich war nie zu stolz dafür, mich von dir retten zu lassen. Ich habe mich nie für meine Schwächen geschämt.“ Dann sah er den anderen über seine Schulter hinweg an. „Aber wärest du bereit, dich von mir retten zu lassen?“ Ausdruckslos starrte der andere zurück. "Ganz ehrlich, ja, du bist in meinen Augen der Muskelprotz mit den Schwertern, aber nicht ich bin derjenige, der dich als Bauernopfer oder Werkzeug sieht. Diesen Schuh zieh ich mir nicht an.“ Damit ging er, ließ den anderen zurück, doch so mutig und selbstbewusst er sich gegeben hatte, so sehr war das doch nur Spektakel gewesen. Eiligen Schrittes hetzte Sanji ins Badezimmer, welches er glücklicherweise leer vorfand. Dort angekommen schloss er ab, zündete sich eine Zigarette an und sank zu Boden. Zorro war nicht der Erste, der ihn mit solcher Verachtung angestarrt hatte, aber vielleicht gerade, weil es Zorro war, tat es mehr weh als je zuvor. Hätte ich gewusst, dass es dich anscheinend überfordert, die anderen zu beschützen, dann hätte ich dir nie ihre Leben anvertraut! Hätte dich nicht für so schwach gehalten, dass du mir nun Vorwürfe machst, nachdem ich alles für diese Crew und dich riskiert habe. Bis heute habe ich dich immer respektiert. Die Zigarette vergessend vergrub er das Gesicht in seinen Armen. Was hatte er nur getan? Kapitel 8: Kapitel 8 - Erkenntnis --------------------------------- Kapitel 8 – Erkenntnis   -Zorro- „Verdammt!“ Unzufrieden ließ er die Hantel einfach fallen, sah ihr einen Moment zu, wie sie über den Boden polterte, dann wandte er sich um und hockte sich aufs Sofa. Es war bereits spät am Abend und bald würden auch die letzten Bewohner des Schiffes zu Bett gehen. Eigentlich sollte er sich auf eine ruhige Nachtwache freuen, wie er sie früher auch so oft erlebt hatte, aber ganz gleich, was er tat, sein Kopf wollte einfach nicht zur Ruhe kommen. Er hatte gewusst, dass solche Konfrontationen passieren konnten, hatte gewusst, dass nicht alle Crewmitglieder die Dinge so einfach akzeptieren würden wie Brook oder Ruffy. Er hatte mit einer ernsthaften Diskussion seitens Robin gerechnet, einem lauten Streit mit Nami, selbst mit ein paar zaghaften Fragen Choppers. Ja, er hatte sogar damit gerechnet, dass der verdammte Koch den Mund aufmachen würde, da dieser Vollidiot immer das Gefühl hatte, sich überall einmischen zu müssen. Ja, Zorro hatte mit einigem gerechnet, nicht aber damit, nicht aber mit diesen Worten, diesen Schuldzuweisungen, dieser brutalen Ehrlichkeit. Sich durchs Gesicht fahrend lehnte er sich nach vorne, stützte die Ellenbogen auf den Oberschenkeln ab und vergrub sein Gesicht in den Händen. Du bist derjenige, der von mir etwas verlangt hat, was selbst du nicht schultern konntest. Ich habe gedacht, du wärest gestorben und stand vor dem Scherbenhaufen unserer Crew. Ich durfte nicht eine Sekunde trauern, ich durfte nicht eine Sekunde schwach sein. Ich war da und habe Ruffy sagen müssen, dass du gestorben bist! Ich habe die weinende Nami im Arm gehalten! Ich… ich bin nachts aus der Koje geklettert, weil Chopper gewimmert hat und sich nicht getraut hat, in eine andere Koje zu klettern als deine! Nami gibt sich die Schuld, die anderen ignorieren die Nächte, die sie sich in den Schlaf geheult haben, weil sie dachten, dass du gestorben wärst. Du hast noch nicht mal den Anstand gehabt, uns selbst die Wahrheit zu sagen. Aber du warst nicht da, als wir in den Hinterhalt der Marine geraten sind, du warst nicht da, als wir dich gebraucht hätten. Ich war nie zu stolz dafür, mich von dir retten zu lassen. Aber wärest du bereit, dich von mir retten zu lassen? Wir beide wissen, dass du mir nie wirklich vertraut hast… noch nicht mal Ruffy. „Verdammte Scheiße!“ Hart schlug er sich auf die Knie, als es ihm schwer wurde, zu atmen. Er konnte die Worte des Koches einfach nicht vergessen, nicht aus seinen Gedanken verbannen. Natürlich hatte er es gewusst, natürlich hatte der Koch Recht. Zorro trug die Schuld für das, was sie damals hatten durchmachen müssen, weil er sie damals im Unwissen gelassen hatte, weil er sie damals für einen ganzen Monat allein gelassen hatte. Auf Sasaki war kein Tag vergangen, an dem er nicht an die anderen gedacht hatte, nicht darüber nachgedacht hatte, wie es ihnen wohl ergehen musste. Diese Schuld würde er sein Leben lang tragen. Und ja, es war auch sein Fehler gewesen, Sanji eine Verantwortung aufzubürden, von der er mittlerweile wusste, dass Sanji sie nie hätte stemmen können. Dafür waren sie zu verschieden, er hätte es nie von ihm verlangen dürfen. Damals, als Zorro die anderen nach diesem einen langen Monat wiedergesehen hatte, war ihm aufgefallen, wie schmal und hager der Koch geworden war, tiefe Ringe unter den Augen, fahle Haut. Der Koch hatte um ihn getrauert und es hatte Zorro wütend gemacht. Es hatte ihn wütend gemacht, dass Sanji um ihn getrauert hatte, anstatt seine eigenen Gefühle beiseitezuschieben und die Crew zu beschützen, so wie Zorro es getan hätte, so wie Zorro es von ihm erwartet hatte. Kopfschüttelnd sah er aufs Meer hinaus. Heute wusste er, dass er von Sanji etwas erwartet hatte, was man nicht von einer anderen Person verlangen konnte. Man konnte jemand anderen anleiten, helfen, zur Seite stehen, aber schlussendlich musste jeder Mensch selbst entscheiden, wie weit er gehen konnte. Aber das hatte Zorro damals nicht gewusst. Damals hatte er nicht verstanden, dass nicht jeder Mensch so gestrickt war wie er, dass nicht jeder Mensch in jedem Moment, in jeder Sekunde, in der Lage sein konnte, diesen einen Schritt mehr zu gehen, mal ganz abgesehen davon, dass selbst er das nicht immer getan hatte, aber auch das hatte er sich nicht eingestehen wollen. Mihawk hatte ihm das beigebracht, hatte ihm beigebracht, dass jeder Mensch eigene Grenzen, Mauern und Monster hatte, aber damals… damals hatte Zorro es für ganz selbstverständlich gehalten, dass Sanji seine Rolle übernehmen würde, wenn er nicht mehr da sein würde. Wenn Zorro damals gewusst hätte, was er heute wusste, hätte er Sanji niemals diese Bürde aufgezwungen, hätte nie von ihm verlangt, diese Verantwortung zu schultern. Er hatte nie vorgehabt einem seiner Freunde – selbst wenn es der verdammte Koch war – eine solche Last und einen solchen Schmerz aufzubürden. Aber damals hatte er gedacht, dass nur, weil er es ertragen konnte, vielleicht sogar ertragen wollte, dass es auch jeder andere konnte, oder zumindest der Koch, der doch immer so mutig an seiner Seite kämpfte. Zumindest der Koch, der jederzeit bereitwillig jeden aus der Crew beschützte, sogar Zorro hatte beschützen wollen, sogar an seiner Stelle hatte sterben wollen. In seiner Naivität hatte Zorro wirklich gedacht, dass der Koch so wie er wäre, und deshalb hatte er von ihm verlangt, was der Koch gar nicht in der Lage war, zu geben. Aber das hatte er damals nun mal getan, hatte die anderen leiden lassen, hatte entschieden, auf Sasaki auf sie zu warten und sie im Ungewissen zu lassen, das hatte er zu verantworten. Ja, der andere hatte Recht, Zorro hatte noch nicht mal den Mut gehabt, ihnen die Wahrheit zu sagen. Er war nicht in der Lage gewesen ihnen die Wahrheit zu sagen. Zorro war gegangen, war den sicheren Weg an der Seite des Samurais gegangen, und hatte seine Crew im Stich gelassen. In den vergangenen Monaten hatte Zorro viel Zeit gehabt mit dieser Schuld leben zu lernen, seine Fehler einzusehen und mit ihnen zu wachsen. Es stimmte, damals hatte er den anderen nicht vertraut, damals auf Sarue, als er ihnen nicht die Wahrheit gesagt hatte, aber auch schon viel früher. Er hatte ihnen nie vertraut, nicht so, wie sie ihm vertraut hatten, nicht so, wie sie an ihn geglaubt hatten. Wenn Zorro ganz ehrlich war, so hatte er nur einem einzigen aus der Crew vertraut und das war Ruffy gewesen. Aber… er hatte sich doch verändert, oder nicht? Er hatte doch aus seinen damaligen Fehlern gelernt, oder nicht? Der Koch hatte Unrecht. Damals hatte Zorro ihnen nicht vertraut, wollte das noch nicht mal leugnen, selbst wenn er könnte, aber jetzt waren die Dinge anders, jetzt war er anders. Damals hatte Zorro dieses ungute Gefühl versucht zu ignorieren, hatte an seiner Naivität festhalten wollen, das Leben mit seinen Freunden genießen wollen. Aber eine leise Stimme hatte Zorro schon damals immer wieder gesagt, dass er nicht gutgläubig war, sondern die Gefahr ganz genau vor sich sah und einfach entschieden hatte, die Augen davor zu verschließen. Und dieses dumpfe Gefühl hatte sich auf Thriller Bark bestätigt, als er Bartholomäus Bär gegenübergestanden hatte, hatte sich auf den Senichi Inseln bestätigt, als er und Ruffy den Soldaten Homura und Hakkai gegenübergestanden hatten. Aber selbst dann hatte Zorro nicht gewusst, was es bedeutet hatte. Jetzt wusste er es. Jetzt wusste Zorro, dass er die Gefahren der Welt nicht ignorieren durfte, nur um etwas Spaß zu haben. Hätte er damals gewusst, was er heute wusste, hätte er sich gegen den Samurai Ryuma nicht zurückgehalten, hätte nicht zugelassen, dass dieser ihn hatte verletzen können, hätte vielleicht weniger Verletzungen im Kampf gegen Oz davongetragen, da er von Anfang an Ernst gemacht hätte, er hätte sich vielleicht schneller von Ruffys Wunden erholen können. Hätte Zorro jeden Kampf so ernst genommen wie damals seinen Kampf gegen Falkenauge und hätte er nicht gezögert gegen Homura diesen einen Schritt mehr zu gehen und seine damalig noch unkontrollierbaren Kräfte einzusetzen, dann hätten sich die Dinge anders entwickelt, dann hätten vielleicht weder er noch seine Freunde all diese Dinge erleben müssen. Der Koch irrte sich. Zorro hatte in den letzten Jahren viel dazugelernt und er nahm auch die anderen in Verantwortung. Warum sonst hätte er Ruffy daran erinnern wollen, dass sie nun in der Neuen Welt waren? Es stimmte zwar, dass er ihnen nicht alles sagte, aber das hatte nichts mit Vertrauen zu tun, sondern mit… mit… Es war einfach so, dass Zorro seine Probleme mit Eizen selbst regeln wollte, ohne dass sich ein überfürsorglicher Samurai oder eine übermotivierte Crew einmischen würde. Außerdem hatte Zorro einfach keinen Bock darauf, Lady Loreen anzusprechen. Er wollte einfach dieses Gespräch vermeiden, wollte einfach vermeiden, dass sie ihn ungläubig anstarren würden, unnötige Fragen stellen würden, sich unnötige Sorgen machen würden und wer wusste was noch. Er wollte einfach nicht, dass sie ihn wieder so ansahen wie damals, Dinge sagten wie damals. Aber das hatte nichts mit fehlendem Vertrauen zu tun, sondern einfach nur damit, dass er sich nicht mit unnötigem Kram herumscheren wollte. Und in noch einer Sache irrte der Koch sich, Zorro mochte früher den anderen nicht vertraut haben, aber er war nie zu stolz gewesen, sich von ihnen retten zu lassen und schämen tat er sich erst recht nicht. Nein, der wahre Grund, warum er die anderen immer um jeden Preis – selbst zum Preis seines Lebens – beschützt hatte, war einfach der, dass er sie nicht verlieren wollte und die Crew sich diesen Verlust nicht leisten konnte. Die Crew brauchte einen Kapitän, eine Navigatorin, einen Koch, einen Schiffsarzt, aber jeder konnte Zorros Rolle übernehmen, jeder konnte die Crew beschützen. Zorro war ersetzbar oder sollte es zumindest sein. Kopfschüttelnd lehnte er sich zurück. Der Koch mochte in vielen Dingen Recht haben, damit, dass Zorro ihnen allen viel Leid zugefügt hatte und auch damit, dass er die Verantwortung dafür zu tragen hatte, dass er die anderen im Stich gelassen hatte. Es stimmte, dass Zorro der Crew und insbesondere Sanji zu viel zugemutet hatte, und es stimmte auch, dass er sie über die Wahrheit im Dunkeln gelassen hatte. Aber der andere lag falsch in Bezug auf alles andere und es ging ihn erst recht nichts an. Er wollte eine Entschuldigung? Pah, Zorro hatte sein verdammtes Leben für den Koch und die anderen gegeben, dafür würde er sich gewiss nicht entschuldigen. Er wollte eine Erklärung? Tze, hätte der verdammte Kartoffelschäler damals doch einfach seinen Mund gehalten, dann wäre es nie so weit gekommen. Der Koch wollte Antworten? Dabei hatte er noch nicht mal zugehört, als Zorro ihm die ersehnte Antwort gegeben hatte, ihm sogar die Wahrheit gesagt hatte. Er hatte ihm noch nicht mal zugehört, verlangte von ihm, zu antworten, aber hörte ihm noch nicht mal zu, so wie er Zorro nie zuhörte, so wie er ihm damals nicht zugehört hatte. Ja, Zorro hatte Mist gebaut und er war bereit für jede seiner Entscheidungen die Folgen zu tragen, aber er war nicht bereit, sich von jedem vorschreiben zu lassen, was er tun sollte! Erst Dulacre, dann Rayleigh, dann auch noch Brook und jetzt der verdammte Koch! Sie alle meinten, sich einmischen zu müssen, Zorros Entscheidungen in Frage stellen zu müssen, obwohl sie alle keine Ahnung hatten, obwohl sie doch alle keine Ahnung hatten, warum er tat, was er tun musste. Er wusste genau, warum er Lady Loreen verschwieg, er wusste genau, warum er sich Eizen allein stellen musste, und das hatte nichts mit Vertrauen oder falschem Stolz zu tun! Er tat es, weil es das Richtige war, weil es der einzige Weg war, den er wählen wollte. Er tat es weil… „Was für eine angespannte Atmosphäre.“ Er sah nicht mal auf, wusste nicht, ob ihre Anwesenheit Fluch oder Segen war. „Eigentlich hatte ich ja vor Baden zu gehen, aber dort schien schon besetzt zu sein. Daher wollte ich dir bei der Nachtwache etwas Gesellschaft leisten, oder komme ich ungelegen? Dies sieht mir nicht nach deinem üblichen Training aus.“ Sie wusste es also. Natürlich wusste sie es. Auf diesem Schiff geschah nichts, von dem Nico Robin nichts erfuhr. Natürlich hatte sie mitbekommen, dass der Koch sich mit Zorro gestritten hatte, und anscheinend war es schlimm genug gewesen, dass sie meinte, sich einmischen zu müssen. Es wäre nicht das erste Mal. Zorro war sich bewusst, dass sie sich schon manches Mal zwischen die Fronten gestellt hatte und so wie sie des Öfteren versucht hatte Zorro zu helfen, den Koch zu verstehen, so hatte sie es andersherum mit Sicherheit auch getan. Grundsätzlich hatte Zorro da auch nichts gegen. So sehr die kleinen Scharmützel mit dem Koch ihm auch Spaß machten, so sehr nervte ihn das Drama des anderen. Robin hatte eine subtile Art zwischen den Seiten zu vermitteln, ohne dass man es groß merkte, ohne dass man die sanfte Manipulation erfasste, und Zorro hatte es oft mitgemacht, des lieben Friedens in der Crew willen, war vermutlich noch öfters drauf reingefallen, als ihm bewusst war. Aber heute hatte er keine Lust auf irgendwelche Vermittlungsgespräche. Der Koch hatte eine Grenze überschritten, Zorro vorgeworfen weder den Crewmitgliedern noch seinem Kapitän zu vertrauen, hatte somit seine Loyalität in Frage gestellt, nur, weil Zorro nicht wie dieser verdammte Idiot herumlief und allen anderen seine Probleme auf die Nase band, nur, weil er nicht das Bedürfnis hatte wegen jedem Scheiß, den er durchgemacht hatte, einen Aufstand zu machen. Sollte der Koch doch seine Wunden lecken, das war nicht Zorros Problem. Wenn der andere meinte, ein wildes Biest grundlos angreifen zu müssen, dann musste er auch damit rechnen, gebissen zu werden. Da sie immer noch nichts gesagt hatte, öffnete er nun doch sein Auge und sah zu ihr herüber. Sie stand am Eingang, die Arme verschränkt, und betrachtete ihn unleserlich, ihr übliches geheimnisvolles Lächeln anwesend wie so oft. Das war es also, was sie wollte. „Ich habe keine Lust auf solche Gespräche, Robin. Der Koch war schon nervig genug. Wenn du hier etwas lesen willst, mach nur, aber ich habe kein Interesse an irgendwelcher Gruppentherapie.“ Nun zog sie eine Augenbraue nach oben, ein deutliches Anzeichen dafür, dass sie seine Aussage missbilligte, vermutlich auch seinen abfälligen Ton, aber das war ihm egal. Heute schien ihm das alles egal. „Du bist heute noch angriffslustiger als sonst“, bemerkte sie dann und nichts war mehr von Missbilligung zu spüren. Zorro jedoch horchte auf. Früher wäre er ihr wohl sofort auf den Leim gegangen, jetzt jedoch durchschaute er ihre Taktik sofort. „Es war ein langer Tag, wir haben nervigen Besuch und der Koch ist noch anstrengender als sonst. Also ja, ich bin ganz offensichtlich gereizt und du musst nicht um den heißen Brei herumreden. Aber ich…“ „Dann soll ich ganz direkt sein?“ Oh, vielleicht hatte er sie doch unterschätzt. Natürlich sollte ihm bewusst sein, dass Robin wohl selbst Dulacre im Bereich des strategischen Denkens ebenbürtig war. „Dann soll ich dir ganz direkt sagen, dass dein derzeitiges Verhalten besorgniserregend ist? Dann soll ich dir ganz direkt sagen, dass ich nicht gutheiße, wie du mit den anderen Crewmitgliedern umgehst, wie du mit uns umgehst? Soll ich dir ganz direkt sagen, dass unser Kapitän vielleicht in der Lage ist, im hier und jetzt zu leben und die Vergangenheit hinter sich zu lassen, aber dass das für den Rest von uns nicht gilt? Oder soll ich dir ganz direkt sagen, dass du nichts dazugelernt hast?“ Tief holte er Luft. „Willst du dich jetzt auch noch mit mir anlegen, Robin? Glaubst du wirklich, nachdem was der Koch eben abgezogen hat, würde ich jetzt einknicken, wenn du einen auf hart machst, anstatt die Verständnisvolle zu spielen?“ „Oh, du hast es immer noch nicht verstanden, Zorro.“ Hallenden Schrittes schlenderte sie durch den Raum. „Es ist mir egal, ob du einknickst oder nicht. Es ist mir egal, ob du uns die Wahrheit sagst oder nicht. Es ist mir egal, ob du wie immer die ganze Verantwortung allein schultern willst oder nicht. Aber wenn, dann mach es wenigstens richtig und hör auf, die anderen dafür leiden zu lassen.“ So spielten also die Erwachsenen. Wieder einmal wurde ihm bewusst, wie oft der Samurai bei ihm doch die Samthandschuhe angezogen hatte. Robin war bekannt dafür, dass sie durch mystische Bemerkungen und vage Andeutungen Gespräche in gewisse Richtungen lenkte, Probleme löste, ohne sie überhaupt ansprechen zu müssen. Auch mit Zorro hatte sie oft diese sanfte, umständliche Art der Unterhaltung geführt. Aber jetzt, nachdem er ganz klargemacht hatte, dass er kein Interesse an solch Gedankenspalterei hatte, zeigte sie, wie schonungslos sie sein konnte, und selbst jetzt lächelte sie noch. „Und ich sage es noch einmal, Robin, ich habe kein Interesse an diesem Gespräch, also lass mich in Ruhe.“ „Nein.“ Die Arme verschränkt blieb sie wenige Meter vor ihm stehen. „Heute nicht.“ Unbeeindruckt sah er auf. Grundsätzlich schätzte er ihre ehrliche, unverhohlene Art. Sie hatten nie viele Worte gebraucht, um einander zu verstehen, und sie tickten schon ganz ähnlich, daher verstand er auch, warum sie gerade hier war. „Ich habe dir nichts zu sagen.“ „Nicht? Dein Blick sagt aber etwas ganz Anderes.“ „Was willst du, Robin?“ Nun neigte sie leicht den Kopf. „Kannst du ihm nicht verzeihen?“ Diese Frage überraschte ihn und er wusste nicht, wovon sie sprach. Vielleicht hatte er sie doch nicht richtig gelesen. Sein Gesicht musste dies auch sagen, denn endlich hörte sie mit ihrem falschen Lächeln auf und nun wusste Zorro, dass sie zumindest nicht mehr spielte. „Ich bin hier, um die Wogen zu glätten, Zorro. Ich verstehe, dass es Dinge gibt, über die du nicht mit uns reden kannst oder willst, und ich werde dich auch zu nichts drängen. Aber du irrst, wenn du denkst, dass nur du die Last von damals mit dir herumträgst, wir alle tun das. Jeder von uns fragt sich, was ein jeder von uns damals falsch gemacht hat und wie wir verhindern können, dass so etwas noch einmal passiert.“ „Worauf willst du hinaus?“ Er mochte dieses Gespräch nicht, aber es war immer noch besser als feiges Taktieren und haltloses Angriffsgeschrei. „Du tust so, als wäre Sanji der Schuldige.“ „Was?“ „Oh bitte, als würdest du das unabsichtlich machen. Jeder kann sehen, wie du dich verändert hast, Zorro. Du hast in den letzten Jahren wirklich viel gelernt – und ich rede nicht vom Kämpfen – aber sobald Sanji auftaucht, bist du wie ein komplett anderer Mensch. Du bist unhöflich, respektlos und bei euren kleinen Raufereien ziemlich herablassend, ehrlich gesagt deutlich herablassender als früher. Es kommt mir fast so vor, als würdest du ihn für irgendetwas bestrafen wollen.“ „Wovon redest du da?“ Früher hätte er ein solches Gespräch wohl nicht zugelassen, aber mittlerweile war er geübt darin, schließlich ließ auch der verdammte Samurai nicht eine Gelegenheit aus, Zorro unter die Nase zu reiben, wenn er irgendetwas falsch machte. Aber wenn er ganz ehrlich war, konnte er von Robin auf solche Kommentare verzichten. „Also, um das klar zu stellen, ich weiß weder, was dein Problem ist, noch was der Koch für eines hat. Wenn du etwas wissen willst, dann frag. Wenn der Koch etwas wissen will, dann soll er fragen. Aber hört auf, mir Dinge vorzuwerfen, die nicht stimmen.“ Nun stand er auf und ging zu den Gewichten hinüber. „Weder will ich den Koch für irgendetwas bestrafen, noch gebe ich ihm für irgendetwas die Schuld. Er nervt und lässt mich einfach nicht in Ruhe, das ist auch schon alles. Ich habe kein Problem mit ihm, aber er hat wohl offensichtlich eins mit mir. Also vielleicht solltest du aufhören deine Zeit mit mir zu verschwenden und dich mit ihm hinsetzen. Dann habe ich vielleicht auch endlich mal meine Ruhe.“ Laut seufzte sie auf und Zorro wusste, dass sie erfahren hatte, was sie wissen wollte – was auch immer es war - und das stimmte ihn unzufrieden, gegen sie kam er einfach nicht an. „Ihr seid wirklich wie zwei Seiten derselben Medaille“, urteilte sie, doch sie klang sanfter als zuvor. „Ich wünschte, ihr würdet nur einmal ehrlich miteinander reden, das würde uns anderen eine Menge Kopfschmerzen ersparen.“ Er entgegnete nichts, sondern begann zu trainieren. „Aber dazu kann ich dich natürlich nicht zwingen, Zorro. Ich möchte dir jedoch noch etwas Anderes sagen. Ganz gleich deiner Beweggründe weiß ich, dass du alles tun würdest, um deine Freunde zu beschützen und ich weiß, dass es dir wichtig ist, dass wir dir vertrauen, so wie wir es immer getan haben, so wie ich es immer tun werde. Aber Sanji vertraut dir nicht mehr, und zwar nicht aufgrund dessen, was damals passiert ist, sondern aufgrund dessen, wie du dich jetzt verhältst. Was auch immer deine Beweggründe sind, ich hoffe wirklich, dass sie es wert sind, das Vertrauen innerhalb unserer Crew aufs Spiel zu setzen.“ Mit klackenden Schritten entfernte sie sich. Zorro war wütend; wütend und hilflos. Was hatte er erwartet? Hatte er wirklich erwartet, zur Crew zurückkehren zu können, ohne dass einer von ihnen Fragen stellen würde? Hatte er wirklich erwartet, dass er so tun könnte, als wäre nichts passiert? Hatte er wirklich erwartet, dass die anderen alle so tun würden, als wäre nichts passiert, während er doch ganz offensichtlich nicht mehr derselbe von damals war? Zorro zweifelte. War es falsch von ihm, die anderen im Unwissenden zu lassen? War es falsch von ihm, die anderen beschützen zu wollen? War es falsch von ihm…? Sanji hatte ihm vorgeworfen, der Crew nicht zu vertrauen, Ruffy nicht zu vertrauen. Robin warf ihm vor das Vertrauen der Crew aufs Spiel zu setzen, Sanjis Vertrauen bereits verloren zu haben. Vertrauen „Verdammt!“ Kopfschüttelnd ließ er das Gewicht zu Boden fallen, wo es neben die Hantel von vorher kullerte. Robin hatte Recht, er hatte rein gar nichts dazugelernt, hatte selbst durch die G6 nichts dazugelernt, hatte selbst durch Lady Loreen es immer noch nicht gelernt. Aber er wusste doch noch nicht einmal, was es bedeutete, woher sollte er also wissen, wie er es lernen konnte? Zorro stand im Ausguck der Thousand Sunny irgendwo in der Neuen Welt, und nach all den Jahren, in denen er alles gelernt hatte, was er hatte lernen können, sich sowohl im Schwertkampf als auch in politischen und strategischen Gedankenspielen weitergebildet hatte, da stand er nun hier und fragte sich eine absolut simple Frage, auf die er keine Antwort hatte, nach all der Zeit immer noch keine Antwort hatte. Was bedeutete zu vertrauen? Plötzlich unterbrach ein leises Piepsen die schwere Stille und beinahe automatisch griff Zorro in seine Hosentasche, als die kleine weiße Teleschnecke nach ihm rief.   Kapitel 9: Kapitel 9 - Anruf ---------------------------- Kapitel 9 – Anruf   -Zorro- Was bedeutete es, zu vertrauen? Diese Frage verwarf er, als er die kleine Teleschnecke aus der Hosentasche hervorzog, die leise nach ihm rief. Erst vor wenigen Tagen hatte er mit dem Samurai telefoniert, nachdem Zorro im Ryuuguu-Palast ein Nickerchen gemacht hatte, es gab also keinen Grund für den anderen ihn jetzt anzurufen; er verstieß sogar gegen ihre Abmachung, dass nur Zorro sich einmal wöchentlich melden würde. Eigentlich sollte Zorro die Schnecke jetzt ignorieren und den anderen ignorieren, aber… Was bedeutete es, zu vertrauen? Was bedeutete der Begriff Vertrauen wirklich, wenn man es nicht nur als simple Floskel meinte? Nach einer weiteren Sekunde des Zögerns nahm er schließlich ab. Für zwei Sekunden war der Ausguck furchtbar still. „Kannst du frei sprechen?“ Warum verspürte er plötzlich so eine starke Welle des Heimwehs? Vor wenigen Tagen erst hatte er mit dem anderen gesprochen. Er sollte eher entnervt sein, warum also war er dankbar diese zu ruhige, beinahe gelangweilte, blasierte Stimme zu hören? „Ja“, antwortete er schließlich und betrachtete sein eigenes Spiegelbild im Fenster, erkannte sich selbst kaum wieder, erkannte sein eigenes Spiegelbild kaum wieder, als würde ihn ein Fremder anstarren, obwohl er doch in seinem Körper war. „Du fragst dich mit Sicherheit, warum ich dich entgegen unserer Vereinbarung anrufe, Lorenor“, sprach der Samurai auf seine nervige sachliche Art und Weise, „aber ich möchte dir sogleich versichern, dass dies… Lorenor, stimmt etwas nicht?“ Überrascht sah er auf die Teleschnecke hinab. Woher zur Hölle…? „Was soll dieser Schwachsinn denn? Warum sollte etwas nicht stimmen?“, entgegnete er barsch und entschied, die vergangenen Gespräche zu ignorieren. Er konnte sich nur mit einem Problem auf einmal befassen und wenn der verdammte Samurai anrief, hatte er stets mit einem zu rechnen. „Das frage ich dich“, meinte der Ältere nur, „du bist derjenige, der sich ungewöhnlich verhält. Nicht nur, dass du überhaupt drangegangen bist, nein, weder hast du mir eine Standpauke gehalten noch mich unterbrochen und dich darüber aufgeregt, dass ich mich nicht an unsere Absprache halte. Außerdem hast du auf meine Frage hin überaus borstig reagiert; wenn dich nichts Dringendes beschäftigen würde, hättest du mich mit einem frechen Kommentar abgespeist.“ Oh, er hatte ganz vergessen, wie sehr er es hasste, wenn der andere ihn las wie ein offenes Buch. Trotzdem konnte er nicht leugnen, dass der andere mit seiner Beobachtung absolut ins Schwarze getroffen hatte. Aber das würde er ihm natürlich nicht auf die Nase binden. „Also, Lorenor, gibt es etwas, das dich bedrückt?“ Nun klang Dulacre wieder wie während der ruhigen Abende im Kaminzimmer, wenn er von seiner Zeitung aufgesehen und ihn fragend begutachtet hatte. Für einen Moment wollte Zorro von den vergangenen Minuten erzählen, aber dann besann er sich eines Besseren und entschied, dieses unerwartete Gespräch für etwas Sinnvolles zu nutzen und nicht für eine unnötige Philosophiestunde. Ausgerechnet heute würde er nicht auch noch brauchen, dass Dulacre ihm das Gleiche sagen würde, was die anderen von ihm einforderten. „Wie stark ist de Flamingo?“, fragte Zorro also, anstatt sich mit den Unruhen in seiner Crew zu beschäftigen, und konzentrierte sich auf die Herausforderung, die sie in wenigen Tagen erwarten würde. Früher hätte er das nicht getan, hätte sich der Überraschung und des Spaßes nicht berauben lassen wollen, aber heute wusste er, dass gute Vorbereitung der Schlüssel zum Erfolg war, und einen Misserfolg konnten sie sich in ihrer derzeitigen Situation nicht mehr leisten. „Wie bitte?“ Der Samurai schien wohl ebenfalls mit einer anderen Frage gerechnet zu haben. „Glaubst du, ich wäre stark genug de Flamingo zu besiegen?“, hakte er nach und wusste, dass er eine ehrliche Antwort erhalten würde. Beinahe ungewollt fragte er sich, ob sie seiner eigenen Einschätzung entsprechen würde. „Ich verstehe.“ Mihawk seufzte tief auf und die kleine Teleschnecke spiegelte seine Sorgenfalten viel zu gut. „Es ist nicht seine Kraft, die ihn gefährlich macht, sondern seine Fähigkeit. Durch die Fadenfrucht hat er insbesondere auf Distanz einen Vorteil, aber glaube nicht, dass er deshalb schwächer im Nahkampf wäre.“ „Kann er mit dir mithalten?“ Leise lachte der andere sein überhebliches Lachen: „Ich bitte dich, Lorenor. In keinster Weise.“ „Ist das überhaupt ein richtiges Wort?“, murrte Zorro genervt von der Arroganz des anderen, konzentrierte sich jedoch auf das eigentliche Thema. „Und kann ich mit ihm mithalten?“ „Das kommt drauf an“, entgegnete Mihawk wie erwartet, jedoch immer noch recht entspannt. „Das Unberechenbare für dich wird seine Teufelskraft sein, allerdings liebt dieser Geisteskranke es, mit seinem Gegner zu spielen und tötet selten beim ersten Angriff, zumindest nicht, soweit ich es je beobachtet habe. Nicht, dass ich je viel auf ihn geachtet hätte, seine Kämpfe haben mich nie sonderlich interessiert. Wenn du die Zeit, die er verschwendet, also nutzt, um dir eine passende Strategie zurecht zu legen, sehe ich keinen Grund, warum du ihn nicht besiegen sollen könntest.“ „Ich hatte nicht mit einer so eindeutigen Antwort gerechnet“, gestand er ein. „Oh, unterschätze ihn nicht, Lorenor. Er ist ein schlechterzogener Großschwätzer und eingebildeter Dramatiker. Sein Weltbild hat nichts mit der Realität zu tun und er glaubt etwas Besseres zu sein, nur weil er ein ehemaliger Weltaristokrat ist.“ Wieder mal fragte Zorro sich, ob die fünf Weisen ihre Samurai nicht doch nach bestimmten Kriterien auswählten, aber das sagte er natürlich nicht laut, zumindest jetzt noch nicht, da er sich noch hilfreiche Antworten von seinem Lehrmeister erhoffte. „Aber er ist auch gnadenlos und wahllos brutal – und das möchte schon etwas bedeuten, wenn ich das sage – und weder seine Toleranzschwelle noch sein Geduldsfaden sind belastbar.“ „Im Klartext also“, murmelte Zorro und versuchte, ernst zu bleiben, „ich sollte ihn seine aufgeblasenen Reden schwingen lassen, um mir genug Zeit zu verschaffen, eine sinnvolle Strategie aufzubauen, und ihn währenddessen nicht bis zur Weißglut reizen, damit er nicht plötzlich doch ernst macht.“ „Genau“, stimmte der Samurai zu, „wenn du derjenige sein solltest, der gegen ihn kämpft, versteht sich.“ Misstrauisch starrte Zorro die Schnecke an, woher zur verdammten Hölle…? „Warum wolltest du meine Einschätzung, Lorenor? Möchte dein Kapitän nach und nach alle Samurai entweder besiegen oder auf seine Seite holen?“ Die Teleschnecke hatte ihre Augenbrauen hochgezogen und Mihawk klang nur noch halbernst. „Glaube ja nicht, dass dich das vor deiner Niederlage verschonen würde“, entgegnete Zorro mit einem breiten Grinsen und für einen Moment waren sie wieder bei den Ruinen. Für einen Moment war die Unruhe der vergangenen Gespräche vergessen, als es wieder nur sein überheblicher Lehrmeister und er selbst waren. „Wer sagt denn, dass ich auf seiner Seite stehen würde?“, neckte nun der Ältere. „Und wer sagt, dass wir nur hinter den Samurai her sind?“ „Wie bitte?“ Innerhalb einer Sekunde zerbrach die entspannte Stimmung, welche Zorro das erste Mal an diesem Tag ein Lächeln beschert hatte. „Was habt ihr getan, Lorenor? Ihr seid doch kaum ein paar Tage unterwegs, so viel Unheil könnt ihr doch noch gar nicht angestellt haben.“ Nun war es Zorro der leise lachte. „Kennst du uns wirklich so schlecht?“ „Das ist nicht lustig, Lorenor! Wen habt ihr euch noch zum Feind erklärt?“ „Big Mom.“ „Oh, Grund…“ „Und bald auch noch Kaido.“ „…“ Die Stille beunruhigte Zorro. Ein Donnerwetter des anderen hatte er erwartet. Dulacre wurde schnell mal laut, wenn er sich unnötige Sorgen um Zorro machte und vermutlich war diese Neuigkeit für ihn besorgniserregend. Aber dass er nun schwieg, verunsicherte Zorro beinahe. „Du hast nichts zu sagen?“, fragte er deshalb nach einigen Sekunden der vernichtenden Stille. „Willst du mir noch nicht mal an den Kopf werfen, wie töricht wir sind?“ „Also nicht nur die Samurai“, stellte der andere schließlich fest, „ihr wollt euch auch den vier Kaisern stellen, euch die ganze Welt zum Feind machen.“ Dann lachte der andere leise auf. „Tze, ich wünschte ich wäre derjenige, der dem Roten die Nachricht überbringen könnte, dass sein kleiner Schützling auf seinen Kopf aus ist. Ich würde so einiges geben, um das perplexe Gesicht dieses Dummkopfs zu sehen.“ Mit dieser Reaktion hatte Zorro nun wirklich nicht gerechnet. „Was denn, Lorenor, du scheinst überrascht.“ „Naja, ich hatte eher erwartet, dass du durch die Teleschnecke springst und mir den Kopf abreist, aber du hörst dich ja ganz begeistert an.“ Erneut lachte Dulacre leise. „Soll ich dir ein kleines Geheimnis verraten, Lorenor?“ Nicht wirklich überzeugt, ob er dieses Geheimnis wirklich erfahren wollte, nickte er schließlich. „Wenn dies von Anfang an die Absicht deines Kapitäns war, dann tut er gut daran sich erst diesen anderen Gegnern zu stellen.“ „Was?“ „Ich hätte es dir natürlich nie so direkt gesagt, aber nun da auch dein Kapitän sich einer solchen Prüfung stellen will, brauche ich es ja nicht mehr für mich zu behalten.“ „Wovon zur Hölle redest du bitte?“ „Lorenor, ich habe dir gesagt, dass es nur eine Handvoll Menschen wie dich und mich gibt, und es wird dich mit Sicherheit nicht überraschen zu hören, dass der rote Shanks einer dieser Menschen ist.“ Nein, das tat es tatsächlich nicht. „Aber weder du noch dein Kapitän hat je einen wahren Kampf gegen Gegner wie uns bestritten. Glaube mir, wenn ich dir sage, dass all eure bisherigen Schlachten mit uns nicht ansatzweise vergleichbar sind.“ Er konnte ein Knarzen hören, welches ihn an den Holzthron des Sargbootes erinnerte, Dulacre schien aufgestanden zu sein. „Wie du weißt, haben Shanks und ich einst regelmäßig die Klingen gekreuzt. Es gibt kaum jemanden auf dieser Welt, der mit uns mithalten kann.“ Gerade jedoch hörte sich der Ältere alles andere als überheblich an. „Im Gegensatz zu de Flamingo sind Kaido und Big Mom Gegner, die selbst ich an deiner Stelle sehr ernst nehmen würde, Lorenor.“ Es überraschte Zorro nicht, dass die zwei Kaiser gefährlich zu sein schienen, aber es überraschte ihn schon, dass sie anscheinend so gefährlich waren. Auf der anderen Seite, wenn man an die Spitze wollte, musste man sich auch irgendwann den Stärksten stellen. „Aber solange ihr diese Gegner nicht besiegen könnt, solltet ihr noch nicht mal daran denken euch Shanks oder mir in den Weg zu stellen.“ Da war es endlich! Endlich wusste Zorro, wie weit entfernt der andere noch war, und an dessen Stimme konnte er genau das hören, was er gerade auch gedacht hatte. Es war nicht mehr weit. „Warum hast du mir das nicht vorher gesagt?“, fragte er neugierig, als er spürte wie die Lust nach einem Kampf in ihm wuchs. „Was hätte dir ein hypothetischer Vergleich gebracht, Lorenor? Auch wenn ich natürlich nicht ausgeschlossen hatte, dass ihr solche Schritte gehen würdet, so hatte ich doch erwartet, dass es noch etwas länger dauern würde. Ich wusste nicht, ob du nicht zuerst mir gegenüberstehen würdest.“ „Hättest du das gewollt, dass du mein erster Gegner dieser Art sein würdest?“ „Oh, keineswegs.“ Die Teleschnecke grinste breit. „Denn das würde bedeuten, dass du noch nicht alles gelernt hast, was du lernen solltest, und ich will, dass du perfekt vorbereitet bist, wenn wir endlich gegeneinander kämpfen.“ Eine Gänsehaut glitt über Zorros Körper. „Nein, es ist perfekt“, sprach Dulacre weiter, seine Stimme fast ein Flüstern. „Ich selbst habe weder gegen Big Mom noch gegen Kaido gekämpft, aber ich kann dir versichern, dass beide ihre Menschlichkeit lange hinter sich gelassen haben und zumindest bei ihm weiß ich auch, dass er wie du und ich sein eigenes Monster geworden ist. Er wird die perfekte Vorbereitung für dich sein.“ Zorro grinste. Er wusste, dass es nicht viele Menschen gab, die bereit waren, sich ihrem eigenen Monster zu stellen. Nur eine Handvoll von ihnen war jedoch bereit, dieses Monster nicht zu besiegen, sondern sich einzuverleiben. Noch weniger Menschen gab es, die ihre eigene Menschlichkeit überwunden hatte, damit ihr Körper das Unmenschliche aushalten konnte, und bis auf Mihawk und sich selbst hatte Zorro bisher noch von niemandem gehört, der beides getan hatte. Kaido also, er würde mit Ruffy reden müssen, Kaido musste ihm gehören. „Du kannst es fühlen, nicht wahr?“, fragte Dulacre und Zorro wusste genau, was der andere meinte. Obwohl er erst vor einigen Stunden gekämpft hatte, sich heute mehrfach gestritten hatte, einige prekäre Situationen gehabt hatte, konnte er es ganz deutlich spüren. Es gierte ihm nach einem Kampf, nach einem echten Kampf, und nicht nach diesem langweiligen Geplänkel. Er wollte einen richtigen, ästhetischen, anspruchsvollen Kampf. „Auf Kuraigana ist es mir nie so aufgefallen“, meinte er schließlich und betrachtete seine rechte Hand. „Ich hätte nicht gedacht, dass ich es jetzt so plötzlich spüren würde.“ „Keine Sorge, es wird irgendwann besser werden“, besänftigte der andere ihn. „Auf Kuraigana konntest du fast täglich deine Fähigkeiten schärfen und ausreizen, musstest dich so gut wie nie zurückhalten und mir gegenüber natürlich keine Rücksicht walten lassen. Jetzt kannst du das nicht mehr, du musst dich zurücknehmen. Es ist ganz normal, dass du es jetzt viel deutlicher spürst. Gib dir noch ein paar Wochen Zeit, dann wird es leichter werden.“ Ein paar Wochen also, warum fühlte sich das nach einer halben Ewigkeit an? Ernüchternd dachte Zorro an die vergangenen Tage zurück. „Werden die Kämpfe dann auch wieder besser?“, fragte er nachdenklich. „Wie meinst du das?“ Die Augen der Schnecke wippten leicht zur Seite und Zorro konnte regelrecht sehen, wie Dulacre den Kopf neigte, um ihn genauer beobachten zu können, wie er es sonst immer getan hätte. „Hattest du Probleme beim Kämpfen?“ „Nein“, widersprach er direkt, setzte die Teleschnecke auf dem Sofa ab und ließ sich dann neben ihr auf den Boden sinken, lehnte die Arme auf dem Polster ab, legte den Kopf in den Nacken und schloss sein Auge, „das ist es nicht.“ „Was ist es dann, Lorenor?“ Einen Moment noch atmete er tief ein, ehe er schließlich aufseufzte. „Sie waren langweilig, so furchtbar langweilig.“ Für einen Moment schwieg er, doch der andere entgegnete nichts. „Ich habe mich so sehr auf die Neue Welt gefreut, auf die Abenteuer und auf die Kämpfe. Mir war natürlich bewusst, dass nicht jeder Gegner in der Lage sein würde mit mir mithalten zu können – du hast mich ja auch davor gewarnt, dass die meisten schwächer sein würden – aber ich dachte… ich hätte nie gedacht, dass es ein Problem werden könnte.“ Kopfschüttelnd betrachtete er Hantel und Gewicht, die er einfach mitten im Raum hatte liegen lassen. „Ich dachte, egal wie stark oder schwach meine Gegner sein würden, ich könnte dennoch meinen Spaß haben. Aber ich konnte es nicht, weder vorgestern noch gestern. Ja, wir sind um unser Leben gerannt und waren das ein oder andere Mal in einer etwas kniffligeren Situation, aber die Kämpfe… sie waren so furchtbar langweilig.“ Nun sah Zorro zur Teleschnecke neben sich. „Werden von nun an alle meine Kämpfe gegen Schwächere so aussehen?“ Für ein paar lange Atemzüge war der andere still, dann seufzte er auf. „Oh, Lorenor“, bemerkte er fast schon sanft, „ach, mein unschuldiger, naiver Lorenor. Es ist fast schon herzerwärmend, dir zuzuhören.“ „Was?“ Zorro konnte spüren, wie eine Zornesader gefährlich über seinem rechten Auge pochte und seine Wangen warm wurden, während der andere sich über ihn lustig zu machen schien. „Versteh mich nicht falsch“, ruderte der Ältere sofort zurück, der Zorros schlechte Laune wohl bemerkt hatte, „ich wollte dich damit natürlich nicht beleidigen. Aber deine Art vom Kampf zu reden - so romantisierend, so kindlich, so simple und schlicht - berührt mich zutiefst, und ich wünschte dir, dass jeder Kampf so erfüllend wäre, wie du es dir erhoffst.“ „Hör auf, so einen Stuss zu reden. Du weißt, dass ich das nicht leiden kann“, murmelte Zorro, obwohl es ihn eher störte, dass der anderen seine Sorge so ernst nahm. Das sprach nicht dafür, dass sie unbegründet war. „Und du weißt, dass ich nicht beabsichtige, dich zu verspotten“, entgegnete Dulacre ruhig. „Es ist nur so, dass du nach zwei Jahren es immer noch schaffst, mich zu überraschen, Lorenor, und dann reagiere ich eben auch überrascht.“ Er grummelte nur leise etwas, was weder Zustimmung noch Ablehnung war, und betrachtete den öden Trainingsraum. Da Dulacre ihm nicht widersprochen hatte, schien dies also nun wirklich seine Zukunft zu sein. „Sprich, Lorenor, streitest du dich immer noch regelmäßig mit dem Smutje?“ Er brummte nur zustimmend und zuckte mit den Schultern, erinnerte sich wenige Stunden zurück. „Und empfindest du diese Konflikte ebenfalls als langweilig?“ „Tze“, schnaubte er auf, „eher als nervig.“ „Ja, das mag schon sein“, entgegnete der andere beharrlich, „aber empfindest du sie auch als langweilig?“ Für eine Sekunde ließ Zorro die vergangenen Tage Revue passieren. „Nein“, urteilte er dann schließlich. „Dann brauchst du dir keine Gedanken machen.“ „Was, aber…?“ „Lorenor“, unterbrach Dulacre ihn sachte, seine Stimme immer noch so sanft und wohlwollend wie während der stillen Abende am Feuer, „hör mir zu. Dass diese Kämpfe dich gelangweilt haben, lag weder an deinen Fertigkeiten als Schwertkämpfer noch an deinem Monster oder an dieser Gier nach mehr. Es liegt einfach nur daran, dass du mittlerweile ein fähiger Stratege bist.“ „Was?“ „Natürlich. Warum denkst du, halte ich dich für naiv? Obwohl du so einen scharfen Verstand hast und die meisten Menschen so schnell durchschaust, erwartest du immer noch, dass dich eine Horde dahergelaufener Fußsoldaten mit strategischen Winkelzügen überraschen kann? Du überschätzt die Intelligenz deiner Gegner, Lorenor, oder mehr noch, du unterschätzt deine eigene.“ „Wenn ich unnötige Komplimente haben wollen würde, würde ich Kanan anrufen.“ Der andere lachte leise. „Du brauchst dir keine Sorgen machen, Lorenor, diese Kämpfe waren nicht langweilig, weil deine Gegner schwach waren, sondern weil sie einfach nur schlichtweg dumm waren.“ Die Teleschnecke nickte wissend. „Glaube mir, spannende Kämpfe werden wiederkommen, selbst gegen schwache Gegner, solange sie keine Idioten sind. Nicht nur dein Körper braucht mittlerweile Auslastung, auch dein Geist muss gefordert werden und das konnten diese Kleingeister offensichtlich nicht. Setzt dich doch mal mit dem Smutje auseinander – er scheint ja immer noch in der Lage zu sein, dich unterhalten zu können – oder suche dir jemanden aus deiner Crew zum Schach spielen, oder Mah-Jongg, das bevorzugst du ja.“ „Ist das dein Ernst?“ Ungläubig sah er die Teleschnecke an. „Natürlich, Lorenor, du weißt, dass ich äußerst selten scherze und erst recht nicht, wenn es um den Schwertkampf geht. Suche dir intelligente Gegner und du wirst wieder interessante Kämpfe führen können, auf dem Schlachtfeld und abseits davon.“ Er wusste noch nicht einmal genau warum, aber Zorro fühlte sich erleichtert. Er hatte wirklich befürchtet, dass nur noch die wenigsten Kämpfe ihm Freude bereiten würden, und er war froh, dass dem nicht so war. Allerdings konnte er sich derzeit nicht vorstellen, sich an den Koch zu wenden. Zorro fand ihn derzeit alles andere als unterhaltsam, eher nervig und anmaßend, darauf konnte er verzichten. Gegen Robin Schach zu spielen, kam ihm auf der anderen Seite wie eine noch viel schlechtere Idee vor, schließlich war sie diejenige, die ihn eben erst wie ein dummes Kind vorgeführt hatte. „Wenn ich so darüber nachdenke“, murmelte er leise, „würde ich am liebsten noch mal gegen dich spielen.“ Und das war nicht gelogen, obwohl Zorro bisher noch nicht einmal gegen den anderen gewonnen hatte. Nach den vergangenen Tagen, an denen er die ganze Zeit von seinen eigenen Crewmitgliedern herausgefordert worden war, fühlte sich dieses Gespräch mit dem anderen Schwertkämpfer so vertraut an, dass Zorro sich wünschte, es wäre so einfach. „Das ließe sich vielleicht arrangieren“, bemerkte der andere einen Ton zu gelassen und Zorro wurde misstrauisch. „Was?“ „Nun ja, du sagtest doch, dass ihr vorhabt de Flamingo herauszufordern. Ich gehe also davon aus, dass ihr auf dem Weg nach Dress Rosa seid?“ „Sind wir.“ „Dann trifft es sich ja ganz ausgezeichnet, dass die fünf Weisen mich für einen Auftrag zur Insel Applenine geschickt haben. Sagt sie dir etwas? Sie liegt nur wenige Tage per Schiff von Dress Rosa entfernt.“ Überrascht sah Zorro auf. War das nicht die Insel, von der Nami am vergangenen Mittag gesprochen hatte? „Wir werden morgen früh dort einen Zwischenstopp einlegen“, sprach er schneller, als er den Gedanken gedacht hatte. „Was für ein Zufall. Ich werde heute Abend dort ankommen.“ Die Teleschnecke zeigte das leichte Schmunzeln des anderen. „Wenn du möchtest, könnten wir uns treffen. Ich verstehe natürlich, wenn du wichtigere Dinge zu tun hast, aber…“ „Warte mal“, unterbrach Zorro ihn. „Hast du mich deswegen angerufen? Um dich mit mir zu treffen?“ „Keine zwei Wochen nachdem du aufgebrochen bist? Lorenor, du kannst mir schon etwas mehr Selbstdisziplin zutrauen. Ich habe bemerkt, dass sich die Vivre Card plötzlich in eine andere Richtung bewegt hat, und mir Sorgen gemacht. Die Neue Welt hat ganz eigene Naturphänomene und ich wollte eigentlich nur herausfinden in welchen Breitengraden ihr euch in etwa derzeit aufhaltet. Ich hatte nicht erwartet, dass wir in der Nähe voneinander sein würden.“ „Immer noch ein Kontrollfreak.“ „So unhöflich“, entgegnete der andere kühl. „Wäre ich ein Kontrollfreak, würde ich dich bereits verfolgen.“ „Würdest du nicht, weil du dann deinen Titel aufs Spiel setzen würdest, und so einen Schwachsinn würdest du nicht tun.“ „Ich gebe mich geschlagen“, seufzte der andere, „aber zurück zum Thema, Lorenor, ich habe gleich noch einen wichtigen Termin – mein Auftrag, wie du weißt – also, möchtest du auf eine Runde Schach vorbeikommen?“ Er zögerte. Eigentlich hatte er vorgehabt Dulacre erst wieder gegenüberzutreten, wenn er ihn auch würde besiegen können, außerdem waren kaum zwei Wochen vergangen, seitdem sie getrennte Wege gegangen waren, und Zorro wollte nicht, dass der andere sich irgendetwas einbildete, das nicht da war. Auf der anderen Seite konnte Zorro nicht abstreiten, dass er den anderen vermisste, diese Gespräche vermisste und gerade, da so viel Unruhe in der Crew herrschte - er so viel Unruhe verursachte - und das Schiff voll fremder Leute war, fand er die Möglichkeit, diesem Trubel zu entfliehen und für ein paar wenige Stunden die Ruhe Kuraiganas zurückzuerlangen, sehr verlockend. Natürlich war er nicht so blauäugig, Mihawk dessen Geschichte einfach so abzukaufen, auf der anderen Seite klang sie plausibel genug und vielleicht war dieser Auftrag ja auch wieder von Eizen eingefädelt, um den Samurai abzulenken, da Eizen dachte, dass Dulacre nicht wusste, dass Zorro und Loreen ein und dieselbe Person waren, und daher dem Samurai vorgaukeln wollte, dass Loreen derzeit an Eizens Seite die Reverie in wenigen Tagen vorbereiten würde. Nein, der Samurai mochte zwar ein überfürsorglicher Kontrollfreak sein, aber letzten Endes vertraute… „In Ordnung“, murmelte er leise und betrachtete die Hantel erneut, „aber wehe, du hast nur Wein da. Wie wäre es mal mit einem anständigen Sake?“ Vielleicht… vielleicht sollte er doch den anderen um Rat fragen. Wenn ihn einer verstehen konnte, dann vielleicht doch Dulacre, der ihn so viel besser verstand als selbst Zorro sich selbst. „Ganz wie du wünschst.“ Kapitel 10: Kapitel 10 - Vertrauen ---------------------------------- Kapitel 10 – Vertrauen   -Mihawk- „Gut, denk daran, keine offensichtlichen Waffen. Lass die Schwerter an Bord, sie sind zu auffällig.“ Mit einem widerwilligen Grummeln stimmte der andere ihm nur zu, verabschiedete sich noch nicht mal, als er auflegte und das leise Gotcha durch den fremden Raum hallte. Missmutig sah Dulacre sich um, ehe er einen tiefen Schluck seines Weins nahm und das Glas auf den Tisch neben dem Schachbrett absetzte. Dann stand er auf und streckte sich. Glücklicherweise hatte er Lorenors Forderung vorausgesehen und eine Flasche Sake von seinem Sargboot mitgenommen, denn er zweifelte, dass der durchschnittliche Alkohol dieses durchschnittlichen Hotels ihn befriedigen konnte. Das hatte Dulacre schon der Weinkarte angesehen und war daher dankbar, dass er auch ein paar Flaschen seines Lieblingsweines mitgebracht hatte, der natürlich vorzüglich schmeckte. Aber selbst dieser konnte den fahlen Geschmack seines Unmuts nicht überdecken. Ganz gleich ob Lorenor die Finte gerochen hatte oder nicht, er hatte zugestanden, Dulacre zu besuchen, schon am kommenden Tag würden sie sich wiedersehen. Eine kleine Stimme in seinem Kopf wollte sich freuen; er hatte gedacht, noch über ein Jahr auf ein Wiedersehen warten zu müssen, auf diesen schalkhaften Blick, dieses spielerische Grinsen warten zu müssen. Nein, Dulacre konnte nicht leugnen, dass er seinen Wildfang bereits jetzt überraschend deutlich vermisste und dass er es kaum erwarten konnte, ihn wiederzusehen, sich dieser einseitigen Gefühle sehr wohl bewusst. Dennoch freute er sich nicht auf dieses Treffen. Erst vor wenigen Sekunden hatten sie ihr Gespräch beendet, nachdem er dem Jungspund genau erklärt hatte, wie dieser Dulacre auf dieser fremden Insel würde finden können – trotzdem zweifelte er daran, dass der andere bei seinem mangelnden Orientierungssinn Erfolg haben würde – und sich ungesehen in sein Zimmer schleichen konnte. Schließlich wollten sie derzeit noch verhindern, dass die Welt eine Verbindung zwischen Lorenor Zorro und Falkenauge und somit auch Lady Loreen ziehen würde. Lorenor hatte dem zugestimmt und Dulacres Befürchtungen bestätigt. Hätte Dulacre sich über Lorenors Wissen bezüglich Eizen geirrt, wäre es dem Jüngeren egal gewesen, wenn die Welt ihre Schlüsse ziehen sollte, aber nein, auch er wollte immer noch mit aller Kraft die Wahrheit verbergen, nicht nur vor der Welt, sondern auch vor seinen Freunden und der Grund dafür war offensichtlich. Seufzend trank er sein Glas leer. Er wusste, dass er Lorenor zur Rede stellen musste, und er wusste, dass dies zu einem lauten Streit führen würde, und nach diesem Gespräch gerade, wollte er das absolut nicht. Diese eine Unterhaltung hatte ihn wieder bemerken lassen, wie gerne er sich mit dem anderen unterhielt und wie ungern er mit ihm stritt. Er hatte beinahe vergessen, wie rührend naiv Lorenor sein konnte, und er hatte beinahe vergessen, wie schlecht Lorenor darin war, Dinge zu verheimlichen. Es war ganz offensichtlich gewesen, dass Lorenor ihn nicht das gefragt hatte, was er wirklich hatte fragen wollen, nicht angesprochen hatte, was ihn wirklich beschäftigte. Aber Dulacre hatte entschieden, dieser tumben Ablenkung zu folgen, da selbst diese ein interessantes Gespräch ermöglicht hatte und die Crew des Strohhuts sich wohl wirklich neuen Gegnern stellen würde. Also würde Lorenor es vermutlich morgen ansprechen, hatte vermutlich deshalb so schnell einem Treffen zugestimmt, und was auch immer es war, es schien Lorenor wirklich zu beschäftigen, schien ihm wirklich wichtig zu sein. Lorenor hatte diesem Treffen zugestimmt, weil er Rat suchte, Dulacre hatte dieses Treffen inszeniert, damit er den anderen konfrontieren konnte. Kopfschüttelnd entschied er, duschen zu gehen und den nichtvorhandenen Dreck von seiner Haut zu waschen. Er hatte Lorenor angelogen – natürlich, und wahrscheinlich hatte dieser gutgläubige Bengel es noch nicht mal hinterfragt – und so getan, als wären sie rein zufällig in den gleichen Breitengraden unterwegs, aber das war selbstredend Unsinn. Von Jiroushin hatte Dulacre grob von den Geschehnissen auf Punk Hazard erfahren, hatte erfahren, dass der Chirurg des Todes Trafalgar Law seinen Titel als Samurai verloren hatte – nicht, dass Dulacre sich darum scherte – und auch, dass dieser verrückte Wissenschaftler Caesar von den Strohhüten entführt worden war. Der Flurfunk der Marinebasen war überraschend schnell, wenn man bedachte, wie behäbig dieser Verwaltungsapparat sich in allem anderen bewegte. Danach hatte Dulacre nur noch eins und eins zusammenzählen müssen und ein Blick auf die Vivre Card hatte seine Vermutung bestätigt, ehe Lorenor auch nur angerufen hatte. Er hatte gewusst, dass die Strohhüte vorhatten de Flamingo zu stürzen. Er vermutete, dass diese Eingebung Trafalgar zu verdanken war; Dulacre meinte sich zu erinnern, dass zwischen ihm und de Flamingo eine Verknüpfung bestanden hatte, aber da keiner der beiden ihn je interessiert hatte, hatte er solch unnützes Wissen schnell verworfen. Aber Lorenor hatte er dies natürlich nicht gesagt, tat so, als wäre er auf Geheiß der fünf Weisen unterwegs – deren ausdrücklichen Befehl, Kuraigana unter keinen Umständen zu verlassen, Dulacre in diesem Moment bewusst ignorierte – während er sich doch in Wahrheit auf Applenine bereits eingenistet hatte, um Lorenor abfangen zu können. Laut seufzte er auf und legte den Kopf in den Nacken, erlaubte sich unter dem prasselnden Wasser zu entspannen. Ganz gleich, wie er die Situation drehte und wendete, sie würde zum Streit führen und Lorenor würde vermutlich sehr wütend auf ihn werden. Dulacre war sich bewusst, dass er mit dieser Intrige das Vertrauen des anderen riskierte und vielleicht sogar noch mehr, und doch konnte selbst das ihn nicht aufhalten. Sollte Lorenor dieses zerbrechliche Vertrauen in Dulacre verlieren, sollte er ihn hassen, verachten. Dulacre nahm dies in Kauf, aber er würde nicht zulassen, dass Lorenor zu Eizens Spielball wurde, so wie er selbst Schoßhund der fünf Weisen war. Lorenor mochte seine Gründe haben, warum er Dulacre nicht die Wahrheit gesagt hatte, aber das war ihm gleich. Nichts, was der andere sagen konnte, würde sein Verhalten rechtfertigen, so wie nichts Dulacres Verhalten gerade rechtfertigen konnte. Er fuhr sich durchs Gesicht, rieb die nassen Strähnen nach hinten, strich sich über die Schulter, über fünf längst verblasste Narben. Seine Intuition sagte ihm, was auch immer Eizen geplant hatte, es würde seinen Höhepunkt in der Reverie in wenigen Tagen finden und wenn er nicht irrte – was er so gut wie nie tat – dann würde auch dann Eizens Falle für Lorenor zuschnappen. Dulacre musste dies hier tun, denn ansonsten fürchtete er, Lorenor zu verlieren, und das konnte er nicht riskieren. Er erinnerte sich noch gut an den Abend, nachdem Lorenor den Vertrag mit Eizen eingegangen war, als Lorenor sich in seinem Badezimmer verkrochen hatte und Dulacre aus dem Weg gegangen war, ihn angelogen hatte, ihm die Wahrheit vorenthalten hatte; einen solchen Abend würde er nicht noch mal hinnehmen. Dann trat er aus der Dusche und betrachtete sein Spiegelbild, erinnerte sich an die Wunde, die einst seine Schulter geziert hatte und nun nicht mehr als diese blasse Erinnerung war. Es gab Dinge, von denen er Lorenor bewusst nie erzählt hatte, zu dessen eigenem Schutz. Vielleicht wäre es klüger, auch hier nicht die Konfrontation zu suchen, schließlich brauchte Dulacre nicht Lorenors Kenntnis – oder gar dessen Zustimmung – um ihn beschützen zu können. Aber er wusste genau, dass es nicht nur darum ging. Nein, das Wasser hatte seinen Kopf geklärt. Schöne, angenehme und vertrauliche Gespräche hin oder her, er wollte diese Diskussion, denn er wollte es aus Lorenors Mund hören, wollte hören, warum Lorenor ihm nicht die Wahrheit gesagt hatte, ihm nicht genug vertraut hatte, um ihm die Wahrheit zu sagen. Dies war der wahre Grund für das Spektakel, welches er gerade vorführte. Lorenor war niemand, der sich leicht öffnete, niemand der leicht vertraute und mittlerweile wusste Mihawk, warum er derjenige war, bei dem Lorenor es tat. Er hatte sich lange darüber Gedanken gemacht - ganze zwei Jahre, um genau zu sein – und mittlerweile kannte er den simplen Grund. Lorenor öffnete sich ihm, weil Dulacre es erwartete, weil Dulacre es einforderte, es erzwang, und daher würde er genau das wieder tun. Er würde Lorenor dazu zwingen, ihm zu vertrauen, vielleicht ein letztes Mal. Zurück im Aufenthaltsraum fiel sein Blick auf die alte Teleschnecke, mit der er Kontakt zu Jiroushin aufgenommen hatte. Er wusste ganz genau, was sein bester Freund ihm dazu sagen würde, aber er ignorierte es, griff die Flasche Wein und schenkte sich nach, genoss das leichte Knistern im Abgang. Jiroushin würde ihm genau die gleiche Warnung geben, die auch der dunkle König ihm gegeben hatte, sich erdreistet hatte, ihm zu geben. Aber es war ihm egal, was sie alle sagten, er wusste genau, warum er tat, was er tat. Sag, Mihawk, ist dir bewusst, dass Zorro ein Wanderer ist? Es sollte ihn nicht überraschen, dass Rayleigh selbst darüber Bescheid wusste, so wie der dunkle König alles zu wissen schien. Er hatte es erwähnt, während sie sich zum Sargboot aufgemacht hatten, hatte Dulacre einfach direkt gefragt. Dulacre hatte es vermutet, nachdem Lorenor wochenlang immer wieder ohnmächtig geworden war und einen unsichtbaren Prozess verarbeitet hatte, unwissend, und sich nur an das Wort Wanderer erinnernd. Er hatte es vermutet, nachdem Lorenor widerwillig die ein oder andere Information über dessen Auferstehung mit Dulacre geteilt hatte, aber erst Rayleighs Worte waren die Bestätigung seiner Vermutung. Es sollte ihn auch nicht überraschen, dass Rayleigh die Existenz der Wanderer nicht anzweifelte, ganz anders als Dulacre selbst. Unbeachtet seiner Zweifel jedoch schien es ihm nicht abwegig, dass Lorenor ein Wanderer sein könnte, eine Sagengestalt, kaum realistischer als der Klabautermann, dessen Existenz kein erfahrener Seemann leugnen würde, und doch untrennbar mit vergessenem Wissen und verlorener Geschichte verbunden. Seufzend betrachtete er das leere Glas. Schon damals im East Blue hatte er es für möglich gehalten, dass dieses seltsame Gespann aus kindischem Strohhut und naivem Schwertkämpfer noch Relevanz für die Geschichte haben könnte. Je mehr er über diese zwei herausgefunden hatte und je bekannter sie geworden waren, desto sicherer war Dulacre sich geworden, dass das Schicksal da am Werke war. Aber wenn Rayleigh Recht haben sollte, wenn Lorenor wirklich ein Wanderer sein sollte, dann war es fast ausgeschlossen, dass diese Dinge nicht auch den Strohhut betrafen, aber das würde ja bedeuten… Kopfschüttelnd stellte er das Glas ab und unterbrach diesen Gedankengang erneut, wie schon so oft die vergangenen Stunden. Um solche Hypothesen aufzustellen, fehlten ihm notwendige Informationen, sowohl über Lorenors als auch über Monkey D. Ruffys Vergangenheit und Vorfahren. Er würde nicht irgendeine Theorie aus Hirngespinsten, Fabelwesen und Zufällen aufbauen, nur weil die einzelnen Puzzleteile ineinanderpassten; vermutlich gehörten sie zu ganz unterschiedlichen Bildern. Außerdem hatte er derzeit ganz andere Probleme und ob nun das Schicksal oder das Universum sich einmischten, all dies änderte nichts an dem, was ihm bevorstand. Schließlich war Eizen alles andere als nur ein Fabelwesen; die Gefahr, die er ausstrahlte, war real und drohend. Was machte es schon, wenn Lorenor wirklich ein Wanderer sein sollte, aber von Eizen kontrolliert wurde? Nein, Dulacre wusste, worauf er seine Aufmerksamkeit konzentrieren musste. Rayleigh mochte ein Träumer voller Fantasie und Ideologie sein, aber in der realen Welt brachten einen diese Dinge nur bedingt weiter. Deshalb war Dulacre ein Mann der Strategie und der Tat. Für Träume hatte er keine Zeit, nicht wenn Lorenors Leben in Gefahr schwebte. Er sollte früh zu Bett gehen, der nächste Tag versprach anstrengend zu werden, und er konnte es kaum erwarten, Lorenor wiederzusehen. Gleichzeitig jedoch wünschte er sich, er wäre in der Lage, sich zu überreden, die Lügen für einen Tag einfach Lügen sein zu lassen und einfach nur ein Schachspiel mit Lorenor zu genießen. Aber das konnte er nicht, konnte die Dinge nicht einfach so auf sich beruhen lassen, Dulacre musste die Wahrheit herausfinden.   -Sanji- Er musste die verdammte Wahrheit herausfinden. Misstrauisch beobachtete er den Schwertkämpfer ihrer Crew, der gerade ausgiebig gähnte und sich an keinerlei Gesprächen am Frühstückstisch beteiligte, sondern die Arme hinterm Hinterkopf verschränkt hatte und beinahe so aussah, als würde er noch schlafen. Erst vor wenigen Minuten hatten sie an der Insel Applenine angelegt und Nami nutzte das Frühstück, um sich zu erkundigen, wer vorhatte, von Bord zu gehen, ehe sie am Abend Kurs auf Dress Rosa nehmen wollten. Zu Sanjis großer Überraschung – und seinem noch größeren Missfallen – hatte die Moosbirne in einem halben Nebensatz, also eigentlich einer einsilbigen Antwort, fallen lassen, dass er vorhatte, an Land zu gehen. Den anderen mochte es nicht aufgefallen sein, da Ruffy ihn problemlos übertönt hatte, Franky darauf bestanden hatte, mit Brook und Lysop Caeser zu bewachen, Robin währenddessen sich über ganz grausige Operationen mit Chopper und Law unterhalten und Kinemon Momonosuke belehrt hatte, aber Sanji war es nicht entgangen und sogleich war er misstrauisch geworden. Aber ansprechen würde Sanji es nicht. Oh, nein, seit dem vergangenen Abend vermied er es tunlichst, den Blick des anderen zu kreuzen, vermied es tunlichst, dessen Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, dafür waren die Wunden noch zu frisch. Sanji kabbelte sich regelmäßig mit dem anderen – natürlich, das war das einzige Gute an diesem Mistkerl, dass Sanji manchmal einfach Dampf an ihm ablassen konnte, wenn die Welt ihn nervte, ohne dass der andere es persönlich nahm – so war nun mal ihre Beziehung, ihre Freundschaft. Sie konnten nicht gut miteinander, aber das bedeutete nicht, dass sie einander nicht schätzten. Zumindest war es wohl so gewesen, bis gestern. Der vergangene Abend, das war kein Scharmützel gewesen, keine gehaltlosen Beleidigungen oder Seitenhiebe, Zorro war es verdammt ernst gewesen und hatte vermutlich jedes seiner Worte genau so gemeint, wie er es gesagt hatte, und Sanji hatte auch jedes Wort verstanden, hatte den anderen ganz genau gehört und konnte dessen Vorwürfen noch nicht einmal widersprechen. Zorro hatte Recht gehabt. Sanji hatte versagt, hatte in der einen Sache versagt, die Zorro von ihm erwartet hatte, in der Zorro ihm ausnahmsweise mal vertraut hatte. Zorro machte ihm genau die gleichen Vorwürfe, die Sanji sich selbst die vergangenen zwei Jahre gemacht hatte und immer noch machte. Nachdem sie alle wieder vereint gewesen waren, hatte Sanji sich für einen kurzen Moment der Illusion hingegeben, dass er diese Dinge vergessen könnte, dass alles wieder wie früher werden würde, dass die Leichtigkeit seines Kapitäns die Last der Vergangenheit verdrängen würde. Aber er hatte sich geirrt, ganz gleich wie fröhlich und aufregend die Gegenwart auch sein mochte, die Schuld der Vergangenheit konnte sie nicht verändern. Auch Sanji hatte am vergangenen Tag ausgeteilt – und hielt ebenfalls an seinen Worten fest, und sei es auch nur aus Prinzip – aber er hatte nicht vor, sich seiner Verantwortung zu entziehen. Es mochte sein, dass Zorro ihm nicht vertraute, nun auch keinen Respekt mehr vor ihm hatte, das alles mochte sein, aber es änderte nichts daran, dass der andere ihm am vergangenen Tag nach Strich und Faden verarscht hatte und trotz Sanjis Schuldgefühlen, trotz seiner Wut und trotz allem, was er gerne dem anderen an dem Kopf schmeißen wollte, trotz all der Last auf seinen Schultern, die ihn zu zerquetschen drohte, war er nicht gewillt, einfach aufzugeben. Schließlich war der Marimo immer noch sein Crewmitglied, immer noch ein verdammtes Crewmitglied. Wenn es irgendjemand anderes gewesen wäre, hätte Sanji vermutet, dass der andere diese Dinge nur gesagt hätte, um Sanji zum Schweigen zu bringen, er hätte es nicht mal persönlich genommen. Aber für solche Gedankenspielereien war der Marimo zu schlicht und geradeaus und gerade das hatte Sanji angestachelt, hatte ihn Dinge sagen lassen, die er dem anderen nicht so an den Kopf hatte werfen wollen, nicht so zumindest. Aber das konnte er jetzt nicht mehr ändern, konnte nicht ändern, was vergangen war, also konzentrierte er sich auf die Gegenwart, während er Nami erläuterte, dass er einkaufen gehen würde müssen, was auch ganz der Wahrheit entsprach. Doch er hatte auch etwas Anderes vor. Er würde Zorro beschatten, würde herausfinden, was der andere vor ihm verbarg, würde herausfinden, was Zorro auf dieser unbedeutenden Insel vorhaben könnte. Sanji war sich bewusst, dass dieses Verhalten absolut nicht angebracht war unter Crewmitgliedern, ein eindeutiger Beweis von fehlendem Vertrauen, was unter Freunden nicht der Fall sein sollte, die Bestätigung seiner Worte vom vergangenen Tag. Aber es war nun mal auch die Wahrheit. Er vertraute Zorro nicht mehr, vertraute nicht mehr darauf, dass der andere von Bord gehen und unbeschadet zurückkommen würde, solange nicht jemand bei ihm sein würde, der auf seinen Rücken acht gab – und der ihn zum Schiff zurückführen würde, in dem wahrscheinlicheren Fall, dass dieser Schwachmat sich verlaufen würde – und er vertraute nicht mehr darauf, dass sie überhaupt erfahren würden, wenn der andere in Schwierigkeiten stecken würde, denn im Zweifel würde Zorro es ihnen wohl nicht erzählen. So wie Zorro niemandem erzählte, wie er die G6 überlebt hatte. So wie Zorro Sanji gegenüber nicht erwähnt hatte, wie schlimm seine Wunde gewesen war. So wie Zorro seinen Geburtstag nicht erwähnt hatte und für sich behalten hatte, was im Kampf gegen Bär passiert war. So wie Zorro ihnen so gut wie nichts über seine Kindheit und Vergangenheit erzählt hatte. So wie Zorro ihnen schlichtweg nichts von sich selbst erzählt hatte. Obwohl Sanji der Koch der Crew war, wusste er noch nicht mal, ob der andere irgendwelche Lieblingsspeisen hatte, hatte zwar seine Vermutungen, aber wirklich wissen tat er es nicht. Der Marimo hatte keine Allergien – soweit Sanji dank Chopper wusste – und er aß gefühlt alles, solange ein Krug Bier oder Sake danebenstand, aber Sanji wusste nicht, was der andere mochte oder nicht. Sanji wusste generell so gut wie nichts über den anderen. Nicht viel mehr als dessen Traum und dessen beinahe besessene Faszination für den Schwertkampf. Alles andere was er über dessen Vergangenheit wusste – dass er in einem Dojo im East Blue aufgewachsen war und sich nie selbst als Piratenjäger bezeichnet hatte, sondern nur zufällig zu einem geworden war, da er Geld gebraucht hatte – wusste er von Yusako und Johnny. Verdammt noch mal, Sanji wusste noch nicht mal, was die beschissene Lieblingsfarbe des anderen war – grün, vermutete er einfach mal – oder ob er sonst irgendwelche Vorlieben oder Abneigungen hatte. Er wusste noch nicht mal, welche der Crewmitglieder Zorro eigentlich mochte oder ob er sie nicht wirklich einfach nur alle tolerierte, weil Ruffy sie ausgewählt hatte und er Ruffy gegenüber loyal war. Nein, Sanji wusste eigentlich gar nichts über die Gedanken des anderen, er hatte noch nicht mal gewusst, ob Zorro ihn im Endeffekt all die Zeit respektiert oder nur geduldet hatte. Das Einzige, was er gewusst hatte, immer noch mit absoluter Sicherheit wusste, nicht eine Sekunde anzweifelte, war Zorros unerschütterliche Loyalität gegenüber Ruffy, die selbst für Sanji fast nicht nachvollziehbar war. Er hatte nie verstanden, warum ein Mann wie Zorro entschieden hatte, Ruffy zu folgen, hatte nie verstanden, wieso diese beiden Vollidioten einander so unumstößlich vertrauten, meist ohne auch nur ein Wort miteinander zu wechseln. Es kotzte Sanji an, dass Ruffy dem Marimo anscheinend so problemlos vertrauen konnte, während Sanji hier stand und an diesen Zweifeln wahnsinnig zu werden drohte, und noch mehr kotzte es Sanji an, dass Zorro anscheinend auch Ruffy so sehr vertraute wie niemandem sonst. Ruffy konnte kaum mehr wissen, als der Rest der Crew, vielleicht sogar noch weniger, trotzdem hatte er nicht einen Tag daran gezweifelt, dass Zorro überlebt hatte, zurückkommen würde, hatte nicht eine Sekunde an Zorro gezweifelt und stellte nicht eine Frage, sagte kein Wort über das Geschehene. Auf der anderen Seite hatte Ruffy die wichtigen Momente immer verpasst, hatte verpasst, als Zorro sich Bär gestellt hatte, als er seinen Kopf für Ruffy dargeboten hatte, als Zorro im Kerker sich von den Soldaten zusammenschlagen ließ, um Informationen zu erhalten, als er tonlos den Soldaten einen gnädigen Gott gewünscht hatte, ehe er sie hatte verbrennen lassen, als er Sanji so wissend angesehen hatte. Ruffy hatte nichts davon mitgekommen, war nie dagewesen, hatte nie Zorros Blick in einem solchen Moment gesehen, nie seine Stimme gehört, wenn er entschieden hatte, sich selbst zu verraten. Was wusste Ruffy schon? Je länger Sanji darüber nachdachte, desto unlogischer kam ihm diese seltsame Beziehung dieser beiden Vollidioten vor und desto logischer erschien ihm sein eigenes Misstrauen. Nie hatte er angezweifelt, dass Zorro alles tun würde, um diese Crew zu beschützen, aber langsam fragte er sich, wie er dem anderen je hatte vertrauen können, obwohl Zorro nie etwas von sich preisgegeben hatte. Nun sah er den anderen für einen Moment direkt an, als dieser aufstand und reckend seinem Kapitän folgte, der sich lauthals mit Law unterhielt, und hatte das Gefühl ihn zum ersten Mal zu sehen, zum ersten Mal wirklich zu sehen, und Sanji musste feststellen, dass er keine Ahnung hatte, wer der andere wirklich war. Plötzlich verstand er, warum ihr Schwertkämpfer an neuen Orten meist so argwöhnisch beäugt wurde. Er wusste, dass Zorro sie wohl alle beschützen würde, wusste, dass dessen Loyalität für die Crew nie brechen würde, aber ansonsten war der andere ein Fremder für ihn und wie sollte er einem Fremden einfach so vertrauen können? Sein Herz wurde schwer und tief holte er Luft, hatte keine Ahnung, wie er diese Kluft, die sich plötzlich vor ihm aufgetan hatte, überbrücken sollte, insbesondere jetzt, nachdem er einen solchen Streit mit dem anderen vom Zaun gebrochen hatte, dass er ihm an liebsten für Wochen aus dem Weg gehen würde. Doch dann sah er, wie Zorro von Bord ging und Sanji entschied, sich mit einem Problem auf einmal zu beschäftigen. Erst musste er sicherstellen, dass dieser Vollidiot sich nicht in irgendwelche Gefahren begab, dann musste er herausfinden, was dieser verdammte Vollidiot vor ihnen verheimlichte und wenn er dann noch Zeit und Lust hatte, konnte Sanji sich mit dem Vertrauensproblem des anderen beschäftigen. Also nahm er seinen Geldbeutel, seinen Einkaufskorb, sprach noch ein paar Details mit Nami ab und verließ dann ebenfalls die Thousand Sunny, mit genug Abstand, um nicht verdächtig zu wirken, aber nahe genug, um den anderen ihm Auge zu behalten. Schon früher hatte der Schwertkämpfer Alleingänge gemacht, wenn sie irgendwelche Inseln erreicht hatten, und daher sollte Sanji eigentlich nicht erwarten, dass dies irgendetwas Ungewöhnliches war, und mit jedem Schritt schien sich diese Vermutung zu bestätigen, als der Mooskopf scheinbar ziellos durch das kleine Städtchen nahe des Hafens strich, einzelne Schaufenster näher begutachtete und mit enttäuschten Seufzern feststellte, dass die Kneipen erst im Mittag öffnen würden – alter Säufer – und langsam fragte Sanji sich, ob er nicht vielleicht doch überreagiert hatte. Doch dann fiel es ihm auf, dieses kleine Detail, welches ihn schon die ganze Zeit gestört hatte, aber was er nicht hatte zuordnen können. Zorro trug keine Schwerter! Zorro ging nie von Bord, ohne seine Schwerter, hatte sie immer direkt neben der Koje stehen, nahm sie manchmal sogar mit ins Bad! Warum zur Hölle war dieser Vollidiot auf einer fremden Insel mit ungekannten Gefahren ohne seine Waffen unterwegs? Etwas stank hier bis zum Himmel! Sanji bog um die nächste Ecke, doch der andere war weg, wie vom Erdboden verschluckt. Kapitel 11: Kapitel 11 - Alkohol -------------------------------- Kapitel 11 – Alkohol   -Zorro- Gähnend schritt er den dunklen Flur irgendeines Hotels entlang. Er war müde, die vergangene Nacht hatte er kaum geschlafen. Worte und Erinnerungen seiner verstorbenen Mutter hatten ihn in seinen Träumen verfolgt, verwebt mit unheilvollen Aussagen von Freunden und Feinden der letzten Jahre. Er vermutete, dass die Diskussionen des vergangenen Tages Schuld an der unruhigen Nacht waren, aber er wunderte sich, warum ausgerechnet seine Mutter ihn beschäftigen sollte, schließlich dachte er so gut wie nie an sie. Auf der anderen Seite machte er sich nicht wirklich Gedanken darum. Träume waren nicht mehr als Träume und es überraschte ihn nicht, dass er schlecht schlief, wenn er an die letzten Tage dachte; viel war passiert. Es war nur nervig, wie müde er gerade war, und dass selbst jetzt noch die Stimme seiner Mutter in seinem Kopf widerhallte und ihn penetrant an vergangene Zeiten erinnerte. Aber auch darüber wollte er heute nicht nachdenken, nicht über seine Mutter, nicht über den Koch und erst recht nicht über Eizen und die Geheimnisse, die dieser sich zu Nutzen machen wollte. Nein, heute wollte Zorro diesen ganzen Mist für ein paar Stunden außen vorlassen und noch einmal die friedliche Ruhe von Kuraigana genießen. Er klopfte die vereinbarte Folge an der letzten Türe im Flur und wartete einen Atemzug, ehe er sie öffnete. Vor ihm bot sich ein fast schon zu vertrautes Bild. Der Samurai saß in einem ausladenden Sessel, der wirklich ein bisschen zu sehr nach dessen Lieblingssessel auf Kuraigana aussah, und nippte an einem Weinglas. Als Zorro eintrat, stahl sich ein gemeines Grinsen auf die harten Züge seines Lehrmeisters und seine Augen blitzten gefährlich auf. „Lorenor“, grüßte dieser ihn und seine Stimme erinnerte Zorro sofort an Gespräche im Kaminzimmer zurück. „Willkommen.“ Zorro nickte nur und schloss die Türe hinter sich. Etwas war seltsam und er war sich sicher, dass die Atmosphäre im Raum nichts mit seiner beschissenen Nacht zu tun hatte. „Du bist überaus pünktlich; ich hatte nicht damit gerechnet, dass du deinen Weg so schnell finden würdest“, urteilte der andere milde. „Was?“ „Ich werde mich nicht dafür entschuldigen, dass du einen miserablen Orientierungssinn hast, und erst recht werde ich es nicht verheimlichen, nur damit du so tun kannst, als ob du es nicht wüsstest.“ Einen Moment starrten sie einander an. Zorro würde dem anderen gewiss nicht auf die Nase binden, dass er eigentlich nur versucht hatte, den Koch abzuschütteln, und dann plötzlich vor dem von Dulacre beschriebenen Hintereingang gestanden und die Chance ergriffen hatte. Das brauchte der andere nun wirklich nicht zu wissen. „Ich bin hier und ich bin pünktlich. Sonst noch irgendwelche Beschwerden?“ Nun lachte der andere leise auf: „Oh, nicht doch. Um ehrlich zu sein, bin ich äußerst erfreut, dass du diesem Treffen zugestimmt hast. Ich hätte nicht erwartet, dass wir einander so schnell wiedersehen würden.“ „Wie war dein Auftrag?“, entgegnete Zorro nur, während er abschloss, um sicherzugehen, dass niemand aus Versehen hereinplatzte. Etwas war auf jeden Fall seltsam, was genau konnte er nicht sagen, aber er kannte den anderen gut genug, um zu erkennen, dass dieser etwas vorhatte. „Wie zu erwarten“, seufzte Dulacre und zuckte mit den Schultern, ehe er sich aufrichtete und zu einem kleinen Sekretär hinüberging, der verschiedensten Alkohol darbot, „langweilig und absolut unter meiner Würde. Aber darüber möchte ich jetzt nicht weiter nachdenken, nun da du endlich da bist. Sake?“ Der Ältere hielt ihm Glas und Flasche hin. „Es ist noch nicht mal Mittag.“ „Also kein Sake?“ „Tze.“ „Ist das ein Ja?“ Es war wie immer, Zorro konnte das Grinsen nicht verhindern, während das Wesentliche ihrer Kommunikation nicht in Worten stattfand. Er war sich sicher, dass der andere etwas verbarg, aber wenn er ehrlich war, war es ihm gerade egal. Vielleicht wollte Dulacre auch nur nicht, dass ihr Aufeinandertreffen sich komisch anfühlte, vielleicht war er tatsächlich einfach nervös, vielleicht war es gerade zwischen ihnen sogar einfach seltsam. Schließlich hatten sie sich das letzte Mal gegenübergestanden, als Zorro den Älteren davon abgehalten hatte, dessen Gefühle für Zorro zu gestehen. Natürlich wussten sie beide davon, aber sie beide hatten entschieden, dass dies nicht ihre Beziehung beeinflussen würde. Mit einem Schulterzucken ließ Zorro sich auf dem Sessel am Schachbrett nieder, während der andere ihm eingoss. Er konnte nicht verhindern, dass er sich freute; dieser Moment hier war genau wie früher, war so vertraut, dass Zorro beinahe vergaß, dass dies hier nicht das Kaminzimmer war, sondern irgendein Hotel in der Neuen Welt. „Etwas beschäftigt dich?“ Dulacre stellte ihm ein Glas hin und schenkte sich selbst Wein nach. „Wie kommst du darauf?“ Zorro hob den Sake an und konnte bereits am Geruch erkennen, dass dies eine Qualität war, die er sich nie selbst leisten können oder wollen würde. Vielleicht irrte er sich und der andere hatte doch etwas zu verbergen, vielleicht interpretierte er aber auch nur zu viel in Dinge hinein, vielleicht war er aber auch einfach nur müde. Tief seufzend unterdrückte er ein Gähnen und nahm einen Schluck. Die Geheimniskrämerei mit seiner Crew ließ ihn wohl Geheimnisse und Täuschung überall sehen. Es war der Sake, den Zorro am liebsten von all denen gehabt hatte, die der Ältere ihm während der letzten zwei Jahre zum Probieren angeboten hatte. Es war der Sake, von dem Dulacre nur eine einzige Flasche in seinem Weinkeller gehabt hatte; er musste ihn nachgekauft haben. „Genau deshalb“, meinte der andere nur und sah ihn wissend an, ehe er sich wieder auf seinen Sessel warf, „ich habe dich selten so schwer seufzen gehört.“ Natürlich hatte Dulacre ihn sofort durchschaut, vermutlich schon beim Telefonat am vergangenen Abend, aber Zorro war noch nicht mal wütend darüber. Er hatte es fast erwartet, vielleicht sogar ein bisschen darauf gehofft, aber das würde er natürlich nie zugeben. „Von wegen“, grinste er böse und ignorierte unnötige Gefühlsduselei, „natürlich muss ich seufzen. Wir sind im Begriff Schach zu spielen.“ „Wohl wahr.“ Dann beugte der andere sich vor und griff die Seite des Spielbretts. „Wo wir schon dabei sind, wie lange hast du Zeit zu bleiben? Ich wäre untröstlich, wenn du wegen mir deine Crew warten lassen würdest.“ „Ja, sicher.“ Zorro lachte und wollte nach einer Schachfigur greifen. „Heute Abend, wir haben also den ganzen Tag… Hey.“ Ohne Vorwarnung drehte Dulacre das Spielbrett, sodass nun die schwarzen Figuren vor Zorro standen und nicht, wie bisher immer, die weißen. Als Zorro den anderen ansah, wusste er, dass sein seltsames Magengefühl richtig gewesen war. „Wir beide dachten, dass unser nächstes Zusammentreffen erst in einigen Monaten sein würde, nicht wahr? Ich sage nicht, dass mich unser verfrühtes Treffen unglücklich stimmt, aber ich weiß, dass du dir mehr erhofft hast; ich hatte mir mehr erhofft.“ Die Falkenaugen sahen ihn klar an, sanft lächelte der Ältere entgegen seinem scharfen Blick. „Ich kann dir heute nicht den Kampf bieten, den du dir ersehnst, den ich mir ersehne. Ohne Jiroushins Einschreiten würde ich dich mit Sicherheit töten und das werde ich nicht riskieren. Aber dies ist mein Zeichen, dass ich dich als ernsthaften Gegner anerkenne. Ich ziehe die Samthandschuhe aus.“ Zorro hatte das Gefühl, dass Dulacre etwas Anderes meinte, als er sagte, aber er verstand nicht was, also nickte er nur, atmete aus und neigte dann leicht den Kopf. „Nun gut, dann leg los, zeig mir, wie man’s richtig macht.“ „Mit Vergnügen“, lachte sein Lehrmeister und machte seinen ersten Zug. Die nächsten Minuten verstrichen in einvernehmlicher Stille, nur unterbrochen von dem Klacken der Spielsteine, dem Klingen von Gläsern und nachdenklichen, wortlosen Lauten. „So geht das nicht“, stellte der andere dann äußerst missmutig fest und sah auf. „Lorenor, ich weiß, dir geht vermutlich gerade viel durch den Kopf – und davon hat mit Sicherheit das meiste nichts mit diesem Schachspiel zu tun – aber du bist selten so schweigsam wie heute, erst recht, wenn du mir doch so viel zu erzählen hast. Was ist denn los?“ Überrascht sah Zorro auf, Dulacre klang fast, wie ein unzufriedener Bengel und Zorro hatte keine Ahnung, was der andere meinte. Er war doch von Natur aus ein eher schweigsamer Zeitgenosse, fand das ganze Gerede oft nervig und unnötig und jetzt kam Dulacre daher und sagte ihm, dass es unüblich für ihn war, eben nicht drauf los zu plappern? „Sieh mich nicht so an, Lorenor.“ Dulacre konzentrierte sich wieder aufs Schachfeld. „Natürlich ist mir bewusst, dass du auch dem geeinten Schweigen etwas abgewinnen kannst, und wenn du dafür hergekommen bist, habe ich nichts dagegen einzuwenden. Aber normalerweise kannst du kaum erwarten, mir von deinen Erlebnissen zu erzählen, wenn du mehrere Tage unterwegs warst, und dabei ging es meist um ermüdende Tätigkeiten in Eizens Dienst, und nicht um die Wiedervereinigung mit deinen Freunden, auf die du zwei Jahre lang hintrainiert hast. Selbst, als du mich noch schlaftrunken von der Fischmenscheninsel aus anriefst, warst du gesprächiger als jetzt, deutlich gesprächiger.“ Er setzte einen Stein genau zwischen Zorros Strategie. Es war ihm nie aufgefallen, aber ja, Dulacre hatte Recht. Egal, was geschehen war, Zorro hatte ihm fast immer davon erzählt, manchmal um sich Rat zu holen, manchmal auch nur, um etwas Ärger abzulassen oder um den anderen zu informieren, und manchmal auch einfach nur… weil er es gewollt hatte, und natürlich wusste Zorro, dass der Ältere jede Einzelheit seiner vergangenen Kämpfe wissen wollte, schließlich waren sie beide Schwertkämpfer. Selbst auf der Thousand Sunny hatte er sich oft nach dem anderen umgedreht, um ihm etwas zu sagen und das, obwohl der andere noch nicht mal anwesend gewesen war. Sowohl auf dem Fest tief unten am Meeresgrund als auch auf der gefrorenen Insel hatte er mit vielen Menschen gefeiert, aber der eine, mit dem er über die Kämpfe hatte reden wollen, war nicht dagewesen. Warum also hatte er das vergessen? Warum war es ihm überhaupt nicht in den Sinn gekommen, von seinem Tag zu erzählen? „Also, Lorenor, ich bin neugierig, de Flamingo? Big Mom? Und Kaido? Wir haben nur ein paar Stunden und ihr scheint viel erlebt zu haben. Lass mich dir nicht alles aus der Nase ziehen.“ Noch für eine weitere Sekunde grübelte Zorro über seine verworrenen Gedankengänge, dann jedoch beschloss er, diese erstmal zu vergessen. Er war hierhergekommen, um den Frieden Kuraiganas zu genießen, und das würde er auch tun. „Wo soll ich anfangen?“, fragte er und setzte einen Stein. Dulacres Gesicht verriet nichts. „Das überlasse ich dir.“ Also erzählte Zorro, sprach von seiner Ankunft auf dem Sabaody Archipel, seinem Treffen mit Rayleigh – wobei er nicht alles erwähnte, worüber er mit dem dunklen König gesprochen hatte – und seinem Wiedersehen mit den Crewmitgliedern. Er erzählte von ihren Abenteuern in der Tiefsee und dem darauffolgenden Fest, von der Auseinandersetzung mit Big Moms Schergen und ihrem Auftauchen in der Neuen Welt. Dann erzählte er von Punk Hazard und den vergangenen Kämpfen, erzählte sowohl von Law und Caeser als auch von Tashigi und der Schneefrau. Er erzählte von den Konflikten und den Kämpfen, von seiner Crew und ihren Verbündeten, von den Spannungen der Welt und den langweiligen Schlachten. Wie so oft, wenn Zorro erzählte, schwieg der andere, stellte hier und da mal eine interessierte Frage oder bemerkte eine Kleinigkeit, ansonsten konzentrierte er seinen Blick auf das Schachbrett zwischen ihnen, genau wie Zorro. Einzig und allein als Zorro die Allianz mit Law erwähnte, zog der Samurai missbilligend die Augenbrauen hoch. Von den Konflikten innerhalb seiner Crew und mit sich selbst erzählte Zorro nicht. Es war schon nervig genug, dass Eizens Damoklesschwert andauernd über ihm hing, wie eine dunkle Wolke. Es war schon nervig genug, dass der Koch sich andauernd mit ihm anlegte und ihm so unter die Haut ging. Es war schon nervig genug, dass alle seine Freunde ihm das Gleiche rieten, ohne doch auch nur einen Hauch Ahnung von dem zu haben, worüber sie sprachen. Ausgerechnet heute wollte er nicht auch noch eine Auseinandersetzung mit Dulacre provozieren. Heute musste der andere einfach nur sein Freund, sein… Vertrauter sein, jemand, bei dem Zorro nicht auf seine Wortwahl aufpassen musste. Dann begann er über die bevorstehenden Kämpfe zu sprechen und langsam wurde ein Dialog daraus, als der Ältere mit ihm Strategien, Stärken und Schwächen erörterte, während sie weiterhin Steine versetzten. Dieses Spiel war anders als sonst. Ihnen beiden war bewusst, dass sie zwar nicht auf Zeit spielten und dennoch nur einen begrenzten Zeitrahmen zur Verfügung hatten. Sie beide wussten, dass sie ihre Entscheidungen relativ zügig fällen mussten und nicht stundenlang über die möglichen Folgen nachdenken konnten. Aber diese Art zu spielen, gefiel Zorro am meisten. Immer wenn sie ohne Zeitlimit gespielt hatten, hatte er nicht mal den Hauch einer Chance gehabt, dem anderen auch nur nahezukommen, hatte nicht mal davon träumen können, eine Gefahr darstellen zu können, egal wie sehr er sich den Kopf zermartert und wie viele Strategien er sich zusammengelegt - und teils sogar aufgeschrieben - hatte. Auf der anderen Seite waren die Spiele, in denen die Bedenkzeit fürs gesamte Spiel auf wenige Minuten beschränkt gewesen war, für ihn noch schwieriger gewesen, da die Züge des Älteren für ihn oft keinen Sinn ergeben hatten und er keine Zeit gehabt hatte, darüber tiefer nachzudenken. So wie sie gerade spielten, hatte Zorro am ehesten eine Chance und er fragte sich, ob Dulacre dies bewusst gewählt hatte, aber er entschied sich auf das Spiel und ihre Unterhaltung zu konzentrieren und nicht auf irgendwelche sinnlosen Vermutungen. Nun, da sie sich über künftige Kämpfe und mögliche Gegner unterhielten, war ihr Gespräch deutlich lebendiger als zuvor und die Schwere, die Zorro am bisherigen Morgen begleitet hatte, löste sich langsam von seinen Schultern, die Müdigkeit verflog. Irgendwann schwappten sie von hypothetischen Schlachten zu den Theorien der Schwerter und Begeisterung schlich sich in ihre Stimmen. Dulacre erzählte ganz aufgeregt von dem Buch, welches Zorro ihm übersetzt hatte – als hätte er es nicht selbst gelesen – und gemeinsam ereiferten sie sich über die damaligen Methoden, die selbst heute zum Teil noch genauso oder nur leicht variiert angewandt wurden. Sie sprachen über große Schwertkämpfer und bedeutende Schwerter, tranken ihren Alkohol in ungezügelten Mengen, lachten, scherzten und tadelten einander, forderten einander heraus und neckten einander, so wie sie es sonst auch immer gemacht hatten. Beiläufig erwähnte der Ältere die alten Sagen Alciels aus dem ersten Buch, welches Zorro ihm übersetzt hatte, sprach von der Weisen Pari, dem Baum Ornos und dem ersten wahren Schwertkämpfer Hakuryuu, während er Zorros Turm stahl, und plötzlich musste Zorro an Eizen denken, an Eizen, Alciel und seine Mutter… und an Sanji. Die Menschen heutzutage sind furchtbar scheinheilig, bieten ihre Hilfe an, ohne überhaupt helfen zu können. Sie haben dafür sogar einen Begriff. Ren, kennst du die Redewendung „einen Bärendienst erweisen“? Wer hatte denn ahnen können, dass Lorenor Zakuro tatsächlich ein Kind hatte und dass dieses Kind mir ausgerechnet fünfzehn Jahre später zum bestmöglichen Zeitpunkt über den Weg laufen würde? Wenn du jemandem deine Hilfe anbietest, stelle sicher, dass du auch die Konsequenzen tragen kannst. Nichts ist unhöflicher, als einem Hilfebedürftigen Hoffnungen zu machen, die man nicht erfüllen kann. Alles, was ich weiß, ist, dass du mir eine Aufgabe aufgezwungen hast, an der selbst du gescheitert bist. Du warst nicht da, als wir in den Hinterhalt der Marine geraten sind, du warst nicht da, als wir dich gebraucht hätten. Nein, es ist keine Schwäche, Hilfe anzunehmen. Aber sei dir bewusst, welche Folgen dies für dich und für die anderen hat. Setze Menschen, die dir helfen, keiner zusätzlichen Gefahr aus, sorge dafür, dass du die Konsequenzen deiner Taten trägst und nicht jemand anderes. Ich stand vor dem Scherbenhaufen unserer Crew. Ich war da und habe Ruffy sagen müssen, dass du gestorben bist! Ich habe die weinende Nami im Arm gehalten! Ich… ich bin nachts aus der Koje geklettert, weil Chopper gewimmert hat und sich nicht getraut hat, in eine andere Koje zu klettern als deine! Natürlich braucht jeder manchmal Hilfe, aber die Menschen heutzutage achten nicht mehr darauf, was ihre Hilfsbereitschaft sie kosten könnte. Wenn du sie also für ihre Hilfe wertschätzen willst, achte darauf, dass sie nach Möglichkeit nicht den Preis zu zahlen haben. Die fünf Weisen dachten ja, dass das Geschlecht schon seit Jahrhunderten ausgerottet sei, und ich selbst war da, um das Ableben der letzten Lorenor zu bezeugen, und nichts in dieser verwahrlosten Hütte deutete darauf hin, dass ein Kind dort leben würde, selbst die Dorfbewohner haben geschwiegen. Du hast noch nicht mal den Anstand gehabt uns, selbst die Wahrheit zu sagen. Du warst nicht da, als wir in den Hinterhalt der Marine geraten sind, du warst nicht da, als wir dich gebraucht hätten. Sei gütig, sei barmherzig, aber sei dir bewusst, dass jede Tat auch Folgen haben kann, die du nicht voraussehen konntest. Also stelle sicher, dass du nichts tust, was du eines Tages bereuen könntest, nur so kannst du die Konsequenzen deiner Entscheidungen ein Leben lang tragen. Sie sehen, jetzt habe ich alle Spielfiguren in Position und in ein paar Wochen, werden wir beide zusammen die Weltregierung stürzen. Mit Ihrem Blut und Ihrem Gesicht, und mit meiner Macht und meinem Wissen. Bereue nicht, Ren, ein Lorenor bereut nie die eigenen Entscheidungen. Ich war nie zu stolz dafür, mich von dir retten zu lassen. Aber wärest du bereit, dich von mir retten zu lassen? Wir beide wissen, dass du mir nie wirklich vertraut hast… noch nicht mal Ruffy. „Lorenor!“ Überrascht sah er auf, hatte ganz vergessen, wo er war, als plötzlich Erinnerungen über ihn hereingestürzt waren. Von der anderen Seite des Schachbretts her sah Dulacre ihn mit großen Augen an, hatte über den Tisch nach Zorros Arm gegriffen, während Zorro immer noch seinen Läufer hielt. Nun ließ der andere ihn los und sank zurück in seinen Sessel. „Was ist denn los? Du bist ja ganz abwesend.“ Er wusste nicht, was er sagen sollte, seine Hände zitterten; klackernd stieß der Läufer gegen den König und stieß ihn um. Es schien, als hätte er sich geirrt. Er konnte wohl doch nicht einfach die Vergangenheit ausblenden. Tief holte Zorro Luft und setzte dann die Spielfigur ab. Solche Dinge war er nicht gewohnt, war es nicht gewohnt, dass die Vergangenheit ihn an der Gegenwart zweifeln ließ, denn er bereute seine Entscheidungen nicht, nie, und das tat er selbst jetzt nicht. Warum also hatte er das Gefühl, dass er es sollte? „Lorenor, was stimmt denn nicht?“ Wieder sah er den anderen an, der ihn immer noch ernst betrachtete, ungewöhnlich ernst, selbst für dessen Verhältnisse. Als Eizen Zorro vor weniger als zwei Wochen die Wahrheit seiner Intrigen erzählt und ihm dabei das Bild seiner toten Mutter gezeigt hatte, da hatte es ihn aufgewühlt, ihn an vergangene Zeiten erinnern lassen. Aber nachdem er Eizen hinter sich gelassen hatte, hatte er auch solche Gedanken hinter sich gelassen. Warum also musste er jetzt an längst vergangene Gespräche mit seiner Mutter denken, Gespräche, die er schon fast vergessen hatte? Die letzten Tage hatte er an sie nicht einen Gedanken verschwendet, kaum einen an Eizen. Aber ausgerechnet heute, da er wieder in einem Raum mit Dulacre war, dem einen Menschen, den Zorro vielleicht solche Dinge erzählen würde, kamen diese Träume, kamen diese überwältigenden Erinnerungen. Er glaubte weder an Zufall noch an Schicksal, glaubte weder an Bestimmung noch an Vorsehung. Er glaubte nicht daran, dass es einen besonderen Grund gab, warum er ausgerechnet jetzt von solchen Dingen heimgesucht wurde, aber Zorro wusste, dass ihm gerade der einzige Mensch auf der Welt gegenübersaß, der ihm helfen konnte. „Lorenor? Jetzt sag etwas!“ Langsam kam er zu einer Entscheidung. Er wollte das alles so nicht mehr, wollte sich nicht mit seiner eigenen Crew streiten, ihren Zweifeln und ihrer Angst, aber auch ihrem Urteil und ihrer Wut ausgesetzt sein. Er wollte sich wieder wohl unter seinen Freunden fühlen, aber er wusste nicht wie, wusste nicht wie er die Brücken, die er eingerissenen hatte, wiederaufbauen sollte, ohne seine Freunde in Gefahr zu bringen, ohne seine bisherigen Entscheidungen zu leugnen. „Dulacre“, murmelte er dann und sah den Älteren an, stellte sich gegen seine eigene Entscheidung, „was bedeutet es zu vertrauen?“ Er würde seinen Konflikt mit dem Koch nicht lösen können, würde seine Meinungsverschiedenheit mit Robin nicht klären können, nicht, solange er nicht verstand, was sie ihm überhaupt vorwarfen. Der Samurai neigte den Kopf und sah ihn hochkonzentriert für eine lange Minute an, dann seufzte er, trank den Rest seines Glases in einem Zug leer und erhob sich, um ihnen beiden nachzuschenken. Sein Blick sagte Zorro, dass der andere viel mehr erfasste, als er ihm preisgegeben hatte. „Du hättest dir für diese Frage niemanden Ungeeigneteren aussuchen können als mich“, urteile Dulacre sanft und stellte Zorros Glas vor ihm ab, ehe er sich wieder hinsetzte und einen erneuten Schluck nahm. „Wie du weißt, bin ich ein Mensch, der aufgrund rationaler Entscheidungen und strategischem Denken handelt – meistens zumindest – und natürlich stütze ich meine Überlegungen auf mein Wissen.“ Erneut nahm Dulacre einen Schluck und sah ihn immer noch so direkt an, als wollte er versuchen, Zorros Gedanken zu lesen, um herauszufinden, was ihn erschüttert hatte. Aber natürlich gelang ihm das nicht, die Mauer um Zorros Gedanken war von Natur aus massiv. „Aber Vertrauen setzt da ein, wo Wissen an seine Grenzen kommt, zumindest meiner bescheidenen Meinung nach.“ Der andere nahm Zorros Läufer und stellte ihn genau auf das Feld, welches er selbst auch gewählt hätte. „Menschen treffen ihre Entscheidungen aufgrund ihres Wissens, ihrer Intuition – ihres Bauchgefühls, wenn man so will – und aufgrund ihres Vertrauens, ihrer Hoffnungen. Je mehr man weiß, desto weniger braucht man Intuition, Hoffnung oder Vertrauen, weil man in der Lage ist, einzuschätzen, was passiert, aufgrund eigener Erfahrung und Deduktion. Sobald Wissen und Handlungsmöglichkeit jedoch begrenzt sind, bleibt einem nichts Anderes übrig, als zu hoffen, oder aber man vertraut.“ Dulacre setzte einen Bauer direkt neben Zorros Läufer, ohne ihn anzusehen. Wieder einmal überraschte Zorro, wie ernst der andere seine kindische Frage nahm, offensichtlich bemüht, sie so gut er konnte zu beantworten, als wüsste er genau, wie wichtig es Zorro war. Egal, was passierte, Dulacre nahm ihn immer ernst und hörte ihm zu, machte sich nie über Zorros Unwissenheit und Einfältigkeit lustig, zumindest nicht in Momenten, in denen es Zorro etwas ausmachen könnte. „Vertrauen ist sowohl Gedanke als auch Gefühl, deshalb ist es so schwer zu begreifen und so schwer zu fassen und so, wie jede andere Emotion auch, ist das Vertrauen unglaublich facettenreich. Man kann in die eigenen Fähigkeiten Vertrauen haben, den eigenen Körper, andere Menschen, Naturphänomene, das Schicksal, Gott oder die Zeit, das treue Haustier, so ziemlich alles, was du dir vorstellen kannst.“ Mit einer Handbewegung forderte der Samurai ihn auf, weiterzuspielen, und Zorro folgte der Einladung. „Gerade in Beziehungen ist Vertrauen wichtig, sowohl auf politischer, beruflicher als auch auf privater Ebene, zwischen Vertragsparteien, Kollegen und Freunden, denn ansonsten würde immer Misstrauen und Zweifel einhergehen, sobald das eigene Wissen an seine Grenzen kommt.“ Zorro fragte sich, ob es das war, was gerade in seiner Crew passierte, was gerade zwischen Sanji und ihm passierte. Der Koch hatte sein Vertrauen in ihn verloren, weil er nicht wusste, was geschehen war, und da Zorro ihn bewusst im Dunkeln ließ, blieb ihm vielleicht nichts Anderes als Misstrauen und Zweifel. „Jedoch verkennen die meisten Menschen etwas ganz Entscheidendes: Vertrauen ist nicht absolut, Lorenor.“ Er sah auf, als Dulacre ihn beim Namen nannte und mahnend den Zeigefinger hob. „Meiner Erfahrung nach ist Vertrauen nie allumfassend, ganz gleich wie gut du eine Person kennst, ganz gleich wie wenig du an dieser Person zweifelst, es ist unmöglich, einem anderen zu einhundert Prozent zu vertrauen.“ „Was?“, warf Zorro verwirrt ein. „Wovon redest du denn da? Natürlich ist das möglich. Ich vertraue Ru…“ „Lass mich bitte aussprechen“, unterbrach der andere ihn kühl, „schließlich warst du derjenige, der die Frage gestellt hat. Also hör dir meine Antwort an.“ Entschuldigend hob Zorro kurz beide Hände, ehe er einen Schluck seines Sakes nahm. Der Samurai tat es ihm gleich und sprach dann weiter: „Lass es mich dir an einem Beispiel erklären. Würde ich Kanan mein Leben anvertrauen? Natürlich. Dein Leben? Auch das. Würde ich ihr vertrauen, dass ich tun und lassen kann, was ich will und sie mich am Ende immer noch wie den Bengel von damals behandelt?“ Sein halbes Grinsen war Antwort genug. „Aber würde ich ihr vertrauen, dass sie nicht an der Tür lauscht, während wir beide ein Gespräch führen? Oh, nein. Vertraue ich ihr, dass sie dir nicht jede peinliche Anekdote aus meiner Kindheit erzählt, sobald sie dazu die Gelegenheit hat? Auf keinen Fall. Vertrauen ist vielschichtig und komplex. Zu sagen, man würde jemandem vollumfänglich vertrauen, in jeder Situation, jeder Kleinigkeit, ist als würde man sagen, ein Wald sei einfach nur grün. Auf den ersten Blick mag es zutreffend sein, aber es ist eine ungenaue, vereinfachte und im Detail somit schlichtweg falsche Aussage. Verstehst du meine Ansicht?“ Zorro zog zweifelnd die Augenbrauen hoch und setzt seinen Turm nach vorne. „Du willst mir also sagen, dass Vertrauen immer unvollkommen ist, ganz gleich was man tut, und dass man niemandem je vollkommen vertrauen kann?“ „Nichts ist vollkommen, Lorenor, es gibt keine Skala von eins bis zehn, auf der wir Emotionen messen und sagen können, welche vollkommen ist und welche nicht, weder bei Vertrauen noch bei Schmerz, Glück oder Leid. Selbst unser Wissen ist nicht vollkommen, besteht aus komplexen Verbindungen von Erlerntem und Erfahrungen. Es ist nicht die Vollkommenheit, die Gefühle wertvoll macht, sonst wäre dieses Schachspiel hier gerade sinnlos. Sonst wäre jede Kleinigkeit, die zwar eine Emotion in uns hervorruft, aber eben nicht einen starken, überwältigen Gefühlsausbruch, wertlos. Es kommt nicht darauf an, dass wir ein Gefühl in Perfektion erleben, sondern dass wir es überhaupt erleben. So zumindest würde Jiroushin dir diesbezüglich antworten und er ist auf diesem Gebiet deutlich bewanderter, als ich es je sein möchte.“ Dulacre nahm einen Springer und schlug Zorros Läufer. Seufzend rieb Zorro sich durchs Gesicht, weniger wegen des Spielverlaufs – sie beiden wussten, dass der andere ihn vermutlich jederzeit schlagen konnte, wenn er nur wollte – sondern weil er versuchte, zu begreifen, was dies für ihn und seine Freunde bedeutete. „Das heißt, selbst du vertraust niemandem zu hundert Prozent?“ „Ich?“ Der andere lachte auf. „Ach, Lorenor, kennst du mich so schlecht? Ich vertraue noch nicht mal zu fünfzig Prozent, vielleicht noch nicht mal zu zehn. Ich handle nicht gerne aufgrund von Emotionen und Vertrauen gehört nun mal auch dazu.“ „Was ist mit Jiroushin?“ Nun sahen sie einander für einen kurzen Moment an, ehe Zorro seinen Blick wieder aufs Spielfeld senkte. „Keiner kennt dich wohl so gut wie er und du hast ihm vertraut, dass er mich nicht an die Marine verraten würde und dass er dich davon abhält, mich umzubringen. Ich dachte, es gäbe keinen Menschen auf dieser Welt, dem du so sehr vertraust, wie Jiroushin.“ Nun seufzte der andere. „Das stimmt wohl auch. Ich vertraue Jiroushin, wobei mein Vertrauen hier natürlich durch viel Wissen und Menschenkenntnis erleichtert wird. Ich kenne seinen Charakter und seine Vergangenheit und kann daraus schlussfolgern, wie er in den meisten Situationen reagieren wird. Aber…“ Dulacre nahm einen tiefen Schluck und leerte erneut sein Glas. „… selbst mit ihm gibt es Momente, in denen ich nicht einschätzen kann, wie er reagieren könnte und nein, in solchen Momenten vertraue ich ihm nur selten.“ Der Samurai ignorierte Zorros Überraschung und stand auf, um sich nachzugießen. „Ich war mir damals äußerst unsicher, wie er reagieren würde, wenn er die Wahrheit hinter dir und Lady Loreen herausfinden würde. Warum sonst glaubst du, hatte ich ihn darum gebeten, mich anzuhören, wenn der Tag kommen würde? Ich habe nicht darauf vertraut, dass er dich verschonen würde und ich habe Recht behalten, er hat dich angegriffen.“ Erneut sahen sie einander ruhig an. „Aber du hast darauf vertraut, dass er dir zuhören würde. Du hast darauf vertraut, dass du ihn aufhalten konntest.“ Nickend setzte sich der Ältere wieder hin. „Ja, das stimmt. Wie gesagt, selbst ich kann vertrauen, aber mein Wissen und meine Erfahrung schützen mich davor, zu glauben, dass ich ihm vollkommen vertrauen kann, aber das macht mein Vertrauen in ihn nicht weniger wertvoll. Im Gegenteil, es beschützt unsere Freundschaft.“ „Wie meinst du das? Du hast eben noch gesagt, dass Vertrauen in Beziehungen wichtig ist, weil sonst Zweifel und Misstrauen besteht, jetzt sagst du aber, dass fehlendes Vertrauen eure Freundschaft beschützt, das ergibt keinen Sinn.“ Kopfschüttelnd setzte er einen Bauer um. „Lorenor, hast du mir überhaupt zugehört?“, seufzte der Ältere. „Ja, habe ich“, entgegnete er missmutig. „Es gibt kein absolutes Vertrauen, aber dennoch ist Vertrauen wichtig für eine Beziehung, aber nicht zu viel, weil… weil… weil was?“ Fragend sah er zu dem anderen auf. Er kam sich wie ein Vollidiot vor, weil er anscheinend etwas so Einfaches wie Vertrauen nicht verstand und es erklärt bekommen musste, als hätte er die letzten zwanzig Jahre nicht wie ein Mensch mit Gefühlen und all dem Kram gelebt. „Ich kapiere, dass es unmöglich ist, jemandem vollumfänglich zu vertrauen, aber wir streben in allem nach Perfektion, warum nicht auch darin? Warum sagst du, dass es gut ist, wenn man sich nicht komplett vertraut?“ Für eine Sekunde sah Dulacre ihn aus scharfen Augen an, dann stand er auf, ergriff die Sakeflasche und reichte sie Zorro. „Lies“, befahl er und deutete mit einem Finger auf den Alkoholgehalt. „Was, aber…?“ „Lies, Lorenor.“ „Der hat 22 Prozent Alkohol. Warum soll ich das lesen? Willst du mir jetzt ein schlechtes Gewissen machen?“ Der Ältere stellte die Flasche wieder weg und setzt sich hin. „Du hast mir einst gesagt, dass du einen hohen Alkoholgehalt in deinen Getränken schätzt, Lorenor, nicht wahr?“ Er nickte. „Das heißt, du bevorzugst den Sake mit 20 Prozent vor dem vierprozentigen Bier, und gegen einen noch stärkeren Rum hättest du erst recht nichts einzuwenden?“ Erneut nickte er, nicht verstehend, wohin dieser alkoholische Ausflug führen sollte. „Würdest du also auch hundertprozentigen Alkohol trinken?“ „Nein, der ist nicht zum Trinken, den benutzt man zum Desinfizieren von Wunden“, widersprach Zorro, stolz darauf, zumindest eine Sache von Choppers Vorträgen behalten zu haben. „Bingo.“ Dulacre bewegte seinen Springer. „Alkohol gibt einem Getränk etwas Besonderes, aber das bedeutet nicht, dass je höher der Alkoholgehalt ist, desto besser ist das Getränk. Es kommt auf eine ausgewogene Mischung an.“ „Also, damit ich das richtig verstehe, das Getränk ist die Beziehung zu einer Person und der Alkohol ist der Anteil, den das Vertrauen darin ausmacht?“ „So könnte man es nennen. Jeder Mensch hat einen anderen Geschmack und mag verschiedene Getränke mit verschiedenem Alkoholgehalt. Aber wenn jemand hundertprozentigen Alkohol verlangt, dann weil er verletzt wurde, aber er verkennt, dass kein Alkohol der Welt eine Wunde schließen kann, sondern nur Zeit, und wer hundertprozentigen Alkohol verlangt, wird sich verletzten, denn es brennt, wenn man die Wunde damit versorgt.“ „Dieser Vergleich hinkt“, murrte Zorro und setzte seine Dame um, „ja klar, es brennt, aber der Alkohol desinfiziert die Wunde und ist daher sinnvoll.“ „Es war eine Metapher, Lorenor, wohl wahr keine perfekte, aber du verstehst, worauf ich hinauswill.“ Gleichzeitig griffen sie nach ihren Gläsern und nahmen noch einen Schluck. „Aber ich verstehe immer noch nicht, warum unvollständiges Vertrauen gut ist. Wenn du Kanan nicht darin vertraust, dass sie dir nicht hinterherspioniert, ist das doch etwas Schlechtes, oder nicht?“ „Nein, ist es eben nicht. Denn so werde ich mich nicht hintergangen fühlen, wenn ich sie dann doch an der Tür erwische. Es kommt darauf an, was du erwartest, Lorenor. Wenn du in eine Bar kommst und Sake bestellst, wirst du diesen auch bekommen und zufrieden sein, wenn du aber in eine Bar gehst, um Alkohol zum Desinfizieren zu erhalten, wird der Wirt dir maximal hochprozentigen Rum oder Weingeist anbieten können, die zwar viel Alkohol enthalten, aber nicht 100 Prozent und somit wirst du unzufrieden sein.“ Warum musste der andere es ihm immer in so komplizierten Bildern erklären? Dulacre schmunzelte, als hätte er Zorros Gedanken gelesen. „Lass es mich anders ausdrücken. Mir ist bewusst, dass Kanan eine sehr neugierige und fürsorgliche Person ist, also erwarte ich gar nicht, dass sie sich in solchen Situationen anders verhält, und dadurch, dass ich ihr in diesen Situationen nicht mein Vertrauen schenke, kann sie dies auch nicht verletzten. Ich erwarte von ihr nicht, dass sie sich entgegen ihres Charakters verhält, nur weil ich ihr diesbezüglich gerne vertrauen würde.“ Nachdenklich betrachtete Zorro sein leeres Glas. „Du meinst also, dass es in Ordnung wäre, wenn Jiroushin dir mal nicht vertraut, wenn es sich um eine Sache handelt, bei dem du sein unbegründetes Vertrauen sonst verletzten würdest?“ „Ja, so in etwa.“ „Aber woher weiß ich denn im Vorhinein, ob der andere mein Vertrauen verletzten wird oder nicht? Ich dachte, darum geht’s beim Vertrauen, dass man es eben nicht weiß.“ „Das weiß man auch nicht, Lorenor. Es ist ja auch nicht so, als würde man sich aussuchen, in welchen Bereichen man jemand anderem vertraut oder nicht, es ist ja nicht so, als ob man sich die Rosinen raussuchen könnte. Aber es ist wichtig, dass man sich bewusstmacht, dass man niemandem in allen Bereichen vertraut. Denn wenn mir bewusst ist, dass Jiroushin mir in manchen Belangen nicht vertraut – ganz gleich mit welcher Begründung – dann verletzt es mich auch nicht, wenn er eben nicht in Vertrauen auf mich handelt.“ Dulacre schlug einen von Zorros Bauern. „Wenn er mich jedoch in dem Glauben lässt, dass er mir sehr wohl in einer bestimmten Sache vertraut, dann aber doch nicht in diesem Sinne handelt, lässt mich das zumindest verwirrt zurück, weil ich ja dachte, dass er mir vertraut.“ Zorro betrachtete das Spielfeld. „Es ist also nicht das fehlende Vertrauen, was die Beziehung schützt, sondern das Erkennen, dass kein Vertrauen vollkommen ist?“ „Und jetzt hast du es verstanden.“ Für einen Moment sahen sie einander an und der Ältere zeigte dieses gefährliche Grinsen. „Dann erzähl mir mal, Lorenor, was wirst du nun mit diesem Wissen anstellen?“ Überrascht wandte er den Blick ab und setzt eine Figur um, ärgerte sich fast im gleichen Moment, da es ein Fehler war. „Uh“, kommentierte der Samurai es auch zugleich mit einem fiesen Unterton, „das war schlecht.“ „Ich weiß“, murrte er tonlos. „Es ist nichts.“ „Ich werde dich nicht zwingen“, bemerkte Dulacre und bestrafte Zorros Fehler sofort, „aber Vertrauen innerhalb einer Crew ist wichtig und ich vermute, dass du dir nicht um Kanans oder um Jiroushins Vertrauen Sorgen machst, nicht wahr?“ Wie er diese Allwissenheit des anderen hasste. „Jemand in deiner Crew hat sein Vertrauen in dich verloren und das sorgt für Spannungen, habe ich Recht?“ „Nein“, murmelte er und setzte erneut einen Bauern, „also vielleicht auch, ich weiß es nicht, aber darum geht es nicht.“ „Worum dann?“ „Ich weiß nicht, ob ich ihnen vertraue.“ Kapitel 12: Kapitel 12 - Konfrontation -------------------------------------- Kapitel 12 – Konfrontation   -Mihawk- „Ich weiß nicht, ob ich ihnen vertraue.“ Ach, da war es endlich. Nach so langer Zeit schien Lorenor endlich die richtigen Zweifel zu hegen. Dieses Gespräch war aber auch bereits lange überfällig, Dulacre hätte Lorenor schon vor Monaten sagen können, dass dort der Hase begraben lag, aber damals hätte Lorenor es noch nicht verstanden, wäre wahrscheinlich erzürnt aus dem Zimmer geflohen, so wie er es sonst immer tat. Hätte Dulacre vielleicht sogar angebrüllt, wie er sich hätte erdreisten können, Lorenors Vertrauen in dessen Crew anzuzweifeln, nachdem er sogar bereit gewesen war, für sie zu sterben. Lorenor hatte nie so ganz begriffen, dass bedingungslose Loyalität und zweifelsloses Vertrauen nicht das Gleiche waren. Nun jedoch schien es, als wäre Lorenor endlich bereit und auch wenn Dulacre wirklich einen anderen Plan für dieses Gespräch gehabt hatte, so würde diese erfreuliche Entwicklung ihm vielleicht zugutekommen. Wenn Lorenor seine bisherige Wahrnehmung hinterfragen würde, könnte es sein, dass er von sich aus entscheiden würde, Dulacre die Wahrheit zu sagen, ohne dass er überhaupt einen Streit riskieren brauchte. Dafür musste er nur die richtigen Weichen stellen und das Gespräch in die richtigen Wege lenken. So würde der Tag doch noch interessant werden. „Nachdem wir also jetzt erörtert haben, was Vertrauen überhaupt bedeutet, zu welchem Schluss bist du gekommen?“, fragte er den Jüngeren. Lorenor hatte seinen Blick auf das Schachfeld konzentriert, während Dulacre ihnen wieder nachgoss. Die Mengen an Alkohol sollten bedenklich sein, aber Lorenor vertrug bekanntermaßen Unmengen und Dulacre schlug sich auch nicht so schlecht. „Ich weiß es nicht“, murmelte er dann schließlich, „ich weiß nicht, was ich denken soll.“ Für einen Moment beobachtete er den Jüngeren, der sich durch Gesicht und Haare rieb, offensichtlich unzufrieden – vielleicht auch überfordert – mit dieser Situation und seinen eigenen Gefühlen. Es tat Dulacre beinahe leid, ihn so zu sehen. Lorenor hatte sich schon immer schwer mit Emotionen getan, wenn auch aus ganz anderen Gründen als Dulacre. Während er selbst sich schlichtweg nicht für die Gefühle anderer interessierte, sie aber stets analysierte, um sie gegen den anderen verwenden zu können, hatte Lorenor eine recht schlichte, direkte Ansicht und schien seine Schwierigkeiten zu haben, zu verstehen, dass die meisten Menschen mehr als eine Emotion auf einmal fühlen konnten, dass selbst er mehr als eine Emotion auf einmal fühlen konnte. Er war eher das Gegenteil von Dulacre; obwohl er die Gefühle anderer und wohl auch seiner selbst wahrnahm, ignorierte er deren Existenz schlichtweg. „Dann lass mich dir helfen“, bot Dulacre an und stellte die fast leere Weinflasche weg. Er hatte nicht mehr viele dieser Sorte, würde also bald nachbestellen müssen. „Erzähl mir deine Gedanken und ich helfe dir, sie zu sortieren.“ Lorenor holte tief Luft, nickte und sah ihn dann an, sein Blick deutlich klarer als zuvor. Er war offensichtlich frustriert, aber es schien Dulacre, als wäre Lorenor endlich bereit, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen, und wie Lorenor nun mal war, wann immer er einem Problem gegenüberstand, würde er auch hier nicht weichen, sondern sich durchbeißen. „Ich weiß nicht, womit ich anfangen soll“, gestand er ein. „Mit irgendetwas, mit dem ersten, was dir in den Sinn kommt.“ Erneut seufzte der andere, dann schüttelte er den Kopf und lehnte sich im Sessel zurück. „Sie sagte, ich würde diese zweite Chance erhalten, um aus meinen Fehlern zu lernen. Ich dachte, ich hätte diesen anderen, schwachen Körper erhalten, damit ich lerne, mich nicht nur auf meine eigene Stärke zu verlassen, sondern auch auf die anderen. Ich dachte, das wäre der Grund, warum ich auf Sasaki gelandet war, weil du der einzige Mensch wärest, dem ich zumindest damals erlauben hätte, mich zu beschützen.“ Dulacre konzentrierte sich etwas zu sehr auf das Glas in seiner Hand. Manchmal vergaß er, wie verdammt direkt Lorenor sein konnte, wenn er denn dann sprach. Diese unverblümte Ehrlichkeit ohne falsche Scham, ohne falschen Stolz, war ihm beinahe unangenehm, aber es machte ihn auch ein bisschen stolz. „Aber was ist, wenn ich falsch liege?“, meinte Lorenor dann. „Was ist, wenn mein Fehler etwas ganz anderes ist?“ „Wenn du sie meinst, dann redest du von diesem Wesen, welches dir im Totenreich begegnet ist?“ Erst ganz wenige Male hatte der Jüngere ihm erzählt, wie er den Krallen des Todes wieder entkommen war. Meist hatte Lorenor ihm nur erklärt, dass er eben nicht mit ihm darüber sprechen würde. Daher war Dulacre nun vorsichtig, denn er wusste, dass jedes falsche Wort Lorenor dazu bringen könnte, dieses Gespräch zu beenden und vielleicht würde Dulacre dieses Mal endlich die ganze Wahrheit erfahren. „Ja“, murmelte der andere ruhig, „sie sagte, ich hätte etwas in meinem Leben verlernt, hätte deshalb etwas falsch gemacht, und das hätte dann meinen Tod verursacht. Dieser neue Körper und der Ort, an den ich kommen würde, sollten mir dabei helfen, es wieder zu erlernen.“ Lorenor lehnte sich wieder nach vorne und sah Dulacre unverhohlen an, hatte offensichtlich entschieden, dass dieses Gespräch für ihn wichtiger war, als seine Geheimnisse weiterhin vor Dulacre zu bewahren. „Und du hast gedacht, dass dein Fehler war, nur auf deine eigene Stärke und nicht auch auf die Stärke deiner Freunde zu vertrauen?“, fragte er nach, obwohl er die Antwort bereits kannte. Vor über einem Jahr hatten sie sich schon mal darüber unterhalten, wobei es eher laut ausgesprochene Gedanken Lorenors während Dulacres zufälliger Anwesenheit gewesen waren. Schon damals hatte er diesen Gedankengang des anderen angezweifelt. Schon damals hatte Dulacre seine Zweifel gehabt, dass Lady Loreen nur dafür existierte, damit Lorenor auch mal physische Unterlegenheit erlebte, hatte er doch in seinem ‚starken‘ Körper bereits gegenüber Dulacre Unterlegenheit erlebt. Er glaubte auch nicht, dass Lorenor ihm vor die Füße gelegt worden war, nur weil er jemand war, vor dem Lorenor Respekt hatte, weil er stärker war. Dulacre war sich sicher, dass das Schicksal seine Hände im Spiel hatte. „Ja“, stimmte der Jüngere ihm zu, „und ich war mir auch ziemlich sicher, dass dies die Wahrheit ist, es passte halt.“ Endlich wandten sie sich wieder dem Schachspiel zu. „Der Koch hat mir vorgeworfen, dass ich zu stolz wäre, um mir von anderen helfen zu lassen, und er hatte Recht. Früher wollte ich nicht, dass andere mir helfen, hab es als Schwäche angesehen und wollte nicht, dass andere die Konsequenzen meiner Entscheidungen tragen müssen.“ Lorenor seufzte. „Letzten Endes habe ich den anderen auch nicht vertraut. Ich habe ihnen nicht vertraut, dass sie stark genug sein könnten, um mir zu helfen, wenn ich nicht mehr in der Lage sein sollte, mir selbst zu helfen.“ „Und jetzt glaubst du nicht mehr, dass dies das Problem ist?“ Dulacre schlug Lorenors Dame. „Ich weiß es nicht. Dieser falsche Stolz, den der Koch mir vorgeworfen hat, den habe ich in den letzten zwei Jahren abgelegt, da bin ich mir sicher. Ich vertraue ihnen, dass sie mich beschützen könnten. Sie sind stark, sie sind alle so stark geworden. Du solltest Chopper sehen, Lysop, du solltest Ruffy sehen. Sie alle haben ihre Fähigkeiten so sehr verbessert. Ich vertraue ihnen, Dulacre, ich vertraue ihnen.“ Dieser Blick war eindeutig, Lorenor glaubte wirklich, was er sagte. „Wenn ich aber doch weiß, dass ich ihnen vertraue, warum zur Hölle machen mich die Vorwürfe des Kochs so wütend? Warum macht es mich wütend, dass er mir sagt, dass er mir nicht vertraut? Warum macht es mich so wütend, dass sie mich alle hinterfragen, dass niemand von ihnen einfach meine Entscheidung akzeptiert, nicht über alles reden zu wollen?“ Lorenor versetzte einen Bauer, offensichtlich kaum mehr darauf bedacht, überhaupt zu spielen. „Ich weiß, dass ich ihnen vertraue, warum also habe ich das verdammte Gefühl, dass der Koch Recht hat?“ Immer noch sah sein Wildfang ihn so direkt an, zeigte ihm ganz offen seine Schwäche, und als wäre er ein verdammter Therapeut lag es also nun an Dulacre, dem anderen zu helfen. Dies waren die Momente, in denen er sich wünschte, dass Jiroushin anwesend wäre, der mit solchen Situationen so viel feinfühliger umgehen konnte als Dulacre. „Was genau hat der Smutje dir vorgeworfen, Lorenor? Dass du zu stolz bist oder dass du ihnen nicht vertraust?“ „Beides.“  Er war wirklich versucht, Lorenor einfach die Wahrheit zu sagen, aber er war so nah dran, also übte Dulacre sich wieder einmal in Geduld. „Und sein Vorwurf bezüglich deines falschen Stolzes deckt sich mit deiner Vermutung, dass du dieses zweite Leben erhalten hast, um aus eben diesem Fehler zu lernen?“ „Ja, aber…“ „Warum also zweifelst du plötzlich an dieser Vermutung? Sie scheint doch zumindest recht schlüssig.“ Nun sah der andere aufs Schachfeld. „Keine… keine Ahnung. Ich dachte nur… nur, dass…“ „Wieso hat dich der Begriff des Vertrauens so aufgewühlt, Lorenor?“ Dulacre verschob seinen Springer. „Wieso war es dir so wichtig herauszufinden, was es bedeutet zu vertrauen – oder zumindest was mein Verständnis dieses Begriffs ist – und wieso war das Erste, was dir einfiel, nachdem ich die Konflikte mit deiner Crew ansprach, was dieses Wesen aus der Totenwelt dir gesagt hat?“ Mit großem Auge sah der andere auf, heute schien der Berry aber nur ganz langsam fallen zu wollen. „Ich bin mir sicher, dass du die Antwort schon längst weißt, sie dir aber nicht eingestehen willst, aus welchen Gründen auch immer.“ „Willst du etwa sagen, ich wäre…?“ „Lorenor“, unterbrach er den anderen und hob beruhigend eine Hand, „ich bin nicht dein Feind. Ich versuche, dir zu helfen, auf deinen Wunsch hin.“ Schnaubend ließ Lorenor sich zurückfallen, ehe er sich wieder nach vorne lehnte und Dulacre einen seiner Bauern nahm, offensichtlich aus Frust und offensichtlich ein Fehler. „Aber ich vertraue ihnen“, beharrte Lorenor auf seinen Standpunkt, wie der sture Bengel, der er manchmal nun mal auch sein konnte. „Du hast selbst gesagt, dass es kein vollkommenes Vertrauen gibt, also ist es nur logisch, dass ich den anderen nicht in allen Dingen vertraue, ohne dass es was Schlechtes ist.“ „Dennoch bist du wütend darauf, dass der Smutje dir nicht mehr vertraut.“ „Das ist etwas anderes.“ Lorenor verschränkte die Arme. „Ist es das?“, hakte Dulacre nach und nahm noch einen Schluck seines Weines. Wenn Lorenor sich weiter so schwertat, würde das noch ein sehr langes Gespräch werden. „Warum? Warum ist es etwas anderes?“ „Du weißt, warum“, knurrte der Jüngere und setzte seinen Springer nach vorne. „Ich habe mein verdammtes Leben für sie riskiert, immer und immer wieder, und ich bin verdammt noch mal jedes Mal zurückgekommen. Es gibt für ihn keinen Grund, mir nicht zu vertrauen!“ „In Bezug worauf?“ „Was?“ Für einen Moment sahen sie einander an und er erkannte, dass Lorenor es immer noch nicht begriffen hatte, sich selbst im Weg stand, es vielleicht noch nicht mal begreifen wollte. „Ach Lorenor, wir haben doch eben erörtert, dass Vertrauen komplex ist, es hat verschiedene Farben und Formen, so wie das Grün des Waldes, manche Blätter sind leuchtend Grün, manches Gras hingegen nur ganz blass und der Stamm ist andererseits braun.“ „Hör mir mit deinen verdammten Vergleichen auf. Das hilft mir nicht.“ „Dann lass es mich dir noch mal ganz direkt sagen: Vertrauen ist situationsabhängig, charakterabhängig, beziehungsabhängig. Wenn du also sagst, dass der Smutje dir vertrauen müsste, dann frage ich dich, in was von dir er vertrauen soll, denn – wie eben erklärt - ein absolutes Vertrauen gibt es nicht.“ „Naja, in alles halt. Also nicht in alles – keine Ahnung, er sollte mir vielleicht nicht das Weinregal nachts offenstehen lassen – aber in allem Relevanten kann er mir vertrauen.“ „Dass du die Crew beschützt?“ „Genau das!“ „Dass du deine Kämpfe gewinnst?“ „Natürlich!“ Klackend stellte Dulacre seinen Turm vor Lorenors König ab. „Dass du aus deinen Kämpfen unverletzt zurückkommen wirst?“ „Naja, bei ein paar Kratzern soll der sich mal nicht so anstellen. Geht den ja nichts an.“ „Dass du deinen Wunden nicht erliegst?“ „Was hat das denn jetzt damit zu…?“ „Dass du nicht stirbst? Dass die Crew dich nie verlieren wird? Dass du immer da sein wirst, wenn sie dich brauchen?“ Lorenor hielt seinem Blick stand. „Was soll das? Willst du mir jetzt auch noch einen Vortrag halten?“ Dulacre neigte leicht den Kopf, so leicht konnte Lorenor ihn nicht bezwingen. „Du warst derjenige, der behauptet hat, dass der Smutje keinen Grund habe, dir nicht zu vertrauen, und obwohl ich ihn noch nicht mal wirklich kenne, konnte ich soeben zumindest ein paar Beweggründe nennen und glaube mir, ich weiß noch mehr.“ „Was soll der Scheiß?!“ Lorenor stand auf und schritt durch den Raum, offensichtlich erbost. „Was auf der G6 passiert ist, dafür brauche ich mich nicht zu rechtfertigen! Ich habe getan, was ich tun musste, und ich werde mich nicht dafür entschuldigen, dass ich…“ „Ich weiß, Lorenor.“ Unbeeindruckt nahm er noch einen Schluck, das Schachspiel war vorbei, obwohl er den anderen noch nicht schachmatt gesetzt hatte, zumindest auf dem Spielfeld. „Ich weiß alles, was du über die G6 denkst, Lorenor, und zwar weil du mir das alles erzählt hast. Deshalb zweifle ich deine Entscheidungen auch nicht an.“ Der andere blieb stehen. „Aber weißt du, wer davon nichts weiß? Wer nicht weiß, warum du gehandelt hast, wie du nun mal hast? Der Smutje. Und was füllt die Leeren, die Unwissen hinterlässt? Vertrauen und Hoffnung oder aber Zweifel und Misstrauen. Der Smutje hat dir vertraut, aber warum glaubst du, kann er das jetzt nicht mehr? Warum glaubst du, kann er das seit der G6 nicht mehr?“ Lorenor sah ihn nur noch an, sein Gesicht eine harte Maske, und Dulacre wusste, dass der andere jederzeit explodieren konnte. Nicht, dass er sich davon beeindrucken ließ. „Wenn du es nicht sagst, spreche ich es aus. Auf der G6 ist genau das eingetreten, wovon der Smutje dachte, dass es nie eintreten würde, weil er dir immer vertraut hat. Ja, du hast die Crew beschützt. Ja, du hast wohl deinen Plan erfolgreich in die Tat umgesetzt. Aber du hast nicht gewonnen, bist nicht unversehrt zurückgekehrt. Er hat darauf vertraut, dass du immer für die Crew da sein würdest, auch für ihn immer da sein würdest, und egal aus welchen Gründen, egal ob absolut gerechtfertigt oder nicht, du warst es einfach nicht! Du warst nicht da, Lorenor, und er weiß noch nicht mal warum und deswegen hast du sein Vertrauen verloren.“ Der andere rührte sich keinen Millimeter, aber eine seltene Blässe kroch über seine harten Züge, als er, wie sein König auf dem Spielfeld, sich immer umstellter vorkommen musste. „Der Koch vertraut dir nicht mehr, weil du das letzte Mal, als er dir vertraut hat, gestorben bist und du ihm jetzt noch nicht mal erklärst, was passiert ist, und wenn du mich fragst, dann ist das ein verdammt guter Grund, nicht mehr zu vertrauen.“ Dulacre nahm erneut einen Schluck. „Also Lorenor, du bist wütend auf den Smutje, weil du denkst, dass er dir grundlos nicht mehr vertraut, und er ist wütend auf dich, weil er denkt, dass du ihm nicht vertraust. Wie wir gerade festgestellt haben, hat der Smutje sehr wohl einen Grund, dir nicht mehr zu vertrauen, einen guten sogar. Also lass uns über seine Anschuldigung sprechen. Hat er Recht? Lorenor, vertraust du deiner Crew?“ Der andere regte sich nicht. „Nein, eigentlich wissen wir beide die Antwort darauf schon. Eigentlich sollte die Frage wohl eher lauten, ob du nicht ebenfalls wie der Smutje einen Grund hast ihnen nicht mehr zu vertrauen, nicht wahr?“ „Was?“ Es war eine Schande, dass ihm etwas an Lorenor lag, andernfalls würde Dulacre Gefallen daran finden, wie er ihn nun zerstören könnte, so jedoch musste er sich bemühen, auf dem schmalen Grat zwischen brutaler Ehrlichkeit und ehrlicher Brutalität zu balancieren. „Ist das nicht der wahre Grund, warum du so wütend auf den Smutje bist? Nicht, weil er dir vorwirft, ihm und den andere nicht zu vertrauen, sondern weil er der Grund ist, warum du es nicht mehr kannst, obwohl du es unbedingt möchtest, obwohl du es so sehr möchtest, dass du dir so beflissentlich einredest, du würdest ihnen vertrauen.“ Lorenor holte mehrmals tief Luft und setzte zum Sprechen an, aber kein Laut kam über seine Lippen. Er schüttelte den Kopf. „Nein“, sagte er dann schließlich, „das stimmt nicht! Du hast Unrecht. Ich vertraue ihnen, ich vertraue meiner Crew, ich vertraue Ruffy. Du liegst falsch.“ Dulacre, stützte seine Ellenbogen auf dem Tisch ab und legte sein Kinn auf die gefalteten Hände, rieb sich mit dem Daumen über den Bart. „Wenn ich also so falsch liege, Lorenor, warum bist du dann hier und besprichst diese Dinge mit mir und nicht mir ihnen? Warum sprichst du mit mir über die Konflikte innerhalb deiner Crew anstatt mit ihnen selbst?“ Dieser intensive Blick des anderen war gefährlich, gefährlich für Dulacre. „Soll ich dir wieder die Antwort vorgeben oder warum schweigst du? Das Problem ist, du denkst, du hast dich verändert, aber die Wahrheit ist, das hast du nicht.“ Dass Lorenor ihn nicht unterbrach, zeigte ihm, wie riskant dieses Gespräch war. „Du sagst, du hättest deinen falschen Stolz überwunden und würdest dich jetzt von deinen Freunden beschützen lassen, so wie du dich von mir beschützen lässt. Du denkst, du würdest ihnen vertrauen, so wie du mir vertraust. Aber in deiner Gleichung unterläuft dir ein grober Fehler, Lorenor.“ Er erhob sich und goss den letzten Rest Wein in sein Glas. Dieses Gespräch lag ihm wie ein kalter Klumpen in der Magengegend, trieb ihm die Magensäure in die Speiseröhre, aber jetzt konnte er nicht mehr zurück. „Sie sind nicht wie ich!“ Lorenor schüttelte nur seinen Kopf und sagte gar nichts, verweigerte sich dem Gespräch, seine typische Trotzreaktion, wenn Dulacre ihm zu nahekam. „Und dir unterläuft noch ein Fehler.“ Er stellte die leere Flasche etwas zu hart ab. „Du denkst, dass du mir freiwillig vertraust.“ „Was?“ Er konnte also doch sprechen. „Man kann Vertrauen nicht erzwingen.“ „Da du ja so genau weißt, was Vertrauen bedeutet, nicht wahr?“, lachte Dulacre kühl. „Aber doch, genau deshalb vertraust du mir, hörst mir sogar jetzt zu, obwohl du so unglaublich wütend bist, weil ich dein Vertrauen erzwinge.“ „Red‘ doch keinen Scheiß, als könntest du…“ „Lorenor, du bist heute so schweigsam, ich bin daran nicht gewöhnt, erzähl mir von deinem Tag“, unterbrach er den anderen mit affektierter Stimme, „Lorenor, du bist so furchtbar gelaunt, hast du schlecht geträumt oder was ist dein Problem? Lorenor, warum willst du kein Rüstungshaki lernen? Was ist in deiner Kindheit passiert? Lorenor, zieh das Kleid aus und zeig mir die Wunden, die du vor mir versuchst zu verbergen! Lorenor, ich werde dich nicht weitertrainieren, ehe du nicht entschieden hast, ob du dich deinen Ängsten stellen willst! Soll ich weitermachen? Soll ich die vergangenen zwei Jahre aufarbeiten und jedes einzelne Mal aufzählen, als ich dich dazu gedrängt habe, dich mir zu öffnen? Soll ich chronologisch oder nach Priorität vorgehen?“ „Hör auf“, knurrte der andere. „Oh nein, du bist zu mir gekommen, Lorenor. Weil du genau wusstest, dass ich der einzige Mensch bin, mit dem du über diese Dinge reden kannst, und ich sage dir auch, warum, und zwar, weil ich der einzige Mensch bin, dem du dich auch nur ansatzweise öffnest, dem du genug vertraust, um dich wirklich zu öffnen. Aber nicht, weil ich einen so tollen Charakter habe, wir wissen beide, dass das nicht stimmt. Sondern weil ich ein – wie nennst du es immer so passend? – besessener Kontrollfreak bin und dich zwinge, dich mir zu öffnen, mir deine Gedanken und Geheimnisse zu verraten. Du weißt anscheinend noch nicht mal, wie man lernt, jemand anderem zu vertrauen und deswegen kannst du nur mir vertrauen, weil ich dich dazu gezwungen habe.“ Kopfschüttelnd setzte Dulacre sich wieder hin. „Du bist so wütend auf deine Crew, weil du ihnen vertrauen willst, aber nicht weißt, wie du das tun sollst, und von ihnen erwartest, dass sie dich dazu bringen, wie ich es stets tue. Du bist wütend auf den Smutje, weil er dir zwar genau sagt, was dein Problem ist, dich aber nicht dazu zwingt, es zu lösen, so wie ich es tue, gerade hier in diesem Moment.“ Der letzte Schluck des Weines schmeckte unangenehm bitter, wie der fahle Geschmack von Blut; er hätte nie gedacht, dass so etwas Simples wie eine Unterhaltung in der Lage wäre, dass er sogar Gefallen an seinem geliebten Wein verlieren würde. „Tze, es ist fast beleidigend, dass du glaubst, der Smutje könne dich zu so etwas zwingen, wenn er es doch noch nicht mal schafft, dich zu den Mahlzeiten zu rufen. Ich hingegen habe dich bereits bei unserem ersten Gespräch auf Sasaki direkt dazu gebracht, meine Fragen zu beantworten.“ Für eine Sekunde betrachtete er sein leeres Glas. „Auf der anderen Seite sollte ich mir vielleicht auch nicht zu viel einbilden, schließlich öffnest du dich mir wirklich nur, wenn ich dich zwinge, ansonsten lässt du mich genauso unwissend wie deine Freunde und ist das nicht ironisch? Schließlich hast du doch stets behauptet, dass Geheimnisse nichts Schlimmes seien, solange wir einander vertrauen würden. Hast du mir nicht wieder und wieder gesagt, dass ich dir doch nun endlich vertrauen solle, und dennoch bist du derjenige, der niemandem vertraut.“ „Was?“ Oh, verdammt! Hatte da der Wein oder die Frustration aus ihm gesprochen? Er sah nicht auf und tat so, als wäre es nichts Besonderes gewesen, aber er konnte Lorenors kalten Blick auf sich fühlen. Die Frage war nun also, hatte Lorenor es bemerkt oder war er emotional so überfordert durch dieses Gespräch, dass solche Finessen ihm entgehen würden? Dulacres Kehle fühlte sich trocken an, als der Raum für eine Sekunde still wurde. „Was für einen Auftrag hatten die fünf Weisen dir gegeben?“ Innerlich fluchend räusperte er sich. Lorenor mochte ein tumber Holzklotz sein, solange sie über Gefühle und Beziehungen sprachen, aber sobald es um Kampf und Strategie ging, wurde er sofort das schärfste Schwert, welches Dulacre je geschliffen hatte. „Was soll dieser Themenwechsel, Lorenor? Versuche nicht, mir auszuweichen. Wir führen dieses Gespräch nicht, weil ich es möchte – ich hatte mich nur auf eine ruhige Partie Schach gefreut – sondern weil du meinen Rat wolltest, weil du zu mir gekommen bist.“ „Nein“, murmelte Lorenor und trat einen Schritt nach vorne, „du bist zu mir gekommen, du hast dieses Treffen hier vorgeschlagen.“ Oh, er war wirklich gut geworden. Wäre dies nicht ein so heikles Thema, könnte Dulacre an dieser verbalen Auseinandersetzung Gefallen finden. „Was für einen Unsinn willst du mir vorwerfen, Lorenor? Ich sagte dir doch, ich hatte einen Auftrag, deshalb war ich hier in der…“ „Eizen hat gesagt, dass für die Reverie ein erhöhter Sicherheitsstandard benötigt wird und aufgrund deines Wohnortes wärest wohl du der Samurai, der sich in Bereitschaft halten sollte.“ „Na und? Das heißt doch nicht, dass ich nicht…“ „Wie lautete dein Auftrag, Dulacre?!“ Lange sah er den anderen an. Aus genau diesem Grund hatte er Lorenor doch aufgesucht, um genau dieses Gespräch zu führen, welches der andere nun von ihm verlangte. Dulacre hatte den anderen aufsuchen wollen, um herauszufinden, warum dieser ihm vorenthalten hatte, dass Eizen die Wahrheit wusste, um herauszufinden, ob Lorenor wirklich über alles Bescheid wusste oder nur eine weitere Spielfigur des Politikers war. Dulacre war sich von Anfang an bewusst gewesen, dass dieser Tag in einem Streit enden würde, eigentlich sollte ihn daher die angespannte Stimmung nicht überraschen. Aber die bisherige Unterhaltung hatte einen anderen Verlauf genommen, als er beabsichtigt hatte, und nun war der falsche Moment, um auch noch diese Wunde aufzureißen. Doch es war wohl zu spät, er hatte den Verband bereits abgerissen und Lorenor war nie jemand, der vor Schmerzen zurückschrecken würde. „Der Auftrag der fünf Weisen lautet mich für die bevorstehende Reverie in Bereitschaft zu halten und Kuraigana unter keinen Umständen zu verlassen.“ „…“ Lorenor sagte gar nichts, schüttelte nur den Kopf und sah im Raum umher, als wäre er auf der Suche nach einer Erklärung. „Und du… und du…?“ „Und ich hatte nicht vor, diesem Befehl nicht Folge zu leisten“, sprach er kühl weiter, doch jedes Wort schmeckte bitter, „aber dann schrieb Eizen mir, dass Lady Loreen bis zur Weltkonferenz nicht nach Kuraigana zurückkehren würde, weil sie ihn tatkräftig bei den Vorbereitungen unterstützten würde. Dieser Brief erreichte mich nur wenige Minuten, nachdem du mich aus den Kerkern des Ryuuguu-Palastes anriefst, um mir von den Abenteuern deiner Crew zu berichten. Also Lorenor, gibt es etwas, das du mir erzählen willst?“ Er schluckte schwer, trotz des Weines war seine Kehle rau und ausgetrocknet. Es gierte ihn nach etwas zu trinken, aber Schwäche konnte er sich in diesem Moment nicht erlauben. „Willst du mich verarschen?!“ Nun wurde der andere also doch noch laut. „Willst du mich eigentlich komplett verarschen?!“ „Lorenor, ich…“ „Hör auf mit deinem Lorenor verdammt noch mal! Lorenor hier, Lorenor da! Ich heiße nicht Lorenor! Mein Name ist Zorro! Zorro! Einfach nur Zorro!“ Hart schlug der andere auf die Rückenlehne seines Stuhles und die Federn ächzten schmerzerfüllt. „Du arroganter Mistkerl! Schon immer waren dir irgendwelche beschissenen Titel und Ahnen wichtiger, als was ich sage oder tue, und jetzt behandelst du mich auch noch wie einen Vollidioten, der zu blöd ist, ohne fremde Hilfe zu überleben, wie ein kleines Kind, das keine eigenen Entscheidungen treffen kann, dem du um die Welt folgen musst, nur weil…“ „Lor… hör mir zu.“ Beschwichtigend hob er beide Hände und erhob sich, aber er konnte nicht verhindern, dass es schmerzte, sein Magen schien sich zusammenzuziehen vor Pein. Noch nie hatte der andere auch nur irgendwelche Andeutungen gemacht, dass er nicht mochte, wenn Dulacre ihn so nannte, und Dulacre hatte Gefallen daran gefunden, dass er der eine war, der den Jüngeren so nannte. „Ich habe nie gesagt, dass…“ „Halt die Klappe! Hältst mir hier einen großen Vortrag darüber, dass ich zu blöd bin, jemandem zu vertrauen und dass ich meine Crew verraten habe, und dabei bist du doch keinen Deut besser!“ Der Jüngere machte einen Schritt auf ihn zu. „Du sagst, ich vertraue dir nicht? Aber ich bin hier und rede über meine beschissenen Gefühle mit dir! Habe dir jeden Scheiß erzählt und du?! Du bist nur hier, um mich zu kontrollieren, weil du mir kein bisschen vertraust! Nicht mal genug, um zu glauben, dass ich zwei Wochen ohne dich überstehen würde.“ „Bitte, du verzehrst…“ „Vertrauen ist wie Alkohol, sagst du? Hier hast du deinen verdammten Alkohol!“ Der andere packte die Sakeflasche und warf sie zu Boden, wo sie zerbarst, Scherben und Spritzer flogen in alle Richtungen. „Anstatt mich einfach zu fragen – so wie du es ja anscheinend sonst immer getan hast, um dir mein Vertrauen zu erzwingen – verfolgst du mich, missachtest einen Befehl der fünf Weisen und riskierst deinen Titel? Und du willst mir etwas über Vertrauen beibringen?!“ Er hatte nicht erwartet, dass der andere so blindwütig reagieren würde. Nicht, nachdem er die anderen Dinge bisher eher ruhig und vielleicht etwas geschockt aufgenommen hatte. Dies hier war keine drohende Gefahr mehr, dies war ein Waldbrand. Dulacre konnte die unangenehme Hitze fühlen, die sich im Raum ausbreitete und das Atmen erschwerte. Sie hatten schon oft gestritten, schlimmer als ihm manches Mal lieb gewesen war, aber das hier würde wohl ihre traurige Bestleistung werden. „Bitte, ich habe dir schon mehrfach gesagt, dass es mir egal ist, ob ich meinen Titel verliere oder nicht. Er ist mittlerweile doch eh nichts mehr wert. Außerdem…“ „Aber mir ist es nicht egal, verdammt nochmal! Meinst du, ich will die Verantwortung dafür tragen, dass du deinen verdammten Titel verlierst?! Meinst du, ich will die Verantwortung dafür tragen, dass du und Jiroushin dann wieder Feinde seid, dass Kanan und die fünf Inseln nicht mehr von deinem Titel beschützt werden? Dass Ray’s Patenonkel wieder ein gesuchter Verbrecher sein wird? Meinst du, ich will die Verantwortung dafür tragen, dass du dein ruhiges, beschauliches, beschissen langweiliges Leben wegen mir verlierst?!“ Seine Brust zog sich zusammen, als der andere all diese Dinge sagte, all diese Kleinigkeiten, die so groß waren. „Wie kannst du nur so arrogant sein und glauben, dass nur du derjenige bist, der die Konsequenzen deiner Entscheidungen zu tragen hat?“ „Oh, du willst über Entscheidungen und deren Konsequenzen reden?“, entgegnete Dulacre unbeeindruckt. „Du meinst, wie deine Entscheidung mir nichts von Eizen zu sagen? Du meinst, wie deine Entscheidung Geheimnisse vor mir zu haben oder meinst du, wie deine Entscheidung mich anzulügen?“ Der andere trat auf ihn zu. „Das ist etwas anderes!“, knurrte er und sah Dulacre direkt an. „Ist es das? Wieso solltest du Entscheidungen treffen dürfen, ungeachtet der Konsequenzen, ich aber nicht? Wenn du entscheiden darfst, mich aus deinem Vertrag mit Eizen auszuschließen, dann darf ich entscheiden, dich aus meinem Vertrag mit den fünf Weisen auszuschließen.“ „Aber deine Entscheidung ist einfach nur dumm und bringt dich in Gefahr! Mit meiner Entscheidung versuche ich, dich zu beschützen!“ „Und du glaubst, deine Entscheidung würde dich nicht in Gefahr bringen? Und du glaubst, ich hätte diese Entscheidung nicht getroffen, um dich zu beschützen?“ „Ich brauche deinen Schutz nicht! Ich habe alles unter Kontrolle! Ich weiß genau, was ich tue! Dir geht es nicht darum, mich zu beschützen, es geht dir darum, mich zu kontrollieren, so wie du alles kontrollieren willst, so wie Homura gesagt hat, so wie du deine Schwester kontrollieren wolltest! Du bist nicht hier, um mich vor Eizen zu beschützen, du hast nur ein Problem damit, dass du mal nicht alles wusstest, mal nicht derjenige am längeren Hebel bist, und darum bist du hierhin gekommen, um mich wieder unter Kontrolle zu kriegen, jetzt wo ich nicht mehr in deiner Reichweite bin.“ Wie bittere Galle stießen ihm die Worte des anderen auf. „Und dann hast du noch nicht mal den Mut, es einfach direkt anzusprechen, sondern lockst mich mit einem Schachspiel her, tust so, als würdest du mir dein offenes Ohr leihen und ziehst dann über meine Crew und mich her. Du willst mir etwas über Vertrauen erzählen? Dabei hast du noch nicht mal zwei Wochen gebraucht, um unser Versprechen zu brechen.“ Dies war bei weitem nicht ihr erster Streit, aber es war das erste Mal, dass es Dulacre beinahe schmerzte, so sehr tat es weh, so sehr verletzte ihn der andere. Als sie das letzte Mal einander gegenübergestanden hatten, hatte der andere ihn angefleht, ihm nicht seine Gefühle zu offenbaren, da er dann auf Dulacre Rücksicht nehmen müsse. Nun setzt er sie als Waffe gegen Dulacre ein. Es gierte ihn nach etwas zu trinken, um seine kratzige Kehle zu besänftigen. Kopfschüttelnd wandte er sich dem Sekretär zu. „Du sprichst über gebrochene Versprechen?“, meinte er rau und goss sich Whisky ein, dies war kein Gespräch mehr für Wein. „Ich sage nicht, dass du Unrecht hast. Aber glaube nicht, dass du nur einen Deut besser seist als ich.“ „Ich verfolge meine Freunde nicht wie ein Wahnsinniger, nur weil ich nicht alles über sie weiß.“ „Nein – tze, das ist wohl wahr, eher im Gegenteil - du willst gar nicht alles über sie wissen, scheinst dich kaum für sie und ihre Freuden, ihre Interessen, ihre Probleme, ihr Leid zu interessieren. Aber mehr noch, du willst auch nicht, dass sie etwas über dich wissen.“ Dulacre konnte sich nicht umdrehen und den anderen wieder ansehen, konzentrierte sich auf den Alkohol in seiner Hand. „Du bist nicht gewillt, dich auch nur irgendwem freiwillig zu öffnen. Du bist nicht gewillt, auch nur eine Kleinigkeit über dich preiszugeben – sei sie auch noch so lächerlich unwichtig - zeigst keine Schwäche, nichts, was dich angreifbar machen könnte, erzählst so gut wie nie von dir aus über dich, deine Freuden, deine Interessen, deine Probleme, dein Leid. Dir ist es am liebsten, wenn niemand dich kennt, dich wirklich kennt. Wie sollen deine Freunde dir dann einfach vertrauen? Wie soll ich dir dann einfach vertrauen? Ich hatte dich um eine Sache gebeten, als du dein Training unter meiner Hand begonnen hast. Ich habe dich darum gebeten, ehrlich zu sein, wir hatten keine Lügen vereinbart, und du hattest von Anfang an nicht vorgehabt, dich dran zu halten, du hast von Anfang an mein Vertrauen missbraucht.“ Traurig starrte Dulacre in sein Glas. Er hatte befürchtet, dass dieser Disput so hatte enden können, aber er hatte sich so gewünscht, dass er sich wieder mal irren würde, dass er den anderen wie so oft unterschätzt hätte, aber dieses eine Mal hatte er es wohl nicht. Resigniert kippte er den Whisky hinunter, doch dieses Mal war das Brennen des Alkohols nicht angenehm, es brannte einfach nur. „Ich wollte deine Hilfe um ein besserer Schwertkämpfer zu werden“, sagte der andere hinter ihm kühl, „ob du mir vertraust oder nicht, ist mir egal, ich habe nicht darum gebeten, weder darum, noch um irgendwelche anderen Gefühle deinerseits.“ Dulacre verschluckte sich an seinem Getränk und beugte sich hustend nach vorne, als ein ungekannter Schmerz sich in seiner Brust ausbreitete. „Ich denke, es ist nun alles gesagt.“ Der andere klang schroff. „Wir sehen uns in einem Jahr, dann werde ich dich besiegen. Komm mir bis dahin nicht mehr in die Quere.“ „Lo... warte!“ Erneut musste er husten und dann sah er die roten Tropfen auf seinem Hemdärmel, der Schmerz in seinem Hals wurde immer stärker und stahl ihm den Atem. Fast schon erstaunt wandte er sich dem Jüngeren zu, sah wie die unleserliche, harte Maske in etwas zerfiel, was er vorher noch nie gesehen hatte, und es erfüllte ihn beinahe mit Angst, dass der andere ihn so ansah. „Ich glaube…“ Dulacres Stimme brach und ein kehliger Laut ersetze seinen Atemzug. „… etwas stimmt… nicht mit mir.“ Dann gaben seine Beine nach. Kapitel 13: Kapitel 13 - Warten ------------------------------- Kapitel 13 – Warten   -Zorro- „Ich denke, es ist nun alles gesagt. Wir sehen uns in einem Jahr, dann werde ich dich besiegen. Komm mir bis dahin nicht mehr in die Quere.“ Sei heute Abend pünktlich, Ren, ich möchte beizeiten essen. Und benimm dich, sei den Arbeitern keine Last. Dann treffen wir uns morgen früh vorm Training wieder am Hügel hinterm Tempel, okay? Komm dieses Mal nicht zu spät. Bis morgen. Ich werde warten. Wir alle werden warten. Egal wie lange es dauert und egal aus welchen Gründen. „Ich glaube… etwas stimmt… nicht mit mir.“ „Dulacre!“ Im nächsten Moment hechtete er nach vorne und fing den anderen auf, als dessen Beine nachgaben; röchelnd rang Dulacre nach Luft, Blut tropfte aus seinem Mundwinkel. „Hey… hey!“ Zorro wusste nicht, was er tun sollte. „Was zur Hölle…?“ Der andere hob den Kopf und guckte ihn an, während er versuchte, sich wiederaufzurichten, aber was auch immer er sagen wollte, wurde von einem Hustenanfall unterbrochen und er spuckte Blut auf Zorros Ärmel, viel Blut. Einen Moment sahen sie einander nur an, dann krümmte der andere sich erneut und hustete noch mehr Blut. Chopper! Ohne zu wissen, was genau er tat, warf Zorro sich den anderen über den Rücken, riss die verschlossene Türe aus den Angeln und rannte los. Eine leise Stimme in seinem Kopf sagte ihm, dass Blutspucken ohne äußere Verletzungen für innere Blutungen sprach, aber dieser Stimme konnte er kaum zuhören, während Dulacre an seinem Ohr um Atem rang und Zorros Mantel allmählich feucht und schwer wurde. Wohl eine Vergiftung. Was für eine Schande, hätte man sie früher gefunden, hätte man sie vermutlich retten können. Zorro rannte durch das Hotel, aus dem Hinterausgang, in die Gasse, verschwendete keinen einzigen Gedanken daran, ob jemand ihn sehen würde. Er musste zur Sunny, so schnell wie möglich zur Sunny. Ist das ihr Junge? Hat er sie gefunden? Bringt ihn hier weg, keiner sollte seine Mutter so sehen müssen. Verdammt! Hatte Chopper nicht gesagt, dass er von Bord gehen wollte? Was, wenn Chopper noch nicht zurück war? Was, wenn niemand da war, der helfen konnte? Dulacre auf seinem Rücken röchelte immer noch schwer, versuchte immer wieder, etwas zu sagen, aber nur unverständliche Laute und viel zu viel Blut kamen über seine Lippen. „Kratz mir ja nicht ab“, knurrte Zorro, als er um eine Ecke bog, „kratz mir ja nicht ab, du Mistkerl!“ Zorro! Es ist furchtbar! Es ist Kuina! Sie ist die Treppe zum Tempel runtergefallen! Zorro! Sie ist tot! Kuina ist tot! Auf der anderen Seite der Kurve stolperte er beinahe in den Koch, der ihm im letzten Moment ausweichen konnte und dabei mehrere Einkaufstüten fast fallen ließ. „Marimo! Was zur Hölle soll das?! Wo warst…?! Für eine Sekunde sahen sie einander erstaunt an. „Was zur…?“ „Hol Chopper!“, brüllte Zorro den anderen an und rannte weiter. „Hol verdammt noch mal Chopper, Koch!“ „O… okay, mach ich!“ Wieder einmal war es der verdammte Koch! Bei Zorros verdammten Glück war es wieder einmal der verdammte Koch! Jedes Mal der verdammte Koch! Wie bei Bär, wie in der G6, wie auf Sarue, es war jedes verdammte Mal der verdammte Koch! Zorro bog in eine weitere Straße und plötzlich sah er am anderen Ende das Meer aufblitzen. Er war fast am Hafen, er hatte es fast geschafft. „Wir sind fast da.“ Er wusste nicht, wem er das sagen wollte, wusste nicht, ob Dulacre überhaupt noch bei Bewusstsein war. Atmete er überhaupt noch? „Wir sind fast da, Dulacre. Da vorne ist die Sunny und Chopper wird dir helfen. Also wage es ja nicht, mir abzukratzen!“ Er konnte spüren, wie Blut seine Brust hinunterglitt, seinen Mantel bereits durchweicht hatte, vermutlich von seinem Ärmel zu Boden tropfte. Doch daran wollte er nicht denken, durfte nicht daran denken, wie viel Blut der andere bereits verloren hatte. Erfolgreicher Marineeinsatz auf dem Sabaody Archipel – die ‚Strohhutpiratenbande‘ wurde im Rahmen einer von Admiral Kizaru geleiteten Operation besiegt und ausgelöscht. Am Hafen angekommen, rannte er geradewegs auf die Sunny zu, die nicht weit entfernt angelegt hatte, nahm sich nicht die Zeit, mühsam die Strickleiter hochzuklettern, sondern sprang einfach an Bord, versuchte allen Schwung mit seinen Beinen abzufangen. „Zorro?!“ Kaum zwei Meter vor ihm standen Nami, Robin und Law – Chirurg des Todes Trafalgar Law! – und sahen ihn mit großen Augen an. „Was ist… Was ist denn passiert?“ „Wo ist Chopper?!“ Dulacre auf seinem Rücken fühlte sich schwer an, wie ein nasser Sack, und mit jeder Sekunde schien er schwerer zu werden, viel zu schwer. „Ich… keine Ahnung. Ich…“ „Er ist noch nicht wieder zurück, Zorro“, antwortete Robin ruhig, während Nami offensichtlich noch überrumpelt war. Zorros Blick fiel auf Trafalgar Law. Ich sagte dir doch, dass der Titel immer mehr an Wert verliert, Lorenor. Nach diesem Clown scheinen sie nun wirklich jeden aufzunehmen. Tze, Trafalgar Law, Chirurg des Todes, dass ich nicht lache. Dieser Bengel bringt die Samurai in Verruf und wagt es auch noch, sich einen Schwertkämpfer zu schimpfen. Es war nicht so, als ob Zorro Law vertraute, und er war sich bewusst, dass der Samurai auf seinem Rücken wohl lieber sterben würde, als diesem Bengel etwas schuldig zu sein, aber es war auch nicht so, als ob Zorro gerade auch nur irgendeine Wahl hätte. Dennoch zögerte er. Was wenn…? Er spürte, wie Dulacres Kopf gegen sein Ohr kippte. Er hatte keine Zeit für Zweifel. „Law, kannst du…?“ „Zorro!“ „Chopper!“ In genau diesem Moment erklommen Rentier und Koch die Leiter und der Arzt der Crew schien sofort die Situation zu erfassen, denn er verwandelte sich und eilte auf Zorro zu. „Was ist passiert?“, fragte Chopper beinahe eine Spur zu sachlich, während er Zorro hinter sich zum Krankenzimmer winkte. „Ich weiß es nicht. Er hat plötzlich einfach so angefangen, Blut zu spucken, und ist zusammengebrochen. Ich war da, aber…“ „Law, Robin, kommt bitte mit und helft mir, wir können nicht genügend Hände haben. Also keine äußeren Verletzungen?“ Chopper nahm ihm Dulacre vom Rücken und auf einmal wurde Zorro kalt, als die frische Luft seine feuchten Klamotten erfasste. Beinahe fassungslos sah er Chopper an, der Dulacre aufs Krankenbett legte, dann glitt Zorros Blick auf seinen Lehrmeister, das Hemd verfärbt von all dem Blut, er war noch blasser als sonst, seine Lider flatterten immer wieder, aber sonst regte er sich nicht, Blut auf seinen Lippen, in seinem Bart, an seinem Hals, seinen Händen. „Nein“, flüsterte Zorro, „er hatte keine Verletzung. Es ist Dulacre, er hat keine Verletzungen, es ist fast unmöglich, ihn zu verletzen. Ich hab’s versucht, ich hab’s schon versucht.“ Um ihn herum eilten Robin und Trafalgar Law geschäftig hin und her, jeder ihrer Handgriffe sicher und zügig, fest routiniert, während Chopper Dulacres Hemd aufschnitt und Zorro sich absolut unnütz und hilflos fühlte. Dann sah Chopper auf und schien zu bemerken, dass Zorro noch da war. „Okay, Zorro, du musst jetzt rausgehen und uns arbeiten lassen. Wir kümmern uns schon um ihn.“ Für einen Moment sahen sie einander nur an. „Er kann nicht sterben, Chopper, ich war da. Er darf einfach nicht sterben!“ Der junge Arzt nickte. „Dann lass uns unsere Arbeit machen. Nur so hat er eine Chance zu überleben.“ Wie von fremden Händen geleitet, verließ Zorro das Krankenzimmer und stand plötzlich im Speiseraum, als hinter ihm wie von Geisterhand die Türe geschlossen wurde. Es war unmöglich. Dulacre gehörte zu den mächtigsten und stärksten Menschen der Welt, kämpfte zum reinen Zeitvertreib gegen Gegner wie den roten Shanks, war während der Schlacht von Marine Ford beinahe vor Langeweile eingeschlafen. In den vergangenen zwei Jahren hatte Zorro den anderen kaum einen Kratzer zufügen können, hatte ihn nicht einmal bluten sehen. Er konnte jetzt doch nicht einfach… Es war unmöglich. Nichts konnte Dulacre etwas anhaben, schließlich war er doch einer der mächtigsten Menschen der Welt, Mihawk Falkenauge Dulacre, einer der sieben Samurai, der stärkste der sieben Samurai. Niemand konnte ihn besiegen, noch konnte ihn niemand besiegen! Was war nur passiert? Blut und Speichel weisen auf interne Blutungen hin. Wohl eine Vergiftung. Was für eine Schande, hätte man sie früher gefunden, hätte man sie vermutlich retten können. „Aber ich war doch da“, flüsterte Zorro und sank auf einen Stuhl. „Ich war doch da.“   -Sanji- Fragend begegnete Sanji Namis Blick, als Chopper und der Marimo ins Krankenzimmer eilten, gefolgt von Law und Robin, die dringliche Worte miteinander wechselten. „Was ist denn passiert?“, fragte Nami ihn, leichenblass. „Ich habe keine Ahnung“, murmelte Sanji und fühlte sich genauso, wie Nami aussah. Nachdem er Zorro aus den Augen verloren hatte, war Sanji zum Schluss gekommen, seiner eigentlichen Tätigkeit, dem Einkaufen, nachzugehen. Doch plötzlich war der Marimo dann einige Zeit später wieder vor ihm aufgetaucht, blutüberströmt, einen leblosen Körper auf dem Rücken. Erst beim zweiten Hinsehen hatte Sanji erkannt, wen der Marimo da auf seinen Schultern getragen hatte, und für den Bruchteil einer Sekunde hatte er nur gedacht: ‚Er hat es geschafft!‘, doch dann hatte Zorros hastige Stimme ihn eines Besseren belehrt. Erst da hatte Sanji gesehen, wie der andere ihn angestarrt hatte, und einen solchen Blick hatte Sanji noch nicht gesehen, so hatte er Zorro noch nie gesehen. „Das war Falkenauge, oder?“, stellte Nami sicher und Sanji nickte nur als Bestätigung. „Denkst du er hat…?“ „Nein“, flüsterte er. Hol verdammt noch mal Chopper, Koch! „Ich glaube nicht, dass es einen Kampf gegeben hat.“ Offensichtlich unwohl verschränkte Nami die Arme. „Aber warum ist Falkenauge dann hier?“ Sanji folgte ihrem Blick Richtung Kombüse und dem dahinterliegenden Krankenzimmer. „Ich weiß es nicht“, gestand er ein, „ich habe keine Ahnung.“ Für einen Moment schwiegen sie beide. „Hast du ihn jemals so gesehen?“ Er wandte seinen Blick Nami zu, als sie erneut die Stimme erhob. „Ich glaube, ich habe Zorro noch nie so panisch erlebt.“ Sie hatte Recht. Auch Sanji hatte den anderen noch nie so erlebt, selbst damals auf der G6 nicht, selbst damals gegen Bär nicht. Immer hatte Zorro einen Plan, wusste immer, was zu tun war – im Zweifel halt mit dem Kopf durch die Wand – zweifelte nie, war selbst in aussichtslosen Situationen Herr des Geschehens oder zumindest seiner eigenen Emotionen. Dieses Verhalten passte nicht zu ihm, so wie sein gesamtes Verhalten nicht mehr zu ihm passte, seitdem er wieder da war, seitdem die Crew wieder vollzählig war. „Ich sollte meine Einkäufe wegbringen“, murmelte Sanji und hob leicht die verschiedenen Tüten an, die er immer noch umklammert hatte. „Sanji?“ „Keine Ahnung, Nami, ich habe keine Ahnung, was ich mit all dem anfangen soll. Aber ich weiß, dass hier leicht verderbliche Lebensmittel drin sind, die in den Kühlschrank müssen. Also werde ich das jetzt tun.“ Seufzend machte er sich auf zur Kombüse. Einen freien Tag, nur einen freien Tag zwischen all ihren Abenteuern hatte er sich gewünscht. Nur einen ruhigen Tag, bevor sie sich mit einem Samurai oder einem der verdammten vier Kaiser anlegen würden, hatte er sich gewünscht und was machte der verdammte Marimo? Nun ja, was genau er gemacht hatte, wusste Sanji nicht, aber was es auch war, es hatte damit geendet, dass Zorro einen blutüberströmten Samurai auf seinem Rücken hergetragen hatte, und zwar nicht irgendeinen Samurai, sondern ausgerechnet Falkenauge. Der Drecksack, der Ruffy damals auf Sarue gesagt hatte, dass Zorro wiederkommen würde, ohne irgendwelche Beweise zu haben. Der Drecksack, der damals im Krieg die Seite der Marine gestärkt und sich gegen Ruffy gestellt hatte. Der Drecksack, der Zorro damals im East Blue aufgeschlitzt und beinahe getötet hatte. Der Drecksack, der Zorro ein Leben lang für seinen Übermut gebrandmarkt hatte. Missmutig betrat Sanji sein Reich, dabei fiel sein Blick sofort auf den Marimo, der auf dem Stuhl, welcher der Tür des Krankenzimmers am nächsten war, am langen Tisch hockte. Er hatte sich noch nicht mal umgezogen, noch nicht mal das Blut aus Haar, von Hals, Ohr und Brust gewischt. Von vorne konnte Sanji genau sehen, wie die halbe Seite von Zorros Mantel von Blut besudelt war, konnte sehen, wie einzelne Tropfen von Zorros hinabhängenden rechten Ärmel zu Boden tropften, während dieser den linken – zum Glück den sauberen! – Arm auf der Tischplatte abgestützt hatte. Zorro hatte sein Gesicht in der linken Hand verborgen und alles an ihm strahlte Abweisung und Distanz aus; er wollte ganz offensichtlich nicht, dass irgendwer es wagen würde, ihn anzusprechen. Nicht, dass Sanji sich von so etwas aufhalten lassen würde. „Hey, Marimo“, begann er also sofort sein Verhör und stellte die Tüten im Kochbereich ab, „was zur Hölle ist eigentlich…?“ „Halt den Mund, Koch“, unterbrach der andere ihn sogleich, doch seine Stimme klang ungewohnt kraftlos und hohl, beunruhigend, „du bist so ziemlich der letzte Mensch, mit dem ich gerade reden will. Also halt einfach den Mund.“ Verdammt noch mal, was bildete sich dieser Mistkerl eigentlich ein? Sanji öffnete den Mund, um ihm mal gründlich seinen dreckigen Kopf zu waschen, doch dann legte aus dem Nichts Nami eine Hand auf seinen Unterarm – wo war sie denn so plötzlich hergekommen? Sanji war gar nicht aufgefallen, dass sie ihm in die Kombüse gefolgt war – und sah ihn vielsagend an. Nach einer Sekunde folgte Sanji widerwillig ihrem stummen Befehl und wandte sich seinen Einkäufen zu. „Zorro, möchtest du dich vielleicht umziehen gehen?“ Es überraschte Sanji, wie sanft Nami klang. Gerade mit Zorro ging sie grundsätzlich nicht zimperlich um und Sanji hatte immer das Gefühl gehabt, dass Zorro direkte und harte Worte den sanften Mitfühlenden stets vorgezogen hatte. Also wappnete Sanji sich bereits, für sein Namilein in die Bresche zu springen, sollte der Marimo sie nun für ihre Fürsorge angehen. „Nein“, antwortete der Schwertkämpfer ebenso ruhig wie zuvor, ohne sich auch nur zu rühren, besorgniserregend, „nein, ich möchte mich nicht umziehen gehen.“ „In Ordnung.“ Ein Blick von Nami war genug, damit Sanji wieder seinen Mund schloss, während sie an ihm vorbeiging und ein Glas mit Wasser füllte. Sanjis Starren standhaltend ging Nami um den Tresen herum und stellte das Wasserglas vor Zorro ab. „Falls du Durst haben solltest“, meinte sie schlicht und ging dann zurück hinter die Theke zu Sanji. „Danke, Nami“, murmelte Zorro tonlos, beängstigend. Mit großen Augen starrte Sanji den anderen an, der sich immer noch nicht bewegte, sondern einfach nur dasaß, abwartete. Wer war dieser Hochstapler und was hatte er mit dem Marimo gemacht?! Zorro bedankte sich nie, wusste nicht, wie man sich benahm, besaß keinerlei Manieren. Doch dann musste er an sein Gespräch mit Robin vom vergangenen Tag denken, an ihre Worte darüber, wie wortgewandt und umgänglich die unleidige Moosbirne über die letzten zwei Jahre doch geworden wäre. Sanji hatte ihrer Aussage aus ganzem Herzen widersprochen und sein darauffolgender Streit mit dem Schwertkämpfer hatte seine Ansicht nur bestätigt, und er entschied, dass ein einziges Wort nicht ausreichte, um seine Auffassung ins Wanken zu bringen. Ruhigen Wortes bot Nami ihm ihre Hilfe an und obwohl er lieber abgelehnt hätte, als seiner liebreizenden Nami Küchenarbeit aufzudrängen, folgte er erneut ihrer stummen Aufforderung und ließ sie gewähren. Beinahe in Stille arbeiteten sie nebeneinanderher, wechselten nur hier und da ein notwendiges Wort, während Zorro unverändert am Küchentisch saß, was auch immer in dessen Kopf vorging. Irgendwann jedoch hob der andere den Kopf und sah zur Krankenzimmertür. Sekunden später öffnete diese sich und Law trat hinaus, trocknete sich gerade überaus penibel mit einem Handtuch Hände und Arme ab. Als die Tür hinter ihm ins Schloss fiel, sah er Zorro direkt an und blieb stehen. „Also, er lebt“, murrte der Chirurg unbeeindruckt, „Chopper stellt gerade noch seine Medikation ein, dann…“ Er unterbrach sich, als die Türe hinter ihm wieder aufging und eben genannter hinaustrat, sich die Hufe ebenso am Abtrocknen, wie Law es tat. „Was ist passiert?“ Zorros Stimme klang rau, während er die beiden Ärzte ansah. „Wir wissen es nicht genau“, antwortete Chopper ungewohnt ernst. „Er hatte interne Blutungen, ein Teil der Speiseröhre ist durchgebrochen. Wir haben auch mehrere Geschwüre und Abszesse in Speiseröhre und Magen gefunden und einige davon sind geplatzt. Es ist gut, dass du ihn so schnell hergebracht hast, Zorro. Nur wenige Minuten später und er wäre wahrscheinlich verblutet.“ „Wurde er vergiftet?“ „Unwahrscheinlich“, antwortete nun Law, „von dem Zustand der Schleimhäute ausgehend ist es wahrscheinlicher, dass die Verätzungen über einen längeren Zeitraum entstanden sind, Wochen, vermutlich sogar Monate. Eine einmalige Verabreichung von Gift oder Säure hätte für eine solche Schädigung so stark sein müssen, dass auch Mundraum und Rachen dergestalt hätten verletzt sein müssen. Deren Schädigung ist jedoch deutlich subtiler, sodass die regelmäßige Einnahme einer reizenden Substanz über eine gewisse Zeit hinweg wahrscheinlicher ist.“ „Wird er überleben?“ Sanji beobachtete den Schwertkämpfer, der so kühl und sachlich mit den beiden Ärzten sprach; wäre es nicht für die vergangenen Minuten, würde Sanji daran zweifeln, dass die Situation Zorro irgendwie belastete. „Die Chancen stehen gut“, nickte Chopper ernst. „Er hatte viel Glück. Dank Laws Teufelskräften konnten wir operieren und den Riss in seiner Speiseröhre schließen, ohne ihn aufmachen zu müssen, dadurch ist sein Infektionsrisiko deutlich geringer. Außerdem konnten wir weitere Abszesse entfernen, ehe diese ebenfalls platzen konnten. Aber er hat eine Menge Blut verloren und wie gut es um ihn steht, werden wir erst sehen, sobald er aufwacht.“ „Und bis dahin können wir nicht viel tun, außer warten“, bemerkte Law. „Nico Robin überwacht gerade seine Werte, aber solange diese stabil bleiben, besteht kein weiterer Handlungsbedarf.“ Es war befremdlich, sie unterhielten sich gerade über den Gesundheitszustand eines Samurais, und nicht irgendeines Samurais, sondern über Falkenauge, Zorros erklärter Erzfeind, nicht irgendein Verbündeter oder Freund, und dennoch taten sie alle so, als wäre es etwas Gutes, dass sie sein Leben gerettet hatten. „Nami“, wandte Law sich nun der Navigatorin zu, „sind die anderen schon wieder zurück. Wir sollten langsam aufbrechen, sonst werden wir nicht pünktlich auf Dress Rosa ankommen.“ „Nein, Ruffy, Lysop und Momonosuke sind noch unterwegs, aber sie wollten bei Sonnenuntergang wieder da sein. Dann können wir aufbrechen.“ Law rollte offensichtlich unzufrieden mit den Augen, nickte aber nur und ließ sich an der Theke nieder, fast gleichzeitig erhob Zorro sich. „Was hast du vor, Zorro?“, fragte Nami, bevor Sanji auch nur den Mund aufmachen konnte, und er war fast schon dankbar darum, denn auf ihre Fragen schien der Marimo tatsächlich zu antworten. „Du hast doch gerade gesagt, dass wir bei Sonnenuntergang aufbrechen“, murrte er und ging zur Tür, „daher werde ich jetzt Mihawks Sachen holen.“ Dann fiel sein Blick auf Chopper. „Außerdem habe ich eine Vermutung, was für die Verätzungen gesorgt haben könnte.“ Kapitel 14: Kapitel 14 - Stille ------------------------------- Kapitel 14 – Stille   -Sanji- Durch das Fenster mahnte der schmale Silberstreifen am Horizont, dass der Morgen nah war, während Sanji alles für das Frühstück vorbereitete. Immer wieder glitt sein Blick zum kleinen Fenster der Krankenzimmertüre, durch welches weiterhin Licht fiel. Er bemühte sich, es zu ignorieren, aber seine schlechte Laune konnte Sanji einfach nicht ignorieren. Kurz vor Sonnenuntergang am vergangenen Abend war der Marimo wieder aufgetaucht, das Sargboot Falkenauges an der Thousand Sunny befestigt, wie Sanji es schon einmal vor zwei Jahren gesehen hatte, eine leere Weinflasche in der Hand und ein riesiges Schwert auf dem Rücken, welches er mit ins Krankenzimmer genommen hatte. Erst zum Ende des Abendessens hatte Robin schließlich das Krankenzimmer verlassen, war nicht bereit gewesen, mit Zorro zu tauschen, ehe dieser nicht geduscht und saubere Klamotten angezogen hatte. Als Sanji am späten Abend die Kombüse verlassen hatte, war das Krankenzimmer noch hell erleuchtet gewesen, und als er vor einer knappen halben Stunde hereingekommen war, hatte er durch das kleine Fenster mit der Gardine gesehen, dass das Licht im Krankenzimmer immer noch gebrannt hatte, vermutlich über die ganze Nacht hinweg. Sanji war schlecht gelaunt. Am vergangenen Abend war Zorro nicht zum Essen gekommen und Sanji hatte nicht eingesehen, ihm nochmal das Essen nachzutragen nach dem letzten Fiasko. Gleichzeitig hatte er nun noch mehr Fragen, aber es schien, als wäre er der Einzige, der sich über die jüngsten Ereignisse Gedanken machte. Selbst Law und Chopper hatten sich nur für wenige Minuten über die Operation unterhalten und sich dann anderen Themen gewidmet, hauptsächlich dem bevorstehenden Abenteuer und dass sie sich dem Samurai de Flamingo stellen würden, als hätten sie alle vergessen, dass ein weiterer Samurai nur wenige Meter entfernt hinter einer Holzwand lag. Zwei Mal hatte Sanji versucht, das Thema anzusprechen. Das erste Mal hatte Ruffy sich begeistert gezeigt und sich nur unter Aufwendung aller Kräfte Choppers aufhalten lassen, seinen Freund Falki zu besuchen, was zu einem kleinen Tumult geführt hatte. Beim zweiten Mal hatte Law ihn eher grob unterbrochen und darauf hingewiesen, dass sie sich doch um dringendere Probleme kümmern sollten, als ob es kein Problem wäre, dass Zorro am Bett des Mannes saß, der dessen Oberkörper einmal aufgeschlitzt hatte. Als ob es kein Problem wäre, dass Zorro blutüberströmt mit einem Samurai auf dem Rücken auftauchte und beinahe panisch nach einem Arzt verlangte. Als ob es kein Problem wäre, dass Zorro einfach verschwand, ohne einem von ihnen auch nur zu sagen, wohin – während sie auf dem besten Weg waren, sich mit Samurais und Kaisern anzulegen – nur um dann wenige Stunden später mit einem abkratzenden Samurai auf dem Rücken aufzutauchen. War Sanji denn der Einzige, der merkte, dass irgendetwas in dieser Crew falsch lief, und dass dieses irgendetwas mit dem wortkargen Marimo zu tun hatte? Missmutig starrte er auf das Ei in der Pfanne. Wenn er nicht irrte, hatte der Marimo am vergangenen Morgen kaum etwas gefrühstückt und das Abendessen hatte er im Krankenzimmer verbracht. Seufzend fragte Sanji sich, ob der andere tagsüber etwas gegessen hatte. Es würde zum verdammten Schwertheini passen, so etwas Triviales aber Notwendiges wie Essen zu vergessen, auf der anderen Seite was wusste Sanji schon, was zum anderen passte, schließlich bedankte er sich ja mittlerweile auch bei anderen, nur nicht bei Sanji. Aber er hatte keinen Grund, dem anderen nun etwas zum Essen zu bringen, schließlich würde es in kaum einer Stunde Frühstück geben. Außerdem hatten er und der Marimo sich bei ihrem letzten Aufeinandertreffen so arg gestritten, dass Sanji sich zu seiner Schande mehrere Stunden im Badezimmer verkrochen hatte. Dennoch packte er nun das frisch gerollte Ei und ein paar Reisbällchen auf einen Teller. Die neueste Entwicklung passte Sanji ganz und gar nicht. Sie hatten bereits genug Probleme. Es reichte schon, dass Ruffy in der ganzen Welt Kämpfe und Feinde am laufenden Band heraufbeschwor, während der verdammte Marimo nichts Besseres zu tun hatte, als Kämpfe innerhalb der Crew zu schüren und sich seine eigenen Freunde zu Feinden zu machen. Es reichte schon, dass sie mit Law – einem ehemaligen Samurai – eine Allianz gegründet hatten und über Caeser versuchen wollten, dass de Flamingo ebenfalls seinen derzeitigen Samuraititel aufgeben würde. Nein, Sanji gefiel das alles ganz und gar nicht. Allein schon die Anwesenheit Falkenauges ließ ihn unruhig werden. Obwohl der andere schwer verletzt war und derzeit wohl kaum eine Gefahr darstellte, hatte Sanji die Nacht kaum ein Auge zugemacht. Hatte nicht ruhig schlafen können mit dem Wissen, was für eine Bestie sie beherbergten. Ihm missfiel es, wie selbstverständlich Law, Robin und Chopper entschieden hatten, einem Feind von ihnen das Leben zu retten, obwohl dieser Samurai sich jederzeit gegen sie stellen konnte, sobald es ihm wieder besser ging. Es wäre für sie alle besser gewesen, wenn sie ihn hätten verbluten lassen. Hol verdammt noch mal Chopper, Koch! Und das missfiel ihm am allermeisten! Es stimmte, dass Zorro sich seltsam benahm, seitdem er wieder zurückgekehrt war, seitdem die Crew wieder zusammengefunden hatte, und er und Sanji hatten ihre Auseinandersetzungen gehabt und das störte ihn zutiefst. Aber das hier war anders. Die Art, wie der andere am vergangenen Tag gehandelt hatte, war anders, und was auch immer es war, es schien mit diesem verdammten Samurai zu tun zu haben. Mit genau dem Samurai, der vor zwei Jahren ihnen zur Hilfe gekommen war und ihnen wohl mitgeteilt hatte, dass Zorro überlebt hatte, ohne auch nur einen Beweis vorzubringen. Genau der Samurai, der vor über zwei Jahren Zorro beinahe getötet und für den Rest seines Lebens gebrandmarkt hatte. Kopfschüttelnd entschied, Sanji solche Gedanken zu verdrängen und nicht zu irgendwelchen Schlussfolgerungen zu springen, als er den hübsch angerichteten Teller voller nahrhafter Leckereien nahm und zum Krankenzimmer ging. An der Tür stoppte er jedoch, schob eine der Gardinen zur Seite und lugte hinein. Zorro saß am Schreibtisch auf dem Drehstuhl, den Chopper so sehr mochte, mit dem Rücken zu Sanji. Der Schwertkämpfer las die Zeitung, schien völlig unbekümmert, als wäre es das Normalste der Welt. Sanji hatte ihn so gut wie nie Zeitung lesen gesehen und wunderte sich wieder einmal, ob er den anderen überhaupt kannte, ob er überhaupt eine Ahnung hatte, wer der andere wirklich war. Das Krankenbett konnte er vom Fenster aus nicht sehen, aber dafür fiel sein Blick auf die riesige Waffe, die wie beiläufig auf dem Schreibtisch lag, noch nicht mal eine Armlänge von Zorro entfernt. Es war genau diese Klinge, die Zorro vor über zwei Jahren aufgeschlitzt hatte, und nun saß er daneben, am Bett des Mannes, der Zorro damals beinahe getötet hatte, der sich in Schlacht auf Marine Ford gegen Ruffy gestellt hatte, und hoffte wohl darauf, dass dieser verdammte Dreckskerl überleben würde. Irgendwie war das alles wie ein schlechter Scherz und Sanji hatte das Gefühl, dass ihm ein Teil der Geschichte fehlte, als hätte er einfach nicht alle Informationen. Beim zweiten Mal drüber nachdenken, kam er zu dem Schluss, dass es wohl genau das auch war. Schließlich sprach Zorro nicht, antwortete nicht, ließ sie alle völlig im Dunkeln. Missmutig entschied er sich um, ging zurück an den Herd und fuhr mit seiner Tätigkeit fort. Er war nicht so gutmütig wie Nami und würde Zorro unbeachtlich seines Fehlverhaltens so behandeln wie immer. Er war auch nicht so liebevoll wie Robin, die sein Verhalten tolerierte, weil sie glaubte, dass er gute Gründe dafür hatte. Erst recht war er nicht so ignorant wie der Rest der Crew, die sich entschieden hatten, schlafende Hunde nicht zu wecken. Nein, sein vergangener Streit mit dem Marimo hatte Sanji erschüttert, das stimmte schon, hatte seine Selbstzweifel und die Enttäuschung über eigene Taten und Entscheidungen wieder aufgewirbelt, aber sie hatten ihn in seinem Misstrauen auch bestärkt, dass etwas nicht richtig war, und egal, was es auch war, Sanji würde es herausfinden, zum Wohle der Crew und auch zum Wohle des verdammten Marimos. Irgendwann öffnete sich die Türe zum Bug und Robin kam herein, um ihn bei seinen Vorbereitungen zu helfen. Wie sonst auch unterhielten sie sich, doch Sanji entging nicht, dass sie äußerst elegant das Gespräch beständig in andere Bahnen lenkte, wann immer Sanji auf die beiden Schwertkämpfer im Nebenraum zu sprechen kommen wollte. Nach einigen Versuchen gab er sich geschlagen. Er hatte keine Lust, mit Robin zu streiten, diese Energie sollte er sich für Zorro aufbewahren oder für den Samurai, dem er bald gegenüberstehen würde. Nach und nach kamen die verschiedenen Crewmitglieder und Gäste zum Frühstück, nur Zorro kam nicht, wie erwartet. Selbst nicht, nachdem Chopper kurz ins Krankenzimmer verschwand, um seinen Patienten zu überprüfen. So verlief ein weiteres Frühstück absolut ereignislos und Sanji steckte sich die nächste Zigarette an.   -Zorro- Als Chopper ging und die Türe hinter sich schloss, hob Zorro die Zeitung wieder hoch und las weiter, irgendeinen langweiligen Artikel über die bevorstehende Reverie, welche Königreiche dort vertreten sein würden, was mögliche Themen der Versammlung sein würden und natürlich auch eine Spalte über Lady Loreen. Am meisten kotzte Zorro daran an, dass wohl das Wichtigste diesbezüglich war, was Lady Loreen tragen würde. Zorro mochte sein Alter Ego wirklich nicht, wünschte sich immer noch, er hätte Lady Loreen in den Tiefen des Meeresgrundes vergraben, aber dennoch störte es ihn, dass das Wichtigste, was die Zeitungen über Lady Loreen berichteten, ihre neuesten Klamotten und ihre angebliche Beziehung zum Samurai Falkenauge waren. Alles andere schien zweitrangig, und es war Zorro eigentlich wirklich egal, weil er eh mit diesen ganzen Dingen nichts am Hut haben wollte, aber wenn er schon eine verdammte Rede vor irgendwelchen machthungrigen Halunken halten sollte, dann wollte er doch, dass darüber berichtet wurde und nicht über unwichtigen Kram. Er fragte sich, ob sich das ändern würde, wenn die Welt herausfinden würde, wer Lady Loreen wirklich war, und er fragte sich welche anderen Folgen dies mit sich bringen würde. Seufzend faltete er die Zeitung zusammen und legte sie weg. Sollte sein Plan nicht aufgehen, waren all diese Gedanken wertlos. Sollte sein Plan nicht aufgehen, würde Zorro bald vor weit größeren Problemen stehen als vor einer geheimen Identität. Sollte sein Plan nicht aufgehen, würde er eine Katastrophe heraufbeschwören. „Verdammt“, murrte er und rieb sich durchs Gesicht. Er war sich so sicher in seinem Plan gewesen, so stolz, dass er darauf gekommen war – ganz alleine draufgekommen war - dass er nicht überlegt hatte, was er tun würde, wenn sein Plan schiefgehen würde. Wie ein blutiger Anfänger hatte Zorro sich keinen Plan B überlegt, keinen Notfallplan für den Fall, dass das Kartenhaus zusammenfallen würde. Er hatte genau das nicht getan, was Dulacre ihm immer und immer wieder eingebläut hatte. Früher hätte Zorro nicht groß anders gehandelt, hätte vielleicht noch nicht mal einen Plan gehabt, und hätte das noch nicht mal schlimm gefunden. Aber das war genau der Grund, warum er damals auf der G6 versagt hatte, weil er nicht nach links und rechts geschaut hatte, sondern einfach nur sein Ding durchgezogen hatte. Erneut seufzte er und ließ seinen Blick durchs Zimmer gleiten. Yoru summte leise vor sich hin; eine beruhigende Melodie, zeigte sich keineswegs besorgt um seinen Meister, als wüsste es genau, dass es ihm bald wieder gut gehen würde, und das wiederum beruhigte Zorro. Für eine Sekunde ließ er seine Hand über das mächtige Schwert gleiten, nahm dessen Ruhe, Weisheit und Geduld in sich auf, dankbar, dass diese Waffe ihn immer noch mit der Sanftmut eines erfahrenen alten Pferdes empfing. Gerade in diesem Moment war er dankbar, dass Yoru ihn immer noch wie einen Welpen und nicht wie einen Gegner behandelte. Dann fiel sein Blick auf Dulacre, der ruhig im Bett lag, immer noch so aschfahl, dass es selbst für seine Verhältnisse besorgniserregend war, aber ganz bedächtig atmete. Er war noch nicht aufgewacht, doch laut Chopper war das nicht ungewöhnlich, da die Operation wohl sehr anstrengend für ihn gewesen war und sie ihn darüber hinaus mit Schmerzmitteln vollgepumpt hatten. Chopper hatte betont, dass die Werte gut waren und der andere wohl bald aufwachen würde. „Er hat Recht“, murmelte Zorro Yoru zu, welches nur zustimmend summte. Seine eigenen Schwerter – die Zorro geholt hatte, nachdem Robin ihn dazu bewegt hatte zu duschen und sich umzuziehen – waren verhältnismäßig still, wie so oft, wenn Yoru anwesend und nicht in der Hand seines Meisters lag. Nun jedoch zeterte Kitetsu leise los, als Zorro sich die Blöße gab und das weise Schwert berührte. Zorro auf der anderen Seite ignorierte seine erboste Waffe und betrachtete Dulacre. Diese ganze Situation war absurd. Er wusste noch, dass sie gestritten hatten, ziemlich heftig sogar, denn er erinnerte sich daran, dass er hatte gehen wollen mit dem Bedürfnis, den anderen nicht mehr wiedersehen zu wollen, zumindest für eine ganze Weile nicht mehr wiedersehen zu wollen. Er erinnerte sich auch noch ganz grob daran, was sie einander vorgeworfen hatten, aber wenn Zorro ehrlich war, so war das vergangene Gespräch nicht mehr als in weiter Ferne, als wäre es vor Jahren und nicht erst vor wenigen Stunden passiert, überlagert von den Augenblicken danach. Immer noch kam Zorro sich vor wie in einem schlechten Traum und er wusste noch nicht mal genau wieso. Dulacre war nicht der erste Mensch, der vor ihm zusammengebrochen war und Blut gespuckt hatte, nicht der erste Schwerverletzte, den er in Sicherheit getragen hatte, nicht der erste Freund, dessen Leben in Gefahr war. Dennoch war es ganz anders und Zorro wusste nicht warum. Als der andere ihm nachgerufen hatte, hätte Zorro vor Wut explodieren können, aber etwas in ihm war auch erleichtert gewesen, dass Dulacre ihn hatte aufhalten wollen, nicht gewillt gewesen war, Zorro so gehen zu lassen. Etwas in ihm war dankbar gewesen, dass Dulacre ihn davon hatte abhalten wollen, mit dieser Wut den anderen zurückzulassen. Doch dann hatte er sich umgedreht, hatte den fast schon überraschten Ausdruck in diesen Falkenaugen bemerkt. Hatte gesehen, wie verwundert und verwirrt Dulacre ihn angesehen hatte, als hätte Zorro ihn vor ein Rätsel gestellt, welches selbst der Samurai nicht lösen konnte, endlich ein Rätsel, welches selbst der Samurai nicht lösen konnte. Dann war Zorros Blick auf die Flecken auf Dulacres Hemd gefallen, aber er hatte nicht verstanden, was geschehen war. Erst hatte er es für verschütteten Wein gehalten, bis er dieses tiefrote Rinnsal gesehen hatte, wie es aus Dulacres Mundwinkel geglitten war, fast schon elegant seinen Weg durch dessen Bart gesucht hatte und dann auf seine Brust getropft war. Blut und Speichel weisen auf interne Blutungen hin. Wohl eine Vergiftung. Was für eine Schande, hätte man sie früher gefunden, hätte man sie vermutlich retten können. Zorro wusste nicht, warum diese Worte immer wieder durch seinen Kopf hallten, aber für eine Sekunde hatte er wirklich gedacht, dass Dulacre vergiftet worden wäre, hatte es Eizen ohne Zweifel zugetraut, wegen ihm vergiftet worden wäre. Aber es war kein Gift, laut Law und Chopper zumindest und Zorro vertraute auf Choppers Fachwissen; eine Entzündung von Speiseröhre und Magenschleimhaut hatten sie gesagt und Zorro fragte sich, was dies für die Zukunft des anderen bedeutete. So alt war der andere doch noch nicht, oder? Nicht alt genug, um an solchen Dingen draufzugehen, oder? Nicht alt genug, um an Krebsgeschwüren oder was auch immer es war abzukratzen, oder? Sag mir, Lorenor, wann hattest du so große Angst, dass du nicht mehr klar denken konntest, dass dir die Luft zum Atmen fehlte? Wann hattest du wirklich Angst? Er hatte sich nie viele Gedanken um so unwichtige Dinge wie das Alter gemacht, hatte sich einen Spaß daraus gemacht, den anderen damit aufzuziehen, weil es ganz offensichtlich etwas war, auf das Dulacre empfindlich reagierte, aber Zorro hatte es nie ernst genommen. Warum also dachte er jetzt darüber nach, obwohl er genau wusste, dass solche Dinge doch nichts mit dem Alter zu tun hatten, oder? Aber ich frage mich, was passiert, wenn du wirklich hilflos bist? Wenn du nichts tun kannst, um dieser Angst zu entrinnen, was tust du dann? Nein, Zorro wusste genau, warum er sich über so einen Schwachsinn und all den anderen Schwachsinn, der in seinem Kopf herumwütete, Gedanken machte. Was ist, wenn Dulacre stirbt? Er hatte versucht, diese Frage zu ignorieren, während er in der Kombüse gewartet hatte, hilflos auf wer weiß was gewartet hatte, verdammt dazu, nichts tun zu können, außer zu warten. All diese Dinge waren ihm durch den Kopf gegangen. Was wäre, wenn Dulacre sterben würde? Wäre Zorro dann derjenige, der Jiroushin, Kanan, Perona… müsste dann Zorro ihnen Bescheid geben? Was war mit den fünf Inseln? Würde er dem Bürgermeister von Sasaki, Herrn Koumyou, Bescheid geben müssen? Wer würde die fünf Inseln beschützen? Was war mit Kuraigana, wenn es seinen Herrscher verlieren würde? Was würde mit Yoru geschehen? Was würde Zorro tun müssen? Was würde Dulacre in einer solchen Situation von ihm erwarten? Was wäre, wenn Dulacre sterben würde? An oberster Stelle stehen meine Crew und mein Traum, daneben ist einfach kein Raum für irgendetwas anderes. Schlimmer jedoch war, dass Zorro noch ganz andere Gedanken nicht hatte verdrängen können. Sollte dies nun ihr letztes Gespräch gewesen sein? Sollten Zorros von Wut getragene Worte – Worte, an die er sich schon nicht mehr erinnern konnte - das Letzte sein, was er dem anderen sagen würde? Sollte dies der Moment sein, in dem der andere sterben würde? Sollte dieses Mal er derjenige sein, der zurückbleiben musste? In meinem Leben ist für so etwas kein Platz. Zorros Blick fiel auf Yoru, doch dieses Mal schwieg es, gab ihm keinen Rat, ließ ihn völlig auf sich alleingestellt, als würde es ihm eine letzte Lektion erteilen. Er war völlig verwirrt. Seitdem Zorro Kuraigana verlassen hatte, hatte er das Gefühl von allem verwirrt zu sein, überfordert zu sein. Eizen verwirrte ihn, mit seinen Eroberungsplänen, mit seinen Bildern von Zorros toter Mutter, mit seinem Wissen, das er nicht haben durfte. Rayleigh verwirrte ihn, mit seinen mahnenden Worten, mit seinen vagen Hinweisen, mit den ungefragten Bemerkungen, die Zorro nicht hatte hören wollen. Seine Crew verwirrte ihn, mit ihren fragenden Augen, mit ihren unverschämten Forderungen, mit ihrem nicht enden wollendem Misstrauen, das er nicht verdient hatte. Dulacre verwirrte ihn, mit seinem unverhohlenen Blick, mit seinen direkten Fragen, mit seinen schonungslosen Antworten, die Zorro nicht wahrhaben wollte. Und er selbst verwirrte sich auch, mit seinen eigenen verworrenen Gedanken, mit seinen flüsternden Zweifeln, mit seinen Entscheidungen, von denen er schon lange nicht mehr überzeugt war, dass sie die richtigen waren. Er sehnte sich nach der Stille Kuraiganas, nach ein paar Tagen, in denen nichts passierte, keine Abenteuer, keine Gefahren, keine unerwarteten Kehrtwenden. Ein paar Tage, in denen er Zeit hatte, seine verwirrenden Gedanken in Ruhe zu ordnen. Er sehnte sich nach etwas Stille, um herauszufinden, was er wirklich wollte, was ihn wirklich beschäftigte und warum er nicht zur Ruhe kommen konnte. Doch nun, da es endlich still war, da der Koch endlich mal den Mund hielt, niemand ihn Dinge fragte, auf die er nicht antworten wollte, keiner überhaupt irgendetwas von ihm wollte, da war es unglaublich laut in seinem Kopf und seine Gedanken wollten einfach nicht zur Ruhe kommen, wollten ihm keinen Moment des Friedens geben. Also saß er hier nun, tat so, als wäre diese Situation das Normalste auf der Welt und versuchte, die verdammte Zeitung zu lesen, während seine Gedanken sich in einem immerwährenden Teufelskreis drehten, aus dem er nicht ausbrechen konnte, hilflos auf etwas wartend, das er nicht beeinflussen konnte. Erneut sah er zu Dulacre hinüber, fragte sich, ob es genau so für den anderen immer gewesen war, die vielen Nächte und Tage, die er an Zorros Bett verbracht hatte. Er fragte sich, ob es für die anderen auch immer so gewesen war, die vielen Male, die er schwer verletzt gewesen war. Hatte er sie genau das, was er gerade fühlte, immer wieder durchmachen lassen? Hatten sie alle sich auch immer so hilflos gefühlt wie er gerade? Zorro hasste dieses Gefühl. Dulacre hatte ihn vor langer Zeit gefragt, was Zorro tun würde in einem Moment, in dem er absolut hilflos sein würde, mit nichts außer sich selbst und der Angst, und Zorro war zu der Entscheidung gekommen weiterzugehen, immer diesen einen Schritt mehr zu gehen. Alles in seiner Macht zu tun, um nie wieder in einer hilflosen Situation zu landen, um nie wieder machtlos zu sein. Nun fragte er sich, ob er die Frage damals falsch beantwortet hatte. Er fragte sich, ob sein Versuch, solche Situationen zu verhindern, ihn nicht zu genau einem solchen Kontrollfreak machte, wie er dem Samurai immer vorwarf einer zu sein, und er fragte sich, ob die Antwort nicht eine ganz andere war. Vielleicht war die Antwort nicht der verbissene Kampf nach vorne, das Ausmerzen jeder Schwäche und das Vergraben aller Ängste. Vielleicht war die Antwort ja doch ganz einfach… Aber er wusste nicht, was die Antwort war, er wusste nicht, was er sonst tun sollte. Nur eines wurde ihm mit jeder Sekunde klarer: Er musste tun, was auch immer er irgendwie tun konnte, um so etwas zu verhindern, und das würde er auch tun. Er wusste noch nicht wie, aber er würde es tun. Lange sah er das ungewohnt blasse Gesicht seines Lehrmeisters an, einer der mächtigsten Menschen, die er kannte. Hier und jetzt musste er die Antwort darauf auch noch nicht wissen. Alles, was er wissen musste, war, dass er Dulacre auf keinen Fall unterschätzen sollte. Er war nicht umsonst der beste Schwertkämpfer der Welt und wenn Zorro sich weigerte, an Verletzungen draufzugehen, dann würde Dulacre ihm da mit Sicherheit in nichts nachstehen wollen. Wenn jemand so etwas überstehen konnte, dann doch wohl er, also konnte Zorro ihm diesbezüglich doch auch vertrauen, oder? „Also wach jetzt endlich auf!“ Kapitel 15: Kapitel 15 - Morgen ------------------------------- Kapitel 15 – Morgen   -Mihawk- Eine simple Holzdecke grüßte ihn, als er die Augen aufschlug. Die kaum wahrnehmbaren Bewegungen erinnerte ihn an einen sanften Wellengang und der Geruch von Desinfektionsmittel erinnerte ihn an Krankenhäuser. Also war er wohl im Krankenzimmer der Thousand Sunny, dem Schiff der Strohhüte, auch wenn er es noch nie zuvor von innen gesehen hatte. Nicht, dass es ihn überraschte, trotz allem, was geschehen war, hatte er nicht erwartet, dass sein ehemaliger Schüler ihn zurücklassen würde, schließlich wollte der andere eines Tages seinen Titel und das würde nun mal recht schwer werden, sollte Dulacre vorher verbluten. Er erinnerte sich äußerst klar daran, was passiert war. Sie hatten sich gestritten, so wie er es vorausgesagt hatte, weil er sich einfach so gut wie nie irrte, vielleicht etwas heftiger, als er sich gewünscht, aber nicht für unwahrscheinlich gehalten hatte. Was er allerdings nicht erwartet hatte, war das abrupte Ende gewesen. Er erinnerte sich klar daran, wie die Bluttropfen ihn verwirrt hatten, als ihm bewusst geworden war, dass das, was er fühlte, nicht einfach nur Symptome einer emotionalen Auseinandersetzung gewesen waren, sondern tatsächlich physischen Ursprung gehabt hatte. Dulacre erinnerte sich noch genau an den Moment, als er verstanden hatte, dass er vielleicht einen pathologischen Zustand entwickelt hatte. Er erinnerte sich daran, wie der andere ihn angesehen hatte, und daran, wie sein eigener Körper ihm den Dienst versagt hatte. Es war ein seltsames Gefühl gewesen, eines, das Dulacre absolut unbekannt gewesen war. Er erinnerte sich daran, wie er versucht hatte, zu atmen, ohne Sauerstoff erlangen zu können, erinnerte sich an den anderen, der mit ihm gesprochen hatte, und er erinnerte sich auch an den unangenehmen Schmerz. Aber rückblickend hatte Dulacre in jenem Moment die fehlende Kontrolle über seinen eigenen Körper als deutlich schlimmer empfunden als die Schmerzen. Irgendwann hatte er dann sein Bewusstsein verloren und nun lag er im Krankenzimmer der Thousand Sunny, denn er wusste, dass es auf der ganzen Welt nur einen Arzt gab, dem der andere auch nur ansatzweise vertraute. Aber selbst jetzt konnte er seinen Körper kaum spüren, war vermutlich mit Schmerzmitteln und vielleicht sogar Narkotika versorgt worden, doch es war ein unangenehmes Gefühl, nicht Herr über sich selbst zu sein und den Geist von Medikamenten vernebelt zu haben, hilflos anderen ausgesetzt, doch er konnte es nicht ändern und das sanfte Summen Yorus beruhigte ihn. Solange sein engster Vertrauter bei ihm war, brauchte er sich nicht sorgen. „Oh, du bist aufgewacht?“ Plötzlich glitt der andere in sein Blickfeld, sein Gesicht unleserlich wie so oft. Dies überraschte ihn dann doch. Dulacre hatte nicht erwartet, dass er anwesend sein würde, nicht nach dessen letzten Worten. „Chopper hat mir gesagt, dass du nicht versuchen sollst, dich zu bewegen oder zu reden, okay?“ Er sah den anderen nur an. „Gut, bist du soweit in Ordnung? Dann würde ich Chopper holen gehen.“ Nach einer weiteren Sekunde nickte der andere und verschwand aus seinem Blickfeld. „Bleib liegen, bis ich wieder da bin und beweg dich nicht“, hörte er den anderen noch, der es tatsächlich wagte, ihm einen Befehl zu erteilen. Auf der anderen Seite war er kein Dummkopf, der einfach aufstehen würde, ohne zu wissen, was genau mit ihm passiert war, so etwas würde er seinem Körper nicht zumuten, wenn er es verhindern konnte, schließlich konnten die Folgen von solchen Unachtsamkeiten gravierend sein und selbst Dulacre war nun mal nicht unsterblich. Er war sich nicht genau sicher, was mit ihm passiert war. Er hatte seine Vermutungen, jedoch würde er nicht behaupten, dass seine medizinischen Kenntnisse überragend waren, daher entschied er zu warten und zu seiner Zufriedenheit musste er das auch nicht lange. Schon nach wenigen Sekunden konnte er Schritte hören. Doch nicht nur sein ehemaliger Schüler und der Arzt der Crew betraten den Raum, sondern auch Nico Robin und Trafalgar Law. Er hatte es befürchtet, hatte befürchtet, dass dieser schlechterzogene Bengel, der den Titel aller Samurai und Schwertkämpfer durch seine bloße Existenz beschmutzte, wohl dem jungen Rentier geholfen hatte. „Es ist gut, dass Sie endlich aufgewacht sind“, grüßte ihn nun überraschend höflich der junge Arzt direkt vor ihm, „und laut Zorro sind Sie auch bei klarem Bewusstsein. Das ist sehr gut. Ich möchte Sie bitten, liegen zu bleiben, sich möglichst wenig zu bewegen und nicht zu sprechen. Blinzeln Sie einmal, wenn Sie mich soweit verstanden haben.“ Dulacre sah den jungen Arzt an. „Er versteht“, murrte sein ehemaliger Schüler, der mit verschränkten Armen hinter dessen Crewmitglied stand, „und er will wissen, was passiert ist.“ „Huch?“ Kurz schaute das Rentier verwundert auf. „Du weißt, was er denkt?“ Der andere zuckte nur mit den Schultern. „Ist nicht gerade schwer zu erraten, oder?“ „Nun gut, wie Sie sich vermutlich erinnern, haben Sie Blut gespuckt, da Sie innere Blutungen gehabt haben. Ihre Schleimhäute in Rachen, Speiseröhre und Magen waren schwer verätzt. Nach sorgsamer Evaluation gehen wir davon aus, dass Sie empfindlich auf eine gewisse Weinsorte reagieren, die Sie laut Zorro seit kurzem regelmäßig konsumieren. In der Zutatenliste war auch ein Hauch von Tatababasco aufgeführt, bekanntlich das schärfste Gewürz der Welt, was aller Wahrscheinlichkeit für die Reaktion ursächlich war. Sie hatten Glück, dass Zorro so geistesgegenwärtig gehandelt und Sie hergebracht hat. Ihre Speiseröhre war durchgebrochen und Sie hatten vermehrte interne Blutungen, jedoch waren wir dank Trafalgar Laws speziellen Fähigkeiten in der Lage Sie erfolgreich zu operieren und den Eingriff direkt an Ihren Organen vorzunehmen, ohne Haut, Muskeln oder Knochen beeinträchtigen zu müssen.“ Der junge Arzt schnappte nach Luft, nachdem er die vergangenen Sätze innerhalb eines Atemzuges hinuntergespult hatte. „Der Eingriff ist dementsprechend gut verlaufen und nachdem Sie jetzt aufgewacht sind, können wir Sie untersuchen und dann gemeinsam einen Rehabilitationsplan erstellen.“ Es überraschte ihn, wie freundlich die Knopfaugen des Rentiers ihn anstrahlten. „Sie hatten wirklich großes Glück, nur ein paar Minuten später und wir hätten vermutlich nichts mehr für Sie tun können, aber nun stehen Ihre Genesungschancen recht gut.“ Schicksal. Dulacre glaubte nicht an das Glück, glaubte nicht an glückliche Zufälle und günstige Umstände. Natürlich, der Doktor mochte es ein großes Glück nennen, aber Dulacre wusste genau, dass größere Mächte hier am Werk waren. „Was heißt recht gut?“, murrte nun sein ehemaliger Schützling und sah den jungen Doktor immer noch absolut unleserlich an. Es missfiel Dulacre, wie schwer die Miene des anderen es ihm heute machte, seine Beweggründe zu erkennen, nicht, dass es ihn überraschte. „Das kann ich dir sagen, nachdem wir ihn untersucht haben. Also, wenn Sie einwilligen, würden wir damit nun beginnen“, wandte der junge Doktor sich wieder an ihn. Für eine kurze Sekunde betrachtete Dulacre die anderen Anwesenden, ehe er den Schiffsarzt wieder ansah. „Er wird Law nicht an sich ranlassen“, murrte sein unfreiwilliger Übersetzter. „Aber von dir wird er sich untersuchen lassen.“ „Was?“, entkam es eine Spur höher dem Rentier, ehe es Dulacre mit großen Augen ansah. Im Hintergrund schnaubte der Chirurg des Todes hohl auf. „Aber mit seinen Fähigkeiten wäre diese Untersuchung deutlich genauer und angenehmer für Sie, ist Ihnen das bewusst? Ich kann Sie natürlich nicht dazu zwingen, aber ich versichere Ihnen, dass er ein hervorragender…“ „Lass es bleiben, Chopper. Er ist ein Sturkopf und wird seine Meinung nicht ändern. Wenn du ihn untersuchen möchtest, dann musst du das wohl selbst machen.“ Nun wurden die funkelnden Knopfaugen noch größer in Erstaunen, ehe das Rentier sie in ernsthafter Resolution zusammenkniff. „Nun gut, meinetwegen, wenn das Ihr Wunsch ist, werde ich dem nachkommen. Aber ich versichere Ihnen, dass dies deutlich unangenehmer für Sie sein wird, wenn wir es auf die konventionelle Art machen.“ Unbeeindruckt hielt er dem harten Blick des jungen Piraten stand, erstaunt, wie entschieden dieser ihn ansah. „In Ordnung, dann raus mit euch anderen, ich möchte zumindest die Privatsphäre meines Patienten wahren. Eigentlich sollte es mich nicht überraschen, genauso schlimm wie Zorro.“ Ah, daher also, Dulacre hatte vergessen, dass dieser Arzt sich regelmäßig mit einem viel umständlicheren Patienten befassen musste, als selbst er es war. „Ich denke nicht“, murrte ebendieser, als er Nico Robin und Trafalgar Law zur Tür folgte. „Ich denke nicht, dass ich im Bett bleiben und abwarten würde, nur damit du mich untersuchen kannst.“ „Das stimmt“, nickte der junge Doktor und seine felligen Gesichtszüge wurden wieder etwas flauschiger. Dann bemerkte Dulacre den harten Blick seines ehemaligen Schülers, der ihm ganz klar zu verstehen gab, dass der junge Doktor ihm sehr am Herzen lag und er es Dulacre nicht verzeihen würde, wenn er sich ungebührlich gegenüber dem jungen Crewmitglied verhalten würde. Eine unbegründete Sorge. Ihm war sehr wohl bewusst, dass diese Gestalt vor ihm – halb Mensch, halb Rentier – der einzige Arzt auf der ganzen Welt war, dem der andere genug vertraute, um sich von ihm versorgen zu lassen, und das war für Dulacre Grund genug, seinen Anweisungen zu folgen, zumindest für den Moment. Also begegnete er diesem Blick nur unverhohlen, ehe der andere mit seinem Auge rollte und das Zimmer verließ. Ob er wohl die ganze Zeit in diesem Zimmer darauf gewartet hatte, dass Dulacre aufwachen würde? Innerlich schmunzelte er über solch hoffnungsvolle Spekulation, die natürlich nicht der Wahrheit entsprechen konnte. Er selbst hatte dies zwar stets getan, aber der andere war deutlich praktikabler veranlagt und würde keinen Sinn darin sehen, am Bett eines Schlafenden zu wachen, während er gleichzeitig etwas deutlich Sinnvolleres machen konnte, wie Schlafen oder Trainieren. Außerdem war es nicht so, als hätten sie im Guten ihr Gespräch beendet. Der andere mochte ihm geholfen haben, aber auch das eher aus pragmatischen Gründen, nur für den eigenen Traum, aber Dulacre erinnerte sich genau an den Tonfall des anderen, als dieser sich zum Gehen gewandt hatte. Dulacre war sich bewusst – mehr als bewusst – dass er den anderen in diesem Moment verloren hatte. Dennoch rechnete Dulacre es ihm hoch an, dass er ihm Yoru gebracht hatte. Als Schwertkämpfer konnte er wohl nachvollziehen, wie tröstend es war, seinen engsten Vertrauten auch nun nahe zu haben. Vielleicht, nur vielleicht, war doch noch nicht alles zu spät. Schließlich hätte der andere genauso gut Yoru irgendwo anders verwahren können, trotz – oder gerade aufgrund – dieses Wissens.   -Sanji- Überrascht hörte er, wie die Türe zum Krankenzimmer sich bereits wieder öffnete und als er sich umwandte, sah er, wie Robin, Law und auch der Marimo hinauskamen, alle von ihnen augenscheinlich recht unbeeindruckt von dem, was auch immer hinter geschlossener Türe geschehen war. Erst vor wenigen Minuten war Zorro zum Ende des Frühstückes hineingeplatzt, um wortkarg wie eh und je Chopper zu holen, hatte noch nicht mal erwähnt, ob der Samurai im Krankenzimmer denn nun aufgewacht oder abgekratzt war, dennoch war ihm nicht nur Chopper, sondern das ganze Operationsteam gefolgt und die anderen hatten das als Aufruf verstanden, ihren alltäglichen Aktivitäten nachzugehen. Nur Kinemon hatte sich schwergetan, doch nachdem Sanji ihn höflich gefragt hatte, ob er ihm nicht beim Aufräumen helfen wollte, hatte er dann doch entschieden, sich Lysop und Momonosuke oben auf der Terrasse anzuschließen. Sanji war das nur Recht gewesen, derzeit bevorzugte er es, solche Arbeiten allein und vor allem in Ruhe zu erledigen. Nun jedoch fiel sein Blick auf die drei Neuankömmlinge. Law erkundigte sich kühl, wo Nami war, und eilte auf seine Antwort direkt zur Tür hinaus, gefolgt von Zorro, der auf Robins Frage hin erklärte, schlafen gehen zu wollen und dabei unverhohlen gähnte, sodass nur die Archäologin verblieb und Sanji ein wissendes Lächeln schenkte, woraufhin er sich wieder auf seinen Spülberg konzentrierte. „Kann ich dir etwas zur Hand gehen?“, fragte sie ihn nun. „Ach nein, Robinschatz, ich möchte deine schönen Hände nicht mit solch niederer Arbeit beflecken. Wenn du jedoch einen Kaffee möchtest, bereite ich dir liebend gerne einen zu.“ Entgegen seiner Worte tauchte plötzlich eine Vielzahl von Händen um ihn herum auf und als er zu Robin hinübersah, konnte er ihr Zwinkern sehen. „Aber zu zweit wären wir wesentlich schneller und dann könnten wir beide einen Kaffee genießen.“ Er gab sich ihrer überlegenen Logik geschlagen und reichte einer ihrer vielen Hände ein Küchentuch und gemeinsam bewältigten sie seine tägliche Arbeit. Zu seiner Unzufriedenheit schwieg Robin, offensichtlich nicht gewillt, von sich aus das Gespräch zu eröffnen, auch wenn Sanji sich nicht erschließen konnte warum. „Also?“, hakte er dann nun doch nach. „Falkenauge ist wohl zu sich gekommen?“ Sie nickte. „Ist er und ihm scheint es den Umständen entsprechend gut zu gehen.“ Er konnte ihre klugen Augen auf sich fühlen. „Und warum beschleicht mich das Gefühl, dass dies keine guten Neuigkeiten für dich sind?“ Geschockt starrte er sie an. Sie hatte schon immer ein Auge für die Wahrheit gehabt, aber manchmal erschreckte es ihn, wie direkt und unverhohlen sie die geheimsten Gedanken anderer so leicht aussprechen konnte. „Was redest du denn da?“, murrte er und wich ihren klugen Augen aus, während er sich noch stärker auf den Teller in seiner Hand konzentrierte. „Ich würde mir nie den Tod eines anderen Menschen wünschen.“ „Das würde ich auch nie denken“, entgegnete sie schlicht, „und dennoch scheinst du…“ „Ich möchte nicht drüber reden, Robin. Ich bin dir wirklich dankbar, wenn du mir helfen möchtest, aber…“ „Sanji.“ Für einen Moment sahen sie einander an und Sanji hatte fast vergessen, wie klar sie einen ansehen konnte, als würde sie einem direkt in die Seele sehen. Natürlich hatte sie Recht, es gehörte sich nicht für einen Gentleman, eine Frau zu unterbrechen und trotzdem hatte er es getan. „Was ist denn geschehen? Du scheinst ja ganz furchtbar verstimmt zu sein.“ Er bemerkte ihre ungewöhnliche Wortwahl, als wäre es ihr wichtig, dass Gespräch mit ihm am Laufen zu halten, ohne ihn wütend zu machen. Seufzend legte er den Schwamm zur Seite und rieb sich mit dem Unterarm über die Stirn. Er war wirklich schlecht gelaunt und tatsächlich erfüllte ihn das Wissen, dass Falkenauge die Operation anscheinend gut überstanden hatte, nicht mit Erleichterung und Freude, sondern eher mit… „Robin“, murmelte er und sah einer aufsteigenden Seifenblase beim Platzen zu, „bin ich ein schlechter Mensch?“ Er wusste die Antwort. Noch vor wenigen Stunden, während er das Frühstück vorbereitet hatte, war er verärgert darüber gewesen, dass Zorro die gesamte vergangene Nacht am Krankenbett des Samurais verbracht hatte. Die letzten Stunden hatte Sanji den Samurai gedanklich verflucht, ihn in Gedanken beinahe den Tod an den Hals gewünscht. Nein, nicht nur beinahe, Sanji war davon überzeugt gewesen, dass es für alle Beteiligten das Beste gewesen wäre, wenn Falkenauge draufgegangen wäre. Er hatte sich beinahe gewünscht, dass Falkenauge draufgegangen wäre. Er war davon überzeugt gewesen, dass es das Beste für alle gewesen wäre, für sich selbst, seine Crew und ganz besonders für den Marimo. Aber wie hatte er das nur glauben können, nachdem Zorro die ganze Nacht am Bett des Samurais Wache geschoben hatte? Wie hatte er das nur glauben können, nachdem Zorro, während Chopper, Law und Robin operiert hatten, am Küchentisch gewartet hatte, über und über mit Falkenauges Blut besudelt, ohne sich auch nur ein einziges Mal zu rühren? Wie hatte er das nur glauben können, nachdem er diese unbändige Angst in Zorros sonst so gleichgültigem Gesicht gesehen hatte? Hol verdammt noch mal Chopper, Koch! Vielleicht hatte Sanji sogar Recht, vielleicht wäre es besser für alle Beteiligten, wenn Falkenauge abgekratzt wäre, aber wie hatte er sich so etwas wünschen können, nachdem er Zorros verzweifelte Stimme gehört hatte? Sanji wusste doch genau, dass vom Überleben des Samurais Zorros Traum abhing, warum also hatte er sich so etwas Schreckliches erhofft? Warum hatte er nur gehofft, dass Chopper versagen würde? Wie hatte er nur hoffen können, dass ein anderer Mensch sterben würde? „Aber nicht doch.“ Die Wärme in Robins Stimme ließ seine Unterlippe beben, während sie mit seiner Tätigkeit fortfuhr. „Ich glaube, du machst dir viele Gedanken und große Sorgen um unseren Schwertkämpfer. Du bist ein wirklich barmherziger Mensch, Sanji, einer der Gütigsten, die ich kenne.“ Ihre Freundlichkeit tat ihm beinahe weh. Sie hatte doch keine Ahnung, was er sich gewünscht hatte! Was für eine schreckliche Sache er sich gewünscht hatte! Was für ein Leid er Zorro und Chopper gewünscht hatte, nur weil er Falkenauge nicht ausstehen konnte, obwohl er ihn doch kaum kannte. Verdammt noch mal! Er hatte sich gewünscht, dass jemand starb, nur weil er diese Person nicht ausstehen konnte! „Aber ich… ich habe gehofft…“ „Gestern war schon ein seltsamer Tag, nicht wahr?“ „Wa… was?“ Überrascht sah er auf, doch Robin betrachtete gerade etwas zu ausgiebig einen frischgeschrubbten Topf, ehe sie ihn einer ihrer vielen Hände überreichte und weiterarbeitete. „Ja, die vergangenen Tage waren so ereignisreich, dass ich mich wirklich auf ein paar gelassene Stunden gefreut habe.“ Sie seufzte leise. „Aber das war uns nicht vergönnt – nicht wahr? - und ich muss gestehen, unseren starken Schwertkämpfer noch nie so erlebt zu haben. Es hat mich fürwahr aufgewühlt, wie hektisch der sonst so stete Fels unserer Crew war und ich glaube, ich würde gerne vermeiden, ihn je wieder so sehen zu müssen. Dir ging es mit Sicherheit ähnlich, oder?“ Nur ganz kurz lag ihr sanfter Blick auf ihm, fast schon beiläufig, dann konzentrierte sie sich wieder auf das Messer in ihrer Hand. „Während ich Chopper und Law half, fragte ich mich, was geschehen sein könnte, dass unser Schwertkämpfer so erschüttert war, und mir wurde bewusst, dass es mit dem Mann zu tun hatte, dessen Leben wir gerade versuchten zu retten. Er war der Grund für Zorros ungewöhnliches und beinahe beängstigendes Verhalten.“ Sie legte das Küchentuch zur Seite, hatte innerhalb weniger Minuten geschafft, wofür Sanji schon mal gut und gerne eine Stunde brauchen konnte. „Deine Gedanken machen dich nicht zu einem schlechten Menschen, Sanji. Du warst mit einer unangenehmen Situation konfrontiert und dein Verstand hat versucht, die Ursache dafür auszumachen und entschieden, dass diese Situation in Zukunft vermieden werden könnte, wenn die Ursache nicht mehr da wäre, so einfach ist das.“ Nun lächelte sie ihn herzlich an. „Es ist dein Überlebensinstinkt, der dich so denken ließ. Solche Gedanken sind absolut menschlich und spiegeln nicht dein Wesen wider. Dass du solche Gedanken verurteilst, jedoch schon.“ Sie ging an ihm vorbei und goss sich den letzten Rest Kaffee vom Frühstück ein. „Also verurteile dich nicht, Sanji. Du bist kein schlechter Mensch, schließlich warst du doch derjenige, der Chopper geholt hat, oder nicht?“ Mit einem Augenzwinkern verließ sie die Kombüse, ließ Sanji zurück, der sich die brennenden Augen reiben musste – was kein kluger Gedanke gewesen war, da er immer noch Spülmittel an den Händen gehabt hatte – während er leicht den Kopf schüttelte. Robin war schon ein ganz besonderer Mensch und gerade hier war er wieder mal so dankbar, dass sie da war, und dennoch, er war sich nicht sicher, dass es nur das war, dass seine Gedanken nur die schlechte Übersetzung eines Überbleibsels eines Urinstinktes waren. Er hatte das Gefühl, dass da noch mehr war und dass dieses Mehr etwas mit dem Marimo zu tun hatte. Aber nach einem erneuten Seufzen entschied er, dass solch Grübeln ihn nicht weiterbringen würde und er die Zeit, die er durch Robins fleißige Hilfe gewonnen hatte, dafür nutzen sollte, diesen Grünkohlauflauf auszuprobieren, den sein allerliebstes Namilein am vergangenen Tag erwähnt hatte. Mit etwas besserer Laune steckte Sanji sich eine Zigarette an und setzte sein jüngstes Vorhaben summend in die Tat um.   Kapitel 16: Kapitel 16 - Arztbesuch ----------------------------------- Kapitel 16 – Arztbesuch   -Mihawk- „Wirklich erstaunlich“, wiederholte Doktor Chopper nun zum bereits siebten Male, während er sein Endoskop reinigte, ohne Dulacre aus seinem Blickfeld zu lassen, „solch schnelle Regenation habe ich sonst nur bei Zorro gesehen. Es ist wirklich erstaunlich“ – acht Mal – „die Wundränder sehen aus, als hätten sie bereits eine Woche Zeit zum Heilen gehabt und das angegriffene Gewebe scheint schon viel weniger gereizt.“ Dulacre entgegnete nichts, während der junge Arzt weiter vor sich hin murmelte. Er musste gestehen, dass er den Schiffsarzt der Strohhutcrew als recht amüsant empfand. Trotz seines jungen Alters schien er eine ausgezeichnete Ausbildung genossen zu haben – soweit Dulacre das beurteilen konnte, aber natürlich ließ er sich nicht nehmen über alles und jeden ein Urteil zu fällen – und gleichzeitig strahlte er die Naivität eines kleinen Kindes aus, wann immer er die Rolle des seriösen Arztes nicht erfüllen brauchte. Nun jedoch legte das Rentier sein Werkzeug zur Seite und schenkte Dulacre wieder seine volle Aufmerksamkeit. „Wie dem auch sei. Ganz gleich, wie gut der Heilungsprozess schon fortgeschritten ist, Sie haben noch einen langen Weg vor sich“, erklärte er mit ernstem Unterton. „Außerdem werden Sie Ihre Ernährung umstellen müssen, vermutlich sogar langfristig, wenn Sie verhindern wollen, dass so etwas nochmal geschieht.“ Langsam nickte Dulacre. Es missfiel ihm, dass seine Möglichkeit, Einwand zu erheben, derzeit sehr eingeschränkt war und es missfiel ihm, sich Dinge von jemandem vorschreiben zu lassen. Auf der anderen Seite war er kein Dummkopf wie ein gewisser anderer jemand und würde den Worten seines Arztes Folge leisten, da er sich sehr wohl bewusst war, was auf dem Spiel stand. Der Doktor nickte ebenfalls und senkte seinen Blick auf das Klemmbrett, welches er während der Untersuchung akribisch beschrieben hatte. „Okay, fangen wir in kleinen Schritten an, ehe wir zu weit in die Zukunft sehen. Denn wie diese aussehen wird, hängt sehr von den nächsten Tagen ab und davon, wie sich Ihr Zustand verändern wird.“ Dann sah der andere ihn wieder an und wieder einmal überraschte es Dulacre, wie scheinbar unbeeindruckt dieser Arzt, der doch noch ein Kind war, seinem Blick standhalten konnte. Diese Crew hatte wirklich das ein oder andere interessante Mitglied. „Aufgrund Ihres fortgeschrittenen Genesungsprozesses ist es meiner Einschätzung nach relativ ungefährlich, wenn Sie versuchen wollen zu reden. Aber…“, sprach der junge Arzt direkt weiter, als Dulacre nur zu gewillt den Mund öffnete, „… aber ich möchte, dass Sie sehr achtsam sind. Sollte es zu anstrengend sein, Sie ein leichtes Ziepen oder gar Schmerzen verspüren, machen Sie nicht weiter. Versuchen Sie nicht laut zu sprechen; Dinge wie Singen oder Schreien sind natürlich tabu. In einem solchen Fall werde ich Sie sofort auf erneute Blutungen untersuchen müssen und – auch wenn Ihnen das nicht gefallen wird – es wäre deutlich sinnvoller, wenn Trafalgar Law mir dabei behilflich sein würde, weil wir dann deutlich schneller reagieren könnten.“ „Nein.“ Für einen Moment sahen sie einander nur schweigend an. „Natürlich ist es Ihre Entscheidung. Aber sollte ich nicht da sein und so ein Fall eintreten, lassen Sie sich von ihm untersuchen, andererseits könnten Sie sterben, verstehen Sie?“ Dulacre entschied, dies unbeantwortet zu lassen. Teils weil er sich nicht durch sein Wort verpflichten lassen wollte – nicht, dass er das tatsächlich tun würde – aber zum Teil auch, weil er seiner kratzigen, brüchigen Stimme nicht traute. Er mochte nicht, wie heiser und kraftlos er klang, als wäre er bettlägerig, fast wie sein Vater damals auf der G2, als er ihn besucht hatte. „Ich werde Sie heute Abend erneut untersuchen, nur um sicherzustellen, dass sich nicht noch nachträglich eine Blutung zeigt. Für die nächsten Tage werden Sie auch Entzündungshemmer und Schmerzmittel bekommen.“ Der junge Arzt zögerte, als würde er mit Widerspruch rechnen, doch Dulacre schwieg und so sprach er weiter. „Natürlich werden Sie die nächsten Tage sich nicht so ernähren können wie bisher. Wir müssen sehr vorsichtig sein und Speiseröhre und Magen nur behutsam wieder belasten. Sollten die weiteren Untersuchungen heute gut aussehen, steht simplen Wasser nichts entgegen und ich werden mit Sanji Ihren Ernährungsplan für die nächsten Tage aufstellen.“ Zweifelnd zog Dulacre eine Augenbraue nach oben. Dem jungen Doktor mochte er zutrauen, dass er etwas von seinem Handwerk verstand, aber das sah ganz anders aus bei dem Smutje und er mochte bereits nicht, dass Trafalgar Law sich eingemischt hatte, auf den Smutje konnte er nur zu gerne verzichten. „Bis dahin dürfen Sie aber nichts zu sich nehmen, Eischips ausgenommen, aber diese müssen Sie vollständig im Mund zergehen lassen. Wir wollen verhindern, dass irgendetwas spitzes oder scharfes – und sei es nur Eis – die wunden Schleimhäute noch mehr beschädigt, verstehen Sie?“ Erneut nickte Dulacre. „Gut, dann werde ich Sie jetzt noch neu einstellen und dann sollten Sie noch etwas schlafen, um sich so gut wie möglich zu erholen. Haben Sie noch irgendwelche Fragen?“ Für einen Moment beobachtete er den anderen dabei, wie er von seinem Drehstuhl herunterhopste wie ein lebendiges Kuscheltier und sich dann beflissen um Dulacres Tropf kümmerte. Ja, er fand dieses Crewmitglied äußerst amüsant und interessant, das musste Dulacre schon zugestehen. „Doktor Chopper“, sprach er dann, immer noch verstimmt darüber, wie schwach er sich anhörte, aber selbst dies konnte ihn nicht davon abhalten, sich Gehör zu verschaffen, um das zu erfahren, was er erfahren wollte, „ich muss Ihnen danken. Sie haben mir mit Ihrer Expertise wohl mein Leben gerettet.“ Er neigte leicht den Kopf, um seine Worte zu bekräftigen, und lehnte sich dann zurück gegen den Berg von Kissen, den der Arzt ihn in den Rücken gestopft hatte, damit er in einer aufrechteren Position liegen konnte. Dann passierte etwas noch Interessanteres. Es schien, als würde ein Elektroschock durch den kleinen Körper des Arztes gehen, als sich sein gesamtes Fell von oben bis unten einmal aufplusterte und er sich dann am ganzen Körper schüttelte, ehe er seltsame Bewegungen fortführte, die ein Unwissender vielleicht mit einem Tanz verwechseln würde. „Denken Sie ja nicht, dass ich mich von ein paar netten Worten umgarnen lasse! Sie sind mein Patient und ich habe Sie gerettet, wie jeden Patienten, das ist nichts Besonderes!“ Äußerst amüsant. Doch dann hatte der junge Arzt seine Arbeit erledigt, kam zum Bett hinüber und legte einen kleinen Huf auf die Matratze, sah Dulacre äußerst ernst an. „Nein, ich habe wirklich nur meine Arbeit gemacht. Derjenige, der Ihr Leben gerettet hat, war Zorro. Hätte er die Situation nicht so schnell erfasst und sofort gehandelt, hätten weder Law noch ich Sie retten können.“ Langsam nickte Dulacre und erwiderte den ernsthaften Blick des Rentiers. Er war sich sehr wohl bewusst, was der andere getan hatte und Doktor Chopper hatte dies auch bereits mehrfach erwähnt, daher war er gespannt, herauszufinden, warum genau er nun Dulacres Einladung zu diesem Gespräch so einfach folgte. „Ich möchte ehrlich sein mit Ihnen, Herr Mihawk. Am Anfang hat mich Ihr Ruf sehr eingeschüchtert und ich wusste nicht, ob Sie ein… kooperierender Patient sein würden“, murmelte das Rentier nun beinahe schüchtern und wandte den Blick kurz ab. „Ich hatte etwas Angst davor, allein mit Ihnen in einem Raum zu sein, denn ich wusste ja nicht, wie Sie auf ärztliche Anordnungen reagieren würden.“ Interessant wie ehrlich dieser Junge war, wahrlich interessant. „Dennoch bin ich sehr froh, dass es Ihnen nun schon so viel besser geht, und ich bin auch dankbar, dass ich die Chance bekommen habe, meine Schuld bei Ihnen zu begleichen. Daher bitte ich Sie auch weiterhin um gute Zusammenarbeit, damit Sie schnell wieder gesund werden.“ Er war sich wirklich nicht sicher, ob er diesen Jungen, der bereits Doktor war, aber sogleich noch Kind, Pirat aber noch so naiv und unschuldig, eher amüsant oder interessant fand, aber gerade stellte er fest, dass dieses Gespräch ganz nach seinem Geschmack war. „Doktor Chopper?“, fragte er mit seiner erbärmlichen, nicht nach ihm klingenden, Stimme nach. „Sie sind mir nichts schuldig, wovon reden Sie?“ Nun würde sich zeigen, ob der andere Sarue meinte oder… „Weil Sie Zorro gerettet haben!“ … oder das. Mit großen Knopfaugen sah der junge Arzt ihn nun an, erneut so unpassend ernsthaft und entschieden, wie es absolut nicht zu seinen kuscheltierartigen Gesichtszügen passen wollte. „Ich meine, das haben Sie doch, oder? Alle dachten, er wäre auf den Senichi-Inseln umgekommen. Aber er hat überlebt und alle seine Wunden sind verheilt – fast schon spurlos verheilt, würde ich behaupten und ich habe ihn untersucht, mehrfach, das kann ich Ihnen versichern – und er ist zurückgekommen. Also muss ihn jemand versorgt haben, ihn gerettet haben, auf ihn aufgepasst haben. Und Sie waren vor zwei Jahren da und haben uns bei diesem Hinterhalt der Marine geholfen und seine Schwerter geholt.“ Nun war er eindeutig nicht mehr der seriöse Arzt, sondern nur noch ein naiver Junge, der gedacht hatte, seinen großen Bruder verloren zu haben. „Und zwar weil er selber noch nicht konnte, nicht wahr? Natürlich, nach nur einem Monat konnte sich selbst Zorro noch nicht von solchen Wunden erholt haben, und vermutlich wollte er nicht zurückkommen, ehe er wieder bei alter Stärke war, denn er ist ein Sturkopf und verdammt stolz. Er wollte uns mit Sicherheit keine Last sein und konnte sich vermutlich noch gar nicht bewegen, daher sind Sie gekommen, in seinem Namen.“ Tränen spiegelten sich in diesen kindlichen Knopfaugen und Dulacre schwieg. Es war weder sein Recht noch sein Platz diesem Jungen die Wahrheit zu sagen und so amüsant und interessant er den anderen auch fand, so empfand er weder zwischenmenschliche Sympathie noch fühlte er sich irgendwie emotional verpflichtet. Auf der anderen Seite konnte Dulacre sich nur zu gut vorstellen, wie solche Worte sich auf seinen ehemaligen Schützling auswirken konnten. Wusste genau, wie verbunden und verantwortlich dieser sich mit und für diesen jungen Arzt fühlte. Was für Kämpfe der andere durch die reine Anwesenheit seiner Crew wohl mit sich selbst hatte ausfechten müssen? „Ich weiß, dass ich Ihnen das alles wahrscheinlich gar nicht hätte sagen sollen“, sprach der junge Arzt nun weiter, ehe er sich tief verbeugte, „aber ich danke Ihnen, dass Sie für Zorro da waren, als ich als sein Arzt und als sein Freund versagt habe!“ Seine Stimme klang so brüchig und zittrig wie Dulacres eigene. Doch wiederum zeigte dieses Kind sich absolut resolut, als Doktor Chopper sich wieder aufrichtete und ihn herausfordernd ansah. „Und das ist die Schuld, die ich heute beglichen habe, und das ist der Grund warum ich entschieden habe Ihnen ärztliche Anordnungen zu erteilen und diese, wenn nötig, auch mit Gewalt durchzusetzen.“ „Damit ich genauso vollumfänglich genese wie Ihr Crewmitglied?“, fragte er nach, da der andere ihm nur zu bereitwillig Informationen mitteilte, ganz anders als ein gewisser Jemand, über den sie sprachen. „Nein!“, widersprach der andere. „Sondern weil ich damals erlebt habe, was es bedeutet jemanden zu verlieren, der einem unglaublich wichtig ist, und ich werde nicht zulassen, dass Zorro dieses Gefühl je erleben muss, selbst wenn ich dafür einen Feind retten müsste! Sie sind doch kein Feind, oder?“, setzte er überraschend kleinlaut hinterher. Doch auch Dulacre war überrascht, verfluchte für einen Moment die Schmerzmittel, die wohl seinen sonst so scharfen Verstand vernebelten und seine Gedankengänge viel langsamer als sonst erscheinen ließen. „Ich glaube Sie missverstehen etwas, Doktor Chopper“, entgegnete er und seine Stimme war noch dünner als zuvor. „Es geht nicht um mich, sondern darum, dass er mich besiegen muss, um seinen Traum erreichen zu können.“ „Sie sollten sich etwas ausruhen und nicht mehr so viel reden“, wechselte der andere das Thema, ganz der Arzt, und ging zur Tür. Dort blieb er jedoch stehen und Dulacre konnte die dunklen Knopfaugen auf sich fühlen. „Ich habe auch einen Traum, wissen Sie. Ich möchte ein Allheilmittel finden, um alle Krankheiten auf der Welt besiegen zu können.“ Was ein naiver, kindlicher Traum, so äußerst passend und oh so schmerzlich zum Scheitern verurteilt. „Dieser Traum bedeutet mir alles und erlaubt mir das Unmögliche möglich zu machen und dennoch, wenn sich mir die Wahl stellen würde ein einzelnes Leben zu retten oder meinen Traum zu verwirklichen, ich würde immer das Leben wählen. Selbst wenn dies bedeuten würde, dass ich meinen Traum für immer aufgeben müsste. Und vertrauen Sie mir, Sie kennen Zorro wirklich nicht gut, wenn Sie glauben, dass er anders denken würde.“ Amüsant und interessant, die wichtigsten Voraussetzungen, die jemand haben konnte, damit Dulacre überhaupt gewillt war, seine Zeit zu opfern. Aber es war wahrlich amüsant, welch weise Worte dieses Kind von sich gab und es wahrlich interessant zu sehen, wie Doktor Chopper ihn beschrieb, diesen Wildfang eines Schwertkämpfers.   -Zorro- Kurz streckte er sich, ehe er die Holzdecke über sich begutachtete. Früher hatte er seine Nickerchen am liebsten an Deck abgehalten, aber dafür waren derzeit viel zu viele fremde Gestalten an Bord, denen er nicht traute und er war den ganzen Trubel nicht mehr gewohnt, sodass es ihm sinnvoller erschienen war, sich auf dem Sofa im Schlafsaal der Männer für ein paar Minuten aufs Ohr zu hauen. Vor kaum zwei Sekunden war nun Lysop hereingekommen und hatte ihn ermahnt zum Mittagessen zu kommen, da der Koch wohl sehr verstimmt darüber war, dass Zorro die letzten Mahlzeiten verpasst hatte. Nicht, dass Zorro sich darum scherte. Mühselig richtete er sich auf. Aber das bedeutete wohl auch, dass Chopper mittlerweile vermutlich Dulacres Untersuchung abgeschlossen hatte und eine vage Prognose abgeben konnte. Also würde sich das Mittagessen anbieten, um mit Chopper zu sprechen. Auch wenn Zorro wusste, dass dieser ihm vielleicht nicht alles sagen würde; Verschwiegenheitspflicht oder so hieß dieser Schwachsinn, auf den der Schiffsarzt sich nur zu gerne berief. Erneut streckte er sich und verließ die Kajüte, beobachtete für einen Moment, wie schnelle Wolken am Horizont hinüberzogen, wurde sich erneut bewusst, wo sie gerade unterwegs waren, in der Neuen Welt, endlich in der Neuen Welt, ehe er zum Speisesaal hinüberschlenderte. „Zorro!“ Wie aufs Stichwort kam Chopper heraus, seinen ernsten Arztblick aufgesetzt. „Kann ich kurz mit dir sprechen?“ Er hatte wohl wirklich gerade Dulacres Untersuchung abgeschlossen und Zorro fragte sich, ob es ein schlechtes Zeichen war, dass er mit ihm sprechen wollte, aber was es auch war, er bevorzugte es zu wissen, bevorzugte zu wissen, wie es um den Samurai stand. Nickend ließ er sich auf der obersten Treppenstufe zur Kombüse nieder und sah zu, wie Chopper zu ihm herübertabste, ehe dieser sich ebenfalls mit einem leisen Plumps hinsetze. „Ich habe gerade Falkenauges Untersuchung abgeschlossen und ich war mir sicher, dass du wissen willst, wie es um ihn steht. Daher ist es mir lieber, wir besprechen das hier, unter uns, und nicht beim Essen, weil eigentlich dürfte ich dir das alles gar nicht sagen. Du weißt ja, die Schweigepflicht, aber ich denke ich könnte ausnahmsweise mal eine…“ „Chopper“, unterbrach er den anderen mit einem leisen Seufzen, „komm zum Punkt. Wie geht es ihm?“ „Gut“, entgegnete der andere mit zuckender Nase, vermutlich unzufrieden darüber seine ausschweifenden Erklärungen nicht zu Ende führen zu können, „den Umständen entsprechend gut. Es ist wirklich erstaunlich, seine Wundheilung ist fast so gut wie deine würde ich behaupten. Seine Selbstheilungskräfte müssen enorm sein, wirklich erstaunlich, fast so enorm wie deine. Seid ihr irgendwie verwandt? Ist er etwa dein Vater?“ „Vom Alter her könnte das schon passen“, murmelte Zorro mit einem leisen Schmunzeln bei dem Gedanken, wie der Samurai wohl auf diese Aussage reagieren würde, während er beobachtete, wie Chopper sich wieder einmal darüber aufregte, genauso wie er es immer tat, wann immer Zorro verletzt war. Es hatte etwas Lustiges, ihn dabei zu beobachten, ohne dass er ihn dieses Mal gleichzeitig ermahnen konnte, da Zorro ausnahmsweise mal nicht der Verletzte war. „Aber nein, er ist nicht mein Vater, zum Glück.“ „Das war eine rhetorische Frage, Zorro“, murrte Chopper nun und rollte mit den Augen, „natürlich weiß ich, dass ihr nicht verwandt seid. Eure Blutgruppen sind absolut nicht kompatibel.“ „Du hast sein Blut getestet?“ „Natürlich! Er ist jetzt mein Patient! Ich habe ihm eine ganze Krankenakte angelegt und sobald es ihm besser geht und er unbeschwerter sprechen kann, werden wir seine Krankengeschichte aufarbeiten.“ Glucksend neigte Zorro seinen Kopf zur Seite. Er hatte ganz vergessen, wie ernst Chopper so etwas nehmen konnte. „Chopper, du kannst nicht alle Menschen als deine Patienten adoptieren, nur weil du sie einmal behandelt hast. Er hat einen Hausarzt.“ „Und wer betreut ihn gerade? Sein Hausarzt oder ich? Außerdem werde ich ihn ja irgendwann wieder auf dem Tisch liegen haben, spätestens nachdem du gegen ihn gekämpft hast, nicht wahr? Vielleicht hat die schnelle Regenerationsphase etwas mit der Schwertkampfausbildung zu tun, ich muss mir auf jeden Fall eine Notiz machen und das später nachschlagen… und ich muss Franky bitten mir noch ein Krankenzimmer einzurichten, sonst wird es schwer euch beide gleichzeitig zu betreuen und…“ „Chopper!“, stöhnte Zorro gespielt – und ein kleines bisschen nicht gespielt – genervt auf, als der andere wieder einmal abschweifte. Allerdings hatte er die wichtigste Information dieser Aussage nicht verpasst. „Das heißt, er wird wieder gesund?“ Offensichtlich verwirrt hielt Chopper einen Moment inne, ehe er sich wohl wieder daran erinnerte, warum er dieses Gespräch überhaupt gesucht hatte. Dann nickte er. „Also, natürlich ist es noch viel zu früh, um langfristige Prognosen abzugeben, es ist noch ein langer Weg und er wird seinen Lebensstil ändern müssen; gesunde Ernährung, kein Alkohol, keine heißen oder scharfen Speisen, zumindest für eine ganze Weile. Aber es ist schon erstaunlich, wie gut sein Zustand ist, nachdem wir ihn gestern erst operiert haben, wirklich erstaunlich. Daher denke ich, ist es nicht vermessen, sich Hoffnungen zu machen, dass er mit Zeit und der richtigen Rehabilitation wieder ganz gesund wird und keine langfristigen Schäden davontragen wird. Aber es ist noch ein langer Weg und der Erfolg hängt in großen Maßen von ihm ab.“ Zorro konnte nicht anders, als tief Luft zu holen, als er merkte, wie sich dieser Kloß in der Magengegend löste und er zum ersten Mal seit dem vergangenen Tag aufatmen konnte. Für einen Moment betrachtete er das strahlendblaue Meer der Neuen Welt. „Mach dir keine Sorgen, Chopper“, murmelte er dann und war dankbar, dass seine Stimme nicht anders klang als sonst auch, „im Gegensatz zu mir, wird er nichts tun, was seine Gesundheit unnötig gefährden könnte und er hört auf Ärzte, zumindest, wenn er sie respektiert.“ „Du denkst, er respektiert mich?“ Er konnte die großen Augen auf sich fühlen, während er den glitzernden Wellen zusah. „Nun ja, hat er dich oder Law rausgeschickt? Wenn er dich als Arzt nicht respektieren würde, hättest du ihn nicht anfassen dürfen, glaub mir. Dieser arrogante Mistkerl würde sich eher selbst versorgen, als sich in die Hände eines zweitklassigen Arztes zu geben.“ „Immerhin ist er bereit, ärztlichen Anordnungen folgen und wehrt sich nicht gegen sinnvolle Medikation.“ Für einen kurzen Moment sahen sie einander an. Es war ungewohnt für Zorro auf dieser Seite des Gespräches zu stehen. Normalerweise war er der Patient, für den Chopper einen beinahe schon besorgniserregenden Beschützerinstinkt wie den einer Glucke entwickelte, und über den niemand anderes auch nur ein schlechtes Wort fallen lassen durfte. Es war seltsam, dass Chopper nun genauso über Dulacre wachte, als wäre dieser ein kleiner Welpe, dessen Muttertier die Zähne fletschte, ein lustiges Bild. Zorro entschied, diesen Kampf nicht zu riskieren, zu gut war für diesen Moment seine Laune. Das erste Mal seit Tagen hatte er endlich eine gute Nachricht erhalten und dieser Moment hier mit Chopper war gefühlt das erste Gespräch, seit sie alle wieder zusammen waren, welches sich genauso anfühlte, wie sich die Unterhaltungen innerhalb dieser verrückten Crew anfühlen sollten. „Naja, ich hab’s dir doch gesagt. Im Gegensatz zu mir, hört er auf ärztlichen Rat.“ „Und das solltest du auch tun!“ Er zuckte nur mit den Schultern. „Lass gut sein, Chopper. Erzähl mir lieber, was jetzt ansteht. Ist er wach? Wann kann er das Bett verlassen? Wann kann er wieder kämpfen?“ „Zorro!“ Er hatte die Kopfnuss erwartet und wich ihr noch nicht mal aus; Chopper war wirklich deutlich stärker geworden, bemerkte er erneut mit leisem Stolz. „Was hast du nicht daran verstanden, dass er noch einen langen Weg vor sich hat?“ „Aber du hast auch gesagt, dass er sich so schnell erholen würde wie ich und ich wäre jetzt bereits wieder am Trainieren. Also?“ Chopper sah ihn einen Moment schwer atmend an. Er war aufgesprungen und bebte am ganzen Körper. Zorro konnte ihm ganz genau ansehen, dass er nicht wusste, was von Zorros Aussage ihn gerade am meisten aufregen sollte und irgendwie fiel es Zorro schwer, ein erneutes Schmunzeln zu unterdrücken, bis auf einmal Chopper tief einatmete und ihn ernst ansah, ernster als normalerweise, wenn er Zorros Wunden versorgte, so ernst wie er ihn damals nach Thriller Bark angesehen hatte und nicht gefragt hatte, nicht gefragt hatte, woher Zorro Wunden hatte, die er nicht hätte haben dürfen. Verdammt, er mochte nicht, wenn Chopper ihn so ansah, fast so schlimm wie Ruffys Kapitäns-Stimme. „Wehe du überredest ihn zu irgendetwas dummen, Zorro! Er muss sich die nächsten Tage schonen und Entzündungshemmer nehmen. Er darf keinen Alkohol trinken und wir müssen ganz behutsam vorgehen, verstanden? Er hat gerade eine schwierige Operation hinter sich, das heißt, er darf sich wirklich nicht überanstrengen oder sich zu sehr aufregen. Zorro, du darfst ihn auf keinen Fall zu sehr aufregen!“ Überrascht erhob Zorro sich, genau in dem Moment, als Franky die Tür zur Kombüse öffnete und sie zum Essen rief. „Sag das ihm, Chopper, und nicht mir. Ich kann doch nichts dafür, wenn dieser Mistkerl sich aufregt.“ „Ich sage es aber dir.“ Zorro blieb stehen, als Chopper an seinem Hosenbein zupfte. „Du musst gut aufpassen, dass ihr euch nicht streitet, Zorro. Ich weiß, er ist Falkenauge und ein Samurai und unglaublich stark. Aber so erstaunlich seine derzeitige Entwicklung auch ist, er ist immer noch im kritischen Zustand, er könnte jederzeit wieder innere Blutungen haben. Egal wer er für dich ist, Zorro, zurzeit ist er mein Patient, und wenn du seine Gesundheit nicht riskieren willst, dann verhalte dich dementsprechend.“ Und wieder einmal war es das jüngste Crewmitglied, das in der Lage war, Zorro in seine Schranken zu weisen. Chopper mochte in vielen Dingen naiv sein und vieles zwischen den Zeilen Gesagte nicht verstehen, aber als Arzt ließ er sich nichts gefallen und gerade war es seine wichtigste Aufgabe, seinen Patienten zu beschützen, und nicht mal Zorro, der sich am ehesten in der Crew mal einen kleinen Fehltritt beim jungen Schiffsarzt erlauben durfte, würde dies wohl riskieren. Es war wirklich seltsam auf dieser Seite des Gesprächs zu sein. „Warum glaubst du eigentlich, dass ich mich mit ihm streiten würde?“, murrte Zorro unzufrieden. Anders als der verdammte Koch war er niemand, der aus Lust an der Freud einfach stritt. Warum also dachte Chopper überhaupt daran, ihn zu ermahnen? Woher sollte er bitte wissen, dass Zorro sich mit Dulacre genau in dem Moment gestritten hatte, als dieser zusammengebrochen war? Ach ja, der Streit, für einen Moment hatte er ihn fast vergessen... Überrascht sah Chopper zu ihm auf, als hätte er selbst darüber noch gar nicht nachgedacht, ehe er dann mit den Schultern zuckte und zur Tür tabste. „Er erinnert mich an Sanji, deshalb wohl.“ „An den Koch?“, wiederholte Zorro ungläubig. Die beiden hatten wohl überhaupt nichts gemein, wenn man mal ihre Vorlieben für Weine, affektiertes Gehabe und teure Klamotten ignorierte. „Ja, sie sind sich sehr ähnlich. Genau wie Sanji lässt er sich nicht wirklich was anmerken und würde es vermutlich auch sofort abstreiten.“ Kurz sah Chopper ihn über seine Schulter hinweg an, ehe er unschuldig und unwissend weitersprach. „Aber er macht sich ganz viele Gedanken um dich, genau wie Sanji.“   Kapitel 17: Kapitel 17 - Bettgeflüster -------------------------------------- Kapitel 17 – Bettgeflüster   -Mihawk- Es musste Abend sein. Woran er das erkannte, wusste er nicht, als er langsam dem Schlaf entrann, aber etwas Anderes konnte er genau sagen: Er war nicht allein und trotz seiner stumpfen Sinne fiel es ihm nicht schwer, auszumachen, wer anwesend war. Einmal konnte Zufall sein, aber ab dem zweiten Mal wurde es ein Muster. Es gab keinen rationalen Grund für den anderen, anwesend zu sein, und trotzdem war er da, aber Dulacre wollte sich nicht auf seine Schlussfolgerungen verlassen, zu oft hatte er sich bezüglich des anderen geirrt, zu oft hatten seine eigenen Emotionen bezüglich des anderen seine Deduktion beeinträchtigt. Solange noch Zweifel bestanden, würde er nicht einfach ein Fazit ziehen, welches genauso gut auch falsch sein konnte, welches genauso gut dazu führen würde, dass er wieder verletzt werden würde. Ach, wie traurig es doch war, dass ein paar Worte - gar ein Blick - des anderen ausreichte, um ihn zu verletzten. Wie traurig es doch war, dass er dem zum Trotz dennoch hoffte, dass seine Schlussfolgerungen richtig sein würden. Mühselig öffnete er seine müden Augen. Er fühlte sich, wie nach einer langen Nacht mit zu wenig Schlaf und zu viel Alkohol. Sein Hals schmerzte und sein Mundraum war rau und wund, so fühlte sich also sein Körper nach einer Operation an, welch unnötige Pein, so sinnlos, so zwecklos. Aber immerhin bedeutete es, dass er am Leben war, wie er sich an die Worte des anderen erinnerte. Dieser sah gerade von einem Buch auf und begegnete Dulacres Blick. Nun war er tatsächlich dankbar, dass Doktor Chopper ihm mehrere Kissen besorgt hatte, sodass er recht bequem in einer aufrechten Position liegen konnte und sich nicht erst mühsam aufrichten musste, um den anderen anzusehen, denn durch diese Sekunde Aufwand hätte er vermutlich das winzige Mundwinkelzucken des anderen verpasst. Da der andere grundsätzlich immer sehr wenig durch seine Mimik verriet, war jeder kleinste Hinweis für Dulacre wichtig. Durch das Fenster in der Tür im Rücken des anderen grüßte ihn das schwache Licht eines sterbenden Tages, er hatte sich also nicht geirrt, nicht, dass er das erwartet hatte, nicht, dass es ihn gerade noch interessierte, als der andere seinen Blick auf ihn richtete. Für einen viel zu langen Moment sahen sie einander einfach nur an, während er sich an all die Worte ihres letzten Meinungsaustausches – nein, ihres letzten Streites – erinnerte. Ein falsches Wort und sie würden genau dort weitermachen, wo sie aufgehört hatten, und dieses Mal konnte Dulacre nicht hoffen, dass er erneut dramatisch zusammenbrechen würde, damit der andere ihn retten konnte. Wobei Doktor Chopper hatte doch gesagt, dass erneute Blutungen jederzeit möglich sein könnten, und Dulacre war ein hervorragender Schauspieler – zumindest seiner bescheidenen Meinung nach – sodass er zumindest einen Notfallplan hatte, auch wenn er bezweifelte, dass der andere beim zweiten Mal noch genauso reagieren würde wie am vergangenen Tag. War es wirklich erst einen Tag her? Er hätte schwören können, Wochen geschlafen zu haben, und trotzdem war er unglaublich müde, musste wohl an den Medikamenten liegen. „Wie geht es dir?“ Die Stimme des anderen klang gewohnt monoton emotionslos, so wie, wenn er über taktisches Vorgehen sprach, über seine Termine mit Eizen, über erlerntes Wissen, oder wenn er mit Menschen sprach, die er nicht leiden konnte, ohne es ganz deutlich zu zeigen. Dulacre mochte es nicht, wenn der andere so mit ihm sprach, denn das tat er nur, wenn sie stritten. Er mochte die gelangweilte Tonlage des anderen, den genervten Ton, den amüsierten oder den interessierten, er mochte sogar den wütenden und besonders den nachdenklichen Ton; er mochte die Stimme des anderen, solange er nicht klang wie gerade jetzt. Auch wenn Dulacre derzeit vielleicht nicht in der Position war, sich über die Stimme eines anderen zu beschweren. „Den Umständen entsprechend“, antwortete er, konnte nicht verhindern, dass sein schwaches Stimmchen brach, und obwohl die Mimik des anderen nichts verriet, sah er doch die Überraschung in diesem ruhigen Blick. Er fragte sich, ob der andere nun zum ersten Mal wirklich verstand, dass selbst Dulacre nur ein Mensch war – etwas, was sein Gegenüber sonst nur zu gerne abgestritten hatte – und obwohl Dulacre ihm genau das wieder und wieder bestätigt hatte, jetzt gerade, da er es zu realisieren schien, wünschte Dulacre sich beinahe, dass er es nicht tun würde. „Soll ich Chopper holen?“ Noch immer klang er monoton, so furchtbar monoton. „Nicht nötig“, entgegnete Dulacre, „Doktor Chopper sagte, er würde mich vorm Zubettgehen untersuchen. Ich hoffe doch, bis dahin ist noch etwas Zeit.“ Sein ehemaliger Schützling nickte halbherzig und wieder einmal schwiegen sie. In der Vergangenheit war es meist so gewesen, dass Dulacre die Gespräche zwischen ihnen eröffnet hatte, aber nachdem ihr letzter Streit sich genau darum gedreht hatte, dass er den anderen durch solche Gesprächstaktiken dazu gebracht hatte, ihm zu vertrauen, und weil er nicht gewillt war, dem anderen einen Grund zu geben, wieder laut zu werden, würde er dieses Mal nicht die Initiative ergreifen. Der Jüngere war aus freien Stücken anwesend und derjenige von ihnen, der gehen konnte, ohne gegen ärztliche Anordnung zu verstoßen oder sich einen Tropf aus dem Unterarm reißen zu müssen. Er hatte entschieden, hier zu sein, also sollte er auch die Konsequenzen seiner Entscheidungen tragen, wie er es doch auch sonst so gerne zu tun pflegte. Die Stille zog sich noch für einige weitere quälende Sekunden hin, bis er wohl zu begreifen schien, dass etwas anders war. Aber vielleicht bemerkte er es auch nicht, schließlich war seine soziale Intelligenz noch unausgereifter als Dulacres eigene. „Hast du Schmerzen?“ Was für eine törichte Frage. „Nichts, was ich nicht aushalten könnte.“ Das ist keine Antwort auf meine Frage. Ich habe gefragt, ob du Schmerzen hast, du Mistkerl, nicht was für ein Angeber du bist. So oder so ähnlich würde der andere nun wohl unter anderen Umständen reagieren, aber jetzt tat er das nicht, sondern nickte nur und wandte den Blick ab, ganz offensichtlich nicht gerne anwesend, fast so, als hätte Dulacre ihn gezwungen, an seinem Bett zu wachen, fast so, als hätte der andere keine Wahl und könnte sich wahrlich Besseres vorstellen, als hier zu sein. Innerlich seufzend entschied Dulacre, dem anderen einen Ausweg zu geben, wenn es ihm so schwer fiel, in Dulacres Gegenwart zu sein. Wann war er nur so weich geworden? „Ich danke dir für dein gestriges besonnenes Handeln“, erklärte er und konnte sehen, wie sich das unversehrte Auge des Jüngeren eine Sekunde weitete. „Mir ist natürlich bewusst, dass du dies nur getan hast, um weiterhin deinen Traum verfolgen zu können. Dennoch bin ich dir zum Dank verpflichtet, dir und deiner Crew.“ Er mochte nicht, wie er sich anhörte, wie schwach und kränklich er klang. Seinen Worten fehlten die gewohnte Mühelosigkeit und Eloquenz, er klang eher wie ein sterbender Schwan und dem Ballett hatte er so oder so noch nie viel abgewinnen können. Nichtsdestotrotz musste er nun weitersprechen und zum Punkt kommen, sonst hätte er sich seinen Dank auch sparen können. „Aber du musst dich nicht genötigt fühlen, an meinem Bett zu wachen. Wenn du nicht hier sein willst, dann geh.“ Wie zu erwarten, verriet das Gesicht des anderen nichts, verriet verdammt noch mal gar nichts. Es stellte Dulacres überaus unzufrieden. In Lady Loreens Gestalt tat der andere sich deutlich schwerer seine Emotionen zu verbergen und gerade würde Dulacre nur zu gerne wissen, was in ihm vorging, aber die Mauern seines Verstandes waren unbezwingbar wie eh und je, sämtliche Tore verschlossen und zugeschüttet. „Willst du das ich gehe?“, fragte der Jüngere immer noch so emotionslos. „Ich will nicht, dass du hier nur sitzt, weil ich damals an deinem Bett saß. Meine Taten der Vergangenheit binden nicht dein Handeln der Gegenwart.“ Er hasste es, wie der andere seinen Blick immer noch nicht erwiderte. „Ich entschied aus freiem Willen über dich zu wachen. Wenn du entschieden hast, hier zu sein, nur weil du dich dazu verpflichtet fühlst, dann will ich nicht, dass du bleibst. Dann solltest du gehen und dann brauchst du nicht wiederzukommen.“ Wann war er nur so weich geworden, dass er ihn jetzt einen Ausweg gab? Aber es war wohl besser so, selbst wenn es schmerzte. Wenn dies wirklich der einzige Grund war, warum der andere an seinem Bett wachte, dann sollte er gehen, dann sollte er gehen, wenn er es noch nicht mal schaffte, Dulacre in die Augen zu sehen. Was für eine Enttäuschung, letzten Endes war er wohl doch wie die anderen, wie alle anderen. Immer noch hatte der Jüngere seinen Blick abgewandt, betrachtete das kleine Büchlein, welches er umklammerte. Es missfiel Dulacre, wie der andere sich benahm. Er bildete sich ein, seinen ehemaligen Schützling recht gut zu kennen, aber wieder einmal konnte er sein jetziges Verhalten nicht genau einsortieren und das stimmte ihn unzufrieden, fast noch unzufriedener als seine eigene gebrechliche Stimme. Er konnte absolut nicht vorhersagen, wie der andere reagieren würde, was er dachte, warum er wirklich hier war und wenn Dulacre eines nicht ausstehen konnte, dann waren es Ungewissheiten. Warum war dieser Mann nur immer diese stete Unbestimmbare in seinem Leben? „Ich… also ich…“ In einer anderen Situation hätte Dulacre es vielleicht süß – gar putzig – gefunden, dass der Dämon des East Blues nicht in der Lage war, mehr als ein paar Worte zu stammeln, aber Dulacre war verletzt, unsicher darüber, wie viel mehr er noch verletzt werden würde, und er wollte lieber ein Ende mit Schrecken haben, als wie auch immer dieses verdammte Sprichwort sonst zu Ende ging. Wenn er sich in dem anderen wirklich geirrt haben sollte, dann wollte er es lieber jetzt als später erfahren. Er wusste nicht, warum sein Gegenüber mit den Worten kämpfte, aber Dulacre war noch nie der Geduldigste gewesen. „Meine Stimme mag den Umständen entsprechend vielleicht nicht so ausdrucksstark sein wie sonst, also lass mich meine Intention ganz klar formulieren. Ich verlange eine Antwort! Geh oder erkläre mir den Grund deiner Anwesenheit, und zwar in ganzen Sätzen. Du weißt doch mittlerweile, wie man Reden hält, und anders als ich, bist du nicht stimmlich beeinträchtigt.“ Endlich sah der andere ihn an, allerdings nur für den Bruchteil einer Sekunde, ehe er den Blick wieder abwandte und wenn Doktor Chopper ihm nicht angeordnet hätte, im Bett zu bleiben, wäre Dulacre jetzt wohl handgreiflich geworden. Dieses seltsame Verhalten machte ihn wütend, gar rasend vor Zorn. „Ich bin nicht hier, weil ich mich verpflichtet fühle“, sprach der andere dann, doch dieses Mal war seine Stimme noch weniger als tonlos, sie klang hohl, ein Zeichen von Schwäche, ein Zeichen der Gefahr, denn Dulacre merkte, dass es ihm immer schwerer fiel sich zurückzuhalten. „Warum dann?“, fragte er hart nach, doch seine Stimme wollte ihm nicht gehorchen. Er mochte nicht, wie der Jüngere sich benahm, nun wieder das Buch ansehend, sich leicht auf die Unterlippe beißend, wie er es als Lady Loreen doch so oft tat. Es war keine unbeeindruckte Gleichgültigkeit, keine genervte Ablehnung, er war… zurückhaltend, fast schon so, als hätte er Angst, als hätte er wirklich Angst, als hätte er Angst vor Dulacre. Wie konnte er es wagen?! „Wenn du dich darum sorgst, dass dein Traum gefährdet sein könnte, kann ich dich beruhigen; er ist es nicht. Aber das hättest du auch von deinem Schiffsarzt erfahren können, dafür brauchst du nicht darauf zu warten, dass ich es dir sage.“ Die einzige Reaktion, die er erhielt, war die von Yoru, welches hinter dem anderen auf dem Schreibtisch lag und leise vor sich hin summte, leiser als sonst, und Dulacre wusste genau warum. Die Wut, die er gerade verspürte, hatte nichts mit einem Kampf zu tun und Yoru war nicht dumm genug sich einzumischen, nicht jetzt, dennoch mahnte es ihm um Geduld, die er nicht besaß. Nun reagierte der andere doch und wieder einmal anders, als Dulacre es auch nur hätte erahnen können. „Mein Traum?“ Der Schatten eines fast schon fassungslosen Schmunzelns glitt über die sonst so harten Züge und er schüttelte den Kopf. Was auch immer das zu bedeuten hatte. Immerhin wandte er sich nun wieder Dulacre zu, stemmte beide Hände auf seine Oberschenkel, aber er sah ihn immer noch nicht an – sah ihn immer noch nicht an! – und dann senkte er seinen Kopf, tief genug, dass Dulacre seine angespannten Nackenmuskeln sehen konnte. „Ich bin hier, um mich zu entschuldigen“, sprach er klar und deutlich, wie Dulacre es von ihm verlangt hatte, so viel mehr, als er von ihm verlangt hatte. „Ich bin hier, um mich für das zu entschuldigen was ich gesagt und getan habe. Ich bin hier, um dich um Verzeihung zu bitten, Mihawk Dulacre.“ Er verneigte sich vor Dulacre! Es war das zweite Mal, dass der andere sich vor ihm verneigte, und Dulacre erinnerte sich noch ganz genau an das erste Mal. Damals hatte der andere auf dem Boden des Gästezimmers auf Sasaki gekniet, nackt bis auf die Unterwäsche, im Körper von Lady Loreen, und hatte ihn angefleht, ihn zu unterweisen, um seine Crew beschützen zu können. Dieses Mal war der Grund ein ganz anderer, die Art wie er sich verneigte und die Art wie er sprach ganz anders, aber eine Sache hatte sich nicht verändert. Wieder einmal verwarf der andere seinen Stolz zum Wohl eines anderen, aber dieses Mal war es nicht für seinen Kapitän. Oh, wie hatte Dulacre nur so dumm sein können? Wie hatte er nur so dumm sein können? Dulacre wusste doch, wie jung er noch war, vor welch kurzer Zeit er erst die Schwelle zum Dämon überschritten hatte, warum der andere ihm jene Worte an den Kopf geworfen hatte. Er wusste doch ganz genau, was während ihres Streites in dem anderen wohl vorgegangen war, und wenn er dieses Wissen berücksichtigt hätte, dann hätte das Verhalten des Jüngeren Sinn ergeben. Er tat nicht nur zurückhaltend, er war zurückhaltend. Er war sich genau bewusst, was er gesagt und getan hatte, und fürchtete die Konsequenzen seiner Entscheidungen, fürchtete, was Dulacre nun sagen würde. Vielleicht hatte er sogar Angst, nicht Angst vor Dulacre selbst, sondern davor, dass der eine Mensch, an den er sich zu wenden getraut hatte, sich nun von ihm abwenden würde. Davor, den Ort zu verlieren, den er für zwei Jahre sein Heim genannt hatte. Vielleicht sogar davor, zu verlieren, was auch immer zwischen ihm und Dulacre war. Hätte Dulacre selbst nur eine Sekunde seine eigenen verletzten Gefühle ignoriert, wäre ihm dies wohl sofort in den Sinn gekommen, aber er hatte sich nicht auf seine deduktiven Fähigkeiten verlassen wollen, da er erwartet hatte, sich zu irren, sich aufgrund seiner Gefühle zu irren, und hatte dabei wieder einmal verkannt, dass er im Begriff war einen Fehler zu begehen. Er hatte wieder Mal verkannt, wer der andere war. „Du möchtest, dass ich dir verzeihe? Was für ein Unsinn“, sagte Dulacre und seine Stimme war noch leiser als zuvor, während er sehen konnte, wie sich der gesamte Körper seines Gegenübers verspannte. „Es gibt nichts, wofür du dich entschuldigen bräuchtest.“ Wie vom Blitz getroffen riss der andere den Kopf nach oben und starrte ihn an. „Aber ich… aber was ich gesagt habe…“ Dulacre winkte ab und der Jüngere ließ sich das Wort nehmen, so äußerst untypisch für ihn, während er wieder den Blick senkte, so anders als der Mann, den Dulacre kannte. „Ich habe es dir doch erklärt. Anders als auf Kuraigana bist du hier draußen in der echten Welt tagtäglich einer Vielzahl von Einflüssen ausgesetzt und die wenigsten Menschen können nachvollziehen, wie sie sich auf dich auswirken. Es wird noch ein paar Wochen dauern, bis du deine Emotionen unter Kontrolle hast, so wie du es von dir erwartest, und in einem solchen Zustand Konflikte lösen zu wollen ist natürlich alles andere als… sagen wir einfach, wobei alles andere als klug es genauso gut treffen würde.“ Er nahm einen tiefen Atemzug. Das Sprechen war anstrengend und seine Stimme schien stetig schlechter zu werden. Aber dies war kein Moment für Schwäche. „Außerdem waren deine Worte – wenn auch in Wut und Missgunst gesprochen – nicht völlig aus der Luft gegriffen. Ich vertraue grundsätzlich nicht und ich will alles und jeden kontrollieren, einschließlich dir. Aber glaubst du wirklich, dass du in jenem Streit der Erste gewesen wärest, der mir in die Abgründe meiner Seele offengelegt hätte? Tze, ich bitte dich, mir ist sehr wohl bewusst, dass ich keine weiße Weste trage. Nicht, dass ich eine solche Modesünde je freiwillig eingehen würde.“ Noch immer sah der andere ihn nicht an, sah auf den Boden zwischen seinen Füßen, reagierte noch nicht mal auf Dulacres gewitzten Kommentar; Perlen vor die Säue. „Du solltest nicht so viel sprechen“, murmelte sein Gegenüber hohl. „Chopper meinte, es wäre gut, wenn du möglichst wenig sprechen würdest, um dich nicht zu überanstrengen.“ Dulacre schnaubte verächtlich auf – was er innerlich augenblicklich bereute, denn die Vibration, die durch seinen ganzen Brustkorb glitt, war alles andere als angenehm – und neigte nur leicht den Kopf. „Tze, wir beide wissen, dass es für mich nahezu unmöglich sein wird meine verbale Interaktion einzuschränken. Als würde ich mich dazu hinablassen, meine Kommunikationsmöglichkeiten auf Augenblinzeln und Mimik zu reduzieren.“ Zum ersten Mal huschte ein schwaches, aber altvertrautes Grinsen über die Züge des anderen. „Dann beschwer dich nicht, wenn Chopper dir später den Kopf abreißt“, murmelte dieser nun und endlich war seine Stimme nicht mehr so tonlos. „Nimm zumindest was von dem Eis; ich kann darauf verzichten, dass du noch mal alles voll blutest.“ Für einen Moment noch beobachtete Dulacre den anderen, der jedoch weiterhin den Boden anstarrte, dann schenkte er seine Aufmerksamkeit dem kleinen Gefäß auf dem Nachttischchen zu seiner Linken. Als er den klammen Deckel anhob, stieg kalter Nebel empor und die flachen Eiswürfel glitzerten wie billige Juwelen. Dulacre bemühte den beiliegenden Holzlöffel, ehe er den Deckel wieder schloss und den Löffel zur Seite legte. Dann lehnte er sich zurück und genoss den kühlenden Effekt des Eises. Er hatte nicht erwartet, dass ein paar Worte ihn so erschöpfen würden, und er erinnerte sich gerade an die vielen Gespräche und Diskussionen, die er am Bett des anderen geführt hatte, und wie stark dieser doch war, sich ihm nicht einmal erwehrt zu haben. Auf der anderen Seite konnte Dulacre ihn nun auch noch besser nachvollziehen, denn ganz gleich wie müde er war, er würde dieses Gespräch nicht so einfach enden lassen, dafür war es ihm zu wichtig, jetzt da er verstanden hatte, dass er den anderen noch nicht ganz verloren hatte, dass dieser sich sogar darum sorgte, ihn zu verlieren. Zum wiederholten Male war es erstaunlich lange ruhig zwischen ihnen und dieses Mal schien der andere zu verstehen, warum das so war. „Du bist wütend auf mich, oder?“ Oh, wie ein kleines Kind fragte der Jüngere, wie kleines naives Kind, so überhaupt nicht wie der Mann, der er sonst war. Es war süß und überaus putzig und gleichzeitig so unglaublich traurig, dass ein junger Mann wie er, der sonst so selbstbewusst und stolz zu seinen Entscheidungen stand, nun so zerbrechlich schien. Was war nur in den vergangenen Tagen geschehen, dass er so sehr an sich selbst und seinen eigenen Entscheidungen zweifelte? Dulacre erkannte ihn kaum wieder und das stimmte ihn äußerst traurig, jetzt da seine Wut verflogen war. „Nein, ich bin nicht wütend auf dich, nicht mehr“, erklärte er sachte und bemerkte, dass es ihm wieder etwas leichter fiel, zu sprechen, auch wenn der kühlende Effekt des Eises bereits vergangen war. „Ich war wütend, weil deine Worte mich verletzt haben, und ich verkannt hatte, warum du sie gesagt hast.“ Der andere nickte dem Boden zu, während Dulacre den Holzlöffel ein weiteres Mal zur Hilfe nahm. Erneut ließ er sich Zeit, um den Eiswürfel in seinem Mund zergehen zu lassen, bemerkte, dass die Anspannung im anderen noch kein bisschen abgenommen hatte. „Warum dachtest du, ich wäre noch wütend auf dich?“, half Dulacre etwas nach, als der Jüngere weiterhin nicht aufsah. „Weil du nicht gesprochen hast“, antwortete er ungewohnt leise. „Weil du nicht einfach drauf los gesprochen hast, wie du es sonst immer tust.“ Er hatte es also bemerkt, hatte es bemerkt und verstanden, auf seine ganz eigene Art verstanden. „Und normalerweise, wenn du genervt diskutierst, wirst du laut und unterbrichst einen, redest unglaublich viel und willst nicht nur das letzte, sondern auch das erste Wort haben.“ Aufmerksam hörte er zu, als der andere nun so offen mit ihm sprach, wie er es nur tat, wenn Dulacre ihn dazu drängte. „Aber eben hast du gewartet, bis ich gesprochen habe. Du beginnst immer ein Gespräch, aber eben hast du es nicht getan, also dachte ich… Ich dachte du wärest nicht einfach nur wütend, ich dachte du würdest mich wie Homura behandeln.“ Dulacre schwieg, die Worte des anderen hinterließen einen fahlen Beigeschmack, gerade weil er wusste, wie viel Wahrheit in ihnen steckte und weil er wusste, wie viel Überwindung es den anderen kosten musste, solche Gedanken laut auszusprechen. „Du weißt, dass ich Nataku verachte?“ „Ja.“ „Und du dachtest, dass ich nun auch dich verachten würde.“ Der andere nickte nur und wie sehr es Dulacre gerade danach gierte, ihn seinen naiven Wildfang zu nennen und durchs zerzauste Haar zu strubbeln, ihn wie das Kind zu behandeln, welches er manchmal doch war. Aber das würde Dulacre nicht tun. Nicht, solange sie ihren Streit nicht geklärt hatten, nicht, solange der andere sich so benahm, sich so wenig wie sein naiver Wildfang benahm. „Und was ist mit dir? Verachtest du mich denn für das, was ich gesagt habe?“ „Nein!“, antwortete der andere ungewohnt eilig. „Ich war wütend, aber du hattest Recht. Es tut mir leid, als ich sagte, dass…“ „Ich sagte doch, du brauchst dich nicht zu entschuldigen“, unterbrach er ihn, der so ungewohnt schüchtern war, aber viel mehr störte es ihn, dass seine brechende Stimme genug war, um diesen Einwand unterbrechen zu können. „Ich sagte dir auch, dass ich nicht mehr wütend bin, und möchte dir auch ganz deutlich sagen, dass ich dich nicht verachte. Ich hatte nicht vor, dich wie Nataku zu behandeln, und würde dich gewiss nie auf eine Stufe mit ihm stellen. Wenn mein Verhalten dich dies denken ließ, dann entschuldige ich mich aufrichtig.“ Für einen Moment verzogen sich die Mundwinkel des anderen und er sah kurz wieder wie der Mann aus, den Dulacre kannte. „Du darfst dich entschuldigen, aber wenn ich es tue, verbietest du mir den Mund?“ „Es sind meine Spielregeln, ich dachte, du hättest dich mittlerweile daran gewöhnt.“ Normalerweise würde der andere ihn nun gewitzt anfunkeln oder genervt mit den Augen rollen, aber heute tat er selbst das nicht. Sie hatte noch einen langen Weg vor sich. „Der Grund, warum ich nicht das Gespräch eingeleitet habe, war einfach nur der, dass ich dir nicht wieder das Gefühl geben wollte, ich könnte dich kontrollieren. Ich wollte, dass du dich nicht von mir beeinflusst fühlst, wenn du deine Entscheidungen fällst. Dennoch habe ich es schlussendlich wieder getan, indem ich dich vor die Wahl stellte mit mir zu reden oder das Zimmer zu verlassen.“ „Weil ich zu blöd bin, einfach den Mund aufzumachen.“ Der andere schüttelte den Kopf und schnalzte dann missbilligend mit der Zunge, klang direkt etwas mehr wie er selbst, wie nach einer frustrierenden Einheit bei den Ruinen. „Tze, du hattest mit allem Recht, naja mit fast allem. Ich rede nicht gerne über Dinge, die mich beschäftigen, selbst wenn ich es besser weiß, und es fällt mir schwer mich zu öffnen, selbst wenn es um nichts Wichtiges geht. Wenn du mich nicht drängen würdest, dann würde ich wohl nie den Mund aufmachen und alles nur in mich reinfressen.“ „Ich weiß“, entgegnete er sanft, so dass seine schwache Stimme beinahe brach, „so bist du nun mal und manchmal musst du zu deinem Glück gezwungen werden. Aus diesem Grund werde ich dich jetzt noch einmal zu etwas zwingen müssen. Sieh mich an.“ Ein Beben fuhr durch den Körper des Jüngeren. „Du bist der einzige Mensch, der meinem Blick stets standhält“, knurrte Dulacre beinahe und sein knarzender Atem unterstrich seinen Drang, „und ich werde nicht zulassen, dass sich dies ändert, nur weil wir einen kleinen Konflikt haben. Also sieh mich an!“ Der andere rührte sich nicht, den Kopf immer noch gesenkt, selbst jetzt war er noch so stoisch. „Was soll das? Willst du mich nun doch wieder wütend machen?!“ „Das ist nicht meine Absicht“, widersprach er etwas fester als zuvor, „aber ich kann nicht.“ „Warum?“ Diese Frage war reiner Zeitvertreib. Dulacre wusste genau, warum er auch dieses Mal ihm nicht in die Augen sehen konnte. Es war genau wie damals, auch damals hatte er ihn nicht ansehen können, nachdem er seinen Stolz verworfen und seine Ehre verraten hatte. Auch damals hatte er ihn nicht ansehen können, nachdem er seine Würde aufgegeben hatte. Aber damals war ihm der Grund vermutlich nicht bewusst gewesen, es schien, als würde er doch langsam Fortschritte machen, sehr langsam. „Weil…, weil ich mich schäme.“ „Das ist nicht mein Problem. Sieh mich an!“ Nichts passierte. „Das war keine Bitte, Zorro!“ Dieses Mal brach seine Stimme endgültig und ein kehliger Laut entrang ihn. Räuspernd lehnte er sich zurück und hob nur abwehrend eine Hand, als der andere sich erheben wollte, offensichtlich besorgt, so erstaunlich offensichtlich besorgt, nachdem sein Gesicht bis vor wenigen Minuten noch eine ausdruckslose Maske gewesen war. Dulacre griff nach seinem Hals, der sich nun doch langsam beschwerte, und entschied, noch einen Eiswürfel zu sich zu nehmen, der jedoch auch nur bedingt half. Er konnte sehen, wie es in dem anderen arbeitete, also entschied er, ihm eine letzte Hilfe zu geben. „Wenn du etwas sagen willst, dann sag es. Ich bin heute ausnahmsweise mal nicht in der Verfassung, auch noch deinen Anteil dieses Gespräches auszusprechen.“ Wie zur Bestätigung gab seine Stimme erneut nach. „Warum…?“, setzte der andere an und Dulacre konnte die Enttäuschung in sich fühlen. Er hatte den anderen aufgefordert, auszusprechen, was er dachte, nicht eine erneute Frage zu stellen. „Warum nennst du mich Zorro?“ Dulacre entschied zu schweigen. Dieses eine Mal würde er ihm die Lösung nicht vorgeben, dieses eine Mal würde sein ehemaliger Schüler selbst die Antwort finden müssen. Er konnte sehen, wie der andere aus den Augenwinkeln auflugte, doch er ignorierte dies und nahm sich einen erneuten Eiswürfel. Sein Hals fühlte sich rau an und tat mittlerweile auch unangenehm weh; Doktor Chopper würde alles andere als begeistert sein. Nach einigen Momenten der Stille schien der andere zu begreifen, worauf diese schlechte Tragödie hinauslief. „Ist schon klar, natürlich weiß ich warum. Ich weiß, was ich gesagt habe, und dass du es deshalb nicht tust, aber… aber sonst lässt du dich doch auch nicht…“ „Dass ich was weshalb nicht tue?“ Seine Stimme war nur noch ein Raunen, trotz des Eises. „Was willst du mir sagen, Zorro? Sprich in ganzen Sätzen, wenn du etwas von mir möchtest.“ Endlich sah er, wie es doch noch klick machte, und er hoffte, dass die nächsten Worte die Richtigen sein würden. Fast schon erregt beobachtete er, wie der andere mehrmals Luft holte und zum Sprechen ansetzte, als wollte er es wirklich spannend machen und Dulacre hoffte, dass er ihn nicht überschätzte, hoffte so sehr, dass er seine Erwartungen wie immer übertreffen würde. Diese Stille war nun anders, denn der andere erhob sich, als könnte sein Körper den Vorgang nicht in Ruhe bewältigen, als ob er die Energie der Bewegung brauchte. Erneut holte er tief Luft und dann blieb er am Fußende des Bettes stehen. „Was ich dir sagen will? Keine Ahnung… Ich… verdammt nochmal, so schwer sollte dieser Mist doch nicht sein.“ Er straffte seine Schultern. „Ich… weißt du, ich konnte mich nie richtig mit meinem Nachnamen identifizieren. Meine Mutter war eine Lorenor, aber ich habe mich so nie wirklich gesehen. Ich war einfach nur Zorro, ich war nie ein echter Lorenor und wenn ich ganz ehrlich bin, kann ich es zurzeit gar nicht leiden, diesen Namen zu hören. Eigentlich habe ich es immer schon bevorzugt, wenn man mich einfach nur Zorro nennt und nicht mit irgendwelchen Titeln oder Namen ankommt, denn davon bin ich nichts, ich war nie ein Piratenjäger oder ein Dämon, nie ein Lorenor wie meine Mutter. Ich halte nichts von falscher Förmlichkeit und geheuchelter Höflichkeit; es gibt keinen Grund, warum mich jemand mit meinem Nachnamen ansprechen sollte.“ Und endlich – endlich! – sah der andere ihn an. „Außer bei dir. Ich mag es nicht, wenn du mich Zorro nennst.“ Da war er wieder, da war er endlich, stolz, selbstbewusst, der Mann, für den Dulacres kaltes Herz zu schlagen anfing. „Nenn mich Lorenor“, sagte sein Wildfang, „so, wie du es immer getan hast.“ Er nahm sich den Moment, um den anderen in all seiner Pracht zu begutachten. Die simple schwarze Hose mit den simplen schwarzen Stiefeln, die lächerliche Bauchbinde mit den aufgeregten Schwertern, das simple T-Shirt mit Blick auf die Ausläufer dieser einen Narbe, die glitzernden Ohrringe und das wilde grüne Haar, diese schmalen, ernsten Lippen und dieser vereinnahmende Blick. „Ist es das, was du willst?“, fragte Dulacre nach und konnte sein Grinsen kaum noch verbergen. „Ja, das ist, was ich will.“ Endlich klang er wieder so, wie er sollte, so stark, so sicher in seinen Worten, so unbeeindruckt von der Welt, ganz gleich jedweder Scham, die er wohl aufgrund seines vergangenen Verhaltens empfand. „Dann komm her. Meine Stimme ist zu schwach, um noch einen ganzen Raum zu füllen.“ Er winkte seinen Wildfang zu sich herüber und der andere tat, was er von ihm verlangte, ohne ihn auch nur einmal aus dem Blick zu verlieren. „Näher“, flüsterte er ungewollt, denn seine Stimme war tatsächlich zu schwach, um noch viel mehr als ein Flüstern zu sein, als sein Wildfang sich wieder auf dem Stuhl niederlassen wollte. Er konnte sehen, wie der andere zögerte, doch dann kam er hinüber und ließ sich auf der Bettkannte direkt vor Dulacre nieder. Es fühlte sich an, als hätte er diesen intensiven Blick schon eine Ewigkeit nicht mehr so aus der Nähe gesehen. Anerkennend nickte Dulacre und griff die Schulter des anderen. „Gut gemacht, Lorenor. Ich bin stolz auf dich.“ Da spiegelte sich etwas im Auge des anderen wider, was Dulacre nur ganz selten zu Gesicht bekam, selbst wenn der andere in Loreens Körper war, etwas, was Lorenor nur zu gerne vor ihm und jedem anderen verbarg, aber gerade wandte er den Blick nicht ab, wuchs wieder mal über sich hinaus. Ihr Gespräch schien sich um eine Kleinigkeit zu drehen, fast schon albern zu sein, daran gemessen, worüber sie sonst sprachen, aber das war es ganz gewiss nicht. Lorenor war niemand, der Geheimnisse mit sich herumtrug, gleichsam war er niemand, der unbeschwert über die eigenen Vorlieben und Abneigungen, die eigenen Stärken und Schwächen sprach, zumindest nicht, wenn es sich zu seinem Nachteil auswirken könnte. Kuraigana hatte ihn in Sicherheit gewiegt und Dulacre hatte den Rest erledigt. Aber sie waren nicht mehr auf Kuraigana und ihr letzter Streit hatte erwiesen, dass Dulacre Verantwortung und Entscheidungen übernommen hatte, die nicht die seinen hätte sein sollen. Endlich, sie hatten auch lange genug gebraucht. „Das ist mir unangenehm“, murmelte Lorenor nach einem Moment, überließ es Dulacre darüber zu philosophieren, was genau er als unangenehm empfand. „Nun ja, etwas von sich preisgeben bedeutet, sich angreifbar zu machen, aber nur so kannst du lernen zu vertrauen“, entgegnete Dulacre und entschied beim Offensichtlichen zu bleiben. Lorenor rieb sich durchs Gesicht. „Ich weiß, wie man vertraut, ganz gleich was du sagst“, murrte er ernsthaft und dann sah er Dulacre so unglaublich klar an, dass es ihm beinahe seinen gebrochenen Atem raubte. „Vielleicht bin ich nicht gut darin, aber ich kann es, denn ich vertraue Ruffy und ich vertraue dir.“ Badump. „Was für eine naive Torheit, Lorenor, dein Kapitän mag zu schlicht für Verrat und Hinterlist sein, aber jemanden wie mir zu vertrauen wird dich nur unglücklich machen.“ Sein Wildfang neigte leicht den Kopf. „Schwachsinn, du würdest mich nie verraten.“ Dann zeigte er dieses dreckige Grinsen, welches Dulacre schon vermisst hatte. „Kanan würde dir dafür Stubenarrest erteilen.“ Leise musste er auflachen, wofür sich sein wunder Rachen sofort bedankte, und er lehnte sich weit zurück in die weichen Kissen, jeder Atemzug brannte nun bis in die Bauchhöhle hinein. „Du hörst dich inzwischen wirklich beschissen an. Chopper wird nicht glücklich sein.“ Von den Kissen gestützt betrachtete er den anderen, der ihn gewohnt spielerisch anfunkelte, immer noch so nah auf der Bettkante sitzend. „Das liegt daran, dass ich auch immer deinen Part des Gesprächs mitsprechen muss, Lorenor. Du machst es mir manchmal echt nicht leicht.“ Das Grinsen des anderen gefror und Dulacre wusste genau warum. Er konnte kaum noch sprechen, hatte sich natürlich überanstrengt, seine Worte waren nicht mehr als heiße Luft und bei manchem Atemzug klang ein seltsames Pfeifen mit, nein, Doktor Chopper würde wahrlich nicht begeistert sein. „Du solltest dich ausruhen, du bist noch blasser als sonst und Chopper wird mir den Kopf abreißen, wenn er dich so sieht. Er sagte, du dürftest es nach dieser Operation auf keinen Fall übertreiben, und so wie du dich anhörst denke ich, dass du das mit Sicherheit hast.“ „Dann musst dieses Mal du für mich mitreden, Lorenor.“ Er war wirklich müde, aber sein Wissensdurst war immer noch nicht gestillt. „Du weißt aber schon, dass je mehr ich rede, desto dümmer stellst du dich in der Regel an. Bist du wirklich bereit dieses Risiko einzugehen?“ Für einen Moment sahen sie einander an. „Ich bin wie mein erbärmlicher Vater beinahe dem Alkohol erlegen, ich komme mir heute schon ziemlich dumm vor.“ Nun schüttelte der andere den Kopf und verkniff sich ein Grinsen. „Nun gut, ich soll also erahnen, was du von mir wissen willst, damit du nicht reden brauchst? Verdammt nochmal, ich hasse es echt, wenn du mich vor so beschissene Denkaufgaben stellst.“ Dulacre hob nur eine Augenbraue an und erwiderte Lorenors Blick stumm. „Du willst wissen, was hier vorgeht. Warum ich mich wie ein Vollidiot aufführe und ob es was mit meinem Nachnamen und mit Eizen zu tun hat, oder?“ Kapitel 18: Kapitel 18 - Umbruch -------------------------------- Kapitel 18 – Umbruch   -Zorro- Er zögerte. Die klaren Falkenaugen lagen wie immer ununterbrochen auf ihm, schienen jedes Mundwinkelzucken, jedes Stirnrunzeln, jedes Blinzeln zu registrieren. Obwohl der andere mittlerweile fast so furchtbar aussah wie am vergangenen Tag, als Zorro ihn in genau dieses Zimmer gebracht hatte, obwohl er kaum noch sprechen konnte und seine Atmung seltsam widerhallte, obwohl er in einer schlechteren Verfassung war, als Zorro ihn je gesehen hatte, so sah er ihn doch aufmerksam an und war ihm genau das Gegenüber, welches er ihm immer war. Als würde seine körperliche Verfassung ihm überhaupt nichts ausmachen, als wären Schmerzen und Erschöpfung absolut irrelevant. Als wäre nichts davon wichtiger, als dass Zorro ihm endlich die Wahrheit sagen würde über das, was er so lange verschwiegen hatte. Zorro wandte den Blick ab, konnte kaum beschreiben, was in ihm vorging. Er hatte den vergangenen Tag damit verbracht am Bett seines Lehrmeisters darauf zu warten, dass dieser wieder aufwachen würde. Nachdem die Erleichterung, dass Dulacre überleben würde, von der Erkenntnis überrannt worden war, dass noch nicht wieder alles gut war, hatte er gewartet. Für einen Moment hatte Zorro vergessen, dass ihr letztes Gespräch kein Gespräch gewesen war. Während er am Frühstückstisch gesessen hatte, war ihm bewusst geworden, was seine letzten Worte an den anderen gewesen waren. Während seine Crew und die Gäste sich über banalen Alltag und ihre bevorstehende Auseinandersetzung mit de Flamingo unterhalten hatten, war ihm bewusst geworden, was er dem anderen an den Kopf geworfen hatte; Zorro war bewusst geworden, was er getan hatte. Es war nicht ihr erster Streit gewesen – absolut nicht – und schon öfters war einer von ihnen oder sogar sie beide laut geworden, hatten sich angebrüllt, Sachen durch die Gegend geworfen, aber… Du bist nur hier, um mich zu kontrollieren, weil du mir kein bisschen vertraust! Aber Zorro war zu weit gegangen. Am Anfang war es noch die brutale Ehrlichkeit gewesen, die aus ihm herausgebrochen war, zügellos und unbarmherzig, wie er schon mal sein konnte, empathielos und rücksichtslos, nichts mit dem Dulacre nicht umgehen konnte, nichts, wofür er sich hätte entschuldigen brauchen. Doch dann war es irgendwann nicht mehr die reine Wahrheit gewesen, er hatte seine eigenen verletzten Gefühle, seine Wut, aus sich sprechen lassen, ohne Rücksicht auf Verluste. Ich brauche deinen Schutz nicht! Ich habe alles unter Kontrolle! Und irgendwann hatten dann nur noch seine Gefühle aus ihm gesprochen. Er war so verletzt gewesen, so entsetzt gewesen, so wütend und verwirrt gewesen und es war ihm nur gerecht vorgekommen, wenn der andere diese Gefühle auch fühlen würde. Dir geht es nur darum, mich zu kontrollieren, so wie du deine Schwester kontrollieren wolltest! Also hatte Zorro genau die zwei Dinge gegen Dulacre verwendet, von denen er wusste, dass sie Dulacre verletzen würden. Die zwei Dinge, die Dulacre ihm im Vertrauen offenbart hatte. Seine Gefühle für seine verstorbene Schwester… und seine Gefühle für Zorro. Ob du mir vertraust oder nicht ist mir egal, ich habe nicht darum gebeten, weder darum noch um irgendwelche anderen Gefühle deinerseits. Er hatte genau das eine getan, weswegen er selbst nur ungerne über Dinge sprach, die andere nichts angingen, hatte genau das getan, wovor Jiroushin ihn einst gewarnt hatte und wovon er nie gedacht hätte, dass er so etwas tun könnte. Die vergangenen Tage und Wochen hatte Zorro die beunruhigende Ahnung gehabt, sich selbst zu verlieren, von seinem Weg abzuweichen, seine eigenen Prinzipien zu verraten, und jener Moment hatte seine schlimmsten Befürchtungen bewahrheitet. In diesem Moment hatte er sich selbst verraten, sich endgültig verloren. Es war nicht wie damals gewesen, als er Dulacre um Hilfe gebeten hatte, auch da hatte er seine Prinzipien und seinen Stolz verworfen, aber es war zum Wohle seiner Freunde, seines Kapitäns gewesen. Dieses Mal jedoch hatte er all das, wofür er stand und stehen wollte, nicht aufgegeben, sondern verraten, einfach nur um jemand anderen zu verletzten. Um jemanden zu verletzen, der ihm hatte helfen wollen, dem er wichtig war, der ihm wichtig war. Zorro schämte sich für sein Verhalten, tat es selbst jetzt noch, also hatte er nur das eine Richtige tun können. Nachdem er sich bereits verraten hatte, hatte er Stolz, Ehre und Würde verworfen, um für sein Fehlverhalten einzustehen. Er hatte sich entschuldigt, doch der Samurai hatte davon nichts hören wollen, war Zorro wieder mal voraus und selbst jetzt, geschwächt von der Operation und verletzt durch Zorros Worten, half er ihm immer noch. Für eine Sekunde senkte Zorro den Blick. „Manchmal hasse ich es, wie rücksichtsvoll du mir gegenüber bist“, murmelte er und sah Dulacre wieder an, „manchmal wäre es mir echt lieber, du würdest mir einfach eine reinhauen, wenn ich mich wie ein Vollidiot aufführe, so wie Ruffy es immer macht. Diese Gespräche sind immer so anstrengend und nervig.“ Der Samurai hob nur eine Augenbraue und Zorro wusste genau, so schwer es ihm selbst fiel, dieses Gespräch zu führen, so schwer fiel es dem anderen gerade, nicht zu reden. Kopfschüttelnd seufzte er und rieb sich den Hinterkopf. „Aber jetzt, da du die Klappe hältst, kann ich mich zumindest richtig entschuldigen.“ Der andere schnalzte missbilligend mit der Zunge, doch Zorro ließ sich davon nicht beirren. „Außerdem möchte ich mich bedanken.“ Für einen Moment sahen sie einander nur an und Zorro wusste, dass er verstand, dass Dulacre ihn verstand, auch wenn er die Worte nicht finden würde. „Du bist ein nerviger Mistkerl“, murrte er dann, erhob sich und ging zurück zu seinem Stuhl, „aber ich bin wirklich froh, dass jenes Gespräch nicht unser Letztes war.“ Immer noch schweigend betrachtete der Ältere ihn, während Zorro sich auf den Drehstuhl fallen ließ. „Also, du willst die Wahrheit wissen. Du willst wissen, warum ich dir das mit Eizen verschwiegen habe, was mein Problem mit meinem Namen ist und warum ich mich wie ein verdammtes Arschloch verhalten habe, nicht wahr?“ Mit einem schiefen Schmunzeln nickte der andere, ehe er sich einen weiteren Eiswürfel nahm. Immer noch klang jeder Atemzug so, wie wenn der Wind durch gebrochene Schilfrohre pfiff. Mit Sicherheit war das nicht richtig so, aber so oft hatte Dulacre sich am Krankenbett Zorros Willen gebeugt und nicht das getan, was er selbst wohl für besser gehalten hatte, also widerstrebte Zorro dem Drang, Chopper zu holen, und verschränkte nur die Arme, während er sich zurücklehnte. Heute würde er also das Gespräch führen müssen, alles erzählen müssen, was er dem anderen bisher verschwiegen hatte. Natürlich hatte er von Anfang an gewusst, dass jener Tag irgendwann kommen würde und wenn er ganz ehrlich war, irgendwie war Zorro auch erleichtert, dass die nervige Geheimniskrämerei nun endlich vorbei sein würde, zumindest wäre es ein Problem weniger. Aber… „Lorenor.“ Überrascht sah er auf, erinnerte sich gar nicht daran, den Blick gesenkt zu haben, während die Falkenaugen ihn zu lesen schienen. Zorro mochte gar nicht, wie der andere klang oder mehr, wie er gerade nicht klang, denn seine Stimme war auch nicht viel mehr als Wind, der zwischen Gräsern hindurchwehte. „Du solltest nicht reden; Chopper wird mich umbringen, wenn er dich so hört“, murmelte er unzufrieden, „warum bist du eigentlich so heiser? Ich dachte, es wäre ein Problem mit deinem Magen, warum klingst du also wie ein verdammter sterbender Schwan?“ Lächelnd zuckte der Samurai mit den Schultern und strich sich über den Bart, ohne ihm eine Antwort zu geben, sich noch nicht mal zu einer Antwort herabzulassen. Für einen Moment schien er zu überlegen und dann sah er Zorro wieder so herausfordernd an, wie er es manchmal während ihres Trainings oder bei den Stunden über Büchern oder dem Schachbrett getan hatte. Zorro mochte diesen Blick, es war genau dieser Blick, durch den Zorro mehr werden wollte, als er erst war. „Schon gut, ich rede ja schon, aber ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. Ich verstehe das alles doch selbst kaum.“ Der Ältere lehnte sich zurück und nickte erneut, zeigte dieses wissende Schmunzeln. Fang einfach an und ich werde mich bemühen, dich zu verstehen. So etwas in der Art würde er wohl sagen oder etwas deutlich Geschwolleneres, aber das war in Ordnung. Es war in Ordnung, solange der andere nur wieder mit ihm sprach, selbst wenn Zorro dessen Redeanteil mitsprechen musste. Grübelnd lehnte er sich nach vorne und legte die Unterarme auf den Oberschenkeln ab, während er darüber nachdachte, wie er nur anfangen sollte, was er nur sagen sollte. „Eizen wusste es“, sprach er dann schließlich, „er wusste es von Anfang an, seit unserem ersten Treffen bei der Versammlung auf Sadao, und auf Kuraigana hat er mich dann erpresst, dass er jeden umbringen lassen würde, dem ich je begegnet bin und dir deinen Titel aberkennen lassen würde, wenn ich diesen Vertrag nicht eingehen würde. Daher habe ich es getan und ich habe es dir nicht gesagt, weil er dachte, dass du Nichts weißt, und ich dachte, es wäre... Nein, das stimmt so nicht. Ich dachte zwar, es wäre vielleicht ein guter Trumpf, aber ich habe dir letzten Endes nichts gesagt, weil du immer so überreagiert hast, ganz gleich, ob es dein Vater, Homura oder Eizen war und ich dich beschützen wollte.“ Er schwieg für einen Moment. „Oder vielleicht auch einfach nur, weil ich diesen Streit nicht wollte, weil ich keine Enttäuschung sein wollte. Vielleicht war es ja doch falscher Stolz, keine Ahnung.“ Dulacre sah ihn nur an, sagte nichts, was trotz der Umstände verdammt ungewöhnlich für ihn war, also sprach Zorro weiter und merkte, wie es ihm mit jedem Wort leichter fiel, als ob er nur darauf gewartet hätte, endlich die Wahrheit sagen zu können. „Am Anfang dachte ich, es wäre einfach nur Pech. Ein Politiker mit zu viel Freizeit und einem Hang zum Dramatischen. Aber mittlerweile weiß ich, dass er mich aus einem ganz bestimmten Grund ausgewählt hat und dieser Grund hat mit dem Namen Lorenor zu tun. Dieser Name ist schuld. Nur wegen dieses Namens ist er auf mich aufmerksam geworden, nur wegen dieses Namens ist meine Mutter gestorben und nur wegen dieses Namens bin ich jetzt in einer ausweglosen Situation, von der ich dachte, dass ich sie alleine regeln könnte.“ Nachdenklich betrachtete er seine gefalteten Hände. „Aber wenn ich ganz ehrlich bin, dann weiß ich nicht, ob ich das kann. Ich weiß nicht, ob mein Plan aufgeht, und ich bin mir schon lange nicht mehr sicher, die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Vielleicht wäre es besser gewesen, wenn ich Eizen damals mit dieser verdammten hässlichen Büste erschlagen hätte. Vielleicht wäre es einfach besser…“ Kopfschüttelnd sah er auf, als er seine eigenen Gedanken kaum noch verstand, begegnete dem klaren Blick des anderen, der ihn gelassen ansah, wie so oft, wenn Zorro erzählte. Sein Gesicht ruhig und interessiert, aber nicht berechnend oder aufdringlich. Dulacre hörte ihm zu, horchte ihn aber nicht aus. „Aber das habe ich erst bei unserem letzten Treffen auf dem Sabaody Archipel erfahren, nur wenige Tage bevor ich die anderen wiedersehen würde und ich… ich weiß nicht. Ich habe die ganze Zeit das Gefühl, dass ich nur einen Moment Ruhe brauche, nur einen Moment Zeit, um all das verstehen zu können, es erfassen zu können, einfach mal meine Gedanken ordnen und eine Entscheidung fällen zu können. Aber ich kann es nicht. Egal wie sehr ich mir den Kopf zermartere, egal was ich mir ausdenke, ob ich meditiere, trainiere, Bücher lese oder einfach nur in meiner Koje liege, es fühlt sich alles falsch an.“ Seufzend betrachtete er seine gefalteten Hände. „Und natürlich haben meine Crewmitglieder Fragen gestellt, natürlich wollen sie wissen, wie es sein kann, dass ich noch am Leben bin. Aber wie hätte ich ihnen die Wahrheit sagen können, ohne sie mithineinzuziehen? Ich dachte, dass wenn ich ihnen die Wahrheit sage, dann würde ich sie nicht mehr beschützen können. Ich hatte gehofft, dass sie einfach aufhören würden zu fragen, einfach akzeptieren, dass die Dinge so sind, wie sie sind. Ich dachte, dass wenn sie aufhören würden, dass dann alles wieder wie früher werden würde.“ Er konnte nicht verhindern, dass er bitter klang. „Aber die Wahrheit ist, es wird nicht mehr wie früher, wir alle haben uns verändert, ich habe mich verändert. Am Anfang war es nur eine Kleinigkeit, die ich dir nicht erzählt habe, und du hast es hingenommen, hast irgendwann nicht mehr nachgefragt. Dann war es ein Geheimnis, welches ich bewusst verschwiegen habe, und jetzt falle ich jeden an, der mir auch nur eine Frage stellt, wie ein in die Enge getriebenes Biest.“ Yoru hinter ihm summte leise, aber ansonsten war das Zimmer komplett still, keines von Zorros Schwertern wagte, sich Gehör zu verschaffen. „Brook wollte nur freundlich sein, Robin mir einen guten Rat erteilen und der verdammte Koch… ich hatte mich nicht unter Kontrolle, wie damals, kurz nachdem ich mein Monster geworden war, ich hätte ihm den Kopf abreißen können, so wütend war ich. Kannst du dir das vorstellen? Schlimmer als damals auf Kuraigana und nur weil er ein paar Sachen gesagt hat, die mir nicht passten. Früher hätte mich das nicht aufgeregt, genervt ja, aber ich hätte nicht die Fassung verloren.“ Er schnaubte auf. „Auf der anderen Seite hätte ich früher auch nie Dinge geheim gehalten und es ist ein verdammt beschissenes Gefühl, wenn man merkt, dass alle einem langsam auf die Schliche kommen. Der Koch ist nervig, aber ich konnte es nicht abhaben, dass er Recht hatte und ich so tun müsste, als sei er das Problem, obwohl ich doch ganz genau weiß, dass ich es bin.“ Der andere schwieg, als ob er Zorro die Beichte abnehmen würde. Nicht, dass Zorro wusste, wie so etwas ablief. Er hatte bisher nie das Bedürfnis gehabt, sein Gewissen zu erleichtern, und war überrascht, wie schnell die Worte aus seinem Mund kamen, als hätte er all die Tage nur darauf gewartet, endlich die Wahrheit sagen zu können. „Aber ich weiß nicht, wie ich es ändern soll, ohne all die zu gefährden, die ich doch eigentlich beschützen will. Ich habe mir eingeredet, dass sie das Problem sind, nicht ich, und dass es nicht mein Problem ist, wie sie sich aufführen, daher hatte ich mich einfach auf ein paar ruhige Stunden gefreut, wo mal niemand mich hinterfragt und wir einfach nur Schach spielen.“ Als er den anderen dieses Mal ansah, neigte Dulacre leicht den Kopf, sonst nichts. „Und dann machst du genau da weiter, wo der Koch aufgehört hat, lässt mich noch mehr zweifeln, meine Beweggründe – meine Entscheidungen – hinterfragen. Aber anders als ihn konnte ich dir nicht den Mund stopfen, egal was ich gesagt habe, denn du willst immer das letzte Wort haben. Ich dachte, ich könnte wenigstens für einen kurzen Moment die Realität ignorieren und dann…“ „Und dann konfrontiere ich dich genau mit den Dingen, die dich quälen, mit Eizen und dem Namen, der all das angerichtet hat.“ Zorro nickte nur, als der andere es mit seiner gebrochenen Stimme aussprach. „Du kamst zu mir, weil du herausfinden wolltest, warum das Vertrauen innerhalb deiner Crew derzeit so bröckelt, und fühltest dich verraten, weil ich dein eines Geheimnis entdeckt hatte, die eine Sache, in der du dir selbst, deinen eigenen Entscheidungen, nicht vertraust.“ Für einen Moment sahen sie einander schweigen an. „Es tut mir leid, Lorenor. Mir war nicht bewusst, welch Ausmaß dein emotionaler Konflikt bereits angenommen hatte.“ Kopfschüttelnd lehnte Zorro sich zurück, er wollte nicht, dass der andere sich dafür entschuldigte, dass Zorro sich selbst diesen Mist eingebrockt hatte und jeden anderen darunter leiden ließ. „Nein, es war nicht deine Schuld und ich habe dir gesagt, dass…“ Plötzlich ging die Tür zur Kombüse auf und Chopper kam hineingetapst, sich offensichtlich nicht bewusst, was für ein Gespräch er gerade unterbrach. Für einen Moment schwiegen sie alle, doch dann kniff der Jüngste im Bunde seine Knopfaugen zu Schlitzen zusammen und sah sie misstrauisch an. „Ich habe Stimmen gehört, habt ihr euch gestritten?“ Synchron schüttelten die beiden Schwertkämpfer die Köpfe. „Na, ob ich euch glauben kann.“ Nun lag Choppers erschreckend ernster Blick auf Zorro und er wusste genau, warum. „Aber ich werde mich ja jetzt gleich selbst überzeugen können.“ Ein kalter Schauer glitt Zorro über den Rücken. Nichts, weder sein eigenes noch Dulacres Monster, auch nicht Namis oder Ruffys Zorn, noch nicht mal der Konflikt mit Eizen war so unangenehm wie ein wütender Chopper. „Okay, Zorro, ich muss meinen Patienten nun untersuchen, also raus mit dir. Außerdem hast du das Abendessen verpasst und Nami meinte, du hättest heute Nachtwache.“ Nickend erhob Zorro sich und griff nach dem kleinen Buch, welches er noch nicht zu Ende gelesen hatte, ehe er seinen Lehrmeister ansah. Dieses eine Mal war es andersherum als sonst. „Ich komme später wieder. Ruh dich aus, Dulacre.“ „Lorenor!“ Er blieb stehen, als die eisig kalte Hand des Älteren sein Handgelenk griff. Zorros Blick glitt über seinen Arm zum Gesicht des anderen, der ihn ernst ansah, so unglaublich ernst ansah und dann, dann zeigte er ihm dieses Schmunzeln, welches selbst seine kalten Augen erreichte und nickte. „Okay, ich verstehe.“ Zorro wandte den Blick ab und ging, hörte Choppers Gezeter nicht mal mehr zu, als dieser sich über die gebrochene Stimme des Samurais aufregte. Tief aufatmend schloss er die Tür hinter sich und eine Sekunde lehnte er dagegen, schloss sein Auge und schlug seinen Hinterkopf leise gegen das Holz. Für einen Moment hatten seine eigenen Gefühle ihn zu überwältigen gedroht und dieses Mal hätte er die Schuld nicht irgendeinem Monster in die Schuhe schieben können. Doch dann straffte er die Schultern, atmete noch mal tief ein und dehnte seinen Kopf von links nach rechts, bis die Knochen knackten. Er konnte lesen, während der andere schlief, doch jetzt wollte er trainieren, Gewichte heben, bis seine Muskeln brannten, das hatte er sich verdient. Erst da fiel sein Blick auf den Koch, der geschäftig in der Kochnische das Schlachtfeld eines typischen Abendessens der Strohhutbande beseitigte. Du bist so ziemlich der letzte Mensch, mit dem ich gerade reden will. Also halt einfach den Mund. Das hatte Zorro dem anderen am vergangenen Tag an den Kopf geworfen, als dieser mit ihm hatte streiten wollen, während Chopper im Nebenraum um Dulacres Leben gekämpft hatte. Seit ihrem letzten Aufeinanderprallen vor zwei Tagen hatten sie kaum noch ein Wort miteinander gewechselt und Zorro war das auch gleich gewesen. Solange der Koch nicht den Mund aufgemacht hatte, hatte Zorro nicht darüber nachdenken müssen, dass etwas nicht richtig lief, und natürlich hatte er am vergangenen Tag ganz andere Sorgen gehabt als ein paar verletzte Gefühle des Kartoffelschälers. Nun jedoch konnte Zorro nicht ignorieren, dass – auch wenn der andere ein verdammter Vollidiot war – dieser nicht unbedingt Schuld an ihrem Streit getragen hatte. Sanji war mit einem Friedensangebot zu ihm in den Ausguck gekommen, hatte sich ernsthafte Sorgen gemacht und hatte verstehen wollen und erst auf Zorros ablehnende Antworten hin war es eskaliert. Zorro wusste, dass der andere ein emotionaler Hitzkopf war, der Dinge schnell persönlich nahm, aber da Zorro es normalerweise nie wirklich persönlich werden ließ, konnten sie trotzdem ganz herrlich aneinander Dampf ablassen, ohne wirklich miteinander zu streiten, ohne einander wirklich zu verletzen. Aber bei ihrem letzten Streit war auch Zorro emotional geworden, hatte sich angegriffen gefühlt und wie ein wildes Tier zugebissen, und genau wie bei Dulacre wusste Zorro ebenfalls, was er dem Koch an den Kopf werfen musste, damit es auch so richtig weh tat. Anders als bei seinem Lehrmeister empfand Zorro gerade jedoch nicht das Bedürfnis, sich vor dem Zwiebelschneider in den Staub zu werfen und um Verzeihung zu bitten, soweit würde er es nicht kommen lassen. Dennoch fühlte Zorro sich verantwortlich dafür, die Stimmung innerhalb der Crew verschlechtert zu haben und selbst die verdammte Kringelbraue war nun mal ein Crewmitglied, daher sah Zorro schon ein, dass er es zumindest irgendwie wieder geradebiegen musste. Aber in solchen Dingen war er noch nie gut gewesen, tat normalerweise nicht Dinge, für die er sich im Nachhinein entschuldigen wollte, und es war nicht so, als ob der andere ganz unschuldig an dem bestehenden Unmut war. Dennoch, der Koch und er waren zwar nicht gerade ein Herz und eine Seele, aber eigentlich kamen sie meist ganz gut miteinander aus und nun, da Zorro sein Gewissen erleichtert hatte und zu etwas mehr Klarheit gekommen war, tat es ihm beinahe leid, dass er diesen Streit provoziert hatte, aber egal wie er es drehte und wendete, er würde sich nicht… „Was willst du? Das Abendessen ist vorbei“, unterbrach nun der Koch Zorros Grübeln, ohne seine Arbeit zu unterbrechen. Normalerweise hätte er Zorro jetzt aufgefordert, ihm zu helfen, sie hätten einander kurz Beleidigungen an den Kopf geworfen und dann wäre Zorro entweder abgehauen oder eingeknickt und hätte nach dem Handtuch gegriffen. Nun jedoch kam nichts dergleichen. Geschäftig arbeitete der Koch weiter, tat beinahe so, als wäre Zorro gar nicht anwesend, so wie er es seit ihrem Streit meist zu tun pflegte. „Hast du wieder vor die halbe Nacht irgendwelche Rezepte auszuprobieren, sonst übernehme ich die Nachtwache. Nami meinte eh, ich wäre dran“, murrte Zorro kühl in ihrem üblichen Umgangston und entschied, sich zu bemühen einem Streit aus dem Weg zu gehen. „Man hat von der Kombüse einen besseren Überblick übers Schiff als vom Krankenzimmer aus“, entgegnete der andere, ohne sich umzudrehen, und arbeitete weiter, unüblich gleichgültig ihm gegenüber. Mit dem Auge rollend verkniff Zorro sich einen bissigen Kommentar und bereute bereits seinen erst vor wenigen Sekunden geschlossenen Vorsatz, während er die Tür zur winzigen Speisekammer öffnete. „Ich weiß ja nicht, was du vorhattest, Gemüseputzer, aber ich werde jetzt trainieren und das kann man schließlich nicht im Krankenzimmer. Also verzieh dich und geh pennen, vielleicht bist du morgen dann auch nicht mehr ganz so unausstehlich.“ „Im Gegensatz zu dir, Spinatschädel, habe ich Pflichten, um die ich mich kümmern muss, ehe ich mich auf die faule Haut legen kann wie manch andere auf diesem Schiff. Also hau ab und geh deine Gewichte stemmen, vielleicht bist du morgen dann auch nicht mehr ganz so ein Arschloch.“ Ohne auch nur irgendetwas zu entgegen, griff Zorro nach einer der Flaschen billigen Sakes vom Regal und schloss die Türe wieder. „Hey Marimo!“, bellte der Koch regelrecht, als Zorro die Tür zum Deck erreicht hatte, und er fragte sich, ob der andere jetzt wirklich vorhatte wegen einer Flasche billigem Fusel – den Zorro sich regelmäßig nahm und wogegen der andere nur äußerst selten irgendwelche Einwände zeigte und den Vorrat darüber hinaus auch noch freiwillig immer wieder aufstockte – einen neuen Streit vom Zaun zu brechen. „Was?“, knurrte er und wandte sich wieder um. Er hatte sich zwar vorgenommen, den anderen nicht unnötig zu provozieren, aber wenn der Koch von sich aus Streit suchen würde, konnte er da ja auch nichts für. „Hier!“ Der andere knallte eine in einem simplen Tuch verpackte Bentobox auf die Anrichte. „Für die Nachtwache. Auf leeren Magen trainieren ist ungesund.“ Für einen Moment sahen sie einander einfach nur an. Keiner von ihnen sagte ein Wort. Dann machte Zorro einen Schritt zurück und ergriff die Box. „Wer sagt, dass ich auf leeren Magen nur trainiere?“ Doch, bevor er sie von der Anrichte ziehen konnte, packte der Koch zu. „Was soll das, Koch?“, murrte Zorro und schüttelte leicht genervt den Kopf. „Zwei Mahlzeiten.“ „Was?“ „Hör mir mal zu, Moosbirne. Mir ist scheißegal was für einen Mist du verzapfst und was für einen Scheiß du durchmachst. Aber ich bin der Schiffskoch und du bist ein Crewmitglied und du hast die letzten Tage so gut wie jede Mahlzeit ausfallen lassen und das geht mir gehörig gegen den Strich.“ Der andere schnaubte einmal laut auf. „Versteh mich nicht falsch. Ich bin verdammt sauer auf dich und für mich ist die ganze Sache noch lange nicht gegessen. Es ist dein Ding, wenn du den ganzen Tag am Bett irgendeines Samurais hockst oder die ganze Nacht durchtrainierst, aber sobald es ums Essen geht, geht es auch mich etwas an. Also mir ist egal, was wir beide für ein Problem miteinander haben, aber du wirst ab jetzt mindestens zwei Mahlzeiten am Tag einnehmen oder…“ „Oder was?“, knurrte er und lehnte sich über die Box hinweg nach vorne, als der andere wirklich wagte, ihm zu drohen. „Oder ich werde Chopper auf deine mangelhafte Ernährung hinweisen und ihn daran erinnern, dass dein letzter Checkup zwei Jahre zurückliegt! Wenn er dir dann einen neuen Ernährungsplan aufbrummt, werden zwei Mahlzeiten am Tag dein geringstes Problem sein!“ Einen Moment starrten sie einander nur an, dann zog Zorro das Bento von der Anrichte. „Petzte“, murrte er und verließ die Kombüse, doch zu seiner Überraschung war er nicht mehr so schlecht gelaunt wie die letzten Tage, als er zum Ausguck hochkletterte. Allerdings hatte auch das Gespräch mit dem Samurai ihm geholfen. Endlich waren seine Gedanken weniger verworren und er verstand, warum er seit dem vergangenen Tag noch mehr an seinen Entscheidungen zweifelte als bisher bereits. Er war nicht bereit, zu versagen, aber wie konnte er das verhindern? Wie konnte er sichergehen, nicht zu verlieren, nicht alles zu verlieren? Je länger er darüber nachdachte, desto mehr zweifelte er, doch dann kam ihm plötzlich die ganz simple Antwort und sein leiser Funken guter Laune erlosch.   -Mihawk- Schweigend ließ er die Belehrungen des jungen Arztes über sich ergehen. Dulacre würde gerne sagen, dass er demütig den klugen Worten lauschte, aber wenn er ehrlich war, kostete es ihn größte Mühen, sich zurückzuhalten. Doktor Chopper mochte ihm geholfen haben, aber das hieß noch lange nicht, dass Dulacre es guthieß, wie ein ungezogener Bengel von dessen Gouvernante gemaßregelt zu werden. Außerdem hatte Doktor Chopper seine Unterhaltung mit Lorenor gerade unterbrochen, als es interessant geworden war. Dulacre war nicht entgangen, dass Lorenor vermieden hatte, darüber zu sprechen, was genau Eizen nun geplant hatte, aber es schien etwas wirklich Großes zu sein, über das Lorenor die Sicherheit seiner Crew – ja sogar Dulacres Sicherheit – als gefährdet sah. Aber nun, da Dulacre die verriegelten Tore des Jüngeren einmal aufgestoßen hatte, würde es hoffentlich einfacher sein, den Rest zu erfahren, zu erfahren, was Lorenor so zweifeln ließ. Aber Dulacre wusste auch, dass er in seinem derzeitigen Zustand nicht den schärfsten Verstand an den Tag legte vor Müdigkeit und Medikamenten, und daher musste Dulacre schnell wieder zu Kräften kommen, auch wenn dies bedeutete, sich von einem Kind, nicht mal halb so alt wie er, belehren zu lassen. Während der Untersuchung hatte Doktor Chopper zwar festgestellt, dass Dulacres Genesungsprozess weiterhin zügig voranschritt, hauptsächlich hatte er sich jedoch darüber aufgeregt, dass Dulacre wohl zu viel gesprochen und somit seinen Rachen zu sehr gereizt hatte. Anscheinend war sein Hals nun sehr geschwollen und seine Stimmbänder arg in Mitleidenschaft gezogen. Nun war die Untersuchung vorbei und der junge Doktor zeterte schon seit mehreren Minuten darüber, dass wohl alle Schwertkämpfer gleich sorglos mit ihren Verletzungen umgingen, und dass Dulacre sich nicht nur allein auf seine Selbstheilungskräfte verlassen könne. Dulacre hatte das sichere Gefühl, dass der Pirat diese Wutrede nicht zum ersten Mal hielt und der Adressat eigentlich ein ganz anderer war. Aber er ließ es über sich ergehen, sich wohl bewusst, wie viel er dem jungen Arzt zu verdanken hatte, der sich nicht nur um ihn, sondern auch immer wieder um Lorenor gekümmert hatte. Zwischen den Ermahnungen und dem Tadel konnte Dulacre heraushören, dass sich sein Gesundheitszustand stetig besserte, nicht dass dies ihn überraschte. Er war zwar sehr erschöpft und seine Kehle pochte tatsächlich recht unangenehm, aber die Beschwerden seines Körpers waren ansonsten äußerst aushaltbar. „Ich sage es nochmal“, betonte der junge Arzt, während er Dulacres Medikamente einstellte, „Sie dürfen sich nicht überanstrengen. Ja, Ihre Entwicklung ist wirklich erstaunlich und bisher sieht alles soweit ganz gut aus, aber Ihre Operation ist kaum einen Tag her und Ihr Körper ist geschwächt. Wenn Sie darauf keine Rücksicht nehmen, werden Sie Ihre eigene Genesung behindern und das wollen Sie mit Sicherheit nicht.“ Schweigend stimmte er dem anderen zu und lehnte sich gegen den weichen Berg aus Kissen. War es wirklich erst einen Tag her, als er sich mit Lorenor so sehr gestritten hatte, dass er befürchtet hatte, seinen Wildfang für immer zu verlieren? Es schien eine Ewigkeit her zu sein. Er war müde, in den letzten Stunden war so viel passiert, ohne dass er selbst viel dazu beigetragen hatte, und er freute sich wirklich darauf, die Augen zu schließen und schlafen zu können. „Ich verstehe ja, dass die Situation schwierig ist“, sprach Doktor Chopper weiter, „aber auch wenn Sie und Zorro sich viel zu erzählen haben, sollten Sie sich nicht überanstrengen. Was auch immer Sie mit ihm zu besprechen haben, kann auch noch ein oder zwei Tage länger warten, bis es Ihnen wieder besser geht.“ Leise schnalzte Dulacre mit der Zunge – sein letztes Mittel, um seinen Unmut auszudrücken, ohne seine Stimmbänder zu belasten – und hob missbilligend eine Augenbraue an. Der andere schien seinen Blick zu bemerken, denn er begann sich die Hufe zu reiben und wegzusehen. „Mir ist bewusst, dass Zorro ein Dickkopf sein kann, glauben Sie mir. Aber ich weiß genauso gut, dass es ihm wichtig ist, dass Sie wieder gesund werden. Er hat sich große Sorgen um Sie gemacht, das sollten Sie wissen, bevor Sie das nächste Mal Ihre Gesundheit aufs Spiel setzen, erst recht nicht, nur um sich zu streiten.“ Es war immer wieder amüsant zu sehen, wie ernst diese putzigen Knopfaugen gucken konnten, und es war immer wieder interessant, was dieses junge Rentier so gedankenlos aussprach, wenn Dulacre nur die richtigen Knöpfe drückte. „Doktor Chopper“, erhob er seine schwache Stimme, „ich versichere Ihnen, wir haben nicht gestritten. Aber es war ein wichtiges Gespräch, deutlich wichtiger als etwas Heiserkeit.“ Der junge Arzt sah ihn zweifelnd an, ehe er den Kopf schüttelte. „Was auch immer. So oder so sollten Sie heute nicht mehr sprechen und jetzt schlafen gehen. Ich werde mit Sanji besprechen, dass er Ihnen lauwarmes Wasser bereitstellt, und dann sehen wir, ob wir uns vielleicht auch schon bald an Schonkost herantrauen können. Wie gesagt, ungeachtet Ihres absolut unbedarften Umgangs mit der Situation…“, die Art, wie das Rentier diese Worte betonte, erinnerte Dulacre direkt zurück an seine Kindheit, wenn er von Herrn Koumyou, dem Bürgermeister von Sasaki, oder von Kanan gescholten worden war. Er konnte kaum glauben, dass er diesem Kind erlaubte, so mit ihm zu sprechen, konnte kaum glauben, dass er diesem Kind überhaupt zuhörte. Wann er nur so weich geworden? „…ist Ihr Fortschritt wirklich erstaunlich gut. Die Schleimhäute sehen bereits heute so aus, als hätten sie mehrere Wochen Zeit zum Heilen gehabt und wenn Sie nun noch ein bisschen Rücksicht üben, bin ich mir sicher, dass es eine gute Prognose wird.“ Mit diesen Worten schlug der andere die Krankenakte zu und legte sie auf dem Tisch neben Yoru ab, welches wie eine zufriedene Katze schnurrte, anscheinend mochte es Doktor Chopper, wenn auch auf eine ganz andere Art als Dulacre oder Lorenor. „Aber dafür müssen Sie sich erholen und jetzt schlafen. Keine abendlichen Streitereien und keine nächtlichen Gespräche. Wenn Sie Ihre Stimmbänder im jetzigen Zustand zu sehr reizen, könnten diese sich entzünden und dann haben wir das nächste Problem. Also ruhen Sie sich jetzt aus. Ich werde morgen früh, vor dem Frühstück, nach Ihnen sehen und Sie untersuchen.“ Kaum, dass die Tür zufiel, schloss Dulacre die Augen und fühlte, wie innerhalb von Sekunden die sanften Finger der Erschöpfung über seinen Körper glitten und ihn in den Schlaf entführten. Er war sich sicher, diese Nacht gut schlafen zu können, und morgen, morgen würde er mit Lorenor die Dinge besprechen, die heute noch ungesagt geblieben waren. Er war neugierig, so überaus neugierig, aber viel mehr noch war er erleichtert, dankbar und erleichtert und oh so müde.   Kapitel 19: Kapitel 19 - Begegnung ---------------------------------- Kapitel 19 – Begegnung   -Zorro- Ächzend ließ er die Gewichte fallen und rieb sich den Schweiß von der Stirn. Egal, was Dulacre auch davon halten mochte, Zorro mochte simples Muskeltraining und es gab kaum etwas Besseres zum Entspannen, als nach einer harten Einheit die Gewichte abzulegen und das leichte Brennen des Fortschritts im ganzen Körper zu spüren. Er war sich bewusst, dass ein ausgewogenes Training aus mehr als nur Muskeltraining bestand – eine der vielen Sachen, die sein Lehrmeister ihm die vergangenen zwei Jahre eingeprügelt hatte – aber dennoch mochte er es am meisten. Es war gut dafür geeignet, den Kopf frei zu machen oder etwas Frust abzubauen. Allerdings musste Zorro sich eingestehen, dass er zwar etwas besser gelaunt war als zuvor, aber die dunkle Wolke herrschte immer noch über seine Gedanken, ließ ihn nicht ganz los. Dennoch, es war etwas besser und da er wirklich langsam hungrig wurde, entschied er, den Feierabend einzuläuten, schließlich war es bereits mitten in der Nacht und immerhin hatte er auch seit dem Frühstück nichts mehr gegessen. Während er sich den Schweiß vom Körper rieb, überlegte er, ob er die Nacht nutzen sollte, um sich in Loreen zu verwandeln. Die meisten Nächte waren sehr ruhig und niemand würde ihn stören, da mittlerweile alle Anwesenden – sowohl Crewmitglieder als auch Gäste und Gefangene – zu Bett gegangen waren, auf der anderen Seite lag seine letzte Verwandlung noch nicht lange zurück und er würde wohl noch ein paar Tage problemlos aushalten, ehe das unangenehme Ziepen ihn wieder an seine Grenzen erinnern würde. Aber wer wusste schon, ob er in ein paar Tagen die Ruhe haben würde, sich ungesehen verwandeln zu können. Innerhalb von Sekunden verflog dieses bisschen hart erarbeitete gute Laune und selbst die wie üblich aufwendig hergerichtete Zwischenmahlzeit des Kochs und der billige Sake konnten daran nicht viel ändern. Er hatte schlichtweg keine Lust, sich schon wieder verwandeln zu müssen, hatte keine Lust darauf, sich danach wieder zurückverwandeln zu müssen, und noch viel weniger Lust hatte er darauf, dass er irgendwann seiner Crew reinen Wein einschenken musste. Aber gar keine Lust hatte er gerade auf die Gedanken, die nun über ihn hereinbrachen, die seit dem vergangenen Tag wie dunkle Schatten um ihn herum gewabert hatten und nun mit jeder Stunde klarer wurden. Zorro hatte sich überschätzt, so viel war ihm mittlerweile bewusst, er hatte sich und sein strategisches Denken überschätzt. Wenn ihm der vergangene Tag eines gelehrt hatte, dann, dass sein Plan viel zu riskant war. Zorro war nicht bereit so viel für einen Plan zu riskieren, der höchstwahrscheinlich nicht erfolgreich sein würde, nicht, wenn er einen anderen Weg einschlagen konnte, und das konnte er. Doch warum zweifelte er dann immer noch so? Nein, warum zweifelte er jetzt sogar noch mehr als zuvor? In einem schwächlichen Versuch seine Gedanken zu ignorieren, entschied Zorro, das kleine Buch zu Ende zu lesen, welches die dämliche Kringelbraue vor zwei Jahren mit sich herumgetragen hatte, aber natürlich war diese Lektüre alles andere als unterhaltsam. Es überraschte ihn nicht, als er das Holz vor sich knarzen hörte, und er sah noch nicht mal auf, sondern griff noch ein Reisbällchen und konzentrierte sich auf die langweiligen Zeilen vor ihm. „Solltest du nicht schlafen“, murmelte er unbeeindruckt und biss in seinen Snack. „Ach, ich bin früh ins Bett gegangen und wollte die ruhigen Morgenstunden nutzen, um etwas zu lesen, so wie du es tust.“ Nun sah er doch auf und begegnete ihrem Schmunzeln mit hochgezogener Augenbraue. Robin hielt ein kleines Büchlein in ihren Händen, dessen Einband dem Buch ähnlich war, welches Zorro gerade las. Sie zeigte wie so oft diesen wissenden Blick und legte das Büchlein auf das Sofa neben die halbgeleerte Bentobox. „Ich hätte nicht gedacht, dich hier anzutreffen“, gestand sie dann leise ein und klaubte sich ein Radieschen aus Zorros Lunchpaket. „Soweit ich weiß, ist Chopper schon seit einigen Stunden im Bett und das Krankenzimmer dunkel.“ „Ich habe Nachtwache“, entgegnete Zorro schlicht und senkte seinen Blick wieder auf die letzten Seiten des anödenden Buches. Er hatte Robin nicht darum gebeten ihm Bücher rauszulegen und er fragte auch nicht, was sie darüber dachte, dass er solchen Schund las, oder warum sie ihm ein neues Buch gebracht hatte. „Nun ja, die Nacht ist beinahe vorüber und ich wollte etwas an Deck lesen, wenn du also mit deinem Training fertig sein solltest und deinen Posten verlassen möchtest…“ Sie sprach nicht weiter, sondern zeigte nur ihr übliches geheimnisvolles Lächeln, welches Zorro nur zu gut deuten konnte. „Ich danke dir für dein Angebot, aber ich denke, ich bleib noch etwas hier oben“, entgegnete er und hielt ihrem bohrenden Blick stand, „wobei ich mich gerne eine Runde ausruhen würde.“ Sie nickte nur und wandte sich zum Gehen, ohne noch ein weiteres Wort zu verlieren. Sie hatte wohl erfahren, was sie hatte wissen wollen. Aber Zorro war diesen Tausch ausnahmsweise bereitwillig eingegangen. Schließlich wusste er nun, dass er die nächsten paar Stunden im Ausguck ungestört sein würde. Seufzend schloss er das Buch und legte es zur Seite, dann stand er auf und reckte sich, ehe er die Stiefel auszog und seinem Körper erlaubte, sich zu verändern.   -Sanji- Es war früh am Morgen, als Sanji wie jeden Tag in der Küche am Werkeln war. Zu seiner Überraschung war das Licht im Ausguck hell erleuchtet gewesen, das Krankenzimmer auf der anderen Seite jedoch nicht. Es schien also, als hätte die verdammte Moosbirne ausnahmsweise mal die Pflichten eines Crewmitglieds wahrgenommen und nicht die ganze Nacht am Bett irgendeines verfluchten Samurais verbracht. Auf seinem Weg zur Kombüse hatte Sanji auch Robins Umrisse auf der Steuerterrasse im fahlen Licht eines nahenden Sonnenaufgangs gesehen. Er hatte sich gewundert, was sie um diese Uhrzeit schon draußen gewollt hatte, aber er hatte ihr ihren Frieden gelassen; Ruhe war schließlich ein wertvolles Gut auf diesem Schiff voller Chaoten. Die derzeitigen Gäste machten die Situation leider nicht viel besser. Franky, Brook und Lysop verbrachte ihre meiste Freizeit damit, abwechselnd Caeser zu bewachen, während Kinemon und Momonosuke sich etwas zu sehr für Sanjis Geschmack eingewöhnt hatten – insbesondere der Jüngere der beiden verbrachte in Sanjis Augen viel zu viel Zeit mit seiner Namilein – und sich äußerst gut sowohl mit Robin als auch mit Ruffy verstanden. Law auf der anderen Seite gehörte eher zur schweigsamen Sorte wie der Marimo, stellte Sanji aber mit seiner Abneigung gegenüber Backwaren und seinen Ansprüchen bezüglich Reisbällchen regelmäßig vor neue Herausforderungen. Er mochte zwar für eine Crew von Vollidioten – und zwei bezaubernde Engel – kochen, aber niemand innerhalb der Crew war wirklich wählerisch oder mäkelig, wenn es um die von Sanji zubereiteten Speisen ging; zumindest soweit er wusste. Ansonsten verbrachte der ehemalige Samurai die meiste Zeit damit, düster vor sich hinzustarren oder mal wenige Worte mit Nami oder Chopper zu wechseln. Dieser wiederum schien voll und ganz darin aufzugehen für seinen neuesten Patienten zu sorgen. Erst am vergangenen Abend hatte er sich mit Sanji zusammensetzten wollen, um einen Ernährungsplan für Falkenauge zu erstellen. Einen verdammten Ernährungsplan! Okay, Sanji mochte ja einsehen, warum dieser Dreckskerl nicht draufgehen sollte, aber warum zur Hölle sollte er einem Feind, oder zumindest dem Rivalen eines seiner Crewmitglieder, auch noch bei einem gesunden Lebensstil helfen? Es interessierte ihn nicht, ob der andere sich bis zur Besinnungslosigkeit besaufen und dabei draufgehen würde oder nicht, solange er damit noch wartete, bis Zorro ihn besiegt hatte. Am vergangenen Abend mochte Sanji zwar mit Zorro eine Waffenruhe ausgehandelt haben, aber das eine hatte ja kaum etwas mit dem anderen zu tun. Das eine waren Probleme innerhalb ihrer Crew, die den Samurai nichts angingen, und das andere war die verdammte Anwesenheit Falkenauges, der auf diesem Schiff eigentlich absolut nichts zu suchen hatte. Nein, Sanji wünschte ihm natürlich nicht den Tod an den Hals, aber er brauchte ihn auch nicht da zu haben. Mit de Flamingo, Big Mom und Zorros eigenartigem Verhalten hatten sie bereits genug Probleme am Hals, sie brauchten nicht noch einen bettlägerigen Samurai, welcher im schlimmsten Fall einem oder allen von ihnen nach dem Leben trachtete. Im Gegensatz zu scheinbar allen anderen Anwesenden misstraute Sanji Falkenauge zutiefst. Er hatte nie verstanden, warum dieser ihnen vor zwei Jahren beim Hinterhalt der Marine geholfen hatte, warum er die bezaubernde Lady Loreen begleitet hatte, warum sie eine Botschaft des Marimos nur für Ruffy gehabt hatten, nur damit Falkenauge dann wenige Tage später auf dem Schlachtfeld von Marine Ford sich gegen Ruffy stellen würde. Sanji war sich ziemlich sicher, dass dieser aalglatte Mistkerl ein doppeltes Spiel trieb, und Zorro war vermutlich zu schlicht, um so etwas zu bemerken, war wahrscheinlich so fokussiert darauf gewesen, wieder gesund und stärker zu werden, dass er im Zweifel gar nicht bemerkt hatte, falls Falkenauge ihn wie eine Spielfigur übers Schachbrett manövriert hatte. Je länger Sanji darüber nachdachte, desto wahrscheinlicher war ihm, dass der Samurai – die man nicht umsonst Hunde der Weltregierung nannte – vermutlich ihr Feind war und sie jederzeit angreifen konnte und er hatte sich das Vertrauen des einen Crewmitgliedes erschlichen, das aus Prinzip erstmal jedem misstraute, selbst eigenen Crewmitgliedern, um so Zugang zu den anderen zu erlangen. Dieser Gedanke machte plötzlich viel Sinn für Sanji. Als Falkenauge ihnen vor zwei Jahren gegenübergestanden hatte, waren sie alle misstrauisch gewesen, hatten damit gerechnet, dass er im Namen der Weltregierung gekommen war, um das zu vollenden, was Bartholomäus Bär nicht geschafft hatte. Nun jedoch schien keiner von ihnen zu glauben, dass Falkenauge noch ein Feind sein könnte, nur weil Zorro ihn hergebracht und Chopper angefleht hatte, ihn zu retten. Dass Ruffy, als der naive Vollidiot, der er war, die Motive des Samurais nicht hinterfragte, überraschte Sanji nicht, Ähnliches galt für Chopper, aber die anderen waren normalerweise nicht so gutgläubig. Aber vielleicht überdeckten sie ihr Misstrauen auch nur gut genug. Sanji zweifelte nicht daran, dass gerade Nami, Franky und Robin in der Lage wären, sich nichts anmerken zu lassen. Brook und Lysop auf der anderen Seite… Plötzlich wurden seine Grübeleien unterbrochen, als Sanji aus dem Augenwinkel bemerkte, wie das Licht im Krankenzimmer aufflammte. Wenn man vom Teufel sprach, entweder war der Samurai gerade aufgewacht oder aber Zorro war zu ihm gegangen. Doch ein Blick aus dem Fenster verriet Sanji, dass auch im Ausguck noch Licht brannte, also wohl eher Ersteres. Verdammt, da fiel ihm ein, dass Chopper ihn auch darum gebeten hatte, dem Samurai eine Karaffe mit Wasser vorbeizubringen, als wäre er der Butler. Jedoch wusste Sanji genau, wie wichtig Chopper die Genesung seiner Patienten nahm und nur ein Dummkopf – also der Marimo - würde sich seinen Anweisungen entgegenstellen. Entnervt aufstöhnend ließ Sanji von seiner Arbeit ab, steckte sich eine Zigarette an und füllte eine Karaffe ab. Wenn er Chopper glauben mochte, schien dieser Samurai zumindest die grundlegenden Manieren zu besitzen, sodass er diese Aufgabe wahrscheinlich mit ein, zwei höflichen Worten hinter sich bringen konnte, ohne sich mit dem unerwünschten Gast länger als nötig beschäftigen zu müssen. Er stellte Karaffe und Glas auf ein Tablett und entschied, die unliebsame Angelegenheit so schnell wie möglich hinter sich zu bringen, sodass er sich wieder mit den wichtigen Dingen im Leben beschäftigen konnte, Kaffee für sein geliebtes Robinlein aufsetzen zum Beispiel. Mit der Zigarette in der Hand klopfte er an, ehe er einfach eintrat. Auf der anderen Seite grüßte ihn ein seltsames Bild. Wobei, es war gar nicht so eigenartig, der Samurai saß in seinem weißen Leinenhemd aufrecht gegen einen Berg von Kissen gelehnt im Bett und las die Zeitung – wo auch immer er die wohl herhatte – aber es war wohl seltsam, weil Sanji nicht daran gewöhnt war von diesen eiskalten Falkenaugen angestarrt zu werden. Nein, normalerweise war es die Moosbirne, die ihn in solchen Momenten so abwertend betrachten würde. „Morgen“, brachte Sanji zwischen zusammengepressten Zähnen hervor. Er konnte diesen Typen absolut nicht ausstehen, der dort saß, wie ein König im Bett, während sein Bediensteter zum Ankleiden hereingekommen war. „Chopper meinte, du müsstest was Wasser trinken. Bitte sehr.“ Er stellte Karaffe und Glas auf das kleine Nachttischchen und würdigte das knappe Nicken des andere nicht mal einer Bemerkung, ehe er sich wieder umwandte und beinahe in die pechschwarze Klinge des Samurais hineinlief. Kurz erschrak er und machte einen Schritt zurück, fort von der Spitze des riesigen Schwertes, welches ohne Scheide oder sonstige Verpackung ganz unverhohlen auf Choppers Arbeitsplatz lag. Genau diese Klinge hatte Zorro damals beinahe umgebracht. „Was verdammt nochmal…?!“, knurrte er und ging noch etwas mehr auf Abstand. „Warum zur Hölle liegt so eine Waffe hier offen rum? Da könnte sich jemand dran verletzen.“ Ein heiseres Lachen ließ ihn herumschnellen. „Als gäbe es eine Schwertscheide, die mächtig genug wäre, Yoru zu beschränken.“ Mit einem bösen Schmunzeln funkelte Falkenauge ihn an. Seine Stimme war rau, wie nach einer zu langen Nacht mit zu viel Alkohol, aber ansonsten klang er genauso galant und aalglatt wie in Sanjis Erinnerung. Nein, er mochte diesen Typen wirklich nicht. „Aber keine Sorge, Yoru hat kein Interesse an deinem Blut.“ Zusammen mit den bleichen Gesichtszügen und den stechenden Augen hatte diese Aussage doch etwas Gespenstisches an sich, allerdings konnte selbst der Samurai nicht mit dem Grauen mithalten, welches Sanji die letzten zwei Jahre hatte erleben müssen, daher nahm er solch melodramatische Worte eher mit einem Augenrollen hin. Auch der Marimo sprach immer von seinen Schwertern, als hätten sie einen eigenen Willen – und er konnte richtig wütend werden, wenn man das eine Schwert mit dem roten Griff ungefragt anfasste – aber solche Sprüche hatte selbst er noch nicht abgelassen. „Du willst mir sagen, dass dein Schwert Blut sehen will? Und wessen? Das vom Marimo?“, entgegnete er sarkastisch und stopfte seine freie Hand in die Hosentasche. „Wenn du dich mit deiner plumpen Wortwahl auf Lorenor beziehen willst, dann ja, durchaus. Allerdings ist selbst Yorus Gier nach seinem Blut nicht so groß wie die meine.“ Der Samurai lächelte ihn beinahe charmant an, während Sanji wiederum ein kalter Schauer über den Rücken fuhr. Er hatte es erwartet, befürchtet, gefürchtet, aber gerade hatte der andere es so gut wie gestanden. Als wüsste Falkenauge genau, dass niemand Sanji glauben würde und er deshalb kein falsches Spiel mit ihm spielen brauchte. „Du willst Zorro töten?“, fragte Sanji erneut mit gespieltem Sarkasmus nach, während er in seiner Hosentasche nervös mit dem Feuerzeug, welches Zorro ihm erst vor wenigen Tagen geschenkt hatte, herumspielte. Je nachdem, wie dieses Gespräch verlaufen würde, musste er mit einem Kampf rechnen. Erneut lachte der Samurai beinahe erheitert auf, als hätte Sanji etwas absolut Lächerliches gesagt. „Denkst du, dass ich das will, Smutje von der Strohhutbande?“ Falkenauge klang, als wäre er ein Raubtier, welches mit seiner gefangenen Beute spielte. „Oder ist es das, was du willst, das ich will?“ Sanjis Blut gefror und gleichzeitig wurde ihm unsagbar heiß vor Zorn. „Was soll der Scheiß?!“, fauchte er den anderen an. „Bist du wahnsinnig, oder was? Erst laberst du davon, dass du nach dem Blut vom Marimo gierst und nun wirfst du mir vor mein eigenes Crewmitglied verraten zu wollen?! Sag mal, hast du sie noch alle?! Suchst du Streit?!“ Der Ältere schien ihn gar nicht ernst zu nehmen, schmunzelnd faltete er seine Zeitung. „Oh bitte, ich hege keinerlei Interesse an jemandem wie dir. Meinetwegen könntest du tot umfallen, aber du wärest mir weder die Mühe noch die Zeit wert. Deshalb erscheint es mir nur umso unbegreiflicher, warum Lorenor jemanden wie dich bereitwillig beschützt hat.“ Für einen Moment hatte Sanji keine Ahnung, was der andere meinte, doch dann machte es leise klick. „Du weißt, was auf der G6 passiert ist?“, fragte er und ignorierte für den Augenblick die Beleidigungen des anderen, während vor seinem inneren Auge heiße Flammen aufloderten. „Gewiss“, entgegnete Falkenauge, immer noch so hässlich breit am Grinsen, „schließlich hat Lorenor mir selbst erzählt, was auf den Senichi-Inseln vorgefallen ist.“ Lügner! Zorro sprach nie über irgendetwas, er würde nicht ausgerechnet seinem Feind Dinge erzählen, die nur die Crew angingen, erst recht nicht Dinge, die er noch nicht mal innerhalb der Crew erzählen würde. „Und selbstredend auch, was danach passiert ist.“ Er konnte sehen, wie diese stechenden Augen aufblitzten, der andere spielte mit ihm. „Lügner“, widersprach Sanji gezwungen ruhig, „Zorro hat dir nichts - rein gar nichts - gesagt. Du willst mich nur provozieren.“ „Tze, und warum sollte ich meine Zeit mit dir verschwenden? Ich sage die Wahrheit; ob du mir glaubst oder nicht, liegt nicht in meiner Hand und auch nicht in meinem Interessenbereich.“ „Dann beweise es!“ Sanji trat auf den anderen zu, welcher, obwohl er im Bett saß und Sanji stand, auf ihn herabzuschauen schien. „Und wie soll ich das bitte tun? Indem ich weitergebe, was Lorenor mir im Vertrauen offenbart hat? Sicher nicht. Aber du kannst natürlich ihn fragen, warum er einem Außenstehenden anvertraut, wovon sonst nur die Crew wissen sollte.“ Er konnte regelrecht hören, wie die Falle zuschnappte. „Oder kann es etwa sein, dass du gar nicht weißt, was geschehen ist? Könnte es sein, dass Lorenor seinem eigenen Crewmitglied noch nicht mal genug vertraut, um dir zu sagen, wie er überlebt hat?“ Sanji hatte das Gefühl, dass ihm die Luft zum Atmen abgeschnürt wurde. Gleichzeitig sah der Samurai so aus, als hätte er absolute Kontrolle über diesen Wortwechsel und wäre nur zu erfreut über das, was er hörte. Doch Sanji verstand nicht, warum der Samurai überhaupt diese Fragen stellte. Was nützen ihm solche Informationen, wenn er die Crew angreifen wollte? Warum zettelte er einen Streit an oder schmiedete gar crewinterne Konflikte, wenn er mit seiner Stärke allein sie vermutlich alle problemlos besiegen konnte, so wie es Bartholomäus Bär damals beinahe getan hatte? Aber das war egal! Sanji durfte sich nicht von ihm einlullen lassen. Er musste die Wahrheit herausfinden, ganz egal wie, und wenn dieser Mann sie wusste, dann würde Sanji ihn nun zum Reden bringen, ganz gleich, was Falkenauge mit dieser Falle bezwecken wollte, ganz gleich, was er ihm noch an den Kopf werfen würde. „Du weißt, wie Zorro überlebt hat? Sag es mir!“ Schallend lachte der Samurai auf, woraufhin seine angekratzte Stimme einen Ton abwürgte, doch dann sah er Sanji an und jedes Grinsen, jedes Schmunzeln oder auch nur Griemeln war verschwunden und plötzlich verstand Sanji die Redewendung über Blicke, die töten konnten. „Du bist ein anmaßendes, einfältiges Balg, dass du glaubst mir etwas befehlen zu können. Du wärest nicht mal in der Lage Lorenor zuzuhören, selbst wenn er dir die Wahrheit sagen würde, so wenig wie du in der Lage warst und immer noch bist ihn beschützen zu können, und du willst die Wahrheit wissen? Wofür? Welchen Sinn hätte es, wenn du wüsstest, was geschehen ist? Welches Anrecht hast du zu erfahren, was er erlebt hat? Du hast Lorenor zum Sterben auf diesem brennenden Turm zurückgelassen und was willst du jetzt? Die Wahrheit? Eine zweite Chance sein Vertrauen erneut zu missbrauchen? Eine zweite Chance nochmal zu versagen?“ Sanji stolperte mehrere Schritte zurück, als Falkenauge die Decke zur Seite warf und sich erhob. Erst jetzt wurde ihm bewusst, wie groß der andere war und seine bleiche Haut ließ seine Augen noch deutlicher hervorstechen. „Du verdienst die Wahrheit über Lorenor nicht, du unverschämtes Gör. Du hast vor zwei Jahren versagt und Lorenor musste für deine Schwäche büßen, und jetzt stehst du vor mir und verlangst von einem Fremden die Wahrheit über die Vergangenheit, als hättest du auch nur irgendetwas getan, um sie zu verhindern. Während Lorenor die letzten zwei Jahre das Unmenschliche möglich gemacht hat, um für diese Crew von Nutzen zu sein, hast du dich kaum verbessert, obwohl du doch genau weißt, dass deine Unzulänglichkeit schuld an Lorenors Leid war!“ Der Samurai trat einen Schritt nach vorne. „Mit welchem Gedanken hast du dieses Zimmer hier betreten? Hast du gedacht, ich wäre der Feind und du müsstest deine Crew und Lorenor vor mir beschützen?“ Wie ein Peitschenhieb schnalzte der andere mit seiner Zunge. „Tze, wie stumpfsinnig engstirnig. Wie soll jemand wie du Lorenor beschützen können? Du wirst nie auch nur im Ansatz mit ihm mithalten können, solange du nicht bereit bist deine eigenen Grenzen hinter dir zu lassen! Du hattest zwei Jahre Zeit, um Lorenors Opfer gebührend wertzuschätzen, aber das hast du nicht, immer noch nicht mehr als ein einfacher Mensch. Es ist eine Schande, dass er immer noch gewillt ist, für jemanden wie dich zu sterben, während du für ihn nicht einen Schritt mehr gehen würdest als unbedingt nötig.“ Es war kalt, als hätten die Worte des anderen jede Wärme aus dem Raum ausgesaugt, jede Farbe verblassen lassen. Sanji wusste nicht, welche Strategie Falkenauge verfolgte, welche Informationen er Sanji mit diesen Vorwürfen entlocken wollte, aber wenn er ganz ehrlich war, scherte ihn das gerade überhaupt nicht. Er traf eine Entscheidung, er traf eine Entscheidung, die er schon vor zwei Jahren hätte treffen sollen, auch wenn er die Konsequenzen absolut nicht mochte. Leise schnaubte er auf und nahm einen Zug seiner Zigarette. Überraschenderweise waren seine Hände ganz ruhig. „Oh man“, murrte er und genoss, wie der Qualm durch seine Lunge heizte und ihn von innen wärmte, „du hörst dich wirklich gerne selbst reden, nicht wahr, Falkenauge? Studierst du diese Monologe vorher ein oder ist das alles Improvisation?“ Sanji konnte sich nicht erinnern, je einem solchen Blick standgehalten zu haben. Alles in ihm schrie die Augen abzuwenden, während der Samurai schwieg. „Du bist ziemlich von dir eingenommen, weißt du das? Tust so, als wärest du der Einzige, der den Marimo kennt, nur weil er dir ein paar Dinge gesagt hat. Aber lass mich eins klar stellen: egal was der Mooskopf erzählt oder nicht, wir sind seine Crew und du bist nur irgendein Typ, den er eines Tages besiegen wird, also komm von deinem hohen Ross herunter. Du bist weder in der Position über diese Crew zu urteilen noch für Zorro zu sprechen. Am Ende des Tages bist du nur ein selbstgefälliger Schwätzer, bei dem Zorro für zwei Jahre trainiert hat, um stark genug zu werden um zu uns – seinen Freunden – zurückzukehren.“ Er konnte sehen, wie sich der Brustkorb des anderen deutlich hob und senkte, aber Sanji würde sich von ihm nicht einschüchtern lassen. Er hatte sich entschieden. „Du meinst ich sei anmaßend, weil ich für Zorro nur Ballast sei? Mag sein, dann ist das halt so, dann sieht er mich halt nur als unnötigen Ballast an, aber weißt du was? Trotz allem ist er zurückgekommen, um diesen Ballast weiterhin zu tragen. Du dagegen warst nur seine Notlösung, um sein Ziel zu erreichen, nicht mehr als ein Mittel zum Zweck.“ Sanji trat seine Zigarette aus und stellte das Tablett neben sich im Schrank ab. „Allerdings hast du Recht, dass ich mich zu lange auf dem Wissen ausgeruht habe, dass Zorro immer bereit ist, diesen einen Schritt mehr zu gehen, sodass ich es nie tun brauchte.“ Sanji spannte seine Beinmuskeln an, wissend, dass er diesen Kampf verlieren würde, aber vielleicht würde sein Opfer dann den anderen zeigen, was für ein falsches Spiel Falkenauge mit ihnen trieb. Vielleicht konnte Sanji so auch endlich mal Zorro beschützen. „Aber diese Zeit ist nun vorbei!“ Kapitel 20: Kapitel 20 - Eskalation ----------------------------------- Kapitel 20 – Eskalation   -Sanji- Es hatte ihn immer schon gestört. Von Anfang an, seit er Teil der Strohhutbande geworden war, hatte er das Gefühl gehabt, in einem steten Kräftemessen mit dem Marimo zu stehen. Die erste Zeit hatte dieser Wettkampf ihm auch noch Spaß gemacht, hatte ihn angeheizt und beflügelt, aber mit jedem Kampf, mit jedem Gegner war etwas deutlicher geworden, was Sanji nicht hatte wahrhaben wollen. Er hatte nicht wahrhaben wollen, dass er hinter dem Schwertkämpfer der Crew zurückhing. Jedes Mal, wenn er gedacht hatte, endlich mal die Nase vorn zu haben, hatte er sich wieder im Windschatten des anderen gefunden, und irgendwann, obwohl er es sich nicht eingestehen wollte, hatte er sich damit abgefunden, hatte vielleicht auch Zuversicht und Sicherheit darin gefunden, dass Zorro immer diesen einen Schritt mehr gehen würde, immer einen Schritt vor Sanji sein würde, sodass er selbst nie aus dessen Schatten hatte treten müssen. Doch hier und jetzt, nach Jahren der Trauer und des Verlusts, Tagen des Misstrauens und des Konflikts, stand er nun Falkenauge gegenüber und wusste eines ganz sicher. Vielleicht war es wirklich so, vielleicht hatte er den leichteren Weg genommen, hatte Zorros Windschatten als Schutz vor den harten und kalten Böen benutzt, sich darauf ausgeruht, dass Zorro immer nach vorne preschte, mit diesem leisen Gefühl, dass Sanji ihn ja so oder so nicht würde einholen können. „Aber diese Zeit ist nun vorbei!“ Jetzt würde er nach vorne preschen. Dieses Mal würde Sanji angreifen! Plötzlich knallte Sanji gegen die Holzwand hinter sich, wie von einer heftigen Windböe zurückgewirbelt, hörte ein schweres Grunzen, das Klirren von Metall und das Poltern von Holz, während feinste Klingen seine Haut aufzuschneiden schienen und er unter dem Luftdruck kaum in der Lage war, zu atmen, geschweige denn seine Lider zu öffnen. Dann war der Moment vorbei und Sanji konnte seinen Augen kaum trauen. Keine Handbreit vor ihm stand Zorro, vorgebeugt, mit dem Rücken Richtung Sanji, zwei Schwerter über seinem Kopf gekreuzt, blockierte die nachtschwarze Klinge des Samurais, der mit großen Augen und offenen Mund Zorro anstarrte, während seine Waffe nur wenige Zentimeter von Sanjis Haaren trennte. „Lorenor?“ Falkenauge klang beinahe… verwundert, ja das passte wohl am besten, während Sanji kaum verstand, was passiert war. Im nächsten Augenblick schwang der Samurai das riesige Schwert elegant durch die Luft und legte es zurück auf den Arbeitstisch, während Zorro vor Sanji aufkeuchte und sich dann nach vorne lehnte. Er atmete schwer, stützte sich mit beiden Händen – welche immer noch die Schwerter hielten – auf den Oberschenkeln ab. „Was soll das?“ Zorros Knurren machte Sanji mehr Angst als der Samurai vor ihm. Obwohl er selbst sich erst vor wenigen Tagen mit Zorro schlimmer gestritten hatte als je zuvor, hatte er ihn noch nie so gehört und erst jetzt realisierte Sanji, was gerade geschehen war. „Was zur Hölle geht hier vor?“ „Lorenor, lass es mich erklären. Er hat…“ „Halt die Klappe!“ Mit einem Mal richtete Zorro sich wieder auf und seine Waffe auf Falkenauge, immer noch schwer am Atmen. „Wie kannst du es wagen, eines meiner Crewmitglieder anzugreifen?“ Zu Sanjis Überraschung schien Falkenauge nicht halb so beeindruckt von Zorros Zorn wie er. „Lorenor, du hättest ihn hören sollen. Es mag sein, dass ich…“ „Klappe!“ Zorro steckte sein zweites Schwert weg, doch das andere hielt er weiterhin auf den Samurai gerichtet. „Jetzt rede ich! Ist das der Dank, mit dem du dich bei der Crew erkenntlich zeigen willst, die dein Leben gerettet hat? Indem du ein Crewmitglied umbringst?“ Offensichtlich entrüstet breitete der Samurai die Arme aus, als wäre er nur zu gewillt, sich mit Zorro zu streiten, aber nicht die Art wie Sanji normalerweise mit ihm stritt, nein, diese Form des Streits wollte Sanji weder aushalten noch absichtlich provozieren. „Mag sein, dass ich überreagiert habe, Lorenor. Aber wenn du mich ausnahmsweise mal aussprechen lassen würdest, könnte ich dir sagen, dass dies nichts mit der Gastfreundschaftlichkeit deiner Crew zu tun hat, sondern einzig und allein damit, wie er von dir gesprochen hat. Du kannst doch nicht von mir erwarten, dass ich stillschweigend hinnehme, wie er…“ „Es ist mir scheißegal, was der Koch gesagt hat!“ Zorro machte einen Schritt nach vorne, sodass die Spitze seines Schwertes die Brust des Samurais berührte. „Der Einzige dieser Crew, gegen den du Yoru richtest, bin ich, verstanden? Ich bin der Einzige, der mit dir kämpfen wird, also wage es ja nie wieder deine Waffe gegen meine Freunde zu richten, sonst wirst du diesen Kampf nie erleben!“ Nun zum ersten Mal änderte sich der Gesichtsausdruck des Samurais, seine Augen wurden groß und er wurde noch bleicher, falls das überhaupt möglich war, und erst da verstand Sanji, womit Zorro ihm drohte, und fassungslos starrte er den Hinterkopf seines Crewmitgliedes an. „Lorenor, ich…“ „Ich will es nicht hören, Dulacre! Nach allem, was ich getan habe, nach allem, was ich dir erzählt habe, kannst du da wirklich noch glauben, dass ich es gutheißen würde, wenn du einem meiner Freunde drohst? Dass es in meinem Interesse wäre, wenn du den Koch angreifst, nach dem, was ich auf der G6 getan habe?“ Falkenauge schwieg, den Mund leicht geöffnet, und Erstaunen glitt über sein Gesicht. „Du unterschätzt meine Loyalität, Dulacre, wie du mich doch so oft unterschätzt. Glaubst du wirklich, ich könnte dir je verzeihen, wenn du einem meiner Freunde auch nur ein Haar krümmst? Oder habe dieses Mal ich dich unterschätzt? Sind deine Gefühle nun so unkontrollierbar geworden, dass selbst der Verstand des genialen Strategen Mihawk vor ihnen kapitulieren muss?“ Beinahe schon wie ein Unbeteiligter, hörte Sanji Zorro sprechen – seltsame und seltsam viele Worte für seine Verhältnisse - während dieser nun sein Schwert in einer einzigen, fließenden Bewegung zurück in dessen Scheide steckte. Seine Worte waren nicht laut und doch war es unverkennbar wie wütend, nein, schlimmer noch, wie enttäuscht er war. „Du hast mich unterwiesen, damit ich keine Gefahr mehr für meine Crew darstelle, aber ich werde erst recht nicht zulassen, dass du eine Gefahr für sie bist. Bring mich nicht dazu, eine Seite zu wählen, Dulacre! Bring mich nicht dazu, mein Versprechen noch einmal zu brechen.“ Für eine Sekunde war es still im Raum und dann geschah etwas, was Sanji nicht für möglich gehalten hatte; Falkenauge neigte sein arrogantes Haupt und senkte den Blick. „Es tut mir leid, Lorenor. Wie du weißt, lag es nie in meiner Absicht mit meinen Taten dir ein Leid zuzufügen, und mir ist natürlich bewusst, welchen Stellenwert deine Crewmitglieder für dich einnehmen. Ich habe mich von meinen Gefühlen verleiten lassen und beinahe meine Kontrolle verloren.“ Kurz lagen seine stechenden Augen auf Sanji, doch dann sah er wieder Zorro an. „Du hast Recht, ganz gleich meiner eigenen Ansichten ist mir bewusst, dass der Smutje einer deiner Freunde ist, und, auch wenn dies mir ein unlösbares Rätsel ist, so werde ich doch nie aus eigenen Motiven heraus deiner Crew und dir Schaden zufügen; du hast mein Wort darauf.“ „Gut!“, knurrte Zorro und Sanji konnte nicht anders, als ein bisschen Genugtun zu verspüren. Es beeindruckte ihn, wie Zorro mit dem anderen sprach, sein Verhalten wie bei einem schlechterzogenen Hund maßregelte, und für eine Sekunde fragte Sanji sich, ob Falkenauge wirklich so mächtig war, wie die Geschichten erzählten, wenn er sich sogar vom Marimo tadeln ließ. Gleichzeitig machte es Sanji stolz, zu hören, wie Zorro die Crew – einschließlich ihm selbst – verteidigte und ganz deutlich machte, auf wessen Seite er stand. Für einen Moment vergaß er seine Zweifel am Mooskopf, als dieser den Samurai ganz klar in seine Schranken verwies. „Und nun zu dir, Koch!“ Oder vielleicht lag es nicht am Samurai… Ohne sich umzudrehen, wandte Zorro leicht den Kopf zur Seite, sodass Sanji nur sein vernarbtes Augenlid sehen konnte. „Bist du von allen guten Geistern verlassen, Koch? Hast du sie eigentlich noch alle?“ „Ich bin nicht derjenige, der mit einem Schwert rumfuchtelt, oder?“, antworte Sanji komplett auf Autopilot, wie immer nicht gewillt, sich von dem Marimo bevormunden zu lassen, und zu geübt darin, sich mit ihm zu zoffen. Aber er wünschte, er hätte es nicht gesagt, denn nach ihrem letzten Streit war er sich nicht sicher, ob er nochmal so angesehen werden wollte. „Und du glaubst, du bist auch nur einen Deut besser?“ Zorro wandte sich immer noch nicht zu ihm um und Sanji war fast schon dankbar. „Greifst einen Patienten an, um dessen Leben Chopper und Robin vorgestern noch gekämpft haben. Ist das deine Art ihre Mühen und Aufopferung wertzuschätzen? Ist das deine Art dich bei genau dem Mann zu bedanken, der dir vor zwei Jahren das Leben gerettet hat? Du kannst froh sein, dass nur ich es gesehen habe und nicht Chopper. Was würde er nur sagen, wenn er wüsste, dass du so mit einem seiner Patienten umgehst? Dein Glück, dass ich keine Petze bin.“ Oh, verdammte Scheiße! Zuzusehen, wie Zorro den Samurai zusammenfaltete, hatte fast schon Spaß gemacht, aber selbst dem harten Urteil ausgesetzt zu sein, war alles andere als angenehm. Zorro hatte immer schon die Fähigkeit gehabt, Dinge erschreckend klar zu erfassen und schonungslos auszusprechen, aber in den letzten zwei Jahren war er noch direkter und schlagfertiger geworden. Jedes seiner Worte traf ins Schwarze, ohne dass der andere etwas Anderes tat, als die Wahrheit auszusprechen. Dann zog Zorro die rote Schärpe um dessen Hüfte fest und erst da bemerkte Sanji, dass er auf nackten Füßen und ohne seinen üblichen Bauchwickel unterwegs war, als wäre er sich gerade am Umziehen gewesen, vielleicht hatte er gerade sogar noch geschlafen und trotzdem war er rechtzeitig gekommen, um Schlimmeres zu verhindern. Wieder einmal fragte Sanji sich, wie groß der Abstand zwischen ihnen innerhalb der letzten zwei Jahre geworden war. Falkenauges Worte hallten durch seinen Kopf. Wie sollte er nur je mit Zorro noch mithalten können? „Und wie kannst du nur so dumm sein einen Gegner anzugreifen, dem du nicht gewachsen bist?“ Immer noch sah Zorro ihn nicht an und immer noch war Sanji das ganz recht. „Ganz gleich, was Dulacre getan hat, du warst derjenige, der ihn provoziert hat, du hast den Kampf eröffnet, wieder einmal. Wie oft willst du so etwas noch abziehen und wie oft muss ich mich noch dazwischen stellen, Koch? Ich dachte, die Vergangenheit hätte dich gelehrt, dass selbst ich nicht immer da sein kann. Ich dachte, du hättest mittlerweile verstanden, dass selbst ich meine Grenzen habe. Ist das nicht genau der Grund, warum du mir nicht mehr vertraust?“ Nun drehte Zorro sich um und Sanji wünschte, er hätte es nicht getan. „Aber wie soll ich dir vertrauen, Koch? Denn obwohl du genau weißt, dass ich meine Grenzen habe und obwohl du genau weißt, dass ich alles tun werde, um diese Crew zu beschützen, provozierst du Dulacre, der dich mit einem Schwerthieb töten könnte, der selbst mich noch immer problemlos töten könnte. Du zwingst mich dazu, mich auf eine Seite zu stellen, Koch, und du zwingst mich dazu, mich in die Schussbahn zu werfen. Warum? Willst du mich so testen? Willst du meine Loyalität testen? Testen, ob du mir vielleicht doch noch vertrauen kannst?“ „Jetzt warte mal!“, versuchte er den anderen zu unterbrechen. „Das hatte nichts mit…“ „Es ist mir egal.“ Zorro schüttelte leicht den Kopf. „Es ist mir egal, warum du es tust, was Dulacre dir an den Kopf geworfen hat oder was dich bewegt hat; ich bin es leid mir eure Ausreden anzuhören. Egal, was passiert, ich werde jeden aus dieser Crew beschützen, ich werde dich beschützen, Koch, aber ich bin es leid. Dir mag es nicht bewusst sein, aber ich bin mehr als nur der Muskelprotz mit den Schwertern, der keinem Kampf aus dem Weg geht und sich im Kreuzfeuer vor die anderen wirft. Ich habe meine Gründe, warum ich nicht über das rede, was geschehen ist, und wenn du das nicht akzeptieren kannst, dann ist das dein Problem, wenn du mir deshalb nicht mehr vertrauen kannst, dann ist das dein Problem. Ich vertraue meinem Kapitän und ich vertraue Dulacre und wenn du damit nicht klar kommst, dann ist das dein Problem. Aber ich bin es leid, wie ein besseres Bauernopfer von allen herumgeschubst zu werden.“ Zorro trat die Tür aus dem Weg, die er wohl aus den Angeln gerissen hatte. „Ihr solltet die wieder einhängen, ehe Franky das sieht“, murrte er überraschend kalt. „Lorenor!“ „Nein, ich will es nicht mehr hören, lass mich ausnahmsweise mal in Ruhe. Ich bin das alles so leid. Solltet ihr nicht diejenigen sein, auf die ich mich verlassen kann? Warum also muss ich für euch zwei Vollidioten den Babysitter spielen?“ Er ging durch den Türrahmen. „Ich vermisse wirklich die Zeiten, als alles so viel einfacher war.“ Zurück blieben Sanji und der Samurai, der nicht minder geschockt hinausstarrte, immer noch eine Hand ausgestreckt. Dann sahen sie einander kurz an, doch Sanji wandte schnell den Blick ab. Mochte ja sein, dass Falkenauge an solche Momente mit Zorro gewöhnt war, Sanji war es nicht. Die Art, wie Zorro gesprochen hatte, die Art, wie er sie für ihre Taten verurteilt hatte, die Art, wie er sie angesehen hatte, all das beunruhigte Sanji. Aber am meisten beunruhigte ihn, wie seltsam monoton Zorro am Ende gesprochen hatte, es war fast noch furchterregender als sein vorheriger Zorn. Er hatte sich erschöpft angehört, zerschlagen, kraftlos, und jetzt verstand Sanji, dass Zorro wohl wirklich einen Grund hatte, warum er nicht mit ihnen sprach, und dass dieser Grund ihn womöglich innerlich auffraß. „Weißt du es?“, fragte er, während der Samurai an ihm vorbeischritt und sich nach der Tür bückte. „Weißt du, was dieser Grund ist?“ „Zum Teil“, entgegnete der andere und hob die Tür mit Leichtigkeit hoch, um sie wieder einzuhängen. Sein stechender Blick wirkte seltsam müde, als hätte auch er lieber auf diesen Streit verzichtet. „Was ist…, weißt du, ob er in Gefahr ist?“, fragte Sanji, anstatt das zu fragen, was er nicht fragen sollte. „Smutje.“ Nun sah Falkenauge ihn an. „Wenn du Lorenor auch nur annähernd so gut kennst, wie du es vorgibst, dann sollte dir bewusst sein, dass es nie sein Leben ist, um welches er sich sorgt.“ Sanji hielt diesen müden Augen stand. „Das weiß ich, aber ich fragte nicht, worum es geht oder worum er sich sorgt, ich frage dich, ob er in Gefahr ist.“ Falkenauge neigte leicht den Kopf zur Seite, ehe er schließlich mit den Achseln zuckte und sich Blut vom Arm rieb, wo er sich wohl den Tropf rausgerissen hatte. „Wie dein Kapitän hat auch Lorenor die Gabe sich gefährliche Gegner auszusuchen.“ Dann drehte er sich herum und ging zum Bett zurück, wo er sich mit der Eleganz eines pensionierten Tänzers niederließ; für einen Moment hatte Sanji trotz der kratzigen Stimme tatsächlich vergessen, dass er noch verletzt war. „Aber dieser Gegner ist nicht aufgrund seiner Kampffertigkeiten so gefährlich und das ist der Grund, warum er Lorenor solch Kopfzerbrechen bereitet.“ „Und gibt es etwas, was wir tun können?“ Sanji hatte nicht vergessen, was erst vor wenigen Minuten passiert war, hatte nicht vergessen, dass sie sich angefeindet hatten, dass Falkenauge ihn tatsächlich angegriffen hatte, aber all das schien ihm gerade beinahe unwichtig. Zorros ungewöhnliches Verhalten war beängstigend und hatte Sanji gezeigt, dass Robin und Nami Recht gehabt hatten. Was auch immer Zorro vor ihnen verbarg, er hatte einen guten Grund dafür, und zwar um sie zu schützen, wieder einmal. Aber es zeigte auch, dass Sanji Recht hatte. Zorro vertraute ihnen nicht, nicht genug, um sie einzuweihen, nicht genug, um sie um Hilfe zu bitten. Doch dies schien er nicht nur ihnen vorenthalten zu haben, auch der Samurai schien nicht alles zu wissen und auch wenn es das wohl nicht sollte, so gab es Sanji doch ein kleines bisschen Befriedigung, dass selbst dieser selbstgefällige Dreckskerl nicht so allwissend war, wie er tat. Ebendieser sah ihn nun ruhig an, während er sich ein Glas Wasser eingoss. „Abwarten und hoffen, dass Lorenor sich rechtzeitig dazu entschließt, uns die Wahrheit zu sagen.“ „Was?“ Er beobachtete, wie der andere einen tiefen Schluck nahm. „Wenn dieser Gegner so gefährlich ist, wie du sagst, dann müssen wir Zorro auf jeden Fall zum Reden bringen, ihn zur Vernunft bringen und dazu, uns die Wahrheit zu sagen, damit wir ihm helfen können!“ Der Samurai hob eine Augenbraue an. „Da dein letzter Versuch ja so erfolgreich war? Du scheinst selbstzerstörerisch veranlagt zu sein, wenn du so gerne solche Konflikte mit Lorenor eingehst, Smutje. Oder gefällt es dir, ihn so leiden zu sehen? Doch etwa ein Sadist?“ Es wäre zu leicht auf diese Provokation einzugehen, aber viel mehr war Sanji über die Bedeutung hinter den Worten des anderen überrascht. „Du weißt von unserem Streit?“ „Oh, gewiss. Du vertraust ihm nicht, er vertraut dir nicht, beide unfähig zu erkennen, dass euer beiderseitiges Misstrauen durch ein offenes Gespräch geklärt werden könnte, aber beide zu stur, um den eigenen Stolz hinunterzuschlucken und auf den anderen zuzugehen. Ein überaus klischeehaftes Verhalten schlechter Dramen, so unnötig, so ermüdend.“ Nun schmunzelte der andere wieder, wie am Anfang ihrer Konfrontation, aber es erreichte seine müden Augen nicht. „Und es ist weder amüsant noch interessant, dass du nicht verstehst, dass du ihn nicht dazu zwingen kannst, den ersten Schritt zu tun, sondern dass du derjenige sein musst, der auf Lorenor zugeht, wenn du euer missratenes Verhältnis vor Schlimmeren bewahren möchtest.“ Sanji verschränkte die Arme. „Jetzt tust du wieder aufgeblasen und wichtigtuerisch. Aber der Marimo hat nicht nur mit mir gestritten, sondern auch dich ziemlich zusammengefaltet, nicht wahr? Also vielleicht kehrst du erstmal vor deiner eigenen Haustüre.“ „Oh, ich habe Angestellte für so etwas.“ Der Samurai warf seine Beine aufs Bett und deckte sie penibel wieder zu. „Außerdem hatte meine Auseinandersetzung mit Lorenor nichts mit fehlendem Vertrauen zu tun.“ „Und was dann?“ „Das geht dich nichts an, Smutje, und als würde ich an dich meine Zeit verschwenden.“ Dann zog Falkenauge die Zeitung vom Nachtisch und schlug sie auf, würdigte Sanji nicht mal mehr eines Blickes. „Vielen Dank für das Wasser. Du kannst nun gehen.“   -Zorro- „Argh!“ Wütend ließ er sich zurückfallen. Vollidioten! Alle beide! Absolute Vollidioten! Und er selbst war auch nicht besser. Seufzend entknotete er seine Beine aus dem Lotussitz und streckte sie aus, legte einen Unterarm über seine müden Augen, um die grelle Morgensonne auszublenden. Er wusste, dass es in seinem derzeitigen Gemütszustand so oder so schon schwierig genug war, zu meditieren und nach dem, was vor wenigen Minuten vorgefallen war, hätte er es eigentlich gar nicht erst zu versuchen brauchen. Gerade wünschte er sich die Weiten Kuraiganas zurück, dann könnte er Runde um Runde laufen, bis er müde wurde, vielleicht dabei noch Gewichte heben, bis ihn die Wut verließ. Aber auf einem kleinen Schiff voller Leute hatte er die Möglichkeit nicht. Die einzigen beiden, an denen er Dampf ablassen könnte, waren die beiden, auf die er wütend war, und Zorro wollte gerade keinen von beiden sehen. Was zur Hölle war nur in diese zwei Mistkerle gefahren? Naja, eigentlich konnte er sich das schon ganz gut denken. Der Koch war bereits die letzten Tage angespannt gewesen und hatte es wahrscheinlich persönlich genommen, dass Zorro in ihrem Streit persönlich geworden war. Es brauchte nur noch einen Vollidioten von Samurai, der solche Schwächen sofort bemerken und gewohnheitsmäßig ausnutzen würde und voilà der Koch würde sich genug provozieren lassen, um selbst jemanden anzugreifen, gegen den er nicht bestehen konnte, wahrscheinlich wohl wissend, dass es absolut sinnlos war. Dass Dulacre den Koch nicht abhaben konnte, war Zorro auch mehr als nur bewusst. Wann immer Zorro ihn erwähnt hatte, hatte der Samurai überaus theatralisch mit den Augen gerollt oder blasiert die Augenbrauen hochgezogen und die Lippen geschürzt, fast noch schlimmer als bei Trafo und den konnte er bereits auf den Tod nicht ausstehen. Warum genau, wusste Zorro nicht und es war ihm auch egal, so wie ihm auch eigentlich egal war, wenn die beiden nicht miteinander klar kamen, das war nicht sein Problem. Zumindest hatte er das bis eben gedacht. Zorro wusste ganz genau, dass Dulacre selbst so aufgebracht wie er eben wohl gewesen war, den Koch nicht ernsthaft verletzt hätte. Als Zorro den Schlag pariert hatte, hatte er genau bemerkt, dass Dulacre ihn unter Kontrolle gehabt hatte, so wie er jeden Schwerthieb kontrolliert hatte, den er in seinen Kämpfen gegen Jiroushin geführt hatte. Vermutlich hatte Mihawk dem Koch nur einen Schrecken einjagen wollen, vielleicht sogar nur um seine Position deutlich zu machen, nachdem die dämliche Kringelbraue entschieden hatte, ihn anzugreifen. Außerdem war es ja kein Geheimnis, dass der Samurai manchmal etwas irrational reagierte, wenn es um Zorro ging. Etwas, was sie beide nervte. Trotzdem war Zorro dazwischengegangen. Er hatte es nicht besser gewusst, hatte keine Wahl gehabt, denn auch wenn er Mihawk vertraute, niemanden aus seiner Crew umzubringen, war er sich nicht sicher, ob dieser nicht vielleicht dem Koch eine Lektion hätte erteilen wollen, für was auch immer, und dem Koch vertraute Zorro derzeit, was so etwas anging, mit Sicherheit nicht. Der Kartoffelschäler hatte doch nur eine Ausrede gesucht, um sich nochmal mit jemandem anlegen zu können, aber warum verdammt noch mal muss er sich dann ausgerechnet einen verdammten Samurai aussuchen, der ausnahmsweise mal nicht – noch nicht - auf ihrer Strichliste stand? Es war ein Fehler gewesen, dass Zorro sich in den frühen Morgenstunden verwandelt hatte, als Loreen waren seine Sinne einfach nicht so scharf wie in seinem wahren Körper, aber nachdem Robin ihm die Möglichkeit gegeben hatte, hatte er diese auch nutzen wollen; wer wusste schon, wann diese Crew das nächste Mal ein paar ruhige Stunden erleben würde. Er seufzte. Wenn man vom Teufel sprach. Er reagierte nicht auf das Knarzen des Holzes und auch nicht auf ihre klackenden Schritte. „Was für ein ereignisreicher Morgen“, grüßte sie ihn und Zorro konnte ihrer Stimme ihr Lächeln anhören. „Es ist wahrlich nie langweilig auf diesem Schiff.“ „Ein schwimmender Kindergarten“, murrte Zorro nur und lugte sie unter dem Schatten seines Armes hinweg an. Robin schritt anmutig durch den Ausguck und legte ein weiteres Buch mit einem ähnlichen Einband wie das, welches sie ihm vor wenigen Stunden gebracht hatte, auf das Sofa. „Zum Glück warst du ja da, um einzuschreiten“, bemerkte sie mit einem Lächeln und hob das erste Buch hoch, welches Zorro bereits zu Ende gelesen hatte. Wie immer schien sie genau zu wissen, was vor sich ging, und Zorro wunderte sich, was sie noch alles wusste, was sie über ihn und sein Geheimnis wusste. Dass sie ihm diese Bücher hinlegte, zeigte zumindest, dass sie etwas wusste, und vielleicht war das der eine Part, der Zorro am unwichtigsten war, geheim zu halten. „Vollidioten“, murrte er erneut, „alles nur Vollidioten.“ „Oh, geh nicht zu hart mit euch ins Gericht.“ Nun stierte er sie nieder, doch ihr Lächeln blieb. „Du weißt doch selbst, wie sensibel unser Schiffskoch derzeit auf alles reagiert, was mit dir zusammenhängt, und wenn dann ein Samurai auftaucht, dessen ganze Welt sich um dich zu drehen scheint...“ Sie kicherte leise. „Da könnte sogar ich eifersüchtig werden.“ Sie schritt durch den Raum und ließ sich neben ihm nieder. „Und für dich muss es sehr schwierig sein, diese beiden Welten miteinander zu verknüpfen. Ich bin mir sicher, dass Mihawk einen ganz anderen Lorenor Zorro kennt als wir.“ Früher hätte Zorro sie nun fragend angesehen und irgendetwas davon gelabert, dass es ihn nur einmal gäbe und er keine Ahnung hätte, was sie da meinte. Aber nun verstand Zorro sie und erneut aufseufzend schloss er sein Auge. „Nach dem letzten Konflikt kamst du mit der Peitsche, heute mit dem Zuckerbrot? Was soll das werden, Robin?“ Leise lachte sie auf. „Es ist wirklich amüsant, wie einfach du mich mittlerweile durchschaust.“ Er entgegnete nichts. „Letztes Mal hattest du es noch nicht verstanden“, antwortete sie dann und klang viel ernster als noch zuvor. „Und jetzt habe ich es verstanden?“, fragte er zweifelnd nach. „Zumindest fast; die Peitsche ist nicht mehr nötig. Dir ist mit Sicherheit durch eben Geschehenes bewusst, dass solche Konflikte immer öfters kommen werden. Es wird wieder und wieder zu Reibungen kommen, zwischen jemandem von uns und dir, uns untereinander, uns und Mihawk und natürlich auch zwischen dir und ihm.“ Sie seufzte. „Die Auseinandersetzungen der letzten Tage werden so lange weitergehen, bis du endlich die Wahrheit eingestehst, uns, Mihawk oder zumindest dir selbst. Aber solange du das nicht tust, solange wird sich an der Anspannung auf diesem Schiff, die wirklich jeder spüren kann, nichts ändern.“ Für einen Moment schwiegen sie beide. „Ich hatte mich sehr auf unser Weitersegeln gefreut und ich war so glücklich, dich wiederzusehen, wir waren endlich wieder alle zusammen, ein zusammengewürfelter Haufen seltsamer Gestalten, eine Familie im besten und im schlechtesten Sinne.“ Ihre Worte füllte ihn mit einer wohligen Wärme und zugleich einer tiefen Schuld. Er wusste, dass sie Recht hatte, und es hatte nie in seiner Absicht gelegen, diesen zusammengewürfelten Haufen einer Familie durch seine Taten leiden zu lassen; er wollte sie doch einfach nur beschützen. „Sag mir, Zorro, ist es das wert? Ich zweifle nicht daran, dass du stark genug bist, all das durchzustehen, die Konflikte, die Anspannung, die Geheimniskrämerei, die Last, die du wie üblich allein auf deinen starken Schultern trägst. Ich zweifle nicht daran, dass du auch dieses Mal alle Widrigkeiten überwinden und zu uns zurückkommen wirst, ganz gleich wie lange es dieses Mal dauern wird. Aber ich frage dich, ist es das wirklich wert?“ Raschelnde Kleidung verriet ihm, dass sie sich erhob. „Ich möchte dich nicht zu etwas drängen oder überreden, Zorro – wir beide wissen, dass mein Sturkopf mit deinem nicht mithalten kann – aber ich bin da, um etwas von deiner Last zu tragen, wenn du mich nur lässt. Wir alle sind das und Mihawk ist das mit Sicherheit auch. Ich weiß, du hast deine Gründe, warum du uns nicht die ganze Wahrheit sagen kannst, aber wenn du uns nur ein bisschen vertraust, uns nur etwas an deinem Dilemma teilhaben lässt, dann bin ich mir sicher, dass wir dich nicht enttäuschen werden. Du brauchst uns nicht die ganze Flasche reinen Wein einschenken, aber vielleicht doch genug zum dran nippen, jetzt da der Korken doch bereits gezogen ist.“ Ihre klackenden Schritte entfernten sich. „Robin“, rief er ihr nach, ohne sich zu bewegen. „Wie machst du das?“, fragte er in die Stille hinein. „Nein, wieso machst du das? Aus den Schatten heraus auf jede Kleinigkeit, sei sie noch so irrelevant, zu achten, im Hintergrund die Weichen stellen und die richtigen Fäden ziehen. Es wirkt auf mich wie mühselige Kleinstarbeit, ohne jedweden Lohn und jedwede Anerkennung. Es muss anstrengend sein, solch verwinkelten und geduldfordernden Vorgehensweisen tagein tagaus umzusetzen, immer diplomatisch, immer die richtigen Worte, wie eine perfekte Strategie auf dem politischen Schlachtfeld.“ Leise lachte sie auf. „So wie du es ausdrückst, könnte ich daran zweifeln, dass du mir wirklich ein Kompliment machen möchtest, und mich fragen, ob du mich mit jemandem vergleichst, dem du nicht wohlgesonnen bist.“ Er rührte sich nicht. „Ich mag das Rampenlicht nicht. Vielleicht hat meine Vergangenheit damit zu tun, dass ich mich wohler damit fühle, im Verborgenen zu arbeiten, als auf dem Präsentierteller zu stehen. Ja, ich erhalte kein Lob, keine Anerkennung, aber auf mich wird der Attentäter auch nicht seine Waffe richten.“ Wieder mal konnte er ihr Schmunzeln regelrecht hören. „Aber die Frage ist nicht, warum ich so vorgehe, wie ich vorgehe, sondern zu welchem Zweck.“ Eine Sekunde schwieg er, da sich beide Dinge fast identisch anhörten, aber nur fast. „Und welchen Zweck verfolgst du?“ „Das Glück dieser Crew, der Schutz meiner Familie.“ „Ein guter Zweck“, bemerkte er, „aber heiligt ein guter Zweck die Mittel, ganz gleich wie schlecht sie auch sein mögen?“ „Nein, aber ich habe noch nie gesagt, eine Heilige zu sein. Ich bin mehr als gewillt mir die Hände dreckig zu machen, derer willen, die ich beschützen will. In dieser einen Sache waren wir uns schon immer sehr ähnlich.“ Leise lachte sie. „Ach übrigens, ich bin mir nicht sicher, dass du in diesen Büchern die Antwort findest, die du suchst. Vielleicht solltest du nicht Tinte und Papier deine Fragen stellen.“ Damit ging sie, ließ Zorro zurück, nun nicht mehr wütend, gar nicht mehr wütend, aber mit dem Kopf voller schwirrender Gedanken. Kapitel 21: Kapitel 21 - Zweifel -------------------------------- Kapitel 21 – Zweifel   -Zorro- Jetzt lag er da, im Ausguck, nachdem Robin ihn wieder mal an ihrer Weisheit hatte teilhaben lassen, und wusste nicht, was er denken sollte. Wie immer musste er sich eingestehen, dass sie Recht hatte. Mit seinem Verhalten hatte Zorro innerhalb der Crew für viel Unruhe gesorgt und diese würde sich nicht einfach magisch in Luft auflösen, sondern sie alle so lange belasten, bis Zorro sein Verhalten erklärte, und es war offensichtlich, dass sie sich in ihrer derzeitigen Situation keine Unachtsamkeit, keine Abgelenktheit leisten konnten. Sie hatten sich genügend Feinde gemacht und mehr würden noch kommen. Sie mussten geschlossen stehen, sie mussten eine Einheit sein, das wusste er, sonst würden sie nicht bestehen, nicht hier in der Neuen Welt, wo die Gefahren doch noch so viel unberechenbarer waren. Es war ähnlich wie damals der Streit zwischen Lysop und Ruffy, mit dem einzigen Unterschied, dass Ruffy ihn nicht hinterfragte und Zorro nicht mit ihm Streit suchte. Dafür hatte er einen Samurai angeschleppt, der diesen Teil wohl nur zu gerne übernehmen würde, sollte sich ihm die Gelegenheit bieten. Zorro war sich sehr wohl bewusst, dass Mihawk neben dem Koch auch seinen Kapitän anzweifelte. Er zeigte seine Ablehnung nicht so offen, hatte jedoch schon des Öfteren bemerkt, dass er absolut nicht nachvollziehen konnte, warum Zorro seinem Kapitän folgte, warum er sich Ruffy untergeordnet hatte, warum er ihm so loyal war. Für einen Moment brachte zumindest dieser Gedanke ein Schmunzeln auf seine Züge und er ließ seinen Unterarm über die Stirn nach hinten auf den Boden rutschen, ehe er sich leicht streckte. Vermutlich würde Dulacre es auch nie verstehen. In manchen Dingen waren sie dann einfach zu unterschiedlich und so wie Zorro wohl nie nachvollziehen konnte, warum Titel und Namen dem Samurai so wichtig waren, so konnte dieser wahrscheinlich nie verstehen, wie wichtig Ruffy Zorro geworden war. Manchmal erschreckte es ihn selbst, es hatte nur wenige Tage gebraucht, bis er verstanden hatte, dass er eher sterben würde, als das Leben des schwarzhaarigen Vollidioten zu riskieren, und dieses Gefühl hatte ihn damals mehr als verstört. Obwohl, nein, wenn er ehrlich war, so hatte es ihn noch nicht mal überrascht, denn er hatte keinen einzigen Gedanken daran verschwendet, warum er so gefühlt hatte. Denn damals hatte Zorro seine eigenen Gefühle und Gedanken noch nicht hinterfragt, hatte nie versucht, sie zu erklären oder zu definieren, und das war tatsächlich deutlich einfacher gewesen. Alles, was wichtig gewesen war, hatte er ohne Zweifel gewusst, dass er Ruffy folgen und nicht zulassen würde, dass irgendwer sich ihm auf dem Weg zum König der Piraten in den Weg stellen würde. Mihawk würde Ruffys und Zorros Aufeinandertreffen wohl Schicksal nennen, aber es war einfach nur Glück gewesen, Zorros Glück, dass Ruffy entschieden hatte, ihn auszuwählen und ihn nicht dort am Marterpfahl verhungern zu lassen. Ja, damals waren die Dinge noch sehr einfach für Zorro gewesen. Er hatte geschworen, Ruffy und die Crew zu beschützten, und versprochen, der beste Schwertkämpfer der Welt zu werden. Für beides war ihm bewusst gewesen, dass er hatte stärker werden müssen, und für beides war er bereit gewesen, zu sterben. Dann war er Dulacre begegnet und dieser hatte ihn in einer schmerzhaften Lektion beigebracht, dass er überleben musste, um seinen Traum verwirklichen zu können, und nicht bei einem überhasteten Versuch draufgehen sollte. Am Anfang hatte Zorro nicht verstanden, was der andere ihm hatte erklären wollen, aber die Narbe hatte ihn stets daran erinnert. Er durfte nicht für seinen Traum sterben, er musste überleben, was auch immer das bedeutete. Doch dann waren viele Dinge passiert, großartige Dinge, beeindruckende, aufregende, herausfordernde und auch beunruhigende, alarmierende und sogar schreckliche. Doch nicht ein einziges Mal hatte Zorro bereut, sich Ruffy angeschlossen zu haben, hatte keine seiner Entscheidungen je bereut, hatte nie gezweifelt. Aber damals waren die Dinge auch noch einfach gewesen. Ja, Mihawk hatte ihn gelehrt, für seinen Traum überleben zu müssen, dass sein Traum es würdig war, dafür zu leben und nicht aus falschem Stolz dafür draufzugehen. Dennoch hatte Zorro immer gewusst, dass es andere Dinge gab, die es wert waren, dafür zu sterben, die wichtiger waren als sein eigenes Leben, sogar noch wichtiger als sein eigener Traum. Die Dinge waren einfach gewesen. Um in der Lage sein zu können, seinen Traum je zu erreichen und sein Versprechen wahr zu machen, hatte Zorro überleben müssen, aber um seine Freunde zu beschützen war er bereit gewesen, alles zu tun, ganz gleich der Konsequenzen, war bereit gewesen, seine Prinzipien zu verraten, ihre Verachtung auf sich zu ziehen und ja, im Zweifel war er auch bereit gewesen, für sie zu sterben. So einfach waren die Dinge damals gewesen: überleben für seinen Traum, aber bereit zu sterben für seine Freunde. Achten der strengen Prinzipien eines ehrenwerten Schwertkämpfers, aber bereit sie zu verraten für seine Freunde. Seine eigenen Entscheidungen treffen, aber stets zum Wohle der Crew. Damals war alles ganz einfach gewesen und Zorro hatte nicht eine Sekunde daran gezweifelt, das Richtige zu tun. Jetzt zweifelte er. Die Dinge waren nicht mehr so einfach, schon lange nicht mehr, und er war auch nicht mehr so einfach gestrickt, dass er noch in der Lage wäre, es zu ignorieren. Früher waren seine Entscheidungen einfach gewesen: Überlebe für deinen Traum! Tu das jetzt, um deine Freunde zu schützen! Mach das nicht! Tu dies! Lass jenes! Sag dies! Sag nichts! Aber jetzt waren es keine einfachen ja oder nein Entscheidungen mehr, keine Frage nach Handeln oder Abwarten, kein entweder oder, die Dinge waren einfach viel komplizierter geworden und nicht nur das. Auch Zorro war komplizierter geworden, seine Gedankengänge waren komplizierter geworden, seine Prinzipien und auch das, was er wollte, was er von sich selbst und seinem Leben erwartete, all das war komplizierter geworden. Früher war es einfach gewesen, die richtige Entscheidung zu treffen, aber nichts war mehr einfach, Zankereien mit dem Koch waren nicht mehr einfach, Unterhaltungen mit Robin waren nicht mehr einfach, Fragen von Chopper waren nicht mehr einfach. Nur Ruffys Blicke waren so einfach und offen wie eh und je, nur in Ruffys Gegenwart war Zorro wieder ein bisschen mehr wie damals; nur in Ruffys Gegenwart überforderten seine eigenen Gedanken ihn nicht ganz so sehr. Dafür kannte er nun jedoch auch die komplizierten und verschlossenen Blicke Dulacres, und nichts an Dulacre war einfach. Selbst Zorros eigene Gedanken wurden in seiner Gegenwart viel zu kompliziert. Und wenn er allein war, so wie jetzt, dann konnte er sie einfach nicht zum Schweigen bringen, so wie Ruffy und Dulacre es schafften – der eine ganz ohne, der andere mit viel zu vielen Worten – und er verstand sich selbst nicht mehr, war sich selbst zu kompliziert geworden. Auch außerhalb der Crew war alles kompliziert und nichts mehr einfach, die Absichten der Gegner waren nicht mehr einfach, der Standpunkt der Marine war nicht mehr einfach, die Vorgänge in der Welt waren nicht mehr einfach. Alles schien sich gegenseitig zu beeinflussen und ein im East Blue falsch gesprochenes Wort konnte in der Neuen Welt zum Kampf führen. Eine Unaufmerksamkeit aus der Vergangenheit konnte einen in der Gegenwart einholen. Und mittendrin seine Crew, seine Freunde, die er doch beschützen wollte, um jeden Preis beschützen wollte, aber was war der richtige Weg, um sie zu beschützen, was war der richtige Weg, um sie zu beschützen? Früher hatte Zorro sich diese Frage nie stellen müssen, er hatte immer die Antwort gekannt, nun jedoch wusste er nicht, ob er den richtigen Weg eingeschlagen hatte. Ich zweifle nicht daran, dass du stark genug bist. Aber er zweifelte. In den letzten zwei Jahren war er stark geworden, sowohl körperlich als auch geistig, hatte von Dulacre alles gelernt, was es für einen hervorragenden Schwertmeister bedurfte. Im Vergleich zu dem Mann, der er heute war, schien er damals wirklich so tumb und schlicht gewesen zu sein, wie er sich auch oft vorgekommen war. Aber manchmal fragte er sich, ob in dieser Schlichtheit nicht auch eine gewisse Stärke gesteckt hatte. Die Motive seiner Feinde und komplizierte Strategien hatten ihn nicht interessiert, wichtig war ihm nur gewesen, zu gewinnen und seine Freunde zu beschützen, bevorzugt mit bloßer Muskelkraft. Er hatte seine Entscheidungen nicht hinterfragt oder nachgeforscht, nicht nachgehakt oder überprüft, nicht infrage gestellt und mit Sicherheit nie angezweifelt. Aber jetzt tat er es und er fühlte sich hilflos, trotz all seiner Stärke, all seines Wissens, all seines Könnens. Obwohl er so viel besser war als damals, zweifelte er, mehr als er es damals je gekonnt hätte. Damals hätte Zorro ganz genau gewusst, was zu tun wäre, und er hätte es vermutlich auch ohne Zweifel getan. Er hätte nicht diesen komplizierten, umständlichen Plan ausgeheckt, der voller Schwächen und Unbestimmten steckte. Er hätte den ganz einfachen, geraden Weg genommen, darauf vertraut, dass seine Crew stark genug war, so wie damals, so wie er es damals immer entschieden hatte, bei jedem seiner Gegner, bei jedem seiner Kämpfe und wenn sie noch so aussichtslos gewesen waren. Aber Eizen war kein typischer Gegner, dieser Konflikt kein typischer Kampf, den Zorro durch seine Fertigkeiten lösen konnte oder bei dem Versuch draufgehen würde. Dennoch wusste er, dass die Lösung genauso einfach war wie damals, aber weil Zorro nicht mehr so einfach dachte wie damals, zweifelte er. Robin hatte Recht, die Konflikte würden nicht aufhören, nicht innerhalb der Crew, nicht zwischen der Crew und Mihawk und genauso wenig zwischen Zorro und Mihawk und auch seine eigenen Konflikte würden nicht aufhören, nicht, bis er sich Klarheit verschaffen würde. Er musste eine Entscheidung treffen, nur so würde er aufhören können, zu zweifeln. Über sich sah er die simple Decke an. Ein Lorenor bereut nie! Natürlich! Endlich verstand er. Es war nicht so, als ob sein früheres Ich aufgrund seiner Schlichtheit so stark gewesen war, sondern einfach nur, weil er damals gehandelt hatte, ohne zu bereuen. Das, was ihn gerade schwächte, waren seine Zweifel. Die Frage war also nicht, welcher Weg der Richtige war, sondern ob sein Plan überhaupt der Richtige sein konnte, wenn er ihn so sehr zweifeln ließ. Denn zumindest hatte sein simples Ich aus der Vergangenheit nie an seinen simplen Plänen gezweifelt. Stelle sicher, dass du nichts tust, was du eines Tages bereuen könntest, nur so kannst du die Konsequenzen deiner Entscheidungen ein Leben lang tragen. Die Frage war also eigentlich ganz einfach: Welche Konsequenzen war er bereit zu tragen? Konnte er die Konsequenzen tragen, wenn sein Plan aufgehen würde? Und konnte er die Konsequenzen tragen, sollte er scheitern? Konnte er die Konsequenzen tragen, auch wenn sein Plan scheitern würde? Robin hatte Recht, er war mit Sicherheit stark genug, ganz gleich, welchen Weg er gehen würde. Er würde tun, was er tun musste, ganz gleich, was für einen Plan er umsetzen musste, ganz gleich, was dies für ihn bedeuten würde, denn dass seine Freunde es wert waren, stand außer Frage, dass Mihawk und dessen Schutzbefohlenen es wert waren, stand außer Frage. Nein, die Frage war einfach nur, womit würde Zorro besser leben können, selbst wenn er sich falsch entscheiden sollte, und die Antwort darauf fiel Zorro überraschend leicht. Ja, die Dinge hatten sich geändert, sie waren viel komplizierter geworden als früher, und er konnte die Dinge nicht einfach mehr mit einem simplen Schulterzucken annehmen. Aber eine Sache hatte sich nicht geändert, er war immer noch bereit, alles zu tun, um seine Freunde zu beschützen, und je länger er darüber nachdachte, desto sicherer war er sich, dass sein eigentlicher Plan dem nicht gerecht werden konnte. Nein, er war viel zu riskant, selbst wenn… selbst wenn Zorro ihnen die Wahrheit sagen würde, selbst wenn er ihnen nichts sagen würde, egal was er tun würde, sie könnten sterben, wenn er versagen sollte. Also was blieb ihm? Er wusste die Antwort, hatte sie schon gestern Abend gewusst, vielleicht schon vorgestern Nacht. Er schluckte. Warum fühlte sich sein Hals so rau an? Dabei hatte er doch endlich eine Antwort, wusste endlich, wie er sich zu entscheiden hatte. Zorro sagte es doch immer, hatte es eben noch dem Koch ins Gesicht gesagt. Er würde die Crew immer beschützen, ganz gleich zu welchem Preis, so wie er es… ja genau, genauso wie er es immer gemacht hatte. Denn nur so konnte er sichergehen, dass er sie auch würde retten können und wenn das bedeuten würde, dass die Vergangenheit sich wiederholen musste, dann würde sie das halt tun. Aber das bedeutete auch, dass er sie im Unwissenden lassen musste, dass er sie auf keinen Fall einweihen durfte. Er durfte nicht riskieren, dass sie sich einmischten und es noch komplizierter machten, als die ganze Situation bereits war. Sie würden seine Gründe nicht verstehen und selbst, wenn doch, so würden sie nicht verstehen, was es bedeuten würde, wenn er nicht gehen würde, und er durfte nicht riskieren, dass ihnen etwas passierte, er durfte schlichtweg nicht riskieren, dass Eizen seine Drohung wahrmachte und nicht nur seine Crew und Mihawk, sondern sämtliche Menschen, die er je kennen gelernt hatte, umbringen lassen würde. Das war die einzige Entscheidung, mit der er würde leben können. Er würde sich nie verzeihen, wenn ihnen etwas passierte, nur weil er gezweifelt hatte, nur weil er versagt hatte. Mühselig setzte er sich auf, langsam schien sein Kopf sich zu klären, als er endlich wusste, was er tun musste. Wenn er es nüchtern betrachtete, blieben ihm nur zwei Möglichkeiten, ein zum Scheitern verurteilter Plan und eine armselige Notlösung. Aber wenn er nur diese zwei Möglichkeiten hatte, dann musste er die Erfolgversprechendere nehmen, so einfach war das. Allerdings ließ diese Entscheidung noch ein Problem offen: Dulacre! Zorro wusste, dass die Älteren der Crew vernünftig genug waren, unnötige Vergeltungsschläge zu verhindern. Ganz anders sah das jedoch beim Samurai aus. Im Gegensatz zu Zorro war sein Lehrmeister eine sehr nachtragende Person, welcher sich nicht von Rachegelüsten freisprechen wollte. Nein, er war sich ziemlich sicher, dass er auf keinen Fall seine Crew einweihen durfte, aber je länger er darüber nachdachte, desto sicherer war er sich, dass es ein Fehler sein würde auch Dulacre außen vor zu lassen. Nein, nein, er konnte niemanden einweihen, besonders nicht Dulacre! Wenn ihn noch einer umstimmen könnte, dann wäre es wohl Dulacre, der Zorro besser kannte als er selbst. Die Älteren der Crew mochten auf Logik hören, aber nicht Dulacre. Wenn Zorro ihn einweihen würde, dann könnte er es direkt allen sagen und dann würde er so schlecht dastehen wie zuvor. Dennoch, wenn er es nicht tat, wäre Zorro dafür verantwortlich, falls Dulacre etwas absolut Dummes tun würde. Wer wusste schon, wie dieser besessene Kontrollfreak reagieren würde, vielleicht würde er sogar zu einer unbeherrschbaren Gefahr werden, die nicht zwischen Freund und Feind… nein, für Dulacre würde es dann nur noch Feinde geben, so einfach war das. Heute mochte Dulacre seinen Schwertstreich unter Kontrolle gehabt haben, aber Zorro hatte ihn gesehen, wenn er die Kontrolle zu verlieren drohte, und er konnte sich vorstellen, was passieren würde, wenn dieser seidene Faden endgültig reißen würde. Entnervt aufstöhnend richtete er sich auf und streckte sich ausgiebig. Früher waren die Dinge wirklich einfacher gewesen. Wer hätte gedacht, dass er sich je wegen des Geisteszustandes Falkenauges Sorgen machen würde? Er ganz gewiss nicht. Als er aus dem Fenster guckte, bemerkte er, dass die Sonne schon lange den Horizont hinter sich zurückgelassen hatte, und er fragte sich, wie viel Zeit er mit seinen fruchtlosen Versuchen zu meditieren und seinem langwierigen Rumgrübeln vergeudet hatte. Er hatte sich entschieden. Zorro hatte entschieden, dass sein Plan nicht der Richtige sein konnte, wenn er so sehr zweifelte, also konnte er nur eines tun, um Eizen aufzuhalten, denn seine Möglichkeiten waren begrenzt, dafür hatte Eizen gesorgt und dafür hatte auch Zorro selbst gesorgt. Vor zwei Jahren hätte man vielleicht noch einen anderen Weg einschlagen können, aber damals hatte Zorro nicht gewusst, in was für ein Komplott er da hineingeraten war, und über vergangene Entscheidungen zu lamentieren brachte ihm auch nichts. Er hatte sich selbst da reingeritten und er würde dieses ganze Drama beenden, dann eben auf die andere Art. Er hatte sich entschieden, wusste, dass dieser Weg nicht gut für ihn ausgehen würde, aber er wusste auch, dass er nur so mit sich im Reinen sein konnte. Letzten Endes musste er Eizen irgendwie erfolgreich aufhalten und Zorro konnte nur erfolgreich sein, wenn niemand, der ihm wichtig war, dabei zu Schaden kommen würde. Allerdings ließ dies natürlich immer noch die Möglichkeit, dass der verfluchte Samurai schon für den Schaden sorgen würde. Trotzdem würde Zorro ihm nicht die Wahrheit sagen und, auch wenn er es sich nicht eingestehen wollte, so war der Grund dafür doch so simpel wie seine simple Entscheidung: Zorro wusste, dass Dulacre der einzige Mensch war, der seine Entschlossenheit jetzt noch ins Wanken bringen konnte. Dulacre war der Einzige, der ihn jetzt noch aufhalten konnte. Aber wenn er das tun würde, dann gab es keinen Weg mehr, wie Zorro alle, die ihm wichtig waren, würde beschützen können, und das war die einzige Sache, vor der Zorro wirklich Angst hatte. Er durfte nicht mehr wanken, durfte nicht mehr zögern, seine Entscheidung musste in Stein gemeißelt sein. Ganz Recht, er würde Ruffy, die Crew und auch Dulacre nichts sagen. Es war Zorros Fehler gewesen, diesen Vertrag zu unterschreiben, und er musste jetzt die Konsequenzen dieser Entscheidung tragen, das konnte er ihnen nicht aufbürden. Also musste er eine gute Gelegenheit finden, sich von der Sunny abzusetzen, am besten auf Dress Rosa, solange die anderen von de Flamingo abgelenkt sein würden und Dulacre noch verletzt und nicht in der Lage war zu reisen, und dann würde er nach Mary Joa reisen und verhindern, dass Eizen Uranos in Gang setzen würde. Genau, es war ganz einfach, so wie es früher immer ganz einfach gewesen war. Er hatte sich entschieden, endlich wusste er, was er zu tun hatte. Ein simpler Plan mit einem simplen Ergebnis. „Hey Zorro!“ Er wandte sich nicht um, als Lysop den Ausguck erklomm. Grimmig betrachtete er sein Spiegelbild, sah da endlich wieder etwas Vertrautes in diesem ernsten Blick, dennoch sah sein Spiegelbild alles andere als glücklich aus. Er fühlte keine Erleichterung, aber merkte, wie diese neue Entschlossenheit endlich seine Zweifel ausräumte. Zum ersten Mal, seit er wieder an Bord war, fühlte er sich wie früher, spürte, wie sein eigener Herzschlag ganz langsam wurde. Es war so einfach, warum war er nur nicht früher draufgekommen? Warum hatte er sich überhaupt erlaubt, so zu zweifeln? Schließlich hatte er sich bereits schon einmal – mehrmals – so entschieden, wissend, dass er es jederzeit wieder tun würde. „Mittagessen ist fertig und laut Sanji soll ich dir sagen, dass du bereits das Frühstück verpasst hast und irgendetwas von zwei Mahlzeiten. Keine Ahnung was genau er damit meinte.“ Verdammter Kartoffelschäler! „Zorro?“ „Ich komme, ich komme.“ Nun drehte er sich doch um und begegnete Lysops fragenden Blick. „Ist was?“ Schnell schüttelte der andere den Kopf. „Nein, nicht wirklich.“ Lysop sah weg und da er nach einigen Sekunden immer noch schwieg, wollte Zorro schon das Gespräch beenden und der nervigen Aufforderung des noch nervigeren Kochs folgen, doch dann schaute Lysop wieder auf und Zorro konnte sehen, dass er sich in den letzten zwei Jahren wirklich sehr verändert hatte. „Nur, du wirkst anders als sonst.“ „Anders?“ Zorro neigte leicht den Kopf zu Seite und beobachtete, wie Lysop sich den Nacken rieb. Sollte wirklich jeder bemerkt haben, dass etwas nicht stimmte? Sollte dies nun das nächste Streitgespräch werden? Sollte dies nun der nächste Konflikt sein, ausgerechnet jetzt, da er zum ersten Mal seit Tagen eine klare Entscheidung gefällt hatte? Ausgerechnet jetzt, da er wusste, was er zu tun hatte und unumstößlich entschieden hatte, die Crew außen vor zu lassen? Würde er Lysop genauso wie den Koch angreifen müssen, um sich verteidigen zu können? Würde er sich noch so eine Aktion verzeihen können? Zorro verwarf diese Gedanken. Er hatte eine Entscheidung gefällt, für Zweifel war kein Platz mehr und sollte Lysop sich mit ihm anlegen wollen, dann würde Zorro diese Hürde wie jede andere, die noch kommen würde, auch nehmen. Auf dem Weg, den er gewählt hatte, war kein Platz mehr für Sentimentalität, Angst oder Zweifel. „Ja“, nickte Lysop dann, ohne seinem Blick auszuweichen, und offensichtlich ahnungslos über Zorros innere Resolution. „Die letzten Tage, nein, seit du wieder da bist, wirktest du irgendwie… ich weiß nicht, nicht wie sonst… unruhig, das ist es. Du wirktest irgendwie unruhig, als würdest du dir über irgendetwas Wichtiges den Kopf zerbrechen und jedes Mal, wenn wir den Mund aufmachten, würden wir dich irgendwie beim Nachdenken stören. Aber jetzt gerade, jetzt hast du wieder diesen Blick, als könnte dich nichts aus der Ruhe bringen, als würdest du genau wissen, was du zu tun hast.“ Erstaunt sah er den anderen an. Lysop hatte Recht, er wusste genau, was er zu tun hatte, ganz gleich ob gut oder schlecht, Zorro war zu einer Entscheidung gekommen. Plötzlich grinste Lysop und rieb sich die lange Nase. „Das freut mich, Zorro – auch wenn du mir dann immer ein bisschen Angst machst, hast so einen üblen Blick drauf, als würdest du irgendwen töten wollen, ehrlich, nichts für ungut – aber es freut mich wirklich. Ich wusste, dass irgendetwas im Argen ist – will gar nicht wissen, was du die letzten zwei Jahre hast durchmachen müssen – schließlich warst du noch abweisender als sonst, aber jetzt scheint es dir wieder besser zu gehen, das ist gut.“ Diese Worte überraschten ihn, hatte er doch mit einem Streit gerechnet, hatte er doch mit Anklage und Anfeindung gerechnet. Verdammt, es war wie beim Koch! Lysop war mit guten Absichten zu ihm gekommen, aber Zorro war schon drauf und dran gewesen, um sich zu beißen, nur weil er mit einem Angriff rechnete. Warum reagierte er so? Warum reagierte er so, obwohl seine Entscheidung doch endlich seine Zweifel aus dem Weg geräumt hatte? „Ich habe für ziemlich viel Unruhe in der Crew gesorgt, nicht wahr?“, gestand Zorro nun leise ein und massierte sich aufseufzend den Nacken, zwang seine Muskeln sich endlich zu entspannen. Er hatte gewusst, dass er seinen Unmut vor Nami, Robin und Brook nicht hatte verstecken können, aber dass selbst der Koch und Lysop es bemerkt hatten, ließ ihn zweifeln, ob er es überhaupt geschafft hatte, irgendwen aus der Crew über seinen inneren Konflikt zu täuschen. Leise lachte Lysop auf. „Nah, schon okay. Wir wussten ja alle, dass die Dinge nicht mehr so einfach sein können wie früher. Nicht nach allem, was passiert ist, und ich habe mir schon gedacht, dass es für dich schwierig sein wird zurückzukommen, aber jetzt bist du endlich angekommen. Das wird die anderen freuen. Ich denke, alle werden wieder etwas entspannter, wenn sie sehen, dass auch du wieder gelassener bist.“ Während Lysop geredet hatte, hatte er sich auf den Rückweg gemacht und Zorro war ihm gefolgt, nun jedoch blieb er stehen, bemerkte wieder einmal, dass selbst Lysop nicht so dumm war, wie er gerne mal tat. „Warum dachtest du, es würde schwierig für mich sein zurückzukehren?“, murrte er, hatte er doch darauf geachtet, sich so zu verhalten, als wäre eben nichts Besonderes vorgefallen. Hatte er sich doch bemüht, sich genauso zu verhalten wie früher. Nun wandte Lysop sich um und sah ihn mit ganz großen Augen an. „Naja, ich denke mir, dass du dir auf der G6 ziemlich sicher warst, dass es vorbei sein würde, oder? Ich denke, du dachtest, das wäre es jetzt gewesen, und ich denke, du wirst damit abgeschlossen haben, oder?“ Er biss sich auf die Unterlippe und sah dann weg. „Und dann passieren Dinge und du willst helfen, aber du kannst nicht, nicht so wie du jetzt bist, also lässt du andere helfen, weil du nicht zurückkannst. Doch dann kannst du doch zurück und alle anderen tun so, als wäre nichts passiert, als hätte sich nichts geändert, und eigentlich hat sich ja auch nichts geändert, schließlich bist du ja wieder da, oder nicht? Schließlich bist du ja noch genau derselbe wie damals, immer noch genauso wie früher, oder nicht?“ Warum sagte er ihm das? Warum verdammt nochmal sagte Lysop ihm das? „Aber es hat sich etwas verändert. Du hast dich verändert.“ Lysop tippte sich leicht gegen die Schläfe. „Es macht etwas mit einem, psychisch meine ich, wenn man alles aufgibt und alles verliert und man dann doch wieder zurückkann. Ich kann es nicht genau beschreiben. Es sind Schuldgefühle, es ist Dankbarkeit und Glück, aber auch Angst und Unsicherheit und ein gewisses Misstrauen, nicht so sehr in die anderen, sondern viel mehr in sich selbst. Man beginnt die eigenen Entscheidungen und Gedanken anzuzweifeln, versucht sich an Vergangenes zu klammern, bevor so viel passiert ist, und jede Aussage eines anderen versteht man als Vorwurf oder Angriff, obwohl es nicht so gemeint war, weil man sich selber Vorwürfe macht, weil man sich selber nicht ganz verzeihen kann für das, was man getan hat. Nicht dafür, dass man gegangen ist, sondern weil man gegangen ist mit dem Gedanken, dass es vorbei ist. Es ist, als hätte man die eigenen Freunde, die eigenen Prinzipien, den eigenen Traum, als hätte man das alles aufgegeben, zumindest für einen Moment.“ Zorro sah den anderen einfach nur an, der nun traurig den Boden anlächelte und sich wieder den Nacken rieb. „Es ist nur für einen kleinen Moment, aber man verliert etwas von sich, man zerbricht. Aber das sieht niemand anderes und das soll auch niemand anderes sehen, weil man sich schwach vorkommt und weil ja jetzt wieder alles in Ordnung ist, aber man weiß ganz genau, dass da etwas zerbrochen ist, und man kann die Risse immer noch spüren.“ Für einen Moment schwiegen sie beide. „Lysop, du weißt doch, was damals auf Water Seven passiert ist…“ „Aber keine Sorge, Zorro.“ Nun sah der andere ihn wieder an und grinste schief, doch seine Unterlippe zitterte bedrohlich. „Sanji mag es vielleicht nicht kapieren, aber Nami tut es, Robin tut es und ich auch. Wir alle wissen, wie schwierig es ist und dass Narben zurückbleiben. Aber wir alle wissen, dass du es packen wirst, und ich bin froh…“ Lysop brach ab und rieb sich die Augen. „Und ich bin echt froh, dass du zurückgekommen bist. Ich wüsste echt nicht, was wir ohne dich tun würden! Die Zeit damals war wirklich schrecklich und so etwas will ich nicht noch mal durchmachen müssen. Ich weiß nicht, ob ich es nochmal durchmachen könnte“, setzte er mit einem zittrigen Flüstern hinterher. Dann nahm er tief Luft und hob den Kopf, lächelte breit trotz glasiger Augen. „Aber genug davon. Wir sollten jetzt wirklich Essen gehen, sonst reißt Sanji uns noch den Kopf ab.“ „Tze, du bist derjenige, der mich mit seinem Monolog aufhält.“ „Zorro!“ Er schritt an Lysop vorbei und packte ihn fest an der Schulter. „Du bist wirklich erwachsen geworden, ein richtiger Kämpfer.“ Er sah den anderen kurz an und dieses Mal konnte er sehen, wie die Tränen siegten. „Ich danke dir. Mir war nicht bewusst, dass mein Konflikt so offensichtlich ist, aber mach dir keine Sorgen mehr, meine Wunden heilen schnell und ich stehe zu meinen Narben.“ Kurz schenkte er Lysop ein Lächeln, ehe er weiterging, bewusst entschied die Tränen des anderen nicht eines Blickes zu würdigen. Es dauerte nur eine Sekunde, bis dieser sich fing und ganz begeistert vor sich hin brabbelte und Zorro folgte, doch Zorro hörte ihm nicht mehr zu, während seine Mundwinkel nach unten sanken. Es schien, als hätte er sich geirrt. Wieder einmal hatte er sich geirrt.   Kapitel 22: Kapitel 22 - Konflikt --------------------------------- Kapitel 22 – Konflikt   -Mihawk- „Hier, bitte sehr, Mihawk.“ Er sah auf, als Nico Robin ihm ein Glas Wasser hinstellte. „Ich würde dir ja auch einen Kaffee bringen, aber ich glaube nicht, dass unser Herr Doktor dies gutheißen würde.“ „Ich danke dir, Nico Robin“, entgegnete er und neigte leicht den Kopf, ehe er eine Seite der aktuellen Tageszeitung umblätterte. Nach einem ereignisreichen Morgen war Dulacre im Anschluss an das Frühstück vom jungen Schiffsdoktor untersucht worden, welcher ihm nur bestätigt hatte, was er bereits wusste. Der junge Arzt hatte sich wirklich erstaunt über Dulacres Heilungsprozess gezeigt und ihn erneut mit Lorenor verglichen, danach waren sie seinen Ernährungsplan durchgegangen, welchen Doktor Chopper am Vortag mit dem Smutje erstellt hatte, ganz zu Dulacres Missfallen. Er brauchte keinen Schiffskoch, der ihm erklärte, was er essen konnte und was nicht, er war ja nicht auf den Kopf gefallen und konnte sich denken, dass würzige oder heiße Speisen derzeit nicht das Richtige für seine heilenden Organe waren. Auf Dulacres Nachfrage hin hatte der junge Doktor widerstrebend zugestimmt, dass Dulacre nun das Bett verlassen durfte, aber er sollte sich schonen und Doktor Chopper hatte betont, dass Kämpfe und handgreifliche Auseinandersetzungen weiterhin tabu wären. Offensichtlich hatte Lorenor ihm gegenüber nicht erwähnt, was nur kurz vorher passiert war, sonst wäre seine Reaktion wohl deutlich nachdrücklicher ausgefallen, und ganz offensichtlich beabsichtigte der Smutje genauso wenig dies zu ändern, wie Dulacre selbst. Daraufhin hatte der junge Arzt Dulacre dazu eingeladen, am Mittagessen der Crew teilzunehmen. Deshalb saß er nun hier, am Kopfende des langen Esstischs, hinter ihm die offene Tür zum Krankenzimmer, und las die Zeitung, während der Smutje in der Kochnische vor sich hin werkelte und Nico Robin fleißig den Tisch deckte. Unglücklicherweise war Dulacre der Bitte des jungen Doktors nachgekommen und ihm in die Kombüse gefolgt, nur um zu bemerken, dass er einige Minuten zu früh gewesen war. Doch es war ihm zu umständlich, nun wieder ins Krankenzimmer zurückzukehren, also hatte er entschieden, die Zeitung zu lesen, hatte den bissigen Kommentar des Smutjes getrost ignoriert, welcher sofort von Doktor Chopper beschwichtigt worden war, bevor dieser sich aufgemacht hatte, den Rest der Crew zu holen. Dulacre konnte immer wieder den zornigen Seitenblick des Smutjes spüren, aber er ließ sich davon nicht aus der Ruhe bringen. Die Auseinandersetzung zwischen ihnen beiden mochte für den Smutje eine Ausnahmesituation gewesen sein, für Dulacre war sie dies aber ganz gewiss nicht. Es war nicht mehr als ein kleines Geplänkel gewesen, um herauszufinden, wie leicht der Smutje sich provozieren lassen würde und gleichzeitig ein paar Informationen zu ergaunern. Dafür war Dulacre auch nur zu gewillt gewesen, den ein oder anderen Seitenhieb sich einzufangen, schließlich war kein Wort des Smutjes eine große Überraschung für ihn gewesen. Nein, der Smutje hatte ihm nur bestätigt, was er bereits gewusst hatte, und zwar wie unfähig er und diese ganze Crew waren, allen voran der Kapitän. Wie immer war die einzige Unberechenbare Lorenor gewesen, dessen Einschreiten Dulacre nicht erwartet hatte, die darauffolgende Diskussion nicht hatte provozieren wollen. Er vermutete, dass Lorenor in seiner anderen Gestalt gewesen war und Dulacres Handeln zunächst für einen wahrhaftigen Angriff gehalten hatte. Ganz Unrecht hatte er mit seiner Sorge nicht gehabt. Auch wenn Dulacre nicht vorgehabt hatte, Lorenor einen seiner Freunde zu nehmen, so hätte er dem Smutje doch nur zu gerne einen Denkzettel verpasst, wohl wissend, dass Lorenor so etwas missfallen würde. Selbst jetzt noch war Dulacre sich nicht sicher, ob seine Kontrolle über jenen Schwertstreich fein genug gewesen wäre, ob er den anderen nur hatte erschrecken wollen oder vielleicht doch ein kleines bisschen mehr. Lorenor hatte gut daran getan, ihn aufzuhalten, aber das wusste der Jüngere auch, stets in der Lage mit Dulacre umzugehen, selbst wenn er sich in seinem Zorn verlor. Tatsächlich war diese Auseinandersetzung nicht so anders gewesen, wie die vielen zuvor, aber ja, wieder einmal hatte Lorenor seinen Standpunkt mehr als deutlich gemacht, aber er irrte sich, wenn er glaubte, dass Dulacre ihn unterschätzt hatte, das tat er ganz gewiss nicht. Dulacre wusste ganz genau, wie loyal Lorenor seiner Crew gegenüber war und auch, welchen Stellenwert die Crewmitglieder bei ihm einnahmen, und er war nicht einfältig genug, diesen Stellenwert streitig machen zu wollen, würde dies gewiss nicht riskieren. Aber das bedeutete nicht, dass er sich vom Smutje etwas gefallen ließ. Lorenor mochte ihm mit seinem Leben schützen, aber das war es dann auch. Lorenor mochte von Dulacre verlangen, seinen Unmut nicht an dem Smutje auszulassen, mochte sogar in der Lage sein, von ihm zu verlangen, dieses Gör zu beschützen – so wie er es einst vor zwei Jahren getan hatte – aber mehr konnte er nicht von ihm erwarten und das tat Lorenor auch nicht. Ein Räuspern ließ ihn aufblicken. Vor ihm stand über den Tisch gebeugt Nico Robin mit einem wissenden Lächeln und verteilte Teller. „Wärest du so freundlich, deine Füße vom Tisch zu nehmen; es ist unhöflich und ich möchte den Tisch zu decken.“ Er erwiderte ihr Lächeln und kam ihrer Bitte nach. Nico Robin war eine äußerst interessante Frau und unter anderen Umständen hätte Dulacre nichts gegen ein Gespräch mit ihr einzuwenden gehabt, aber gerade in diesem Moment war sie ihm äußerst wachsam gegenüber gestimmt. Wie ein Schütze, den Pfeil angelegt, nur für den Fall, dass er doch etwas Gefährliches tun würde. Sie war äußerst interessant, wohl wahr. Dulacre zweifelte nicht daran, dass sie über mehr im Bilde war als die meisten anderen der Crew. Ihr Blick verriet nichts und sagte dabei doch so viel und jedes ihrer Worte war charmant und schien doch sorgsam gewählt. Sie war wirklich so, wie Lorenor sie beschrieben hatte, und unter anderen Umständen hätte Dulacre sie zu einer Partie Schach herausgefordert – und er war sich sicher, dass er dieses Spiel genossen hätte – aber hier und jetzt warnte sie ihn, warnte ihn wie eine Bärenmutter davor, ihre Familie anzugreifen, ihre Kinder zu verletzen, ihr Junges zu verletzen. Amüsant, wie sie glaubte, dass diese Warnung ihm nicht wie eine Einladung vorkommen musste. Er war neugierig herauszufinden, wie sie wohl reagieren würde, aber sie war klug genug, ihn nicht zu reizen, und er war klug genug, sich nicht zwischen eine Bärenmutter und ihr Junges zu stellen. „Du könntest auch helfen“, knurrte der Smutje von der Kochnische, wie er es vor wenigen Minuten erst getan hatte und dann von Doktor Chopper daran erinnert worden war, dass Dulacre Patient war, „anstatt Robinlein alles alleine machen zu lassen.“ Oh, beinahe hatte sie sich verraten, äußerst amüsant. Als der Smutje seine Stimme erhoben hatte, war ihr Blick kurz in dessen Richtung geglitten und es war offensichtlich, dass sie nicht glücklich über dessen Einmischen war. Denn, obwohl sie klug genug war, Dulacre nicht anzustacheln, so galt dies offensichtlich nicht für den Smutje, der wohl genug Zeit gehabt hatte, seine Wunden zu lecken und augenscheinlich nun zu einer erneuten Verzweiflungstat ansetzte. Dulacre war dies nur Recht. Er mochte sich zwar Lorenors Wunsch beugen, aber er hatte sich lange genug im Krankenbett ausgeruht und wenn der Smutje meinte einen Disput provozieren zu müssen, dann würde er ganz schnell einsehen müssen, dass Dulacre ihm zwanzig Jahre in dieser Disziplin voraushatte und darüber hinaus nicht jemand war, der verlor. Dulacre mochte einen guten Disput und er war beinahe schon dankbar dafür, wenn der Smutje ihm eine Möglichkeit liefern würde, mit ihm und seiner Crew abrechnen zu können. Anders als Jiroushin bevorzugte Dulacre zwar das Schwert, um seine Kämpfe zu führen, aber das bedeutete noch lange nicht, dass er es brauchte. Gleich dem friedvollen Krieger konnte auch Dulacre seine Gegner rein mit Worten bezwingen, aber dabei ging er nicht weniger grausam vor, als mit seiner bevorzugten Waffe und er wartete nur darauf, dass dieses dumme Gör ihn zum Kampf herausfordern würde, vor dem Nico Robin ihn ganz offensichtlich bewahren wollte. „Ich dachte, ich sei hier Gast“, entgegnete Dulacre und hielt Nico Robins Blick stand, „und sagte Doktor Chopper nicht, ich solle mich schonen?“ „Ganz recht“, stimmte sie mit einem Lächeln zu, welches nicht ihre Augen erreichte, und ihr Blick verriet ihm, dass sie ihn durchschaut hatte, so wie er sie durchschaut hatte. Eines Tages wollte er wirklich gegen sie Schach spielen, sie schien eine würdige Gegnerin zu sein. „Das sagte er, und es ist auch wirklich kein Problem. Ich bin so gut wie fertig.“ Noch eine Sekunde hielt sie seinem Blick lächelnd stand, dann richtete sie sich auf und fuhr damit fort, Teller zu verteilen. Einen kurzen Moment betrachtete er die kluge Frau, wunderte sich wieder einmal, wie der Strohhut es schaffte, solche Menschen um sich zu sammeln, das war wohl seine gefährlichste Gabe, dann wandte auch er sich wieder seiner Tätigkeit zu. Doch selbst seine Lieblingslektüre war nicht in der Lage, ihn die Spannung im Raum vergessen zu lassen, nicht, dass er sich davon stören ließ. Nach und nach tröpfelten verschiedene Crewmitglieder und auch die beiden Samurai von Wa No Kuni herein und setzten sich an den Tisch, manche von ihnen halfen auch noch dem Smutje und Nico Robin, während der Samurai Dulacre offen ansah. Dulacre wunderte sich, ob die Strohhüte wussten, wem sie da Geleit boten, aber er hatte nicht vor, sich da einzumischen. Dennoch senkte er die Zeitung und begegnete dem Blick des Samurais. „Ich sehe, es geht Ihnen wieder besser“, sprach der Fremde, als er sich an den Tisch setzte, „das freut mich sehr. Sie sind ein Freund der Strohhüte?“ Schmunzelnd faltete Dulacre die Zeitung. „So weit würde ich nicht gehen“, entgegnete er und sein Blick fiel auf den Jungen neben dem Samurai, ehe er den Fremden wieder ansah. Das Schicksal schien wirklich eigenartige Wege mit dieser Crew zu gehen. Der Fremde öffnete den Mund, doch was auch immer dieser ihm gegenüber hatte sagen wollen, ging unter, als sich die Tür öffnete und der laut lachende Kapitän der Strohhüte gefolgt vom Scharfschützen hineinkam. Sein Lachen verstummte, als er Dulacre bemerkte, doch sein bereits jetzt schon unmenschlich breites Grinsen schien sogar noch eine Spur zu wachsen. Aber dann glitt sein Blick auf das Essen vor ihm und offensichtlich war Dulacre ganz schnell vergessen, was ihm nur recht war. Er hatte kein Interesse daran, sich mit dem Kapitän zu unterhalten, so wie er nur aufgrund ungeplanter Umstände überhaupt auf diesem Schiff anwesend war. Dann wurde er abgelenkt, als der junge Doktor des Schiffes hereinkam und sich zu ihm setzte. Zu Dulacres Erleichterung gab es nur eine kurze Ermahnung des Schiffsarztes, ehe dieser sich seinem Kapitän zuwandte und mit diesem über Belanglosigkeiten sprach. „Dürfte ich die Zeitung haben?“ „Natürlich.“ Dulacre lehnte sich vor und reichte die Zeitung der Navigatorin, die neben ihrem Kapitän und gegenüber von Nico Robin saß. Sie sah ihn kurz an, aber schien wohl äußerst bemüht so zu tun, als wäre nichts außergewöhnlich daran, dass einer der sieben Samurai an ihrem Mittagstisch saß, doch wandte dann den Blick ab, als sich die Türe erneut öffnete und Trafalgar Law hereinkam. Dieser würdigte Dulacre keines Blickes und er tat es ihm gleich. Neben dem Smutje war dieser Bengel wohl derjenige, den Dulacre von den Anwesenden am wenigsten leiden konnte. Wie konnte dieses Rotzbalg es wagen, den Titel der Samurai durch sein Verhalten zu beschmutzen? Wie konnte dieses Gör es wagen, ein Schwert sein Eigen zu nennen und jeden Schwertkämpfer damit abzuwerten? Nein, Dulacre konnte ihn wirklich nicht gut leiden. „Wo ist denn eigentlich Zorro?“, fragte der Cyborg der Crew, Cutty Fram, als er sich am Tresen niederließ. „Hab das Gefühl, den schon ewig nicht mehr gesehen zu haben. Macht der `ne Diät oder so?“ „Er trainiert im Ausguck“, erklärte Nico Robin mit einem Lächeln, welches deutlich machte, dass sie mehr wusste als alle anderen Anwesenden. „Es wirkte auf mich nicht so, als ob er sich Gedanken über das Mittagessen gemacht hätte.“ Sie war also bei ihm gewesen, nachdem er die Auseinandersetzung Dulacres mit dem Smutje unterbrochen hatte. Er konnte nicht vermeiden, dass ihm dies sauer aufstieß. Obwohl Lorenor mehr als deutlich gemacht hatte, dass Dulacre ihm nicht hatte folgen sollen, schien er nichts gegen ihre Anwesenheit gehabt zu haben. Allerdings wurde ihm auch bewusst, dass sie nicht Teil des Streits gewesen war, und vermutlich hatte sie ihre eigene Art, mit Lorenor zu reden, also war seine Eifersucht vielleicht sogar unbegründet. „Lysop, geh ihn holen“, murrte der Smutje, während er weitere Gerichte auf den Tisch brachte. „Was? Warum muss ich denn…?“ „Und sag ihm, dass er bereits das Frühstück geschwänzt hat und der Tag nur noch zwei Mahlzeiten hat“, unterbrach der Smutje den Lockenkopf unwirsch, ohne ihn auch nur anzusehen. Er schien genauso schlecht gelaunt zu sein, wie am frühen Morgen, aber das interessierte Dulacre nicht sonderlich. Sein Blick folgte dem Scharfschützen, der sich leise grummelnd erhob und zur Tür herausging. Währenddessen musste Dulacre ein Signal verpasst haben, denn sowohl Gäste als auch Crewmitglieder begannen zu essen. Fast schon überrascht beobachtete er, wie sie einfach anfingen, obwohl noch nicht sämtliche Crewmitglieder anwesend waren. Auf der anderen Seite war der Tisch bereits voll besetzt und letzten Endes handelte es sich bei dieser Crew doch um Piraten und Dulacre zweifelte, dass die Mehrheit der Anwesenden eine angemessene Erziehung genossen hatte. Eigentlich sollte Dulacre den Umständen etwas abgewinnen. Diese Leute waren diejenigen, denen er Lorenors Leben anvertrauen musste, er sollte die Gelegenheit nutzen, mehr über sie zu erfahren und sie in alltäglichen Situationen wie einem Mittagessen zu beobachten. Aber es wäre ein Fehler dieses Chaos ein Mittagessen zu nennen und Dulacre wusste nicht, ob er erstaunt oder genervt sein sollte; letzten Endes war er beides. Die Hände des Kapitäns flogen mit einer beachtlichen Geschwindigkeit über den ganzen Tisch, schreckten nicht vor heißen Speisen oder den Gerichten fremder Teller zurück, während die anderen Crewmitglieder ihr Essen mit Leib und Seele verteidigten, ohne sich aber tatsächlich an seinem Verhalten zu stören. Gleichzeitig dröhnte eine Vielzahl von Gesprächen in Dulacres Ohren. Die Damen unterhielten sich gesittet, Cutty Fram unnötig laut, während Trafalgar Law andauernd mit den Augen rollte. Das musikalische Skelett lachte immer wieder sehr laut und gab unpassende Bemerkungen zum Besten, woraufhin der Strohhut nur noch lauter lachte, ehe beide vom Smutje mit einem Kochlöffel gemaßregelt wurden. Dieser kam nun herüber und platzierte einen tiefen Teller mit undefinierbarer Brühe etwas zu hart vor Dulacre, sodass der Inhalt drohte über den Rand zu schwappen. „Eine Extrawurst für den Patienten“, brachte er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. „Meinen Dank“, entgegnete Dulacre und begegnete diesen blauen Augen mit einem Schmunzeln. Es war viel zu einfach mit diesem Gör zu spielen. Ach, wie schade es doch war, dass er unter Lorenors Fittichen stand, Dulacre hätte nichts dagegen ihn zu brechen, und es wäre doch so einfach. Dann wandte er sich Doktor Chopper zu, der ihm detailliert erklärte, was für eine Speise da vor ihm stand, während der Smutje aufschnaubte und wieder in die Kochnische hinüber stapfte. Die nächsten anderthalb Minuten verstrichen damit, dass Dulacre dem Schiffsarzt mit halbem Ohre zuhörte, sich ein Glas Wasser eingoss und begann, die lauwarme Brühe zu essen, die erwartungsgemäß nach kaum etwas schmeckte, aber zumindest er hatte nun mal eine gute Erziehung genossen, also ließ er sich nichts anmerken und folgte dem ärztlichen Rat. Diese anderthalb Minuten merkte er sehr schnell, dass er dieses Chaos eines Mittagessens gerne zügig hinter sich haben würde, sein vor Medikamenten nebliger Geist tat sich schwer, die Vielzahl der Geräusche und Gesprächsfetzen zu differenzieren, und er bekam Kopfschmerzen. Sich die Schläfen reibend fragte er sich, wie der ruhige Lorenor dies über Wochen hinweg hatte aushalten können. Vielleicht war dies der Grund, warum der andere anscheinend regelmäßig Mahlzeiten verpasste. Dann jedoch wurde seine Aufmerksamkeit ans andere Ende des Tisches gezogen, nachdem ein Wort, das wohl seinen Namen darstellen sollte, mehrfach gefallen war. Dort saß der Kapitän der Strohhüte und erklärte den beiden Gästen aus Wa No Kuni, dass Dulacre ein guter Freund Lorenors wäre und damit auch ein Freund der Crew. Für einen Moment überlegte Dulacre, diese Behauptung richtigzustellen, allerdings wäre dies wohl nicht der Mühe wert, daher beschloss er, jenes unnötige Gerede zu ignorieren, um eine erneute Diskussion zum Wohle Lorenors zu vermeiden, doch der Smutje sah das wohl ganz anders. „Freund der Crew, das ich nicht lache.“ Er knallte einen frischen Berg von Nudeln auf den Tisch. „Falkenauge geht es nur um den Marimo. Wir könnten alle tot umfallen und es wäre ihm egal.“ „Ach was“, lachte der Strohhut und schien den Umschwung, der sich mit einem Mal im Raum breitmachte, nicht mal zu bemerken, „Falki hat Zorro und uns mehrmals geholfen und er ist Zorros Freund, also ist er unser Freund.“ Bis vor wenigen Sekunden hatte eine unterschwellige Anspannung im Raum vorgeherrscht, die man wohl erwarten konnte, wenn Fremde mit am Tisch saßen und man sich darauf vorbereitete Samurai und Kaiser anzugreifen, aber auch nicht mehr, nicht genug, um den Trubel des Alltags schwerwiegend zu beeinträchtigen. Doch nun, obwohl der Strohhut unbekümmert ein Gericht nach dem anderen vertilgte, senkten die anderen ihr Besteck und wechselten verstohlene Blicke. Selbst die Gäste wurden aufmerksam, aber es war wieder einmal der Smutje, der es entweder nicht bemerkte oder gerade davon angestachelt wurde. „Von wegen, Ruffy, ich habe dir schon tausendmal gesagt, dass eine freundliche Tat noch keine Freunde macht und dieser Dreckskerl da hat damals nicht uns geholfen; er hat es nur wegen dem Mairmo gemacht. Nicht wahr, Falkenauge, wir sind dir doch scheißegal, oder?“ Damit lagen nun erwartungsgemäß alle Augen auf ihm, die übrigen Gespräche verstummten endgültig und er konnte aus dem Augenwinkel sehen, wie Nico Robin tonlos aufseufzte. Dulacre auf der anderen Seite musste sich ein Grinsen verkneifen, als er den letzten Löffel seiner Mahlzeit zu sich nahm und dann die Stille genoss, um noch einen Schluck Wasser zu trinken. Er brauchte noch nicht mal etwas zu tun, wie ein Beutetier, was sich selbst zum Bau des Wolfes trug und unter Drohgebärden den Nacken darbot. Elegant stellte er sein Glas ab und sah dann lächelnd in die umliegenden Gesichter. „Gewiss“, nickte er, „warum sollte mir auch irgendetwas an einer dahergelaufenen Crew von Piraten liegen? Eine freundliche Gesinnung hege ich gegenüber keinem aus diesem Raum. Vielen Dank für das Mahl, Smutje, es hat wohl geschmeckt, wonach es schmecken sollte, nämlich nichts.“ „Was ist dein verdammtes Problem?!“ Der Smutje hatte die Distanz zwischen ihnen nicht mal beeindruckend schnell überbrückt und Dulacre ließ es zu, dass er ihn am Kragen packte. Er würde sein Versprechen gegenüber Lorenor nicht brechen, außerdem brauchte er noch nicht mal einen Finger an den Smutje zu legen, um ihn hingegen zu brechen. „Sanji! Lass ihn los!“, rief das Rentier neben Dulacre erschrocken. „Er ist verletzt und ein Patient!“ Ruhig begegnete Dulacre dem wilden Blick des anderen. „Hörst du nicht, Smutje? Du sollst mich loslassen. Ich bin ein Patient und so behandelt man keine Gäste, nicht wahr?“ Zittrig holte der Smutje Luft. Im Hintergrund fiel dessen Name ein paar Mal, während alle bis auf den Strohhut das Essen anscheinend vergessen hatten. Die Navigatorin hatte eine Hand nach dem Smutje ausgestreckt, schaffte es nicht, ihre Angst vor dem was kommen könnte zu verbergen. „Du hast eine große Klappe, aber vor dem Marimo kuschst du wie ein getretener Hund“, knurrte der Smutje. „Und du solltest froh sein, dass ich mich ihm zuliebe zurückhalte, Smutje, glaubst du, ansonsten hättest du noch beide Hände?“ Er lachte leise auf, als sich der Griff um sein Hemd für eine kurze Sekunde lockerte. „Spielst dich hier auf, aber nur weil du weißt, dass ich dir nichts tun werde, dass er im Zweifel kommen wird, um dich zu retten, wie ein unverschämter Rotzbengel, der sich hinter dem Rockzipfel des großen Bruders versteckt. Du bist so armselig und du willst ein Pirat sein?“ „Und noch einmal, was ist dein beschissenes Problem, Falkenauge?“ „Mein Problem?“, wiederholte er und wandte den Blick vom Smutje ab, sah in die Runde, sah all diese Augen auf sich, große, zusammengekniffene, ängstliche, misstrauische und dieses eine Augenpaar, das ihn nicht eines Blickes würdigte. Dann sah er den Smutje wieder an. „Mein Problem seid ihr alle!“ Er erhob sich und der Smutje stolperte zurück. „Mein Problem, Smutje, ist diese zusammengewürfelte Truppe von Außenseitern, die sich als Piratencrew aufspielt. Eine Horde schwacher Missgestalten, die Träumen nachrennt und darüber die Realität vergisst, und zu welchem Preis?“ Kalt sah er auf sie alle hinab, diese Menschen die sich Lorenors Crew, seine Freunde, seine Familie schimpften. „Mein Problem, Smutje, bist du und deine Crew aus Traumtänzern. Du hast ganz Recht, wenn es nicht für Lorenor wäre, könntet ihr alle tot umfallen und ich würde keinen weiteren Gedanken an euch verschwenden.“ Die Navigatorin und Doktor Chopper schnappten laut nach Luft und nun erhob Cutty Fram sich ebenfalls. „Jetzt hör aber mal auf“, blaffte der Cyborg von der Theke her. „Mir egal wer du bist, aber ohne uns wärest du vor ein paar Tagen doch abgekratzt. Wie wäre es also mit ein bisschen Dankbarkeit?“ Ah, er mochte diese ‚alle gegen einen‘ Situationen und er mochte es insbesondere, wenn er der eine war. „Oh, ich bin dankbar“, entgegnete er ganz wahrheitsgetreu mit einem Lächeln, „Doktor Chopper und Nico Robin haben mir sehr geholfen, dafür bin ich dankbar.“ Dann wurde er ernst, ignorierte bewusst Trafalgar Law, der nun die Augenbrauen anhob, als Dulacre dessen Namen nicht erwähnte. „Das ändert jedoch nichts an eurem Unvermögen, an eurer Inkompetenz, Unprofessionalität, Naivität im schlechtesten Sinne.“ Sein Blick fiel auf den Strohhut, der sich immer noch seinem Mahl zugewandt hatte. „Aber was ist auch anderes zu erwarten, bei so einem Kapitän.“ Im nächsten Moment spürte er die kalte Klinge des Stockdegens an seiner Kehle und er begegnete dem lebendigen Blick leerer Augenhöhlen. „Gegen eine lebhafte Diskussion habe ich nichts einzuwenden“, sprach das Skelett nun mit höflicher Bestimmtheit, während Doktor Chopper zaghaft dessen Namen flüsterte, „aber, verzeihen Sie mir, Herr Mihawk, ich kann es nicht dulden, wenn Sie meinen Kapitän beleidigen.“ „Ich respektiere Ihre Loyalität, Herr Musikant“, erwiderte Dulacre und bemühte sich, sein Schmunzeln zu verbergen, „aber sollten Sie mir wirklich mit einer Klinge drohen?“ „Hohoho“, lachte das Skelett leise auf, „mir ist sehr wohl bewusst, wer Sie sind. Aber ich habe keine Angst vor einem übermächtigen Gegner und auch nicht vor dem Tod.“ „Etwas, was in dieser Crew wohl des Öfteren vorkommt, nicht wahr? Die Bereitschaft für andere zu sterben.“ „Ist das nicht die Loyalität, die Sie eben noch respektierten?“ „Oh ja, gewiss. Ich respektiere es, voller Ehre und Dummheit natürlich, aber dennoch respektiere ich solch Loyalität, bewundere gewissermaßen solch stoische Ideologie.“ Er neigte seinen Kopf leicht zur Seite und die Klinge des Musikanten spannte sich unter dem Druck seiner Haut. „Hingegen habe ich keinen Respekt für diejenigen, die solch Loyalität ausnutzen, auch wenn dies durchaus für einen klügeren Kopf spricht.“ „Sprich, du wirfst uns vor Zorros Loyalität auszunutzen?“, hakte der Cyborg nach. „Natürlich“, stimmte er ehrlicherweise zu. „Wie sonst könnt ihr mir erklären, dass ihr alle so schwach seid? Ihr nennt dies eine Piratencrew, in der jeder seine Stärken beibringt und die Schwächen der anderen ausgeglichen werden und doch seid ihr zerbrochen, kaum dass Lorenor gestrauchelt und zu Fall gekommen ist. Das hat nichts mit ergänzenden und ausgleichenden Fähigkeiten zu tun, sondern mit Müßiggang und Apathie zu Lasten Lorenors. Aber wen wundert das, bei solch schwachen Crewmitgliedern und einem Kapitän, der nicht seiner Aufgabe gerecht wird.“ „Wie kannst du es wagen?!“, knurrte nun der Smutje wieder. „Du hast doch keine Ahnung, was wir alles durchgemacht haben, und jetzt tauchst du hier auf und machst uns einen Vorwurf nach dem anderen und jetzt beleidigst du uns auch noch grundlos?! Wir sind nicht…!“ „Grundlos?“, warf er ruhig ein und es war so ein Leichtes den Smutje zu unterbrechen, aber die Zeit der Plänkelei war vorbei; Dulacre war bitterernst. „Du behandelst Lorenor wie einen Verräter, nachdem er sein Leben für dich riskiert hat, und du wunderst dich, dass ich deine Integrität hinterfrage? Diese Crew hat Lorenor wieder und wieder im Stich gelassen und ihr seid empört, dass ich eure Solidarität hinterfrage? Und du, Strohhut, du interessierst dich nicht für die Hintergründe, machst das, worauf du gerade Lust hast, und lässt den Scherbenhaufen jemandem anderen zum Aufräumen. Lorenors Loyalität dir gegenüber ist unumstritten und ich bestreite auch nicht, dass seine Anwesenheit in dieser Crew willkommen geheißen wird. Aber ich frage euch, ob ihr wirklich all die Zeit unwissend wart und zu einfältig, um seine Beweggründe und seine Gedankengänge zu verstehen, oder ob ihr Lorenors Loyalität und Gutmütigkeit sogar ganz bewusst ausgenutzt habt.“ Er schwieg für eine Sekunde und musterte sie nüchtern, konnte die unverhohlene Wut Cutty Frams und des Smutjes sehen, die noch größere Bestürzung Doktor Choppers und der Navigatorin, während die Samurai von Wa No Kuni beschämt die Blicke abgewandt hatten. Aber ihre Anwesenheit störte Dulacre nicht im Mindesten, sollten sie doch gehen, wenn sie einen Disput nicht aushalten konnten. „Ich wüsste noch nicht mal, was schlimmer ist. Eine Crew, die ihr eigenes Crewmitglied ausbeutet oder eine Crew, die sich noch nicht mal für ihr eigenes Crewmitglied interessiert. Aber ganz gleich was es ist, Lorenor musste für dieses Verhalten bezahlen und dennoch scheint ihr nichts dazugelernt zu haben. Also sollte es euch nicht überraschen, dass ich alles andere als glücklich darüber bin, sein Leben erneut in euren Händen zu wissen.“ Nun war es totenstill im Raum, die Klinge des Musikanten lag noch an Dulacres Kehle, aber er war nicht derjenige, der mit dem Rücken an der Wand stand, während manche ihn geschockt ansahen und andere zu Boden starrten. Es tat gut, nach all den Jahren, all den Monaten, endlich konnte er es sagen, endlich konnte er aussprechen, was er von dieser Crew hielt, dieser Crew, für die Lorenor mehr als nur sein Leben aufgeben würde und dem er gegenüber diese Dinge nie hatte sagen können, weil Lorenor sie nicht einsah, nicht einsehen wollte, was seine Crew zu verantworten hatte. Viel zu lange hatte er seinen Zorn runtergeschluckt. Schuld, wem sie gebührte. „So ist das nicht. So ist unsere Crew nicht. Wir haben Zorro nie ausgenutzt und er war uns nie egal.“ Dulacres Blick glitt nach unten, als nun der junge Doktor sprach und zu ihm aufsah, unverhohlene Tränen in den dunklen Knopfaugen. „Chopper“, flüsterte die Navigatorin zwischen drängend und beeindruckt. „Sie irren sich, wenn Sie glauben, auch nur einer von uns würde so tun, als wäre die G6 nie passiert.“ Wieder mal war es überraschenderweise das jüngste Crewmitglied, welches den Mut zur Wahrheit zeigte. „Sie irren sich, wenn Sie glauben, dass nicht ein jeder von uns sich schuldig fühlt, wegen dem, was damals passiert ist. Ich habe an jenem Tag versagt, als Arzt dieser Crew und als Zorros Freund, das ist mir bewusst und ich werde so einen Fehler nicht wiederholen. Aber Sie scheinen nicht zu verstehen, was eine Crew bedeutet, und Sie scheinen nicht einsehen zu wollen, wie wichtig Zorro für einen jeden von uns ist.“ „Es mag sein, dass ich das nicht sehe, Doktor Chopper“, stimmte er erneut zu, „aber was ich sehe, ist eine Crew, die ein Mitglied im Stich gelassen hat, eine Crew, die nicht bemerkt, wenn einer von ihnen unter einer Last zusammenbricht und die nicht hilft, sondern noch tiefere Spaltung durch Missgunst und Streit hervorbringt. Was ich sehe, ist ein Kapitän, der sich nicht mit den Problemen seiner Crewmitglieder befasst und nicht seine Aufgabe erfüllt, ein Kapitän, der seinen ersten Maat für sich sterben ließ und noch nicht mal fragt, wie er hatte überleben können. Vielleicht verstehe ich diese Crew wirklich nicht, aber je länger ich zusehe, desto weniger möchte ich es versuchen, so wie niemand hier versuchen will Lorenor zu verstehen. Ihr mögt seine Freunde, seine Familie sein, aber so, wie ihr ihn behandelt, wäre er unter Feinden wohl besser aufgehoben.“ „Das muss ich mir von einem wie dir nicht anhören!“ Der Smutje schlug mit einer flachen Hand auf den Küchentisch, Geschirr und Gläser klirrten. „Du kennst uns nicht und spielst dich hier auf wie ein Wichtigtuer! Lorenor hier! Lorenor da! Weißt du, wenn Zorro ein Problem mit uns hat, dann wird er uns das schon sagen - nimmt ja auch sonst kein Blatt vor den Mund - aber woher nimmst du dir dein beschissenes Recht uns hier erklären zu wollen, wie wir unsere Crew zu führen haben. Das geht dich nichts an, du bist nur irgendein Außenstehender! Du weißt nichts über uns, nichts über unseren Kapitän und erst recht nichts über den verdammten Marimo!“ „Bier oder Rum?“, fragte er nun den Smutje. „Wa…was?“, stammelte er offensichtlich verwirrt zurück und er war nicht der Einzige, der ihn verwirrt ansah, nur Nico Robin schien zu wissen, worauf er hinauswollte, so wie sie ihn ansah, leicht dabei den Kopf schüttelte. Oh, hoffte sie etwa, dass er gnädig sein würde? Für so naiv hatte er sie gar nicht gehalten. „Bier oder Rum? Was mag er lieber, Smutje?“ „Keine… was soll der Scheiß?“ „Gar nichts, ich frage mich gerade nur, wer hier wen nicht kennt, und als Schiffskoch wirst du doch mit Sicherheit die Vorlieben und Abneigungen deiner Crewmitglieder kennen und da Lorenor äußerst gerne dem Alkohol frönt, sollte diese Kleinigkeit ja wohl bekannt sein. Also Bier oder Rum?“ Der andere zögerte. „Du weißt es nicht? Na, vielleicht war die Frage etwas unfair. Aber du weißt doch mit Sicherheit, ob Lorenor Reis oder Brot bevorzugt, nicht wahr? Als Smutje? Auch nicht? Nun gut, er ist ein recht unproblematischer Esser, das gebe ich zu. Uhm, also etwas Allgemeineres, mag er warmes oder kaltes Wetter lieber? Mag er Schnee oder lieber den Frühling, wenn alles blüht? Was ist sein Lieblingsbuch? Sein Lieblingsgetränk? Seine Lieblingsfarbe? Was hält er von den Unruhen im West Blue? Auf wen aus dieser Crew ist er besonders stolz? Wer ist sein Lieblingsschwertkämpfer aus dem großen metallenen Krieg? Welche Kampfstile beeindrucken ihn? Immer noch nichts? Man könnte ja fast meinen, ihr wüsstet gar nichts über Lorenor.“ Er liebte den Blick, mit dem der Smutje ihn gerade anstarrte, und es wäre wirklich zu einfach ihn jetzt ganz zu brechen. „Nicht, dass es mich überrascht. Ihr lebt zwar zusammen mit ihm, ihr reist zusammen mit ihm, ihr kämpft sogar zusammen mit ihm, aber ihr kennt ihn nicht und versteht ihn nicht, nicht seine Prinzipien, nicht seine Werte. Kein Wunder, dass ihr nicht wisst, was vor sich geht, aber es ist ja noch nicht mal so, als würdet ihr euch bemühen, es herauszufinden. Ihr versucht ja noch nicht mal ihn kennen zu lernen. Tze, ich habe ihm Vorwürfe gemacht seiner eigenen Crew nicht zu trauen, aber anscheinend ist nicht Lorenor das Problem, sondern ihr.“ Er zuckte mit den Achseln. „Also gewiss, ich verstehe diese Crew nicht – sie ist mir absolut befremdlich – aber wie könnt ihr so tun, als würdet ihr Lorenor besser verstehen als ich, wenn ihr euch noch nicht mal die Mühe gebt, ihn als einen von euch zu behandeln. Wenn ihr noch nicht mal wisst, dass er Bao, den Großen, mag, obwohl jeder weiß, dass Cecilia, die Herrin der Wüste, ihm um Längen überlegen war. Wisst ihr überhaupt, warum er mich besiegen und der beste Schwertkämpfer der Welt werden will? Wisst ihr überhaupt, warum er seinen eigenen Kampfstil entwickelt hat? Wisst ihr denn zumindest, warum er Schwertkämpfer wurde, was einen elementaren Teil seines Lebens ausmacht?“ Er schritt auf den Smutje zu und ignorierte die Klinge, die der Musiker mittlerweile zu Boden gerichtet hatte. „Es stimmt, Smutje, ich verachte dich, von ganzem Herzen, dich und deinen Kapitän. Denn ihr tragt die Verantwortung an Lorenors Leid, ich gebe euch die Schuld für was geschehen ist. Aber selbst, wenn ich über euer Versagen hinwegsehen würde, so kann ich doch nicht darüber hinwegsehen, wie ihr Lorenor behandelt. Kein Wunder, dass er dieser Crew nicht vertraut, denn ihr wisst noch nicht mal, wer er ist. Ihr seid das Wichtigste in seinem Leben und dennoch ist er wie ein Fremder in dieser Crew und so etwas nennt ihr Freundschaft?“ Die Augen des Smutjes wurden groß und dann senkte er ungläubig den Blick, seine Lippe zitterte, fast… „Das reicht jetzt.“ Nico Robin erhob sich und schritt auf ihn zu. Auf Höhe des Smutjes blieb sie stehen. „Ich verstehe, dass sich über die vergangenen Jahre viel Unmut in dir angestaut haben muss, Mihawk, und du hast natürlich in manchen Dingen nicht Unrecht. Zorro ist ein sehr verschlossener Mensch und wir haben uns wahrscheinlich zu wenig um ihn bemüht. Aber vielleicht haben wir ihm auch einfach nur seinen Raum gelassen, seine Zeit. Natürlich kann man eine Muschel aufbrechen, aber wenn man geduldig ist, öffnet sie sich ganz von selbst.“ Oh ja, er wollte eines Tages mit ihr Schach spielen. Sie hielt seinem Blick stand, nicht wie jemand, der ihn herausfordern wollte, aber wie jemand, der nicht einen Schritt zurückweichen würde. Sie zog die Grenze und überließ ihm die Entscheidung, ob es zum Kampf kommen sollte oder nicht, äußerst interessant. „Du hast die letzten zwei Jahre wahrscheinlich viel von dem mitbekommen, was Zorro durchmachen musste und es ist nur nachvollziehbar, dass du zornig bist, aber nun hast du deiner Wut Luft gemacht und du bist immer noch ein Gast auf diesem Schiff, also bitte ich dich in aller Höflichkeit darum die Etikette zu wahren, die du mit Sicherheit nur unbeabsichtigt gebrochen hast.“ „Und was ist, wenn dies keineswegs unbeabsichtigt war?“ „Dann bitte ich dich dennoch um einen gepflegten Umgang. Denn ob es dir gefällt oder nicht, wir sind immer noch Zorros Crew, und ob es uns gefällt oder nicht, du bist sein Freund, und es fällt mir schwer zu glauben, dass es ihm gefallen würde, wenn wir uns anfeinden.“ Plötzlich lächelte sie. „Aber natürlich kenne ich ihn nicht so gut wie du. Vielleicht siehst du das ja anders. Vielleicht ist das aber auch Zorros Entscheidung.“ In genau diesem Moment wurde die Tür aufgerissen und der Mittelpunkt dieser hitzigen Debatte betrat den Raum. Kapitel 23: Kapitel 23 - Freunde -------------------------------- Kapitel 23 - Freunde   -Mihawk- Sie hielten alle inne, als Lorenor endlich die Bühne betrat. Für einen Moment schien der Neuankömmling einen jeden Einzelnen von ihnen zu begutachten, ohne überhaupt groß aufzusehen, dann ließ er sich auf den freigewordenen Stuhl Nico Robins gegenüber der Navigatorin fallen und tat es seinem Kapitän gleich, der immer noch Essen in sich hineinschlang. Hinter ihm kam der Scharfschütze hinein, der wiederum mit großen Augen im Türrahmen stehen blieb und sie alle anstarrte, sich der Anspannung offensichtlich bewusst. Man könnte wohl meinen, dass Lorenor sie im Gegenzug nicht bemerkte, so unbeeindruckt, wie er sich seiner Mahlzeit zuwandte, aber Dulacre hatte den Blick gesehen, den er ihm zugeworfen hatte. Beschwichtigend hob Dulacre beide Hände. Er hatte gesagt, was er zu sagen hatte. Nico Robin hatte zu lange mit ihrem Einwand gewartet, hatte vielleicht darauf gehofft, dass Lorenor früher eintreffen würde, hatte vielleicht auch auf den richtigen Moment gehofft oder darauf, dass Dulacre etwas ganz Bestimmtes sagte, doch sie hatte zu lange gewartet und er sah es ihrem Blick an, dass ihr dies auch bewusst war. Nun wollte sie nur Schlimmeres vermeiden und es sollte ihm recht sein. Er hielt von den einzelnen Crewmitgliedern nicht sonderlich viel, aber er hatte keinerlei Interesse an einer handgreiflichen Auseinandersetzung, und zwar weniger um Lorenors Willen, sondern einfach nur daher, dass er sie als ermüdend langweilig einstufte. „Sehr weise gesprochen, Nico Robin“, pries er sie und ging auf ihre dargebotene Waffenruhe ein. Lächelnd ließ er sich wieder auf seinem Stuhl nieder. „So wie ich es von einem Kapitän erwartet hätte.“ „So, jetzt reicht‘s!“ Cutty Fram, der bis gerade wie eine skurrile Skulptur am Tresen gestanden hatte, stampfte auf ihn zu. „Genug ist genug! Mir egal, ob du ein beschissener Samurai bist, Choppers Patient oder Zorros Guru! Ich lass mich doch hier nicht den lieben langen Tag von einem…“ PAM! Alle sahen sie zum Tisch, wo Lorenor seine Faust samt Gabel auf den Tisch geschlagen hatte und nun weiter aß, als wäre nichts geschehen, genau wie sein Kapitän. Im nächsten Moment schniefte Doktor Chopper neben Dulacre laut auf, erhob sich und verließ fluchtartig den Raum. „Chopper!“, rief die Navigatorin ihm nach. „Das habt ihr ja toll hinbekommen, ihr Vollidioten“, zischte sie dann einmal in die Runde, ehe sie ebenfalls aufsprang und dem Rentier nacheilte. „Nicht meine verdammte Schuld, wenn dieser beschissene…“ PAM! Wieder unterbrach Lorenor die aufkommende Beschwerde diesmal des Smutjes. „Hör mit diesem Scheiß auf, Marimo! Das ist alles deine Schuld! Du schleppst hier einen verdammten Samurai an, der nichts Besseres zu tun hat, als tagein tagaus…“ Polternd fiel der Stuhl um, als Lorenor sich erhob, und wieder wurden alle mucksmäuschenstill, während er erst ausgiebig den Smutje ansah und dann Dulacre. „Bist du jetzt zufrieden?“, fragte er gefährlich ruhig. „Konntest du sagen, was du zu sagen hattest?“ Dulacre hielt seinem Blick unbeeindruckt stand. Anders als diese Gören hatte er keine Angst vor Lorenors Zorn und war nur zu gerne bereit, ihm auch in solchen Situationen die Stirn zu bieten. „Irgendwer muss es ja mal tun, Lorenor. Dir mag es einerlei sein, aber ich bin nicht gewillt hinzunehmen, wie respektlos sie dich behandeln.“ „Ich kann meine eigenen Schlachten schlagen. Ich brauche dich nicht, um für mich zu sprechen.“ Sie beide klangen sachlich und gelassen, wurden nicht laut, ganz anders als seine Crewmitglieder zuvor. „Na dann tu es, Lorenor. Du weißt genau wie ich, dass ich dies nicht tun müsste, wenn du den Mund aufmachen würdest. Ich bin wütend auf sie, weil sie dich nicht kennen und dennoch glauben deine Freunde zu sein, und sie sind wütend auf mich, weil ich mir anmaße für dich zu sprechen. Alles beginnt und endet damit, dass du schweigst, also vielleicht sprichst du endlich.“ „Aber das muss er nicht.“ Zum allerersten Mal brachte sich nun der Kapitän der Strohhüte ein, der noch eine Sekunde seinen kleinen Finger ableckte und dann Dulacre angrinste. „Wenn Zorro nicht reden will, dann brauch er das auch nicht.“ „Tze, was für eine lächerliche Antwort. Ist dir überhaupt bewusst in welcher Krise deine Crew steckt, Strohhut, oder interessiert es dich gar nicht?“ Lachend zuckte der Strohhut mit den Schultern. „Ist doch völlig normal, dass man sich mal streitet“, lachte er und sein Grinsen wuchs noch eine Spur, „aber nur weil man sich mal streitet, heißt das noch lange nicht, dass man sich nicht vertraut.“ Dulacre hob über solch einen lächerlichen Kommentar nur eine Augenbraue an, während er aus dem Augenwinkel bemerkte, wie der Smutje den Blick senkte. „Gerade Zorro und Sanji streiten sich total viel, manchmal richtig heftig – und meistens über irgendwelchen Unsinn - aber das machen sie nur, weil sie so gute Freunde sind, und auch wenn sie sich wirklich gerne streiten, im Kampf verlassen sie sich aufeinander, selbst, wenn sie anderer Meinung sind.“ Der Strohhut grinste immer noch breit. „Und daran wird sich auch nichts ändern, weil wir Freunde sind. Ganz gleich, ob Zorro uns alle seine Geheimnisse anvertrauen möchte oder eben nicht, das ist mir egal; das ändert nichts daran, dass er mein Crewmitglied ist und wir alle Freunde sind.“ Beinahe fassungslos starrte Dulacre den Strohhut an, während der Lockenkopf und der Musikant zustimmend nickten. Er konnte kaum glauben, was er da hörte, was für einen naiven Unsinn der Kapitän einer Crew sagen konnte. Kopfschüttelnd schnaubte er auf. Vielleicht war das der Grund, warum er nie hatte verstehen können, warum Lorenor diesem Mann folgte, diesem Jungen, der kaum ein Mann war. Vielleicht war das der Grund, warum Dulacre ihn nicht ausstehen konnte. „Es scheint mir, wir sind gänzlich gegensätzlich, Strohhut“, bemerkte er beinahe belustigt, „in unseren Ansichten und unseren Prinzipien. Dementsprechend werden wir natürlich nur schwerlich einer Meinung sein, aber erkläre mir, ist dieses unerschütterliche Vertrauen in deine Crewmitglieder schlichte Naivität oder Ignoranz gegenüber ihren Gefühlen und Gedanken?“ „Das reicht jetzt!“, knurrte der Cyborg. „Du hast doch den Kapitän gehört, Falkenauge. Wir alle sind eine Crew und wir vertrauen einander.“ „Ist das so?“, entgegnete er unbeeindruckt. „Was sagst du denn dazu, Smutje?“ Der Blondschopf zuckte zusammen, als Dulacre ihn ansprach, beinahe so, als hätte er mit einer Peitsche auf ihn eingeschlagen. „Was soll denn der Scheiß?!“, sprach erneut der Cyborg. „Gar nichts“, schmunzelte Dulacre. „Aber ich frage mich nur, ob der Smutje seinem Kapitän zustimmt, oder ob er vielleicht…“ – „Dulacre“, murrte Lorenor warnend, aber nicht warnend genug – „… anderer Meinung ist. Vielleicht irre ich mich ja und habe euch alle komplett falsch eingeschätzt.“ Er neigte den Kopf leicht zur Seite und lächelte so falsch, wie er nur konnte. „Um ehrlich zu sein, würde es mich am meisten freuen, wenn ich einfach nur die Dynamik dieser Crew missverstanden hätte. Also Smutje, du könntest meine ganzen Zweifel nun aus dem Weg räumen. Sag mir, vertraust du Lorenor? Siehst du in ihm einen Freund oder war da vielleicht doch manchmal der Gedanke, dass du ihn gar nicht kennst?“ Plötzlich starrte der Smutje ihn verzweifelt an und Dulacre wusste, dass er gewonnen hatte. „Kann es sein, dass du vielleicht gar nicht weißt, wer er ist? Du hast sechs Monate mit ihm an Bord verbracht, aber kann es sein, dass er dir wie ein Fremder scheint?“ Und dann glitten plötzlich alle Augen auf den Smutje und man konnte regelrecht sehen, wie die Angst in sein Gesicht kroch. Man konnte sagen, was man wollte, er schien kein Verräter sein zu wollen, gleichzeitig schien er zu wissen, dass Dulacre die Wahrheit gesagt hatte. Wie musste es sich wohl anfühlen, wenn jemand die intimsten Zweifel, die man haben konnte, laut aussprach, hörbar für alle, die einem wichtig waren? „Also…“, murmelte der Smutje fahrig, während selbst die Gäste ihn aufmerksam beobachteten, selbst der Kapitän, „also ich… ich…“ „Also Mund zu, Koch“, unterbrach Lorenor den Smutje grob, aber sein Blick lag auf Dulacre und er verschränkte die Arme. Dulacre konnte es sehen, er konnte die Unzufriedenheit des anderen deutlich sehen, aber davon ließ Dulacre sich absolut nicht aufhalten. Anders als diese Crew war er nur zu gerne gewillt, Lorenors Zorn auf sich zu ziehen, wenn es sein musste. „Was soll das, Dulacre?“, murrte er und zuckte mit den Schultern. „Was erwartest du von diesem Drama hier? Mal ganz ehrlich? Du weißt genauso gut wie ich, dass egal, was der Koch sagen wird, egal, was du sagen wirst, es wird nichts an meinen Entscheidungen ändern. Das hier ist meine Crew und ich werde jeden einzelnen von ihnen mit meinem Leben beschützen.“ „Zorro…“, flüsterte der Lockenkopf mit glasigen Augen. „Das ist mir sehr wohl bewusst, Lorenor“, lenkte er ein und nickte, „du missverstehst meine Motive. Natürlich weiß ich, dass nichts, was ich sage, dich aufhalten wird. Unterschätz mich nicht, im Gegensatz zu diesen Leuten hier, kenne ich dich, ich weiß, was für einen starken Willen du hast und wo deine Prioritäten liegen.“ „Warum dann?“, entgegnete der andere. „Warum streitest du die ganze Zeit mit meinen Freunden, obwohl du doch auch genau weißt, wie sehr mir dieser Mist hier gegen den Strich geht?“ „Weil es mir ausnahmsweise mal nicht um dich geht, Lorenor, sondern um sie, um deine Freunde.“ Er sah seinem ehemaligen Schützling genau an, dass dieser nicht verstand, was er meinte. Aus den Augenwinkeln sah er, wie selbst Nico Robin eine Augenbraue anhob, als würde sie seine Motive anzweifeln. „Wie du zurecht gesagt hast, wird kein Wort, das in diesem Raum gesprochen wird, etwas an deinen Entscheidungen ändern, weder an deiner Loyalität diesem Einfaltspinsel gegenüber noch an deiner Hingebung für diese Traumtänzer.“ „Und wie du weißt, bin ich ebenfalls einer dieser Traumtänzer“, warf Lorenor unbeeindruckt ein. „Der Grund, warum ich deine Crew immer und immer wieder reize und anzweifle, ist ein ganz einfacher: Es geht mir um sie. Ich mache das hier alles ihretwegen.“ „Was?“, entkam es dem Cyborg erwartungsgemäß ungläubig, doch Dulacre würdigte ihn keines Blickes. „Sie haben dich bereits einmal verloren und selbst ein Einfaltspinsel wie dein Kapitän kann erkennen, wie schwer die Schuld auf den Schultern eines jeden einzelnen Crewmitglieds lastet. Aber dennoch haben sie nicht dazugelernt und, da ich deinen Sturkopf kenne, ist mir sehr wohl bewusst, dass, wenn ich deine Meinung nicht ändern kann, dann muss ich ihre ändern.“ Er schritt am Smutje vorbei und blieb direkt vor Lorenor stehen, der wie sonst auch seinem Blick regungslos standhielt. „Denn wenn sich in dieser Crew nichts ändert, Lorenor, dann werden die Dinge der Vergangenheit sich wiederholen und dann werden sie und ich dich erneut verlieren, und das ist wohl die eine Sache, die uns verbindet, deine Crew und mich, und auch, wenn das dein Dickschädel nicht begreifen will, so ist es doch die Wahrheit. Weder sie noch ich könnten es wohl ertragen, dich noch einmal zu verlieren.“ Nun herrschte im Raum wieder eine unangenehme Stille. Der Junge aus Wa No Kuni schien was sagen zu wollen, schwieg jedoch auf ein Kopfschütteln des Samurai. Selbst Trafalgar Law hatte einen fast schon nachdenklichen Gesichtsausdruck aufgesetzt, während er die einzelnen Crewmitglieder begutachtete. Diese wiederum schienen alle zumindest für einen Moment nicht ganz anwesend, als würden Bilder der Vergangenheit noch einmal für eine Sekunde Realität. Dulacre hingegen war sich im Klaren darüber, was für ein gefährliches Spiel er gerade spielte, während Lorenor ihn einfach nur ansah, ohne auch nur irgendetwas zu erwidern, sein Gesicht unleserlich wie so oft, sein Verstand eine uneinnehmbare Festung. Er wusste, was er in diesem Moment riskierte. Erst ein Crewmitglied angreifen, dann die gesamte Crew gegen sich aufbringen und nun fast ausdrücklich seine eigenen Gefühle für den Jüngeren in aller Öffentlichkeit zu gestehen und dabei beinahe dessen Geheimnis preisgeben. Aber er hatte keine Wahl. Lorenor hatte diese Truppe von Ausgestoßenen als seine Familie erwählt und wenn Dulacre ihn nicht verlieren wollte, ihn nicht unglücklich sehen wollte, dann musste er ihnen helfen, dann musste er ihnen allen helfen, aus purem Egoismus, um seinen Wildfang zu beschützen. „Ach, da bin ich aber froh!“ Erstaunt nahm Dulacre den Blick von Lorenor, der ihn immer noch unleserlich ansah, und beäugte den Strohhut, der laut auflachte und ihn dann angrinste. „Weißt du, Falki, du hast wirklich Recht. Ich glaube, ich kenne Zorro nicht ansatzweise so gut, wie du es tust.“ Erneut lachte er und kratzte sich am Ohr. „Ich weiß weder, welches Bier er mag, wer dieser Bao war – auch wenn der sich cool anhört - noch worüber Zorro manchmal stundenlang grübelt. Ich bin mir sogar ziemlich sicher, dass ich im Zweifel gar nicht kapieren würde, worüber er nachdenkt. Die Hälfte dieses ganzen Gesprächs hier habe ich um ehrlich zu sein, nicht wirklich kapiert, aber ich hab auch nicht wirklich zugehört - jeder weiß, dass man isst, wenn Essen vor einem steht – und daher macht es mich wirklich froh, dass du Zorro so gut kennst und ihm so sehr helfen möchtest, dass du dich sogar mit uns, seiner Crew, anlegst.“ Immer noch grinste er dieses unmenschlich breite Grinsen. „Ich meine, man muss schon wirklich dumm sein, um sich mit einer ganzen Crew anzulegen, weil man helfen will, oder? Selbst Zorro würde nicht auf eine so blöde Idee kommen und der kann manchmal schon echt verpeilt sein.“ „Und das kommt ausgerechnet von dir?“, murrte der Cyborg. „Also danke, Falki, dass du so gut auf Zorro aufpasst. Es macht mich wirklich glücklich, dass wir alle so gute Freunde sind.“ „Wie bitte?“, bemerkte Dulacre und hielt den Strohhut im Blick, während er aus dem Augenwinkel sah, wie Lorenor den Kopf langsam senkte; diese zurückhaltende Reaktion war etwas unerwartet, hatte er doch mit lautstarkem Protest oder höhnischem Unglauben gerechnet. „Nur damit wir uns verstehen, Strohhut, wir sind keine Freunde. Meine Beziehung zu Lorenor hat mit euch nichts zu tun. Wenn es nicht für ihn wäre, könntet ihr alle meinetwegen tot umfallen.“ „Wusst ich’s doch“, kam es erneut von Cutty Fram. „Ahaha“, hakte der Strohhut kopfschüttelnd und mit erhobenem Zeigefinger ein, als wäre Dulacre ein ignoranter Bursche, den man tadeln musste. „So geht das aber nicht. Du kannst nicht nur mit einem von uns befreundet sein.“ „Wa… was?“ Beflissen nickte der Strohhut, während Nico Robin Dulacre ein überlegenes Schmunzeln schenkte, doch ihr Blick blieb eiskalt. „Natürlich nicht. Wir sind eine Crew. Wenn du mit einem von uns befreundet bist, dann bist du der Freund von uns allen, ob es dir passt oder nicht, so läuft das hier.“ Perplex starrte er den Bengel an. „Aber ich kann weder dich noch die meisten deiner Crew ausstehen, Strohhut“, wandte er fassungslos ein, sprachlos darüber, was für eine stumpfsinnige Diskussion er gerade zu führen schien, „und falls es dir noch nicht aufgefallen sein sollte, bei einigen aus deiner Crew beruht das auf Gegenseitigkeit.“ „Na und?“ Nun sah ihn der andere beinahe unschuldig an. „Ich muss auch sagen, du bist jetzt nicht gerade ein Sonnenschein, weißt du? Du redest ziemlich viel und klingst ganz schön abgehoben meiner Meinung nach. Aber wenn du Zorros Freund bist, dann bist du auch unser aller Freund.“ „Und was ist, wenn ich das nicht will?“, knurrte er, etwas überfordert mit dieser unerwarteten Dreistigkeit, und beobachtete aus dem Augenwinkel Lorenor, der sich nicht einbrachte, wie Dulacre es erwartet hätte, sondern weiterhin den Blick gesenkt hielt. Der Lockenkopf auf der anderen Seite versuchte, ein leises Kichern hinter seiner Hand zu verstecken, erfolglos. „Das ist mir egal. Wir sind Freunde und damit Basta, Falki!“, entschied der andere einfach resolut. „Wenn du mich noch einmal so nennst, werde ich dieses Schiff versenken.“ „Na, ich…“ „Das wird mir jetzt echt zu blöd“, unterbrach Lorenor seinen Kapitän und stöhnte etwas zu entnervt auf, ehe er einfach auf dem Absatz kehrtmachte und den Speiseraum durch die offene Türe verließ. Für einen Moment schwiegen die Verbliebenen, dann lachte der Strohhut laut auf und verlangte Nachschlag vom Smutje. Innerhalb von Sekunden schienen die anderen aus ihrer Starre zu erwachen, warfen sich vielsagende Blicke zu, murmelten leise etwas, während der Smutje grummelte, dass sein Kapitän bereits das komplette Mittagessen aufgegessen hatte, und auf einmal schien sich die Stimmung deutlich zu entspannen. Aber Dulacre war das gleich. Entschieden folgte er Lorenor. „Mihawk.“ Im Türrahmen blieb er stehen, als Nico Robin ihn ansprach, ohne ihm nachzugehen. „Denkst du wirklich, es ist klug, Zorro jetzt aufzusuchen? Ich denke, er möchte seine Ruhe haben.“ Eine Sekunde betrachtete er diese eigenwillige Crew, welche die vorherrschende Anspannung zwar noch nicht gänzlich abgelegt hatte, sich aber nach Kräften bemühte, dies bald zu tun. „Tze“, schmunzelte er kopfschüttelnd. „Das ist der Unterschied zwischen euch und mir. Anders als ihr, bin ich jederzeit bereit, mich an seinem Willen zu messen.“ „Dann ist ja gut“, sprach sie sachlich und schenkte ihm ein unnötig freundliches Lächeln, „er wartet mit Sicherheit schon darauf, dass du ihm nachgehst.“ Er betrachtete sie für einen Augenblick, dann ging er und zog die Tür hinter sich zu. „Als wüsste ich das nicht selbst.“ Augenrollend ließ er diese Crew an Chaoten hinter sich. Er brauche nicht lange, um herauszufinden, wo sein Wildfang sich hin verzogen hatte. „Hier steckst du“, grüßte er den anderen, der am Heck des Schiffes die Arme auf die Reling gelehnt hatte und dem Meer nachschaute. „Was willst du? Lass mich in Ruhe“, murrte Lorenor, ohne aufzusehen. „Dieses Mal nicht“, entgegnete er und setzte sich auf die Reling, den gebührenden Abstand zu seinem, wohl immer noch leicht angespannten, ehemaligen Schützling einhaltend. Geduldig betrachtete er die schlichte Holzwand vor sich. „Tze“, war die einzige Antwort, die er erhielt. Für ein paar ruhige Minuten genoss er die Sonne, ein auf Kuraigana seltenes Gut, und wartete darauf, dass Lorenor das Wort ergreifen würde, wohl wissend, dass er es nicht tun würde. „Warum streitest du eigentlich immer so gerne?“, grummelte Lorenor dann doch ganz zu seiner Überraschung und legte seinen Kopf auf den Unterarmen ab, als wäre er zu schwer geworden. „Du bist schlimmer als der Koch.“ Schmunzelnd faltete Dulacre die Arme. „Ich streite nicht wirklich gerne, Lorenor, ich habe nur gerne Recht und möchte, dass die Dinge so laufen, wie ich es mir vorstelle.“ Der andere schnaubte auf, sagte jedoch nichts. „Und für jemanden, der nicht gerne streitet, bist du hingegen recht gut darin. Nun ja, bis du dann zum Ende hin immer wegläufst, natürlich.“ „Was?“, knurrte Lorenor nun und stierte ihn an. „Ich laufe nie weg!“ „Ist es dir etwa noch nicht aufgefallen?“, widersprach er und hielt diesem harten Blick liebend gerne stand. „Die Art wie du und ich streiten? Die Art, wie nur du und ich miteinander streiten können?“ Sein Wildfang entgegnete nichts, sondern neigte nur leicht fragend den Kopf, jedoch mit hochgezogener Augenbraue und genervtem Blick. „Natürlich, es ist ganz offensichtlich. Wenn ich emotional in einem Streit werde, dann werde ich meist handgreiflich. Wie wir beide wissen, fällt es mir schwer, in solchen Situationen meine Kontrolle aufrecht zu erhalten. Die meisten Menschen können damit nicht umgehen, entweder reagieren sie ebenso aggressiv oder – wahrscheinlicher – sie kriegen es mit der Angst zu tun.“ Ganz unverhohlen sah er Lorenor an. „Du hingegen hast nie Angst vor mir, ganz gleich was ich tue. Du hast dich mir bereits in unserem allerersten Streit gestellt, hast dich nicht von meiner Wut provozieren lassen und bist doch keinen Schritt zurückgewichen.“ Leise schnaubte Lorenor auf. „Nicht das ich gekonnt hätte. Du hattest doch das Sofa umgerissen, wie hätte ich da zurückweichen können?“ „Es war metaphorisch gemeint.“ Nun sah Lorenor wieder aufs Meer hinaus. „Wenn du hingegen emotional in einem Streit wirst, dann fliehst du.“ Er reagierte nicht. „Du streitest nicht gerne – ich rede nicht von diesen kleinen Plänkeleien mit dem Smutje, sondern von richtigen Auseinandersetzungen - aber grundsätzlich führst du sie immer zu Ende, wie jeden Kampf, den du führst. Aber manchmal gehst du dann doch, meistens wenn du zweifelst oder verletzt bist.“ Erneut schnaubte der andere auf, sagte jedoch weiterhin nichts. „Und dann komme ich dir nach, um dir die Möglichkeit zu geben, zu sagen, was du vorher nicht sagen konntest, um dich davon abzuhalten, etwas zu tun, was du bereuen könntest. Deswegen bin ich auch jetzt hier, weil ich deinen Blick gesehen habe. Weshalb bist du aus der Kombüse geflohen, Lorenor? Was hat dich zweifeln lassen? Du hattest doch gesagt, dass, ganz gleich was in diesem Raum geschehen würde, deine Entscheidungen bereits gefallen wären.“ Es überraschte ihn nicht, dass Lorenor nun schwieg, für lange Zeit. Er hatte Lorenors Blick gesehen, als Dulacre ihm die Motivation hinter dem von ihm geschürten Konflikt erläutert hatte; irgendetwas hatte in Lorenor in diesem Moment klick gemacht und es musste wichtig sein, denn daraufhin war er wie so oft aus dem Konflikt geflohen. Er war sich ziemlich sicher, dass es in Lorenor gerade arbeitete, und Dulacre wünschte sich so sehr, die Gedanken des Jüngeren lesen zu können, aber er würde es wohl merken, wenn Dulacre sich gewaltsam Zugang verschaffen würde. Also blieb ihm nichts anderes übrig, als zu fragen, wenn er wissen wollte, was Lorenor so beschäftigte. Aber anstatt eine Erläuterung nun einzufordern, wie Dulacre es sonst für gewöhnlich tun würde, entschied er, zu warten, um zu zeigen, dass zumindest er aus seinen Fehlern lernte. Also schwiegen sie in harmonischer Stille. Vom Bug des Schiffes hörten sie kurz Stimmen, aber keiner der Strohhüte war dumm genug, sie zu stören. Dulacre genoss die sanfte Brise des Meeres und setzte sich etwas bequemer hin, als er merkte, dass sein doch noch angeschlagener Körper angespannte Muskeln nicht als angenehm empfand. Irgendwann wandte Lorenor sich um und ließ sich an der Reling entlang zu Boden gleiten, faltete die Hände zwischen aufgerichteten Knien und begutachtete seine Finger. „Wie geht es dir?“, fragte er leise. „Chopper ist mit Sicherheit nicht glücklich, wenn du dich so viel bewegst.“ „Ich bitte dich. Als ob Doktor Chopper sich jetzt noch um mich sorgen würde, nachdem ich mir eben seine Crew und seinen Kapitän zum Feind erklärt habe.“ „So tickt Chopper nicht“, meinte Lorenor nur kopfschüttelnd, „er ist vermutlich sehr traurig über was auch immer für einen Scheiß du gesagt hast, aber das ändert nichts daran, dass er sich um dich sorgen wird. Er ist sehr gutmütig.“ „Dann werde ich mich wohl bei ihm entschuldigen müssen. Ich wollte deine Crew wachrütteln und vielleicht ein bisschen zu sehr provozieren, aber es lag nicht innerhalb meiner Absicht ihn zu brechen.“ „Ja, du solltest dich bei ihm entschuldigen. Er verdient es nicht, so behandelt zu werden, nicht er.“ Der Jüngere betrachtete immer noch seine Hände. „Aber du hast mir immer noch nicht gesagt, wie es dir geht.“ „So hartnäckig“, bemerkte Dulacre mit einem Schmunzeln, konnte jedoch nicht verhindern, dass die Sorge seines Wildfangs ihn mit einer Wärme erfreute und besserem Wissen zum Trotz falsche Hoffnungen weckte. „Auch ich sollte nicht unterschätzt werden, Lorenor. Es wird mich zwar noch ein paar Tage kosten, aber sei unbesorgt, dass ich dich selbst in meinem jetzigen Zustand problemlos besiegen könnte.“ „Angeber“, murrte Lorenor, doch als Dulacre hinabsah, konnte er sehen, dass der Jüngere sein Auge geschlossen und seinen Kopf gegen die Reling gelehnt hatte, die Sorgenfalten ein bisschen sanfter als zuvor. Dulacre entschied, diesen friedlichen Moment nicht direkt zu zerstören. Er wollte es genießen, wenn Lorenor sich um ihn sorgte, so egoistisch wie er nun mal war.   -Sanji- „Wie viel willst du denn noch futtern, Ruffy?“, schnaubte Nami auf, während sie Sanji die frische Kanne Kaffee aus der Hand nahm und zurück zum Tisch eilte. „Willst du etwa bis zum Abendessen durchfressen?“ „Gute Idee!“, lachte der Angesprochene, woraufhin Nami ihn direkt tadelte. Doch Sanji bekam von diesem und den anderen Gesprächen nicht wirklich etwas mit. Er stand in seiner Kochnische und bereitete Gerichte vor oder spülte sauber abgelecktes Geschirr ab. Sie alle unterhielten sich über das, was vor wenigen Minuten geschehen war – nun ja, alle bis auf Nami und Ruffy, die gerade wohl über Vorräte und Essensrationen stritten – und sie alle waren dabei mehr oder weniger aufgebracht. Wenige Sekunden nachdem Falkenauge die Kombüse verlassen hatte, waren Nami und Chopper zurückgekommen. Dieser saß nun schweigend auf dem Sofa neben Law, der ebenso schweigsam war, wie die ganze Diskussion schon über. Kein Wunder, so beschissen die Situation für die Crewmitglieder gewesen war, so unangenehm musste es für die unbeteiligten Gäste gewesen sein. Aber, wenn Sanji ganz ehrlich war, so war ihm das gerade ziemlich egal. Siehst du in ihm einen Freund oder war da vielleicht doch manchmal der Gedanke, dass du ihn gar nicht kennst? Eine Gänsehaut kroch über seine Unterarme und schnell trocknete er seine Hände ab, um sich eine dringend benötigte Zigarette anzuzünden. Von allen Dingen, die der Samurai ihm an den Kopf geworfen hatte, von all den Dingen, über die er sich aufgeregt und ereifert hatte, so hatte er damit doch genau ins Schwarze getroffen. Aber am schlimmsten war, dass er es vor ihnen allen gesagt hatte. Warum hatte er es in Anwesenheit der gesamten Crew sagen müssen? Sanji so vorführen müssen? Sanji wollte wütend sein, so wie Franky, der laut vor sich hin fluchte und Robin dafür anging, dass sie trotz allem gegenüber dem Samurai noch so verdammt höflich gewesen war. Aber er war es nicht. Er konnte noch nicht mal Franky für seine absolut unnötige und unhöfliche Wortwahl anfauchen. Sanji stand unter Schock. Er erinnerte sich zu gut daran, wie wissend diese kühlen Falkenaugen ihn angesehen hatten. Ausnahmsweise mal weder herablassend noch verachtend. Falkenauge hatte ihn angesehen und Sanji hatte gewusst, dass dieser Fremde genau wusste, was er fühlte und dachte, und dann hatte er es laut gesagt, für alle zu hören, für Zorro zu hören. Du hast sechs Monate mit ihm an Bord verbracht, aber kann es sein, dass er dir wie ein Fremder scheint? Ja, das stimmte, genau das war Sanjis Gefühl gewesen, genauso hatte er gedacht, und das war noch gewesen, bevor der Marimo den Blut spuckenden Samurai an Bord gebracht hatte, noch bevor Sanji gesehen hatte, wie anders Zorro sich in Gegenwart des Samurais benahm. Wenn eine Sache deutlich zeigte, wie unterschiedlich Zorro sich benahm, dann wie er die Situation gehändelt hatte. Franky und Sanji hatte er mit einem Schlag auf den Küchentisch unterbrochen, aber mit Falkenauge hatte er gesprochen, in ganzen Sätzen! Sanji hätte noch nicht mal sagen können, ob Zorro genervt oder gar wütend gewesen war oder nicht, wenn Zorro selbst es nicht so deutlich gesagt hätte. Nein, diesen Kerl kannte Sanji ganz gewiss nicht und Falkenauge wusste das. Dieser Kerl, der sich verdreschen ließ, um an Informationen zu kommen und diese dann auch zu verwerten. Dieser Kerl, der sich als Marinesoldat ausgab und log und stahl, um seine Crew zu retten. Dieser Kerl, der mit einem Samurai auf einem eloquenten Niveau sprach, welches beinahe schon Robins glich. Dieser Kerl, der nichts mit dem Zorro zu tun hatte, den Sanji kannte - gedacht hatte zu kennen - und er fragte sich, ob Zorro sie nicht alle getäuscht hatte, so wie er den Marinesoldaten der G6 getäuscht hatte. Es war genau, wie Falkenauge gesagt hatte. Zorro war ein Crewmitglied, aber keiner von ihnen kannte ihn wirklich. Sanji wusste nicht, ob er lieber Bier oder Rum mochte, Reis oder Brot, oder ob er überhaupt Vorlieben und Abneigungen gegenüber gewissen Speisen hatte. Er meinte sich zu erinnern, dass Zorro keine Süßigkeiten mochte, aber das hatte Chopper ihm erzählt, nicht der Marimo selbst. Nein, den anderen hatte Zorro vielleicht die ein oder andere Kleinigkeit verraten – Chopper hatte gewusst, wann er Geburtstag hatte, und Robin wusste mit Sicherheit die eine oder andere Sache, selbst wenn Zorro es ihr nicht wissentlich gesagt hatte – aber von allen Crewmitgliedern wusste Sanji über ihn am wenigsten, weniger als über Brook, der als letztes dazugestoßen war, weniger als über Vivi, die sie nur kurz begleitet hatte, ja sogar weniger als über Law, der noch nicht mal ein Crewmitglied war, nur durch Zufall eine Allianz mit ihnen gegründet hatte und auch nicht gerade zur redseligen Sorte Mensch gehörte. Für eine Sekunde lag Sanjis Blick auf seiner Zigarette, dann sah er hinüber zu Ruffy, der halb lachend, halb essend Nami irgendetwas erzählte, die daraufhin nur mit den Augen rollte. Ich glaube, ich kenne Zorro nicht ansatzweise so gut, wie du es tust. Wie hatte er das einfach so leichtfertig sagen können, während Sanji sich fühlte, als hätte er nicht nur Zorro, sondern auch Ruffy, die gesamte Crew, ja sogar sich selbst verraten? Wie konnte es Ruffy nicht stören, dass ein dahergelaufener Samurai behauptete, eines ihrer Crewmitglieder besser zu kennen als sie selbst, und dabei noch Recht behalten sollte? Wie konnte es ihm egal sein, was Falkenauge ihnen vorgeworfen hatte und dass Zorro ihm anscheinend noch nicht mal widersprach? Wenn Zorro nicht reden will, dann brauch er das auch nicht. Nein, Sanji verstand nicht, wie Ruffy das sagen konnte, wie es für ihn völlig in Ordnung sein konnte, dass Zorro sie alle außen vor ließ, wie er nicht wissen wollte, was Zorro vor zwei Jahren wiederfahren war. Nein, Sanji konnte ihn wirklich nicht verstehen, konnte wirklich nicht verstehen, wie er Zorro einfach so vertrauen konnte, ohne im Mindesten zu wissen, was in ihm vorging. Je länger er darüber nachdachte, desto mehr wurde ihm noch etwas anderes bewusst: Er stimmte dem Samurai zu. Sanji war wütend, dass der Samurai meinte, sich einmischen zu müssen und ihn und seine Crew angriff, aber es stimmte auch, dass Sanji kaum erfassen konnte, wie der Marimo tickte. Natürlich, spätestens nach Thriller Bark hatte Sanji gewusst, dass Zorro jederzeit für die Crew sterben würde – wenn er ehrlich war, hatte er es schon immer geahnt – und dass er auf der G6 auch so gehandelt hatte, war für ihn nicht wirklich überraschend gewesen. Aber er verstand immer noch nicht, warum Zorro ihn damals nicht eingeweiht hatte, warum er ihnen nicht das kleinste bisschen Mitspracherecht in seinen Entscheidungen gab, die immer so absolut bedingungslos waren. Er verstand einfach nicht, warum Zorro sich noch nicht mal in solch ausweglosen Situationen an ihn oder irgendwen anders wandte. Sanji, verstand einfach nicht, warum Zorro damals so gehandelt hatte, wie er nun mal hatte. Er wusste nicht, warum Zorro wütend wurde, wann immer Sanji irgendeiner bezaubernden Schönheit den Hof machte. Er wusste nicht, warum Zorro Narben auf dem Rücken als Schande empfand, auf der Brust aber als Ehre. Er wusste nicht, warum Zorro bei den Feiern zwar immer dabei war, aber in sein Bierglas stierte, als ob sie ihn alle stören würden. Er wusste nicht, warum der Marimo mit entnervender Regelmäßigkeit das Essen vergaß oder sich notwendiger medizinischer Versorgung entzog. Er wusste noch nicht mal, warum er wütend wurde, wenn einer von ihnen sich erdreistete, seine Schwerter ungefragt anzufassen, selbst, wenn man sie einfach nur aus dem Weg räumen wollte. Er wusste nichts davon, wusste nicht, was Zorro passiert war und warum er jetzt noch abweisender war als früher. Wusste nicht, was in den letzten zwei Jahren geschehen war und was Falkenauge und die bezaubernde Lady Loreen damit zu tun hatten, und während das für Ruffy kein Problem zu sein schien, so war es doch ein Problem für Sanji. Sanji wusste nicht, wer Zorro in Wirklichkeit war. War er der schlichte Schwertkämpfer, der immer eher mit dem Kopf durch die Wand ging und den sie alle die ganze Zeit gekannt und dem sie vertraut hatten? Oder war er vielleicht doch ein genialer Stratege, der sich nur dumm stellte, aus welchen unerfindlichen Gründen auch immer? Früher hätte Sanji über jeden gelacht, der so etwas fragen würde, nun fragte er sich selbst, ob Zorro sich nicht vielleicht die ganze Zeit nur verstellt hatte, sie die ganze Zeit an der Nase herumgeführt hatte. Und während er sich solche zermürbenden Fragen stellte, hinterfragte Ruffy überhaupt nichts, weder Zorro noch Sanjis Zweifel, obwohl er es doch merken musste, obwohl er doch mit eigenen Augen gesehen hatte, wie sie miteinander stritten. Und genauso, wie Falkenauge es gesagt hatte, unternahm Ruffy deswegen nichts. Warum unternahm Ruffy nichts? Sanji glaubte nicht, dass Zorro oder er seinem Kapitän so egal waren, dass Ruffy es nicht störte, wenn sie so arg miteinander im Klinsch lagen, aber konnte er es wirklich nicht bemerkt haben? Nein, er musste es bemerkt haben. Jeder in der Crew hatte es bemerkt, jeder in der Crew hatte darunter gelitten, aber Ruffy schien sich nicht zu stören. Wieso störte es ihn nicht, wenn zwei aus der Crew sich so sehr stritten, dass sie danach den Tränen nahe waren? Wieso störte es ihn nicht, wenn innerhalb der Crew das Vertrauen bröckelte? Wieso störte es ihn nicht, dass…? Du weißt genauso gut wie ich, dass egal was der Koch sagen wird, egal was du sagen wirst, es wird nichts an meinen Entscheidungen ändern. Das hier ist meine Crew und ich werde jeden Einzelnen von ihnen mit meinem Leben beschützen. Aber das klang so sehr nach dem Zorro, den Sanji kannte, glaubte zu kennen. Ist doch völlig normal, dass man sich mal streitet. Gerade Zorro und Sanji streiten sich total viel, manchmal richtig böse, aber sobald sie Feinden gegenüberstehen, decken sie einander stets den Rücken, selbst wenn sie anderer Meinung sind. Ja, das stimmte auch, ja genau so hatte ihre Freundschaft immer funktioniert, ohne, dass Sanji die Motive des anderen auch nur ein einziges Mal hinterfragt hatte. Warum also tat er es jetzt? Warum benahm Zorro sich in Gegenwart des Samurais so anders, ohne, dass es Ruffy zu stören schien? Aber das heißt nicht, dass er sich niemandem anvertraut hat, vielleicht Ruffy, schließlich ist er der Kapitän und wenn, dann ist Zorro ihm die Erklärung schuldig. Oh, konnte es sein…? Sein Blick glitt zur Tür, durch die der Marimo vor wenigen Minuten verschwunden war, und zum ersten Mal, seit sie alle wieder beisammen waren, vielleicht zum ersten Mal, seit er den anderen überhaupt kannte, glaubte Sanji, ihn ein bisschen zu verstehen, glaubte, ein bisschen zu verstehen, wie er tickte oder vielleicht bildete er sich das auch nur ein, während er seine Zigarette ausdrückte und mit der Arbeit fortfuhr. Was auch immer es war, es nahm etwas von der Last von seinen Schultern und von der Wut in seinem Herzen. Seufzend nahm er sich fest vor, sich nicht mehr vom Samurai provozieren zu lassen, sondern direkt mit Zorro zu reden. Dann entschied er, wieder am Alltag teilzunehmen, und forderte Franky dazu auf, Caeser ein Butterbrot zu bringen. Er mochte ihn nicht leiden, aber wenn er schon für Falkenauge eine extra Brühe auftischte, dann würde er auch nicht zulassen, dass dieser verrückte Wissenschaftler am Hungertuch nagte. Schließlich war Sanji immer noch der Smutje dieser Crew. Kapitel 24: Kapitel 24 - Veränderung ------------------------------------ Kapitel 24 – Veränderung   -Zorro- Er konnte hören, wie Franky wieder übers Deck polterte, vermutlich hatte er mal einen Blick in den Bereitschaftsraum werfen müssen, indem sie ihren Gefangenen sicher verstaut hatten. Seit einigen Minuten schwieg der Samurai und Zorro wusste nicht, ob es ihm recht war oder nicht. Zum einen gab es ihm Zeit, nachzudenken, zu verstehen, sich selbst zu verstehen. Auf der anderen Seite fiel es ihm in dieser Stille unglaublich schwer, seine Gedanken überhaupt zu erfassen, geschweige denn zu sortieren. Gleichzeitig wusste er, dass der Samurai nur auf den richtigen Moment wartete, um anzusprechen, was auch immer für ihn anzusprechen war. Also wartete Zorro, versuchte die Zeit zu nutzen, seine verworrenen Gedanken zu klären, erfolglos. Eine Stimme in seinem Kopf wollte, dass er aufstand und ging, dem Samurai nicht erlaubte, eine erneute Diskussion heraufzubeschwören. Denn nach dem, was eben geschehen war, nach Lysop und dem Aufstand in der Kombüse, konnte er nicht noch mehr ertragen, was seine Entscheidung wieder ins Wanken bringen konnte. Aber vielleicht war es dafür auch schon zu spät. Nein, nicht nur vielleicht, Dulacre hatte Recht, Zorro zweifelte. Kaum hatte er diesen Morgen geglaubt, eine endgültige Entscheidung zu treffen, so zweifelte er nun wieder und er war sich nicht mehr sicher, die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Nein, je länger er darüber nachdachte, desto… „Sag, Lorenor“, sprach der Ältere dann schließlich mit seiner ungewohnt rauen Stimme, ohne ihn anzusehen, sondern schien ganz intensiv die Holzwand vor sich zu betrachten, „mir ist da heute Morgen ein Begriff aufgefallen, den du nutztest, nachdem du das kleine Scharmützel zwischen den Smutje und mir unterbrachst und dann wie so typisch für dich den Raum verließt, und er geht mir nicht mehr aus dem Kopf.“ Zorro murrte nur irgendetwas Zustimmendes, wünschte sich, dass Dulacre ihm noch ein paar Sekunden geben würde – nur noch ein paar Sekunden! – damit er diesen flüchtigen Gedanken, der sich in dem Tumult seines Kopfes zu bilden schien, zu Ende denken konnte. „Du sagtest, du wärest es leid, als Bauernopfer behandelt zu werden, erinnerst du dich?“ „Keine Ahnung“, murrte Zorro nach einer Sekunde, als dieser Begriff sein Gedankenkarussell zum Erstarren brachte, ehe es im nächsten Moment noch mehr Fahrt aufnahm, sich den klaren Augen seines Lehrmeisters nur zu gut bewusst, „wie du dich vielleicht erinnerst, war ich ziemlich wütend. Keine Ahnung, was ich alles gesagt habe. Hoffe, ich hab dir in dem Zusammenhang auch mal gesagt, wie beschissen diese Federboa an deinem Hut aussieht.“ Der Samurai lachte leise auf, doch Zorro sprach schnell weiter, ehe der andere etwas sagen konnte, versuchte das Gespräch auf ein weniger gefährliches Thema zu lenken. „Außerdem, nach deinen großen Worten eben, wie kommt es, dass du mir dann heute Morgen nicht nachgegangen bist, hmm? Ich hatte noch so einiges, was ich dir an den Kopf hätte werfen können.“ „Seit wann legst du jedes Wort auf die Goldwaage? Das ist doch sonst mein Fachgebiet“, lachte der andere erneut, ehe er wieder ernst wurde. „Doktor Chopper hatte mich noch nicht entlassen. Überdies hatte ich sichergehen wollen, dass ich mich im Smutje nicht irrte – was ich natürlich nicht tat – denn er wäre derjenige gewesen, der dir hätte nachgehen müssen. Doch er tat es nicht und bestätigte damit nur meine Vermutung, dass er nicht versteht. Ich hatte die leise Hoffnung, dass er wüsste, wie er mit dir umzugehen hat, wenn du emotional wirst, allerdings war er ja ganz offensichtlich überfordert damit. Aber Lorenor, lenk nicht ab.“ Verdammt, natürlich hatte er Zorro durchschaut. Aber es war wohl einen Versuch wert gewesen, denn Zorro hatte eine stille Befürchtung, was für Worte nun folgen würden. Allerdings musste er zugeben, dass er keine Ahnung hatte, warum der Samurai meinte, dass der Koch hätte handeln müssen. Zorro war sich ziemlich sicher, dass er den verdammten Kartoffelschäler ins Meer geworfen hätte, wenn er ihm tatsächlich nachgestiefelt wäre. „Ich erinnere mich sehr wohl daran, dass Eizen diesen Begriff mit einer ermüdenden Regelmäßigkeit verwendet“, sprach Dulacre nun mit seiner typischen leicht herablassenden Stimme, die immer noch heiser klang, aber bei weitem besser als am vergangenen Tag, und bestätigte Zorros Vermutung. „Allerdings bezeichnete er damit niemals dich und auch, wenn ich von deiner Crew nicht wirklich viel halte und sie dich weder kennen noch verstehen, so scheint keiner von ihnen gewillt, dich als Bauernopfer hergeben zu wollen. Ich natürlich genauso wenig und so wie ich dich kenne, würdest du so auch nie von dir denken. Als Opferlamm und nicht als jemand der seine eigenen Entscheidungen fällt; solche Gedanken würden ganz und gar nicht zu dir passen, zumindest nicht mehr.“ Zorro schwieg, zuckte beinahe zusammen. Er hatte es geahnt, hatte geahnt, dass Dulacre selbst die winzigsten Kleinigkeiten aufgreifen würde, verstehen würde, bevor Zorro sie selbst auch nur ansatzweise begriffen hatte. Aber, wenn Dulacre Eizen jetzt ansprach, bedeutete das etwa, dass er …? „Also sag mir, Lorenor, ist es Eizen, der dich nun wie ein Opferlamm zur Schlachtbank führen will…“ Etwas an seiner Stimme ließ Zorro aufhorchen und dann sah der andere ihn direkt an, als er aussprach, was Zorro auf keinen Fall hatte ansprechen wollen. „… oder hast du selbst diesen Weg gewählt?“ „Was?“ Er konnte nichts anderes sagen, ohne dass seine Stimme ihn verraten würde und das, obwohl er sich anscheinend schon am Morgen verraten hatte, ohne es überhaupt gewusst zu haben. Dabei hatte er am Morgen noch nicht mal gewusst, dass es etwas gab, was er hatte verraten können. „Tu nicht so unschuldig, Lorenor.“ Nun klang der andere hart und unbarmherzig, so wie Zorro ihn nur selten sprechen gehört hatte. „Ich habe gestern Abend deinen Blick gesehen, als du mich im Krankenzimmer zurückgelassen hast. Obwohl du mir die Wahrheit sagen wolltest, hast du mir doch eigentlich kaum etwas verraten. Aber was du verraten hast, ist, dass du unzufrieden mit deinem Plan warst und nicht in dessen Gelingen vertraut hast. Also frage ich mich, ob du wirklich keinen Notfallplan hast. Hast du mich vielleicht angelogen und dir sehr wohl eine Alternative überlegt, die du nun gedenkst, anstelle deines ursprünglichen Plans umzusetzen?“ Zorro wandte den Blick ab, als sein Lehrmeister ihn so problemlos durchschaute, obwohl er doch nicht mal mehr wusste, ob er jene verzweifelte Idee überhaupt noch durchführen wollte. „Lorenor, sag mir“, sprach Dulacre weiter und seine Stimme bebte beinahe, „sag mir, als du meintest, dass du bezüglich Eizen alles unter Kontrolle habest, hattest du bereits damals entschieden… Lorenor, ist dein ach so sicherer Plan, dich selbst als Bauernopfer vom Spielfeld zu nehmen, damit, was auch immer Eizen vorhat, nicht Wirklichkeit wird?“ Er schwieg, sah die sorgsam zusammengezimmerten Holzdielen vor sich an, als das Hamsterrad in seinem Kopf zu schlingern anfing. Er hatte noch nicht zu Ende gedacht, wusste die Antwort doch selbst noch nicht. „Antworte mir!“ „Es ist kompli…“ „Das ist es nicht!“, unterbrach Dulacre ihn ungehalten mit seiner brüchigen Stimme und stieß sich von der Reling ab, blieb vor ihm stehen, aber Zorro sah nicht auf. „Hast du denn die vergangenen zwei Jahre gar nichts gelernt?!“ „Naja, es ist nicht so…“ „Ich will deine fadenscheinigen Ausreden nicht hören! Nach allem, nach Bartholomäus Bär, nach Nataku, nach der G6, hast du es denn noch immer nicht verstanden?“ Tief holte der andere Luft und begann dann vor ihm auf und ab zu tigern. „Wie oft muss ich dir es noch sagen, bis du es verstehst, Lorenor?! Wie oft noch?! Ein Plan, der damit endet, dass du dich opferst, ist kein Plan – geschweige denn ein guter – das ist ein verdammtes Selbstmordkommando!“ „Könntest du noch lauter brüllen, damit es auch jeder mitbekommt“, knurrte er und sah nun doch auf. „Oh, das ist dein Problem? Dass deine Crew es hören könnte? Lächerlich!“ Aufschnaubend drehte Dulacre sich weg und fuhr sich durchs Haar, ehe er sich plötzlich doch wieder umwandte. „Ich habe es doch gewusst! Du hattest es wieder vor! Du hattest wieder vor, sie im Unwissenden zu lassen, mich im Unwissenden zu lassen. Du hattest vor, zur Reverie zu reisen und nie zurückzukommen. Du hast mich nicht nur angelogen, um mich und deine Crew zu beschützen, sondern damit du es wieder tun kannst, so wie damals.“ Fassungslos sah der Ältere ihn an, schüttelte immer noch leicht den Kopf, während selbst Zorro unter diesem Blick beinahe erzitterte. „Wäre ich dir nicht nachgekommen, hätte ich nicht gegen unsere Absprache verstoßen, hätte ich dir nicht misstraut, dann hätte ich dich nicht noch ein einziges Mal gesehen, dann hätte ich nichts tun können, um dich aufzuhalten. Ich hätte nichts gewusst, bis es zu spät gewesen wäre. Wieder einmal hätte ich dich verloren.“ Eine Gänsehaut glitt Zorro über den Rücken. Selten sprach der andere so. Sie beiden wussten, was Dulacre für Zorro empfand, aber selten sprach er es so deutlich aus, vielleicht war dies sogar das erste Mal. Nein, das stimmte nicht, es war nicht das erste Mal. Erst vor wenigen Minuten, vor Zorros gesamter Crew, hatte er ähnliches gesagt und auch da hatte es ein ähnliches Gefühl der Hilflosigkeit in Zorro hervorgerufen. Er wusste nicht, wie er mit diesem Dulacre umgehen sollte. Er kannte den wütenden, den herablassenden, den arroganten, den besessenen Dulacre, aber wenn er ihn so ansah, so voller – war es Angst? Konnte ein Mann wie Dulacre überhaupt Angst wahrnehmen? – dann stand vor Zorro ein Fremder, nein, gerade kein Fremder, sondern… Tief holte Zorro Luft. „Nein“, entgegnete er und riss sich zusammen, nicht gewillt sich von den Emotionen des anderen beeindrucken zu lassen, „wenn du mich hättest aussprechen lassen, dann hätte ich dir erklärt…“ „Hättest du mir was erklärt? Was für Nutzen dein toller Plan hat? Dass du alle Vor- und Nachteile miteinander abgewogen hast und dies dein bedauernswertes…“ „Jetzt halt einfach mal die Klappe!“ Nun erhob Zorro sich auch, wollte sich nicht wie ein Rotzlöffel belehren zu lassen. „Das ist der Grund, warum ich dir noch nichts sagen wollte, erstmal selber meine Gedanken sortieren wollte, weil du immer so ein Drama um alles machst!“ „Ja, ich mache ein Drama!“, knurrte nun Dulacre und schritt auf ihn zu. Nichts an ihm war mehr der verletzte Patient, der am Vortag kaum sprechen konnte. Gerade war er wieder einer der mächtigsten Männer der Welt und doch auch ganz anders. „Kannst oder willst du nicht verstehen, wie ich mich gerade fühle? Herauszufinden, dass du… dass du nach all dem was geschehen ist, nach all diesen Jahren, einfach so mir nichts dir nichts vorhast, dich umzubringen. Wie soll ich deiner Meinung nach reagieren? Soll ich das stillschweigend hinnehmen?“ „Du sollst mir zumindest zuhören, verdammt nochmal!“ Zorro verschränkte die Arme. „Du springst hier zu irgendwelchen Schlussfolgerungen, ohne dass ich überhaupt was dazu sagen kann, und machst mir dann auch noch Vorwürfe, ohne dass ich mich überhaupt erklären kann!“ „Ich will keine Erklärungen, Lorenor! Ich will nur die Wahrheit! Hast du die Entscheidung gefasst, dich für deine Crew, für mich, als Bauernopfer umzubringen? Ja oder Nein?“ „So einfach ist das…“ „Ja oder Nein?!“ Dulacre packte ihm am Oberarm und zog ihn zu sich, Zornesfalten entstellten sein Gesicht und seine Augen schienen zu brennen, so grell leuchteten sie. „Ja! Verdammt nochmal!“ Zorro riss sich los. „Ja, ich habe darüber nachgedacht! Natürlich habe ich das! Hast du mir nicht beigebracht, dass ich jede einzelne Strategie durchdenken und dann die beste auswählen muss? Und manche Taktik braucht zum Erfolg nun mal ein Bauernopfer!“ „Eine Taktik, die den König opfert, ist keine Taktik, sondern Kapitulation.“ Dulacre klang unerwartet tonlos, seine raue Stimme brach. Sein Blick hatte jegliches Feuer von vor noch wenigen Herzschlägen verloren. Er sah alt aus, älter als er Zorro je vorgekommen war. Es war keine Enttäuschung, wie er sie schon mal das ein oder andere gezeigt hatte, keine Gekränktheit oder Teilnahmslosigkeit. „Und wenn du immer noch glaubst, dass du nur der Bauer auf diesem Spielfeld seist, Lorenor, dann weiß ich nicht, was ich noch tun kann. Was ich noch tun kann, um dich vom Gegenteil zu überzeugen.“ Er klang… traurig. Zorro wandte den Blick ab, nicht in der Lage diesen Augen auch nur einen Augenblick länger standzuhalten. Wenn er ehrlich war, war es der gleiche Blick, mit dem sein eigenes Spiegelbild ihm im Ausguck begegnet war. Aber damals – was kaum eine Stunde zurücklag – hatte Zorro nicht verstanden, hatte sich selbst nicht verstanden. „Kannst du mir nicht einfach mal nur zuhören?“, murmelte er. „Kannst du mich einfach mal reden lassen, ehe du einfach so aufgibst?“ Ehe du mich einfach so aufgibst? „Dann sprich, Lorenor. Ich bin müde.“ Dulacre wandte sich kopfschüttelnd ab und Zorro den Rücken zu, wie er es sonst nie tat. Zorro konnte nicht verhindern, dass sein Kiefer leicht bebte; er mochte dieses Gespräch nicht. Es war kein Streit mehr, wie sie ihn so oft führten, keine aufgeladenen und aufgestauten Gefühle wie Wut oder Unzufriedenheit. Um ganz ehrlich zu sein, wusste Zorro nicht, was es war, aber er wusste, dass er es nicht mochte, dass er nicht mochte, wie der andere ihn angesehen und dann den Blick abgewandt hatte, wie er klang und wie verdammt beschissen Zorro sich gerade fühlte. Er hatte zuerst den Blickkontakt unterbrochen, aber nun wünschte er sich, dass der andere sich wieder umdrehen würde, eine herablassende Augenbraue hochziehend, ein amüsiertes Schmunzeln auf den dünnen Lippen. Er würde selbst einen Tobsuchtanfall willkommen heißen, so wie der andere ihn eben gepackt hatte, laut geworden war. Doch Zorro wusste, dass das nicht passieren würde, vielleicht sollte er sich glücklich schätzen, dass der andere noch nicht einfach gegangen war, so wie Zorro es angeblich immer tat. Leise seufzte er auf. „Verdammte Scheiße“, murrte er und fuhr sich durchs Haar. „Ich wünschte, du hättest mich damals nie auf diese Versammlung mitgenommen. Dann wäre ich Eizen nie begegnet und wir hätten diese ganzen Probleme nicht.“ Dulacre entgegnete nichts, fragte nicht, bewegte sich nicht, reagierte überhaupt nicht auf Zorros dargebotene Eröffnung, wie er es sonst in jedem Fall getan hätte. Er war nicht wütend, nicht entrüstet, nein, dieser Streit hatte wohl ein ganz neues Level erreicht. Ein Level bei dem Dulacre schwieg und wenn jemand schwieg, der nie die Klappe halten konnte, selbst wenn seine Stimme dabei abkratzte, dann war die Sache wohl wirklich ernst. Kopfschüttelnd seufzte Zorro erneut auf und wandte sich dann ebenfalls ab, sah wieder aufs Meer hinaus. Es wäre ein Leichtes jetzt einfach wütend zu werden, laut zu werden, so wie der andere es eben geworden war, aber wenn er ehrlich war, so hatte er nach den vergangenen Stunden und Tagen absolut keine Lust mehr auf Konflikt und Streitereien. Nein, so müde, wie Dulacre klang, so müde fühlte Zorro sich. Die letzten Tage hatten ihn ausgelaugt, nicht so sehr die Konflikte und Kämpfe mit Piraten und Marine, sondern vielmehr innerhalb der Crew und mit sich selbst. Es stimmte, er stritt wirklich nicht gerne und er hatte keine Lust, jetzt laut zu werden. Am liebsten würde er sich betrinken und alles um Eizen herum einfach mal eine Zeit vergessen, diese ganzen Streitereien einfach mal vergessen, seine eigenen Gedanken und Gefühle einfach mal vergessen. Aber Robin hatte Recht, Zorro würde nicht zur Ruhe kommen, nicht so lange die Dinge waren, wie sie derzeit waren. „Ach, was soll’s“, murmelte er und rieb sich die Schläfen, zögerte jedoch dann, als die Worte nicht einfach kommen wollten, so wie sie auch sonst nie so einfach kamen. „Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll.“ Wieder schwieg der andere und spätestens das zeigte Zorro, wie ernst die Lage wohl war. Normalerweise hätte Dulacre ihm jetzt geraten, einfach mit dem Ersten anzufangen, das ihm in den Sinn kommen würde. Normalerweise würde Dulacre ihn jetzt ermutigen, einfach zu reden, ihm versichern, dass er sich schon bemühen würde, Zorro zu verstehen, selbst, wenn er seine Gedanken nicht gut ausdrücken sollte. Aber das tat er jetzt nicht und irgendwie verunsicherte es Zorro mehr als alles andere bisher. Er war es nicht gewohnt, dass Dulacre schwieg. Er hatte erst ein einziges Mal Zorro bereitwillig angeschwiegen, erst am vergangenen Tag, und bereits da hatte Zorro gefürchtet, den einen Menschen zu verlieren, der nie aufhörte zu versuchen, ihn zum Reden zu bringen. Jetzt klang es so, als hätte Dulacre aufgegeben, als hätte Zorro ihn schließlich doch noch dazu gebracht, ihn in Ruhe zu lassen, so wie er jeden dazu bringen konnte, außer vielleicht Ruffy, wobei Zorro das bei ihm wohl noch nie ernsthaft versucht hatte und das auch nicht vorhatte. Aber bei Dulacre hatte er es oft versucht, viel zu oft und immer ohne Erfolg, hatte es nie geschafft, hatte sich daran gewöhnt, dass er es nicht schaffen würde. Jetzt sah es so aus, als hätte Zorro es letztendlich auch bei ihm geschafft. „Also am Anfang, hmm? Damit soll ich beginnen?“, sprach er weiter, als hätte Dulacre es ihm geraten, obwohl er nicht mal wusste, ob dieser ihm überhaupt zuhörte, aber er war zu müde, um es einzufordern. „Naja, ganz am Anfang, da hatte ich gar keinen Plan, um ehrlich zu sein, wozu auch?“ Seufzend rieb er sich die Hände, obwohl ihm nicht mal kalt war. „Ich hatte keine Ahnung, warum Eizen mich zu diesem Vertrag erpresst hatte, warum er damit gedroht hatte, alle umzubringen, die mir mal begegnet sind, und dir den Titel aberkennen zu lassen, und ganz ehrlich, es war mir auch ziemlich egal. Ich wollte mir darüber keine Gedanken machen und dachte auch, dass er mich eh fallen lassen würde, sobald die Welt die Wahrheit herausfinden würde. Daher brauchte ich nicht wirklich einen Plan. Ich dachte, alles würde enden, sobald ich wieder bei den anderen sein würde. Ich dachte, die Zusammenarbeit zwischen Lady Loreen und Eizen würde nach zwei Jahren automatisch mit ihrer Existenz enden. Also wollte ich mir über ihn keine Gedanken machen, sondern mich nur darauf konzentrieren, stärker zu werden.“ Bis auf den sanften Wellengang war es erschreckend ruhig, kein zustimmendes Brummen, kein genervtes Zungenschnalzen, keine spöttische Nachfrage und kein theatralischer Kommentar, so wie Zorro es sonst gewohnt war. Seit Dulacre auf der Thousand Sunny war, schien es, als würde Zorro den Hauptteil ihrer Gespräche führen, und das war trotz der Verletzung des anderen äußerst ungewöhnlich und nicht weniger unangenehm. „Tatsächlich war ich sogar ein kleines bisschen stolz auf mich, als ich zum Sabaody Archipel kam“, murrte Zorro spöttisch, als er an seine Naivität von vor wenigen Tagen zurückdachte. „Obwohl Eizen mir eigentlich den Rücken runterrutschen konnte, hatte ich mir sogar einen Trick überlegt, nur für den Fall, dachte ich, dass dieser Mistkerl eines Politikers mich doch nicht fallen lassen würde. Ein kleines Druckmittel, um seine Waffen gegen ihn selbst einzusetzen. Ich kam mir richtig gerissen dabei vor.“ Nun seufzte Zorro und vergrub sein Gesicht in den Händen. „Man, was war ich naiv“, gestand er dumpf ein. „Als er mir erklärt hat, was er vorhat… ich war so dumm. Ich hatte so etwas nicht erwartet, verdammt, ich hatte mit gar nichts gerechnet, oder zumindest nicht damit.“ Er hoffte, dass Dulacre nachfragen würde, was er mit damit meinte, hoffte, ihn etwas locken zu können. Aber es funktionierte nicht. Natürlich funktionierte es nicht, als würde Dulacre auf so plumpe Manipulation reinfallen. Dann war es halt so. Dann würde Zorro halt einfach reden und es war ihm egal, ob Dulacre ihn verstehen würde oder nicht. Aber er wusste auch, dass dies nur der Trotz in ihm war, natürlich hoffte er, dass Dulacre seine verworrenen Gedanken verstehen würde. Denn, wenn er es nicht tat, wer könnte es? Zorro mit Sicherheit nicht. „Aber ich war nicht bereit, mich einfach so vor seinen Karren spannen zu lassen“, murrte er also unzufrieden über die Situation. „Schließlich hatte ich mich in den Mist reingeritten und ich wollte es auch lösen. Ich… ich dachte, ich könnte Eizen aufhalten, ohne meine Freunde oder dich zu gefährden.“ Er konnte das Rascheln von Kleidung hören, aber immer noch schwieg der andere und Zorro ignorierte es, betrachtete weiterhin das weite Meer. „Und eigentlich war ich mir auch echt ziemlich sicher; ich hatte einen Plan, einen guten Plan. Ich war mir echt sicher, dass ich Eizen zu Fall bringen könnte. Tja, und dann tauchst du auf, du mit deinem Schachspiel und deinen großen Reden, und plötzlich…. Ich weiß nicht, aber wenn man’s genau nimmt, ist das eigentlich alles deine Schuld.“ Nun erntete er zum ersten Mal eine Reaktion, ein verächtliches Schnauben, aber das war ihm egal. Es war nun mal die Wahrheit, ob sie diesem Mistkerl passte oder nicht. „Nein ehrlich, ich war echt überzeugt von meinem Plan, aber dann rufst du an, du mit deinem verdammten Alkohol. Redest über Vertrauen, nur um dann diesen riesigen Aufstand über Eizen zu machen. Als wüsste ich nicht selber, wie gefährlich er ist. Als hätte ich das alles nicht getan, um zu verhindern, dass er dir deinen beschissenen Samuraititel aberkennen lässt, und trotzdem hast du es geschafft! Hast mich zweifeln lassen. Was ist, wenn mein Plan schief geht? Was ist, wenn ich Mist baue? Dann war alles umsonst, dann hat Eizen mich am Wickel oder alle sind tot und glaubst du, dass es das ist, was ich will?“ Er zögerte. „Und dann hast du auch noch angefangen Blut zu spucken und… und ich… ich habe erkannt, was mein Plan für einen Preis hat, was für ein Risiko besteht, wenn er schief gehen sollte, und ich habe einen Weg gesucht, einen anderen Weg. Ich musste einen anderen Weg finden, der nicht alles aufs Spiel setzt, was mir wichtig ist.“ Wieder zögerte er. „Also, wenn du mich fragst, ob ich auf Applenine schon überlegt hatte, das Bauernopfer zu spielen, dann nein. Denn als ich mit dir stritt, war ich noch überzeugt davon, dass mein Plan gut sei. Aber das bin ich mittlerweile nicht mehr, so ganz und gar nicht mehr.“ Immer noch war es so unangenehm still, sobald Zorro den Mund schloss. Eigentlich mochte er die Ruhe, eigentlich bevorzugte er die Stunden im geeinten Schweigen vor langwierigen Reden, aber seit jenem Tag auf dem Sabaody Archipel war die Stille unangenehm laut, konnte nur durch Worte aushaltbar gemacht werden. Aber Dulacre sprach nicht, half ihm kein bisschen, das Gedankenwirrwarr in seinem Kopf zu ordnen, also musste Zorro das selbst übernehmen. „Aber ja, nachdem du zusammengebrochen bist, da habe ich… Wenn ich tot wäre, dann könnte Eizen mich nicht mehr mit euch unter Druck setzten und es würde ihm nichts mehr bringen, die anderen anzugreifen. Außerdem macht er nichts ohne Zweck und Nutzen, also bin ich mir relativ sicher, dass er seine Drohung nicht aus Rache wahrwerden lassen würde, sollte ich nicht mehr da sein. Also habe ich über diese Alternative nachgedacht, habe die Vor- und Nachteile abgewogen, so wie du es mir beigebracht hast.“ Er zögerte. „Nein, das stimmt nicht. Ich habe nicht wirklich abgewogen, weil das würde bedeute, ich hätte beide Möglichkeiten miteinander verglichen, und das habe ich nicht. Ich wünschte, ich könnte sagen, ich hätte meinen Plan ohne jegliche Zweifel verfolgt, aber das stimmt nicht, das stimmt ganz und gar nicht.“ Das Meer vor ihm war ruhig, sanfte Wogen, als wäre es ein wunderschöner Tag, und dass, obwohl Zorro vor den Scherben seiner Zukunft stand. „Die Wahrheit ist, ich habe die ganze Zeit gezweifelt. Schon damals auf Kuraigana, aber ich habe es ignoriert, habe diese Stimme, deine Stimme, ignoriert, die mir sagen wollte, dass Eizen mich nicht ohne Grund erpresst. Doch seitdem er mir seinen Plan verraten hat, da… die Wahrheit ist, Dulacre, ich weiß nicht, was ich tun soll. Ich bin nicht in der Lage, einen vernünftigen Plan auf die Beine zu stellen und ihn aufzuhalten. Deswegen zweifle ich an meinem Plan, weil er schlecht ist, weil er selbst, wenn alles glatt gehen sollte, nicht bedeutet, dass ich erfolgreich sein werde.“ Jetzt zitterten seine Hände, zum ersten Mal seit jenem Gespräch mit Eizen zitterten seine Hände, als er es sich endlich laut eingestand. „Und wenn ich versage, dann… ich darf nicht versagen, verstehst du das? Aber ich bin nicht wie du oder Robin oder Nami, ich kann einfach keine komplexen Pläne schmieden, um ein gerissenes Superhirn wie Eizen in seine Schranken zu weisen. Er wird meinen Plan durchschauen und dann werde ich scheitern und alle werden sterben.“ Tief atmete er ein, ernüchtert über seine Naivität. „Ich war arrogant genug, zu glauben, dass ich alle würde beschützen können, indem ich Eizen in seinem eigenen Spiel schlage und habe über die Schachzüge hinweg vergessen, was überhaupt der Einsatz ist. Aber du hast mir das wieder in Erinnerung gerufen. Du hast mich an das Gefühl erinnert, als Bär sie damals alle hatte verschwinden lassen, und nach vorgestern, verdammt nach gestern, kann ich das nicht nochmal fühlen, so stark bin ich nicht. Ich kann das nicht nochmal.“ Obwohl er diese wilden und fremden Emotionen in sich spürte, war Zorro ganz ruhig, so wie am vergangenen Abend, als würde er schon wieder beichten. Er verstand nicht, warum er sich so ruhig fühlte, aber das Gedankenkarussell in seinem Kopf war nicht mehr ganz so schnell wie zuvor. „Nach gestern wurde mir bewusst, wie sehr ich an meinem Plan zweifle, wie riskant er einfach ist, und ich habe überlegt, ob ich irgendeine Alternative habe, und die habe ich; objektiv betrachtet ist mein Tod eine Alternative, um Eizen aufzuhalten, ohne alle zu gefährden, die mir wichtig sind.“ Für einen Moment konnte er hören, wie der andere Luft holte, aber entgegen Zorros Hoffnung sagte er nichts, sagte selbst jetzt noch nichts, obwohl Zorro seine Vorwürfe bestätigt hatte. Dulacres Schweigen zwang ihn dazu, weiterzureden, weil die Stille sonst wieder zu laut wurde. „Also ja, es stimmt, ich habe tatsächlich mit dem Gedanken gespielt, habe abgewogen – so wie du es mir beigebracht hast – habe überlegt, ob trotz allem, was ich mittlerweile besser weiß als damals, es der beste Weg wäre. Und das war schwierig für mich, weil ihr alle auf mich einredet, ohne überhaupt die leiseste Ahnung zu haben, was los ist, also musste ich das mit mir selbst ausmachen. Ich wollte die Entscheidung selbst fällen, denn natürlich war mir klar, dass keiner von euch objektiv an die Sache drangehen würde.“ Er zuckte mit den Schultern. „Es ist halt genauso, wie du gesagt hast. Keiner von euch würde zulassen, dass sich die G6 wiederholen könnte, aber das bedeutet auch, dass keiner von euch – noch nicht mal du – bereit wäre, meine Optionen unvoreingenommen abzuwägen. Deshalb habe ich nichts gesagt, nicht um dich zu belügen, sondern weil ich meine eigene Entscheidung treffen wollte, ohne von euren Emotionen beeinflusst zu werden. Ich musste doch erst einmal selbst verstehen, was ich denke.“ Er konnte schwere Schritte hören. Dulacre musste direkt hinter ihm stehen, aber immer noch sagte er nichts und Zorro hatte keine Ahnung, was er wohl denken musste, für wie schwach er Zorro wohl halten musste, für wie dumm er Zorro wohl halten musste. „Und die Wahrheit ist… ja, ich wollte das Bauernopfer spielen. Nach gestern Abend… Verdammt, nach heute Morgen, da war ich überzeugt davon, dass dieser Weg der einzige ist, mit dessen Konsequenzen ich würde leben können, selbst wenn er schief gehen würde, weil ich alles – wirklich alles – in meiner Macht Stehende versucht hätte. Aber das heißt noch lange nicht, dass ich mit dieser Entscheidung zufrieden war, denn das war ich nicht. Das kannst du mir ruhig glauben. Es war ein Scheißgefühl.“ Der Samurai schnalzte leise mit der Zunge, mehr nicht. „Und du machst es auch nicht besser, weil du natürlich heute Morgen nochmal zeigen musstest, was für ein besessener Mistkerl du bist, und dich wegen irgendeinem unnötigen Scheiß mit dem Koch anlegen musst. Ich war echt wütend darüber - scheiße, ich bin wütend darüber – aber es hat mir auch klar gemacht, dass selbst mein Bauernopfer riskant ist, nicht wahr? Denn wer weiß schon, was du tun würdest, wenn du es aus der Zeitung erfahren würdest? Was würdest du wohl tun, wenn du erfahren würdest, dass ich gestorben wäre?“ Der andere schwieg. „Weißt du, Ruffy würde alles tun, um ein Crewmitglied zu retten, aber er ist niemand, der für Rache lebt. Du hingegen…, wir beide wissen, dass du Scheiße bauen würdest, dass du in einer solchen Situation deine Rache haben wollen würdest, aber nachdem du den Koch so angegangen bist… Wer weiß schon, was du tun würdest.“ Zorro seufzte leicht entnervt auf. „Ob es mir passt oder nicht, ich kann nicht verhindern, wie du mit deinem Titel umgehst, dass du ihn gefährdest, nur um mich über Eizen auszufragen. Ich kann nicht verhindern, dass du dich mit der Weltregierung anlegen würdest und ich könnte erst recht nicht verhindern, wenn du Eizen für meinen Tod zur Rechenschaft ziehen wollen würdest. Das alles sind deine Entscheidungen und sie gehen mich nichts an. Aber nach heute Morgen frage mich, wen du verantwortlich machen würdest? Sag du es mir. Würde mein Bauernopfer wirklich meine Crew retten oder würde es nur ändern, wer ihr Leben bedroht?“ Er meinte es nicht vorwurfsvoll, es war einfach nur eine ehrliche Vermutung, und dennoch, Dulacre schwieg, stritt es nicht ab, stritt es noch nicht mal ab. „Du würdest ihnen im Zweifel die Schuld geben, nicht wahr? So, wie du ihnen für alles, was bisher geschehen ist, die Schuld gibst.“ Er zuckte leicht mit den Schultern. „Also sag mir, was ich in dieser beschissenen Situation tun soll? Mein ach so genialer Plan ist zum Scheitern verurteilt und meine Notlösung wird niemanden wirklich retten. Ich meine, wenn ich mal ehrlich bin, was habe ich mir gedacht? Dass ich mich wirklich unbemerkt abseilen kann, ohne dass du oder die anderen es bemerken würden? Tze, bitte, natürlich würdest du mich durchschauen – so wie du es ja auch gerade getan hast – und ganz ehrlich, du wärest mit Sicherheit nicht der Einzige.“ Seufzend raufte er sein Haar, wunderte sich fast gar nicht mehr, warum Dulacre nicht redete, so war es also, so waren ihre Gespräche nun also. „Ich denke, dass wir beide in diesem Punkt falsch lagen. Denn du bist nicht der Einzige, der mich kennt und ganz ehrlich, du bist wahrscheinlich auch nicht der Einzige, der mich durchschaut. Auch wenn du die anderen nicht ausstehen kannst, ich bin mir ziemlich sicher, dass sie es auch schnallen würden, und je länger ich darüber nachgedacht habe, desto mehr habe ich meinen Plan B dann auch wieder angezweifelt. Selbst, wenn du nichts Dummes tun würdest – und das ist schon ein verdammt großes Wenn – Ruffy ist nun mal ein Vollidiot, der solche Dinge mit Sicherheit nicht objektiv bewerten würde. Ruffy ist jemand, der alles tun würde, um ein Crewmitglied zu retten, ganz gleich, was das für Folgen haben würde, so wie er es immer getan hat, so wie wir es immer getan haben.“ Er schloss sein Auge, um einen Moment dieser friedlichen Idylle zu entfliehen, die nichts mit dem Chaos in ihm zu tun hatte. „Seien wir doch mal ehrlich. Wenn ich so mir nichts, dir nichts verschwinden würde, dann… dann würden die anderen eins und eins zusammenzählen – du weißt mit Sicherheit genau wie ich, dass mein Geheimnis nicht so geheim ist, wie ich gerne hätte – und ich weiß genau, dass Ruffy dann kommen würde. Ruffy und die anderen würden nach Mary Joa kommen, um mich zu retten.“ Kopfschüttelnd rieb er sich nun mit beiden Händen durchs Gesicht. „Aber was ist, wenn sie versagen würden? Was ist, wenn sie nicht rechtzeitig kämen oder noch schlimmer, wenn sie rechtzeitig kämen, aber es nicht verhindern könnten? Was ist, wenn ich vor ihren Augen sterben würde, genauso wie Ruffy bereits Ace verloren hat? All das hatte ich vorher nicht bedacht, all das hätte ich früher nicht bedacht.“ Leise lachte er auf, aber lustig fand er die Situation nicht, eher belächelte er seine eigene Dummheit, und er hatte wirklich geglaubt Eizen hereinlegen zu können? „Ja, du hast Recht, heute Morgen dachte ich wirklich, dass ich euch alle beschützen könnte, wenn ich mich als Bauernopfer aufgeben würde. Ich dachte, dass ich mir dann nichts mehr vorzuwerfen hätte, weil was mehr hätte ich schon opfern können als mein Leben? Ihr würdet eine schwere Zeit haben, aber ich hätte reinen Gewissens sterben können, zumindest habe ich mir das eingeredet. Aber die Wahrheit ist, ich weiß doch ganz genau, wie es sich anfühlt, jemanden nicht retten zu können, jemanden zu verlieren. Zu sterben, um euch zu beschützen, bedeutet euch die Konsequenzen meines Handelns aufzubürden, euch die Last meiner Schuld aufzulegen. Ich hätte ein reines Gewissen und würde euch allen mit Schuldgefühlen zurücklassen. Genau wie ich fühlen du und die anderen doch auch. Keiner von uns möchte so etwas nochmal durchmachen, aber irgendwie habe ich gar nicht über eure Gefühle nachgedacht.“ Er seufzte. „Ich wollte einfach nur, dass es wieder einfach wird, wie damals, als meine Pläne und Entscheidungen mich nicht so überfordert haben und alles einfacher war. Aber eigentlich will ich doch gar nicht mehr der schlichte Muskelprotz von damals sein. Ich bin gerne, wer ich jetzt bin, ich mag, dass ich Robins gewitzte Kommentare verstehe, unsere Feinde durchschaue oder dass ich mit dir über die verschiedenen Techniken diskutieren kann. Aber irgendwie… irgendwie bin ich in alte Denkweisen, in alte Muster zurückgefallen. Ich stehe vor einem unlösbaren Problem und dachte, mein Tod wäre die beste Lösung, nur weil es die einfachste ist, obwohl ich doch genau weiß, dass es keine echte Lösung ist. Aber was soll ich sonst tun?“ Kopfschüttelnd legte er seinen viel zu schweren Kopf wieder auf seinen Unterarmen ab. „Ich will nicht sterben, nicht so und nicht vergebens, nicht so sinnlos. Natürlich möchte ich leben und noch ganz viele Abenteuer mit den anderen erleben und ganz oft gegen dich kämpfen und dich besiegen. Ich will wirklich noch nicht sterben. Aber ich kann Eizen auch nicht gewinnen lassen. Aber was bleibt mir dann übrig? Mein ursprünglicher riskanter Plan? Ein schwächlicher Abklatsch eines Plans, mit dem ich alle Leben riskiere, die mir wichtig sind? Ein Plan, von dem ich weiß, dass er nicht aufgehen wird? Du kannst so wütend auf mich sein, wie du willst, es ist mir egal. Denn wenn ich keine Lösung finde, dann weiß ich eh nicht mehr, was ich noch tun soll. Ich weiß einfach nicht, was ich tun soll. Ich weiß es nicht.“ Jetzt schwieg auch Zorro, sein Hamsterrad hatte angehalten, als er die Wahrheit endlich verstand, sich selbst endlich verstand, diese Hilflosigkeit endlich verstand. Er wusste nicht, was er tun sollte. Er wusste nicht, wie er Eizen überhaupt noch aufhalten sollte, und deswegen fühlte er so, wie er fühlte. Nun war es still und Zorro wusste nicht mehr, wie er diese Stille noch füllen sollte. Gleichzeitig fürchtete er sich beinahe vor dem Urteil, welches ihn nun erwarten würde. Solange Zorro geredet hatte, hatte der andere – hoffentlich – zugehört, aber jetzt würde Zorro seinem Hohn, seinem Zorn und seiner Enttäuschung ausgesetzt sein, sollte der Samurai ihm überhaupt noch eine Reaktion opfern. „Lorenor?“ Er erzitterte unter der Sanftheit, mit der Dulacre seinen Namen aussprach, als er ihm eine Hand auf die Schulter legte. „Habe ich als dein Lehrmeister etwa so sehr versagt?“ Trotz der sanften Stimme des anderen schnitten seine Worte schärfer, als selbst sein Schwert es gekonnt hätte. „Hast du denn immer noch nicht verstanden, dass du in solchen Momenten der Hilflosigkeit nicht alles alleine lösen musst?“ Er mochte nicht, wie zerbrechend behutsam der andere klang. „Oh, Lorenor, wenn du nicht weiter weißt, dann wende dich doch bitte an mich oder an deine Crew, zumindest an deinen Kapitän. Vielleicht hast du Recht und es gibt keinen richtigen Weg, keine zweifelsfreie Strategie, aber vielleicht würde einem von uns ja doch etwas einfallen.“ Zorro schloss sein Auge. „Lorenor, du magst damals den Vertrag mit Eizen unterschrieben haben, aber das heißt nicht, dass du dich ganz alleine dem stellen musst, was auch immer dich erwartet. Du weißt, dass ich nie zulassen würde, dass dir jemand ein Leid zufügt, und unbeachtet dessen, wie wenig ich von deiner Crew halte, so würden sie dir doch gewiss helfen, wenn du uns nur die Wahrheit sagst.“ Aber das war genau das Problem. „Ich kann nicht“, flüsterte Zorro und gestand sich seine größte Schwäche ein. „Warum nicht?“, fragte Dulacre, immer noch so sanft, wie Zorro es nicht verdient hatte. „Lorenor, bitte sprich mit mir. Bitte sage mir, was dich so sehr zweifeln lässt, dass du sämtliches Vertrauen in dein Können verlierst, was dich so sehr in die Enge treibt, dass du bereit warst, zu sterben, ohne überhaupt eine Alternative in Betracht zu ziehen.“ Er zögerte, doch dann sprach er es einfach aus. „Ich habe Angst.“ Zorro vergrub sein Gesicht in seinem Unterarm, konnte seine eigene Schwäche kaum ertragen. „Ich habe so unglaubliche Angst, Dulacre. Seit ich wieder bei den anderen bin, fühle ich kaum noch was anderes. Ich habe Angst davor, sie zu verlieren, wenn ich ihnen die Wahrheit sage, wenn sie herausfinden, wer und was ich bin und dass ich ihnen damals nicht die Wahrheit gesagt habe. Ich habe Angst, sie zu verlieren, wenn ich ihnen nicht die Wahrheit sage, und sie mir nach und nach alle misstrauen. Ich habe Angst, dass die Crew meinetwegen zerbricht, weil ich mich nicht zusammenreißen kann und meine Crewmitglieder wie ein in die Enge getriebenes Biest angreife, nur weil sie sich um mich sorgen. Ich habe Angst, dass ich mich falsch entscheide und dann alle verliere, die mir wichtig sind. Ich habe Angst, dass Eizen seinen Plan umsetzt und ich wie sein Püppchen nach seiner Pfeife tanze. Für zwei Jahre dachte ich, ich wäre in der Lage mit Eizen alleine fertig zu werden, doch die letzten Tage hatte ich nur Angst, dass ich alle verlieren könnte, wenn irgendwer die Wahrheit herausfindet. Du willst, dass ich den anderen die Wahrheit sage, aber wenn ich das tue, dann könnten sie sterben.“ Er schüttelte seinen Kopf, zwang sein schnell schlagendes Herz zur Ruhe. „Mir war nicht bewusst, dass es Angst ist. Ich dachte, es ist mein Monster – wie du gesagt hast – weil es während der Kämpfe besser war und weil ich die ganze Zeit so gereizt war wie damals. Außerdem sind wir Piraten, wir führen ein gefährliches Leben, und ich habe doch keine Angst vor Gefahr, ich habe doch keine Angst vor einem Mistkerl wie Eizen. Trotzdem, all das hat nicht erklärt, warum der Koch mich so einfach auf die Palme bringen konnte, und… dann bist du zusammengebrochen und ich… es ist so, als würde ich die ganze Zeit in einem viel zu eng geschnürten Korsett rumlaufen. Ich verstehe meine eigenen Gedanken nicht und erkenne mich selbst kaum wieder, weil alles von dieser Angst überlagert ist.“ Tief holte er Luft, aber sprach weiter, als Dulacre zum Reden ansetzte. „Ich weiß, was du sagen willst, aber du weißt nicht, was es für Folgen hat.“ „Nein, das weiß ich nicht“, bestätigte Dulacre hinter ihm, immer noch so sanft, „und deine Situation scheint wirklich kompliziert. Viel komplizierter und vielschichtiger, als ich sie gesehen habe.“ Dann seufzte der Ältere: „Mir war natürlich bewusst, dass du dich erst wieder in die gewohnte Umgebung deiner Crew eingewöhnen musstest, aber ich hatte nicht darüber nachgedacht, wie schwierig es für dich sein würde, dabei nicht in alte Gewohnheiten zu verfallen, sobald du in brenzlige Situationen kommst. Ich hätte mir darüber im Klaren sein müssen, dass du dich wie früher verhalten würdest, wenn du mit dem Rücken an der Wand stehst. Schließlich ist diese Crew ja auch deine Vergangenheit und in der Vergangenheit hast du deine Probleme stets auf die gleiche Weise gelöst.“ Dann wurde der Griff auf Zorros Schulter fester. „Aber ich erlaube dir nicht, an deinen Ängsten und Zweifeln zu zerbrechen, Lorenor“, urteilte er entschieden. „Es mag sein, dass deine Situation aussichtslos ist, es mag sein, dass wir keinen Weg haben, Eizen aufzuhalten, und es mag sein, dass die Wahrheit alles zerstören wird, was dir wichtig ist. All das mag sein und dennoch sehe ich keinen Weg, wie du die Wahrheit noch viel länger verheimlichen kannst.“ Zorro wollte dem widersprechen, wollte es nicht hören, aber dennoch wusste er, dass Dulacre wohl recht hatte, und dennoch, sollte der andere ihn nun… „Aber ich werde dich nicht drängen. Ich zweifle, dass deine schlimmsten Befürchtungen eintreten werden, aber ich werde dich nicht zwingen, mir oder deiner Crew die Wahrheit zu verraten.“ „Was?“ Mehr als perplex schaute Zorro auf, hatte er doch erwartet, dass Dulacre es aus ihm herausschütteln würde. Zu seiner Überraschung lächelte Dulacre jedoch. „Es tut mir leid, dass ich dich zu Beginn nicht habe aussprechen lassen, Lorenor. Mir war nicht bewusst, wie prekär deine Situation ist, und meine eigenen Emotionen haben mich gehindert, zu sehen, was für einen inneren Kampf du wohl bestreiten musst.“ Dann nickte er sachte. „Ich danke dir, dass du dir so viele Worte genommen hast, um mir deine Situation zu erklären; mir ist bewusst, wie unangenehm dies für dich gewesen sein muss und das erkenne ich an. Aber trotz allem bin ich froh, dass ich dich wieder einmal unterschätzt habe. Dir mag es nicht bewusst sein, weil du wohl das Gefühl hast, in deiner eigenen Angst zu ertrinken, aber ich sehe, was für eine gewaltige Entwicklung du die letzten paar Tage gemacht hast, auch wenn du zunächst in alte Muster verfallen bist. Ja, du hast dich wirklich verändert, endlich verstehst du, was ich dir damals im East Blue versucht habe zu erklären. Ich bin wirklich erleichtert, dass du nun endlich leben willst, selbst wenn es der schwierigere, der riskantere Weg sein sollte. Auf diesen Tag habe ich lange gewartet, hat ja auch lange genug gedauert.“ Zorro konnte spüren, wie seine Wangen warm wurden, also sah er an Dulacre vorbei auf die Rückwand vom Krankenzimmer und winkte ab. Jetzt, da der andere es so deutlich aussprach, war ihm beinahe unangenehm, wie ehrlich er seine Gefühle und Gedanken gestanden hatte. „Tze, übertreib mal nicht, ist ja nicht so, als hätte ich solche Pläne je toll gefunden, sie schienen mir halt einfach immer pragmatischer.“ Dann entschied er das Thema zu wechseln, wollte nicht, dass Dulacre ihn weiterhin so ansah, wie er es gerade tat. „Außerdem du weißt doch, je mehr ich reden muss, desto dümmer stellst du dich in der Regel an, und wenn du mich am Anfang einfach hättest aussprechen lassen, dann hätte ich mir auch nicht den Mund fusselig reden müssen. Aber nein, du musstest ja einen Aufstand machen, als würde ich mir eine Klinge an die Kehle halten.“ Dulacre zog eine missbilligende Augenbraue hoch, aber sein Schmunzeln blieb und Zorro merkte, wie es ihm leichter fiel zu atmen. Die Spannung schien gebrochen, Dulacre verurteilte ihn nicht, er verstand, und das, obwohl Zorro ihm nichts gesagt hatte. Dulacre verzieh ihm sein Verhalten, ohne überhaupt genau zu wissen, warum Zorro sich so benahm. Er forderte die Wahrheit nicht von ihm ein, so wie er es sonst immer getan hatte. „Du kannst dich noch so lustig über mich machen, Lorenor, aber verkenne nicht, dass meine Sorge berechtigt war. Ob nun in guten oder in schlechten Absichten, ich habe dich davor bewahrt, einen großen Fehler zu begehen, den wir alle bereut hätten.“ „Einen Scheiß hast du“, widersprach Zorro aufschnaubend, sah nicht ein diesem Mistkerl eines Samurais die Lorbeeren seines Grübelns zu gönnen. „Ich habe mir den Kopf zerbrochen. Du hast nur meine Freunde aufgewiegelt und dem Koch beinahe eine neue Frisur verpasst.“ „Und hätte ich das alles nicht getan, hättest du nie verstanden, auf was für einem gefährlichen Pfad du dich erneut begeben hattest“, entgegnete der Samurai unbeeindruckt, wie immer nicht gewillt klein bei zu geben. Aber Zorro genauso wenig. „Ach, wenn du doch alles so viel besser weißt, warum dann diese Intrige? Warum sprichst du mich nicht einfach an? Das war genau wie beim Schachspielen auf Applenine, anstatt mir die Wahrheit zu sagen, spielst du mir so ein Puppentheater vor. Wenn du ein Problem hast, sag es mir ins Gesicht, anstatt mich unter fadenscheinigen Ausreden auf irgendeine Insel zu locken oder meinen Freunden Vorwürfe zu machen, nur weil du denkst, ich wäre zu blöd, um dir zuzuhören.“ „Und du glaubst, dass das so einfach ist?“ Nun schnaubte der andere leise auf und schüttelte den Kopf. „Was?“ Verwirrt sah Zorro ihn an. „Was denn, Lorenor? Obwohl du mir gerade beinahe unter Tränen gestanden hast, dass du Angst davor hast, deiner Crew – und sogar mir – die Wahrheit zu sagen, denkst du, ich könnte dir einfach so direkt die Wahrheit ins Gesicht sagen, als hättest nur du Ängste? Tze. Unverbesserlich, wie eh und je.“ „Was soll der Scheiß denn jetzt schon wieder heißen?“, murrte Zorro. Gerade Dulacre war niemand der Angst vor der Wahrheit hatte. Im Gegenteil, meist hatte dieser Mistkerl doch kein Problem damit, seine Meinung jederzeit und ungefragt kundzutun und dabei fand er gerne recht deutliche Worte und übte selten Rücksicht gegenüber anderen. Eine Eigenschaft, die Zorro sowohl mochte als auch nervig fand. „Das soll heißen, dass du nicht der einzige Mensch bist, dem es in manchen Situationen schwer fällt, einfach geradeheraus und unverblümt die Dinge anzusprechen, Probleme zu benennen, die Wahrheit einzugestehen. Wie viel Überwindung es den Smutje – möge er in der Hölle schmoren – gekostet haben muss, einen Sturkopf wie dich zur Rede zu stellen. Kein Wunder, dass er nun so verunsichert ist, wenn du ihm doch verbal den Kopf abreißt; er könnte einem beinahe leidtun, wenn er es nur wert wäre.“ Zorro mochte nicht, wohin sich dieses Gespräch entwickelte. Der Samurai beabsichtigte ganz offensichtlich ihm eine weitere Lektion zu erteilen und wenn er dafür sogar den Koch aus dem Ärmel zog, konnte Zorro sich wohl warm anziehen. Aber er hatte nicht vor, sich von dem anderen belehren zu lassen, insbesondere nicht, wenn es um seine Crew ging. „Na und, was kümmert dich der verdammte Koch? Du bist doch normalerweise nie um ein Wort verlegen und nimmst erst recht kein scheiß Blatt vor den Mund, selbst, wenn es die Sache nur noch komplizierter macht.“ „Wohl wahr, und wenn wir schon dabei sind, deine Ausdrucksweise heute lässt schon den ganzen Tag über sehr zu wünschen übrig, aber…“ „Ach, leck mich doch.“ „Aber…“, sprach der andere nun betont weiter, „… selbst ich habe meine Grenzen. Es ist leicht, direkt zu sein, wenn man nichts zu verlieren hat. Aber Ehrlichkeit bedeutet auch, sich angreifbar zu machen, sich verwundbar zu machen – nicht wahr, Lorenor? Oder warum zierst du dich so davor, mir zu sagen, was Eizen denn nun vorhat? - und natürlich gibt es nur wenige Dinge, die mir wichtig genug sind, als dass man mich damit verletzen könnte, aber du gehörst nun mal dazu, ob ich will oder nicht.“ „Ob du willst oder nicht? Was bedeutet das denn jetzt schon wieder?“ Zorro entschied auf den ganzen anderen Rest nicht einzugehen, sondern seine genervte Stimmung beizubehalten, die ihm deutlich angenehmer war als die Verunsicherung von vor wenigen Minuten. Außerdem war er wirklich entnervt, er hatte gerade Dulacre seine größten Ängste gestanden, sich vor ihm absolut bloßgestellt, und jetzt wollte dieser Mistkerl ihm die Schuld geben, wenn Dulacre die ganze Zeit um den heißen Brei herumredete? „Ach, Lorenor“, stöhnte der andere nun auf und schüttelte mit einem schwachen Lächeln den Kopf, „du bist manchmal so naiv wie ein kleines Kind. Tze, du machst es mir wirklich nicht leicht.“ „Was?“, murrte Zorro, während Dulacre nun leise aufseufzte und sich mit verschränkten Armen wieder neben ihn an die Reling lehnte. „Was soll das? Ich habe keine Ahnung wovon du redest und ich habe keine Ahnung, wie wir hierhin gekommen sind. Aber was auch immer dein Problem ist, sag es doch einfach, anstatt mich mit so was abzuspeisen.“ „Na, du bist ja lustig“, bemerkte der andere immer noch mit diesem schwachen Lächeln und sah aus dem Augenwinkel zu ihm hinab, „genauso gut könnte ich das dir sagen, Lorenor, ist dir das bewusst? Wir drehen uns hier gerade im Kreis, weil du etwas von mir verlangst, was du selbst nicht bereit bist zu geben.“ „Das ist was anderes“, murrte Zorro, „ich will einfach nur wissen, was dein Problem ist, aber…“ „Glaubst du wirklich, ich hätte keine Ängste, Lorenor?“ Kapitel 24 – Veränderung   -Zorro- Er konnte hören, wie Franky wieder übers Deck polterte, vermutlich hatte er mal einen Blick in den Bereitschaftsraum werfen müssen, indem sie ihren Gefangenen sicher verstaut hatten. Seit einigen Minuten schwieg der Samurai und Zorro wusste nicht, ob es ihm recht war oder nicht. Zum einen gab es ihm Zeit, nachzudenken, zu verstehen, sich selbst zu verstehen. Auf der anderen Seite fiel es ihm in dieser Stille unglaublich schwer, seine Gedanken überhaupt zu erfassen, geschweige denn zu sortieren. Gleichzeitig wusste er, dass der Samurai nur auf den richtigen Moment wartete, um anzusprechen, was auch immer für ihn anzusprechen war. Also wartete Zorro, versuchte die Zeit zu nutzen, seine verworrenen Gedanken zu klären, erfolglos. Eine Stimme in seinem Kopf wollte, dass er aufstand und ging, dem Samurai nicht erlaubte, eine erneute Diskussion heraufzubeschwören. Denn nach dem, was eben geschehen war, nach Lysop und dem Aufstand in der Kombüse, konnte er nicht noch mehr ertragen, was seine Entscheidung wieder ins Wanken bringen konnte. Aber vielleicht war es dafür auch schon zu spät. Nein, nicht nur vielleicht, Dulacre hatte Recht, Zorro zweifelte. Kaum hatte er diesen Morgen geglaubt, eine endgültige Entscheidung zu treffen, so zweifelte er nun wieder und er war sich nicht mehr sicher, die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Nein, je länger er darüber nachdachte, desto… „Sag, Lorenor“, sprach der Ältere dann schließlich mit seiner ungewohnt rauen Stimme, ohne ihn anzusehen, sondern schien ganz intensiv die Holzwand vor sich zu betrachten, „mir ist da heute Morgen ein Begriff aufgefallen, den du nutztest, nachdem du das kleine Scharmützel zwischen den Smutje und mir unterbrachst und dann wie so typisch für dich den Raum verließt, und er geht mir nicht mehr aus dem Kopf.“ Zorro murrte nur irgendetwas Zustimmendes, wünschte sich, dass Dulacre ihm noch ein paar Sekunden geben würde – nur noch ein paar Sekunden! – damit er diesen flüchtigen Gedanken, der sich in dem Tumult seines Kopfes zu bilden schien, zu Ende denken konnte. „Du sagtest, du wärest es leid, als Bauernopfer behandelt zu werden, erinnerst du dich?“ „Keine Ahnung“, murrte Zorro nach einer Sekunde, als dieser Begriff sein Gedankenkarussell zum Erstarren brachte, ehe es im nächsten Moment noch mehr Fahrt aufnahm, sich den klaren Augen seines Lehrmeisters nur zu gut bewusst, „wie du dich vielleicht erinnerst, war ich ziemlich wütend. Keine Ahnung, was ich alles gesagt habe. Hoffe, ich hab dir in dem Zusammenhang auch mal gesagt, wie beschissen diese Federboa an deinem Hut aussieht.“ Der Samurai lachte leise auf, doch Zorro sprach schnell weiter, ehe der andere etwas sagen konnte, versuchte das Gespräch auf ein weniger gefährliches Thema zu lenken. „Außerdem, nach deinen großen Worten eben, wie kommt es, dass du mir dann heute Morgen nicht nachgegangen bist, hmm? Ich hatte noch so einiges, was ich dir an den Kopf hätte werfen können.“ „Seit wann legst du jedes Wort auf die Goldwaage? Das ist doch sonst mein Fachgebiet“, lachte der andere erneut, ehe er wieder ernst wurde. „Doktor Chopper hatte mich noch nicht entlassen. Überdies hatte ich sichergehen wollen, dass ich mich im Smutje nicht irrte – was ich natürlich nicht tat – denn er wäre derjenige gewesen, der dir hätte nachgehen müssen. Doch er tat es nicht und bestätigte damit nur meine Vermutung, dass er nicht versteht. Ich hatte die leise Hoffnung, dass er wüsste, wie er mit dir umzugehen hat, wenn du emotional wirst, allerdings war er ja ganz offensichtlich überfordert damit. Aber Lorenor, lenk nicht ab.“ Verdammt, natürlich hatte er Zorro durchschaut. Aber es war wohl einen Versuch wert gewesen, denn Zorro hatte eine stille Befürchtung, was für Worte nun folgen würden. Allerdings musste er zugeben, dass er keine Ahnung hatte, warum der Samurai meinte, dass der Koch hätte handeln müssen. Zorro war sich ziemlich sicher, dass er den verdammten Kartoffelschäler ins Meer geworfen hätte, wenn er ihm tatsächlich nachgestiefelt wäre. „Ich erinnere mich sehr wohl daran, dass Eizen diesen Begriff mit einer ermüdenden Regelmäßigkeit verwendet“, sprach Dulacre nun mit seiner typischen leicht herablassenden Stimme, die immer noch heiser klang, aber bei weitem besser als am vergangenen Tag, und bestätigte Zorros Vermutung. „Allerdings bezeichnete er damit niemals dich und auch, wenn ich von deiner Crew nicht wirklich viel halte und sie dich weder kennen noch verstehen, so scheint keiner von ihnen gewillt, dich als Bauernopfer hergeben zu wollen. Ich natürlich genauso wenig und so wie ich dich kenne, würdest du so auch nie von dir denken. Als Opferlamm und nicht als jemand der seine eigenen Entscheidungen fällt; solche Gedanken würden ganz und gar nicht zu dir passen, zumindest nicht mehr.“ Zorro schwieg, zuckte beinahe zusammen. Er hatte es geahnt, hatte geahnt, dass Dulacre selbst die winzigsten Kleinigkeiten aufgreifen würde, verstehen würde, bevor Zorro sie selbst auch nur ansatzweise begriffen hatte. Aber, wenn Dulacre Eizen jetzt ansprach, bedeutete das etwa, dass er …? „Also sag mir, Lorenor, ist es Eizen, der dich nun wie ein Opferlamm zur Schlachtbank führen will…“ Etwas an seiner Stimme ließ Zorro aufhorchen und dann sah der andere ihn direkt an, als er aussprach, was Zorro auf keinen Fall hatte ansprechen wollen. „… oder hast du selbst diesen Weg gewählt?“ „Was?“ Er konnte nichts anderes sagen, ohne dass seine Stimme ihn verraten würde und das, obwohl er sich anscheinend schon am Morgen verraten hatte, ohne es überhaupt gewusst zu haben. Dabei hatte er am Morgen noch nicht mal gewusst, dass es etwas gab, was er hatte verraten können. „Tu nicht so unschuldig, Lorenor.“ Nun klang der andere hart und unbarmherzig, so wie Zorro ihn nur selten sprechen gehört hatte. „Ich habe gestern Abend deinen Blick gesehen, als du mich im Krankenzimmer zurückgelassen hast. Obwohl du mir die Wahrheit sagen wolltest, hast du mir doch eigentlich kaum etwas verraten. Aber was du verraten hast, ist, dass du unzufrieden mit deinem Plan warst und nicht in dessen Gelingen vertraut hast. Also frage ich mich, ob du wirklich keinen Notfallplan hast. Hast du mich vielleicht angelogen und dir sehr wohl eine Alternative überlegt, die du nun gedenkst, anstelle deines ursprünglichen Plans umzusetzen?“ Zorro wandte den Blick ab, als sein Lehrmeister ihn so problemlos durchschaute, obwohl er doch nicht mal mehr wusste, ob er jene verzweifelte Idee überhaupt noch durchführen wollte. „Lorenor, sag mir“, sprach Dulacre weiter und seine Stimme bebte beinahe, „sag mir, als du meintest, dass du bezüglich Eizen alles unter Kontrolle habest, hattest du bereits damals entschieden… Lorenor, ist dein ach so sicherer Plan, dich selbst als Bauernopfer vom Spielfeld zu nehmen, damit, was auch immer Eizen vorhat, nicht Wirklichkeit wird?“ Er schwieg, sah die sorgsam zusammengezimmerten Holzdielen vor sich an, als das Hamsterrad in seinem Kopf zu schlingern anfing. Er hatte noch nicht zu Ende gedacht, wusste die Antwort doch selbst noch nicht. „Antworte mir!“ „Es ist kompli…“ „Das ist es nicht!“, unterbrach Dulacre ihn ungehalten mit seiner brüchigen Stimme und stieß sich von der Reling ab, blieb vor ihm stehen, aber Zorro sah nicht auf. „Hast du denn die vergangenen zwei Jahre gar nichts gelernt?!“ „Naja, es ist nicht so…“ „Ich will deine fadenscheinigen Ausreden nicht hören! Nach allem, nach Bartholomäus Bär, nach Nataku, nach der G6, hast du es denn noch immer nicht verstanden?“ Tief holte der andere Luft und begann dann vor ihm auf und ab zu tigern. „Wie oft muss ich dir es noch sagen, bis du es verstehst, Lorenor?! Wie oft noch?! Ein Plan, der damit endet, dass du dich opferst, ist kein Plan – geschweige denn ein guter – das ist ein verdammtes Selbstmordkommando!“ „Könntest du noch lauter brüllen, damit es auch jeder mitbekommt“, knurrte er und sah nun doch auf. „Oh, das ist dein Problem? Dass deine Crew es hören könnte? Lächerlich!“ Aufschnaubend drehte Dulacre sich weg und fuhr sich durchs Haar, ehe er sich plötzlich doch wieder umwandte. „Ich habe es doch gewusst! Du hattest es wieder vor! Du hattest wieder vor, sie im Unwissenden zu lassen, mich im Unwissenden zu lassen. Du hattest vor, zur Reverie zu reisen und nie zurückzukommen. Du hast mich nicht nur angelogen, um mich und deine Crew zu beschützen, sondern damit du es wieder tun kannst, so wie damals.“ Fassungslos sah der Ältere ihn an, schüttelte immer noch leicht den Kopf, während selbst Zorro unter diesem Blick beinahe erzitterte. „Wäre ich dir nicht nachgekommen, hätte ich nicht gegen unsere Absprache verstoßen, hätte ich dir nicht misstraut, dann hätte ich dich nicht noch ein einziges Mal gesehen, dann hätte ich nichts tun können, um dich aufzuhalten. Ich hätte nichts gewusst, bis es zu spät gewesen wäre. Wieder einmal hätte ich dich verloren.“ Eine Gänsehaut glitt Zorro über den Rücken. Selten sprach der andere so. Sie beiden wussten, was Dulacre für Zorro empfand, aber selten sprach er es so deutlich aus, vielleicht war dies sogar das erste Mal. Nein, das stimmte nicht, es war nicht das erste Mal. Erst vor wenigen Minuten, vor Zorros gesamter Crew, hatte er ähnliches gesagt und auch da hatte es ein ähnliches Gefühl der Hilflosigkeit in Zorro hervorgerufen. Er wusste nicht, wie er mit diesem Dulacre umgehen sollte. Er kannte den wütenden, den herablassenden, den arroganten, den besessenen Dulacre, aber wenn er ihn so ansah, so voller – war es Angst? Konnte ein Mann wie Dulacre überhaupt Angst wahrnehmen? – dann stand vor Zorro ein Fremder, nein, gerade kein Fremder, sondern… Tief holte Zorro Luft. „Nein“, entgegnete er und riss sich zusammen, nicht gewillt sich von den Emotionen des anderen beeindrucken zu lassen, „wenn du mich hättest aussprechen lassen, dann hätte ich dir erklärt…“ „Hättest du mir was erklärt? Was für Nutzen dein toller Plan hat? Dass du alle Vor- und Nachteile miteinander abgewogen hast und dies dein bedauernswertes…“ „Jetzt halt einfach mal die Klappe!“ Nun erhob Zorro sich auch, wollte sich nicht wie ein Rotzlöffel belehren zu lassen. „Das ist der Grund, warum ich dir noch nichts sagen wollte, erstmal selber meine Gedanken sortieren wollte, weil du immer so ein Drama um alles machst!“ „Ja, ich mache ein Drama!“, knurrte nun Dulacre und schritt auf ihn zu. Nichts an ihm war mehr der verletzte Patient, der am Vortag kaum sprechen konnte. Gerade war er wieder einer der mächtigsten Männer der Welt und doch auch ganz anders. „Kannst oder willst du nicht verstehen, wie ich mich gerade fühle? Herauszufinden, dass du… dass du nach all dem was geschehen ist, nach all diesen Jahren, einfach so mir nichts dir nichts vorhast, dich umzubringen. Wie soll ich deiner Meinung nach reagieren? Soll ich das stillschweigend hinnehmen?“ „Du sollst mir zumindest zuhören, verdammt nochmal!“ Zorro verschränkte die Arme. „Du springst hier zu irgendwelchen Schlussfolgerungen, ohne dass ich überhaupt was dazu sagen kann, und machst mir dann auch noch Vorwürfe, ohne dass ich mich überhaupt erklären kann!“ „Ich will keine Erklärungen, Lorenor! Ich will nur die Wahrheit! Hast du die Entscheidung gefasst, dich für deine Crew, für mich, als Bauernopfer umzubringen? Ja oder Nein?“ „So einfach ist das…“ „Ja oder Nein?!“ Dulacre packte ihm am Oberarm und zog ihn zu sich, Zornesfalten entstellten sein Gesicht und seine Augen schienen zu brennen, so grell leuchteten sie. „Ja! Verdammt nochmal!“ Zorro riss sich los. „Ja, ich habe darüber nachgedacht! Natürlich habe ich das! Hast du mir nicht beigebracht, dass ich jede einzelne Strategie durchdenken und dann die beste auswählen muss? Und manche Taktik braucht zum Erfolg nun mal ein Bauernopfer!“ „Eine Taktik, die den König opfert, ist keine Taktik, sondern Kapitulation.“ Dulacre klang unerwartet tonlos, seine raue Stimme brach. Sein Blick hatte jegliches Feuer von vor noch wenigen Herzschlägen verloren. Er sah alt aus, älter als er Zorro je vorgekommen war. Es war keine Enttäuschung, wie er sie schon mal das ein oder andere gezeigt hatte, keine Gekränktheit oder Teilnahmslosigkeit. „Und wenn du immer noch glaubst, dass du nur der Bauer auf diesem Spielfeld seist, Lorenor, dann weiß ich nicht, was ich noch tun kann. Was ich noch tun kann, um dich vom Gegenteil zu überzeugen.“ Er klang… traurig. Zorro wandte den Blick ab, nicht in der Lage diesen Augen auch nur einen Augenblick länger standzuhalten. Wenn er ehrlich war, war es der gleiche Blick, mit dem sein eigenes Spiegelbild ihm im Ausguck begegnet war. Aber damals – was kaum eine Stunde zurücklag – hatte Zorro nicht verstanden, hatte sich selbst nicht verstanden. „Kannst du mir nicht einfach mal nur zuhören?“, murmelte er. „Kannst du mich einfach mal reden lassen, ehe du einfach so aufgibst?“ Ehe du mich einfach so aufgibst? „Dann sprich, Lorenor. Ich bin müde.“ Dulacre wandte sich kopfschüttelnd ab und Zorro den Rücken zu, wie er es sonst nie tat. Zorro konnte nicht verhindern, dass sein Kiefer leicht bebte; er mochte dieses Gespräch nicht. Es war kein Streit mehr, wie sie ihn so oft führten, keine aufgeladenen und aufgestauten Gefühle wie Wut oder Unzufriedenheit. Um ganz ehrlich zu sein, wusste Zorro nicht, was es war, aber er wusste, dass er es nicht mochte, dass er nicht mochte, wie der andere ihn angesehen und dann den Blick abgewandt hatte, wie er klang und wie verdammt beschissen Zorro sich gerade fühlte. Er hatte zuerst den Blickkontakt unterbrochen, aber nun wünschte er sich, dass der andere sich wieder umdrehen würde, eine herablassende Augenbraue hochziehend, ein amüsiertes Schmunzeln auf den dünnen Lippen. Er würde selbst einen Tobsuchtanfall willkommen heißen, so wie der andere ihn eben gepackt hatte, laut geworden war. Doch Zorro wusste, dass das nicht passieren würde, vielleicht sollte er sich glücklich schätzen, dass der andere noch nicht einfach gegangen war, so wie Zorro es angeblich immer tat. Leise seufzte er auf. „Verdammte Scheiße“, murrte er und fuhr sich durchs Haar. „Ich wünschte, du hättest mich damals nie auf diese Versammlung mitgenommen. Dann wäre ich Eizen nie begegnet und wir hätten diese ganzen Probleme nicht.“ Dulacre entgegnete nichts, fragte nicht, bewegte sich nicht, reagierte überhaupt nicht auf Zorros dargebotene Eröffnung, wie er es sonst in jedem Fall getan hätte. Er war nicht wütend, nicht entrüstet, nein, dieser Streit hatte wohl ein ganz neues Level erreicht. Ein Level bei dem Dulacre schwieg und wenn jemand schwieg, der nie die Klappe halten konnte, selbst wenn seine Stimme dabei abkratzte, dann war die Sache wohl wirklich ernst. Kopfschüttelnd seufzte Zorro erneut auf und wandte sich dann ebenfalls ab, sah wieder aufs Meer hinaus. Es wäre ein Leichtes jetzt einfach wütend zu werden, laut zu werden, so wie der andere es eben geworden war, aber wenn er ehrlich war, so hatte er nach den vergangenen Stunden und Tagen absolut keine Lust mehr auf Konflikt und Streitereien. Nein, so müde, wie Dulacre klang, so müde fühlte Zorro sich. Die letzten Tage hatten ihn ausgelaugt, nicht so sehr die Konflikte und Kämpfe mit Piraten und Marine, sondern vielmehr innerhalb der Crew und mit sich selbst. Es stimmte, er stritt wirklich nicht gerne und er hatte keine Lust, jetzt laut zu werden. Am liebsten würde er sich betrinken und alles um Eizen herum einfach mal eine Zeit vergessen, diese ganzen Streitereien einfach mal vergessen, seine eigenen Gedanken und Gefühle einfach mal vergessen. Aber Robin hatte Recht, Zorro würde nicht zur Ruhe kommen, nicht so lange die Dinge waren, wie sie derzeit waren. „Ach, was soll’s“, murmelte er und rieb sich die Schläfen, zögerte jedoch dann, als die Worte nicht einfach kommen wollten, so wie sie auch sonst nie so einfach kamen. „Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll.“ Wieder schwieg der andere und spätestens das zeigte Zorro, wie ernst die Lage wohl war. Normalerweise hätte Dulacre ihm jetzt geraten, einfach mit dem Ersten anzufangen, das ihm in den Sinn kommen würde. Normalerweise würde Dulacre ihn jetzt ermutigen, einfach zu reden, ihm versichern, dass er sich schon bemühen würde, Zorro zu verstehen, selbst, wenn er seine Gedanken nicht gut ausdrücken sollte. Aber das tat er jetzt nicht und irgendwie verunsicherte es Zorro mehr als alles andere bisher. Er war es nicht gewohnt, dass Dulacre schwieg. Er hatte erst ein einziges Mal Zorro bereitwillig angeschwiegen, erst am vergangenen Tag, und bereits da hatte Zorro gefürchtet, den einen Menschen zu verlieren, der nie aufhörte zu versuchen, ihn zum Reden zu bringen. Jetzt klang es so, als hätte Dulacre aufgegeben, als hätte Zorro ihn schließlich doch noch dazu gebracht, ihn in Ruhe zu lassen, so wie er jeden dazu bringen konnte, außer vielleicht Ruffy, wobei Zorro das bei ihm wohl noch nie ernsthaft versucht hatte und das auch nicht vorhatte. Aber bei Dulacre hatte er es oft versucht, viel zu oft und immer ohne Erfolg, hatte es nie geschafft, hatte sich daran gewöhnt, dass er es nicht schaffen würde. Jetzt sah es so aus, als hätte Zorro es letztendlich auch bei ihm geschafft. „Also am Anfang, hmm? Damit soll ich beginnen?“, sprach er weiter, als hätte Dulacre es ihm geraten, obwohl er nicht mal wusste, ob dieser ihm überhaupt zuhörte, aber er war zu müde, um es einzufordern. „Naja, ganz am Anfang, da hatte ich gar keinen Plan, um ehrlich zu sein, wozu auch?“ Seufzend rieb er sich die Hände, obwohl ihm nicht mal kalt war. „Ich hatte keine Ahnung, warum Eizen mich zu diesem Vertrag erpresst hatte, warum er damit gedroht hatte, alle umzubringen, die mir mal begegnet sind, und dir den Titel aberkennen zu lassen, und ganz ehrlich, es war mir auch ziemlich egal. Ich wollte mir darüber keine Gedanken machen und dachte auch, dass er mich eh fallen lassen würde, sobald die Welt die Wahrheit herausfinden würde. Daher brauchte ich nicht wirklich einen Plan. Ich dachte, alles würde enden, sobald ich wieder bei den anderen sein würde. Ich dachte, die Zusammenarbeit zwischen Lady Loreen und Eizen würde nach zwei Jahren automatisch mit ihrer Existenz enden. Also wollte ich mir über ihn keine Gedanken machen, sondern mich nur darauf konzentrieren, stärker zu werden.“ Bis auf den sanften Wellengang war es erschreckend ruhig, kein zustimmendes Brummen, kein genervtes Zungenschnalzen, keine spöttische Nachfrage und kein theatralischer Kommentar, so wie Zorro es sonst gewohnt war. Seit Dulacre auf der Thousand Sunny war, schien es, als würde Zorro den Hauptteil ihrer Gespräche führen, und das war trotz der Verletzung des anderen äußerst ungewöhnlich und nicht weniger unangenehm. „Tatsächlich war ich sogar ein kleines bisschen stolz auf mich, als ich zum Sabaody Archipel kam“, murrte Zorro spöttisch, als er an seine Naivität von vor wenigen Tagen zurückdachte. „Obwohl Eizen mir eigentlich den Rücken runterrutschen konnte, hatte ich mir sogar einen Trick überlegt, nur für den Fall, dachte ich, dass dieser Mistkerl eines Politikers mich doch nicht fallen lassen würde. Ein kleines Druckmittel, um seine Waffen gegen ihn selbst einzusetzen. Ich kam mir richtig gerissen dabei vor.“ Nun seufzte Zorro und vergrub sein Gesicht in den Händen. „Man, was war ich naiv“, gestand er dumpf ein. „Als er mir erklärt hat, was er vorhat… ich war so dumm. Ich hatte so etwas nicht erwartet, verdammt, ich hatte mit gar nichts gerechnet, oder zumindest nicht damit.“ Er hoffte, dass Dulacre nachfragen würde, was er mit damit meinte, hoffte, ihn etwas locken zu können. Aber es funktionierte nicht. Natürlich funktionierte es nicht, als würde Dulacre auf so plumpe Manipulation reinfallen. Dann war es halt so. Dann würde Zorro halt einfach reden und es war ihm egal, ob Dulacre ihn verstehen würde oder nicht. Aber er wusste auch, dass dies nur der Trotz in ihm war, natürlich hoffte er, dass Dulacre seine verworrenen Gedanken verstehen würde. Denn, wenn er es nicht tat, wer könnte es? Zorro mit Sicherheit nicht. „Aber ich war nicht bereit, mich einfach so vor seinen Karren spannen zu lassen“, murrte er also unzufrieden über die Situation. „Schließlich hatte ich mich in den Mist reingeritten und ich wollte es auch lösen. Ich… ich dachte, ich könnte Eizen aufhalten, ohne meine Freunde oder dich zu gefährden.“ Er konnte das Rascheln von Kleidung hören, aber immer noch schwieg der andere und Zorro ignorierte es, betrachtete weiterhin das weite Meer. „Und eigentlich war ich mir auch echt ziemlich sicher; ich hatte einen Plan, einen guten Plan. Ich war mir echt sicher, dass ich Eizen zu Fall bringen könnte. Tja, und dann tauchst du auf, du mit deinem Schachspiel und deinen großen Reden, und plötzlich…. Ich weiß nicht, aber wenn man’s genau nimmt, ist das eigentlich alles deine Schuld.“ Nun erntete er zum ersten Mal eine Reaktion, ein verächtliches Schnauben, aber das war ihm egal. Es war nun mal die Wahrheit, ob sie diesem Mistkerl passte oder nicht. „Nein ehrlich, ich war echt überzeugt von meinem Plan, aber dann rufst du an, du mit deinem verdammten Alkohol. Redest über Vertrauen, nur um dann diesen riesigen Aufstand über Eizen zu machen. Als wüsste ich nicht selber, wie gefährlich er ist. Als hätte ich das alles nicht getan, um zu verhindern, dass er dir deinen beschissenen Samuraititel aberkennen lässt, und trotzdem hast du es geschafft! Hast mich zweifeln lassen. Was ist, wenn mein Plan schief geht? Was ist, wenn ich Mist baue? Dann war alles umsonst, dann hat Eizen mich am Wickel oder alle sind tot und glaubst du, dass es das ist, was ich will?“ Er zögerte. „Und dann hast du auch noch angefangen Blut zu spucken und… und ich… ich habe erkannt, was mein Plan für einen Preis hat, was für ein Risiko besteht, wenn er schief gehen sollte, und ich habe einen Weg gesucht, einen anderen Weg. Ich musste einen anderen Weg finden, der nicht alles aufs Spiel setzt, was mir wichtig ist.“ Wieder zögerte er. „Also, wenn du mich fragst, ob ich auf Applenine schon überlegt hatte, das Bauernopfer zu spielen, dann nein. Denn als ich mit dir stritt, war ich noch überzeugt davon, dass mein Plan gut sei. Aber das bin ich mittlerweile nicht mehr, so ganz und gar nicht mehr.“ Immer noch war es so unangenehm still, sobald Zorro den Mund schloss. Eigentlich mochte er die Ruhe, eigentlich bevorzugte er die Stunden im geeinten Schweigen vor langwierigen Reden, aber seit jenem Tag auf dem Sabaody Archipel war die Stille unangenehm laut, konnte nur durch Worte aushaltbar gemacht werden. Aber Dulacre sprach nicht, half ihm kein bisschen, das Gedankenwirrwarr in seinem Kopf zu ordnen, also musste Zorro das selbst übernehmen. „Aber ja, nachdem du zusammengebrochen bist, da habe ich… Wenn ich tot wäre, dann könnte Eizen mich nicht mehr mit euch unter Druck setzten und es würde ihm nichts mehr bringen, die anderen anzugreifen. Außerdem macht er nichts ohne Zweck und Nutzen, also bin ich mir relativ sicher, dass er seine Drohung nicht aus Rache wahrwerden lassen würde, sollte ich nicht mehr da sein. Also habe ich über diese Alternative nachgedacht, habe die Vor- und Nachteile abgewogen, so wie du es mir beigebracht hast.“ Er zögerte. „Nein, das stimmt nicht. Ich habe nicht wirklich abgewogen, weil das würde bedeute, ich hätte beide Möglichkeiten miteinander verglichen, und das habe ich nicht. Ich wünschte, ich könnte sagen, ich hätte meinen Plan ohne jegliche Zweifel verfolgt, aber das stimmt nicht, das stimmt ganz und gar nicht.“ Das Meer vor ihm war ruhig, sanfte Wogen, als wäre es ein wunderschöner Tag, und dass, obwohl Zorro vor den Scherben seiner Zukunft stand. „Die Wahrheit ist, ich habe die ganze Zeit gezweifelt. Schon damals auf Kuraigana, aber ich habe es ignoriert, habe diese Stimme, deine Stimme, ignoriert, die mir sagen wollte, dass Eizen mich nicht ohne Grund erpresst. Doch seitdem er mir seinen Plan verraten hat, da… die Wahrheit ist, Dulacre, ich weiß nicht, was ich tun soll. Ich bin nicht in der Lage, einen vernünftigen Plan auf die Beine zu stellen und ihn aufzuhalten. Deswegen zweifle ich an meinem Plan, weil er schlecht ist, weil er selbst, wenn alles glatt gehen sollte, nicht bedeutet, dass ich erfolgreich sein werde.“ Jetzt zitterten seine Hände, zum ersten Mal seit jenem Gespräch mit Eizen zitterten seine Hände, als er es sich endlich laut eingestand. „Und wenn ich versage, dann… ich darf nicht versagen, verstehst du das? Aber ich bin nicht wie du oder Robin oder Nami, ich kann einfach keine komplexen Pläne schmieden, um ein gerissenes Superhirn wie Eizen in seine Schranken zu weisen. Er wird meinen Plan durchschauen und dann werde ich scheitern und alle werden sterben.“ Tief atmete er ein, ernüchtert über seine Naivität. „Ich war arrogant genug, zu glauben, dass ich alle würde beschützen können, indem ich Eizen in seinem eigenen Spiel schlage und habe über die Schachzüge hinweg vergessen, was überhaupt der Einsatz ist. Aber du hast mir das wieder in Erinnerung gerufen. Du hast mich an das Gefühl erinnert, als Bär sie damals alle hatte verschwinden lassen, und nach vorgestern, verdammt nach gestern, kann ich das nicht nochmal fühlen, so stark bin ich nicht. Ich kann das nicht nochmal.“ Obwohl er diese wilden und fremden Emotionen in sich spürte, war Zorro ganz ruhig, so wie am vergangenen Abend, als würde er schon wieder beichten. Er verstand nicht, warum er sich so ruhig fühlte, aber das Gedankenkarussell in seinem Kopf war nicht mehr ganz so schnell wie zuvor. „Nach gestern wurde mir bewusst, wie sehr ich an meinem Plan zweifle, wie riskant er einfach ist, und ich habe überlegt, ob ich irgendeine Alternative habe, und die habe ich; objektiv betrachtet ist mein Tod eine Alternative, um Eizen aufzuhalten, ohne alle zu gefährden, die mir wichtig sind.“ Für einen Moment konnte er hören, wie der andere Luft holte, aber entgegen Zorros Hoffnung sagte er nichts, sagte selbst jetzt noch nichts, obwohl Zorro seine Vorwürfe bestätigt hatte. Dulacres Schweigen zwang ihn dazu, weiterzureden, weil die Stille sonst wieder zu laut wurde. „Also ja, es stimmt, ich habe tatsächlich mit dem Gedanken gespielt, habe abgewogen – so wie du es mir beigebracht hast – habe überlegt, ob trotz allem, was ich mittlerweile besser weiß als damals, es der beste Weg wäre. Und das war schwierig für mich, weil ihr alle auf mich einredet, ohne überhaupt die leiseste Ahnung zu haben, was los ist, also musste ich das mit mir selbst ausmachen. Ich wollte die Entscheidung selbst fällen, denn natürlich war mir klar, dass keiner von euch objektiv an die Sache drangehen würde.“ Er zuckte mit den Schultern. „Es ist halt genauso, wie du gesagt hast. Keiner von euch würde zulassen, dass sich die G6 wiederholen könnte, aber das bedeutet auch, dass keiner von euch – noch nicht mal du – bereit wäre, meine Optionen unvoreingenommen abzuwägen. Deshalb habe ich nichts gesagt, nicht um dich zu belügen, sondern weil ich meine eigene Entscheidung treffen wollte, ohne von euren Emotionen beeinflusst zu werden. Ich musste doch erst einmal selbst verstehen, was ich denke.“ Er konnte schwere Schritte hören. Dulacre musste direkt hinter ihm stehen, aber immer noch sagte er nichts und Zorro hatte keine Ahnung, was er wohl denken musste, für wie schwach er Zorro wohl halten musste, für wie dumm er Zorro wohl halten musste. „Und die Wahrheit ist… ja, ich wollte das Bauernopfer spielen. Nach gestern Abend… Verdammt, nach heute Morgen, da war ich überzeugt davon, dass dieser Weg der einzige ist, mit dessen Konsequenzen ich würde leben können, selbst wenn er schief gehen würde, weil ich alles – wirklich alles – in meiner Macht Stehende versucht hätte. Aber das heißt noch lange nicht, dass ich mit dieser Entscheidung zufrieden war, denn das war ich nicht. Das kannst du mir ruhig glauben. Es war ein Scheißgefühl.“ Der Samurai schnalzte leise mit der Zunge, mehr nicht. „Und du machst es auch nicht besser, weil du natürlich heute Morgen nochmal zeigen musstest, was für ein besessener Mistkerl du bist, und dich wegen irgendeinem unnötigen Scheiß mit dem Koch anlegen musst. Ich war echt wütend darüber - scheiße, ich bin wütend darüber – aber es hat mir auch klar gemacht, dass selbst mein Bauernopfer riskant ist, nicht wahr? Denn wer weiß schon, was du tun würdest, wenn du es aus der Zeitung erfahren würdest? Was würdest du wohl tun, wenn du erfahren würdest, dass ich gestorben wäre?“ Der andere schwieg. „Weißt du, Ruffy würde alles tun, um ein Crewmitglied zu retten, aber er ist niemand, der für Rache lebt. Du hingegen…, wir beide wissen, dass du Scheiße bauen würdest, dass du in einer solchen Situation deine Rache haben wollen würdest, aber nachdem du den Koch so angegangen bist… Wer weiß schon, was du tun würdest.“ Zorro seufzte leicht entnervt auf. „Ob es mir passt oder nicht, ich kann nicht verhindern, wie du mit deinem Titel umgehst, dass du ihn gefährdest, nur um mich über Eizen auszufragen. Ich kann nicht verhindern, dass du dich mit der Weltregierung anlegen würdest und ich könnte erst recht nicht verhindern, wenn du Eizen für meinen Tod zur Rechenschaft ziehen wollen würdest. Das alles sind deine Entscheidungen und sie gehen mich nichts an. Aber nach heute Morgen frage mich, wen du verantwortlich machen würdest? Sag du es mir. Würde mein Bauernopfer wirklich meine Crew retten oder würde es nur ändern, wer ihr Leben bedroht?“ Er meinte es nicht vorwurfsvoll, es war einfach nur eine ehrliche Vermutung, und dennoch, Dulacre schwieg, stritt es nicht ab, stritt es noch nicht mal ab. „Du würdest ihnen im Zweifel die Schuld geben, nicht wahr? So, wie du ihnen für alles, was bisher geschehen ist, die Schuld gibst.“ Er zuckte leicht mit den Schultern. „Also sag mir, was ich in dieser beschissenen Situation tun soll? Mein ach so genialer Plan ist zum Scheitern verurteilt und meine Notlösung wird niemanden wirklich retten. Ich meine, wenn ich mal ehrlich bin, was habe ich mir gedacht? Dass ich mich wirklich unbemerkt abseilen kann, ohne dass du oder die anderen es bemerken würden? Tze, bitte, natürlich würdest du mich durchschauen – so wie du es ja auch gerade getan hast – und ganz ehrlich, du wärest mit Sicherheit nicht der Einzige.“ Seufzend raufte er sein Haar, wunderte sich fast gar nicht mehr, warum Dulacre nicht redete, so war es also, so waren ihre Gespräche nun also. „Ich denke, dass wir beide in diesem Punkt falsch lagen. Denn du bist nicht der Einzige, der mich kennt und ganz ehrlich, du bist wahrscheinlich auch nicht der Einzige, der mich durchschaut. Auch wenn du die anderen nicht ausstehen kannst, ich bin mir ziemlich sicher, dass sie es auch schnallen würden, und je länger ich darüber nachgedacht habe, desto mehr habe ich meinen Plan B dann auch wieder angezweifelt. Selbst, wenn du nichts Dummes tun würdest – und das ist schon ein verdammt großes Wenn – Ruffy ist nun mal ein Vollidiot, der solche Dinge mit Sicherheit nicht objektiv bewerten würde. Ruffy ist jemand, der alles tun würde, um ein Crewmitglied zu retten, ganz gleich, was das für Folgen haben würde, so wie er es immer getan hat, so wie wir es immer getan haben.“ Er schloss sein Auge, um einen Moment dieser friedlichen Idylle zu entfliehen, die nichts mit dem Chaos in ihm zu tun hatte. „Seien wir doch mal ehrlich. Wenn ich so mir nichts, dir nichts verschwinden würde, dann… dann würden die anderen eins und eins zusammenzählen – du weißt mit Sicherheit genau wie ich, dass mein Geheimnis nicht so geheim ist, wie ich gerne hätte – und ich weiß genau, dass Ruffy dann kommen würde. Ruffy und die anderen würden nach Mary Joa kommen, um mich zu retten.“ Kopfschüttelnd rieb er sich nun mit beiden Händen durchs Gesicht. „Aber was ist, wenn sie versagen würden? Was ist, wenn sie nicht rechtzeitig kämen oder noch schlimmer, wenn sie rechtzeitig kämen, aber es nicht verhindern könnten? Was ist, wenn ich vor ihren Augen sterben würde, genauso wie Ruffy bereits Ace verloren hat? All das hatte ich vorher nicht bedacht, all das hätte ich früher nicht bedacht.“ Leise lachte er auf, aber lustig fand er die Situation nicht, eher belächelte er seine eigene Dummheit, und er hatte wirklich geglaubt Eizen hereinlegen zu können? „Ja, du hast Recht, heute Morgen dachte ich wirklich, dass ich euch alle beschützen könnte, wenn ich mich als Bauernopfer aufgeben würde. Ich dachte, dass ich mir dann nichts mehr vorzuwerfen hätte, weil was mehr hätte ich schon opfern können als mein Leben? Ihr würdet eine schwere Zeit haben, aber ich hätte reinen Gewissens sterben können, zumindest habe ich mir das eingeredet. Aber die Wahrheit ist, ich weiß doch ganz genau, wie es sich anfühlt, jemanden nicht retten zu können, jemanden zu verlieren. Zu sterben, um euch zu beschützen, bedeutet euch die Konsequenzen meines Handelns aufzubürden, euch die Last meiner Schuld aufzulegen. Ich hätte ein reines Gewissen und würde euch allen mit Schuldgefühlen zurücklassen. Genau wie ich fühlen du und die anderen doch auch. Keiner von uns möchte so etwas nochmal durchmachen, aber irgendwie habe ich gar nicht über eure Gefühle nachgedacht.“ Er seufzte. „Ich wollte einfach nur, dass es wieder einfach wird, wie damals, als meine Pläne und Entscheidungen mich nicht so überfordert haben und alles einfacher war. Aber eigentlich will ich doch gar nicht mehr der schlichte Muskelprotz von damals sein. Ich bin gerne, wer ich jetzt bin, ich mag, dass ich Robins gewitzte Kommentare verstehe, unsere Feinde durchschaue oder dass ich mit dir über die verschiedenen Techniken diskutieren kann. Aber irgendwie… irgendwie bin ich in alte Denkweisen, in alte Muster zurückgefallen. Ich stehe vor einem unlösbaren Problem und dachte, mein Tod wäre die beste Lösung, nur weil es die einfachste ist, obwohl ich doch genau weiß, dass es keine echte Lösung ist. Aber was soll ich sonst tun?“ Kopfschüttelnd legte er seinen viel zu schweren Kopf wieder auf seinen Unterarmen ab. „Ich will nicht sterben, nicht so und nicht vergebens, nicht so sinnlos. Natürlich möchte ich leben und noch ganz viele Abenteuer mit den anderen erleben und ganz oft gegen dich kämpfen und dich besiegen. Ich will wirklich noch nicht sterben. Aber ich kann Eizen auch nicht gewinnen lassen. Aber was bleibt mir dann übrig? Mein ursprünglicher riskanter Plan? Ein schwächlicher Abklatsch eines Plans, mit dem ich alle Leben riskiere, die mir wichtig sind? Ein Plan, von dem ich weiß, dass er nicht aufgehen wird? Du kannst so wütend auf mich sein, wie du willst, es ist mir egal. Denn wenn ich keine Lösung finde, dann weiß ich eh nicht mehr, was ich noch tun soll. Ich weiß einfach nicht, was ich tun soll. Ich weiß es nicht.“ Jetzt schwieg auch Zorro, sein Hamsterrad hatte angehalten, als er die Wahrheit endlich verstand, sich selbst endlich verstand, diese Hilflosigkeit endlich verstand. Er wusste nicht, was er tun sollte. Er wusste nicht, wie er Eizen überhaupt noch aufhalten sollte, und deswegen fühlte er so, wie er fühlte. Nun war es still und Zorro wusste nicht mehr, wie er diese Stille noch füllen sollte. Gleichzeitig fürchtete er sich beinahe vor dem Urteil, welches ihn nun erwarten würde. Solange Zorro geredet hatte, hatte der andere – hoffentlich – zugehört, aber jetzt würde Zorro seinem Hohn, seinem Zorn und seiner Enttäuschung ausgesetzt sein, sollte der Samurai ihm überhaupt noch eine Reaktion opfern. „Lorenor?“ Er erzitterte unter der Sanftheit, mit der Dulacre seinen Namen aussprach, als er ihm eine Hand auf die Schulter legte. „Habe ich als dein Lehrmeister etwa so sehr versagt?“ Trotz der sanften Stimme des anderen schnitten seine Worte schärfer, als selbst sein Schwert es gekonnt hätte. „Hast du denn immer noch nicht verstanden, dass du in solchen Momenten der Hilflosigkeit nicht alles alleine lösen musst?“ Er mochte nicht, wie zerbrechend behutsam der andere klang. „Oh, Lorenor, wenn du nicht weiter weißt, dann wende dich doch bitte an mich oder an deine Crew, zumindest an deinen Kapitän. Vielleicht hast du Recht und es gibt keinen richtigen Weg, keine zweifelsfreie Strategie, aber vielleicht würde einem von uns ja doch etwas einfallen.“ Zorro schloss sein Auge. „Lorenor, du magst damals den Vertrag mit Eizen unterschrieben haben, aber das heißt nicht, dass du dich ganz alleine dem stellen musst, was auch immer dich erwartet. Du weißt, dass ich nie zulassen würde, dass dir jemand ein Leid zufügt, und unbeachtet dessen, wie wenig ich von deiner Crew halte, so würden sie dir doch gewiss helfen, wenn du uns nur die Wahrheit sagst.“ Aber das war genau das Problem. „Ich kann nicht“, flüsterte Zorro und gestand sich seine größte Schwäche ein. „Warum nicht?“, fragte Dulacre, immer noch so sanft, wie Zorro es nicht verdient hatte. „Lorenor, bitte sprich mit mir. Bitte sage mir, was dich so sehr zweifeln lässt, dass du sämtliches Vertrauen in dein Können verlierst, was dich so sehr in die Enge treibt, dass du bereit warst, zu sterben, ohne überhaupt eine Alternative in Betracht zu ziehen.“ Er zögerte, doch dann sprach er es einfach aus. „Ich habe Angst.“ Zorro vergrub sein Gesicht in seinem Unterarm, konnte seine eigene Schwäche kaum ertragen. „Ich habe so unglaubliche Angst, Dulacre. Seit ich wieder bei den anderen bin, fühle ich kaum noch was anderes. Ich habe Angst davor, sie zu verlieren, wenn ich ihnen die Wahrheit sage, wenn sie herausfinden, wer und was ich bin und dass ich ihnen damals nicht die Wahrheit gesagt habe. Ich habe Angst, sie zu verlieren, wenn ich ihnen nicht die Wahrheit sage, und sie mir nach und nach alle misstrauen. Ich habe Angst, dass die Crew meinetwegen zerbricht, weil ich mich nicht zusammenreißen kann und meine Crewmitglieder wie ein in die Enge getriebenes Biest angreife, nur weil sie sich um mich sorgen. Ich habe Angst, dass ich mich falsch entscheide und dann alle verliere, die mir wichtig sind. Ich habe Angst, dass Eizen seinen Plan umsetzt und ich wie sein Püppchen nach seiner Pfeife tanze. Für zwei Jahre dachte ich, ich wäre in der Lage mit Eizen alleine fertig zu werden, doch die letzten Tage hatte ich nur Angst, dass ich alle verlieren könnte, wenn irgendwer die Wahrheit herausfindet. Du willst, dass ich den anderen die Wahrheit sage, aber wenn ich das tue, dann könnten sie sterben.“ Er schüttelte seinen Kopf, zwang sein schnell schlagendes Herz zur Ruhe. „Mir war nicht bewusst, dass es Angst ist. Ich dachte, es ist mein Monster – wie du gesagt hast – weil es während der Kämpfe besser war und weil ich die ganze Zeit so gereizt war wie damals. Außerdem sind wir Piraten, wir führen ein gefährliches Leben, und ich habe doch keine Angst vor Gefahr, ich habe doch keine Angst vor einem Mistkerl wie Eizen. Trotzdem, all das hat nicht erklärt, warum der Koch mich so einfach auf die Palme bringen konnte, und… dann bist du zusammengebrochen und ich… es ist so, als würde ich die ganze Zeit in einem viel zu eng geschnürten Korsett rumlaufen. Ich verstehe meine eigenen Gedanken nicht und erkenne mich selbst kaum wieder, weil alles von dieser Angst überlagert ist.“ Tief holte er Luft, aber sprach weiter, als Dulacre zum Reden ansetzte. „Ich weiß, was du sagen willst, aber du weißt nicht, was es für Folgen hat.“ „Nein, das weiß ich nicht“, bestätigte Dulacre hinter ihm, immer noch so sanft, „und deine Situation scheint wirklich kompliziert. Viel komplizierter und vielschichtiger, als ich sie gesehen habe.“ Dann seufzte der Ältere: „Mir war natürlich bewusst, dass du dich erst wieder in die gewohnte Umgebung deiner Crew eingewöhnen musstest, aber ich hatte nicht darüber nachgedacht, wie schwierig es für dich sein würde, dabei nicht in alte Gewohnheiten zu verfallen, sobald du in brenzlige Situationen kommst. Ich hätte mir darüber im Klaren sein müssen, dass du dich wie früher verhalten würdest, wenn du mit dem Rücken an der Wand stehst. Schließlich ist diese Crew ja auch deine Vergangenheit und in der Vergangenheit hast du deine Probleme stets auf die gleiche Weise gelöst.“ Dann wurde der Griff auf Zorros Schulter fester. „Aber ich erlaube dir nicht, an deinen Ängsten und Zweifeln zu zerbrechen, Lorenor“, urteilte er entschieden. „Es mag sein, dass deine Situation aussichtslos ist, es mag sein, dass wir keinen Weg haben, Eizen aufzuhalten, und es mag sein, dass die Wahrheit alles zerstören wird, was dir wichtig ist. All das mag sein und dennoch sehe ich keinen Weg, wie du die Wahrheit noch viel länger verheimlichen kannst.“ Zorro wollte dem widersprechen, wollte es nicht hören, aber dennoch wusste er, dass Dulacre wohl recht hatte, und dennoch, sollte der andere ihn nun… „Aber ich werde dich nicht drängen. Ich zweifle, dass deine schlimmsten Befürchtungen eintreten werden, aber ich werde dich nicht zwingen, mir oder deiner Crew die Wahrheit zu verraten.“ „Was?“ Mehr als perplex schaute Zorro auf, hatte er doch erwartet, dass Dulacre es aus ihm herausschütteln würde. Zu seiner Überraschung lächelte Dulacre jedoch. „Es tut mir leid, dass ich dich zu Beginn nicht habe aussprechen lassen, Lorenor. Mir war nicht bewusst, wie prekär deine Situation ist, und meine eigenen Emotionen haben mich gehindert, zu sehen, was für einen inneren Kampf du wohl bestreiten musst.“ Dann nickte er sachte. „Ich danke dir, dass du dir so viele Worte genommen hast, um mir deine Situation zu erklären; mir ist bewusst, wie unangenehm dies für dich gewesen sein muss und das erkenne ich an. Aber trotz allem bin ich froh, dass ich dich wieder einmal unterschätzt habe. Dir mag es nicht bewusst sein, weil du wohl das Gefühl hast, in deiner eigenen Angst zu ertrinken, aber ich sehe, was für eine gewaltige Entwicklung du die letzten paar Tage gemacht hast, auch wenn du zunächst in alte Muster verfallen bist. Ja, du hast dich wirklich verändert, endlich verstehst du, was ich dir damals im East Blue versucht habe zu erklären. Ich bin wirklich erleichtert, dass du nun endlich leben willst, selbst wenn es der schwierigere, der riskantere Weg sein sollte. Auf diesen Tag habe ich lange gewartet, hat ja auch lange genug gedauert.“ Zorro konnte spüren, wie seine Wangen warm wurden, also sah er an Dulacre vorbei auf die Rückwand vom Krankenzimmer und winkte ab. Jetzt, da der andere es so deutlich aussprach, war ihm beinahe unangenehm, wie ehrlich er seine Gefühle und Gedanken gestanden hatte. „Tze, übertreib mal nicht, ist ja nicht so, als hätte ich solche Pläne je toll gefunden, sie schienen mir halt einfach immer pragmatischer.“ Dann entschied er das Thema zu wechseln, wollte nicht, dass Dulacre ihn weiterhin so ansah, wie er es gerade tat. „Außerdem du weißt doch, je mehr ich reden muss, desto dümmer stellst du dich in der Regel an, und wenn du mich am Anfang einfach hättest aussprechen lassen, dann hätte ich mir auch nicht den Mund fusselig reden müssen. Aber nein, du musstest ja einen Aufstand machen, als würde ich mir eine Klinge an die Kehle halten.“ Dulacre zog eine missbilligende Augenbraue hoch, aber sein Schmunzeln blieb und Zorro merkte, wie es ihm leichter fiel zu atmen. Die Spannung schien gebrochen, Dulacre verurteilte ihn nicht, er verstand, und das, obwohl Zorro ihm nichts gesagt hatte. Dulacre verzieh ihm sein Verhalten, ohne überhaupt genau zu wissen, warum Zorro sich so benahm. Er forderte die Wahrheit nicht von ihm ein, so wie er es sonst immer getan hatte. „Du kannst dich noch so lustig über mich machen, Lorenor, aber verkenne nicht, dass meine Sorge berechtigt war. Ob nun in guten oder in schlechten Absichten, ich habe dich davor bewahrt, einen großen Fehler zu begehen, den wir alle bereut hätten.“ „Einen Scheiß hast du“, widersprach Zorro aufschnaubend, sah nicht ein diesem Mistkerl eines Samurais die Lorbeeren seines Grübelns zu gönnen. „Ich habe mir den Kopf zerbrochen. Du hast nur meine Freunde aufgewiegelt und dem Koch beinahe eine neue Frisur verpasst.“ „Und hätte ich das alles nicht getan, hättest du nie verstanden, auf was für einem gefährlichen Pfad du dich erneut begeben hattest“, entgegnete der Samurai unbeeindruckt, wie immer nicht gewillt klein bei zu geben. Aber Zorro genauso wenig. „Ach, wenn du doch alles so viel besser weißt, warum dann diese Intrige? Warum sprichst du mich nicht einfach an? Das war genau wie beim Schachspielen auf Applenine, anstatt mir die Wahrheit zu sagen, spielst du mir so ein Puppentheater vor. Wenn du ein Problem hast, sag es mir ins Gesicht, anstatt mich unter fadenscheinigen Ausreden auf irgendeine Insel zu locken oder meinen Freunden Vorwürfe zu machen, nur weil du denkst, ich wäre zu blöd, um dir zuzuhören.“ „Und du glaubst, dass das so einfach ist?“ Nun schnaubte der andere leise auf und schüttelte den Kopf. „Was?“ Verwirrt sah Zorro ihn an. „Was denn, Lorenor? Obwohl du mir gerade beinahe unter Tränen gestanden hast, dass du Angst davor hast, deiner Crew – und sogar mir – die Wahrheit zu sagen, denkst du, ich könnte dir einfach so direkt die Wahrheit ins Gesicht sagen, als hättest nur du Ängste? Tze. Unverbesserlich, wie eh und je.“ „Was soll der Scheiß denn jetzt schon wieder heißen?“, murrte Zorro. Gerade Dulacre war niemand der Angst vor der Wahrheit hatte. Im Gegenteil, meist hatte dieser Mistkerl doch kein Problem damit, seine Meinung jederzeit und ungefragt kundzutun und dabei fand er gerne recht deutliche Worte und übte selten Rücksicht gegenüber anderen. Eine Eigenschaft, die Zorro sowohl mochte als auch nervig fand. „Das soll heißen, dass du nicht der einzige Mensch bist, dem es in manchen Situationen schwer fällt, einfach geradeheraus und unverblümt die Dinge anzusprechen, Probleme zu benennen, die Wahrheit einzugestehen. Wie viel Überwindung es den Smutje – möge er in der Hölle schmoren – gekostet haben muss, einen Sturkopf wie dich zur Rede zu stellen. Kein Wunder, dass er nun so verunsichert ist, wenn du ihm doch verbal den Kopf abreißt; er könnte einem beinahe leidtun, wenn er es nur wert wäre.“ Zorro mochte nicht, wohin sich dieses Gespräch entwickelte. Der Samurai beabsichtigte ganz offensichtlich ihm eine weitere Lektion zu erteilen und wenn er dafür sogar den Koch aus dem Ärmel zog, konnte Zorro sich wohl warm anziehen. Aber er hatte nicht vor, sich von dem anderen belehren zu lassen, insbesondere nicht, wenn es um seine Crew ging. „Na und, was kümmert dich der verdammte Koch? Du bist doch normalerweise nie um ein Wort verlegen und nimmst erst recht kein scheiß Blatt vor den Mund, selbst, wenn es die Sache nur noch komplizierter macht.“ „Wohl wahr, und wenn wir schon dabei sind, deine Ausdrucksweise heute lässt schon den ganzen Tag über sehr zu wünschen übrig, aber…“ „Ach, leck mich doch.“ „Aber…“, sprach der andere nun betont weiter, „… selbst ich habe meine Grenzen. Es ist leicht, direkt zu sein, wenn man nichts zu verlieren hat. Aber Ehrlichkeit bedeutet auch, sich angreifbar zu machen, sich verwundbar zu machen – nicht wahr, Lorenor? Oder warum zierst du dich so davor, mir zu sagen, was Eizen denn nun vorhat? - und natürlich gibt es nur wenige Dinge, die mir wichtig genug sind, als dass man mich damit verletzen könnte, aber du gehörst nun mal dazu, ob ich will oder nicht.“ „Ob du willst oder nicht? Was bedeutet das denn jetzt schon wieder?“ Zorro entschied auf den ganzen anderen Rest nicht einzugehen, sondern seine genervte Stimmung beizubehalten, die ihm deutlich angenehmer war als die Verunsicherung von vor wenigen Minuten. Außerdem war er wirklich entnervt, er hatte gerade Dulacre seine größten Ängste gestanden, sich vor ihm absolut bloßgestellt, und jetzt wollte dieser Mistkerl ihm die Schuld geben, wenn Dulacre die ganze Zeit um den heißen Brei herumredete? „Ach, Lorenor“, stöhnte der andere nun auf und schüttelte mit einem schwachen Lächeln den Kopf, „du bist manchmal so naiv wie ein kleines Kind. Tze, du machst es mir wirklich nicht leicht.“ „Was?“, murrte Zorro, während Dulacre nun leise aufseufzte und sich mit verschränkten Armen wieder neben ihn an die Reling lehnte. „Was soll das? Ich habe keine Ahnung wovon du redest und ich habe keine Ahnung, wie wir hierhin gekommen sind. Aber was auch immer dein Problem ist, sag es doch einfach, anstatt mich mit so was abzuspeisen.“ „Na, du bist ja lustig“, bemerkte der andere immer noch mit diesem schwachen Lächeln und sah aus dem Augenwinkel zu ihm hinab, „genauso gut könnte ich das dir sagen, Lorenor, ist dir das bewusst? Wir drehen uns hier gerade im Kreis, weil du etwas von mir verlangst, was du selbst nicht bereit bist zu geben.“ „Das ist was anderes“, murrte Zorro, „ich will einfach nur wissen, was dein Problem ist, aber…“ „Glaubst du wirklich, ich hätte keine Ängste, Lorenor?“ Kapitel 25: Kapitel 25 - Kompliziert ------------------------------------ Kapitel 25 – Kompliziert   -Zorro- „Glaubst du wirklich, ich hätte keine Ängste, Lorenor?“ Überrascht sah Zorro den anderen an, der leise aufseufzte. „Ach, was versuche ich hier, dir zu erklären? Es ist doch wie immer, jeder theoretischer Ansatz ist bei dir verschwendete Zeit. Dann sei es so, dann werde ich wohl mit gutem Beispiel voran gehen müssen.“ Was auch immer er damit meinte. „Also, natürlich ist es für mich nicht einfach es einfach zu sagen. Nicht so einfach, wie es sein sollte, und das missfällt mir sehr.“ Zorro verwirrten diese Worte nur noch mehr, denn er verstand sie schlicht nicht, während Dulacre erneut seufzte und dann die Augen schloss, als würde es ihm wehtun die nächsten Worte zu sagen. „Manchmal wünschte ich wirklich, ich könnte so einfach mit dir sprechen, wie damals bei unserem ersten Treffen, aber die Wahrheit ist, ich kann es nicht. Ich bemühe mich – und oh, wie sehr ich mich bemühe – aber, ob ich will oder nicht, es scheint mir einfach nicht möglich.“ Seine Tonlage hatte sich verändert, offensichtlich wollte der Samurai nicht streiten, und dennoch spürte Zorro, wie sich seine Nackenhaare aufstellten. Wie konnte es sein, dass es Zorro nur mit Dulacre möglich war, so zu reden, wie sie es gerade taten, Dinge auszusprechen, die er sonst noch nicht mal dachte, und jetzt wollte der andere ihm weismachen, dass er es nicht konnte? Mehr noch, dass er nie ein Problem damit hatte, die Dinge beim Namen zu nennen, aber sich ausgerechnet bei Zorro zurückhielt? Ausgerechnet bei ihm? Wollte der andere ihm etwa weismachen, dass Dulacre ihm gegenüber nicht direkt war, sondern seine Worte so bedacht wählte, wie bei politischen Gesprächen? „Was meinst du damit?“, fragte Zorro also absolut verwirrt und entschied, eine Frage nach der anderen zu lösen, froh für den Moment nicht über seine eigenen Probleme nachdenken zu müssen, dieser Hilflosigkeit für einen Moment entrinnen zu können. „Was meinst du mit, ob du willst oder nicht?“ „Ist das wirklich nicht offensichtlich?“ „Offensichtlich nicht, sonst würde ich ja nicht fragen.“ Erneut seufzte der Ältere und rieb sich durchs Haar. „Nun ja, was erwartest du, Lorenor? Glaubst du wirklich, ich wollte so für dich fühlen?“ Für einen Moment sahen sie einander schweigend an und wieder einmal wusste Zorro diesen Blick nicht zu deuten, hatte nicht mit dieser Antwort gerechnet, hatte keine Ahnung, womit er gerechnet hatte. Er hatte nicht damit gerechnet, dass dieses Gespräch sich plötzlich in diese Richtung entwickeln würde, und er wusste nicht, was er sagen sollte. Aber Dulacre erwartete wohl gar keine Antwort. „Glaubst du wirklich, es würde mir Spaß machen, dass die Meinung eines dahergelaufenen Bengels aus dem East Blue mir so wichtig ist, dass ich meine eigene Wortwahl hinterfrage? Während du kaum in der Lage bist, die feinen Nuancen meiner Formulierungen überhaupt zu bemerken, mal ganz davon abgesehen, dass es dich regelmäßig gar nicht erst interessiert? Ich bitte dich, wem könnte das schon gefallen.“ Dulacre hob nur eine Augenbraue an und zeigte sein überhebliches Schmunzeln. „Wie du weißt, bin ich ein sehr egoistischer, selbstbezogener Mensch. Die Meinung anderer ist mir grundsätzlich einerlei und ich halte nicht viel davon, auf andere Rücksicht nehmen zu müssen. Ich halte nicht viel davon, mich anderen anpassen zu müssen oder deren Gefühle in Betracht zu ziehen. Ich halte noch nicht mal viel davon, mich mit anderen Menschen auseinandersetzen zu müssen. Tze, im Gegenteil, die meisten Menschen öden mich einfach nur an und ich bevorzuge die Gesellschaft meiner eigenen Gedanken vor den meisten Fremden.“ Zorro beobachtete den anderen von der Seite, nicht wirklich sicher, wohin das Gespräch ihn nun führen würde, nicht sicher, ob er die folgenden Worte wirklich hören wollte. „Weißt du, mein Leben vor dir - und deiner Welt voller Chaos und Tagträumen - war nicht schlecht. Es war langweilig, gewiss, absolut öde und in gewisser Weise sehr trostlos. Aber ich war an sich sehr zufrieden. Ich tat, was ich wollte, sagte, was ich wollte, und es gab nichts auf dieser Welt, was mich hätte beunruhigen oder gar verunsichern können. Allein der Gedanke, dass der Blick eines anderen schon ausreichen könnte, mich mein Verhalten überdenken zu lassen, wäre damals lächerlich abstrus gewesen.“ Dulacre verschränkte die Arme wieder und wandte den Blick gen Himmel. „Doch dann tauchst du auf. Ein vorlauter, eingebildeter, willensstarker Bengel, noch grün hinter den Ohren und absolut unkultiviert. Aber talentiert und demütig der Schwertkunst gegenüber, selbstbewusst und unnachgiebig. Ich dachte, du könntest mir meine Langeweile vertreiben, mich ein bisschen unterhalten, zumindest für eine gewisse Zeit, bis ich das Interesse an dir verliere, so wie ich es mit der Zeit an allem verliere, aber ich hätte nie gedacht…“ Langsam glitten die Falkenaugen wieder auf ihn. „Ich habe lange gebraucht, um mir meiner Gefühle für dich bewusst zu werden, noch länger, um sie zu akzeptieren. Selbst heute frage ich mich, wie ich solche Gefühle je habe entwickeln können, dachte ich doch, ich wäre über so etwas Erbärmliches wie Mitgefühl und Zuneigung erhaben.“ Dulacre legte eine Hand auf seine Brust und zerknüllte langsam sein Hemd. „Auch wenn ich diese seltsamen Gefühle in mir mittlerweile akzeptieren und wertschätzen kann, so war es sicherlich nicht das, was ich gewollt habe, es war lächerlich, armselig, absolut gegen jedwede Vernunft. Ich wollte nie so abhängig von einem anderen Menschen sein, so beeinflussbar, so verletzbar. Erst recht nicht bei dem einen Menschen, der mich vielleicht eines Tages besiegen könnte, bei dem einen Menschen, der...“ Zorro schwieg, als der andere nicht weitersprach. Er wusste nicht genau, wie er reagieren sollte, wusste nicht, ob es überhaupt eine richtige Reaktion gab. So etwas hatte noch nie jemand zu ihm gesagt und er wusste, dass Dulacre nun wirklich ehrlich mit ihm sprach, so wie er es stets von Zorro gefordert hatte, so wie Zorro es gerade von ihm gefordert hatte. „Ich bemühe mich, meinem Umgang mit dir nicht zu sehr von meinen Emotionen beeinflussen zu lassen. Mir ist bewusst, dass du die direkte, ehrliche Konfrontation jeglichem Gedankenspiel vorziehst. Aber einfach ist es für mich nicht immer, manchmal ist es sogar recht schwer, insbesondere wenn…“ Er kniff die Lippen zusammen und schüttelte den Kopf. „Verzeih, ich scheine schon wieder eine unserer Abmachungen zu brechen. Hatten wir uns doch geeinigt, uns nicht über etwas Triviales wie meine Gefühle unterhalten zu wollen. Ich denke nicht, dass…“ „Insbesondere wenn…?“, unterbrach Zorro ihn und sah ihn aufmerksam an. Er würde nicht zulassen, dass Dulacre nun erneut seinen wahren Gedanken hinter geschickt gewählten Worten verbarg, so wie er es anscheinend sonst immer tat. Überrascht sah der andere auf und begutachtete Zorro für einen Moment, ehe er ergebend mit den Schultern zuckte. „Nun ja, insbesondere wenn sie da sind“, meinte er nur und nickte Richtung Kombüse. „Auf Kuraigana war es deutlich einfacher für mich. Wir waren die meiste Zeit ungestört und auch, wenn Eizen mir stets ein Dorn im Auge war, so wusste ich doch, wie wenig du ihn leiden mochtest. Aber hier… es ist schwierig für mich, zu sehen, wie sie mit dir umgehen, wie sie dich behandeln, wie du dich von ihnen behandeln lässt. Mir ist natürlich bewusst, was für ein lächerliches und sinnloses Gefühl Eifersucht ist, aber ich wüsste nicht, wie ich mich davon freimachen könnte, und dass, obwohl ich doch genau weiß, wo deine Prioritäten liegen.“ „Was? Aber…“ „Lorenor.“ Sie sahen einander kurz an, doch dann seufzte Dulacre leise auf. „Fällt es dir wirklich so schwer nachzuvollziehen, wie ich mich gerade auf diesem Schiff fühlen muss? Sie sind das Wichtigste in deinem Leben, dir sogar noch mehr wert als dein Traum, für dessen Verfolgung du jederzeit bereit warst, dein Leben zu geben und für dessen Erreichung ich nicht viel mehr als ein Mittel zum Zweck bin. Aber für mich… für mich ist es unverständlich, wie sie dir so wichtig sein können und sie dich zeitgleich so gleichgültig behandeln, während ich – der so gut wie nie kaum mehr als Gleichgültigkeit für jemand anderen empfindet – so starke Gefühle für dich habe.“ Dulacre wandte den Blick ab und Zorro hatte das Gefühl ihn zum ersten Mal zu sehen, ganz ohne diese Maske, die der andere immer trug. Er war eigentlich immer davon ausgegangen, dass Dulacre sich nie vor ihm verstellt hatte, aber gerade fragte er sich, ob er vielleicht nicht doch genau so naiv war, wie der andere immer behauptete. „Es ist grausam, zusehen zu müssen, wie der Mensch, den man so sehr liebt, von anderen nicht als das gesehen wird, was er ist. Wie soll ich diese Crew denn nur respektieren, wenn sie den einen Menschen, den ich liebe, haben sterben lassen? Wie soll ich sie akzeptieren, wenn sie selbst jetzt noch nichts unternehmen, obwohl dein Leid doch so offensichtlich ist?“ Dulacre klang ruhig, gefasst. „Wie können sie dir so wichtig sein und gleichzeitig vertraust du ihnen nicht mal genug, um sie um Hilfe zu bitten? Wie können sie dir so viel bedeuten und gleichzeitig hast du Angst davor, ihnen die Wahrheit zu sagen? Ich möchte dich verstehen, wirklich, aber sie machen mich so wütend und dass sie dir, trotz all ihrer so offensichtlichen Verfehlungen, so wichtig sind, macht mich wütend und doch kann ich nicht umhin, ihnen zu helfen, einfach nur weil sie deine verdammten Freunde sind und ich dich nicht traurig sehen möchte.“ Dulacre rieb sich über den Bart und ließ dann seine Hand am Hals verweilen, als ob er seiner Stimme nicht trauen würde, die zwar deutlich heiser klang, aber ansonsten ohne jeden Zweifel war. „Die unverblümte Wahrheit ist, Lorenor, es ist nicht einfach dich zu lieben und ich wünschte manchmal, ich täte es nicht, dann könnte mir egal sein, wie deine Crew dich behandelt, wie du dich von ihnen behandeln lässt, dass du mich angelogen hast, selbst mir nicht genug vertraust, dass du dich von Eizen missbrauchen lässt. Dann könnte es mir egal sein, dass du sogar Angst davor hast, selbst mir die Wahrheit zu sagen. Liebe ist nicht wie in diesen eintönigen Geschichten, die am Lagerfeuer erzählt werden, zumindest nicht für mich.“ Einen Moment schien Dulacre diesen Gedanken nachzuhängen, dann schnalzte er missbilligend mit der Zunge: „Tze, Jiroushin hat mich angelogen, als er sie mir als das schönste Gefühl der Welt angepriesen hat, denn für mich ist Liebe das nicht, ganz bestimmt nicht. Für mich ist sie Angst, dich zu verlieren, an deine Crew, an Eizen, an den Tod oder einfach nur dich zu verlieren, weil ich so fühle, wie ich es nun mal tue. Für mich ist sie Zorn, weil andere in dir nicht sehen, was ich in dir sehe oder dich nicht so behandeln, wie du es verdienst, oder weil du selbst dich weder so siehst noch behandelst, wie du es verdienst. Für mich ist sie Hilflosigkeit, weil meine Worte, meine Gedanken, meine Gefühle keinerlei Einfluss auf deine Entscheidungen haben und ich nur machtlos zusehen kann, während du mit deinem Leben verfährst, wie du es für richtig hältst.“ Zorro stieß sich von der Reling ab und ging ein paar Schritte Richtung Wand. Er war sich nicht bewusst, was für Gefühle der andere gerade in ihm hervorrief, aber er wusste, dass dies die absolute Wahrheit war. Er wusste, dass Dulacre sich gerade ihm so öffnete, wie er es stets von Zorro eingefordert hatte, obwohl Zorro das nie gekonnt hatte, selbst jetzt noch nicht konnte. „Aber trotz allem, diese Gefühle sind doch nun ein Teil von mir. Ich kann nicht mehr zurück zu dem Mann, der ich früher war, eiskalter Stratege, gefühlloser Krieger, selbst wenn ich wollen würde, und daran bist du schuld; du hast mich zu diesem Mann gemacht, der ich jetzt bin. Der gewillt ist, seinen Vertrag zu brechen, für die Sicherheit eines anderen, der sich mehr um ein anderes Leben sorgt als das eigene; der andere, die ihm sonst gleichgültig wären, verachtet für das, was sie dir angetan haben.“ Er konnte den Blick des anderen auf sich spüren. „Es ist nicht leicht für mich, Lorenor. Weder wie ich fühle noch mit dir ganz offen zu sprechen. Ich bin es nicht gewohnt, angreifbar zu sein, und wie du weißt, vertraue ich nicht. Ich bin es nicht gewohnt, mir um andere Gedanken machen zu müssen, für andere zu fühlen, zu lieben. Und ich erwarte von dir weder Rücksichtnahme noch sonst irgendetwas. Aber selbst du - naiv wie du doch bist - musst doch verstehen, wie schwierig es für jemanden wie mich sein muss, jemanden wie dich zu lieben, so selbstlos, so gewillt, dich für andere aufzugeben, so gerade in deinen Gedanken und deinen Absichten, so unbeugsam in deinem Willen. Ich wünschte, du wärest etwas egoistischer, etwas verschlagener, etwas niederträchtiger, vielleicht würde ich dann nicht so fühlen müssen.“ Zorro schwieg. „Aber es ist, wie es ist. Keiner von uns wollte, dass die Dinge sich so entwickeln und mir ist sehr wohl bewusst, dass sie die Freunde sind, für die du dein Leben, sogar deinen Traum, bereit bist zu opfern, und auch wenn es mir missfällt, so bin ich doch nur dein ehemaliger Lehrer und in keiner Position deine Entscheidungen beeinflussen zu können. Aber das ist nun mal die Wahrheit, vor der ich Angst habe, sie mir einzugestehen, sie dir einzugestehen. Ich liebe dich, mehr als ich jemals wollte, und ich fürchte den Moment, wenn du mich ablehnen wirst. Aber mehr noch fürchte ich die Zeitung zu öffnen und von deinem Tod zu erfahren. Daher sage ich dir nun die Wahrheit, trotz der Angst dich zu verlieren, denn ich bin eher gewillt deine Ablehnung hinzunehmen als deinen Tod.“ Die Arme verschränkend ging Zorro an seinem Lehrmeister vorbei und legte die Unterarme wieder auf der Reling ab. „Das ist also, was du für mich fühlst?“, fragte er nach einigen Sekunden, obwohl er wusste, dass Dulacre sich hier keinen dummen Scherz erlaubte, nicht, dass dieser Mistkerl je wirklich zu Scherzen aufgelegt war. „Und obwohl ich dir sagte, dass ich dir keine Antwort geben kann, hast du es mir nun gesagt, um mich zu überzeugen, auch die Wahrheit zu sagen? Ganz schön unfair von dir.“ „Eher riskant“, bemerkte Dulacre neben ihm und Zorro konnte das leise Schmunzeln in seiner Stimme hören, wusste, dass es gelogen war. „Aber ich habe es nicht gesagt, weil ich eine Antwort von dir erwarte, so viel kann ich dir versichern.“ „Hmm“, machte Zorro nur nachdenklich. Vor wenigen Wochen hatte Dulacre ihm seine Gefühle gestehen wollen. Damals hatte Zorro es verhindert, nun hatte er es zugelassen und er wusste nicht, was er denken sollte. Er hatte nicht damit gerechnet, dass der andere solche Dinge sagen würde und Zorro fragte sich, ob es vielleicht besser gewesen wäre, wenn er den anderen damals angehört hätte. Dann hätte er wohl anders reagiert, dann wären die Dinge wohl für sie beide einfacherer gewesen. Mihawk wäre ihm nicht nachgekommen und sie würden dieses elendige Gespräch hier nicht führen. Hätte Zorro ihm damals eine Antwort gegeben, hätten sie sich nie zum Schachspielen verabredet und Dulacre wäre nicht… nein, er hätte seinen Wein sehr wohl getrunken, aber Zorro wäre nicht da gewesen. Zorro wäre nicht da gewesen, und dennoch sagte der andere nun solche Dinge. Obwohl Zorro nicht da gewesen wäre, sagte Dulacre nun solche Dinge. „Außerdem ist es auch gar nicht notwendig, dass du mir eine Antwort gibst, Lorenor, ich kenne sie auch so.“ Aus dem Augenwinkel sah Zorro zu dem anderen hinauf, der sich mit dem Rücken gegen die Reling lehnte. „Ach, was?“, murmelte er zweifelnd. „Du willst wissen, was meine Antwort ist? Dabei weiß ich doch selbst kaum, was ich denke.“ Leise lachte der andere auf; auch das klang falsch und das hatte nichts mit seiner brüchigen Stimme zu tun. „Nicht, dass das überraschend wäre, oder? Wie wir beide wissen, setzt du dich nie mit deinen eigenen Gedanken und Gefühlen auseinander, wenn du es nicht unbedingt musst. Deswegen kennst du auch deine eigene Antwort nicht.“ „Aber du weißt sie?“ „Natürlich. Die Dinge haben sich ja nicht geändert und deine Worte auf Kuraigana waren Antwort genug. Es ist immer noch alles genau so, wie es schon immer war. Deine Crew steht für dich an oberster Stelle, sogar über deinem Traum und ich bin nur der alte Lehrmeister, der deinen Lebensweg für zwei Jahre begleiten durfte, aber das ist jetzt vorbei und das ist auch in Ordnung für mich, Lorenor. Es schmerzt, wohl wahr, aber es ist in Ordnung. Du brauchst dich nicht zwingen, irgendwelche netten Worte zu finden, das ist nicht nötig. Ich hätte nie gedacht, je so offen mit dir über meine Gefühle zu reden, ganz gewiss erwarte ich nicht, dass du sie erwiderst.“ Zorro mochte nicht, wie klar der andere ihn ansah, wie freundlich er sprach. Es war ein starker Kontrast zu seinen eigenen Gefühlen gerade in diesem Moment. Denn Zorro war da gewesen, er hatte gesehen, wie der andere Blut gespuckt hatte, er war da gewesen und hatte Dulacre zur Sunny getragen, Sekunden, die ihm wie Stunden vorgekommen waren. Er war da gewesen und hatte hilflos dabei zusehen müssen, wie Dulacre beinahe gestorben war, und dennoch behauptete Dulacre zu wissen, was Zorro über ihn dachte. Obwohl Zorro doch da gewesen war. „Allerdings hoffe ich natürlich, dass mein offenes Geständnis nun nicht dazu führt, dass du dich von mir abwendest. Ich hoffe, dass wir trotzdem…“ „Ich denke, du liegst falsch“, murmelte Zorro nachdenklich. „Wie bitte?“ Nun konnte er den Blick des anderen auf sich fühlen. „Du willst mir sagen, dass ich mich irre?“ Oh, und wie Dulacre es hasste, sich zu irren. „Hmm“, machte Zorro nur. „Vielleicht stimmte es damals. Ja, ich denke, auf Kuraigana hätte ich wohl so etwas gesagt, vielleicht. Habe ich nicht so etwas in der Art auch gesagt? Ich weiß es gar nicht mehr. Aber du irrst dich.“ Langsam richtete er sich auf und sah Dulacre an, der unleserlich zurückstarrte. „Denn es ist nicht alles so, wie es immer war. Die Dinge haben sich verändert.“ Für einen Moment war es still zwischen ihnen, als Zorro versuchte, seine eigenen Gedanken zu verstehen und Dulacre ihn ansah, als würde er versuchen, Ruffy eine Matheaufgabe zu erklären. „Wie meinst du das?“ Seine Stimme bebte, klang nun brüchiger als zuvor. „Was soll sich verändert haben?“ Zorro zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung, ich kann es auch nicht wirklich erklären, aber das, was du eben gesagt hast, das stimmt nicht mehr. Es fühlt sich falsch an.“ „Es fühlt sich falsch an?“, wiederholte der andere mit hochgezogenen Augenbrauen und unverhohlener Skepsis. „Wärest du so freundlich, mir das dann doch ein bisschen näher zu erläutern, Lorenor?“ Augenrollend sah er den anderen kurz an. „Meinst du wirklich, wenn ich es näher erläutern könnte, würde ich es nicht machen? Mich nervt dieses ganze Herumdrucksen mindestens genauso sehr wie dich, keine Sorge, aber ich weiß einfach nicht, wie ich es in Worte fassen soll.“ Seufzend beugte er sich wieder mehr vor und sah auf die Weiten des Meeres. „Ich weiß nicht wirklich, was ich fühle, aber um ehrlich zu sein, frage ich mich, ob ich dich nicht auch liebe.“   -Mihawk- „Wa… was?“ Er verstand nicht. Er musste sich verhört haben. Er musste Lorenor missverstehen. „Mhm“, murrte dieser nun und sah weiter aufs Meer hinauf. „Aber versteh das jetzt nicht falsch. Ich sage nicht, dass ich es tue, okay? Alles, was ich sagen will, ist, dass sich gefühlt alles die letzten Tage geändert hat und ich kaum noch verstehe, was ich denke und fühle. Aber ich weiß, dass es nicht mehr wie auf Kuraigana ist, dass ich nicht mehr wie auf Kuraigana bin.“ Erneut seufzte der andere schwer, machte einen Schritt zurück und hielt sich weiterhin an der Reling fest, als wollte er sich strecken, den Blick zu Boden gerichtet, bis schließlich seine Schultern knacksten, dann lehnte er sich wieder auf die Reling. Dulacre blieb nichts anderes übrig, als ihn fassungslos dabei zu beobachten, denn Worte fand er keine. „Mir ist mittlerweile bewusst, dass ich auf Kuraigana vieles verdrängt habe, hauptsächlich wie hilflos ich mich gegenüber Eizen fühle und wie viel Angst ich vor seinen Intrigen habe, aber auch wie sehr ich die anderen alle vermisst habe und wie gerne ich bei ihnen bin. Verdammt, ich hätte echt nicht gedacht, wie fertig es mich macht, dass wir nun alle wieder unterwegs sind und ich mich aber einfach nicht wohl unter ihnen fühle, weil ich die ganze Zeit in Alarmbereitschaft bin.“ Er sprach so ruhig, so nachdenklich, während Dulacre selbst gerade an seinem eigenen Verstand zweifelte und es nicht schaffte, sein schnell schlagendes Herz zu beruhigen. „Und mittlerweile frage ich mich, ob ich nicht auch in Bezug auf dich manches verdrängt habe, damit die Dinge nicht komplizierter werden, als sie ohnehin schon sind, um es einfach genug zu halten, dass ich es verstehen kann.“ „Lorenor, was meinst du damit?“, murmelte er, dankbar endlich ein paar Worte gefunden zu haben, und sah den Jüngeren an. „Ich verstehe dich nicht.“ Leise lachte der andere auf. „Tja, da sind wir dann schon zu zweit. Ich meine, ich verstehe ja kaum, was es bedeutet, jemandem zu vertrauen, woher soll ich also wissen, wie es sich anfühlt, jemanden zu lieben. Für mich ist dieser Begriff ein ziemlich leeres Wort, das Menschen benutzen, um ihre Entscheidungen zu rechtfertigen, und was mich immer an den idiotischen Koch denken lässt, wenn er irgendwelchen Frauen nachgeiert.“ Lorenor fuhr sich durchs Haar und zuckte erneut mit den Schultern. „Weißt du“, meinte er dann endlich nach gefühlten Minuten, die wahrscheinlich nur wenige Sekunden gedauert hatten, „mir war immer bewusst, dass ich nicht gerade zur umgänglichen Sorte Mensch gehöre, und das war mir eigentlich auch immer ganz Recht so. Gespielte Freundlichkeit und falsche Höflichkeit sind einfach nervig. Ich habe nie verstanden, warum Leute nicht einfach sagen, wenn ihnen etwas nicht passt. Wenn ich jemanden nicht mag, werde ich nicht so tun, als wäre dem nicht so, und wenn jemand Mist baut oder Scheiße sagt, dann werde ich das nicht schönreden und wenn mich deswegen andere nicht leiden können, dann ist das halt so, nicht mein Problem.“ Kopfschüttelnd ließ er seine Hand einfach fallen, als wollte er das Wasser unter ihnen berühren. „Mich hat nie wirklich gestört, wenn man mich nicht abhaben kann. Selbst mit den anderen, wenn sie mich nicht mögen, dann ist das halt so. Selbst, wenn sie mich nicht leiden können, mir nicht vertrauen können, es wird nichts an meiner Entscheidung ändern. Egal, was sie denken, ich werde sie beschützen, sie alle, weil sie meine Crew sind, weil sie meine Freunde sind – auch wenn der beschissene Koch manchmal einem echt auf den Sack gehen kann – und mir ist egal, was ich dafür tun muss. Wenn ich Dinge tun muss, für die sie mich später hassen, wenn ich der Böse in ihrer Geschichte werden muss, um sie zu beschützen, dann ist das halt so, dann ist das der Preis, den ich bereit bin, zu zahlen, um sie zu beschützen.“ Einen Moment zögerte er, doch dann sprach er schließlich weiter: „Mit dir sollte es das Gleiche sein. Du bist nicht der erste, den ich beinahe verloren habe, ich kenne das Gefühl – verdammt nochmal, vor zwei Jahren war genau dieses Gefühl der Grund, warum ich mich wieder verwandeln konnte – und dennoch war es bei dir ganz anders. Ich dachte, du würdest sterben und seitdem ist gefühlt alles anders.“ Sein Herz setzte einen Schlag aus. Durfte er wirklich hoffen, dass Lorenor das meinte, was Dulacre dachte? Würde er es aushalten, sollte er Lorenor wieder einmal falsch verstehen? Er wusste, dass Lorenor nicht so sprach, um mit seinen Gefühlen zu spielen, nicht bewusst Dulacre falsche Hoffnungen machen wollte, und dennoch… „Wieso ist es anders?“, fragte er nach, erlaubte seinen wirren Gedanken nicht, ihn zu übermannen. Wenn er jetzt emotional werden würde, konnte er Lorenor gewiss nicht helfen und das würde nur ihnen beiden schaden. „Keine Ahnung, ich kann es nicht genau beschreiben, aber als Chopper sagte, dass du durchkommen würdest, da… hätte ich da nicht einfach nur erleichtert sein müssen?“ Für einen Moment sah der Jüngere zu ihm auf, als ob er tatsächlich von ihm die Antwort erwartete, dann wandte er sich wieder dem Meer zu. „Ich war auch erleichtert – verdammt, was war ich erleichtert – aber nicht nur. Um ehrlich zu sein, ging es mir danach fast noch beschissener als vorher.“ Nun schwieg Lorenor. Dulacre konnte seinem konzentrierten Blick und den tiefen Furchen auf seiner Stirn deutlich ansehen, wie angestrengt er nachdachte, nach Worten suchte, um zu erklären, was er gefühlt hatte. Aber wie so oft blieb er auch nach Sekunden erfolglos. „Warum?“, fragte Dulacre also nach und bot Lorenor die Hilfe, die er brauchte, um sich selbst zu verstehen, aber auch, damit auch Dulacre ihn verstehen konnte. „Was hat dich so elend fühlen lassen?“ Lorenor zuckte mit den Schultern und verschränkte erneut seine Arme auf der Reling. „Tja ich denke, ich… ich hatte ziemlichen Schiss davor, dir wieder gegenüber zu stehen.“ Diese Worte überraschten ihn, obwohl er es doch mit eigenen Augen gesehen hatte, obwohl er doch gesehen hatte, wie Lorenor seinem Blick ausgewichen war und sich entschuldigt hatte. „Um ehrlich zu sein, erinnere ich mich gar nicht mehr genau an das, was ich dir auf Applenine an den Kopf geworfen habe – und erst recht nicht, was du geantwortet hast – aber… einiges davon war nicht richtig, zumindest nicht, wie ich es gesagt habe.“ Nachdenklich nickend stimmte Dulacre dem zu; anders als Lorenor erinnerte er sich sehr gut an jenen Streit zurück. „Nun ja“, meinte er daher mit einem leichten Schulterzucken und verschränkte seine Arme, „ich war allerdings auch unnötig forsch dir gegenüber und habe deine Reaktion dementsprechend provoziert. Du magst dich manchmal unglücklich ausgedrückt haben – bewusst oder unbewusst – aber Unrecht hattest du mit vielem nicht.“ „Mhm“, murrte der andere, „mag schon sein, aber darum geht es mir eigentlich gerade nicht. Worauf ich hinaus will ist, dass… wie gesagt, normalerweise habe ich kein Problem damit, wenn ich mich nicht gut ausdrücke und falsch verstanden werde. Ich habe normalerweise kein Problem damit, wenn andere sich von meiner Meinung angegriffen fühlen oder beleidigt sind. Ich sehe normalerweise absolut nicht ein, Dinge zu beschönigen, nur damit sich niemand auf den Schlips getreten gefühlt.“ Hart atmete Lorenor aus und schüttelte den Kopf. „Und dennoch…, ich habe mich so geschämt für das, was ich gesagt habe, habe es fast bereut so ehrlich und direkt zu sein, wie ich doch eigentlich immer sein möchte. Nein, nicht nur fast. Ich hatte echt Angst, was du von mir denken würdest – dass du mich wie Homura behandeln würdest – dass ich wirklich wünschte, ich hätte all diese Dinge nicht gesagt.“ Dulacres Hoffnung bekam einen leisen Dämpfer. Wieder mal hatte er vergessen, dass Lorenor in solchen Dingen sehr schlicht dachte. Dulacre seufzte, er hatte es ja erwartet. „Aber Lorenor, es ist doch ganz normal, dass man von den Menschen, die einem wichtig sind, auch gemocht werden möchte. Diese Gedanken sind nicht…“ „Glaubst du, ich wüsste das nicht?“ Lorenor klang weder laut noch wütend, eher entnervt, als wäre er von sich selbst genervt, was er mit einem leisen Aufstöhnen auch noch bestätigte. „Natürlich will ich nicht, dass die anderen mich hassen, dass Ruffy mich hasst – es ist ein beschissenes Gefühl, zu wissen, dass der verdammte Koch mir nicht mehr vertraut, obwohl ich doch nichts anderes versuche, als sie alle zu beschützen - aber wenn das nötig sein sollte... Wenn ich für sie sterben müsste, um sie zu beschützen, dann würde ich das tun, so wie ich es bereits getan habe. So wie ich es bis eben noch vorhatte zu tun.“ Nun rieb der andere sich wieder den Nacken und schüttelte leicht den Kopf. „Aber bei dir ist das anders. Ich weiß nicht, ob es mir einfach vorher nicht bewusst war oder ob ich es halt jetzt erst so sehe, aber ich will nicht, dass du mich hasst. Ganz gleich, was ich tun müsste, ich will nicht, dass du mich verachtest. Die Vorstellung, dass du über mich redest wie über Homura, über mich so denkst… das will ich nicht. Ich mag nicht, wie herablassend du über alles und jeden redest, weil ich dann immer denke, dass du so vielleicht auch über mich redest, wenn ich nicht da bin, und obwohl mir das eigentlich egal sein sollte, ist es das nicht. Ich will keine Enttäuschung sein, keine Zeitverschwendung.“ Er zögerte, als würden diese Gedanken ihm jetzt erst bewusst werden. „Und ich will nicht für dich sterben. Denn wenn ich das tue, dann war’s das. Dann werde ich nie wieder ein Schachspiel mit dir spielen, nie mehr mit dir am Feuer sitzen, mit dir streiten oder mit dir kämpfen.“ Ganz langsam richtete Lorenor sich auf und drehte sich zu ihm herum, zeigte deutlich, wie sehr er sich mit seinen Gedanken auseinandersetzte. „Aber wenn du mir doch so wichtig wärest wie meine Crew, sollte ich dann nicht auch für dich bereit sein, alles zu tun, was in meiner Macht liegt, selbst wenn das bedeutet, dass du mich hassen würdest? Die Angst, euch alle zu verlieren, ist die Gleiche. Seitdem du zusammengebrochen bist, ist das alles, was ich fühle, aber warum kann ich dann für dich nicht alles tun? Warum fühlt es sich anders an? Warum ist es so kompliziert? Warum habe ich diese komplizierten Gefühle, dabei sollte es doch eigentlich ganz einfach sein?“ Diesen Gedanken konnte Dulacre nicht wirklich nachvollziehen. War es wirklich so kompliziert für Lorenor, dass er für unterschiedliche Menschen unterschiedlich empfand? Anscheinend hatte er wirklich ein sehr einfaches Weltbild, in das er Menschen nur danach einsortierte, ob er sie leiden konnte oder eben nicht. „Die Wahrheit ist doch, dass ich mir über so etwas nie Gedanken mache, aber dann dachte ich, du würdest sterben und Chopper sagt so komische Sachen und Robin sagt so komische Sachen und ich… und ich… und ich verstehe mich selbst nicht mehr.“ Immer noch begegnete er Dulacres Blick ohne jede Scham, verstand vielleicht noch nicht mal, dass dies ein Thema war, wo die meisten Menschen errötend herumstottern würden. Allerdings war es Dulacre so tatsächlich lieber. Lorenors unbedarfte Herangehensweise erlaubte Dulacre, mit ihm zu reden, wie sie es sonst auch taten, wenn Lorenor sich ihm öffnete. Obwohl seine Emotionen gerade Achterbahn fuhren, erlaubten Lorenors naive Ansichten ihm, etwas sachlicher zu denken. Ansonsten wäre er sich allerdings auch nicht sicher, ob er dieses Gespräch überhaupt noch ertragen könnte. Sein kleiner Wildfang konnte ihn durchaus gut foltern, ohne dass er es überhaupt beabsichtigte. „Aber ich bin kein Vollidiot“, sprach Lorenor dann weiter und sicherte sich Dulacres Aufmerksamkeit, „nachdem, was du mir auf Kuraigana gesagt hast, was Jiroushin gesagt hat, natürlich habe ich mich gefragt, ob dieses seltsame Gefühl vielleicht nicht genau das ist, was du Liebe nennst. Es wäre eine Möglichkeit, oder? Aber dich konnte ich schlecht fragen, du warst ohnmächtig, wir hatten gestritten und ich… ich wollte dir keine falschen Hoffnungen machen.“ Dulacre neigte den Kopf zur Seite. Wie sollte er Lorenor denn nur erklären, dass dieses ganze Gespräch ihm falsche Hoffnungen machte? „Das heißt, du denkst schon seit längerem darüber nach, was du für mich empfindest?“, fragte er stattdessen. So etwas wäre absolut ungewöhnlich für Lorenor, sich freiwillig mit seinen Gefühlen auseinanderzusetzen. Vielleicht hatte er sich doch mehr entwickelt, als Dulacre ihm zugestanden hätte. „Du hattest beabsichtigt, dich allein deinen Gedanken zu stellen, weil du mich nicht unnötig verletzen wolltest?“ „Mhm“, machte der andere nur unzufrieden, „zumindest habe ich es versucht. Aber ich habe so meine Zweifel, dass ich da erfolgreich war. Wenn ich…“ „Dennoch besprichst du es nun mit mir, Lorenor“, unterbrach er ihn etwas ungehalten, obwohl er wusste, dass zwischen den Zeilen lesen bei Lorenor meist eher kontraproduktiv war. „Bedeutet das etwa, dass du…?“ „Spring nicht zu irgendwelchen Schlussfolgerungen!“ Mahnend hatte der Jüngere einen Zeigefinger erhoben. „Ich hatte nicht vor, es anzusprechen. Aber du Vollidiot hast mir deine Gefühle gestanden und mir dann Worte in den Mund gelegt, die nicht stimmen. Du weißt, wie wenig ich es leiden kann, wenn du mir sagst, was ich zu denken habe. Nur deswegen habe ich es überhaupt erwähnt, verstanden?“ Abwehrend hob Dulacre beide Hände und nickte. „Dennoch, Lorenor, du musst einsehen, dass es ganz schön unfair von dir ist. Es mag vielleicht nicht in deiner Absicht liegen, aber dieses Gespräch hier ist für mich alles andere als einfach; du machst mir viele falsche Hoffnungen.“ Lorenors Auge weitete sich und leicht schüttelte er den Kopf. „Das war mir nicht bewusst, sorry“, murmelte er, doch Dulacre winkte nur ab. Natürlich war es ihm nicht bewusst, so weit entwickelt hatte er sich dann doch noch nicht. „Schon gut, aber darf ich dich denn nun um deine Antwort fragen?“ Lorenors überraschter Gesichtsausdruck bescherte ihn dann doch ein Schmunzeln. „Du sagtest, du hättest dir Gedanken gemacht, und ich würde gerne wissen, zu welchem Ergebnis du gekommen bist. Die Antwort, die ich dir vorgab, ist anscheinend falsch, und ich verstehe, dass es für dich schwer sein muss, in deiner derzeitigen Lage dich auch noch mit solchen Gedanken zu belasten. Aber du musst verstehen, dass auch meine Geduld mit dir nicht grenzenlos sein kann. Bitte höre auf, mich mit falschen Hoffnungen zu quälen und sage mir einfach deine Antwort, damit wir uns drängenderen Problemen widmen können. Ich versichere, dass ich damit umgehen kann und dich in Zukunft damit nicht mehr belästigen werde.“ Langsam senkte Lorenor den Blick und schwieg. Obwohl Dulacre es ihm so einfach machte, so geduldig mit ihm war und ihm bereitwillig den Weg bereitete, konnte Lorenor noch nicht einmal den letzten Schritt gehen? „Ist das deine Antwort? Schweigen? Nach all deinen ungewöhnlich vielen Worten bin ich dir noch nicht mal ein Wort der Ablehnung wert?“ „Jetzt hör auf mit diesem melodramatischen Scheiß, okay?“ Wütend starrte der andere ihn an. „Gib mir doch zumindest zwei Sekunden Zeit, darüber nachzudenken, du Mistkerl!“ Verdutzt machte Dulacre einen Schritt zur Seite, um etwas Abstand zum anderen zu bekommen, die Reling in seinem Rücken. „Du hattest Zeit“, entgegnete er jedoch kühl. „Ich weiß, dass du die ganze Nacht im Ausguck trainiert hast. Du hattest also genug Zeit und ich zweifle, dass zwei Sekunden mehr oder weniger etwas ändern würden.“ „Nimm mich doch nicht so wörtlich“, knurrte Lorenor augenrollend. „Was soll ich denn dann tun? Ich soll nicht zwischen den Zeilen lesen, ich soll dich nicht wörtlich nehmen, ich soll keine Antwort erfragen und ich soll auch nicht Vermutungen anstellen. Du bist ziemlich unverschämt, weißt du das?“ „Okay, das reicht jetzt“, murrte Lorenor und überbrückte die anderthalb Schritte zwischen ihnen. „Nach der Scheiße, die du heute den ganzen Tag über abgezogen hast, hast du kein Recht mir vorzuwerfen, ich wäre unverschämt.“ Das sah Dulacre allerdings ganz anders. „Aber meinetwegen“, sprach der andere weiter, „meine Antwort ist, ich weiß es nicht.“ Unbeeindruckt hielt er diesem feurigen Blick stand. „Das ist mir zu wenig“, lehnte er ab. „Nach einer langwierigen Diskussion ist die Wiederholung deiner Ausgangsbehauptung für mich als Antwort zu wenig. Du wirst dich etwas mehr anstrengen müssen.“ „Du bist anstrengend“, stöhnte der andere auf und wandte sich ab, begann auf und ab zu wandern, „du machst alles immer kompliziert, weißt du das? Wenn ich es nicht weiß, dann weiß ich es nicht. Ich meine, was du sagst und was diese Bücher sagen, sind zwei komplett verschiedene Dinge, und ich weiß nicht, was ich…“ „Bücher? Was für Bücher?“ „Na, die Bücher“, grummelte Lorenor, als müsste Dulacre wissen, wovon er sprach. Dann jedoch blieb er stehen und drehte sich herum, war mit einem Mal deutlich ruhiger, während er Dulacres Blick begegnete, als wäre auch ihm bewusst geworden, dass Dulacre nicht verstehen konnte, wovon er sprach. „Tut mir leid, ich mache das nicht absichtlich, okay? Ich bemühe mich.“ Und diese Worte reichten bereits aus. Seufzend erinnerte Dulacre sich daran, dass er manchmal mit Lorenor mehr Geduld haben musste, als ihm lieb war. „Nun gut, beruhigen wir uns“, murmelte er, obwohl Lorenor bereits ruhig war. „Es liegt auch nicht in meiner Absicht, mit dir zu streiten, Lorenor. Aber diese Thematik ist nun mal für mich sehr emotional und daher würde ich mir wünschen, wenn du mich an deinen Gedanken teilhaben lässt, selbst wenn du sie noch nicht ganz erschlossen hast. Was für Bücher sagen etwas komplett anderes als ich?“ „Die Bücher vom Koch“, kam die absolut unerwartete Antwort. „Wie bitte?“ Lorenor zuckte mit den Schultern und begann dann wieder auf und ab zu wandern, diesmal jedoch langsamer als zuvor. „Vor zwei Jahren hat der Koch irgendeine komische Buchreihe gelesen und Nami vorgeschwärmt, wie realistisch und nachvollziehbar die Liebesbeziehungen doch beschrieben worden wären, und ich…“ „Du dachtest, dass diese Bücher dir erklären könnten, was Liebe bedeutet?“ Der Jüngere nickte. „Und zu welchem Ergebnis bist du gekommen?“ „Dass diese Bücher furchtbar sind“, kam es direkt vom anderen nachdrücklich. „So einen öden Schund habe ich noch nie gelesen, kann ich dir sagen.“ In einer anderen Situation hätte Dulacre diese Reaktion vielleicht amüsant empfunden, aber gerade war ihm nicht nach Lachen zumute. „Das mag schon sein, aber ich meinte in Bezug auf…“ „Ich habe sie überhaupt nicht verstanden“, meinte Lorenor, der ihn offensichtlich verstand. „Ganz ehrlich, ich hatte keinen blassen Schimmer, von was für einem Mist diese Bücher redeten und irgendwie war ich… erleichtert, weil ich dachte, dass das Thema damit erledigt sein würde. Ich war erleichtert, weil Gefühle Dinge kompliziert machen und es ist so schon kompliziert genug, mit Eizen, meiner Crew, dir und deinem beschissenen Charakter.“ Dulacre wusste nichts zu sagen. Es tat weh, sehr weh, aber er hatte es erwartet, und es war besser, diese Angelegenheit ein für alle Mal zu klären, damit er sich keine Hoffnungen mehr machen brauchte. Vielleicht würde es ihm dann in Zukunft auch einfacher fallen, wie er mit Lorenor umzugehen hatte. „Aber dann sagst du so einen Mist und jetzt bin ich total verwirrt. Weil…, weil ich genau weiß, was du meinst.“ Für eine Sekunde hielt Dulacre die Luft an und er stieß sich von der Reling ab und stellte sich Lorenor in den Weg, sodass er aufhören musste, Gräben ins Holz zu laufen. „Was meinst du, Lorenor?“ Der andere schüttelte den Kopf, ohne Dulacre anzusehen. Mehrmals setzte er zu sprechen an, doch er schien die Worte nicht zu finden. Dann seufzte er. „Naja, in diesen langweiligen Geschichten ging es immer nur um so kitschiges Zeug und damit konnte ich absolut nichts anfangen und um ehrlich zu sein, fand ich diese Bücher nur nervig.“ Endlich sah Lorenor ihn wieder an, ganz klar und unverhohlen. „Aber… ich kenne die Angst, die du beschrieben hast, den Zorn, die Hilflosigkeit. Denn ich hatte Angst, als du vor mir zusammengebrochen bist und ich zur Sunny gelaufen bin. Verdammt nochmal, während Chopper und die anderen dich operiert hatten… ich… ich hatte solche Angst, dass du sterben würdest, ohne jede Vorwarnung, ohne, dass ich je damit gerechnet hätte, ohne, dass ich irgendetwas hätte tun können. Du dachtest, ich hätte es nur für meinen Traum getan, aber ich hatte solche Angst um dich, dass ich… bis du es gesagt hattest, habe ich nicht eine Sekunde an meinen Traum gedacht.“ Es sollte ihn nicht glücklich machen, von der Angst des anderen zu hören, aber bei Gott, was tat es gut, das zu hören; es schockierte ihn beinahe. Aber was schmerzte es auch, wie sehr wünschte Dulacre sich gerade, dass Lorenor seine Gefühle erwidern würde, so sehr wie gerade jetzt hatte er wohl noch nie gehofft. „Und ich bin auch wütend darüber, dass du einfach so deinen Titel riskierst, nur um mir nachzureisen, obwohl ich dir tausendmal gesagt habe, wie dämlich das ist. Ich bin wütend darüber, dass du dich wie ein Arsch benimmst und ich, so wie die anderen es tun, dich scheiße finden will, aber es nicht kann. Und ich habe mich so verdammt hilflos gefühlt an deinem Krankenbett zu sitzen, ohne irgendetwas tun zu können, außer zu warten. Du fragtest mich, warum ich an deinem Bett saß, und ich habe die Frage überhaupt nicht verstanden, denn was sonst hätte ich denn tun sollen? Ich hätte doch gar nichts anderes tun können.“ Lorenor seufzte tief. „Aber ich fühle mich auch hilflos, weil ich nicht will, dass du und der Koch euch die ganze Zeit an die Gurgel geht und ich nicht weiß, wie ich das verhindern soll, und als du mich eben wegen Eizen angegangen bist, da hatte ich wirklich Angst, dass du aufhörst, nachzuhaken, einfach aufgibst. Ich hatte wirklich Angst, dass ich es geschafft hätte, dass du nicht mehr nachfragen würdest, so wie ich alle in der Crew immer auf Abstand bringe, wenn sie mir zu nah kommen.“ Mittlerweile fiel es Dulacre schwer, diesem klaren Blick standzuhalten. Er verstand nicht, warum Lorenor ihm all das sagte und dennoch behauptete, seine Gefühle nicht zu verstehen. Aber es tat weh, es tat unglaublich weh, weil es das war, was er hören wollte, weil es beinahe das war, was er hören wollte, und er genau wusste, dass es das nicht sein konnte, und wie konnte es sein, dass die unbedachten Worte eines Jungen, kaum ein Mann, ihn so fühlen ließen, ihn so hoffen ließen. „Lorenor“, seufzte er auf, „es tut mir leid, aber wie kannst du all das sagen, aber darauf bestehen, mir keine Antwort geben zu können?“ Der Jüngere senkte den Blick und wandte sich dann ab. „Ich… ich…“ Er brach ab, klang deutlich verunsicherter als bisher. Doch in dem Moment, als Dulacre es sagte, verstand er es plötzlich, so ganz plötzlich. Verdammt, konnte er es noch auf die Medikamente schieben, dass der Berry heute nur so langsam fallen wollte? Natürlich, Lorenor hatte es doch gesagt, die Dinge hatten sich verändert, es war nicht mehr wie auf Kuraigana, es war nicht wie bei seiner Crew, es war anders mit Dulacre und Lorenor verstand nicht warum. Und wie immer, wenn er etwas nicht verstand, kam er zu Dulacre, nachdem er selbst erfolglos gewesen war. Erhoffte von ihm die Antwort, während er sich versuchte, zu erklären, während er sich um Kopf und Kragen stammelte, in seinem verzweifelten Versuch seine Frage so genau wie möglich auszuführen, damit Dualcre nur endlich antworten würde. Er sprach immer weiter und weiter, nicht, weil er Dulacres Frage beantworten wollte, nein, denn das konnte er gar nicht. Es war genau, wie Lorenor sagte, er wusste die Antwort nicht, er wusste nicht, was er für Dulacre empfand. Lorenor sprach weiter und weiter, weil er darauf wartete, dass Dulacre das in Worte fassen würde, was er selbst nicht erklären konnte, so wie es schon oft zwischen ihnen vorgefallen war. Wieder einmal hatte er es vergessen; so erwachsen und reif Lorenor in vielen Bereichen war, so unsicher war er in diesem und deswegen benahm er sich so, nicht weil Dulacre es kompliziert machte, sondern weil es schlicht kompliziert für Lorenor war, weil er halt doch noch zwanzig Jahre jünger war, weil er solche Gefühle anscheinend noch nie gefühlt hatte. Seufzend entschied Dulacre, dieses Mal auf sein Bauchgefühl zu vertrauen und das Risiko bereitwillig in Kauf zu nehmen, versuchte seine eigenen Zweifel zu ignorieren und einen Schritt nach dem anderen zu gehen. „Lorenor“, erhob er die Stimme und legte dem anderen eine Hand auf die Schulter, „kann es sein, dass du dir erhoffst, dass ich dir die Antwort vorgebe? Versuchst du mir das zu sagen?“ Der Jüngere erzitterte unter seinem Griff. „Du bist ein verdammter Vollidiot, weißt du das?“, knurrte er, aber seine Stimme war nicht annähernd so bedrohlich, wie er es wohl wollte. „Alles machst du kompliziert, immer suchst du Streit und machst nur Probleme. Du versuchst nicht mal mit meiner Crew auszukommen und was war die Scheiße mit dem Koch? Ganz ehrlich, du treibst mich in den Wahnsinn, das versuche ich dir zu sagen. Du bist ein Vollidiot, ein verdammter Vollidiot!“ Dulacre schwieg für einen Moment, versuchte abzuwägen, was er sagen sollte, fühlte sich beinahe lächerlich über dieses Gefühl in seinem Inneren, das dieser Rotzbengel in ihm hervorrief. Leise seufzte er. „Lorenor, wie du weißt, bin ich immer nur zu gerne bereit, mich mit deinen Gedanken auseinanderzusetzen. Aber in dieser einen Sache werde ich dir keine Antwort geben können. Ich wünsche mir natürlich, dass du meine Gefühle erwiderst – du kannst dir nicht vorstellen, wie sehr ich es mir wünsche – aber ich kann nicht für dich entscheiden, ob du mich liebst. Das weißt nur du.“ Dulacre zögerte. Er wusste genau, dass wenn er Lorenor jetzt einfach bestätigen würde, dass seine Worte einer Liebeserklärung gleichkommen würden, dann würde Lorenor dies als Wahrheit akzeptieren, aber Dulacre war zu stolz, um sich mit der Lüge einer Liebe zufrieden zu geben. „Ich bin nicht in der Lage deine Worte objektiv zu bewerten und ich möchte dich nicht beeinflussen, dich im Zweifel zu einer Antwort verleiten, die nicht der Wahrheit entspricht, nur weil du mich nicht verletzen möchtest. Aber ich bin mir sicher, dass du die Antwort weißt, selbst wenn du dir unsicher sein solltest.“ Lorenor reagierte nicht. „Du bist klüger, als du dir manchmal eingestehen möchtest, daher vertraue ich auf dein Urteilsvermögen. Du brauchst mich nicht, um für dich zu antworten.“ Kurz schloss er die Augen und entschied, dieses eine Mal völlig selbstlos zu sein. „Ich möchte dich nur an eines erinnern, an unsere Abmachung, ehrlich miteinander zu sein. Ich bevorzuge die harte Wahrheit vor der süßen Lüge, in Ordnung?“ Der Jüngere nickte leicht und ab dann wurde es ganz still, selbst das Rauschen der Wellen und Dulacres eigenes Herz schienen zu schweigen. „Also Lorenor, dieses Mal in aller Klarheit, liebst du mich?“ Keine Antwort. Es kam keine Antwort. Plötzlich stöhnte der andere jedoch entnervt auf, streifte Dulacres Hand ab und wandte sich ihm zu, sein Blick todernst, wie während ihrer Trainingseinheiten. Im nächsten Moment packte er einfach Dulacre an Hinterkopf und Kragen, riss ihn zu sich hinab und knallte seinen Mund gegen Dulacres, stierte ihn regelrecht nieder. Keine Sekunde später stieß er ihn wieder weg, als hätte er sich an Dulacre verbrannt. „War das klar genug?“, knurrte er und stemmte die Hände gegen die Hüfte, doch Dulacre war nur noch mehr verwirrt. Er konnte nicht einordnen, was Lorenor gerade getan hatte. „Aber krieg mir das nicht in den falschen Hals, kapiert? Du bist immer noch ein Mistkerl, ich will dich immer noch besiegen und wenn du noch einmal so einen Mist wie mit dem Koch abziehst, dann wirst du dein blaues Wunder erleben!“ Fast schon wütend starrte Lorenor ihn an, dann atmete er tief aus und nickte. „Schön, jetzt, da wir auch das geklärt hätten, können wir uns wieder den eigentlichen Problemen zuwenden. Also komm mit und entschuldige dich bei meiner Crew, du Mistkerl.“   Kapitel 26: Kapitel 26 - Geständnis ----------------------------------- Kapitel 26 – Geständnis   -Mihawk- „Wa… warte, Lorenor!“ Doch Lorenor wartete nicht, sondern schleifte Dulacre hinter sich übers Schiff zum Krankenzimmer. Ganz perplex stolperte Dulacre dem anderen hinterer, verstand immer noch nicht, was gerade passiert war. Hatten sie nicht gestritten? Hatten sie nicht darüber gestritten, dass Lorenor schon wieder drauf und dran gewesen war, sein Leben für andere zu opfern? Hatten sie nicht gestritten, dass Dulacre sich gegen den Dickkopf des anderen nicht erwehren konnte und sich deshalb dessen Crew angenommen hatte? Hatten sie nicht über Lorenors Ängste gesprochen? Über Eizen? Wieso hatten sie dann plötzlich über Dualcres Gefühle gesprochen? Wieso hatten sie plötzlich über Lorenors Gefühle gesprochen? War das… waren die letzten Minuten wirklich geschehen? Hatte Lorenor ihm gerade… hatte Lorenor gerade zugegeben, dass er Dulacres Gefühle erwiderte? Oder war das alles nur ein großes Missverständnis? Hatte er Lorenor wieder einmal missverstanden? Plötzlich riss der Jüngere die Tür zur Kombüse auf und zog Dulacre mit sich hinein. Die gesamte Crew, inklusive Gäste, war anwesend und hatte sich wohl bis gerade eifrig unterhalten, nun starrten sie alle Lorenor und Dulacre an. Für eine Sekunde war es in der Kombüse ganz still. Dann lachte der Strohhut am Küchentisch laut auf und winkte ihnen zu. „Hey Zorro, willst du auch was essen?“ Dabei hob er eine besorgniserregend große Keule hoch. „Nein, danke“, entgegnete Lorenor nur, als würde es ihn überhaupt nicht wundern, dass sein Kapitän ein halbes Kalb auf seinem Teller hatte, war es bereits Abendessenszeit? Sie hatten doch gerade erst zu Mittag gegessen, oder nicht? Sein Zeitgefühl schien wirklich noch verschoben zu sein. „Ich habe keinen…“ „Herr Mihawk!“ Doktor Chopper war aufgesprungen und rannte geradewegs auf ihn zu, blieb direkt vor ihm stehen und starrte mit seinen Knopfaugen zu ihm herauf. „Sie müssen sich schonen! Ich habe Ihnen gesagt, dass es in Ordnung ist, wenn Sie am Mittagessen teilnehmen, aber nicht, dass Sie den lieben, langen Tag herumlaufen. Sie sind immer noch…“ „Chopper“, murrte Lorenor, „rück ihm nicht so auf die Pelle. Er hat noch kein Blut gespuckt und er sagt, es geht ihm gut. Du kannst ihn auch noch später untersuchen.“ Erneut blickte Lorenor flüchtig zu Dulacre hinauf mit seinem typischen Ich-hab’s-dir-doch-gesagt-Ausdruck. „Aber Zorro! Auch wenn er gemein ist, er ist immer noch mein…“ „Doktor Chopper“, erhob nun Dulacre selbst seine kratzige Stimme und neigte leicht den Kopf, „ich entschuldige mich dafür, Ihnen Unannehmlichkeiten bereitet zu haben und ich werde mich bereitwillig später von Ihnen untersuchen lassen. Aber zunächst möchte ich mich für mein Verhalten bei Ihnen entschuldigen. Lorenor hat mich darauf aufmerksam gemacht, dass Sie sich besonders von meinen Worten angesprochen gefühlt haben, und ich möchte Ihnen versichern, dass ich Sie wohl am wenigsten mit meinen Bemerkungen meinte.“ Die Knopfaugen des jungen Arztes wurden glasig, aber bevor er irgendetwas antworten konnte, sprach bereits der Cyborg: „Und wen hast du dann mit deinen Bemerkungen ansprechen wollen, huh?“ Dulacre zeigte dem Cyborg sein schönstes Lächeln. „Ich hoffe doch, dass diejenigen sich auch angesprochen…“ „Genug!“ Lorenor funkelte ihn wütend an. „Nicht hilfreich!“ Dann lockerte er einmal seine Schultern und warf einen Blick in den Raum. „Also, ich habe echt keinen Bock darauf, dass wir uns alle gegenseitig die ganze Zeit an die Gurgeln gehen. Ich mach dem jetzt ein Ende.“ „Und wie willst du das anstellen, Zorro?“, fragte die Navigatorin und sah ihn zweifelnd an. „Ganz ehrlich, nach diesem Mittagessen kann ich auf noch mehr Drama verzichten.“ „Und da bist du nicht alleine“, murrte Lorenor und rieb sich mit seiner freien Hand den Nacken, „aber ich habe zugehört und ich sehe auch ein, dass ich an einigen der Unstimmigkeiten nicht ganz unschuldig bin, und daher habe ich entschieden, euch jetzt alles zu erzählen und dass wir danach alle gemeinsam mein Problem angehen.“ Einen Moment zögerte Lorenor, während Dulacre ihn eindringlich betrachtete. Er hatte es gehofft, aber bei Lorenor konnte er sich nie sicher sein. Es war gut, dass Dulacre dem Jüngeren erlaubt hatte, diese Entscheidung selbst zu fällen, nachdem er am vergangenen Mittag noch nicht bereit gewesen war, doch die folgenden Worte überraschten ihn noch etwas mehr: „Natürlich nur, sofern ihr mir auch helfen wollt.“ Ein Raunen glitt durch den Raum und einige Crewmitglieder warfen einander perplexe und vielsagende Blicke zu. Dann stand der Samurai von Wa No Kuni auf. „Momonosuke, komm mit mir nach draußen. Dieses Gespräch ist nicht für unsere Ohren bestimmt und wir sollten nicht erneut mit unserer Anwesenheit stören.“ Der kleine Junge folgte diesem Vorschlag widerspruchslos und Dulacres Blick fiel fast automatisch wie der einiger anderer auf Trafalgar Law, doch dieser grinste nur und lehnte sich zurück, verschränkte die Arme hinterm Hinterkopf. „Oh, ich bleibe, schließlich haben wir doch eine Allianz gegründet, oder nicht? Wenn irgendetwas unseren Plan bedroht, will ich das auch erfahren.“ Dann sah er Dulacre direkt an. „Und als würde ich mir eine Chance entgehen lassen, dem ach so abgehobenen Falkenauge dabei zuzusehen, wie er sich nochmal lächerlich macht.“ Wie gerne würde er diesem unerzogenen Balg seinen vorlauten Mund stopfen, aber nach einer Sekunde entschied er, sich von dem plötzlich verstärkten Griff um sein Handgelenk aufhalten zu lassen, Lorenor zuliebe. „Meinetwegen“, murrte dieser nur und würdigte Trafalgar nicht eines weiteren Blickes. „Was soll der Mist?“, brachte sich nun der Smutje ein, der bisher ungewöhnlich stumm geblieben war und dessen Blick etwas zu offensichtlich auf Lorenor – und eben nicht auf Dulacre – lag. „Denkst du ein paar nette Worte und Halbwahrheiten und wir vergessen, was dieser Bastard uns eben an den Kopf geworfen hat?“ „Um ehrlich zu sein, ist mir ziemlich egal, was hier eben los war, Koch, und mal abgesehen davon, dass ich nicht ein einziges Mal gelogen habe, warst du doch derjenige, der mich andauernd wegen der letzten zwei Jahre genervt hat, also solltest du doch froh sein, wenn ich dir Ausnahmsweise mal Recht gebe und zugebe, dass ich Mist gebaut habe.“ Entnervt rollte Lorenor mit dem Auge. „Also hier hast du es, Kartoffelschäler: Ich habe Mist gebaut und stecke in Schwierigkeiten, mein Fehler. Also wie sieht’s aus? Lösen wir das hier als Crew zusammen oder soll ich das wie jeder andere hier allein versuchen, nur damit ihr mich dann retten kommen könnt?“ Wieder wechselten einige Crewmitglieder vielsagende Blicke und Dulacre bekam das sichere Gefühl, dass innerhalb dieser Crew einiges wohl oft nicht gesagt wurde. Diese Crew schien wirklich eine ganz eigene Dynamik zu haben. „Scheint, als wäre einer unserer Kindsköpfe endlich mal erwachsen geworden“, bemerkte die Navigatorin, doch Dulacre entging ihr halbes Lächeln nicht. „Oh, ich glaube, du solltest dir nicht zu viele Hoffnungen machen“, entgegnete Nico Robin, während sie an ihrem Kaffee nippte, doch ihre klugen Augen lagen wissend auf Dulacre und dann zwinkerte sie, als wüsste sie mehr als er, als würde sie ihm die vergangene Diskussion überhaupt nicht übelnehmen; sie war wirklich gut. „Ist ja nicht so, als hätten wir nicht schon Übung darin“, murmelte der Lockenkopf und zuckte mit den Achseln, „auf der anderen Seite wäre es auch mal schön, im Vorhinein zu wissen, mit wem wir uns anlegen. Dann könnten wir auch mal einen vernünftigen Plan zusammenlegen.“ „Aber Pläne sind soooo langweilig“, beschwerte sich nun der Strohhut, ohne sein Mahl zu unterbrechen. „Zorro, ich will lieber direkt kämpfen und nicht so langweilige Pläne aushecken.“ „Aye, Käpt’n“, stimmte Lorenor nun dem Strohhut zu, „aber das geht dieses Mal nicht. Glaub mir, wenn wir die Sache so lösen könnten, hätte ich kein Problem.“ „Och, Menno.“ Der Strohhut zog eine beleidigte Schnute und widmete sich dann wieder seiner Keule, seine Aufmerksamkeit offensichtlich überspannt. „Nun gut“, seufzte der Cyborg kurz auf. „Was ist also los, Zorro? Kann ja nicht so tun, als hätte wir nicht alle mitbekommen, dass etwas im Busch ist.“ Lorenor nickte und Dulacre bemerkte, wie sich sein Blick veränderte, seine Körperhaltung veränderte. Lorenor zeigte immer eine angenehme Grundspannung und er war stets aufmerksam, selbst, wenn man es ihm nicht direkt ansah, nun jedoch wappnete er sich, wie damals, als Dulacre ihm das Rüstungshaki hatte beibringen wollen. Der Jüngere erwartete keinen Kampf, wohl aber eine Herausforderung, welcher er sich nur ungerne stellte. Es schien, als hätte er wirklich nicht übertrieben – nicht, dass Dulacre das erwartet hätte – er schien die kommenden Minuten wirklich zu fürchten. „Also…“ „Jetzt warte mal!“, unterbrach ihn der Smutje und trat aus seiner Kombüse hervor, steckte sich eine Zigarette an, nicht minder angespannt. „Wenn das hier ein Problem der Crew ist, warum ist er dann hier?!“ Er nahm einen tiefen Zug und nickte zu Dulacre hinüber, ohne ihn überhaupt anzusehen. „Ist ja schön, dass du endlich einsiehst, wie beschissen du dich die letzten Tage verhalten hast, Marimo, aber dieser Bastard hat nichts Besseres zu tun, als uns tagein tagaus zu beleidigen. Mag ja sein, dass dir egal ist, was passiert ist, mir allerdings nicht. Wenn du willst, dass wir hier als Crew Entscheidungen treffen, will ich, dass er wie Kinemon und Momonosuke raus geht. Er ist kein Crewmitglied, er hat nichts mit uns zu tun!“ „Sanji“, warf die Navigatorin vermittelnd ein, während Dulacre nur missbilligend mit der Zunge schnalzte. Er wusste nicht, was genau Lorenors Plan für dieses Gespräch war – wenn er denn einen hatte - aber sein Blick hatte Dulacre nur zu bewusst gemacht, dass er sich zurückhalten sollte, eine erneute Auseinandersetzung vermeiden sollte. Also tat er genau das, und überließ Lorenor das Reden, so wie sie es vor über zwei Jahren vereinbart hatten, als Lorenor damals seiner Crew die Wahrheit hatte erzählen wollen. Sein Wildfang stöhnte entnervt auf. „Und Laws Anwesenheit stört dich nicht, oder was?“, murrte er. „Naja, es ist wie er sagt, wir sind eine Allianz, aber ich wüsste nicht, was dieser Arsch…“ „Es reicht, verdammt noch mal.“ Lorenor knallte seinen Stiefel auf den Boden. „Ich werde das nur ein einziges Mal sagen, also sperrt die Lauscher auf.“ Wütend funkelte er den Smutje an, der laut aufschnaubte. „Mir ist scheiß egal, ob ihr einander mögt oder überhaupt nicht ausstehen könnt, und mir ist scheiß egal, was wer wem an den Kopf geschmissen hat und wer angefangen hat. Zum Teufel noch mal, wir sind hier doch nicht in einem beschissenen Kindergarten! Um das jetzt ein für alle Mal zu regeln, hört auf euch die Köpfe einzuschlagen!“ Dann sah Lorenor ihn kühl an, obwohl Dulacre doch noch nicht mal was gesagt hatte, und er hatte viel zu sagen. „Sie sind meine Crew, also nimm verdammt nochmal etwas von deiner beschissenen guten Erziehung, mit der du immer so angibst, und beiß dir auf die Zunge, anstatt jedes Mal einen Streit vom Zaun zu brechen. Wenn du nicht mit ihnen reden kannst, ohne dass am Ende jemand heult oder dich umbringen will, dann halt einfach die Klappe, verstanden? Du schaffst es doch auch, dich auf diesen ganzen Versammlungen am Riemen zu reißen, also bitte versuch zumindest ein einziges Mal, nicht wie ein verdammter Mistkerl rüber zu kommen.“ „Verlang doch nichts Unmögliches“, bemerkte der Smutje spöttisch, doch weiterhin begegnete er Dulacres Blick nicht. Es amüsierte ihn beinahe, wie seine Worte von vorher den Smutje wohl noch immer beschäftigten. Aber es empörte ihn viel mehr, dass er glaubte, so über ihn reden zu können. „Schnauze, Koch, ich bin noch nicht fertig! Wenn Dulacre es packt, sich zusammenzureißen, dann schafft ihr das auch. Ja es stimmt, er gehört nicht zur Crew und er ist ein arroganter Mistkerl, der sich viel zu gerne selbst reden hört. Aber ihr werdet mit ihm auskommen müssen, ob ihr wollt oder nicht, denn ich bin es leid, einen auf Vermittler machen zu müssen.“ „Na und“, murrte der Smutje nun und nahm einen Zug seiner Zigarette. „Sorry, wenn’s dir nicht passt, Marimo, aber auch wenn du’s beschissen findest, er ist und bleibt ein Außenstehender und ich wüsste nicht…“ „Und ich sag‘s noch ein letztes Mal, Koch, damit auch du es kapierst! Was ich zu sagen habe, betrifft ihn genauso sehr wie euch, also bleibt er!“ Es war ein seltsamer Moment. Dulacre hatte noch nie das Bedürfnis gehabt, von jemandem anderen verteidigt werden zu wollen, aber gerade genoss er doch ganz vornehmlich, wie ausdrücklich Lorenor seinen Stellenwert gegenüber der Crew vermittelte. Dulacre hatte immer noch seine Zweifel und Fragen über das, was Lorenor ihm vor wenigen Minuten noch draußen gesagt – oder eher nicht gesagt - hatte, aber wenn dies die Folge war, dann war er wirklich froh, dass er Lorenor wieder einmal nachgeeilt war. „Ach, du kannst mich mal!“ Der Smutje sah das wohl eindeutig anders und schritt auf Lorenor zu. „Was ziehst du hier für eine Scheiße ab, Marimo? Wir alle haben uns Sorgen um dich gemacht und du verhältst dich wie ein asozialer Mistkerl, seitdem du wieder da bist, und jetzt sollen wir vor diesem verdammten Samurai katzbuckeln, nur weil es dir so passt? Nach allem, was er gesagt hat? Nach dem, was er heute Morgen getan hat? Ist mir scheißegal, ob er dein Lehrmeister ist oder was auch immer, ich mach da nicht mit!“ Für einen Moment war es ruhig im Raum, dann seufzte der Cyborg auf und rieb sich den Nacken. „Also ich verstehe, um ehrlich zu sein nicht, was der ganze Radau soll. Sanji, ich kann Falkenauge genauso wenig ab wie du, aber wir alle wissen, dass es hier gerade ein größeres Problem gibt, und wenn Zorro sagt, dass es Falkenauge genauso angeht wie uns, dann soll er doch meinetwegen bleiben. Ganz ehrlich, mehr als heute Mittag kann er uns doch eh nicht mehr an den Kopf werfen.“ Oh, das sah Dulacre allerdings ganz anders. „Ich finde auch, dass wir uns jetzt erst mal Zorros Problem anhören sollten“, murmelte Doktor Chopper recht kleinlaut und seine schwarzen Knopfaugen lagen auf Lorenor, sein Fell hatte sich vor Sorgenfalten leicht aufgeplustert, so dass er noch plüschiger aussah als sonst schon. „Das sehe ich auch so“, bemerkte die Navigatorin und goss sich Kaffee nach, „wir scheinen uns mit dringenderen Dingen beschäftigen zu müssen als persönliche Abneigungen und wenn ich darüber nachdenke, dass wir uns gerade erst mit de Flamingo und Big Mom angelegt haben, würde ich bevorzugen, wenn wir versuchen, unseren Berg an Gefahren auf ein Minimum zu beschränken.“ Dann sah sie Dulacre an und es schien, als müsste er sich korrigieren, Lorenor schien nicht das einzige willensstarke Crewmitglied zu sein. „Lass mich aber eines klarstellen, Falkenauge. Das heißt nicht, dass wir die Sache von vorher vergessen; ich mag es nicht, wenn jemand von außerhalb meine Crew beleidigt. Aber ich sehe ein, dass ein gemeinsamer Feind uns doch zumindest zu Verbündeten macht, auch wenn ich mir vielleicht Schöneres vorstellen könnte.“ „Ja, Falki ist unser Freund!“, warf der Strohhut ein, obwohl er scheinbar nicht zuhörte und sich nur auf sein fragwürdiges Mahl konzentrierte. „Nein, Ruffy, Verbündete sind keine… ach, was versuche ich hier überhaupt?“ „Also“, erhob Lorenor erneut das Wort, seine Stimme etwas tiefer als zuvor, ein deutliches Zeichen dafür, wie genervt er von der Situation war, aber auch ein Zeichen von Anspannung, „was ich sagen wollte…“ „Nein!“, war es erneut der Smutje, der ihn unterbrach, immer noch mitten im Raum stehend, und nun zum ersten Mal Dulacre ansah. „Ich traue ihm nicht.“ „Sanji“, bemerkte der Musikant beschwichtigend, „dass tut hier doch keiner, aber Nami hat Recht. Es ist…“ „Ich vertraue Dulacre“, widersprach Lorenor und trat auf den Smutje zu, ließ Dulacres Handgelenk los und erst jetzt bemerkte er, dass der andere ihn noch die ganze Zeit festgehalten hatte, konnte das Kribbeln seiner Haut nach dem festen Griff ganz deutlich fühlen. „Und für dich sollte mangelndes Vertrauen doch kein Problem sein, oder Koch? Schließlich vertraust du mir doch auch nicht, wenn ich mich recht erinnere.“ „Aber Zorro“, flüsterte die Navigatorin entsetzt. Das sichtbare Auge des Smutjes wurde groß und für einen Moment sah er aus, als ob Lorenor ihn geohrfeigt hätte, doch dann nickte er. „Und du gibst mir auch keinen Grund dazu, nicht wahr?“ „Ich versuche es gerade!“ „Ach, jetzt auf einmal, jetzt? Nachdem du Tage dafür Zeit hattest, nachdem ich und die Hälfte der anderen dir mehrmals die Gelegenheit gegeben haben. Jetzt kommst du an, wenn wir mitten in einer anderen Sache stecken. Jetzt, nachdem du zugesehen hast, wie dein toller Samurai da nichts anderes tut, als…“ „Smutje“, erhob Dulacre nun doch seine kratzige Stimme, als er es leid wurde, dass dieses Balg ihrer aller Zeit verschwendete, „uns allen – glaub mir, wirklich jedem Anwesenden hier – ist bewusst, wie wenig du mich leiden kannst, und keine Sorge, das beruht auf Gegenseitigkeit. Aber wäre es nicht klüger, so wie deine Crewmitglieder es bereits vorgeschlagen haben, diese persönliche Fehde für einen Moment zu ignorieren und sich einem gemeinsamen Feind zu stellen?“ „Du kapierst es immer noch nicht“, murrte der Smutje und zeigte mit seiner Zigarette auf Dulacre, „du bist hier der Feind!“ „Was verdammt nochmal ist dein Problem, Koch?!“ Lorenor packte den ausgestreckten Arm des Smutjes und starrte ihn an, doch dieser starrte zurück. „Hab ich doch gerade gesagt! Er ist mein Problem, du verblödete Moosbirne! Ist dir nicht bewusst, dass er dich nur ausnutzt? Er ist ein Samurai, verdammt noch mal! All dieser Schwachsinn darüber, dass er uns nur wachrütteln muss, weil er dir helfen will, das kannst du doch nicht wirklich glauben! Er ist nur ein weiterer Samurai, der hinter uns her ist, nachdem Bär versagt hat, die G6, und ihm vertraust du? Ihm? Der Mistkerl, der uns alle hier umbringen könnte, wenn er nur wollte, und du vertraust ausgerechnet ihm? Hast du sie noch alle?! Und dann kommst du hier auch noch an und willst Bedingungen aufstellen? Ich kann dir noch nicht mal vertrauen, dass du lebend zu uns zurückkehrst, wie soll ich dann einem Wachhund der Regierung vertrauen, nur auf dein Wort hin?“ Alle schwiegen, selbst Dulacre entschied zu schweigen, als der Damm endlich Risse bekam, so nervig das auch war, so war es auch notwendig. „Du gibst uns gar nichts – gar nichts! – aber mit ihm redest du, die halbe Nacht durch, für Stunden auf dem Deck. Er weiß, was die letzten zwei Jahre passiert ist. Er weiß, wie du überlebt hast und warum du nicht mit uns redest. Er weiß wahrscheinlich sogar, was dein beschissenes Problem ist. Irgendein Mistkerl, der dich vor ein paar Jahren beinahe getötet hat, weiß mehr über dich als wir alle zusammen und ich bemühe mich! Ich bemühe mich, dich zu verstehen, dir Raum zu lassen oder auf dich zuzugehen, dir Fragen zu stellen oder Antworten zu verlangen, aber egal was ich mache, egal was wir machen, du behandelst uns wie die Außenstehenden, während er… Warum er, Zorro? Warum ein verdammter Samurai? Warum verdammt nochmal Falkenauge?! Ist er nicht der, den du eines Tages besiegen willst? Ist nicht er derjenige, der dich für den Rest deines Lebens mit deiner Niederlage gebrandmarkt hat? Ist nicht er…?“ „Das ist genug, Sanji.“ Der Smutje erfror in seiner Bewegung, als der Strohhut sprach, sich den klebrigen Mund mit dem Hemdärmel abwischte. Seine Stimme klang anders, als Dulacre sie bisher gehört hatte, und ein Blick in die Runde zeigte ihm, dass diese erwachsenere Tonlage des Strohhutes ihn wohl beunruhigen sollte. „Zorro muss nicht reden. Nur weil er nicht mit uns über alles redet, heißt das nicht, dass er uns nicht vertraut, und das heißt auch nicht, dass er nicht gerne bei uns ist.“ Dann zeigte er sein unnatürlich breites Grinsen. „Und wenn Zorro sagt, dass wir Falki vertrauen können, dann tue ich das. Schließlich ist er Zorros Freund und Zorros Freunde sind meine Freunde.“ Es war tatsächlich beeindruckend, seine Aura war fast wie die des Roten und das auch, weil er gerade genauso dümmlich daher schaute, genauso leichtfertig sprach und genauso naiven Gedankengängen folgte, wie der Rote damals und genau wie bei seinen Gesprächen mit dem roten Shanks, gierte es Dulacre auch jetzt nach Hochprozentigem. „Mag ja sein, dass das für dich so ist“, murmelte nun der Smutje und riss seinen Arm von Lorenors Griff los, „aber für mich ist das nicht so. Es tut mir leid, Kapitän, aber ich kann das nicht so sehen. Ich brauch mehr als nur dein Wort, Zorro, ich brauche einen beschissenen Grund und ich weiß, dass ich nicht der einzige hier bin; die anderen sind nur zu rücksichtsvoll, um was zu sagen. Aber ich bin es leid, gib mir einen Grund, warum ich Falkenauge vertrauen soll, warum ich glauben soll, dass er nicht unser Feind ist, und ich gebe Ruhe und wir können uns alle deinem beschissenen Problem widmen. Aber ich will einen verdammten Grund von dir hören, sonst soll er gehen.“ Ein Grinsen schlich sich auf Dulacres Züge. Er konnte den Smutje keinen Deut besser ausstehen, aber dieser Blick gerade gefiel ihm, da zeigte sich ja doch das Vinsmoke Blut. Da zeigte sich ja doch, dass die Auseinandersetzungen des Morgens fruchteten. Er konnte in den Blicken der anderen sehen, dass der Smutje nicht komplett Unrecht hatte, zumindest der Lockenkopf und Cutty Fram konnten nicht verbergen, dass sie ähnlich dachten, auch wenn keiner von ihnen es wohl ausgesprochen hätte. Wirklich eine eigenartige Konstellation, diese Crew, aber so langsam glaubte er, zu begreifen, wie sie funktionierte. „Tze, du machst so einen Aufstand wegen so etwas Lächerlichem, Koch? Du bist echt noch schlimmer als Dulacre.“ Lorenor seufzte und rieb sich den Nasenrücken, verstand offensichtlich nicht, dass sein Wort einer Begründung nicht gleichkam. „Echt mal, wenn ihr über euren beschissenen Schwanzvergleich irgendwann mal hinwegkommt, wird euch wahrscheinlich auffallen, dass ihr beide echt gleich nervig seid.“ Dann sah Lorenor ihn kurz über seine Schulter hinweg an, ein undefinierbarer Ausdruck in seinem Auge. Hatte er vielleicht doch verstanden? „Einen Grund also“, sprach er und da verstand Dulacre diesen Blick. Es schien, als würde diese Crew sich endlich doch weiterentwickeln. Jeder von ihnen auf seine eigene Art und alles natürlich nur dank Dulacre. „Na gut, meinetwegen. Der Grund, warum ihr Dulacre vertrauen könnt, ist, weil ich ihm vertraue. Ich vertraue ihm, weil er in den vergangenen zwei Jahren jederzeit die Chance hatte, mich umzubringen oder auszuliefern, und es nicht getan hat. Er hat sich sogar seinem besten Freund in den Weg gestellt, als dieser mich festnehmen wollte. Ich vertraue ihm, weil er bereitwillig nach Sarue reiste, um euch allen zu helfen, als ich es selbst nicht konnte. Ich vertraue ihm, weil er die letzten Stunden damit verbracht hat, Vernunft in mich hineinzuprügeln, und dafür sogar bereit war, sich mit euch allen anzulegen und mehr als nur mein Vertrauen aufs Spiel gesetzt hat.“ Lorenor schwieg für einen Moment und schüttelte den Kopf, als müsste er sich überwinden, die nächsten Worte auszusprechen, bemerkte nicht, wie der Lockenkopf beinahe panisch die Navigatorin anstarrte, während Nico Robin nur wissend nickte. Das Gesicht des Smutjes war eine harte Maske und Dulacre fragte sich, ob es sein konnte, dass sie Lorenor noch nie so reden gehört hatten. Kein Wunder, dass sie ihn nicht kannten. Dann seufzte Lorenor auf und fuhr mit seiner Auflistung fort, obwohl es nach Dulacres Dafürhalten langsam genug war. „Ich vertraue Dulacre, weil er mir nie verziehen hat, dass ich mich damals auf der G6 geopfert habe, anstatt euch zu vertrauen und weil er mir das gefühlt noch täglich vorwirft. Euch ist das vielleicht nicht bewusst, aber alleine seine Anwesenheit hier auf der Sunny gefährdet gerade seinen Titel als Samurai.“ Lorenor neigte leicht den Kopf zur Seite und sah den Smutje herausfordernd an. „Ja, er hat mich damals verwundet. Ja, ich werde diese Narbe für den Rest meines Lebens tragen, Koch, und zwar mit Stolz. Dulacre ist nicht mein Feind, nicht unser Feind.“ Aufschnaubend rieb er sich den Hinterkopf, schien immer noch nicht zu bemerken, wie unterschiedlich seine Crewmitglieder auf seine Worte reagierten. Sie waren wohl wirklich nicht daran gewöhnt, ihn so viel reden zu hören, doch wie so oft, wenn Lorenor einmal in Schwung kam, dann fiel ihm plötzlich ganz viel ein, was er sagen konnte; und Filtern tat er natürlich nicht. „Er ist ein nerviger Mistkerl, das gebe ich zu – aber auch nicht viel nerviger als du, Koch – und er hat gerne Recht und ist ziemlich arrogant und überheblich. Außerdem mag er es sich mit Leuten anzulegen, nur um sie zu brechen, wirklich eine beschissen nervige Angewohnheit. Aber…“ „Schon gut, schon gut“, murrte der Smutje und winkte ab. „Ich hab’s ja kapiert, du vertraust ihm, soll er doch bleiben. Jetzt hör schon damit auf, ihn so zu beweihräuchern; Ich wollte wissen, ob wir ihm vertrauen können, nicht, ob du in ihn verknallt bist.“ Einen Moment hörte man nur Lorenors tiefes Atmen, als hätte er gerade eine besonders anspruchsvolle Übung absolviert, und Dulacre bemerkte, wie Nico Robin ihr Schmunzeln in ihrem Kaffee ertränkte. Ohne, dass er es verhindern konnte, wurden seine Wangen warm, aber er wusste nicht, ob es sonst jemandem aufgefallen war. Doch dann bemerkte er die aufgerissenen Augen Cutty Frams, die zwischen ihm und Lorenor hin und her eilten. „Sanji!“, tadelte die Navigatorin den Smutje mahnend und beseitigte Dulacres letzten Funken Hoffnung. Natürlich hätte ihm bewusst sein sollen, was die Forderung des Smutjes für eine Folge haben würde, da Lorenor wie immer kein Blatt vor den Mund nahm und nicht jeder dieser Crew das emotionale Niveau eines Kleinkindes hatte. „Warte, was?“, fragte plötzlich der Lockenkopf und schaute mehr als verwirrt zwischen Lorenor und Dulacre hin und her, als würde er einzelne Puzzleteile zusammenfügen. „Warte mal, ist es das, was hier abgeht? Läuft da etwa was zwischen euch? Deswegen der ganze Aufstand?“ „Was redest du da für einen Mist, Lysop?“ entgegnete der Smutje deutlich zu laut. „Blaff mich doch nicht so an, du hast es doch gerade selbst gesagt! Die beiden benehmen sich doch schon die ganze Zeit so komisch und ich meine, Falkenauge hat es doch eben schon mehr oder weniger gesagt, oder nicht? Und deswegen tickt er die ganze Zeit so aus; er ist eifersüchtig.“ „Ich bin was?“ Der Lockenkopf zuckte auf und schrumpfte unter seinem Blick zusammen. „Jetzt tu nicht so“, murrte Lorenor und wandte sich Dulacre zu. „Hast du nicht eben selber noch gesagt, dass Eifersucht ein sinnloses und lächerliches Gefühl ist?“ „Oh, mach du dich nur über mich lustig. Wenigstens kann ich in Worte fassen, was ich denke und brauche nicht jemanden anderen, der für mich meine eigenen Gefühle ausspricht.“ Nun verschränkte der andere die Arme. „Ich finde, ich habe sehr deutlich gemacht, dass ich dich für einen verdammten Mistkerl halte und es mich anpisst, wie kompliziert du es uns allen machst. Du raubst mir echt den letzten Nerv!“ Aber dieses Mal würde Dulacre nicht nachgeben. „Ich mache es kompliziert?! Du bist doch derjenige, der irgendeinen unzusammenhängenden Schwachsinn gestammelt hat und mich dann einfach wieder mit hierhin schleift, obwohl wir uns gerade mitten in einer Diskussion befunden haben.“ „Die Diskussion war beendet!“ Lorenor warf die Hände in die Luft. „Es war alles geklärt, was es zu klären gab, und hättest du nicht gewollt, dass ich...“ „Nichts ist geklärt! Du hast mir keine Antwort gegeben!“ „Ich habe dich geküsst, verdammt nochmal! Ist das nicht Antwort genug?“ „Das… das sollte ein Kuss sein?“, murmelte Dulacre perplex. Dachte an den Moment, als Lorenor beinahe dessen Stirn gegen seine Nase gerammt hatte, ehe er ihn mit sich zu seiner Crew geschliffen hatte. „Oh Gott, da haben wir aber noch einiges an Arbeit vor uns.“ Erst da wurde ihm bewusst, dass sämtliche Augen auf sie gerichtet waren, und er realisierte, was Lorenor und er selbst gerade gesagt hatten, und innerhalb von Sekundenbruchteilen konnte er spüren, wie seine Ohrenspitzen heiß wurden. „Zorro“, sprach nun die Navigatorin mit der gelogenen Gelassenheit einer Mutter, die ihrem Kind einfachste Grundlagen zwischenmenschlichen Verhaltens beibringen musste, „ich weiß ja nicht wirklich, was hier gerade vor sich geht und worüber ihr hier eigentlich streitet, aber du kannst eine Diskussion nicht einfach mit einem Kuss beenden und dann hoffen, dass alle Fragen geklärt sind.“ Nun wandte sich Lorenor der Navigatorin zu, während es Dulacre immer noch deutlich zu warm war, während noch zu viele Augenpaare auf ihn gerichtet waren. „Was mischst du dich ein? Überhaupt, in diesen verdammten Schnulzen vom Koch machen die das alle so und…“ „Und keiner würde irgendwelche Liebesromane als Anleitung nehmen, du Vollidiot! Das sind Geschichten, die kannst du doch nicht ernst nehmen.“ Als wäre sie der Verzweiflung nahe, rieb sie sich durchs Gesicht. „Ist das der Grund, warum wir hier alle die ganze Zeit streiten? Weil du dir Ratschläge von irgendwelchen Schnulzen holst, wie du deine Probleme lösen sollst? Wie blöd bist du eigentlich?“ „Ziemlich blöd?“, warf der Smutje bissig ein, aber nun stierte er Dulacre sehr bewusst nieder. Nicht, dass es ihn scherte, er hatte gerade seine eigenen Probleme. „Mann, Zorro, das echte Leben ist viel komplizierter als irgendein blödes Buch. Du kannst nicht einfach Dinge für dich behalten und hoffen, dass sich dann alles irgendwie von selbst löst, dass alle anderen die ganze Zeit Rücksicht üben und nur darauf warten, dass du endlich den Mund aufmachst. Du kannst nicht einfach andere Menschen küssen und denken, das wäre eine angemessene Antwort. Und du kannst nicht einfach in ein Zimmer stürzen und erwarten, dass wir alles stehen und liegen lassen, nur weil du dich jetzt endlich dazu durchgerungen hast, uns reinen Wein einzuschenken, ohne auch nur eine Sekunde darüber nachzudenken, wie wir uns die letzten Tage gefühlt haben.“ Sie schnaubte auf und verschränkte die Arme. „Echt, manchmal bist du so ein Vollidiot, schlimmer als Ruffy. Du kannst nicht einfach alles so machen, wie es in irgendwelchen Büchern steht, die keine Ahnung vom wahren Leben haben.“ „Jetzt nerv nicht“, murrte Lorenor und winkte entnervt ab. „Außerdem war es nicht nur ein Kuss, okay? Wir haben vorher gefühlte Stunden…“ „Lorenor“, unterbrach Dulacre den anderen nun, der entschied genaue das eine Thema anzusprechen, welches Dulacre gerade überhaupt nicht besprechen wollte, nicht vor diesen Leuten, „würde es dir etwas ausmachen, wenn wir diesen Teil des Gespräches auf später verschieben – unter uns! – und uns jetzt erstmal dieser anderen Sache widmen?“ „Hast du etwa vor ihn abzuweisen?!“ Ausgerechnet der Cyborg war aufgesprungen und starrte ihn entrüstet an, schien deutlich emotionaler als selbst während des Streits am vergangenen Mittag. „Nachdem er all das über dich gesagt hat, willst du ihm jetzt etwa einen Korb geben?“ „Nein, nein, natürlich nicht“, widersprach er, etwas überrumpelt von der anklagenden Tonlage des anderen, und hob leicht beide Hände. „Waren das meiste nicht irgendwelche Beleidigungen?“, warf der Lockenkopf ein. „Gefühlt hat Zorro ihn fünfmal einen arroganten Mistkerl genannt.“ „Vertrauliche Gespräche gehören nicht in die Öffentlichkeit“, sprach Dulacre dann schnell weiter, erlangte seine Fassung zurück und richtete seinen Kragen. „Lorenor mag eine gute Erziehung verwehrt geblieben sein, ich jedoch weiß, was sich gehört.“ „Wir sind eine Piratencrew, Mann, ist nicht so, als ob irgendwer von uns wüsste, was sich gehört oder nicht“, entgegnete Lorenor unbeeindruckt. „Aber du hast Recht. Eigentlich wollte ich ja auch etwas ganz Anderes mit euch…“ „Halt!“, war es schon wieder der Smutje, der Lorenor unterbrach. „Koch, was denn nun schon…“ Der Smutje jedoch schob Lorenor einfach nur zur Seite und stakste auf Dulacre zu. „Du… du…!“ Er hatte den Zeigefinger erhoben, wie ein Lehrer, dem ein böser Streich gespielt worden war. „Was meinst du damit, du hast nicht vor, dem Marimo einen Korb zu geben?“ Diese Frage überraschte ihn nun doch. Dieses ganze Gespräch überraschte ihn, dieser ganze Tag überraschte ihn. Lorenor hatte wirklich Recht, diese Crew mochte vieles sein, aber mit ihr wurde es wirklich nicht so schnell langweilig. Er hatte wirklich nicht gedacht, je mit Lorenor über seine Gefühle zu sprechen, geschweige denn von seiner Crew bezüglich seines Beziehungsstatus angefeindet zu werden. „Ähm, sollte ich?“, fragte er nach und wunderte sich, welche dreckige Geschichte der Smutje ihm nun über Lorenor verraten würde oder ob dieser Bengel sich erdreisten wollte, ihn über einen angemessenen Altersunterschied belehren zu wollen. „Natürlich solltest du das, du untreuer Bastard! Du bist doch verlobt! Du bist doch mit der bezaubernden Lady Loreen verlobt!“ Kapitel 27: Kapitel 27 - Geschichte ----------------------------------- Kapitel 27 – Geschichte   -Sanji- Falkenauge sah ihn mit großen Augen an und ein leises Raunen ging durch den Raum. Law klatschte lautlos in die Hände und schien den Spaß seines Lebens zu haben. Im Gegensatz zu Sanji, der nicht glauben konnte, dass der Samurai sich darum überhaupt nicht scherte. Er hatte es doch immer schon gewusst. Das war der Grund gewesen, warum er diesem Samurai misstraut hatte. Mochte sein, dass er kein Hochverräter war, kein Feind, aber er war ein Schwerenöter, der die bezaubernde Lady Loreen betrog, und zwar mit niemand anderem als… Obwohl, halt, nein, je länger er darüber nachdachte, desto weniger passten die Dinge zusammen. Wer würde schon auf die Idee kommen ein Geschöpf des Himmels wie Lady Loreen mit dem Marimo zu betrügen, der die erotische Ausstrahlung von Socken in Sandalen hatte - an guten Tagen - und gerade in bester Manier bewiesen hatte, wie unreif er noch war? Eine weitere Sekunde sah Falkenauge ihn mit diesen beängstigend großen Augen an, doch plötzlich warf er sich zurück und begann schallend zu lachen. Er lachte so laut und herzlich, wie Sanji ihm wohl nie zugetraut hätte, hielt sich den Bauch und beugte seine Knie, als drohte er vor Lachen umzufallen, wobei seine heisere Stimme mehrmals brach und er schließlich husten musste. „Was ist daran so lustig?“, zischte Sanji. Wie konnte dieser Mistkerl es wagen, Lady Loreen zu hintergehen und sich dann darüber auch noch lustig zu machen? Der Samurai schaute glucksend auf und rieb sich Lachtränen aus den Augen. „Herrlich“, lachte er krächzend auf. „Das ist ja zu köstlich!“ „Herr Mihawk“, rief Chopper ein und tapste eilig um den Tisch herum. „Bitte reißen Sie sich zusammen. Es ist nicht gut, wenn Sie…“ „Machen Sie sich keine Sorgen, Doktor Chopper. Mir geht es ausgezeichnet, ganz ausgezeichnet.“ Seine Mundwinkel zuckten immer noch und leise kicherte er. „Oh, Lorenor, bitte lass mich es dem Smutje sagen. Ich will sein dummes Gesicht sehen.“ „Lass das“, murrte der Marimo hinter Sanji, „wir haben schon genug Zeit mit unnötigem Kram verplempert …“ „Wie kannst du sagen, Lady Loreen’s Zukunft wäre unnötig?“ Nun wandte Sanji sich seinem Crewmitglied zu. „Wie kannst du ihr das antun? Wie kannst du…?“ „Jetzt halt mal die Luft an, Koch.“ Zorro stöhnte lautstark auf, dann schüttelte er den Kopf und ging zur Türe, die aufs Deck führte. „Mann, wenn das so weiter geht, diskutieren wir morgen noch, ohne irgendetwas erreicht zu haben.“ Im nächsten Moment stakste er einfach nach draußen und ließ sie alle zurück. „Was sollte das denn jetzt?“, murmelte Lysop. „Wo ist er denn jetzt hin?“ „Er holt die Unterlagen“, antwortete der Samurai hinter Sanji. „Welche Unterlagen?“, fragte Brook nach. Sanji wandte sich wieder dem Samurai zu, der mit einem gefährlichen Grinsen an ihm vorbeischritt und sich wieder auf dem Stuhl am Kopfende Richtung Krankenzimmer niederließ, auf dem er bereits am Mittag gesessen hatte. „Die Unterlagen, die er mir bisher vorenthalten hat. Lorenor meint es offensichtlich ernst, endlich hat er vor, zu reden.“ „Jetzt warte mal“, knurrte Sanji und packte die Stuhllehne zur Rechten des Samurais, wo bis vor wenigen Minuten noch Kinemon gesessen hatte. „Was ist jetzt mit Lady Loreen?“ „Gemach, Smutje.“ Unbeeindruckt sah der andere zu ihm auf. „Mir steht es nicht zu, deine Frage zu beantworten. Aber Lorenor wird gleich alles erklären.“ Er holte tief Luft, um Falkenauge ganz genau zu erklären, dass es ihm gerade überhaupt nicht um das Problem des Säbelrasslers ging, sondern darum, dass dieser Mistkerl vor ihm vorhatte, das Herz einer unschuldigen Dame zu brechen. Doch eine knochige Hand legte sich ihm auf die Schulter und als er aufsah, schenkte ihm Brook das gütige Lächeln eines Totenschädels. „Er hat Recht, Sanji. Es bringt doch nichts, sich jetzt noch zu streiten, wenn Zorro uns in ein paar Minuten eh alles erklärt, nicht wahr?“ Aufschnaubend gab Sanji sich für den Moment geschlagen und folgte dem Musikanten zum Tresen, wo er sich auf einem der Barhocker niederließ, die Vorstellung mit diesem Dreckskerl an einem Tisch zu sitzen, war ihm zuwider. Bis auf Ruffy, der immer noch unbeschwert seine fünfte Mahlzeit verspeiste, waren alle anderen relativ ruhig. Der Samurai zeigte ein erwartungsvolles Grinsen, wie ein Raubtier, das seine Beute in eine Sackgasse gejagt hatte. Law auf dem Sofa wiederum, begutachtete Falkenauge wie ein Aasgeier, der nur darauf wartete, dass der Jäger die Reste seiner Beute liegen lassen würde. Lysop, der ungewollt zur Linken des Samurais saß, hatte sich so weit nach links gelehnt wie möglich, ohne von seinem Stuhl zu fallen oder auf Choppers Schoß zu rücken, der sich ebenfalls wieder hingesetzt hatte, und ab und an seinen Patienten besorgt beobachtete. Neben Chopper saß Nami, die Robin immer wieder vielsagende Blicke zuwarf, zwischen ihnen nur der Teller von Ruffys Essen, der am anderen Tischende saß und von der erwartungsvollen Anspannung nichts mitzubekommen schien. Robin schien ebenso entspannt, während sie Nami Kaffee eingoss und ihr höfliches Lächeln zeigte, aber Sanji war sich nicht sicher, wie echt es war. „Sag mal“, bemerkte nun Franky und ließ sich auf dem Stuhl neben Robin nieder, knallte seinen Ellenbogen auf den Tisch und stützte sein Kinn auf einer Hand ab, während er den Samurai beäugte, „also nur zur Klarstellung, du und Zorro?“ Falkenauges Lächeln gefror und er räusperte sich deutlich, ehe er leise mit der Zunge schnalzte. „Ich dachte, ich hätte mich eben unmissverständlich ausgedrückt, als ich sagte, dass ich dieses Gespräch mit Lorenor unter vier Augen führen werde…“ – „drei“, gluckste Brook dazwischen, ohne vom Samurai auch nur eines Blickes gewürdigt zu werden – „…und außerdem hat Lorenor Recht. Solche Dinge sind nicht von Belang in Anbetracht der bevorstehenden Herausforderungen.“ „Mhm“, machte Franky nur und nickte langsam, „meinetwegen, reden wir später drüber.“ „Ich beabsichtige nicht, dieses Gespräch mit irgendwem von euch zu führen“, erklärte der Samurai herablassend. „Meinetwegen“, murrte Franky erneut und lehnte sich noch etwas vor. „Will dir nur sagen, dass dir hoffentlich bewusst ist, worauf du dich einlässt.“ Seine Stimme klang drohender, als Sanji erwartet hatte, aber er hatte um ehrlich zu sein keine Ahnung, worum es dem Schiffszimmermann gerade ging. Falkenauge schien diese Ahnungslosigkeit zu teilen, denn er neigte leicht den Kopf mit einem sachten Schmunzeln. „Dir ist sehr wohl bewusst, dass ich Lorenor besser kenne, als du es tust, Cutty Fram?“ „Is‘ wohl so“, entgegnete Franky unbeeindruckt, „und Zorro ist wohl ein ahnungsloser Holzkopf, der irgendeinen Schund aus irgendwelchen Schnulzen glaubt, will ich gar nicht abstreiten. Will nur sagen, dass du uns noch nicht richtig kennen gelernt hast, und vielleicht willst du es auch lieber dabei belassen, verstanden?“ „Franky, was soll das?“, murmelte Lysop leicht fahrig. „Gewiss“, antwortete Falkenauge jedoch und sein Grinsen wuchs eine Spur. „Ich hätte auch nichts anderes erwartet.“ Doch was auch immer er damit meinte, blieb ungesagt, als Zorro zurückkam, einen dicken, weißen Hefter in der Armbeuge. Die Mappe sah aus, als würde sie eher auf den Schreibtisch eines hochrangigen Marineoffiziers gehören, und wirkte vor der Brust des ungehobelten Säbelrasslers absolut fehl am Platz. Nachdem dieser die Tür schloss, sah er sich einen Moment um, nahm sich die Sekunde, einen jeden von ihnen anzusehen. „Ich sehe, ihr habt es tatsächlich mal geschafft, euch nicht die Köpfe einzuschlagen“, murrte er wie ein Vater, der seine streitenden Kinder maßregeln musste. „Als müsstest du dich hier so aufplustern“, bemerkte Nami und nippte an ihrem Kaffee, „du bist auch nicht besser als die anderen Vollidioten.“ Der Marimo entgegnete nichts, sondern sah nun zu Ruffy, der sich genüsslich die Finger ableckte. „Also, Kapitän, nach Dress Rosa werde ich mich für ein paar Tage absetzen und die Crew verlassen müssen. Ich hoffe, du bist damit einverstanden, wenn ich dann später wieder dazustoße. Wie lange ich weg sein werde, kann ich noch nicht sagen.“ „Was?!“, entkam es Sanji gleichzeitig mit einigen anderen. „Okay“, sagte Ruffy. „Ruffy?!“, zischte Nami. „Du musst zumindest nach dem Grund fragen!“ „Dazu komme ich jetzt.“ Zorro schritt zum letzten freien Platz am Tisch – zwischen Franky und Falkenauge – und ließ sich auf den Stuhl fallen, ehe er die Akte auf den Tisch warf und seinen Unterarm drauflegte. Der Samurai neben ihm schien Zorro aufmerksam zu begutachten, aber von seinem Grinsen war nichts mehr geblieben, tiefe Falten spalteten seine Stirn und sein Mund war nur eine dünne Linie. Irgendwie beunruhigte das Sanji nur noch mehr. Die vergangenen Stunden hatte Falkenauge sich als überheblicher Besserwisser aufgespielt, doch nun wirkte er konzentriert, beinahe besorgt, und das fasste Sanji als Warnung auf. „Also?“, fragte Franky, verschränkte seine Arme und lehnte sich etwas zurück, sodass alle am Tisch einander ansehen konnten und nicht von seinem massiven Körper verdeckt wurden. „Wofür reichst du deinen Urlaubsantrag ein?“ „Ich muss zur Reverie“, antwortete Zorro ebenso ruhig, fast schon genervt, als würden sie sich übers Segelflicken unterhalten. „Was?“, schnaubte Sanji auf. „Was willst du denn bei der Weltkonferenz, Marimo?“ Der andere legte einen Arm auf seine Rückenlehne und drehte sich zu ihm um, eine Augenbraue hochgezogen. „Eine Rede halten, wenn du’s genau wissen willst“, bemerkte er und Sanji fragte sich, ob der andere ihn gerade wieder von vorne nach hinten verarschen wollte, doch dann wurde Zorros Blick ernst und er wandte sich allen zu, „und wenn ich da nicht pünktlich auftauche, werden einige Auftragsmörder angehalten sein, so ziemlich alle, die ich kenne – einschließlich dieser Crew – umzubringen. Außerdem wird Dulacre dann des Hochverrats angeklagt, weil er mich die letzten zwei Jahre vor der Weltregierung gedeckt hat.“ „Ach, das erklärt, warum wir auf der Fischmenscheninsel beschattet worden waren“, erfasste Robin und erhob sich, um ihre Tasse und Ruffys Teller zur Spüle zu bringen, ignorierte die Anspannung, die Sanji beinahe greifen konnte. Er sah es den anderen an, sie alle tauschten bemüht ernsthafte Blicke miteinander aus, aber zumindest Lysop konnte die offensichtliche Panik nicht verbergen. Nur Ruffy bemerkte davon natürlich überhaupt nichts. Er selbst musste gestehen, dass er es… nicht unbedingt erwartet hatte, aber nach dem vergangenen Morgen, hatte er wohl mit etwas ähnlich Schockierendem gerechnet. „Ist dir das auch aufgefallen?“, murrte Franky nun ungewohnt schroff. „Wir wurden verfolgt?“, kam es hingegen von Lysop ganz entsetzt, während Sanji aufsprang und Robin aufforderte, ihm das Spülen zu überlassen. „Hast du’s etwa nicht bemerkt?“, meinte er dann und schwang die Spülbürste in Lysops Richtung. „Ich dachte, um ehrlich zu sein, dass es Big Moms Schergen wären, insbesondere weil wir sie durch diesen Sturm, der uns nach Punk Hazard gebracht hat, abgehängt hatten.“ „Da waren diese komischen Gestalten auf Applenine“, warf nun Law ein, der sich ebenfalls vorlehnte und seine Arme auf den Oberschenkeln ablehnte, „waren sie das, Zorro? Wenn ja, dann wissen sie genau, was wir vorhaben, oder?“ Zorro nickte. „Mit Sicherheit und sie wissen vermutlich auch, dass Dulacre hier ist. Aber sie werden vermutlich nichts deswegen unternehmen. Ihre einzige Aufgabe ist, jeden aus meinem Bekanntenkreis umzubringen, sollte ich nicht tun, was mir gesagt wird. Sie haben vermutlich die meisten von euch über die vergangenen zwei Jahre im Auge behalten.“ „Tze, ziemlich arrogant“, bemerkte Franky, „glauben die, dass wir uns so einfach um die Ecke bringen lassen?“ „Darum geht es doch nicht“, sagte Nami unwirsch und verwarf Frankys Kommentar mit einer Handbewegung, „die Frage ist doch, warum sich jemand so eine große Mühe macht, um Zorro zu erpressen. Alleine einen Auftragsmörder zu engagieren, ist schon viel Aufwand, aber ein Dutzend Menschen unentwegt zu überwachen, um sie auf Kommando ausschalten zu können, ist wirklich eine andere Liga.“ Sanji bemerkte mit einem Schmunzeln, dass Nami davon ausging, dass der Marimo kaum mehr als zwölf Freunde – inklusive der Crew – haben könnte, und mit einem halben Nicken entschied er, dass sie vermutlich damit sogar Recht hatte. „Warte mal“, meinte nun auch Lysop und hob eine Hand, als müsste er drangenommen werden, „du sagtest, du sollst eine Rede halten? Damit wirst du erpresst, oder? Du, ein Pirat, auf einer Konferenz der Weltregierung? Habe ich was nicht mitbekommen?“ Zorro seufzte und rieb sich den Nacken. „Jetzt sag schon, Zorro“, murmelte Chopper. „Wer ist so gemein, dass er dich erpresst, damit du eine Rede hältst?“ „Wohl eher, wer ist so dumm, den Marimo eine Rede halten lassen zu wollen? Muss ziemlich verzweifelt sein, der Gute, wenn er sogar die Moosbirne erpressen muss.“ „Smutje…“ „Nicht“, unterbrach Zorro sofort jeglichen Widerspruch seitens Falkenauges, aber der Rest der Crew tauschte beunruhigte Blicke aus. Sie kannten die verschiedenen Gemütslagen ihres Schwertkämpfers, meistens war er gleichgültig bis genervt, manchmal leicht reizbar – insbesondere, wenn er müde war – und regelmäßig auch gelangweilt, gerade wenn es um solche Gespräche wie dieses hier ging. Aber gerade klang er nicht so, als würde ihn das alles nerven, als wäre ihm das alles egal. Zorro klang müde. Nicht erschöpft, wie nach einem Kampf, nicht schlaftrunken, wie wenn er zum Frühstück geweckt wurde, nein, er klang genauso, wie am lang zurückliegenden Morgen, als er Sanji und Falkenauge im Krankenzimmer zurückgelassen hatte. „Sein Name lautet Eizen und er…“ „Eizen? Rishou Eizen?“, fragte Nami nach und ihre Augen wurden groß. „Der Politiker?“ Zorro nickte. „Was hast du denn mit dem zu schaffen?“ „Wer ist denn dieser Eizen?“, warf Chopper ein. „Einer der mächtigsten Politiker der Welt“, erklärte Robin und auch sie klang nun deutlich ernster als noch wenige Sekunden zuvor, als sie sich nur über Auftragsmörder unterhalten hatten. „Er ist das Bindeglied zwischen den Weltaristokraten und der Weltregierung. Obwohl er kein Adliger ist, genießt er großen Respekt auf allen Seiten der Politik und noch mehr Einfluss. Es ist allgemein bekannt, dass man ihn sich nicht zum Feind erklären möchte, denn seine Feinde leben für gewöhnlich nicht lange oder verschwinden einfach von der politischen Bildfläche.“ „Boah! Ist er so stark?!“ Plötzlich schien Ruffy ganz begeistert und zeigte, dass er doch zugehört hatte. Robin neben ihm lachte leise auf und schüttelte den Kopf. „Ach nein, von seinen Bildern in der Zeitung her wirkt er nicht besonders kampferprobt auf mich, eher trägt er seine Kämpfe mit Worten aus, Kapitän, nicht mit Fäusten.“ „Oh… langweilig.“ „Aber jetzt nochmal zurück zum Thema“, murrte Franky, „was will ein Spitzenpolitiker mit dir, Zorro? Er wird dich ja wohl kaum als Ghostwriter für seine Reden brauchen.“ Erneut nickte Zorro. „Die Rede ist ein Vorwand“, erklärte er dann und Sanji konnte sehen, wie sich die Nackenmuskeln des Marimos anspannten. „Eizen will die Zusammenkunft aller Staatsoberhäupter für einen Putsch ausnutzen.“ Einige Anwesende holten überrascht Luft, nur der Samurai regte sich nicht, sein Gesicht absolut ausdruckslos, wie während eines Pokerspiels, und Sanji fragte sich, ob es das war, was Falkenauge am Morgen angedeutet hatte, ob er gewusst hatte, in was für eine Sache Zorro da verwickelt war. Sanji selbst musste gestehen, dass er irgendwie gar nichts fühlte. Er konnte noch nicht mal sagen, ob er überrascht war oder nicht. Jetzt, da Zorro endlich sprach, wirkte das ganze Gespräch irgendwie unwirklich. „Und er will, dass du ihm dabei hilfst?“, hakte Brook nach. „Du sollst den Putsch für ihn durchführen?“ „Unsinn“, brachte sich nun der Samurai ein und seine raue Stimme triefte vor Hochmut, „als ob Eizen einen solch törichten Plan verfolgen würde.“ Sein verurteilender Blick fiel auf Brook. „Um dies klarzustellen, es gibt kaum einen, der den Tanz der Politik so perfekt beherrscht wie Eizen, außer vielleicht noch seine Assistentin Rihaku. Er ist niemand, der sich mit einfachen, aber riskanten Strategien zufriedengeben würde. An den Tagen der Reverie wird Mary Joa so gut beschützt wie sonst nie – und schon an einem durchschnittlichen Tag ist die Sicherheit dort weit höher als in Impel Down – ganz zu schweigen von sämtlichen Leibwächtern und Personenschutz, die die verschiedenen Staatsoberhäupter mit sich bringen.“ Dann wandte Falkenauge sich allen zu. „Lorenor mag stark sein, aber selbst ich würde mir gut überlegen, ob ich diese Schlacht wohl eingehen würde; selbst ein Einfaltspinsel wie der rote Shanks würde dies wohl nicht ohne Verbündete wagen. Lorenor allein wäre nicht in der Lage einen Machtwechsel gewaltsam herbeizuführen und Eizen weiß dies.“ Seine durchdringenden Augen fielen auf Zorro, der dessen Blick zu begegnen schien. „Also, was ist sein wahrer Plan, Lorenor?“ „Brook hat gar nicht so Unrecht“, entgegnete Zorro und zuckte mit den Achseln. „Es geht Eizen allerdings wirklich nicht um meine Muskelkraft. Dieser Kerl hat eine ganze Armee an Auftragsmördern und wahrscheinlich gehorcht ihm die halbe Marine, doch darum geht es ihm nicht. Aber du hast Recht, ein Glücksspiel, ob sich die Soldaten wirklich gegen die Weltregierung stellen, wäre ihm wohl zu riskant, er hat seinen Plan anscheinend über mehrere Jahrzehnte geschmiedet, damit er auch hieb- und stichfest ist. Er will gar keinen Krieg, er will eine glatte und reibungslose Machtübergabe, und das kann er angeblich, mit meinem Blut.“ „Dein Blut?“ Der Samurai beugte sich vor. „Willst du mir etwa sagen…?“ „Er will mein Blut benutzen, um die antike Waffe Uranos, die derzeit in Mary Joa versteckt ist, einzusetzen“, sprach Zorro weiter, ohne Falkenauge anzusehen. „Wa… was?“, flüsterte einige, aber Sanji starrte einfach nur den Rücken des anderen an. Was meinte er damit? Was zur Hölle hatte das zu bedeuten? „Aber… aber was?“, murmelte Nami. „Was meinst du damit, Zorro? Ich verstehe nicht…“ Und da war sie nicht die Einzige. Wovon verdammt nochmal redete der Marimo da? Er konnte ihnen doch nicht gerade ernsthaft verticken, dass er irgendetwas mit einer der antiken Waffen zu tun hatte? Der Marimo? Dieser Vollidiot einer Alge? Ebendieser seufzte auf und rieb sich durchs Haar. „Also keine Ahnung, ob das stimmt, aber laut Eizen kann nur ein D. Uranos steuern – sein wahrer Name lautet übrigens Eizen D. Rishou, ehe da Nachfragen kommen – aber zur Aktivierung der Waffe braucht man wohl ein bestimmtes Blut, mein Blut, seiner Aussage nach.“ Zorro neigte seinen Kopf zur Seite und schien den Samurai wieder in den Blick zu nehmen, dessen gelbe Augen bis gerade noch auf Law fixiert gewesen waren. „Das war auch ein Grund für das Bauernopfer.“ „Bauernopfer?“, fragte Chopper, doch verstummte halb in seiner Frage, als Falkenauge sich erhob und begann am Kopfende auf und ab zu wandern. „Und das hast du mir all die Zeit verschwiegen?“, fuhr er Zorro an, ohne in seinen Schritten innezuhalten. „Du hieltst es nicht für erforderlich, mir…?“ „Ich wusste es nicht, okay?“, murrte der Marimo, unbeeindruckt von dem Unmut des Samurais. „Ich habe dir doch gesagt, dass er mir die Wahrheit erst bei unserem letzten Treffen gesagt hat. Ich dachte, er ist ein Aufschneider, der immer etwas dick aufträgt, der einfach nur seinen eigenen Vorteil will. Ich hätte doch nie gedacht, dass er so einen Scheiß vorhat.“ „Wie oft muss ich dir noch sagen, dass die meisten Menschen ihre Absichten nicht in die Welt hinausposaunen, wie du oder der Hohlkopf deines Kapitäns? Natürlich hat er dir nicht seinen ganzen Plan verraten. Wie kannst du nur so naiv sein und glauben…?“ „Mihawk“, traute Robin sich den Samurai zu unterbrechen und hatte eine Hand beschwichtigend erhoben. „Ich verstehe deine Empörung, aber Schuldvorwürfe helfen uns gerade nicht weiter. Bitte beruhige dich und lass uns fortfahren.“ Die Strohhüte schluckten synchron, als sie Falkenauge belehrte, doch dieser hielt ihrem Blick nur einen langen Moment stand, dann nickte er mit einem Schnauben und ließ sich wieder auf seinen Stuhl fallen. „Also, Zorro“, sprach Robin nun weiter, „Eizen will dein Blut benutzen, um Uranos zu aktivieren. Warum dein Blut? Was ist daran besonders?“ „Alciel.“ Erneut war es Falkenauge, der antwortete und sein Blick lag so durchdringend auf Zorro, dass Sanji sich fragte, ob er ihn aufspießen wollte. „Ich hatte…“ „Einen Scheiß hattest du“, murrte Zorro. „Alciel?“, wiederholte Robin langsam. „Das verlorene Königreich?“ Beide Schwertkämpfer sahen sie an. „Du kennst Alciel?“, fragte Zorro offensichtlich überrascht. „Natürlich“, murmelte Falkenauge hingegen, „der letzte Teufel Oharas.“ „Hey“, murrte Sanji über diesen unpassenden und unnötigen Kommentar. „Was ist Alciel?“, fragte Franky und sah zwischen Zorro und Robin hin und her. „Ein längst vergangenes Königreich“, erklärte Robin und eisig lagen ihre Augen auf dem Samurai. „Es ist kaum etwas über dieses Volk bekannt, außer, dass es einst mächtig war und vor Jahrhunderten untergegangen ist; zufälligerweise genau in der Zeit des vergessenen Jahrhunderts. Ihre Sprache schien auf ähnlichen Schriftzeichen zu basieren wie die Schrift der Porneglyphen, aber trotz emsiger Bemühungen vieler Wissenschaftler und Forscher Oharas waren sie kaum in der Lage, diese Schrift zu lesen. Eines der wenigen Worte, die sie sicher entziffern konnten, war wohl der Name des Königreichs, Alciel. Ich selbst habe leider nie die Möglichkeit bekommen, die spärlichen Aufzeichnungen in Augenschein nehmen zu können, und weiß nur, was die anderen erzählt haben, aber von einer Verbindung zu den antiken Waffen habe ich nie etwas gehört und es erscheint mir doch auch äußerst unwahrscheinlich.“ Sie beugte sich vor und ihr durchdringender Blick lag immer noch auf Falkenauge. „Mihawk, woher weißt du von Alciel? Alle Unterlagen, die je über dieses Reich bestanden haben, wurden beim Buster Call zerstört, und jeder, der davon hätte wissen können, ebenfalls.“ „Nicht alle“, entgegnete der Samurai, „mein Vater – unnützer Bücherwurm, der er nun mal ist – sammelte aus Leidenschaft alle Schriften und Aufzeichnungen, die ihm auf seinen Reisen für die Marine in die Finger kamen. Während meiner Kindheit brachte er eine Kollektion von Büchern nach Ohara, um diese entziffern zu lassen, erfolglos. Doch davon ließ er sich nicht abhalten und hatte selbst damit begonnen, diese Bücher zu entschlüsseln. Eine Tätigkeit, die er nach dem Buster Call einstellte, so obrigkeitshörig wie er war. Aber er bewahrte seine Aufzeichnungen auf und ich fand sie vor zwei Jahren. Nicht, dass ich sie hätte lesen können, sie waren nicht für die Augen Unwissender bestimmt.“ „Du hast Aufzeichnungen?“ Robin schien selten ungehalten, lehnte sich weiter vor. „Hast du sie bei dir?“ „Nein“, schüttelte der Angesprochene den Kopf, „Lorenor hat sie verbrannt.“ „Das musstest du ja jetzt sagen, oder?“ „Selbst Schuld, nach all der Mühe, die ich mir gemacht habe, um diese Unterlagen…“ „Du? Dein Vater hat sie zusammengestellt und Kanan hat das halbe Haus auseinandergerissen, …“ „…zu erlangen, hattest du nichts Besseres zu tun, als sie den Flammen zum Fraß vorzuwerfen, obwohl ich dir gesagt hatte…“ „… du hast damit doch gar nichts zu tun gehabt. Ich habe dir damals schon gesagt…“ „Aufhören!“ Nami war aufgestanden und knallte die Hände auf den Tisch. „Die Aufzeichnungen sind also weg und, um ehrlich zu sein, es ist mir ziemlich egal, was es mit irgendeinem Königreich auf sich hat. Die Frage ist doch, stimmt es? Zorro, glaubst du, dieser Eizen hat Recht? Ich meine… ist dein Blut wirklich der Schlüssel, um eine verdammte antike Waffe zu aktivieren?“ Sie setzt sich wieder hin und murrte irgendetwas wütend in ihre Tasse über einen Sack, draufhauen und immer den Richtigen treffen. Die beiden Schwertkämpfer starrten einander noch einen weiteren Moment an und Sanji bekam das sichere Gefühl, dass sie anscheinend so wirklich immer miteinander umgingen, einander an die Gurgel gehend und keiner gewillt, klein bei zu geben und gleichzeitig in der Lage wortlos miteinander zu kommunizieren und einander zu verstehen. Auch jetzt schienen sie noch für einen Moment zu lange einen stillschweigenden Streit auszuführen, ehe sie simultan aufschnaubten und gleichsam den Blickkontakt unterbrachen, als Zorro sich Nami zuwandte und der Samurai die Arme verschränkte. „Wie gesagt, keine Ahnung, was es mit Uranos auf sich hat“, murrte er und lehnte sich nach vorne, schob die Akte etwas mehr in die Mitte, „allerdings er hat wohl Recht mit Alciel.“ Dann schlug er die Akte auf, aber da Frankys riesiger Rücken im Weg war, konnte Sanji nichts, aber auch gar nichts erkennen. „Oh!“ „Wow…“ „Wer ist denn das?“ „Ist das Lady Loreen?“ „Lorenor, ist das etwa…?“ Zeitgleich mit Brook und Law erhob auch Sanji sich und gemeinsam lugten sie über die Schultern der anderen, um ein Blick auf das zu werfen, was Zorro offenbart hatte. Auf dem Tisch lag ein Foto eines Wandteppichs, der das Abbild einer Frau zeigte, so klar gestochen, als ob der Teppich selbst ein Foto wäre. Aber Sanji musste Lysop widersprechen. Diese Frau war ganz offensichtlich nicht Lady Loreen, bis auf die Haarfarbe und dass sie beide Frauen waren, schienen sie kaum etwas gemein zu haben. Im Gegenteil, diese Frau erinnerte Sanji überhaupt nicht an die bezaubernde Lady Loreen. Auf allen Zeitungsbildern wirkte Lady Loreen immer wie eine sanfte Schönheit, ein liebliches, junges Fräulein, ein engelsgleiches Geschöpf. Diese Frau hingegen, mit dem goldenen Schwert am gleichsamen Gürtel, einem prächtigen Kleid, welches dennoch nicht in der Lage war, den athletischen Körper zu verbergen, dem goldenen ins Haar eingeflochtenen Schmuck. Sie war eine Kriegerin, Königin, eine Göttin. Nein, sie erinnerte Sanji weniger an die bezaubernde Lady Loreen, viel mehr jedoch an… „Ich finde, sie sieht aus, wie wenn Lady Loreen und Zorro ein Kind bekommen hätten, auch wenn sie älter wirkt“, bemerkte Chopper unschuldig und Sanji musste gestehen, dass diese Beschreibung es auf den Punkt traf. Sie hatte die Eleganz und den Anmut Lady Loreens, aber die Härte und Unbeugsamkeit Zorros. „Das“, sprach der Marimo nun und seine Stimme klang seltsam leer, ganz ungewöhnlich tonlos, „ist meine Mutter.“ Überrascht sahen sie alle auf. „Du meinst doch sicherlich, dass diese Frau aussieht wie deine Mutter, nicht wahr?“, korrigierte Robin ihn und beugte sich noch weiter vor, um das Foto besser betrachten zu können. „Ich glaube auch, dass sie sehr wohl deine Vorfahrin sein könnte. Die Schriftzeichen unterhalb des Bildes bedeuten eindeutig Alciel und anhand der Verfärbungen und leichten Ausfransungen zum Boden hin ist ganz gut erkennbar, dass es sich hierbei zwar um einen gut erhaltenen, aber dennoch sehr alten Wandteppich handelt. Man scheint sogar echtes Gold zum Sticken benutzt zu haben, das wird schon seit langer Zeit nicht mehr getan, außer vielleicht vom Hochadel. Dieser Teppich ist mit Sicherheit mehrere Jahrhunderte alt, vielleicht sogar wirklich aus der Zeit Alciels und diese Frau scheint…“ „Nein“, unterbrach Zorro sie und schob das Bild zur Seite, zeigte darunter ein deutlich älteres schwarz-weiß Foto mit leichtem Gelbstich, „das ist meine Mutter.“ Das alte Foto zeigte den gebrochenen Körper einer Verstorbenen, deren leerer Blick Sanji regelrecht zu verfolgen schien. Ihre Wangen waren vor Hunger eingefallen, ihr Gesicht von Zeiten der Entbehrung und Verlust gezeichnet und dennoch, selbst gekrümmt und verbogen unter Schmerzen, wie die Tote da lag, in einem Kleid, kaum mehr als gut erhaltene Lumpen, so war sie es doch eindeutig, viel zu eindeutig. „Wie bitte?“, flüsterte Nami und beugte sich ebenfalls vor. „Aber wie kann das…?“ Sie unterbrach sich, als Falkenauge leise auflachte und sich kopfschüttelnd erhob. „Ich wusste es“, flüsterte er mit einem Grinsen, das zu breit war, wenn man bedachte, dass Zorro ihnen gerade ein Bild seiner verstorbenen Mutter zeigte, „nicht nur irgendein Nachfahre, nicht nur irgendein unbedeutender Name in der Geschichte. Ich hatte Recht, ich hatte…“ „Halt die Klappe“, knurrte Zorro und erhob sich ebenfalls, die Arme nun verschränkt, und jetzt konnte Sanji die anderen Blätter sehen, die unter dem schwarz-weißen Foto hervorlugten. Unter einem weiteren Bild, welches wohl einen weiteren Wandteppich zeigte, war eine Art Infoblatt mit einem Bild von Ruffy in der linken oberen Ecke, daneben konnte er die ersten zwei Buchstaben seines Namens lesen; dies mussten die Unterlagen sein, mit denen dieser Politiker Zorro überzeugt hatte, sich zu beugen. Unter Ruffys Zettel lag der von Nami, ihr Gesicht halb verdeckt, und dahinter kam Sanjis eigenes Bild, nicht die schlechte Zeichnung, die leider Gottes seinen Steckbrief zierte, sondern ein Foto, welches offensichtlich auf seinem ersten Besuch auf dem Sabaody Archipel geschossen worden war. Doch dann sah er den ersten Buchstaben seines Namens und ihm lief ein Schauer über den Rücken, als er das deutliche V und den Punkt vom I erkennen konnte. Konnte es sein, dass Zorro Bescheid wusste? „Ich habe dir doch gesagt, dass mir dieser Scheiß egal ist und dass ich…“ „Wie kann dir das egal sein, Lorenor? Ist dir nicht bewusst, was diese Bilder bedeuten? Du bist nicht nur irgendein Nachfahre, deine Mutter war nicht irgendeine seltsame Eigenbrötlerin; sie war…“ „Das ändert nichts! Das ändert rein gar nichts“, knurrte Zorro und drückte Sanji regelrecht zur Seite, um sich wieder dem anderen zu stellen. „Ich habe dir gesagt, dass ich…“ „Jungs, Jungs!“ Erneut war es Nami, die den aufkeimenden Streit unterbrach. „Lasst uns beim Thema bleiben! Ihr könnt so viel streiten, wie ihr lustig seid, aber erst nachdem wir hiermit fertig sind, verstanden?“ Der Marimo winkte nur ab und warf sich wieder auf seinen Stuhl, der Samurai auf der anderen Seite starrte Nami an, als wäre er fassungslos darüber, dass sie es wagen konnte, ihn zu maßregeln, doch dann räusperte Zorro sich und augenrollend gab Falkenauge nach. „Okay“, murrte Nami und sah einmal ernst in die Runde, „nehmen wir einfach mal an, dass das stimmt – und ignorieren gerade für den Moment, dass das rein theoretisch gar nicht sein kann, weil dieser Wandteppich uralt ist und somit auch Zorros Mutter uralt sein müsste – wie wahrscheinlich ist es, dass Zorros Blut wirklich in der Lage ist, diese Waffe anzuschmeißen? Ich meine, wenn es nicht klappt, dann geht der Plan von diesem Eizen doch so oder so ins Leere und wir müssen uns eigentlich gar keine Gedanken machen, oder?“ „Mal eine Zwischenfrage“, murmelte Lysop plötzlich, seine Augen immer noch auf das schwarz-weiße Foto gerichtet, „wieso versuchen wir gerade überhaupt, ihn aufzuhalten?“ Langsam sah er auf und sie alle an. „Also klar, es war gut, dass Franky damals die Baupläne von Pluton zerstört hat, bevor die Weltregierung sie in die Hände bekommen konnte. Aber wenn dieser Eizen die Weltregierung stürzen will, ist das nicht eigentlich gut? Ich meine, laut dieser Weltregierung sind wir die Verbrecher und sie sind es, die Sklaverei und Menschenhandel erlauben, und sie sind es, die ziemlich viel Scheiße auf dieser Welt nicht nur zulassen, sondern auch fördern. Natürlich ist es beschissen, dass dieser Kerl Zorro erpressen will, aber wenn Zorro in der Lage ist diese Waffe zu aktivieren und mit Ruffy haben wir auch jemanden…“ „Nein!“ Falkenauge saß mit verschränkten Armen auf seinem Stuhl, sein Blick auf dem Wandteppich fixiert, als wenn er Löcher reinbrennen wollte. „Versteht mich nicht falsch, Strohhüte, entgegen meines Titels halte ich nicht wirklich viel von der Weltregierung und mir wäre tatsächlich lieber, sie würde besser heute als morgen fallen, dann würde es zumindest für eine gewisse Zeit interessant werden. Aber Eizen darf nicht derjenige sein, der sie stürzt, der die neue Spitze der Welt bildet.“ Wie ein alter Mann rieb er sich durchs Gesicht. „Unabhängig von meiner persönlichen Abneigung ihm gegenüber kann ich euch versichern, dass die Welt unter seiner Führung keine bessere wird. Im Gegenteil, er wird zwar vermutlich den Hochadel stürzen, aber dies ausgerechnet während der Reverie zu tun, bedeutet, dass er beabsichtigt, mit der Macht von Lorenor und Uranos die anderen Staatsoberhäupter zu unterwerfen. Dementsprechend würde zwar ein Machtwechsel herbeigeführt, aber es wird sich nicht viel ändern, mit der Ausnahme, dass der neue Herrscher dann Inhaber einer Waffe wäre, die möglicherweise kaum aufzuhalten ist.“ Dann sah er in die Runde. „Euch muss außerdem bewusst sein, sollte Eizen wirklich in der Lage sein Uranos zu aktivieren, wird er Lorenor nie wieder freigeben und wird im Zweifel sogar dessen Blut nutzen, um einen jeden von uns zu vernichten, sollten wir uns ihm widersetzen.“ „Ich stimme Mihawk zu“, setzte Robin ein und nickte ernst, „die antiken Waffen sollten nie in Gebrauch geraten, erst recht nicht in der Hand eines solchen Mannes. Außerdem wissen wir nicht, wie viel Blut diese Waffe benötigt.“ Sanjis Blick fiel auf Zorros Hinterkopf. Robin hatte Recht, sie redeten hier so gelassen über diese Sache, aber was bedeutete es, dass diese Waffe durch Blut aktiviert wurde? Vermutlich reichte eine kleine Nadel zum Pieken in den Zeigefinger nicht aus. Vor seinem inneren Auge sah er eine Rinne, durch die ein steter Fluss von Blut in das Innere eines Mauls einer uralten Maschine floss. Dann erinnerte er sich an Zorros Kampf gegen Falkenauge, erinnerte sich an den Kampf gegen Arlong, erinnerte sich an Thriller Bark, erinnerte sich an all das Blut und eine Gänsehaut glitt ihm über den Rücken. War das der Grund, warum Zorro in der Lage war, Unmengen an Blut zu verlieren, ohne dabei draufzugehen? Damit irgendeine uralte Waffe ihn als Energiequelle aussaugen konnte? „Sollte es sich wirklich um Uranos handeln, sollte diese Waffe im Zweifel lieber zerstört werden“, fuhr Robin fort, „und wir müssen unter allen Umständen verhindern, dass Zorro in ihre Nähe kommt, ganz gleich ob Eizen mit seiner Vermutung richtig liegt oder nicht. Wer weiß, was passiert, wenn sie aktiviert wird.“ „Aber doch nur, wenn dieser Eizen wirklich Recht haben sollte, oder?“, meinte Franky. „Wenn er sich irrt, dann brauchen wir uns doch überhaupt keine Sorgen zu machen, oder? So wie Nami schon gesagt hat.“ „Leider ist es unwahrscheinlich, dass Eizen sich irrt.“ Es war wieder der Samurai, der sprach, seine Stimme weiterhin sachlich, oder eher sachlicher als bisher. „Das würde natürlich erklären, warum Cipherpol ihn anscheinend schalten und walten lässt, wie es ihm beliebt. Allerdings werde ich Lorenors Sicherheit nicht riskieren, nur weil das fehlende Eingreifen eines dubiosen Geheimdienstes dafür sprechen könnte. Nein, Eizen wird mit Sicherheit sogar Cipherpol berücksichtigt haben, daher hege ich meine Zweifel, dass er sich irrt.“ „Und wieso?“, murrte Sanji und sah ihn an. Falkenauge begegnete seinem Blick und zuckte dann salopp mit den Schultern. „Zwei Gründe, Smutje. Zum einen wiederhole ich das, was ich bereits gesagt habe: Eizen geht kein Risiko ein; wenn er diesen Plan gefasst hat, dann glaube ich nicht, dass er diese elementaren Details dem Zufall überlassen würde. Er ist ein Mensch, der sich perfekt vorbereitet und perfekt informiert. Er hat ein weites Netz von Gefolgsleuten über die ganze Welt verteilt und weiß vermutlich mehr, als uns allen lieb ist. Er vertraut niemanden, mit Ausnahme vielleicht seiner Assistentin Rihaku, die ihm aber auch schon seit über einem Jahrzehnt treu dient. Zum anderen, weil es nun mal viel zu viel Sinn ergibt.“ Er seufzte tief und rieb erneut sein Gesicht. „Nico Robin, du stimmst mir doch mit Sicherheit zu, dass die antiken Waffen und das verlorene Jahrhundert sowie die Weltaristokraten und das sagenumwobene D. in enger Verbindung zueinander stehen. Sie alle sind durch die alten Blutlinien miteinander verbunden.“ Robin nickte schlicht. „Wovon redest du?“, murmelte Franky. „Und was hat das mit Zorro zu tun?“ „Dazu komme ich jetzt, Cutty Fram. Denn wenn ich nicht irre, dann so einiges, und es ist unwahrscheinlich, dass ich mich irre, schließlich bin ich ein Mihawk und der Name meiner Vorfahren steht im ersten Vertrag.“ „Der erste Vertrag?“, fragte Chopper unschuldig nach. „Der Vertrag mit dem die Weltregierung vor über acht Jahrhunderten gegründet wurde, Doktor Chopper. Eine bestimmte Anzahl an Personen hat diesen Vertrag seinerseits unterschrieben und es heißt, dass es diese Menschen waren, die den Krieg, der damals herrschte, beendeten und die Welt in Frieden vereinten. Einige der Familien bestehen heute noch und die meisten gehören weiterhin dem Hochadel an. Aber nicht alle. Manche Stammeshalter haben über die Generationen hinweg die Weltaristokraten verlassen.“ Sanji schluckte, als Falkenauges scharfe Augen direkt auf ihm lagen, so wissend auf ihm lagen. „Neben meinen eigenen Vorfahren gehört unter anderem auch die Familie Don Quichotte dazu.“ „Aber was hat das mit Uranos zu tun?“, fragte Law nun nach, deutlich neugieriger als bisher. Doch Falkenauge ignorierte ihn. „Was hältst du davon, Nico Robin? Auch wenn du eine Verbindung zwischen Alciel und den antiken Waffen anzweifelst, so könnte die Verbindung doch in den alten Urlinien bestehen. Schließlich waren die Gründer anscheinend sehr bemüht darin, alles Wissen über Alciel und die antiken Waffen zu vertuschen.“ Langsam nickte Robin. „Kein unberechtigter Einwand. Es wäre sonst widersprüchlich, wenn genau die eine Familie, deren Blut Uranos aktivieren kann, während des verlorenen Jahrhunderts ausgelöscht wird, und die eine Familie, die Uranos kontrollieren kann, fortan gejagt wird. Ich denke, es ist wahrscheinlich, dass der damalige Krieg zwischen den Urvätern der Weltregierung und einer Allianz, geschlossen aus denen, die das D. trugen und dem Volk aus Alciel, ausgetragen wurde. Was mich allerdings zweifeln lässt, ist, dass ich noch nie den Namen Alciel im Zusammenhang mit den antiken Waffen gehört habe, und ich frage mich, wie Eizen an dieses Wissen gekommen sein mag. Aber vielleicht stand dazu ja etwas in den Schriften, die dein Vater übersetzt hat und Eizen hat sein Netzwerk genutzt, um diese Informationen von deinem Vater zu erlangen.“ Für einen Moment schwiegen sie alle. Sanjis Blick fiel wieder auf Zorro, der schon verdächtig lange ruhig war. Dann fiel sein Blick auf Ruffy, der offensichtlich schlief, wie immer, wenn sie etwas Wichtiges besprachen. „Okay.“ Entnervt stöhnte Nami auf. „Das bedeutet also, wir müssen damit rechnen, dass der Plan von Eizen aufgehen würde. Dann lautet doch jetzt die Frage, wie verhindern wir das? Wenn Zorro nicht auftaucht, wird dieser Kerl seine Schergen losschicken und selbst, wenn wir darauf vorbereitet sind, es gibt für uns keine Möglichkeit, die anderen zu warnen. Das ist also keine Option.“ „Eigentlich“, sprach der Marimo nun doch, aber irgendwie klang er immer noch so seltsam hölzern, „habe ich tatsächlich einen Plan. Aber er ist sehr riskant und noch unvollständig. Um ehrlich zu sein, habe ich so meine Zweifel, dass er klappen wird.“ „Also ein schlechter Plan?“, frage Brook neugierig nach und klang kein bisschen entmutigt, ganz anders als Sanji sich gerade fühlte. „Aber es ist immerhin ein Plan, oder? Das ist doch schon mal ganz gut, denn es hört sich ein bisschen so an, als wären wir gerade in einer Zwickmühle, yohoho.“ Zorro nickte. „Das kannst du wohl laut sagen, ich kann ihn nicht einfach ausschalten oder mich ihm widersetzen – aus ebengenannten Gründen - aber es gibt eine Möglichkeit, Eizen aufzuhalten.“ „Und die wäre?“ Sanji missfiel das Ganze sehr. Nami hatte Recht, sie hatten bereits einige Probleme am Hals und es schien, als wäre ihr Vollidiot eines Schwertkämpfers frontal in eine Sache hineingerannt, die weltbewegend sein konnte. „Ihn wegen Hochverrats anzuzeigen“, bemerkte Falkenauge und rieb sich den Bart, als wäre es sein Plan. „An der Reverie nehmen ebenfalls die fünf Weisen teil. Wenn Lorenor in der Lage wäre, vorab eine Audienz bei ihnen zu erhalten und sie von Eizens Vorhaben zu überzeugen, würden sie ihn zweifellos festnehmen und vermutlich sogar verhindern können, dass er seine Schachfiguren in Position bringt, um seine Drohung wahr werden zu lassen. Sie halten zwar nicht viel von den Ammenmärchen um das sagenumwobene D., aber sie werden mit Sicherheit solch Verhalten nicht billigen, gerade nicht von einem aus dem niederen Volk.“ Sein Blick fiel auf Zorro. Sanji hingegen fand diese Aussage seltsam und er wusste nicht warum, aber irgendetwas passte hier nicht. Namis Stirnrunzeln zeigte ihm, dass sie dasselbe dachte. Irgendwas an diesen Worten passte nicht zusammen. „Die Frage ist nur, wie du es beweisen kannst. Dein Wort wird vor den fünf Weisen kein Gewicht haben, erst recht nicht gegen Eizens.“ Zorro nickte. Doch immer noch beschlich Sanji das seltsame Gefühl, dass er eine Kleinigkeit übersah. „Das stimmt, aber was wäre, wenn nicht mein Wort gegen seines stünde, sondern sein eigenes?“ „Wie meinst du das?“, entgegnete der Samurai und Sanji bekam das ungute Gefühl, als würde diese Unterhaltung nur noch zwischen den beiden Schwertkämpfern stattfinden, als wären sie nichts weiter als irgendwelche Statisten, die nicht alle Informationen einer Szene bedurften. Er mochte es überhaupt nicht, mochte überhaupt nicht, wie vertraut der Marimo mit diesem Samurai sprach. Von Ruffy war er so einen Mist ja gewöhnt – Law auf der Bank ihm gegenüber war wohl das beste Beispiel dafür – aber seit wann war Zorro bitte schön so vertrauensselig? Und warum ausgerechnet diesem Dreckskerl gegenüber, auf dessen Frage er ohne Zögern antwortete, wie er es bei Sanji nie tun würde. Was bitteschön war die vergangenen zwei Jahre passiert? „Naja, es stimmt, dass Eizen ein absoluter Mistkerl ist und ich keine Ahnung hatte, wie ich gegen ihn bestehen soll. Aber das heißt nicht, dass ich nicht bemerkt hätte, was für ein verlogener Drecksack er ist und natürlich habe ich auch damit gerechnet, dass er doch größere Ziele verfolgt als einen netten Plausch mit mir. Daher habe ich sein Verhalten immer genau beobachtet und über die Zeit ist mir die eine Schwäche aufgefallen, die er hat.“ Zorro hörte sich angespannt an, wie vor einem Kampf oder nein, eher wie während eines Kampfes, wenn er begann seinen Gegner zu durchschauen. „Ich meine, was haben arrogante, selbstsichere, überhebliche Machtpersonen meistens gemeinsam? Dulacre, du solltest das doch am besten wissen, nicht wahr?“ „Tze“, schnalzte der andere missbilligend mit seiner Zunge, doch sah Zorro weiter an, ehe er weitersprach: „Sie reden. Sie hören sich gerne selbst reden und glauben so oder so nicht, dass irgendwer ihnen noch eine Gefahr werden könnte. Also reden sie, um sich in ihrem eigenen Lob beweihräuchern zu können.“ „Bingo!“ Sanji konnte das Grinsen in Zorros Stimme hören und dann zog er etwas aus seiner Manteltasche und knallte es auf den Tisch. „Mein Tondial!“, brüllte Lysop und sprang auf. „Du hattest es?!“ „Ja, sorry, Lysop, ich habe es mir geborgt, als ich auf dem Sabaody Archipel ankam“, erklärte der Marimo dann etwas zerknirscht und rieb sich den Hinterkopf. „Es war das Einzige, was mir einfiel, und ich kann dir noch nicht mal versprechen, dass du es zurückbekommst. Es kann sein, dass die fünf Weisen es einbehalten werden.“ „Was?“ Lysop wirkte leicht gebrochen. „Was hast du denn aufgenommen?“ „Ein Gespräch mit Eizen“, antwortete Zorro und dann drückte er auf den Knopf.       Kapitel 28: Kapitel 28 - Wahrheit --------------------------------- Kapitel 28 – Wahrheit   -Mihawk- „Sie hatten es also von Anfang an auf die Weltkonferenz abgesehen?“ Die Stimme von Lady Loreen erfüllte den Raum, doch Dulacres Blick lag auf Lorenor. Die letzten Minuten waren sehr aufschlussreich gewesen, aber während die Crew wohl damit beschäftigt war, die gefallenen Worte zu verdauen, machte Dulacre sich Sorgen um seinen Wildfang. Auf den ersten Blick wirkte Lorenor aufmerksam und doch gelassen, aber Dulacre konnte sehen, wie er die Blicke der anderen mied, wie er es vermied, auf die Bilder zu schauen, wie er es vermied irgendeine Emotion zu zeigen; sein Gesicht so hart und undurchschaubar wie nur selten auf Kuraigana. „Oh, war das nicht offensichtlich? Ich dachte, Sie wären bereits darauf gekommen und wüssten genau, was Sie von nun an erwartet.“ „Das ist Eizen?“, fragte der Cyborg das Offensichtliche und Dulacre nickte, als Lorenor nicht reagierte, den Blick auf den Ursprung der Stimmen auf dem Tisch gerichtet. „Aber wenn Sie möchten, werde ich Ihnen genau erklären, was bald Ihre Aufgaben sein werden.“ „Warum sollten Sie das tun? Wenn Sie mich in Ihre Pläne einweihen, laufen Sie Gefahr, dass ich Sie verraten könnte, und das würden Sie nie riskieren.“ Der Politiker lachte laut auf und Dulacre merkte, wie sein Puls stieg. Hätte er doch damals anders gehandelt und Lorenor nie allein mit diesem Mann gelassen. Er hatte von Anfang an gewusst, dass das ein Fehler gewesen war. „Hach, das ist sehr amüsant, wirklich. Verstehen Sie mich nicht falsch, Liebes, Sie sind der Dreh- und Angelpunkt meiner Reform, aber Sie stehen in keinerlei Position, um mir auch nur ansatzweise gefährlich zu werden. Selbst, wenn Sie bereit wären, das Leben Ihrer Freunde, Ihres Bekannten und auch das Ihrige zu riskieren, am Ende stünde Ihr Wort gegen meines und auch, wenn ich Ihnen zu recht viel Einfluss verholfen habe, so wird Ihnen doch niemand glauben.“ Er konnte das Klirren von Geschirr hören. „Warte mal“, murmelte der Smutje, „wie kann es sein, dass…?“ „Schh, Sanji!“, unterbrach ihn die Navigatorin und Dulacre war dankbar darum. Er selbst hatte diese Worte ebenfalls noch nie gehört und was auch immer für ein Problem der Smutje nun schon wieder hatte, es würde warten müssen bis nach der Aufnahme. „Nun ja, wir haben noch etwas Zeit, bis wir zur Sitzung müssen, und ich sehe, dass Sie sehr angespannt sind. Also nur zu, Liebes, stellen Sie mir Ihre Fragen.“ „Sie sprachen von einer Reform, haben Sie etwa vor auf der Weltkonferenz einen Putsch vorzunehmen?“ „Oh Liebes, ich bin begeistert, genau das ist der Plan.“ Stille. „Also das ist, wo du deine Informationen her hast, von ihr?“, murmelte der Cyborg, verstummte aber sofort auf den Blick der Navigatorin hin. „Ach tun Sie nicht so überrascht. Jemandem wie Ihnen ist mit Sicherheit ebenfalls bewusst, in was für einem Zustand unsere Weltregierung sich befindet. Vetternwirtschaft und Korruption sind hierzulande noch die kleinsten Probleme. Die Welt wird von einer Handvoll diktatorischer Narzissten mit Gotteskomplex regiert, die zu einfältig sind, um Dinge wie Politik, Wirtschaft und Staatensysteme zu verstehen. Einzig die fünf Weisen übersteigen ihre Tyrannei, während die vielen Oberhäupter der kleinen Staaten versuchen, mehr schlecht als recht das Überleben ihres eigenen Volkes zu retten oder zumindest das derer, denen sie ihre Treue geschworen haben. Sie haben die Welt gesehen, Liebes, Sie kennen all die Abgründe der Menschheit, die sich durch Gier und Machthunger auftun. Sklaverei, Menschenhandel, Krieg und Hinterlist, auch noch geschürt und gefördert von der Weltregierung, die dies eigentlich verhindern sollte. Warum glauben Sie, gibt es eine Revolutionsarmee? Warum glauben Sie, treiben so viele Gesetzeslose wie nie zuvor ihr Unwesen? Unsere Weltregierung hat versagt und es ist an der Zeit ein neues Kapitel aufzuschlagen.“ „Hat nicht ganz Unrecht“, murrte Trafalgar Law und beugte sich zwischen Dulacre und dem Lockenkopf weiter nach vorne, ignorierte völlig, wer dort neben ihm saß. „Und Sie glauben, dass Sie dafür der richtige Mann sind?“ Lorenor klang genauso, wie Dulacre erwartet hatte, abwehrend und verwirrt, aber wissend, was nun kommen würde, mochte er gar nicht, wie Lorenor gerade selbst seinem Blick auswich. Oh, er mochte es wirklich nicht, Lorenor so ängstlich zu sehen. „Nun ja, irgendwer muss es ja machen, nicht wahr? Glauben Sie mir, keiner kennt die Immoralität der Weltregierung so gut wie ich. Ich habe mich vom einfachen Händler hochgearbeitet, betrogen und gelogen, erpresst und bestochen, nur um in diese Position zu kommen. Das Ziel der derzeitigen Weltregierung ist es nicht, Gerechtigkeit und Wohlstand auf der ganzen Welt zu verbreiten, sondern den Mächtigen noch mehr Macht und Geld zu geben und das auf Kosten der Massen. Und weil ich das alles gesehen habe und weiß was geschieht, bin ich auch der Einzige, der es ändern kann.“ „Weil Sie ein so wohlwollender und gutmütiger Mensch sind?“ „Mir ist bewusst, wie anmaßend meine Vision sich anhören muss. Aber ja, ich habe das Wissen und die Erfahrung, um die Welt in ein neues Zeitalter zu führen.“ „Mit Ihnen an der Spitze natürlich.“ „Nicht ganz, natürlich habe ich vor, selbst die Kontrolle zu übernehmen, aber wie Sie wissen, bleibe ich lieber im Hintergrund und halte nur die Fäden in der Hand. Eine so weltbewegende Reform braucht eine größere Erscheinung als mein alter Körper bieten kann.“ Für einen Moment war die Aufnahme totenstill und Dulacre sah seine schlimmsten Befürchtungen bestätigt, doch dann sprach Eizen weiter. „Sie werden ja ganz blass. Aber ganz Recht, ich habe Ihnen damals prophezeit, dass Sie die Symbolfigur einer neuen Ära sein werden, und ich habe Ihnen nicht zu viel versprochen. Zu Beginn der Weltkonferenz werden wir die fünf Weisen und ganz Mary Joa stürzen und dann haben die Herrschaften der Welt die Möglichkeit, Ihnen ihre Treue zu schwören und das werden sie tun und dann werden Sie und ich die Welt verändern. Warum sonst hätte ich Sie so sehr bilden und fördern sollen?“ Einige der Crew tauschten beunruhigte Blicke aus und der Smutje, der hinter Lorenor und dem Cyborg stand, holte tief Luft, während er sich eine neue Zigarette anzündete. „Und Sie glauben wirklich, dass ich da mitmachen würde?“ „Natürlich. Verstehen Sie doch, mit mir zusammen könnten Sie die Welt beherrschen, doch sollten Sie sich weigern, werde ich alles, was Ihnen je wichtig war, vernichten, ganz gleich ob Pirat oder Königstochter, kleines Mädchen oder Samurai. Ich weiß, was für eine Art Mensch Sie sind und was Sie bereit waren, zu tun, für die Menschen, die Sie beschützen wollten, Sie werden sich nicht gegen mich stellen und Sie werden Ihre Rolle spielen, so lange wie ich Sie brauche. Das Bild, welches Sie und der werte Herr Mihawk der Welt gegeben haben, wurde von mir perfektioniert und ich bin bereit, den kleinen Preis von Mihawks feindlichen Blicken zu zahlen, aber selbst er wird nichts an der Tatsache ändern können, dass Sie letzten Endes mir gehören.“ Was fiel diesem Bastard nur ein?! „Was meint er damit?“, fragte der Smutje. „Was hat Lady Loreen getan?“ „Schhh!“, zischte die Navigatorin. „Später, Sanji!“ „Warum ich? Es gibt doch mit Sicherheit so viele Menschen, die sich besser dafür eignen würden oder willens wären, Ihnen zu helfen, warum haben Sie mich erpresst, um mich zu kriegen? Nur um mich in diese Position zu drängen, die Sie eigentlich selbst innehaben wollen?“ Dulacre konnte nicht anders, als sich zu erheben, konnte Lorenors so unsichere Stimme kaum ertragen; er war nicht gewöhnt, den anderen so zu hören, so schwach zu hören. Mit verschränkten Armen begann er am Kopfende lautlos auf und ab zu wandern. Seine Magengegend zog sich unangenehm zusammen und nun bemerkte er die noch nicht lange zurückliegende Operation. Selten fühlte er einen solchen Zorn wie gerade. Wütend darüber, dass Lorenor ihm dies vorenthalten hatte, alleine mit Eizen hatte umgehen müssen und darüber, dass Eizen sich anmaßte, seinen Wildfang kontrollieren zu wollen. „Jetzt fragen Sie die richtigen Fragen.“ Man konnte Schritte hören und die Stimme des Politikers entfernte sich und kam dann wieder näher. „Allerdings liegen Sie falsch. Sie sind genau die Person, nach der ich so lange gesucht habe. Es war ein großes Glück Sie damals auf der Versammlung der fünf Inseln getroffen zu haben. Ihre Anwesenheit, und dann auch noch als Begleitung des stets abweisenden Herrn Mihawk, hat mich überrascht, ist Ihr werter Samurai doch ein egoistischer Einsiedler, dessen Eisblock eines Herzens so uneinnehmbar wirkte, erst recht nicht von einem Piraten. Ich wurde neugierig und ließ Nachforschungen über Sie anstellen.“ Eine Sekunde beobachtete er die Crew des anderen. Dulacre war natürlich nicht entgangen, dass Lorenor sein eigentliches Geheimnis immer noch nicht offenbart hatte. Aber wenn Eizen so weitersprach, war es nur noch eine Frage der Zeit, bis die einzelnen Crewmitglieder eins und eins zusammenzählen würden. Ein Blick zeigte ihm, dass manche von ihnen bereits die Puzzleteile zusammenfügten, aber nicht alle, offensichtlich die meisten nicht. „Ist sie eine Piratin?“, flüsterte Doktor Chopper so leise, dass es kaum ein Flüstern war und mit Leichtigkeit von den nächsten Worten aus dem Tondial überstimmt wurde. „Und schließlich habe ich in Ihnen das letzte Puzzleteil gefunden, um meine seit langer Hand geplante Reform durchführen zu können. Der letzte Lorenor.“ Nun zeigten einige deutlich, dass sie nicht verstanden, während man das Rascheln von Papier hören konnte, und wenn Dulacre gerade nicht ganz eigene Sorgen hätte, würde er es wohl amüsant finden, zu sehen, wie die meisten der Strohhüte scheiterten, das Offensichtliche zu erkennen. „Die Ähnlichkeit ist verblüffend, nicht wahr? Ich hätte nie vermutet, dass sie tatsächlich mit Ihnen verwandt ist, aber nun, als Sie mir damals gegenüberstanden, Liebes, war es für mich ganz offensichtlich.“ „Ist sie deine Schwester, Zorro?“, murmelte erneut der Lockenkopf. Augenscheinlich waren die Strohhüte nicht in der Lage, einfach mal zuzuhören, ohne dazwischen zureden. „Wir haben sie damals leider zu spät gefunden, oder jemand hatte sie gewarnt, ich weiß es nicht. Aber nachdem wir sie verloren hatten, hatte ich alle Hoffnung aufgegeben, meinen Plan je verfolgen zu können. Wer hatte denn ahnen können, dass die Geschichten falsch sind, wer hätte ahnen können, dass Lorenor Zakuro tatsächlich ein Kind hatte, dieses Kind vor der Welt und der Geschichte verbergen konnte, und dass dieses Kind mir ausgerechnet fünfzehn Jahre später zum bestmöglichen Zeitpunkt über den Weg laufen würde.“ Nun lag Dulacres Blick wieder auf Lorenor. Anscheinend hatte Eizen ihm gerade die Bilder seiner verstorbenen Mutter gezeigt, aber diese Aussage offenbarte noch etwas ganz anderes und mehr und mehr verstand Dulacre, warum Lorenor so empfindlich auf seinen eigenen Namen reagiert hatte. Nicht nur aufgrund dessen, was ihm selbst deshalb widerfuhr und bereits widerfahren war. Nein, ganz offensichtlich hatte Eizen sein Leben schon weit länger beeinflusst als nur die letzten zwei Jahre. „Ich verstehe nicht.“ Lorenor klang eindeutig verwirrt. „Wie sollten Sie auch? Daher lassen Sie es mich erklären. Wissen Sie, was die drei Antiken Waffen sind?“ Und nun würde Eizen Lorenor wohl genau das erklären, was dieser vor wenigen Minuten noch ihnen erzählt hatte. „Was?“ „Nun ja, Pluton, das legendäre Kriegsschiff, dessen Baupläne von Cutty Fram verbrannt wurden. Poseidon, die geheime Kraft der Fischmenschen, und dann, dann gibt es da noch Uranos. Uranos ist derzeit die einzige antike Waffe, die sich im Besitz der Weltregierung befindet, und sie ruht gutbewacht in den Tiefen von Marie Joa. Es gibt nur ganz wenige Menschen, die in der Position sind, diese Waffe in Augenschein nehmen zu dürfen, und ich muss Ihnen mit Sicherheit nicht erklären, dass ich dazu gehöre.“ „Er weiß sogar das?“, flüsterte nun die Navigatorin und schlug sich danach die Hände auf den Mund, als ihr bewusst wurde, dass sie selbst gegen ihre Aufforderung zu Schweigen verstoßen hatte. „Uranos ist die älteste und mächtigste der antiken Waffen. Die Waffe des Himmels, welche nur von der ersten Generation kontrolliert werden kann. Und nun wissen Sie auch, Liebes, warum die Weltaristokraten so große Furcht vor denen mit dem D. im Namen haben. Nur ein Mensch mit einem D. im Namen ist in der Lage, Uranos zu kontrollieren und einzusetzen. Dies ist, was die Himmelsdrachen am meisten fürchten, dass einer der ersten Generation die Waffe des Himmels nimmt und ihre Flügel verbrennt.“ „Aber das hat nichts mit mir zu tun, ich trage kein D. im Namen.“ „Ganz Recht, und daher werde ich Ihnen nun ein Geheimnis anvertrauen, was nur die wenigsten wissen. Nur ein paar arme Teufel von Ohara, ehe sie verstarben, und vielleicht noch die fünf Weisen, aber jeder weiß, dass diese zu stolz sind, um an Ammenmärchen zu glauben.“ Eizen klang besorgniserregend aufgeregt. „Die Antike Waffe Uranos kann nur von einem der ersten Generation genutzt werden, aber ein D. allein ist nicht ausreichend. Denn nicht nur das D. gehört zur ersten Generation, auch wenn es die bekannteste und mächtigste Linie der ersten Generation ist, die Linie des Königs, aber jeder König braucht nun mal auch einen Beschützer. Um Uranos einsetzen zu können, braucht es die Linie des Königs und die Linie des Hüters. Der Nachfahre des Königs hat die Macht Uranos zu lenken, doch Uranos kann nur aktiviert werden, wenn ein steter Fluss an Energie sie am Leben erhält, und zwar eine ganz bestimmte Form von Energie, das Blut eines Lorenors, der hochwohlgeborene Nachfahre des Hüters.“ Leise lachte Eizen auf, ließ Dulacres Blut aufkochen vor Hass. Aber dann wurde es ihm bewusst. Lorenor, der Name, der eigentlich ein Titel war und dies war seine Bedeutung, so offensichtlich seine wahre Bedeutung: der hochwohlgeborene Nachfahre des Hüters. „Die Geschichte ließ uns alle glauben, dass Lorenor Zorro unmöglich ein wahrer Lorenor sein könne. Die fünf Weisen dachten ja, dass das Geschlecht schon seit Jahrhunderten ausgerottet war und ich selbst war da, um das Ableben der letzten Lorenor zu bezeugen und nichts in dieser verwahrlosten Hütte deutete darauf hin, dass ein Kind dort leben würde, selbst die Dorfbewohner haben geschwiegen, genauso wie die Mönche des Tempels. Aber als ich Sie da gesehen habe, in diesem edlen Kleid, wie Ihre Mutter sie zu tragen pflegte, voller Würde und Stolz, da fiel es mir wie Schuppen von den Augen.“ Er hielt in seinen Schritten inne, als diese Worte seine Befürchtungen bestätigten und Lorenors versteinerter Blick zeigte ihm, dass dieser auch zwischen den Zeilen gelesen hatte, vielleicht nicht mal zwischen den Zeilen hatte lesen müssen und selbst Lorenor konnte dies wohl nicht einfach mit einem Schulterzucken hinnehmen. „Aber selbst, wenn Sie Recht hätten, fehlt Ihnen dann nicht immer noch ein D., um Uranos zu lenken?“ „Ach, natürlich, ein Fehler meinerseits. Wissen Sie, die Welt kennt mich als Rishou Eizen, aber in Wahrheit lautet mein Name Eizen D. Rishou. Sie sollten überrascht sein, was ein einfacher Tausch der Namensreihenfolge bewirken kann. Sie sehen, jetzt habe ich alle Spielfiguren in Position und in ein paar Wochen, werden wir beide zusammen die Weltregierung stürzen, mit ihrem Blut und ihrem Gesicht, und meiner Macht und meinem Wissen.“ „Aber ich…“ „Ich weiß, ich weiß, Sie werden jetzt wieder mit Ihrer Ausrede kommen, Sie seien nicht Lorenor Zorro, da dieser ja vor zwei Jahren verstorben sei. Halten Sie diese Charade nur bei, wenn es Sie glücklich macht, wenn es Mihawk glücklich macht. Aber bald werden Sie mir Ihre wahre Gestalt und Ihr Blut geben, schließlich würden Sie nie das Leben Ihrer Freunde riskieren, nicht wahr, Liebes?“ Mit einem leisen Klicken beendete Lorenor das Abspielen und zog das Tondial langsam vom Tisch, um es wieder in seiner Tasche verschwinden zu lassen. Einige in der Crew schnappten nach Luft und starrten Lorenor fassungslos an, dieser jedoch sah weiterhin stur geradeaus. Aber Dulacre ließ sich nicht täuschen; Lorenors Aura war so unstet wie selten. Er musste sich bewusst gewesen sein, dass das Abspielen dieser Tonaufnahme sein Geheimnis endgültig verraten würde, und dennoch hatte er es getan, bevor er seine Crew selbst eingeweiht hatte, hatte sie lange genug laufen lassen, dass selbst der letzte Vollidiot es verstehen musste. Es war ein seltsames Verhalten. Lorenor war niemand, der vor Herausforderungen zurückschrak und eigentlich auch niemand, der viel von Geheimnissen hielt. Dennoch hatte sein Verhältnis zu Eizen ihn dazu gezwungen, Geheimnisse zu haben, und diese hatte er nun alle offengelegt. Aber das Wichtigste hatte er nicht gesagt, hatte jemand anderen es aussprechen lassen, hatte diese Aufnahme genutzt, um es nicht selbst sagen zu müssen, hatte sie extra so lange laufen lassen, dass sogar der letzte Depp es ganz klar verstehen musste. Faszinierend, wahrlich faszinierend, aber irgendwie auch bemitleidenswert. Er hatte erwartet, dass Lorenor irgendwann die Wahrheit auf den Tisch werfen würde, seiner Crew nicht mal die Zeit zum Verdauen geben würde, nur um dann mit dem Alltag fortzufahren, als wäre nichts gewesen, so wie er doch sonst auch immer absolut in seinen Entscheidungen war. Aber obwohl Lorenor offensichtlich entschieden hatte, seine Crew einzuweihen, so hatte er dieses eine Mal nicht gewohnt resolut gehandelt, sondern beinahe passiv. Oh, dieses Gefühl war wirklich ungewohnt für Dulacre; er hoffte, dass diese Crew von Traumtänzern nicht Lorenors Ängste bestätigen würde. Aber dieses Mal fehlte jegliche Form von Verachtung und Missbilligung. Er hoffte einfach nur für Lorenor, dass dessen Ängste sich nicht bewahrheiten würden, denn das war das eine, was er nicht beeinflussen konnte. Ganz gleich, was Dulacre tat, er würde nicht verhindern können, wie sie reagieren würden. Allerdings reagierten sie für gefühlte Sekunden überhaupt nicht. „Was… was meinte der Kerl damit?“, murmelte dann schließlich der Cyborg und sah Lorenor neben sich offensichtlich verwirrt an. „Er schien das ganze Gespräch über davon auszugehen, dass Lady Loreen… was meinte er damit, Zorro? Ist das ein schlechter Witz?“ „Ist es nicht“, murrte Lorenor, immer noch, ohne irgendwen anzusehen. „Nun ja, mit dieser Aufnahme kannst du zumindest einen Beweis liefern. Ob dieser ausreichen wird, werden wir wohl letzten Endes nicht erfahren, bevor die fünf Weisen darüber entscheiden“, bemerkte Dulacre und versuchte die Aufmerksamkeit auf ihr eigentliches Problem zu lenken, wissend, dass ihm dies nicht gelingen würde. „Keine schlechte Idee, Lorenor, aber gewiss riskant. Nun verstehe ich deine Zweifel an diesem Plan.“ Er begutachtete die anderen Anwesenden für einen Moment. Der Musikant hatte es gewusst, Nico Robin natürlich auch. Die Navigatorin hatte es wohl geahnt, während der Kapitän immer noch so gleichmäßig atmete, dass man glauben könnte, er würde schlafen. Trafalgar Law war seit einigen Minuten auffällig schweigsam, hatte die Beine überschlagen, Mund und Kinn hinter den gefalteten Händen verborgen und beobachtete Lorenor mit den Augen eines wahnsinnigen Wissenschaftlers. Dann fiel sein Blick auf den Smutje, doch er wusste nicht, ob er diesen Gesichtsausdruck erwartet hatte. Während die meisten Unwissenden der Crew Lorenor eher fassungslos anstarrten, hatte der Smutje nur seine kringelige Augenbraue hochgezogen und verwirrt die Stirn in Falten geworfen, schien augenscheinlich etwas nicht zu begreifen, obwohl es doch so offensichtlich war. „Also habt ihr ihn glauben lassen, du und die bezaubernde Lady Loreen wäret ein und dieselbe Person? So wie Ivankov?“, fragte er und beäugte Lorenor von hinten argwöhnisch. „Warum habt ihr das gemacht? Weil sie so krank ist? Und wie habt ihr es geschafft, dass er es euch abgekauft hat?“ „Ach, Koch“, ächzte Lorenor entnervt auf, drehte sich aber noch nicht mal im Stuhl um, wie er es zuvor getan hatte, um den anderen anzusehen, sondern betrachtete weiterhin nichts, was anwesend war, „hast du’s denn immer noch nicht kapiert?“ „Was soll ich denn kapiert haben?“, entgegnete der Smutje nicht minder entnervt. „Erst sagst du tagelang gar nichts, jetzt kommst du mit so einer Hiobsbotschaft um die Ecke, von Wegen, dass du der Schlüssel für eine verdammte antike Waffe seist, während du mal eben mit Falkenauge die bezaubernde Lady Loreen betrügst und dieser Eizen anscheinend glaubt, dass ihr ein und dieselbe Person seid, während sie vermutlich gerade irgendwo ganz alleine seinen Schergen aus…“ „Ähm, Sanji“, versuchte die Navigatorin, ihn zu unterbrechen. „Wie blöd bist du eigentlich?“, murrte Zorro nur und wandte sich nun doch um. „Muss ich’s dir buchstabieren, du Vollidiot?“ Für eine Sekunde sahen die beiden sich einfach nur an. „Koch, ich bin Lady Loreen.“ Kapitel 29: Kapitel 29 - Loreen ------------------------------- Kapitel 29 – Loreen   -Sanji- „Koch, ich bin Lady Loreen.“ „Wa… as?“ Verwirrt sah Sanji den anderen an, dessen Auge so klar auf ihm lag, die Augenbraue hochgezogen, als wäre dies doch offensichtlich, gleichzeitig war sein Mund jedoch nicht mehr als eine schmale Linie, als würde er sich vor Sanjis Reaktion in Acht nehmen. Aber er war nicht der Einzige, der diese Situation wachen Auges beobachtete. Kopfschüttelnd lachte Sanji leise auf. „Du willst mich doch ver…“ Mal abgesehen davon, dass ich nicht ein einziges Mal gelogen habe… Wer sagt, dass ich dir nicht ernsthaft geantwortet habe, Koch? Zorro sah ihn einfach nur an, den Kopf leicht zur Seite geneigt, doch das halbe Grinsen fehlte, der überhebliche Blick fehlte. „Was soll das heißen?“, murmelte Sanji und fand die ganze Situation überhaupt nicht mehr zum Lachen. „Hör auf mit dem Scheiß! Das kann doch gar nicht sein, das ist unmöglich.“ „Mag sein, Koch, aber es ist nun mal die Wahrheit.“ Die Antwort ist simpel. Ich bin nicht davongekommen, ich bin gestorben. Hätte dich nicht für so schwach gehalten, dass du mir nun Vorwürfe machst, nachdem ich alles für diese Crew und dich riskiert habe. Du denkst, ich hatte es leicht? Du denkst, ich habe Tee getrunken und mich meines Lebens erfreut, während ich wusste, dass meine Freunde schutzlos den Gefahren dieser Welt ausgeliefert sind, während ich kaum in der Lage war eine verdammte Treppe runterzulaufen? Was, wenn Zorro ihm die ganze Zeit die Wahrheit gesagt hatte? Was, wenn Zorro ihm die ganze Zeit die verdammte Wahrheit gesagt hatte?! Was, wenn Zorro die ganze Zeit…? Lebe, Sanji! Wirf dein Leben nicht leichtfertig weg. Polternd fiel der Stuhl um. „Sanji!“ Er hatte den anderen am Kragen gepackt und ihn halb zu sich hochgezogen. Sein Herz raste, seine Hände zitterten und seine Augen brannten. War es der Zigarettenqualm? Zorro sah ihn beinahe ruhig… Nein, nicht ruhig… Sanji kannte diesen Blick, kannte das Gesicht, welches der andere machte, die Maske der Ausdruckslosigkeit, wenn Zorro jeden anderen ausschloss, so wie damals auf Thriller Bark, als es nur noch sie beide und Bär gewesen waren, so wie damals auf der G6, als es nur sie beide in den verwinkelten Fluren der Basis gewesen waren, so wie damals auf Sarue, als Sanji den Samurai angegriffen hatte und aufgehalten worden war. „Sanji! Lass ihn los!“ „Das bringt doch nichts!“ „Streitet euch nicht!“ „Das kann nicht sein!“, knurrte Sanji, nahm die anderen kaum wahr, die sich um sie herum versammelten. „Sag mir, dass du lügst!“ Nun zog sich ein gebrochenes Grinsen über das Gesicht des anderen, doch sein Blick war so eiskalt wie zuvor. „Jetzt willst du also plötzlich, dass ich dich anlüge?“ „Nein! Nein, das ist unmöglich! Lady Loreen… die bezaubernde Lady Loreen ist eine liebenswerte junge Dame und… du kannst nicht… du kannst nicht…“ „Was? Du denkst, dass ich mich nicht verstellen könnte? Zum Beispiel als ein höflicher, freundlicher Mensch oder als… pflichtbewusster Soldat?“ Tut mir leid, Sir. Ich bin heute erst von Navarone hierhin versetzt worden, Sir. Und der Vizeadmiral hat mir die Freiheit gegeben, mir die gefangene Strohhutpiratenbande anzusehen. Mein Kamerad hier ist so nett, mich hinzuführen. Ich hoffe, das ist in Ordnung, Sir! Damals war er überrascht gewesen, ganz erstaunt gewesen. Er hätte Zorro das damals nie zugetraut, genauso wenig wie er ihm zugetraut hätte, einen Plan zu entwerfen, um sie alle zu retten, während er gefoltert wurde, während er größte Schmerzen hatte leiden müssen. Nein, Sanji hatte Zorro immer für einen schlichten Einfaltspinsel gehalten, etwas zu ehrlich, als es ihm guttat, etwas zu sehr mit dem Kopf durch die Wand, etwas zu direkt in seinen Gedanken, Worten und Taten. Wieder einmal wurde Sanji bewusst, dass er den anderen wirklich überhaupt nicht kannte. Er hatte sich geirrt, er hatte sich die ganze Zeit in dem anderen geirrt. Es fiel ihm schwer, zu atmen. Dieser Mann vor ihm war ein Fremder, der sie die ganze Zeit an der Nase herumgeführt hatte, und dennoch… und dennoch… „Dann warum…?“, flüsterte er und plötzlich kamen ihm die Tränen, brannten in seinen Augenwinkeln. „Warum hast du damals nichts gesagt?“ Wirf dein Leben nicht leichtfertig weg. Ruffy. Ruffy! Ich muss mit dir reden. Allein. „Warum bist du damals nicht zurückgekommen?“ Zum ersten Mal regte Zorros Gesicht sich, sein Auge weitete sich und er öffnete den Mund, ohne etwas zu sagen. „Wenn das damals du warst, warum hast du nichts gesagt? Wir dachten, du wärst tot und du…“ Ihm versagte die Stimme, doch Zorro sagte nichts, wie so oft, er sagte einfach nichts. „Verdammt! Jetzt antworte mir!“ Er packte den Kragen des anderen fester, konnte spüren, wie Nähte und Stoff unter seinen Fingern rissen, während heiße Tränen seine Wangen runterglitten, ohne dass er etwas dagegen tun konnte. „Verdammt noch mal! Wie konntest du es wagen? Du warst doch da! Du warst doch da! Du hättest uns damals die Wahrheit sagen können! Du hättest…“ „Sanji“, versuchte Nami ihn zu unterbrechen. „Nein! Nicht schon wieder, ich will nicht noch eine beschissene Ausrede hören! Wenn du damals die Wahrheit gesagt hättest… Scheiße, wenn du damals zurückgekommen wärest, dann wäre dieser ganze Scheiß nicht passiert! Wir hätten jetzt nicht diese Apokalypse am Hals, wir hätten nicht zwei verdammte Jahre um dich trauern müssen! Verdammt noch mal, die letzten zwei Jahre wären nie passiert, wenn du da gewesen wärest!“ „Aber Sanji?“, murmelte Chopper. „Wenn du nicht immer alles auf eigene Faust hättest regeln wollen, dann wärest du damals zu uns zurückgekommen und wir hätten nicht gegen Bär, Kizaru und die anderen verloren! Du bist an allem schuld und jetzt machst du hier einen auf klugen Strategen und souveränen Verbündeten? Willst du mich eigentlich verarschen? Ich dachte, du wärest tot! Ich dachte, du wärest damals verbrannt, und du warst da und hast Nichts gesagt?! Und wir sollen auch noch dankbar sein für den Scheiß, den du abgezogen hast, nur weil du…“ „Das reicht mir jetzt!“ Der Samurai schritt nach vorne und packte Sanjis Handgelenk. „Lass ihn los!“ Augenblicklich bekam der Druck so stark, dass seine Knochen knacksten. „Dulacre“, warnte Zorro, ohne Sanjis Blick auszuweichen, „lass es.“ „Oh nein, Lorenor, ich lasse es keineswegs. Mir reicht dein ewiges Gejammer, Smutje. Erst wirfst du den Stein und jetzt regst du dich darüber auf, dass das Glas zerbrochen ist? Es ist immer dasselbe mit dir und deinen…“ „Genug jetzt.“ Zorro richtete sich auf und drückte Sanjis Hände weg, gleichsam ließ der Samurai sein pochendes Handgelenk los. „Was meinst du damit, Falkenauge?“, fragte Franky neben Sanji, während er selbst immer noch Zorro im Auge hielt und sich die Tränen wegrieb, unfähig zu glauben, was der andere behauptete. „Was für ein Stein? Du gibst Sanji und uns die Schuld oder was…“ „Können wir diese verdammten Schuldzuweisungen mal für einen verdammten Moment lassen?“, knurrte Zorro und verschränkte die Arme. „Also es ist die Wahrheit! Ich bin Loreen und nein, ich habe euch damals auf Sarue nichts gesagt. Es war meine Entscheidung und ich habe dafür keine guten Gründe. Ich war damals schwach, aber ja, ich hätte zurückkommen können und ja, ich hätte euch zumindest die Wahrheit sagen können. Aber das habe ich nicht und dafür musstet ihr bitter bezahlen.“ „Lorenor! Es ist…“ „Es ist die Wahrheit, Dulacre, und du weißt das. Ich glaube nicht, dass meine Anwesenheit auf dem Sabaody Archipel irgendetwas geändert hätte, erst recht nicht in meiner damaligen Verfassung, aber das werden wir nie herausfinden.“ Sein Blick wanderte über die einzelnen Crewmitglieder und blieb dann schließlich auf Sanji liegen. „Die Dinge sind so, wie sie sind, Koch, und du kannst so wütend auf mich sein, wie du willst; das ist dein gutes Recht. Das alles ändert aber nichts daran, dass die Reverie vor der Tür steht und auch wenn es zwei Jahre gedauert hat, sage ich euch doch zumindest jetzt die Wahrheit. Ich versuche das Richtige zu tun, Koch, ich versuche es.“ Sanji entgegnete nichts. Es wollte nicht in seinen Schädel rein und er wusste nicht, was er denken sollte. Dieser ganze Tag war eine reine Katastrophe und mit jedem Mal, wenn der Marimo seinen beschissenen Mund öffnete, wurde es nur noch schlimmer. „Wie, verdammt nochmal?“, fragte er. „Nein, weißt du was? Ich weiß wie! Ich will die Wahrheit wissen, die ganze! Keine Lügen mehr, keine Geheimnisse! Die Dinge sind, wie sie sind, da hast du wohl Recht, und die Vergangenheit können wir nicht mehr ändern, aber… aber, wenn du wirklich bereust, was für einen Scheiß du getan hast, wenn du dich wirklich ändern willst, wenn du dich wirklich bemühen willst, damit ich dir wieder vertraue, dann muss diese ganze Geheimniskrämerei jetzt ein Ende haben!“ Zorro hielt ihm stand. „Wie hast du damals den brennenden Turm überlebt? Und wie kann es sein, dass du… dass du sie bist? Warum warst du auf Sarue, wenn du eh nicht vorhattest zurückzukommen? Warum hast du uns all das nicht damals gesagt? Warum hast du uns nicht viel früher Bescheid gegeben, dass du überlebt hattest? Warum hast du uns die Wahrheit nicht vor ein paar Tagen gesagt, als wir alle wieder beisammen waren? Oder damals auf Sarue? Warum hast du uns nicht angerufen, sobald du konntest? Warum bist du nicht zu uns gekommen, sobald du konntest? Und warum jetzt? Warum hast du dich jetzt entschieden, kaum zwei Tage bevor wir uns mit de Flamingo anlegen werden, die Wahrheit zu sagen? Warum hast du dich jetzt entschieden, uns dieses Mal in deinen Plan einzuweihen, für den du unsere Hilfe gar nicht brauchst? Den du offensichtlich mit der Absicht geplant hattest, uns eben nicht einzuweihen. Hast du wieder das gleiche vor? Wie auf Thr… Es ist wieder, wie auf der G6, oder? Du erzählst uns wieder nur den halben Plan und am Ende… Kann ich darauf vertrauen, dass du zurückkehrst? Oder wirst du dich wieder opfern? Oder wird dieses Mal Uranos dich komplett aussaugen? Was ist dieses Mal der Preis?“ „Sanji…“, flüsterte Lysop, aber es war Zorros Blick, der ihn überraschte, während einzelne Tränen sich wieder aus Sanjis Augen stahlen, denn Zorro biss sich auf die Unterlippe und dann wandte er den Blick ab. Wie er es sonst nie tat! „Es… es tut mir leid“, murmelte Zorro mit seinem gesenkten Blick, „mir war nicht bewusst, was…“ „Ich will keine Entschuldigung!“ Sanji packte ihm am Oberarm. „Erst recht nicht von einem ungehobelten Klotz wie dir. Ich will nur die Wahrheit wissen! Ist das dieses Mal wirklich dein Plan, der ganze? Wie kommst du nach Mary Joa? Wie kommst du zurück? Kommst du zurück? Was ist, wenn etwas schief geht? Was hast du dann vor? Wirst du überleben?!“ Zorro sah ihn an, sah ihn einfach nur an und zum ersten Mal, zum allerersten Mal hatte Sanji das Gefühl, dass der andere ihn wirklich ansah, ihn sah. „Es tut mir leid, dass ich dir damals nicht die Wahrheit gesagt habe, Sanji.“ Zorro klang ruhig, gefasst und Sanjis Unterlippe bebte, als er endlich diese Worte hörte, die er unbedingt hatte hören wollen und nun, da er sie endlich hörte, am liebsten nie gehört hätte. „Sowohl auf Sarue, aber vor allem auch damals im Kerker. Es tut mir leid, dass ich dich die ganze Zeit im Glauben ließ, dass wir die G6 alle zusammen verlassen würden, obwohl ich genau wusste, dass dieser Ort mein Grab sein würde.“ „Zorro“, raunte Chopper. „Du wusstest es also?“, fragte Sanji und konnte nicht verhindern, dass ihm erneut die Tränen kamen, während Zorro die Lippen zusammenpresste und nickte. Er hatte es also wirklich ernst gemeint? Er hatte seine Worte im Ausguck wirklich ernst gemeint? Zorro war nicht davongekommen? Sie unterhielten sich gerade über seinen… seinen Tod? „Du wusstest, dass du den Ausbruch nicht überstehen würdest? Du wolltest, dass wir dich zurücklassen? Dass ich dich zurücklasse? Du hattest von Anfang an nicht vor, mit uns zu fliehen?“ „Ja“, bestätigte Zorro, „ich wusste, dass selbst, wenn ich mit euch fliehen würde, mir vielleicht noch ein bis zwei Tage… geblieben wären. Ich war am Ende, Sanji, so oder so wäre ich draufgegangen.“ Jemand schnappte laut nach Luft oder sagte etwas, aber er wusste es nicht, während er einfach nur Zorro anstarrte. Obwohl sie sich über etwas unterhielten, was unmöglich sein sollte, so ergaben die Dinge zum allerersten Mal Sinn. Er versuchte, seinen zitternden Atem zu beruhigen. „Warum hast du es mir dann nicht gesagt?“ „Weil es keinen Unterschied gemacht hätte, du hättest mir nicht mehr helfen können. Nach Homuras…“ „Davon rede ich nicht! Warum hast du mir nicht gesagt, dass du diese Verletzung nicht überleben würdest? Warum hast du so getan, als wäre alles gut, selbst, als ich dich drauf angesprochen habe? Warum hast du mich glauben lassen, es gäbe noch Hoffnung für dich!“ Einen Moment war es still, niemand sagte auch nur ein Wort, nicht einmal der verfluchte Samurai, und dann lächelte Zorro. Ein Lächeln, das Sanji unheimlich bekannt vorkam. Er hatte für zwei Jahre fast jede Nacht davon geträumt, hatte sich für zwei Jahre fast jeden Morgen beim Aufwachen daran erinnert. Zorro hatte ihn erst ein einziges Mal so angesehen, damals auf dem Turm. „Weil du ein hoffnungsloser Gutmensch bist, Koch. Du hättest dich geweigert die Wahrheit zu akzeptieren und wir hätten wertvolle Zeit mit Streiten verschwendet; Zeit, die ich nicht hatte.“ „Aber…“ „Außerdem habe ich, um ehrlich zu sein, nicht besonders viel über die Konsequenzen nachgedacht. Ich wusste, ich würde es nicht packen, aber ich wusste auch, dass ich es irgendwie hinkriegen würde, euch da alle rauszuholen, und genau das habe ich getan und ich dachte… ich dachte, dass es auch gut so wäre. Ich dachte, dass dies meine Aufgabe in dieser Crew sei, da ich weder kochen noch Karten lesen oder sonst irgendetwas halbwegs Nützliches tun kann. Ich dachte, es wäre meine Aufgabe euch alle zu beschützen, ganz gleich was der Preis ist und ganz gleich was ihr davon haltet und ich dachte, das wäre der einzige Weg. Ich dachte, die einzige Möglichkeit euch zu retten, wäre mich selbst zu opfern.“ Immer noch sah Zorro ihn an und Sanji verstand, er verstand genau, was gerade passierte, und es machte ihm beinahe Angst, als er sah was hinter den verschlossenen Toren alles begraben war. Vielleicht war es manchmal wirklich besser, nicht die Wahrheit zu wissen, vielleicht war es manchmal wirklich besser, nicht zu wissen, was jemand anderes dachte. Sanji hätte nie gedacht, dass ausgerechnet Zorro so von sich und seiner Position in der Crew denken konnte. Jetzt verstand er, warum Zorro ihm diese Sache mit dem Bauernopfer vorgeworfen hatte, weil er selbst gedacht hatte, dass das letzten Endes seine Rolle in der Crew war, auch wenn es Sanji unbegreiflich war, warum Zorro so von sich dachte. Aber er hatte ja auch nicht mitansehen müssen, wie diese Crew ohne ihn zerbrochen war. „Und das mag damals auch gestimmt haben. Damals gab es für mich keine Rettung und darum habe ich dir nichts gesagt. Aber dieses Mal ist es anders und… und mittlerweile habe sogar ich kapiert, dass es wohl niemandem hilft, wenn ich alles im Alleingang mache, ohne dass ihr überhaupt wisst, was los ist. Daher rede ich dieses Mal, auch wenn ich echt verdammt lange gebraucht habe.“ Das da vor ihm war Zorro, nicht der sturköpfige Marimo, nicht der berüchtigte Piratenjäger Lorenor Zorro, nicht der griesgrämige erste Maat, einfach nur Zorro, der gerade so mit Sanji sprach wie noch nie. So mussten seine Gespräche mit Falkenauge ablaufen, kein Wunder, dass dieser Zorro so viel besser kannte, denn er war so direkt in seinen Worten wie sonst auch, nahm kein Blatt vor den Mund, jetzt wo er endlich sprach. „Okay“, flüsterte Sanji, „ich verstehe.“ Mittlerweile lächelte Zorro nicht mehr, niemand lächelte mehr, selbst der verdammte Samurai nicht, aber die Stille, die in der Luft lag, trug eine andere Anspannung als bisher. Es ging nicht mehr um Kläger und Angeklagter, um Schuld und Wut. Gerade ging es um jenen Tag, an dem sie alle viel verloren hatten. „Und dann bist du gestorben?“, fragte Sanji, als er sich an die Worte des anderen von ihrem Streit im Ausguck erinnerte. Er wünschte, er könnte es als Scherz fragen, aber dafür war Zorros Miene viel zu ernst. Zorro nickte. „Jap.“ „Okay, und was ist dann passiert? Ich meine, jetzt gerade wirkst du schon recht lebendig auf mich für einen Toten.“ Der andere schenkte ihm ein schiefes Grinsen, dann atmete er tief aus, klopfte Sanji einmal kräftig auf die Schulter, ehe er sich wieder auf seinem Stuhl niederließ, um sich allen zuzuwenden. Erst jetzt beobachtete Sanji die anderen, sah, wie Nami sich verstohlen ihre Tränen wegwischte, was weder Franky noch Chopper oder Lysop gelang. Robins und Brooks Mienen waren ausdruckslos, während Law sich zurückgelehnt und den Blick abgewandt hatte. Ruffy schlief immer noch, wohingegen Falkenauge ebenfalls wieder saß und Zorro mit verschränkten Armen im Auge hielt. „Was genau passiert ist, kann ich euch nicht wirklich sagen, aber was ich weiß ist, dass meine letzte Erinnerung der Turm war und dann wache ich auf und ich war in seinem Haus.“ Er nickte zu Falkenauge hinüber. „Am Abend nach dem Fall der G6 fand Dulacre mich in der Nähe seines Elternhauses auf Sasaki, einer Insel gut eine Monatsreise von den Senichi-Inseln entfernt.“ „Aber wie kann das sein?“, murmelte Lysop nach einem lauten Nasenschnäuzen, der Zorros an-den-Tisch-Setzen wohl so verstanden hatte, dass die Gesprächsrunde nun wieder für jedermann zugänglich war. „Wie kamst du dahin?“ Zorro zuckte mit den Achseln. „Und das war noch nicht das Seltsamste. Nicht nur war ich dort und unverletzt, ich war…“ Kurz zögerte, ehe er dann den Kopf schüttelte. „Mein Körper war nicht mehr mein Körper, ich war in dem Körper eines zerbrechlichen Mädchens, fast noch ein Kind. Dulacre hat mich noch nicht mal erkannt.“ „Kannst du es mir verübeln?“, warf dieser mit einem leisen Schmunzeln ein. „Ich hatte gerade erst von deinem Tod erfahren und dann behauptet dieses unerzogene Gör Lorenor Zorro zu sein. Es widersprach jedweder Logik.“ „Also warte mal“, murrte nun Franky, der sich ebenfalls wieder auf seinen Stuhl warf, seine Stimme ungewohnt rau, „du willst uns sagen, dass nach der G6 du einfach so – plopp – da aufgetaucht bist und… dich verwandelt hattest in… in Lady Loreen?“ Synchron nickten die beiden Schwertkämpfer. „Genauso war es“, bestätigte Zorro, „ihr könnt euch vorstellen, dass das auch für mich ein kleiner Schock war.“ „Klein“, bemerkte Falkenauge und hob eine Augenbraue an. „Muss ich dich an deinen peinlichen…“ „Das tut jetzt nichts zur Sache“, unterbrach Zorro ihn grob, errötete jedoch. Aber Sanji hörte ihnen nur mit halbem Ohr zu, versuchte, zu verstehen, zu begreifen, während Bilder und Worte von damals seine Gedanken fluteten. „Und was dann?“, fragte Nami, die diese Dinge gefühlt viel sachlicher annahm als Sanji und er beneidete sie beinahe darum. „In diesem Monat bis wir uns auf Sarue trafen, ist ja viel passiert. Ich erinnere mich an die unzähligen Artikel über Lady Loreen. Was hat das alles zu bedeuten? Ich kann mir nicht vorstellen, dass du freiwillig das nette Mädchen vom Lande gemimt hast.“ „Mit Sicherheit nicht“, murmelte Zorro und rieb sich den Nacken. „Die Wahrheit ist, dass ich damals… ich war ziemlich… schwach. Ich war in einem… fremden Körper und konnte am Anfang kaum laufen. Dennoch… ohne überhaupt nachzudenken, versuchte ich zurückzukommen, aber…“ Leise lachte er auf, aber es war kein erheiterter oder erleichterter Laut; Sanjis Nackenhaare stellten sich auf. Für einen Moment schien da etwas zu brechen, was bei Zorro nie brach. „Aber ich bin die verdammte Treppe runtergefallen.“ Kopfschüttelnd rieb er sich durchs Haar, so gar nicht wie der Zorro, den Sanji bisher kannte, lachte erneut so furchtbar auf, dass Sanji eine Gänsehaut bekam. „Ich hatte es geschafft eine ganze Festung in die Luft zu jagen und alle meine Freunde zu retten, während ich geblutet habe wie ein Schwein, und einen Tag später…“ „Lorenor.“ Auch Falkenauge klang anders, sanft würde Sanji beinahe behaupten und er erinnerte sich an den, lange zurückliegenden, Beginn dieses Gespräches. Falkenauge hatte ihn gefunden, er war dabei gewesen, als Zorro nach der G6 das erste Mal zu sich gekommen war, er hatte diesen Zorro gesehen, von dem sie als seine Crew noch nicht mal geahnt hatten. Dann sah der Samurai in die Runde. „Ich habe Lorenor damals überredet, erst einmal auf Sasaki zu verweilen und herauszufinden, ob ihr überhaupt noch am Leben wart. In seinem damaligen Zustand war er gewiss nicht in der Lage gewesen, zu reisen. Allerdings würde ich ja behaupten – und ich glaube, wir sind uns vermutlich alle darüber einig - dass selbst in seinem jetzigen Zustand eine solche Reise riskant wäre. Trotz meiner stetigen Bemühungen hat er bis heute nicht herausgefunden, wie man eine Karte liest, und in den vergangenen zwei Jahren hat er es nicht einmal geschafft, pünktlich zum Training zu erscheinen, weil er sich jedes Mal verlaufen hat.“ „Was soll der Mist“, knurrte Zorro, wieder ganz er selbst, und was auch immer zu reißen gedroht hatte, war nun wieder hieb- und stichfest. „Machst du dich etwa über mich lustig, du Mistkerl?“ Falkenauge schmunzelte. „Aber nicht doch, Lorenor. Ich meine nur, dass du den Orientierungssinn eines Backofens hast. Nämlich gar keinen, denn ein Backofen ist ein lebloses Objekt und hat überhaupt keine Sinne, erst recht keinen Orientierungssinn. Genau wie du, der es schafft auf dem Weg vom Bett ins Badezimmer in meinem Schlafzimmer zu landen, um halb vier Uhr morgens.“ „Wenn man einen Witz erklären muss, dann war er nicht witzig, verstanden?! Und das war ein einziges verdammtes Mal! Was kann ich dafür, dass alles in diesem Schloss so verdammt gleich aussieht?“ „Die Tür zu deinem Badezimmer ist fast direkt neben deinem Bett, mein Zimmer am Ende des Flures! Wie kann dir das nicht aufgefallen sein? Ich hätte dir beinahe den Kopf abgeschlagen.“ „Ja, weil du noch sternhagelvoll warst! Ich hatte dir doch gesagt, dass du nicht immer so viel trinken sollst, nur weil Jiroushin zu Besuch ist. Du bist nun mal nicht mehr der Jüngste und verträgst nichts. Nicht meine Schuld, wenn dann deine Sinne nachlassen.“ „Im Gegensatz zu dir habe ich wenigstens einen Orientierungssinn und platze nicht aus Versehen einfach mitten in der Nacht in anderer Leute Schlafzimmer.“ „Nein, das machst du ganz absichtlich, und zwar nachdem man dir die Türe vor der Nase zugeschlagen hat, weil du ein verdammtes Nein nicht einfach akzeptieren kannst, sondern immer das letzte Wort haben musst.“ „Weil ich Recht habe!“ „Einen Scheiß hast du!“ „Ähem“, räusperte Robin sich und die beiden Schwertkämpfer unterbrachen ihren Augenkontakt. „Also wenn ich das richtig verstehe, habt ihr Nachforschungen über uns angestellt.“ Falkenauge nickte und tat so, als wäre nichts geschehen, aber die Atmosphäre war entspannter als noch vor wenigen Minuten und Sanji war sich nicht sicher, ob diese Stänkerei von ihm nicht vielleicht geplant gewesen war, denn immerhin sah der Marimo nun wieder aus, wie Sanji es gewöhnt war. „Ich ließ einen Freund aus der Marine euren damaligen Aufenthaltsort und eure Route nach Logport ermitteln. Wir stellten fest, dass ihr auf eurem Weg zur Red Line an einer Nachbarinsel – Sarue, wie ihr euch gewiss denken könnt – vorbeikommen würdet und aufgrund Lorenors Zustand riet ich ihm, euch nicht auf eigene Faust entgegen zureisen, sondern zu warten und diesen Monat zu nutzen mit seinem neuen Körper vertraut zu werden.“ Sanji stand weiterhin hinter Zorro und Franky, konnte von dieser Position aus die rechte Gesichtshälfte ihres Schwertkämpfers sehen, konnte den gesenkten Blick des anderen sehen. Es war seltsam, dass Zorro jemandem anderen erlaubte, für ihn zu sprechen. Aber dieses ganze Gespräch war seltsam und Sanji wartete irgendwie nur darauf, dass irgendwer plötzlich eine Konfettikanone loslassen würde und laut April, April! brüllen würde. Aber warum auch immer passierte das nicht. „Aber warum hast du uns nicht angerufen?“, murmelte Lysop, der sich leider überhaupt nicht nach dummen Streichen anhörte und dem Zorros fast schon leerer Blick offensichtlich entging. „Oder hast du es versucht und uns nicht erreicht, weil wir zu weit entfernt waren? Auf der anderen Seite hat die Marine doch auch Teleschnecken mit Distanz-Signalen, die ihr mit Sicherheit hättet nutzen können, oder?“ „Ich…“ „Auch das ist wohl meine Schuld“, sprach nun Falkenauge erneut und begutachtete einzelne Crewmitglieder mit seinen stechenden Augen. „Ich riet ihm davon ab, sich in irgendeiner Form mit euch in Verbindung zu setzen. Wie ihr euch vielleicht erinnern könnt, war der Untergang der G6 einer der großen Tragödien der vergangenen Jahre – zumindest bis zur Schlacht von Marine Ford - und Lorenor gehört seitdem zu den meist verhassten Verbrechern aus Sicht der Marine. Wenn die Welt damals erfahren hätte, dass er überlebt hatte, wäre sein zweites Leben sehr schnell beendet worden, insbesondere so schwach wie er damals war.“ „Ist das der Grund hinter Lady Loreen?“, fragte Nami nach, sie sah jedoch Zorro mit ihren geröteten Augen an, nicht Falkenauge, auch wenn dieser erneut antwortete und Zorro den Blick immer noch gesenkt hatte, so ganz untypisch für ihn. Erst jetzt verstand Sanji langsam und hatte dennoch das Gefühl, überhaupt nichts zu verstehen. „Ganz Recht. Zu meinem Leidwesen bin ich als Erbe der fünf Inseln in manch schnöde Verpflichtungen eingebunden und aufgrund meines ablehnenden Charakters sorgte es für große Verwunderung unter den Anwohnern, dass jemand wie ich tatsächlich einen Gast beherbergen würde, und dann ausgerechnet auch noch eine junge Frau von sanftem Charakter und freundlichem Wort.“ Er seufzte leise auf. „Gerüchte verbreiteten sich schnell und um zu verbergen, wer da tatsächlich an meiner Haustüre angespült worden war, entschieden wir diesen Gerüchten nicht zu widersprechen. Wenn ich mich recht erinnere, kam meine Haushälterin auf den Namen und so entstand die hochwohlgeborene Lady Loreen; ein Kunstcharakter. Nicht mehr als eine Dramenfigur, um gefährlichen Fragen zu entgehen und die Neugierde der aufdringlichen Reporter und Bekannten zu stillen.“ „Mal ne Zwischenfrage“, murrte Franky und lehnte sich vor. „Also, wenn ich das richtig kapiert habe, hast du Zorro vor zwei Jahren im East Blue so richtig die Leviten gelesen und eigentlich wart ihr doch Feinde oder nicht? Wie kam‘s, dass du entschieden hast, ihm zu helfen?“ „Wir waren Rivalen, aber nie Feinde“, murmelte Zorro so ungewohnt ruhig dem Tisch zu, worauf der Samurai nur eine Augenbraue anhob. „Du dachtest wirklich, du wärest mein Rivale?“, erwiderte er erheitert. „Putzig.“ „Ach, halt doch die Klappe!“ „Also was ist der Grund, warum du ihm geholfen hast?“, wiederholte Franky seine Frage. „Weil er ein vielversprechendes Talent war?“ „Oh nein“, winkte der Samurai auflachend ab. „Hätte ich gewusst, dass dieses Kind Lorenor ist, ich hätte ihn wohl draußen erfrieren lassen; ich halte nicht viel von Gutmütigkeit. Nein, es war interessant, darum habe ich mitgespielt. Wie oft landet ein verstorbener und weltweit gejagter Verbrecher in einem fremden Körper vor der eigenen Haustür, gewillt sich mit der Welt anzulegen, aber zu schwach, um sich auf den Beinen zu halten? Es war amüsant ihn mit meiner Haushälterin streiten zu sehen und wie sie ihn wie eine Puppe in kleine Kleidchen steckte. Es war eine ganz nette Unterbrechung von meinem langweiligen Alltag, doch selbst ich hatte nicht mit diesen ausufernden Folgen gerechnet, wahrlich interessant.“ „Du bist so ein Arsch“, knurrte Zorro, „du hast mich Kanan absichtlich zum Fraß vorgeworfen?“ „Natürlich, als Rache für dein vorlautes Mundwerk. Dein kratzbürstiges Verhalten war überaus respektlos und für kindische Mätzchen fehlt mir die Geduld, darum sollte sich Kanan kümmern. Es ist schon anstrengend genug, dass ich mich mit Perona und nun mit deiner Crew herumschlagen muss, aber keiner von ihnen kommt an die ersten Tage in deiner zweifelhaften Gesellschaft heran.“ „Ich hätte mir auch einen etwas weniger abgehobenen Gesprächspartner gewünscht, weißt du? Oder jemanden, der nicht um jede Kleinigkeit ein riesiges Drama macht. Und wenn wir schon von Bekannten sprechen, wessen Schuld ist es wohl, dass ich auf Eizen getroffen bin, huh?“ „Ich dachte, du wolltest keine weiteren Schuldzuweisungen und hast du damals nicht selbst entschieden, mich zu begleiten? Ich hätte dich wohl schlecht zwingen können.“ „Du weißt genauso gut wie ich, dass ich dir das schuldig war, nachdem du…“ „Es reicht“, stöhnte Nami auf, „sag mal, macht ihr das immer so?“ Überrascht sahen die beiden Schwertkämpfer sie an. „Was?“, fragten sie einstimmig. „Na das!“, knurrte sie und zeigte mit einer ausschweifenden Bewegung auf die beiden. „Alle paar Minuten fangt ihr an miteinander zu zetern wie ein altes Ehepaar, das hält ja keiner aus. Könnt ihr nicht mal aufhören, euch die ganze Zeit wegen Kleinigkeiten zu streiten?“ „Du nennst dies einen Streit?“, fragte Falkenauge nach. „Dies ist Lorenos Art zu kommunizieren.“ „Meine Art?!“ „Fangt nicht schon wieder an“, warnte Nami. Ihr Blick hatte sich verändert. „Wir waren gerade bei einem wichtigen Thema: Du sagtest, du wärest der Erbe der fünf Inseln, Mihawk. Was bedeutet das? Wie wohlhabend bist du?“ „War ja klar“, murrte Lysop und rollte mit den Augen. „Darum geht’s dir doch nur, um die Kohle, wie immer.“ „Sehr“, bestätigte Falkenauge ohne Zögern, „die fünf Inseln sind der Knotenpunkt des Handels der beiden Seiten der Red Line und haben eine wirtschaftliche Kraft, die ihresgleichen sucht und sich über die ganze Welt erstreckt. Abgesehen vom Hochadel ist die Familie Mihawk wohl die Vermögendste der Welt – zumindest würde ich das behaupten und ich irre mich äußerst selten - und ich bin ihr einziger Erbe. Den genauen Wert meines Vermögens kann ich nicht beziffern, da er sich sekündlich ändert, aber ja, ich würde mich gewiss als wohlhabend einstufen.“ „Arroganter Mistkerl“, murrte Zorro und lehnte sich mit verschränkten Armen zurück, „und selbst mit noch so viel Kohle, einen besseren Charakter wirst du dir trotzdem nicht leisten können.“ „Aber dafür guten Wein, Lorenor, und nicht diesen traurigen Fusel, den du Sake schimpfst.“ „Tze, in den nächsten Monaten wirst du davon aber nicht viel haben. Ich habe gehört, Chopper setzt dich auf Entzug. Geschieht dir nur Recht, nachdem du mir monatelang den Alkohol verboten hast.“ „Oh, ist dies etwa ein Anflug von Rachegelüsten? Lorenor, ich bin entsetzt.“ „Ähem!“, unterbrach Nami sie wieder und lehnte sich weiter vor. „Also, was passiert, wenn du stirbst, also mit deinem… Vermögen?“ „Du bist ganz schön direkt, Navigatorin. Hat dir niemand beigebracht, dass man nicht über Geld spricht? Das ist unhöflich.“ „Aber du sprichst doch recht gerne über deinen Reichtum, nicht wahr? Du wirst doch mit Sicherheit vorgesorgt haben?“ „Selbstredend. Natürlich habe ich ein Testament, ich hatte bereits eines seit dem Tage meiner Geburt.“ „Das ist nichts, worauf man stolz sein sollte“, warf Zorro unwirsch ein. „Und ist da nicht auch zufälligerweise…?“ „Zorro, wie funktioniert das mit deinem Körper?“, sprach nun zum ersten Mal seit langem Law und Sanji hatte ganz vergessen, dass er überhaupt noch anwesend war, und plötzlich erinnerte er sich wieder an das, was Zorro ihnen vor wenigen Minuten erst gebeichtet hatte, hatte es über diesen Anflug der Normalität für einen Moment fast verdrängt. „Bis vor einer Woche hat die Zeitung stetig Bilder über Lady Loreen ausgespuckt, aber du scheinst die vergangenen Jahre in diesem Körper trainiert zu haben. Wie machst du das? Kannst du dich verwandeln?“ „Hey“, zischte Nami, „unterbrich uns doch nicht. Das hier ist…“ „So in etwa.“ Innerhalb eines Wimpernschlags war Zorro wieder ernst und ablehnend, als er sich ihnen zuwandte. „Aber doch etwas komplizierter. Die Wahrheit ist, am Anfang konnte ich mich nicht verwandeln. Als ihr nach Sarue kamt, konnte ich es noch nicht, das kam erst… später.“ Sanji entging die hochgezogene Augenbraue des Samurais nicht, der Zorro betrachtete, und er vermutete, dass ihr Schwertkämpfer wieder einmal etwas ausließ, aber er entschied für den Moment, nicht nachzufragen. Solange Zorro von sich aus erzählte, sollte er keinen weiteren Streit provozieren; das würde Falkenauge im Zweifel schon übernehmen. „Mittlerweile kann ich mich ganz offensichtlich verwandeln, aber Lady Loreen werde ich wohl nie ganz loswerden.“ Laut seufzte er auf. „Was meinst du damit?“, fragte Nami nach. Nach einer Sekunde sah Zorro auf und sie an; Sanji konnte seinen müden Blick sehen. Er sah alt aus, so unglaublich alt und müde und Sanji erinnerte sich an den so weit entfernt scheinenden Morgen und ihm wurde bewusst, dass Zorro vermutlich das alles hier gemeint hatte. „Lady Loreen, dieser andere Körper, es ist eine Art Fluch. Egal was ich tue, egal wie viel ich trainiere, damals waren es nur wenige Minuten, jetzt – über zwei Jahre später – sind es nur wenige Tage, irgendwann muss ich mich verwandeln. Es ist der Preis, den ich dafür zahlen muss, überlebt zu haben.“ Leise klickte er mit der Zunge und rieb sich den Nacken. „Das ist der Grund, warum ich mich Eizen nicht entziehen konnte, warum ich Lady Loreen nicht einfach sterben lassen konnte, weil ich mich immer wieder verwandeln muss, ob ich will oder nicht.“ „Sag mal“, murmelte Chopper nun und seine Knopfaugen schimmerten leicht, „in der Zeitung stand immer wieder, dass Lady Loreen krank ist, aber dein letzter Check-up sah gut aus, Zorro. Bist du… bist du durch die G6 krank geworden oder über die letzten zwei Jahre oder, wenn du sie bist?“ „Nein, Chopper, bin ich nicht“, entgegnete er und da war dann dieses Lächeln, welches er nur dem jüngsten Crewmitglied schenkte, „keine Sorge. Als Lady Loreen mag ich schwach sein, aber auch diese Krankheit ist nichts weiter als ein Gerücht, welches die Zeitungen aufgebauscht haben.“ „Oh, da bin ich aber erleichtert.“ Für einen Moment sagte niemand etwas, als sie alle versuchten, zu begreifen, versuchten zu begreifen, was das alles bedeutete. „Ist das der Grund, warum du auf Sarue nichts gesagt hast?“ Sanji sah den Hinterkopf des anderen an und bemühte sich, erst einmal einfach die Fakten zu verstehen, alles andere konnte später kommen. „Du sagtest, du hättest dich damals noch nicht verwandeln können. Bist du deshalb nicht zurückgekommen? Weil du schwach warst?“ Zorro wandte sich nicht um. „Ja, das auch“, bestätigte er mit tiefer Stimme. Betretene Stille beherrschte den Raum und dieses Mal schien niemand zu wissen, wie man auf diese Aussage reagieren sollte, die so schwer und traurig klang, wie sie alle sich in jener Zeit gefühlt hatten. „Woher kommt dieser Fluch“, fragte Law und lehnte sich vor, zeigte keinerlei Verständnis oder Taktgefühl, „und wie kann man ihn brechen? Ist es eine Teufelskraft? Wer hat dich zurück ins Leben geholt?“ „Niemand.“ Zorro verschränkte die Arme. „Und deine Fragen kann ich dir nicht beantworten, außer, dass man es nicht brechen kann. Glaub mir, ich hab’s versucht. Wenn es irgendeinen Weg geben würde, von Lady Loreen loszukommen, hätte ich es getan.“ Wieder schwiegen sie. „Ich kann es immer noch kaum glauben“, murmelte Nami dann, „ich hatte ja mit wirklich viel gerechnet, aber das… Du bist eine Modeikone, Zorro, du! Lady Loreen ist das beliebteste Thema abseits von Politik und Krieg. Die letzten zwei Jahre verging keine Woche ohne irgendeine Meldung über Lady Loreen und ihren Samurai Falkenauge, und das war… das war alles gespielt? Das warst alles in Wirklichkeit du? Diese ganzen Reden, du hast die gehalten? Diese Verhandlungen mit Vertretern aus aller Welt, du hast die geführt? Die Ansprache am Gründungstag letztes Jahr, die weltweit übertragen wurde, das warst du?“ „Das meiste davon war Eizen“, murrte Zorro, „die Kleidung waren Kanan und Perona, die Reden waren Eizen, die Ansprache war Eizen, und die Diskussionen… tja, das war wohl Dulacre.“ „Tu nicht so, als hätte ich dich ausgenutzt wie Eizen. Du kamst zu mir und wolltest meine Hilfe.“ „Aber du hast das gesagt? Du hast diese Reden geführt? Das warst du in diesem anderen Körper.“ Zorro nickte nur. „Beeindruckend.“ Nami lehnte sich zurück und schüttelte leicht den Kopf, schien die ganze Situation viel leichter zu erfassen als Sanji, der das Gefühl hatte, dass nichts davon wahr sein sollte. „Kein Wunder, dass Eizen so aus dem Häuschen war. Das alles spielt ihm nur zu perfekt in die Hände. Er findet den wahrscheinlich einzigen Menschen, der Uranos noch aktivieren könnte, und zwar genau zu der Zeit, in der wir alle am verwundbarsten waren, einschließlich dir. Es ist perfekt, ich hätte mir keinen besseren Plan ausdenken können. Er hatte zwei Jahre bis zur Reverie Zeit, um dich als Lady Loreen so zu formen, wie er es brauchte, und du konntest so ziemlich gar nichts dagegen tun, ohne alles zu riskieren.“ Nun lehnte sie sich wieder vor, platzierte beide Ellenbogen auf dem Tisch und legte ihr Kinn auf ihre gefalteten Hände. „Mal ganz ehrlich. Wenn ich all das hier nicht wüsste und in ein paar Tagen lesen würde, dass Lady Loreen gemeinsam mit den Staatsoberhäuptern die bisherige Weltregierung abgesetzt hätte, ich hätte mich gefreut. Genau wie all die anderen, hätte ich gedacht, dass das etwas Gutes wäre. Verdammt, ich wäre vermutlich total begeistert gewesen. Lady Loreen, die sich gegen Sklaverei einsetzt, die in Kriegsgebieten gewaltlose Verhandlungen fördert, die sogar den herzlosen Samurai Falkenauge Mitgefühl beibrachte – Nichts für ungut – ich wäre Eizen genauso auf den Leim gegangen, wie wohl der Rest der Welt. Ich hätte nie gedacht, dass du, ausgerechnet du, Lady Loreen sein könntest. Selbst nachdem ich sie – dich – damals auf Sarue erlebt habe. Ich hatte auch gedacht, vielleicht seid ihr Geschwister, vielleicht irgendetwas anders, aber… aber ich hätte dich nie erkannt.“ „Es war unser Ziel, dass niemand eine Verbindung zwischen Lady Loreen und Lorenor ziehen würde, zu seinem und eurem Schutz“, erklärte Falkenauge, „und Eizen hat diese Vorarbeit für sich ausgenutzt und Lady Loreens Bild für die Öffentlichkeit perfektioniert. Es ist wie du sagst, die Welt würde einen erfolgreichen Putsch vielleicht sogar begrüßen, sofern Lady Loreen die Leitfigur wäre, so gut hat er alle getäuscht, und Lorenor konnte sich nicht verraten, ohne euch in Gefahr zu bringen.“ „Trotzdem“, widersprach sie, „wir sind doch Freunde! Ich hätte dich erkennen müssen, Zorro. Ich hätte wissen müssen, dass du das warst. Es tut mir leid, ich hätte…“ „Eizen“, sprach Zorro ruhig, als hätte er Nami nicht unterbrochen, „behauptet, dass ich – also als Lady Loreen – eine Gabe habe, dass Menschen mir vertrauen und mich nicht hinterfragen wollen. Dies ist seiner Meinung nach auch der Grund, warum niemand glauben könnte, dass ich Lady Loreen wäre, schließlich bin ich doch gar nicht wie sie. Er dachte sogar, dass ich Dulacre hinters Licht geführt hätte.“ „Dieser arrogante Narr, für wie dumm hält er mich eigentlich?“ „Für ziemlich dumm“, bemerkte Zorro und schenkte dem Samurai ein müdes Grinsen, ehe er sich wieder Nami zuwandte. „Ich weiß nicht, ob er Recht hat, aber du musst dich nicht entschuldigen, wenn es einen Schuldigen gibt, dann bin ich das. Ich habe entschieden, euch nicht die Wahrheit zu sagen, und ich habe entschieden, mich euch nicht zu erkennen zu geben.“ „Aber das stimmt doch nicht“, murrte Nami nun und klatschte in einer eleganten Bewegung erst auf den Tisch und dann Ruffy auf den Hinterkopf. „Nur weil du es nicht gesagt hast, heißt das doch nicht, dass du es nicht ganz offensichtlich gezeigt hast. Ich meine, Ruffy hat dich sofort erkannt, oder? Nicht wahr, Ruffy?“ Verwundert sah Sanji zu Ruffy hinüber, der sich leicht verschlafen den Kopf rieb. „Hä, was?“ „Du hast Zorro vor zwei Jahren erkannt, oder? Als er uns als Lady Loreen auf Sarue geholfen hat?“ Fragenden Blickes sah der Kapitän der Strohhüte die Navigatorin an. „Wovon redest du, Nami? Wer ist denn diese Loreen?“ „W… was? Du musst sie doch kennen! Hast du überhaupt nicht zugehört?! Das Mädchen, das uns vor zwei Jahren auf Sarue geholfen hat! Das war Lady Loreen!“ „Nein“, widersprach Ruffy und seine Stimme wurde ungewohnt ernst, „das war Zorro! Ich hätte doch nicht irgendeiner Wildfremden Zorros Schwerter mitgegeben.“ „Warte, was?!“ Sanji machte einen Schritt in Richtung seines Kapitäns. „Du wusstest es?“ „Was wusste ich?“ Der Samurai im Hintergrund gluckste erheitert auf. „Dass diese Frau der Marimo war?“ „Ja klar, war doch ganz offensichtlich.“ „War es nicht!“, widersprachen einige Crewmitglieder im Chor. „Doch, ich weiß es noch ganz genau. Wir waren auf der Insel und ich wurde von diesen ganzen Marinesoldaten verfolgt und es wurden immer mehr und mehr und ich weiß noch, wie ich mir gedacht hatte, dass es echt cool gewesen wäre, wenn Zorro da wäre.“ Er lachte laut auf. „Und dann stand er plötzlich hinter mir und hat doch ganz laut gesagt Ich bin hier, mein Käpt’n! So richtig cool, wie in so einem Überraschungsmoment in den Geschichten, Rettung in letzter Sekunde.“ „Was?“ Überrascht sah Zorro auf. „Ja und dann sind wir doch alle zurück an Bord gekommen und ich wollte das eigentlich feiern, aber Zorro hatte sich entschieden, stärker werden zu wollen, deswegen gab ich ihm seine Schwerter zurück. Er musste doch trainieren, damit er der beste Schwertkämpfer der Welt werden kann.“ „Und es hat dich nicht im leisesten gestört, dass er nicht aussah wie Zorro?“, hakte Nami misstrauisch nach. „Nö.“ „Und du hast nicht eine Sekunde gezweifelt, dass diese Frau vielleicht nicht Zorro war?“ „Nö.“ „Du fandest die ganze Situation nicht irgendwie seltsam, dass Zorro als Frau auftauchte, mit Mihawk Falkenauge als Wachhund, uns rettet, seine Schwerter abholt und dann wieder verschwindet?“ „Nö.“ „Warum hast du uns denn nicht gesagt, dass er es ist?!“ … „Ich wusste nicht, dass ich das tun muss“, murmelte Ruffy, der Nami ansah, als würde er an ihrem Verstand zweifeln. Ganz langsam hob er einen zaghaften Finger und zeigte auf Zorro. „Also, okay. Das da ist Zorro.“ „Nicht jetzt, du Vollidiot!“ Sie gab ihm eine Kopfnuss. „Ich habe selbst Augen im Kopf!“ „Aber du hast doch gerade gesagt…“ „Ich meinte damals, du Trottel! Als wir dachten, dass das…“ „Wie ein altes Ehepaar“, bemerkte Falkenauge und augenblicklich errötete Nami und sank zurück auf ihren Stuhl. „Um nochmal zum Thema zurückzukommen“, brachte sich nun Robin wieder ein, ein Schmunzeln auf den Lippen, aber ihr Blick messerscharf, „ich denke, es ist nun soweit ersichtlich, dass Zorro nicht als er selbst, sondern als Lady Loreen versuchen wird eine Audienz bei den fünf Weisen zu erhalten und sie von Eizens Putsch zu überzeugen. Aber wir sind uns alle bewusst, dass dieser Plan viele Lücken und Unbestimmtheiten aufweist und Sanji hat Recht. In weniger als zwei Tagen stehen wir einem Samurai gegenüber; wir sollten jetzt den Plan vervollständigen.“ Alle Anwesenden wurden wieder ernst. „Also Zorro, wie gedenkst du zur Reverie zu kommen und wie kommst du zurück?“       Kapitel 30: Kapitel 30 - Pläne ------------------------------ Kapitel 30 – Pläne   -Mihawk- „Wie gedenkst du zur Reverie zu kommen und wie kommst du zurück?“ Nico Robin zeigte sich kaum erstaunt, als hätte sie das meiste des bisherigen Gesprächs vorausgesehen. Nicht, dass es Dulacre überraschte. Außerdem hatte sie Recht, Lorenors Plan war bisher ein reiner Flickenteppich. „Das weiß ich noch nicht so ganz genau“, murmelte Lorenor auch zugleich und bestätigte Dulacres Gedanken. „Ich hatte überlegt, mich vielleicht von der Marine als Lady Loreen auf Dress Rosa aufsammeln zu lassen. So wie ich uns kenne, wird die so oder so früher oder später auftauchen.“ „Hört sich nicht besonders vielversprechend an“, bemerkte der Lockenkopf zurecht kritisch. „Nun ja, ich denke, wir sollten Jiroushin informieren“, erwog Dulacre und sah Lorenor an, der seinem Blick unbeeindruckt standhielt. „Aufgrund der Reverie müsste er sich bereits in der Nähe aufhalten und, da ich als Samurai während der Reverie nicht auf Mary Joa willkommen sein werde, würde ich es bevorzugen, wenn du zumindest seine Unterstützung hättest.“ „Ich dachte an Comil“, widersprach Lorenor, „jeder weiß, dass Jiroushin immer noch mit dir befreundet ist. Wenn das hier schief läuft, will ich nicht, dass er mit reingezogen wird. Außerdem wird Comil keine seltsamen Fragen stellen, die ich nicht beantworten kann.“ Dulacre schnalzte mit der Zunge, während die Crew zwischen ihnen hin und her sah, als würden sie ein Pingpongspiel verfolgen. „Nein. Ich vertraue Comil nicht, ganz gleich was du sagst, und Jiroushin kann gut auf sich Acht geben.“ „Du vertraust niemandem und du weißt, dass Jiroushin dir kaum einen Wunsch abschlagen wird. Wenn du ihn fragst, wird er es tun. Aber falls es zum Putsch kommt, sollte er nicht in der Nähe sein; er hat ein Kind, vergiss das nicht.“ „Sollte Jiroushin selbst diese Bedenken äußern, soll es mir recht sein, aber ansonsten werde ich etwas anderem nicht zustimmen, und dir sollte bewusst sein, dass ich nie zulassen würde, dass Jiroushin etwas passieren könnte.“ Lorenor sah ihn ernst an, schien seine Worte gedanklich auseinanderzunehmen. „In Ordnung“, knurrte er. „Aber nur, wenn er zustimmt.“ „Wer ist denn dieser Jiroushin?“, fragte Doktor Chopper mit großen Knopfaugen. „Ein Freund“, erläuterte Dulacre. „Sein einziger, wenn man Shanks nicht mitzählt“, warf Lorenor mit einem hämischen Unterton ein. „Ich bitte dich, als wäre ich diesem Narren in irgendeiner Form freundlich gesinnt“, erinnerte Dulacre ihn augenrollend. „Ich sag’s ja, beschissener Charakter.“ „Vielleicht bin ich auch einfach nur etwas anspruchsvoller in der Wahl meiner Freunde.“ Lorenors aufkommende Reaktion unterbrechend wandte er sich wieder dem jungen Doktor zu. „Er ist Vizeadmiral der Marine und in Kenntnis von Lorenors Konstitution. Er wird ein Auge auf ihn haben und kann ihm im Notfall zur Seite stehen. Er ist ein hervorragender Stratege und darüber hinaus auch ein fähiger Kämpfer, jedoch nicht von Lorenors – und erst recht nicht meinem – Kaliber.“ „Woher weiß der denn Bescheid?“, murrte Cutty Fram, ganz offensichtlich unzufrieden darüber, dass ein Fremder mehr wusste als die Crew bis vor wenigen Minuten. „Er ist doch von der Marine? Er wird ja wohl nicht mit einem Schulterzucken akzeptiert haben, dass Zorro noch lebt und als kleines Fräulein bei der Weltregierung ein und aus geht.“ „Weil er zu Besuch kam, als ich gerade in dieser Gestalt hier trainiert habe“, erläuterte Lorenor nicht minder grob und begutachtete sein Crewmitglied mit einem genervten Blick, „und er war damals alles andere als begeistert. Aber er ist in Ordnung; hat das Herz am richtigen Fleck.“ Nickend stimmte Dulacre dem zu. Langsam merkte er, dass das ganze Gerede nun doch anstrengend für ihn wurde und er hatte die leise Befürchtung, dass seine Stimme ihn bald verraten würde. Aber er teilte die Meinung Nico Robins, dieses Gespräch war zu wichtig, als dass ihn so eine Kleinigkeit aufhalten würde. Lorenor war selten so fügsam wie heute, dies musste ausgenutzt werden, bevor er es sich wieder anders überlegen würde. „Okay, und dieser Jiroushin kann dich auch wieder zurückbringen, oder?“ Der Smutje hinter Lorenor zündete sich eine neue Zigarette an. Er hatte sich mittlerweile beruhigt, aber die unterschwellige Anspannung konnte Dulacre seinen Bewegungen deutlich ansehen. „Auch wenn es mich anpisst, Falkenauge hat Recht: So oft wie du dich auf der Sunny verläufst, habe ich so meine Zweifel, dass du es alleine zurück nach Dress Rosa schaffst.“ „Willst du etwa Stress, K…“ „Natürlich wird er Lorenor danach auch dorthin bringen, wo auch immer er hin muss“, unterbrach Dulacre seinen Wildfang direkt, als dieser drauf und dran war sich wieder zu erheben, „und im Gegensatz zu Lorenor hat er einen guten Orientierungssinn. Die einzige Schwierigkeit dürfte wohl sein, dass Lorenor so ein Kriegsschiff direkt zu euch führen wird. Aber nun gut, an solche Probleme solltet ihr wohl gewöhnt sein.“ „Wird niemand Fragen stellen?“, warf der Lockenkopf mit deutlich zu hoher Stimme ein. „Ich meine, fällt es nicht auf, wenn ein Kriegsschiff direkt nach der Weltkonferenz Mary Joa verlässt und geradewegs Kurs auf eine Piratencrew nimmt?“ „Um eine passende Ausrede wird Jiroushin sich schon kümmern. Es ist nicht unüblich, dass einige Soldaten zum Ende der Reverie hin abgezogen werden, um die Heimreiserouten der Abgesandten zu sichern. Außerdem wird dies kurz nach eurem Kampf gegen de Flamingo sein. Ein perfekter Vorwand, um euch anzugreifen.“ „Was?!“ „Natürlich setzt dies voraus, dass Lorenor erfolgreich Eizen hintergehen kann und seinerseits nicht in irgendeine Falle läuft“, sprach Dulacre unbeeindruckt weiter. „Und selbst, wenn dies der Fall ist, bedeutet das nicht, dass Zorro direkt danach wieder zu uns zurückkehren kann“, bemerkte nun Nico Robin und rieb sich gedankenverloren den Nacken. „Derzeit ist Lady Loreen doch als Moderatorin der Weltkonferenz vorgesehen, nicht wahr? Zumindest stand das in der Zeitung. Sollte der unwahrscheinliche Fall eintreten, dass Eizen verhaftet und Zorro nicht entlarvt wird, dann müssen wir damit rechnen, dass Zorro vermutlich die ganze Zeit seine Tarnung als Lady Loreen aufrechterhalten muss, weil ebendiese angehalten sein wird, die Reverie zu leiten.“ „Ganz Recht, Nico Robin. Selbst, wenn die Weltregierung Lorenor misstrauen sollte, könnte es sein, dass sie Lady Loreen die Reverie moderieren lassen. Zum einen zum Schein, zum anderen aber auch aus ganz praktikablen Gründen; schließlich wurde die Veranstaltung fast ausschließlich von Eizen, seiner Assistentin Rihaku und Lady Loreen geplant und niemand kennt die Abläufe so gut wie diese drei.“ Tief atmete Dulacre ein, sein Rachen fühlte sich mit jeder Minute wieder rauer an, aber das nahm er in Kauf. „Es kann sogar sein, dass Lorenor noch ein paar Tage länger bleiben muss, vielleicht sogar offiziell gegen Eizen aussagen soll, und dies wird er alles nicht vermeiden können, ohne sich selbst zu verraten. Also sollten wir damit rechnen, dass er nicht nur für die Woche der Weltkonferenz fort sein wird, sondern beträchtlich länger, zuzüglich der Reisezeit natürlich. Natürlich nur, sofern Lorenors Verrat Erfolg haben sollte und wir keine unbekannten Faktoren übersehen haben.“ „Mann, ist das nervig“, murrte Lorenor und rieb sich die Schläfen, als wäre er nicht der Grund, warum sie dieses Gespräch führten. Dulacre überlegte währenddessen, ob er ihm seine Vermutungen über seinen Vater und Rihaku mitteilen sollte, allerdings wusste er nicht, wie wahrscheinlich seine Überlegungen bezüglich Eizen und der Weltregierung waren. Je länger er darüber nachdachte, desto mehr zweifelte er daran, dass es Lorenor nützen würde, seine Theorien zu hören. Der Jüngere war niemand, der sich Schachzüge für alle Eventualitäten überlegte – gewiss nicht, sonst wären sie ja jetzt nicht in diesem Schlamassel – dafür hatte er eine hervorragende Auffassungsgabe, Einfallsreichtum und Reaktionsgeschwindigkeit. Vielleicht wäre es sinnvoller, Lorenor mit seinen eigenen Waffen kämpfen zu lassen. Dulacre sollte also weiterhin sehr bedacht wählen, was er vor dieser Crew äußerte und was nicht, so wie er es die vergangenen Minuten bereits getan hatte, schließlich brauchten sie nicht alles über den ersten Vertrag und die Weltregierung zu wissen. Außerdem konnte er nicht leugnen, dass eine gewisse Neugierde in ihm entfacht war, die er nur zu gerne gestillt sehen würde. „Von wie vielen Tagen reden wir hier?“, fragte nun die Navigatorin und forderte seine Aufmerksamkeit ein. „So wie sich das anhört, wird Zorro wahrscheinlich über zwei Wochen unterwegs sein, oder? Eher noch länger und wir haben nicht viel Zeit noch große Pläne vorzubereiten, schließlich steht die Reverie kurz bevor.“ „Korrekt“, bestätigte Dulacre mit einem Nicken. „Zusätzlich müssen wir auch noch berücksichtigen, dass Lorenors Audienz bei den fünf Weisen nicht während der Reverie stattfinden wird, sondern vorher. Du kannst also nicht erst am Tage der Reverie auf Mary Joa ankommen. Dies bedeutet, dass du am besten so schnell wie möglich aufbrichst.“ „Erst nachdem wir uns um de Flamingo gekümmert haben.“ Eine Sekunde sahen sie einander ernst an, ehe Dulacre aufseufzte. „Das habe ich schon befürchtet. Nun gut, von Dress Rosa bis Mary Joa braucht man mit einem Kriegsschiff nur wenige Tage. Dementsprechend sind zwei bis drei Tage wohl noch hinnehmbar. Innerhalb dieser Zeit sollte es Jiroushin auch möglich sein, hierhin zu gelangen“, sprach Dulacre weiter und rieb seinen Bart nachdenklich. „Die letzte fehlende Komponente ist also die Herausforderung, eine Audienz bei den fünf Weisen zu erhalten. Ich gehe davon aus, dass du diese bereits beantragt hast; immerhin kann eine Genehmigung schon mal gut und gerne mehrere Monate dauern. Hat man dir schon den Termin mitgeteilt?“ Nein, etwas stimmte hier nicht. Wie konnte Dulacre das entgangen sein? Er verfluchte seinen langsamen Geist, es hätte ihn doch direkt auffallen müssen, als Lorenor das Tondial vorgebracht hatte, welches eine Aufnahme von vor wenigen Tagen beinhaltete. Vielleicht hatte Lorenor seinen Plan auch erst ab dann begonnen auszuführen? Nein, so naiv konnte selbst Lorenor nicht sein. Und dennoch, Lady Loreen war vor kaum mehr als zwei Jahren das erste Mal auf der politischen Bühne aufgetaucht, die Spitze der Weltregierung kannte im Zweifel noch nicht mal diesen Namen. „Sag, Lorenor, wen hast du überhaupt als Bürgen vorbringen können? Ich zweifle daran, dass Jiroushin dazu genügend Einfluss hätte – selbst, wenn du ihn dazu bringen könntest, so etwas mir vorzuenthalten – und auch daran, dass du ohne Bürgen überhaupt eine Audienz erhalten würdest.“ Lorenor sah ihn klar an. „Ich hab auch noch keine.“ „Was?“ Mit Dulacre stimmten einige Crewmitglieder ein, doch er war nicht der erste, der das Wort ergreifen konnte. „Soll das heißen, dass der ganze Plan von vornherein zum Scheitern verurteilt ist?“, fragte der Lockenkopf mit offensichtlicher Panik in der Stimme. „Zorro hat noch nicht mal einen Antrag gestellt und du sagst, dass man das Monate im Voraus machen muss?! Darüber hinaus sagst du, er braucht einen verdammten Bürgen? Wie sollen wir das denn jetzt noch hinbekommen? Geht das denn jetzt überhaupt noch? Aber… aber du bist doch ein Samurai, oder nicht? Du gehst doch bei den fünf Weisen ein und aus, kannst du da nicht was machen? Und sagtest du eben nicht, dass du ein Nachfahre von denen bist, die die Weltregierung gegründet haben? Solltest du nicht genügend Einfluss haben?“ Was für eine naive Frage. Er schenkte dem Lockenkopf ein schiefes Schmunzeln, welcher panisch immer weiter und weiter redete, bis Cutty Fram ihn mit einigen lauten Hey, Hey zum Schweigen brachte. Dulacre hingegen konnte sich noch nicht mal über Lorenors Verhalten ärgern. Er hätte dies erwarten müssen, schließlich war sein ehemaliger Schützling niemand, der vorausschauend handelte. Also lag es nun an ihm, eine Lösung zu finden. Schmunzelnd wandte er sich dem Lockenkopf zu, der aussah, als würde er einem Herzinfarkt nahestehen; wieder eine kleine Herausforderung, vor die sein kleiner Wildfang ihn stellte. „Es stimmt, dass ich als Mihawk recht großen Einfluss genieße, aber ich bin ein Pirat – ein Gesetzesloser - und aufgrund meines Titels als Samurai bin ich auf der Reverie erst recht nicht willkommen. Selbst, wenn ich meinen Titel mit sofortiger Wirkung aufgeben, zur Marine zurückkehren und meine Pflichten als Mihawk während der Weltkonferenz wahrnehmen wollen würde, so würde ein solches Vorhaben doch sehr verdächtig wirken. Im Zweifel würde mein Eingreifen Lady Loreens Stellung sogar untergraben, solange ich nicht offiziell begnadigt wurde. Auch wenn ich meinen Vertrag damals noch mit den fünf Weisen höchstpersönlich geschlossen habe – anders als andere in diesem Raum -“ er sah Trafalgar Law ganz direkt an, der seinen Blick mit zu Schlitzen verengten Augen begegnete, „so werden sie dies mit Sicherheit nicht einfach aus der Güte ihres Herzens heraus tun, nicht wenige Tage vor der Weltkonferenz. Selbst als Notfallplan wäre ich als Bürge eine äußerst zweifelhafte Wahl.“ „Was bedeutet das also?“, murrte der Smutje. „War diese ganze Diskussion jetzt nicht mehr als heiße Luft? Kann doch nicht sein, dass ihr nach all der Scheiße niemanden kennt, der dem Marimo einen verdammten Termin bei diesen alten Säcken verschaffen kann!“ „Du bist ganz schön anmaßend, Smutje, oder hast du bisher schon irgendetwas sinnvolles beigetragen?“ „Es gibt jemanden“, murmelte Lorenor und sein Tonfall ließ Dulacre aufmerksam werden. Dann sah er Dulacre an, sein Blick klar, aber seine Lippen zusammengepresst, und Dulacre konnte es nicht fassen. Lorenor hatte doch wohl nicht...? „Nein.“ „Hast du eine andere Idee?“ „Nein!“ „Jetzt stell dich nicht so an. Er hat seine Hilfe angeboten und ist ja nicht so, als würde es dich kümmern, wenn er unter die Räder kommen würde.“ „Nein!“ „Verdammt noch mal! Hast du eine bessere Idee?!“ „Fujitora schuldet mir noch einen Gefallen und im Zweifel werde Ich von meinem Titel zurücktreten.“ „Das ist keine Idee! Du hast gerade eben noch selbst gesagt, dass dies ein beschissener Plan wäre, weil die fünf Weisen dich nie im Leben so schnell be…“ „Ich werde den Erfolg dieses Trauerspiels einer Strategie nicht von einem Dilettanten abhängig machen.“ „Er ist ein hochdekorierter Marineoffizier und hat genügend Einfluss, dass er deine Begnadigung bei den fünf Weisen beantragen könnte. Er ist die offensichtliche Wahl! Du hast selbst gesagt, dass er damals Anwärter zum nächsten Ad…“ „Ich werde dein Leben nicht jemandem wie ihm anvertrauen!“ „Jetzt tu nicht so, als wäre er…“ „Verdammt noch mal!“ Die Navigatorin unterbrach sie und schlug zum wiederholten Male auf den Tisch. „Wenn ihr euch schon streitet, dann wenigstens so, dass wir auch verstehen, was los ist! Um wen geht es?!“ Für einen Moment schwiegen sie beide. „Mihawk Gat“, sprach Lorenor dann schließlich, „Dulacres Vater.“ „Dann lehne ich mich hier mal aus dem Fenster und behaupte, dass die Vater-Sohn-Beziehung nicht gerade eine von den Guten ist?“, bemerkte Cutty Fram und sah Dulacre über seine Sonnenbrille hinweg an. „Scheinst von ihm nicht besonders begeistert zu sein, oder?“ „Er ist ein Versager, schwach in Geist und Körper. Lorenor, wenn du deinen Plan auf seine Schultern stützen willst, können wir gleich zum letzten Mittel greifen und die Weltregierung selbst stürzen. Es wäre das absolut Dümmste, was du tun könntest, mal ganz abgesehen davon, dass selbst er so kurzfristig keinen Termin mehr ermöglichen können wird.“ „Ich habe ihn bereits gefragt.“ Der Smutje stieß einen seltsamen Laut aus, eine Mischung aus stockendem Atem und Auflachen, aber Dulacre fand die Situation gar nicht amüsant. „Er ist derzeit auf Mary Joa, um die Sicherheitsvorkehrungen für die Reverie vorzubereiten, und als er erfuhr, dass ich mit Eizen einen Termin auf dem Sabaody Archipel haben würde, hat er mich dort abgefangen, um ungestört außerhalb der Mauern von Mary Joa mit mir reden zu können, wobei es wie immer nur um irgendein Familiendrama ging, in das ich echt nicht hineingezogen werden will.“ Lorenor sah ihn immer noch an „Aber daher dachte ich, es wäre klug, die Gelegenheit beim Schopfe zu packen, und habe ihn gefragt. Natürlich habe ich ihn nicht gesagt warum, aber er war nur zu gewillt zu helfen.“ Lorenor begegnete weiterhin seinem Blick, ehe er einmal schluckte. „Das heißt, du hast einen Audienztermin?“, fragte die Navigatorin. „Noch nicht, aber er versprach, dass er einen spätestens am Tag vor der Reverie ermöglichen würde. Vor einigen Jahren galt er als nächster Admiral und…“ Lorenor brach ab und neigte leicht den Kopf. „Hast du einen Schlaganfall oder warum bist du so verdächtig ruhig?“ Dulacre wusste nichts zu sagen. Kopfschüttelnd sah er seinen ehemaligen Schützling an. „Na komm schon, so schlimm wird es schon nicht werden, dass dir jetzt sogar die Stimme versagt. Er ist…“ „Wie kannst du nur so naiv sein?“, fragte Dulacre, ohne auch nur zu versuchen, laut zu werden. „Von all den Dingen, die du getan und vor mir verschwiegen hast – und glaub mir, dieser Plan, mit dem du dich brüstest, ist wirklich schwach. Kaum zu glauben, dass ich dich zwei Jahre im strategischen Denken geschult habe, und das ist alles, was dabei rausgekommen ist - war dies wahrscheinlich das Dümmste, was du hättest tun können.“ „Was? Was für einen Scheiß redest du denn jetzt schon wieder?!“ Mit einer schnellen Handbewegung verwarf Lorenor seinen Einwand. „Jetzt mal ganz ehrlich. Ich weiß, dass es nicht der beste Plan ist – aber danke, dass du nicht eine Gelegenheit auslässt, mir das unter die Nase zu reiben, als hätte ich keine anderen Probleme – und ich weiß, dass du diesen Kerl nicht abhaben kannst, aber ich habe dir schonmal gesagt, dass du nicht jedes Mal so ein Drama machen brauchst, nur weil ich…“ „Du hast dich verraten.“ „Was?“ „In dem Moment, als du meinen Vater darum batest, dir eine Audienz zu ermöglichen, hast du dich verraten, und er wird dich durchschaut haben.“ „Wovon redest du?“, murrte Lorenor aufgebracht. „Woher soll dein Vater irgendetwas wissen? Es ist nichts Ungewöhnliches vor einer Weltkonferenz um ein inoffizielles Gespräch mit den fünf Weisen zu bitten, das weißt du, und meiner Wortwahl hätte er nichts…“ „Du hast einen absoluten Anfängerfehler begangen, Lorenor. Denk doch einmal darüber nach. Du arbeitest für Eizen, den Mann, der bei den fünf Weisen ein- und ausgeht, wie es ihm passt, der dich einigen von ihnen bereits vorgestellt hat, und du bittest jemanden anderen darum, für dich zu bürgen? Viel offensichtlicher könntest du deine Beweggründe nicht zeigen. Es wäre sogar sicherer gewesen, Eizen selbst zu bitten. Darüber hinaus weiß mein Vater über den Namen Lorenor vermutlich mehr, als uns allen lieb ist, vielleicht sogar mehr als das, was wir hier besprochen haben und er hat bereits Verdacht geschöpft, dass Lady Loreen ebenfalls eine Lorenor sein könnte. Außerdem hat er viele Jahre für Eizen gearbeitet und eigens die Soldaten für dessen Leibgarde ausgewählt. Er weiß genau, wie machtbesessen Eizen ist und vermutlich weiß er auch über Uranos Bescheid. Nein, eher noch ist er sogar derjenige, der Eizen diese Informationen beschafft hat.“ Seufzend rieb er sich durchs Haar. Der Tag war anstrengend gewesen und forderte seinen Tribut von Dulacres angeschlagenem Körper. „Mein Vater mag ein wichtigtuerischer Nichtsnutz sein, aber er war immer schon belesen und klug. Ihn in deine Strategie einzubeziehen, war ein großer Fehler, den wir wahrscheinlich nicht ausmerzen können.“ „Warte, was?“ Der Musikant lehnte sich mit geweiteten Augenhöhlen vor. „Bedeutet das, dass er Zorro bereits verraten hat?“ Lorenor starrte ihn mit versteinerter Miene an, als ihm offensichtlich bewusst wurde, was für Konsequenzen sein unbedachter Fehler hatte. „Vermutlich. Natürlich nicht an Eizen, aber an seine Lehnsherren. Dies bedeutet im Zweifel, dass auch die fünf Weisen über alles Bescheid wissen. Sollte mein Vater Lorenor durchschaut haben, dann wissen sie, dass Lorenor Zorro und Lady Loreen ein und dieselbe Person sind, dass Lorenors Blut in der Lage sein könnte, Uranos zu aktivieren und dass Eizen vorhat, die Weltregierung zu stürzen, sollte es möglich sein. Aus diesem Grund war mein Vater sich so sicher, dass er dir einen Termin verschaffen könnte. Selbst die fünf Weisen wären nicht dumm genug, sich die Chance entgehen zu lassen, die mächtigste Waffe der Welt aktivieren zu können.“ „Verdammte Scheiße“, murmelte der Koch und begann auf und ab zu wandern. „Dann war’s das doch jetzt, oder nicht? Selbst, wenn der Marimo Eizen mit dem Tondial ausliefern könnte, ändert es doch nichts daran, dass er so oder so auffliegen wird, oder? Wir haben alle Trümpfe gespielt und am Ende wissen die fünf Weisen trotzdem alles. Die ganze Scharade und Geheimniskrämerei vom Marimo waren also umsonst? Großartig. Und was ist die Alternative? Wenn der Marimo nicht geht, werden Eizens Meuchelmörder aktiv und wenn er geht, wird er entweder von Eizen oder den fünf Weisen für Uranos eingelagert.“ Eine unangenehme Anspannung glitt durch den Raum. „Ich sehe das anders“, murmelte Lorenor dann, sein Gesicht immer noch eine harte Maske und er legte eine Hand auf den Tisch. „Selbst, wenn die fünf Weisen und Dulacres Vater mich durchschaut haben sollten, sie haben keine Beweise, und sie können mich nicht zwingen, mich in meine wahre Gestalt zurückzuverwandeln. Denn auch, wenn ich mich irgendwann in Lady Loreen verwandeln muss, in dem Körper kann ich problemlos für immer bleiben.“ „Und was soll das bringen?“, fragte Cutty Fram, aber Dulacre verstand, oder zumindest hatte er eine Ahnung. „Ganz einfach“, sprach Lorenor weiter. „Es kann sein, dass mein Blut in der Lage ist Uranos zu aktivieren, wie gesagt, keine Ahnung, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass Lady Loreens Blut dazu nicht in der Lage ist, nicht wahr, Chopper?“ Gleich aller anderen Anwesenden richtete Dulacre seine Aufmerksamkeit auf den jungen Doktor, der genauso überrascht schien, angesprochen zu werden, wie Dulacre selbst. Leicht erschrocken hatte er beide Hufe hochgehoben und sich in seinem Stuhl zurückgelehnt, während er Lorenor mit großen Knopfaugen ansah. Doch dann plötzlich erhellten sich seine felligen Gesichtszüge und er wirkte noch flauschiger als zuvor. „Ach so“, entkam es ihm atemlos, „die Blutproben.“ „Was für Blutproben?“, fragte Trafalgar Law, der hinter Doktor Chopper saß und so tat, als hätte er Anspruch auf ein Rederecht in dieser Unterhaltung. „Zorro hat mir vor ein paar Tagen zwei Blutproben gegeben und mich darum gebeten ihm zu zeigen, wie man Blutgruppen ermitteln kann.“ Überrascht begutachtete Dulacre seinen Wildfang, wieder einmal hatte er ihn wohl unterschätzt; ausnahmsweise hatte er ja auch mal eine kluge Idee. „Wofür das denn?“, murrte Cutty Fram, der offensichtlich immer noch nicht verstand. „Das eine war meine Blutprobe“, erläuterte Lorenor, „die andere von mir als Lady Loreen.“ „Und wofür?“, wiederholte der Cyborg seine Frage. „Lady Loreen ist nicht einfach Lorenors weibliche Seite“, bemerkte Dulacre, nicht gewillt nicht Teil dieses Gesprächs zu sein, obwohl sein Hals stetig rauer wurde, „sondern ein gänzlich anderer Körper. Während des Trainings ist schon aufgefallen, dass Lorenors Wunden unterschiedlich schnell heilen und seine Fähigkeiten in beiden Gestalten stark voneinander abweichen. Es ist kein dummer Gedanke, dass selbst das Blut in den Adern unterschiedlich sein könnte, und anscheinend ist dies auch der Fall.“ „Genau“, stimmte Doktor Chopper ihm zu. „Ich wusste zwar nicht, wem die zweite Blutprobe gehört, aber die erste stimmte mit Zorros Blutgruppe XF überein, die zweite hingegen war Blutgruppe S. Ich dachte, es wäre Lysops oder Robins Blut, und habe mir nichts weiter dabei gedacht. Es waren einfach zwei Blutproben verschiedener Menschen.“ Die wichtigste Information, die Dulacre daraus zog, war, dass Lady Loreens Blutgruppe seiner eigenen entsprach und Lorenor selbst eine absolute Alltagsblutgruppe hatte, für die es sehr leicht wäre, Spender zu finden. „Aber an Zorros Blut ist dir nicht irgendetwas Seltsames aufgefallen, oder?“, stellte die Navigatorin die richtige Frage. „Irgendetwas, das darauf schließen lassen würde, dass an der Sache mit Uranos wirklich etwas dran sein könnte?“ Der junge Doktor schüttelte den Kopf. „Nein, wenn ich ehrlich bin, ist mir bisher noch nie etwas Ungewöhnliches an Zorros Blut aufgefallen. Aber natürlich habe ich sein Blut auch bisher nur auf die üblichen Krankheitsindikatoren hin geprüft. Aufwendige Detailuntersuchungen waren bisher noch nie notwendig, aber das werde ich sofort nachholen.“ „Also, das heißt“, murrte der Smutje mit seiner nervigen Stimme, „dass selbst, wenn die fünf Weisen Uranos mit Lady Loreens Blut füttern, wahrscheinlich wird dieses Ding gar nicht darauf reagieren, weil es eben nicht Zorros Blut ist?“ Lorenor nickte. „Das ist zumindest meine Hoffnung.“ Er zuckte mit den Achseln. „Ich weiß, es ist riskant, aber mit dieser Aufnahme hätten die fünf Weisen so oder so erfahren, dass Eizen weiß, wer ich bin, daher macht es doch eigentlich keinen Unterschied, ob Mihawk Senior es vorher herausgefunden hat oder nicht. Das Wichtigste ist, dass sie Eizen verhaften und sein Netzwerk ausschalten. Sie selbst haben keinen Beweis gegen mich. Den einzigen Beweis, den sie hätten, wäre mein Blut, und wenn Lady Loreens Blut nicht funktioniert, haben sie eigentlich nichts gegen mich in der Hand, ganz egal was dein Vater denken würde. Ich weiß, der Plan hat seine Schwächen, um ehrlich zu sein zweifle ich tatsächlich, dass er funktioniert. Aber ich werde gehen, denn der Koch hat Recht. Wenn ich gehe, mag einiges schief gehen können, aber wenn ich nicht gehe, dann haben wir bereits verloren.“ Für einen Moment sagte niemand etwas, Dulacre war erschöpft, erschöpft von dieser ganzen ungünstigen Situation und dem Wissen, dass sie all das hätten verhindern können, wenn Lorenor sich nur getraut hätte, ihm die Wahrheit zu sagen, dann seufzte die Navigatorin. „Ich glaube, du hast Recht.“ Sie rieb sich durchs Gesicht. „Also ehrlich, die Situation ist echt beschissen und ich finde die Vorstellung, dass du uns einfach so für mehrere Wochen verlässt und wir keine Ahnung haben werden, ob bei dir alles gut läuft, wirklich alles andere als toll. Aber im Endeffekt gefällt mir das so immer noch besser, als wenn du einfach so mir nichts dir nichts verschwunden wärest und wir überhaupt nichts gewusst hätten.“ „So wie andere?“, bemerkte Lorenor und schenkte ihr ein schiefes Grinsen. „Spiel dich nicht so auf, Spinatschädel!“ Der Smutje verpasste ihm einen leichten Klaps auf den Hinterkopf. „Wenn nur irgendeine Kleinigkeit schiefgeht oder du dich über die fünf Weisen irrst, werden sie dich als Futterration für eine verdammte antike Waffe einlagern, und dann müssen wir am Ende ja doch in Mary Joa einfallen. So einen Mist hat noch keiner von uns verzapft.“ „Das wird nicht nötig sein, Smutje.“ „Was?!“ Nun starrte der Blondschopf ihn an. „Was meinst du damit, Falkenauge?“ Unbeeindruckt begegnete er diesem herausfordernden Blick, obwohl er doch sehr erschöpft war und die kommenden Worte nicht wirklich mit seiner derzeitigen Verfassung übereinstimmen wollten. „Ist das nicht selbsterklärend, Smutje? Sollte Lorenor in Gefahr sein, werde selbstredend ich nach Mary Joa reisen.“ „Was denkst du eigentlich, wer…?“ „Du bist echt ein besessener Mistkerl.“ Dulacre wandte sich Lorenor zu, der nun ihn mit diesem gefährlichen Grinsen ansah und dabei leicht den Kopf schüttelte. „Du weißt doch, dass es die Aufgabe der Crew ist ein Crewmitglied zu retten, nicht wahr?“ „Das mag sein und ausnahmsweise hat mein Einwand nichts mit meiner mangelnden Achtung dieser Crew zu tun; es ist einfach der klügste Schachzug.“ „Ach, ist es das?“, bemerkte der Smutje aufschnaubend. „Natürlich. Wie Lorenor eben erklärt hat, wird niemand ihn zwingen können sich von Lady Loreen in seine wahre Gestalt zu verwandeln. Sollte Lady Loreen – und eben nicht Lorenor Zorro - aber nun gefangen genommen werden, entweder, weil die fünf Weisen Eizen nicht glauben und Lady Loreen aus anderen Gründen verhaften, oder weil sie Eizen glauben, es aber nicht beweisen können, wäre euer Eingreifen auffallend ungünstig. Sollte die Strohhutbande höchstpersönlich Lady Loreen retten, könnte Lorenor genauso gut direkt gestehen. Ich allerdings – Falkenauge, Lady Loreens Verlobter, wenn man den Zeitungen Glauben schenken mag – es wäre überhaupt nicht verdächtig, wenn ich ihn befreien würde.“ „Meinst du wirklich, ich würde einen auf Jungfrau in Nöten machen?“, warf Lorenor unbeeindruckt ein. „Warte mal“, warf die Navigatorin ein, „also nein. Vielleicht hast du Recht und unser Eingreifen würde Zorro auffliegen lassen. Aber hey, wir reden gerade darüber die Heilige Stadt Mary Joa anzugreifen, da können wir doch keine Rücksicht mehr darauf nehmen, dass jemand die Wahrheit hinter Lady Loreen herausfindet, und du hast eben selbst gesagt, dass selbst du dir Verbündete holen würdest, wenn du Mary Joa angreifen würdest.“ „Falsch“, korrigierte er sie sofort, doch seine Stimme klang mittlerweile nicht mehr so hart, wie er gerne hätte, und ihm entging der alarmierte Blick des jungen Doktors nicht, aber davon ließ er sich nicht aufhalten. „Meine Aussage war, dass ich mir sehr gut überlegen würde, ob ich im Alleingang einen Putsch durchführen würde, allerdings hauptsächlich, weil es sich nach sehr viel langweiligem Aufwand anhört und ich kein Interesse daran habe, mir sinnlose Arbeit aufzuhalsen.“ „Aber…“ „Ich habe nie gesagt, dass ich allein nicht in der Verfassung wäre Mary Joa zu stürzen.“ Er neigte leicht den Kopf. „Denn ich denke, dass ich das durchaus bin.“ „Jetzt übertreibst du aber“, knurrte der Smutje, „vorgestern bist du noch fast an einem Glas Wein abgekratzt und jetzt meinst du hier einen auf dicke Hose machen zu müssen?“ Leise lachte Dulacre auf, doch er sah Lorenor an. „Lorenor, denkst du es wäre klug, wenn deine Crew anwesend sein würde, wenn ich die Weltregierung angreife, die dich gefangen hält und dich vielleicht beabsichtigt zu töten?“ „Zorro?“, fragte der junge Doktor, Lorenor jedoch sah Dulacre mit unverhohlener Überraschung an, was Dulacre ein Schmunzeln entlockte. Er konnte regelrecht sehen, wie Lorenor sich an vergangene Gespräche und Momente erinnerte. Dann schüttelte der Jüngere leicht den Kopf, aber auch wenn seine Lippen es nicht zeigten, Dulacre konnte das Funkeln in diesem tiefen Grün sehen, als Lorenor verstand. „Du bist ein besessener Mistkerl, weißt du das?“, murmelte er dann erneut, aber dieses Mal war da kein genervter Schalk in seiner Stimme, er klang bitterernst. „Wovon zum Teufel redet ihr?“ Der Lockenkopf sah verwirrt zwischen ihnen hin und her. „Dulacre hat Recht“, sprach Lorenor und wandte sich den anderen zu, unterbrach die Spannung, die in ihrem Blickkontakt gelegen hatte. „Also ganz ehrlich, wir haben zurzeit doch eh genug am Hals, und – auch wenn es mich nervt – glaube ich, dass ich Lady Loreen noch nicht auffliegen lassen sollte. In den vergangenen zwei Jahren, habe ich einige Menschen getroffen, denen das arge Probleme bereiten könnte. Außerdem wüsste dann die ganze Welt meinen Schwachpunkt und darauf kann ich echt gut verzichten, gerade wenn man bedenkt, dass wir uns mit einem Kaiser anlegen wollen. In unserer jetzigen Lage können wir uns auch eigentlich gar nicht leisten, an zwei Fronten zu kämpfen, erst recht nicht gegen die Weltregierung. Wir sollten uns unsere Kräfte einsparen.“ Dann sah er einmal in die Runde. „Mir ist bewusst, dass ich zu einem echt ungünstigen Zeitpunkt mit noch einem Problem ankomme, und ich will nicht wirklich, dass wir meinetwegen vom ursprünglichen Plan abweichen müssen. Sollte es wirklich zu einem Rettungsmanöver kommen, dann wäre es klüger, Hilfe von außerhalb anzunehmen, damit wir… damit ihr euch im Zweifel auf Kaido konzentrieren könnt.“   „Aber Zorro…“ „Nichts aber, Lysop. Wir alle kennen die Fakten und wir alle wissen, dass wir nicht mal eben noch Mary Joa angreifen können. Ich habe Mist gebaut, das ist nun mal so, und sollte… sollte ich Hilfe benötigen…“ Es schien beinahe, als würden diese Worte Lorenor größere Überwindung kosten als das Eingeständnis über sein Alter Ego. „… dann wäre es mir echt lieber, ihr würdet einfach an unserem Plan festhalten und darauf vertrauen, dass dieser besessene Mistkerl mir schon helfen wird.“ „Du denkst wirklich, dass ein einziger vermaledeiter Samurai dich erfolgreich aus Mary Joa befreien könnte?“, murrte der Smutje. „Selbst, wenn wir Falkenauge vertrauen würden, Marimo – und ich sage, wenn – ist das überhaupt eine Möglichkeit? Ja, du hast Scheiße gebaut und ja, es ist beschissen, wenn wir vom Plan abweichen müssen und keiner von uns hier hatte einen Angriff auf die Heilige Stadt höchstpersönlich als Verdauungsspaziergang eingeplant. Aber wie realistisch ist dieser Notfallplan überhaupt? Wir reden davon Mary Joa anzugreifen und dafür soll eine Einmannarmee reichen?“ „Keine Ahnung.“ Schulterzuckend sah Lorenor erst den Smutje an, ehe er sich Dulacre zuwandte. Doch sein Blick war weder zweifelnd noch verunsichert, eher misstrauisch und Dulacre spürte, wie genau das eine innere Erregung in ihm weckte; es gierte ihm nach einem Kampf. „Dulacre, jetzt mal ernsthaft, glaubst du wirklich, dass du das alleine packen würdest?“ Er schenkte seinem Wildfang ein ehrliches Lächeln. „Sollte es notwendig sein, gewiss. Weißt du, es gibt einen Grund, warum ich bisher noch nicht einen einzigen Kampf verloren habe, und damit meine ich weder meine absolut überlegenen Fähigkeiten in Kampftechnik, strategischem Denken und Krafteinsatz.“ „Angeber“, kommentierte Lorenor absolut unbeeindruckt. „Wie du dich hoffentlich erinnerst, habe ich dir ja bereits erklärt, dass Kontrolle die wahren Kräfte einschränkt. Aufgrund meiner mangelhaften Kontrolle habe ich so in einem jeden Kampf einen zwangsläufigen Kräftevorteil. Allerdings sollte ich vielleicht klarstellen, dass mangelhafte Kontrolle nicht das gleiche ist, wie überhaupt keine Kontrolle.“ Er konnte sehen, wie Lorenors Auge groß wurde, und das bescherte ihm ein Schmunzeln. „Es stimmt natürlich, dass wenn meine Blutgier geweckt wird, ich überaus gefährlich werde, aber warum meinst du, war Jiroushin dennoch in der Lage mich aufzuhalten, während du bei einem Kontrollverlust weder ansprechbar warst noch Erinnerungen zurückbehalten hast?“ „Wovon zum Teufel redest du?“, kam es von Cutty Fram, aber Dulacre ignorierte ihn. „Die Antwort ist denkbar einfach, meine Kontrolle mag rissig sein, Lorenor, aber seit jenem Kontrollverlust, der meine Fähigkeiten beschränkt hat, habe ich meinem Monster nie mehr freie Hand gelassen, weder willentlich noch unwillentlich.“ Nun zeigte er sein Grinsen ganz offen. „Also natürlich hat der Smutje Recht, dass ein Angriff auf Mary Joa selbst mir die Möglichkeit einer Niederlage einräumt. Aber ich hasse es, zu verlieren und daher werde ich das auch nicht, ganz gleich, was ich dafür tun muss.“ Einen langen Moment sah Lorenor ihn einfach nur an, dann lachte er leise auf und rieb sich durchs Gesicht. Einige seiner Crewmitglieder wechselten verwirrte Blicke. „Verdammte Scheiße“, flüsterte er, „jedes Mal, wenn ich denke, dass ich dir näher komme, haust du so einen Mist raus. Woher hätte ich denn wissen sollen, dass unvollständige Kontrolle nicht das Gleiche ist wie keine gar Kontrolle? Verdammt nochmal, als ich damals die Kontrolle verloren habe, konnte ich dir noch nicht mal einen Kratzer zufügen und du willst mir sagen, dass du die ganze Weltregierung im Alleingang plattmachen kannst?“ Nun zuckte Dulacre mit den Schultern. „Ich mag Herausforderungen und vielleicht würde diese mich ausnahmsweise mal nicht langweilen.“ „Könntet ihr mal so reden, dass wir alle mitreden können?“, murrte die Navigatorin mit zusammengekniffenen Augen. „Was soll denn jetzt dieser Mist da von Kontrolle?“ „Egal, das tut jetzt nichts zur Sache“, reagierte Lorenor ebenso mürrisch und wandte sich seinem Crewmitglied zu. „Aber ganz ehrlich, ihr solltet nicht da sein. Wenn ich Glück habe, wird er mich nicht…“ „Nun gut, ehe unsere Schwertkämpfer hier noch mehr in ihre eigene Welt abtauchen, sollten wir also festhalten, dass wir nun zumindest einen groben Plan zusammengestellt haben“, unterbrach Nico Robin ihn mit einem fast schon liebevollen Lächeln und zeigte ganz deutlich, dass sie Dulacres Zweifel in das Gelingen des Planes deutlich teilte und Lorenor nicht erlauben wollte, noch mehr Skepsis hervorzurufen, „und Mihawk Falkenauge wird im Falle des Falles die hochwohlgeborene Lady Loreen retten, während wir anderen mit unseren ursprünglichen Plan fortfahren werden, als wäre nichts gewesen. Irgendwelche Einwände als Allianzmitglied, Law?“ Offensichtlich überrascht, überhaupt angesprochen zu werden, lehnte Trafalgar sich zurück und zeigte ein schiefes Grinsen. „Und wenn, würde es doch eh nichts ändern, oder?“ „Gewiss nicht“, stimmte Nico Robin ihm lächelnd zu und klatschte einmal in die Hände. „Sehr schön, dann war dies ja durchaus ein produktives Gespräch.“ Für einen Moment schwiegen sie alle, während die Archäologin so klang, als hätte sie gerade die Schulstunde beendet und ihre Klasse in die Pause entlassen. „Mann“, murrte nun Cutty Fram genau wie ein verzweifelter Schüler aus der letzten Reihe, „mir raucht jetzt echt der Schädel.“ „Mir auch“, beschwerte sich der Lockenkopf und juckte seine krausen Haare, „ich weiß gar nicht, was mich mehr stresst…“ „Zorro“, sprach dann Trafalgar Law, der nicht im Mindesten erschöpft wirkte, „ich habe noch einige Fragen bezüglich Lady Loreen.“ Dulacre beobachtete sie, wie sie anfingen, mehrere Gespräche nebeneinander aufzubauen. Die Navigatorin schalt gerade den Kapitän, der augenscheinlich dem Gespräch nicht zugehört hatte, während Nico Robin sich leisen Wortes mit dem Musikanten unterhielt. Der Smutje auf der anderen Seite hatte sich diesen Moment ausgesucht, um sich mit Lorenor anzulegen, aber keiner der anderen Crewmitglieder schien sich daran zu stören, sodass diese Kabbelei anscheinend nichts Ungewöhnliches zu sein schien. Trafalgar Law, der sich wohl ignoriert vorkam, hatte sich von dem Sofa erhoben, und ging um den Tisch herum, um Lorenor erneut seine Frage zu stellen. Dulacre auf der anderen Seite bemerkte zum ersten Mal ein seltsam starkes Gefühl der Erschöpfung, welches nun seine Aufmerksamkeit einholte. Diese Diskussion war langatmig und vielschichtig gewesen, von der emotionalen Achterbahn der letzten Stunden wollte er gar nicht reden, aber an sich nichts, was er nicht gewohnt war. Dennoch fühlte er sich ausgelaugt, auf eine Art, die ihm nicht bekannt war. Sein rauer Hals störte ihn kaum, das Ziepen in Brust- und Bauchbereich war unangenehm, dennoch nichts, was er näher beachten würde. Aber gerade in diesem Moment entschied er, sich in die verschiedenen Gespräche nicht einzubringen, aber nicht, weil er nichts mehr zu sagen hatte – oh nein, er hatte noch einiges, was er aussprechen wollte – sondern weil sein Geist langsamer arbeitete als bisher. Er hatte das Gefühl, dass seine Sinne nach und nach immer stumpfer wurden, wie nach einer Nacht mit zu viel Alkohol, ohne den angenehmen Nebel der Trunkenheit. „Herr Mihawk.“ Überrascht schaute er zur Seite, als der junge Doktor an seinem Hemdärmel zupfte. „Ich denke, es ist Zeit für Ihre Untersuchung.“ Zum ersten Mal war Dulacre fast dankbar für die etwas übertriebene Fürsorge des Schiffarztes. Nickend erhob er sich und folgte Doktor Chopper wortlos ins Krankenzimmer, sich Lorenors Blick auf seinem Rücken sehr bewusst. Kapitel 31: Kapitel 31 - Nachbeben ---------------------------------- Kapitel 31 – Nachbeben   -Sanji- Missmutig nahm er einen erneuten Zug seiner Zigarette; er hatte schon lange aufgehört, zu zählen, wie viele er am vergangenen Tag bereits geraucht hatte. Schließlich war der Abend doch noch angebrochen, die Sonne stand schon tief über dem Horizont, ein langer Tag ging endlich zu Ende. Sein Kopf schwirrte noch immer. Er hatte ja gewollt, dass der verdammte Marimo endlich mit der Wahrheit rausrücken würde, aber irgendwie hatte er nicht das erwartet. Wer hätte das schon erwarten können?! Sanji hatte damit gerechnet, dass irgendeine mysteriöse Schönheit Zorros geschundenen Körper zwischen den brennenden Ruinen gefunden und ihm das Leben gerettet hatte. Er hatte damit gerechnet, dass diese mysteriöse Schönheit niemand anderes als Lady Loreen gewesen wäre, die vielleicht von irgendeiner besonderen Teufelsfrucht gegessen hatte, und zufällig Falkenauge über den Weg gelaufen war, der ihrer Lieblichkeit verfallen war und deshalb entschieden hatte, Zorro zu helfen. Wenn er ganz ehrlich war, schien er damit auch gar nicht so weit weg gelegen zu haben. Zorros Überleben und Lady Loreens Existenz schienen wie durch eine Teufelskraft miteinander verknüpft. Vielleicht eine ähnliche Kraft, wie die, die Brooks Leben gerettet hatte, ohne aber das Zorro derjenige mit der Teufelskraft war, denn ganz offensichtlich konnte er noch schwimmen. Aber einen klitzekleinen Teil hatte Sanji nicht erwartet, und zwar, dass der Marimo Teil eines riesigen Komplotts sein würde, welcher innerhalb weniger Wochen die bisherige Weltordnung auf den Kopf stellen könnte, dass er der Nachfahre eines uralten Volkes sein sollte, welches die Macht hatte, eine antike Waffe zu aktivieren, dass er als Lady Loreen die Symbolfigur eines neuen Zeitalters werden sollte. Aufstöhnend rieb Sanji sich durchs Haar und fuhr dann mit dem Abwasch fort, ignorierte die leise am Tisch gewechselten Worte. Verdammt! Er hatte Kopfschmerzen. Zorro war Lady Loreen! Zorro war verdammt nochmal Lady Loreen! Zorro - übelgelaunter, schlecht erzogener, wortkarger Lorenor Zorro - war niemand anderes als die freundliche, höfliche, gutmütige und schlechthin bezaubernde Lady Loreen. Er konnte es nicht glauben. Er wollte es nicht glauben! Im Königreich Kamabakka, Sanjis persönliche Hölle der letzten zwei Jahre, war Lady Loreen verehrt worden wie ein neuer Heilsbringer und das war wohl eine der wenigen Dinge gewesen, in denen die Einwohner und Sanji übereingestimmt hatten. Ähnlich wie sie hatte Sanji die meist trivialen, aber liebevollen Artikel über die schüchterne Schönheit vom Lande verschlungen. Nicht selten waren die Nachrichten über Lady Loreen der einzige Lichtblick an manchem Tage gewesen, ihre Bilder in der Zeitung das einzig Schöne, was Sanji an jenen Tagen zu Gesicht bekommen hatte. Er erinnerte sich gut an die emotionalen Diskussionen über Lady Loreens zweifelhaften Männergeschmack und warum sie wohl Falkenauge zugeneigt war. Von einem Akt der Rebellion, über die wahre Liebe, Erpressung, bis hin zu einer Zwangsheirat war wohl jede vorstellbare Idee gefallen, aber ganz offensichtlich hatten sie sich alle geirrt. Verdammt! Warum hatte Sanji ihn nicht erkannt? Warum hatte er Zorro damals nicht erkannt? Damals auf dieser Insel, Sarue, als er Ruffy gerettet hatte? Er hatte es doch gespürt. Er erinnerte sich noch ganz genau an dieses Gefühl, als die Klinge den Marineoffizier durchbohrt hatte. Er hatte gewusst, dass Zorro da sein musste; seine Aura hatte den ganzen Hafen durchdrungen, wie immer, wenn er ernst machte. Nein, es war noch nicht mal eine Aura gewesen, Sanji hatte einfach gewusst, dass es Zorro gewesen war. Aber dann… aber dann… Kopfschüttelnd betrachtete Sanji den Teller in seinen schaumigen Händen. Wirf dein Leben nicht leichtfertig weg. Das war Zorro gewesen. Seine ersten Worte an Sanji, nachdem er ihn damals aufgefordert hatte zu überleben, Sekunden bevor er selbst sein Leben verlieren würde, sein Leben opfern würde. Und was hatte Sanji getan? Er hatte diesen Worten kaum Bedeutung geschenkt, so fasziniert hatten ihn Lady Loreens Aussehen, so verfallen war er dieser Schönheit. Sanji verstand nicht, warum Zorro ihnen damals nicht die Wahrheit gesagt hatte. Er war wütend darüber, sauer und verletzt, dass Zorro ihnen nicht genug vertraute, aber eine kleine Stimme in seinem Hinterkopf fragte sich, ob die Dinge vielleicht anders gekommen wären, wenn er in jenem Moment zugehört hätte, wenn er in diesem Moment verstanden hätte. Erst wirfst du den Stein und jetzt regst du dich darüber auf, dass das Glas zerbrochen ist? Das hatte Falkenauge doch gesagt, oder? Du vertraust ihm nicht, er vertraut dir nicht, beide unfähig zu erkennen, dass euer beiderseitiges Misstrauen durch ein offenes Gespräch geklärt werden könnte. Seine Hände zitterten. Warum zitterten seine Hände so? „Aber ich würde mir wirklich wünschen, wir würden aufhören, in solche Situationen zu geraten“, seufzte Nami am Küchentisch. „Ich meine, reicht es nicht schon, dass wir uns mit de Flamingo und Kaido anlegen? Jetzt könnte es damit enden, dass wir Mary Joa angreifen? Ah, verdammt, warum immer wir?“ „Aber wir müssen doch gar nicht Mary Joa angreifen“, widersprach Robin und Sanji konnte ihrer Stimme ein Schmunzeln anhören, „der Plan sieht doch vor, dass Mihawk im Falle des Falles eingreifen wird. Ich gebe es zwar nur ungerne zu, aber er hat Recht, dass diese Vorgehensweise wohl die Sinnvollste ist.“ „Aber das ist es ja, Robin. Es ist sinnvoll, klug und mit Sicherheit nicht das, was Ruffy tun wird, wenn er spitzkriegen sollte, dass Zorro in Gefahr ist. Dann wird ihm egal sein, wer sein Feind – oder meinetwegen auch Freund, ich habe immer noch keine Ahnung auf welcher Seite Falkenauge denn jetzt wirklich steht – ist, er wird Zorro retten wollen.“ „Ist dir auch aufgefallen, wie ungewöhnlich ruhig unser Kapitän während des vergangenen Gesprächs war?“ „Er hat doch die meiste Zeit gepennt oder gefressen. Ruffy interessiert sich für solche Gespräche nicht; sie langweilen ihn, und am Ende müssen wir das immer ausbaden.“ Die Archäologin machte einen nachdenklichen Laut. „Ich weiß ja nicht“, murmelte sie dann, „was hältst du von der Situation, Küchenchef? Du bist ungewöhnlich still.“ Überrascht, angesprochen zu werden, wandte Sanji sich um. Mittlerweile saßen nur noch Robin und Nami am Küchentisch, zwischen ihnen die halbleere Kaffeekanne und zwei Tassen, während der Rest der Crew sich übers ganze Schiff verteilt hatte. „Entschuldigung?“, fragte er nach, hatte dem Gespräch kaum zugehört. „Was halte ich wovon?“ Robin schenkte ihm ein liebliches Lächeln. „Du hast endlich die Antworten auf deine Fragen erhalten. Ist dein Gewissen nun nicht letztlich erleichtert?“ Nein. „Wa... was?“ Leise lachte er auf, konnte aber nicht verhindern, dass es eindeutig gespielt klang. „Also bitte, wenn, dann hat der Marimo uns nur noch mehr Probleme bereitet, oder? Und dabei rede ich noch nicht mal von der ganzen Aktion mit Lady Loreen oder Falkenauge, sondern… aber mal ehrlich Falkenauge?! Wer soll den ganzen Scheiß denn glauben? Ich wäre noch nicht mal überrascht, wenn das alles nicht mehr als ein riesiger, beschissener Scherz wäre.“ Aufbrausend verließ er die Kochnische und ließ sich zwischen den beiden Damen am Kopfende auf den freien Stuhl fallen, vergrub das Gesicht in den Händen. „Ganz ehrlich, hätte ich gewusst, was er uns verschweigt, dann hätte ich doch nie…“ Er faltete seine Hände über Mund und Nase und schüttelte leise den Kopf. „Wer hätte das denn alles erahnen können? Wer hätte auch nur irgendetwas davon erahnen können?“ Er war erschöpft und fertig mit der Welt. Er wollte wütend auf Zorro sein, auf den Mistkerl, der sie alle hatte im Dunkeln tappen lassen, nur um jetzt eine solche Bombe loszulassen. Auf den Kerl, der ihnen nicht genug vertraut hatte, um ihnen von Anfang an die Wahrheit zu sagen, der er ihnen gegenüber gestanden und - aus welchen Gründen auch immer - sich entschieden hatte, nicht den Mund aufzumachen. Sanji wollte wütend sein, über die ganze Sache mit Lady Loreen, über den verdammten Samurai, den Zorro jetzt mithineingezogen hatte, und natürlich über diese beschissene verfahrene Situation, in der sie nur hilflos abwarten konnten, während Zorro wieder einmal das ganze Risiko auf sich nahm, ihm noch nicht mal zur Hilfe kommen sollten, sein Leben lieber einem verdammten Samurai anvertrauen sollten. Aber, wenn er ganz ehrlich war, so war er nur erschöpft. Erschöpft von all den Dingen, die er heute gehört hatte und verarbeiten musste. Erschöpft von all den Emotionen, die er über den Tag gefühlt hatte, die ganze Bandbreite an Gefühlen, die er glaubte zu haben. Erschöpft von den Worten, die gesprochen worden waren, den Vorwürfen, den Schuldzuweisungen, den Anschuldigungen. Er war erschöpft von der simplen Wahrheit, die doch so viel unwahrscheinlicher schien als tausend Lügen und Theorien, die ihm in den Sinn gekommen waren, und er war erschöpft von seinen eigenen Gedanken. Dieser Tag hatte ihn zermürbt, so wie damals die Tage nach Senichi, nach der G6, so wie damals die Tage nach dem Sabaody Archipel, so wie damals die Tage vor langer, langer Zeit in einem dunklen Kerker, und Sanji kam nicht umhin, sich zu fragen, ob Zorro sich so die letzten Tage gefühlt hatte, vielleicht schon viel länger so gefühlt hatte, mit all der Last auf seinen Schultern, mit all den Lügen, all den Geheimnissen, all der Verantwortung und all den Entscheidungen, die er hatte alleine treffen müssen. Er kam nicht umhin sich zu fragen, ob Zorro die zwei letzten Jahre nicht auch gelitten hatte, getrauert hatte, so wie Sanji getrauert hatte. Sanji hätte nie gedacht, dass Zorro ein guter Lügner wäre, er war immer eher direkt und schonungslos, eher mit dem Kopf durch die Wand als einen komplizierten Umweg wählen – bei dem er sich eh wieder nur verlaufen würde – aber damals auf Sasaki hatte er gelogen, hatte sich einen perfiden Plan ausgedacht, hatte beinahe hinterlistig gehandelt, hatte betrogen und verraten, nur um sie alle zu retten. Bis vor wenigen Stunden hatte Sanji noch gedacht, dass er Zorro einfach nicht gekannt hatte, einfach nicht erkannt hatte, dass Zorro der Verschlagenste von ihnen allen war. Er hatte geglaubt, dass er übersehen hatte, dass Zorro derjenige war, der sie selbst mit wahren Worten und Ehrlichkeit belügen und manipulieren konnte, aber nun glaubte Sanji, zu verstehen. Zorro war weder ein tumber Holzkopf noch ein gewieftes Superhirn. Zorro war ganz schlicht und einfach ein Schwertkämpfer, mit der Disziplin und den Prinzipien eines ehrenvollen Kriegers, mit dem strategischen Denken eines gewissenhaften Anführers und den Entscheidungen eines loyalen Soldaten. Er hatte sie nicht alle an der Nase herumgeführt und plötzlich sein wahres Wesen offenbart. Nein, es war genau andersherum gewesen. Zorro hatte sich entschieden, etwas zu tun, was er eigentlich nie hatte tun wollen. Er hatte sich damals entschieden, all seine Prinzipien zu verraten, all das, was für ihn wohl Teil seiner Ehre als Schwertkämpfer war, nur um sie zu retten, nur um sie zu beschützen. Wahrscheinlich hasste Zorro von ihnen allen die Lüge am meisten – vielleicht mit Ausnahme von Ruffy – aber er hatte gelogen, Geheimnisse verschwiegen und Verschwörungen geschmiedet, nur weil er sie damals gerettet hatte. Sanji hatte für zwei lange Jahre getrauert, weil er gedacht hatte, dass sie Zorro verloren hatten, aber nun fragte er sich, ob Zorro nicht auch getrauert hatte, um den Mann, der er gewesen war, bevor er seine Prinzipien verraten hatte. Ich vermisse wirklich die Zeiten, als alles so viel einfacher war. Nein, Sanji war sich sicher, dass Zorro die Zeit vermisste, als er sich noch nicht hatte verstellen müssen, Dinge noch nicht hatte geheim halten müssen, noch nicht hatte lügen oder über seine Wortwahl nachdenken müssen, als er einfach zielgerichtet seinen Traum hatte verfolgen können, zweifelsfrei seine Freunde hatte beschützen können. Deswegen hatte Sanji ihn nicht verstanden, weil er nie, noch nie in seinem ganzen Leben, so aufrichtig hatte leben können wie Zorro. Er hatte keine Ahnung, wie es sich wohl anfühlen musste, ein Leben lang aufrichtig sein zu können und dann das erste Mal die Last eines Geheimnisses tragen zu müssen, die Last eines Geheimnisses, was niemand erfahren durfte, die Last von Lügen, Verrat und Heuchelei. Aber auch wenn Sanji nicht wusste, wie es sich anfühlte nach einem Leben der Freiheit, plötzlich gefangen zu sein, so kannte er die Last dieser Ketten doch nur zu gut. Zorro hatte heute entschieden, einen Teil dieser Ketten zu sprengen, um wieder etwas dieser alten Freiheit zurückzuerlangen, etwas mehr von diesem Mann, der er vor zwei Jahren gewesen war, und Sanji saß nun hier und fragte sich, wie es sich wohl anfühlen musste, diese Last ablegen zu können. Aber auch wenn diese ungekannte Freiheit ihn neugierig machte, so machte sie ihm doch auch Angst. So hart und kalt die Ketten seiner Vergangenheit auch waren, so gaben sie doch auch Halt und Sicherheit. Er fragte sich, wie Zorro die seinen so einfach hatte sprengen können. Sie waren wirklich sehr verschieden, kein Wunder, dass sie einander kaum verstanden. Aufseufzend lehnte er sich zurück, er hatte sich wirklich wie ein verdammtes Arschloch verhalten. Zorro auch – ganz klar – aber das machte es nun mal nicht besser. Falkenauge hatte zum Teufel noch eins Recht. Sie sprachen aneinander vorbei, weil Sanji Zorro nicht verstand und Zorro Sanji nicht verstand, weil sie aus komplett unterschiedlichen Welten kamen. Aber Sanji hätte erkennen können, er hätte erkennen müssen in was für einem Kampf Zorro sich befunden hatte, weil dieser innere Konflikt ihm selbst doch so vertraut war, und dann hätte er auf ihn eingehen müssen, nachgeben müssen, aber das hatte er nicht, hatte er nicht gekonnt, weil er… weil er… Warum war Sanji nicht in der Lage gewesen das Richtige zu tun? Warum war er so wütend auf Zorro gewesen? Es ist, als hätte er mich verraten. Ja, genau das war sein Gefühl gewesen, als Zorro sich so ungewöhnlich ihnen gegenüber… nein, nicht ungewöhnlich, er hatte sich genau so verhalten, wie Sanji es immer tat, und deswegen war er so wütend auf ihn gewesen, weil Zorro – schonungslos direkter und erbarmungslos ehrlicher Zorro – plötzlich begonnen hatte, um den heißen Brei herumzureden, Dinge auszulassen, Gedanken zu verheimlichen. Sanji war wütend gewesen, weil er Zorros Verhalten erkannt hatte, aber sich nicht eingestehen wollte, dass jemand wie Zorro sich je so verhalten würde. Zorro hatte nicht nur sich verraten, sondern auch Sanji, ohne es zu wissen. Hatte nicht nur sich selbst im Stich gelassen, sondern auch Sanji, der selber vielleicht nie seine Ketten ablegen konnte, aber es genossen hatte jemanden zuzusehen, der sich nie verstellte, der sich nie an Ketten nehmen ließ, von niemanden. Vielleicht hatte Sanji es von Anfang an geahnt, vielleicht hatte er von Anfang an geahnt, dass Zorro etwas Ähnliches durchmachte wie er, und er hatte es ihm übel genommen. Sanji hatte es Zorro übel genommen, dass er – obwohl er Sanji doch immer einen Schritt vorausgewesen war, immer so direkt und ehrlich war, Ruffy besser verstand als jeder andere von ihnen – dass ausgerechnet Zorro sich von jemand anderem ein Geheimnis hatte aufdrängen lassen. Plötzlich bemerkte er, dass beide Damen fragende Blicke auf ihn gerichtet hatten. Ihm war gar nicht aufgefallen, wie er mit seinen Gedanken abgeschweift war. Beide betrachteten sie ihn erwartungsvoll, als ob sie eine Antwort von ihm erwarteten. „Bitte… bitte was?“, murmelte er überrascht und setzt sich wieder auf, hatte gar nicht bemerkt, wie er in seinem Stuhl runtergerutscht war. „Geht es dir gut?“, fragte Nami offensichtlich besorgt. „Du bist ganz abwesend und du machst ein richtig ernstes Gesicht.“ „Es geht mir gut, Namilein“, log er mit einem glaubhaften Lächeln und winkte schnell ab. „Es war nur ein langer Tag. Aber was wolltest du wissen?“ Noch eine Sekunde beobachtete sie ihn mit hochgezogener Augenbraue und er hoffte, dass sie ihn nicht durchschaute. Er war nun mal nicht Zorro, er konnte seine Fesseln nicht einfach sprengen. Anders als Zorro würde Sanji seine Geheimnisse mit ins Grab nehmen müssen. „Ist es dir denn nicht aufgefallen?“, fragte Nami nun und entschied offensichtlich, nicht nachzuhaken. „Hast du es wirklich nicht bemerkt?“ „Was sollte mir aufgefallen sein?“, entgegnete Sanji, doch dann erinnerte er sich an das Gespräch, das er vor wenigen Sekunden mental verlassen hatte. „Warte mal, ihr wusstet es?“ Verwirrt sah er die beiden Damen zu seiner Rechten und Linken an. „Ihr wusstest es! Das mit Zorro, Loreen und Falkenauge? Ernsthaft? Woher?“ Robin zeigte ein leises Lächeln, sagte jedoch nichts. Nami hingegen winkte ab. „Ach, ich hatte doch keine Ahnung, dass Zorro Loreen ist.“ Sie lachte leise auf. „Ganz ehrlich, ich bin immer noch baff und kann den ganzen Kram mit Eizen, Uranos und so weiter kaum glauben – ich wünschte das wäre nicht mehr als ein dummer Scherz, ich kann mir wirklich Schöneres vorstellen, als mich auch noch damit herumzuschlagen – aber das da irgendetwas zwischen Falkenauge und Zorro läuft, war doch ziemlich offensichtlich.“ „Was?“ „Ja, ich meine, du weißt doch selbst noch, wie komisch Zorro drauf war, nachdem er Falkenauge hierhin gebracht hatte, und ich habe zwar keine Ahnung, wie dieser Samurai sonst so ist, aber sein Blick, sobald jemand Zorro auch nur schräg anguckt, sagt doch schon alles.“ „Findest du?“, murmelte Sanji zweifelnd. „Also je länger ich darüber nachdenke, desto weniger Sinn macht das. Nein, ganz ehrlich, von all den beschissenen Sachen, die Zorro heute erzählt hat, von all dem Mist, den wir heute erfahren haben, ist dieser Teil wohl der unlogischste. Ich dachte sie sind Rivalen, wollte Zorro ihn nicht irgendwann besiegen? Und jetzt wollt ihr mir sagen, dass der Marimo – unser Vollidiot einer Alge – sich Hals über Kopf in einen verdammten Samurai verguckt hat? Ich bitte euch, der Typ hat die emotionale Kapazität eines Teebeutels und Falkenauge ist ja auch nicht viel besser. Als ob so ein hinterlistiger Mistkerl – ein verdammter Samurai, ernsthaft?! - überhaupt zu so etwas fähig wäre.“ „Du bist ihm wirklich etwas feindlich gesinnt, nicht wahr, Sanji?“ Robin schmunzelte und neigte leicht den Kopf. „Von all den Dingen, die wir heute erfahren haben, sollte dies doch die unproblematischste Sache sein.“ „Sagst du“, murrte er und erhob sich, um sich und den Damen einen Kaffee zu machen, „aber es macht einfach keinen Sinn.“ „Ergibt, Smutje, es ergibt einfach keinen Sinn.“ Die Tür zum Krankenzimmer ging auf und natürlich musste ebengenannter Samurai hereinkommen, sein Hemd am Zuknöpfen. Am Ende des vergangenen Gespräches hatte Chopper ihn beinahe ohne jeglichen Widerstand ins Nebenzimmer für seine üblichen Untersuchungen abkommandiert. „Solltest du dich nicht noch etwas ausruhen?“, fragte Robin mit einer Freundlichkeit in ihrer Stimme, als ob sie den Samurai leiden könnte. „Du siehst noch etwas entkräftet aus.“ „Meine Untersuchung war unauffällig“, entgegnete Falkenauge und begegnete ihrem Blick mit einem Schmunzeln, aber es erreichte seine kalten Augen nicht, „und ich kann mich später ausruhen. Nun muss ich Lorenors Transport nach Mary Joa organisieren. Bei einem solch schwächlichen Plan können wir uns keine Mängel in der Durchführung leisten.“ Sanji konnte nicht anders, als innerlich Robin zuzustimmen. Wenn man mal davon absah, dass der Samurai sich mittlerweile anhörte, als hätte er sich mit Lysop ein Schreiduell geliefert – und verloren – so waren doch die dunklen Augenringe und die bleiche Gesichtsfarbe deutlich zu sehen. Der Typ hatte so oder so keine gesunde Hautfarbe, wenn es nach Sanji ging – wobei er vielleicht nicht derjenige war, der über andere urteilen sollte - aber nun sah er eher aus wie einer der Zombies von Thriller Bark als ein mächtiger Samurai. Seine Bewegungen jedoch straften ihn Lügen. Obwohl seine Stimme und sein Gesicht bezeugten, wie schlecht es ihm erst vor wenigen Tagen ergangen war, so zeigte sich davon nichts in seiner Körperhaltung und Sanji war sich ziemlich sicher, dass dieser Mistkerl sie wohl immer noch alle besiegen könnte, wenn er es denn nur wollte. Während er durch den Raum schritt und höfliche Worte mit Nami und Robin austauschte, bemerkte Sanji fast schon widerwillig, mit welch Eleganz und Kraft er sich bewegte. Selbst jetzt schien sein Körper die Gewandtheit eines Tänzers zu haben, die Spannung eines Kriegers; es erinnerte ihn an Zorro, der ebenfalls ungeachtet seiner Verletzungen immer bereit zum Kampf war. „Sag mal“, murrte Sanji, als Falkenauge bereits die Tür erreicht hatte, „kann ich dich was fragen?“ Mit hochgezogenen Augenbrauen wandte der Samurai sich zu ihm um. „Meinetwegen, Smutje, allerdings habe ich kein Interesse an einer langwierigen Diskussion, also halte dich bitte kurz; mich erwarten einige langweilige Formalitäten.“ Sanji begutachtete ihn. „Ist es wahr?“, fragte er dann. „Das, was der Marimo eben gesagt hat?“ Falkenauge gluckste leise auf. „Immer noch so misstrauisch? Ja, auch wenn es dir nicht gefallen mag, Lorenor ist Lady Loreen und er…“ „Das meinte ich nicht“, murrte Sanji und winkte ab. „Darüber will ich gerade noch überhaupt nicht nachdenken. Nein, ich meinte diese Diskussion, ob da etwas zwischen euch läuft. Stimmt das? Bist du etwa wirklich in ihn verknallt?“ Zum ersten Mal wich das überhebliche Grinsen ehrlicher Überraschung, als der Samurai ihn betrachtete und dann schließlich den Kopf neigte. „Verknallt? Oh nein, solch armselige Gefühle kenne ich nicht“, antwortete er und zeigte ein beängstigend sanftes Lächeln, das Sanji an die Schrecken seiner letzten zwei Jahre erinnerte, „aber ja, ich liebe ihn.“ „Warum?!“ Sein Mund war schneller gewesen als sein Hirn. „Er ist ein Vollidiot!“ „Sanji“, murmelte Nami neben ihm. „Ich meine, du hast natürlich Recht, aber so etwas kannst du doch nicht einfach sagen. Du meine Güte, du bist auch nicht besser als Zorro.“ „Also ich finde, dass unser Schwertkämpfer auch seine guten Seiten hat“, bemerkte Robin und zwinkerte dem Samurai zu. „Ja, für eine Alge vielleicht, aber er ist unromantischer als eine Klopapierrolle und hat den Charme einer schimmelnden Brotdose. Ich meine, ich kann dich absolut nicht ausstehen, Falkenauge, aber du scheinst gebildet zu sein, eloquent und… als hättest du genug Geld, um Menschen dafür bezahlen zu können, dass sie so tun, als würden sie dich mögen. Du könntest attraktivere, gebildetere und deutlich besser sozialisierte Menschen um dich haben und dann er?“ Er verwarf eine Handbewegung Richtung Ausguck. „Er verläuft sich auf dem Weg zum Badezimmer.“ Falkenauge neigte seinen Kopf noch mehr zur Seite. „Ohne dir in irgendeiner Form widersprechen zu wollen, so wüsste ich doch nicht, warum ich mit dir meine Gefühlslage bezüglich Lorenor besprechen sollte.“ „Warum hast du es dann gesagt?“, fragte Sanji. „Wenn eure Beziehung ein Geheimnis bleiben soll, warum hast du dann gestanden?“ „Du missverstehst“, widersprach der andere mit einem leisen Lachen. „Erstens, Lorenor und ich führen keine Beziehung, zumindest nicht nach meinem Kenntnisstand. Zweitens, ich habe nichts gestanden; meine Gefühle für Lorenor sind kein Geheimnis, das gestanden werden müsste. Drittens, du hast mir eine Frage gestellt. Warum stellst du mir eine Frage, wenn du keine Antwort erwarten würdest? Das ist unlogisch und ergibt keinen Sinn. Ich hoffe dir ist aufgefallen, wie ich diese Phrase benutzt habe, und du merkst es dir für die Zukunft.“ „Du bist ein arrogantes Arschloch“, murmelte Sanji angepisst. „Ich glaube ich habe dem Falschen die Frage gestellt. Die Frage ist nicht, was du am Marimo findest, die wahre Frage ist doch, wie er dich zwei Jahre aushalten konnte, ohne dich nachts mit einem Kissen zu ersticken.“ Der Samurai lachte erneut und wandte sich wieder der Tür zu. „Mit dieser Frage stehst du nicht allein“, meinte er mit einem Schulterzucken, „allerdings ist Lorenor nicht der Einzige, der so manches aushalten musste.“ Damit ging Falkenauge. „Sie passen schon irgendwie zusammen“, murmelte Nami, „ich kann es nicht genau erklären, aber sie passen zusammen.“ „Findest du?“, zweifelte Sanji und hatte das starke Bedürfnis gegen eine Wand laufen zu wollen. „Sie ergänzen einander“, bemerkte Robin und schenkte Sanji ein Lächeln. „Mihawk zwingt Zorro dazu die eigenen Emotionen und Gedanken zu erfassen und laut auszusprechen, während Zorro Mihawk dazu zwingt über die eigenen Bedürfnisse und Absichten hinauszusehen und andere zu berücksichtigen. Und weil sie beide so einen starken Willen haben, geraten sie immer wieder aneinander, zeigen die Schwächen des anderen wie in einem Kampf ganz offensichtlich auf, aber geben dem anderen die Zeit an dieser Schwäche zu arbeiten.“ „Du scheinst ja viel darüber nachgedacht zu haben“, meinte Nami mit hochgezogener Augenbraue und nahm den Kaffee, den Sanji ihr anbot. „Oh ja, es ist ganz faszinierend“, lachte Robin nun und nahm nickend ihre Tasse entgegen, ehe sie sich erhob und sich ebenfalls zum Gehen wandte. „Ich könnte diese zwei den ganzen Tag beobachten, ein solch simples und dennoch ungewöhnliches Balzverhalten sieht man wirklich nicht alle Tage.“ Zurück blieben nur Sanji und Nami. „Manchmal macht sie mir Angst“, murmelte Nami in ihre Tasse. „Sie ist wirklich einer dieser Menschen, die man nicht zum Feind haben will.“ „Ach, ich weiß nicht, ich finde Robinlein eine liebreizende Person“, entgegnete Sanji und nippte ebenfalls an seinem heißen Getränk. „Mich stört eher dieser Falkenauge, er war drauf und dran uns anzugreifen, nur damit Zorro mit der Wahrheit rausrückt. Ich glaube dieser Kerl schreckt vor nichts zurück. So etwas würde noch nicht mal Robin tun.“ Nami sah ihn unbeeindruckt an. „Gewagt von dir anzunehmen, dass Robin das hier nicht alles inszeniert hat, damit sie einen spannenden Nachmittag hat.“ „Du glaubst, sie hat Falkenauge, Zorro und uns alle manipuliert, damit wir uns streiten und sie unterhalten wird? Das glaubst du doch wohl selbst nicht.“ „Natürlich. Robin weiß genau, wie sie an Informationen kommt, und ich glaube, sie findet es ganz interessant jemanden an Bord zu haben, der mit ihren Gedankenspielen mithalten kann.“ Nami schüttelte sich leicht. „Alleine bei der Vorstellung, dass sie und Falkenauge sich zusammentun würden, läuft es mir kalt den Rücken hinunter. Ich glaube die beiden wären als Team gefährlicher als Kaido und Big Mom zusammen.“ „Übertreibst du jetzt nicht etwas?“, lachte Sanji auf und merkte, wie sich langsam die Anspannung des langen Tages löste, aber Nami sah ihn todernst an. „Du bist wirklich naiv, Sanji. Ein bisschen beneide ich dich darum.“   Kapitel 32: Kapitel 32 - Sozius ------------------------------- Kapitel 32 – Sozius   -Zorro- Schnaufend ließ er die Gewichte los und begann sich zu dehnen. Zorro war erschöpft. Der Tag war nervig und lang gewesen, viele so unnötige und leider auch nötige Gespräche, viel zu viele Worte, viel zu viel Gerede, viel zu viel Gesagtes und Ungesagtes. Er war dankbar gewesen, als Chopper die langwierige Unterhaltung unterbrochen hatte und alle anderen so beschäftigt gewesen waren, dass niemand ihn aufgehalten hatte, als er sich Eizens Akte unter den Nagel gerissen hatte und in den Ausguck trainieren gegangen war, geflohen, wenn er ganz ehrlich war. Er hatte ihnen alles gesagt – nun ja, fast alles – und während sie von der schieren Masse an Informationen noch überwältigt gewesen waren, hatte er die Flucht ergriffen, bevor die Fragen kamen, die kommen würden. Anscheinend hatte Dulacre wirklich Recht, selbst Zorro flüchtete manchmal. Mit einem leisen Stöhnen hielt er inne und fuhr sich übers Gesicht. Er wusste selbst, dass dieses Verhalten nicht zu ihm passte, nicht normal war, aber verdammt nochmal, was am heutigen Tag war noch normal? Eigentlich sollte er erleichtert sein, jetzt war Lady Loreen aus dem Sack und Dulacre und die anderen versuchten nicht mehr alle fünf Minuten, sich gegenseitig an die Gurgel zu gehen, und endlich brauchte Zorro nicht mehr zu lügen, nicht mehr auf seine Worte aufzupassen, nicht mehr auf sein Verhalten zu achten. Aber dennoch, nichts würde mehr wie früher sein und wenn der Staub sich gelegt hatte, dann würden die Fragen kommen, die Bemerkungen, vielleicht auch nochmal die Anschuldigungen. Die anderen wussten nun, dass er Lady Loreen war, aber das hieß nicht, dass sie auch wussten, was dies bedeutete, für ihn und auch für sie als seine Crew. Aufseufzend warf er sich aufs Sofa. Über solche Dinge sollte er sich jetzt keine Gedanken machen. Der Tag war lang gewesen und er hatte sich eine Pause verdient, aber selbst während er seine Gewichte gestemmt hatte, war er nicht in der Lage gewesen, das Hamsterrad in seinem Kopf anhalten zu lassen. Viele Dinge gingen ihm durch den Kopf, ihre Fragen, ihre Blicke und auch seine eigenen Zweifel und Worte. Er wunderte sich, ob Dulacre wirklich bewusst diese Konflikte geschürt hatte, nur um Zorro zum Reden zu bringen, und er fragte sich, welchen Teil Robin in dieser Aktion spielte. Er lehnte seinen Kopf gegen die Glasscheiben des Ausgucks und beobachtete das Schiff im Licht des sterbenden Tages. Bis auf Lysop, der gerade die Schaukel ölte, war niemand zu sehen und das Meer um sie herum war selten ruhig. Es war schon seltsam, wie friedlich alles wirkte, wenn man bedachte, was ihnen bevorstand. Zorro konnte sich kaum auf das Scharmützel mit de Flamingo freuen, denn egal, was auf Dress Rosa passieren würde, danach würde er sich seiner eigenen Herausforderung stellen müssen. Wenn es ein Kampf wäre, würde Zorro es kaum erwarten können, sich Eizen zu stellen. Aber hier ging es nicht um einen Kampf, es ging um überlegenes Wissen, bessere Strategien und darum, ein Ass im Ärmel zu verstecken, nichts, was Zorro Spaß machte, nichts, worin er gut war. Sein Blick fiel auf die Tür zur Kombüse, aus der gerade Mihawk heraustrat und sich kurz umsah, ehe er Richtung Bug schritt, wo Zorro sein Sargboot befestigt hatte. Verdammt, was war das für ein Tag gewesen? Und eigentlich hatte dieser Vollidiot eines Samurais an allem schuld! Nur weil er meinte, diesen beschissenen Wein trinken zu müssen. Nur weil er meinte, sich in Zorros Leben einmischen und sich mit seiner Crew anlegen zu müssen. Nur weil er meinte, Zorro gut genug zu kennen, um ihn einfach so durchschauen zu können. Leicht schlug Zorro seine Stirn gegen die Scheibe, hoffte sein Gedankenkarussell mit Gewalt zum Anhalten zu bringen, vergebens. Was war nur mit ihm los? War er heute Morgen wirklich so verzweifelt gewesen, dass er tatsächlich überlegt hatte, sein Leben zu beenden, wenn er nicht in der Lage sein sollte, Eizen auf anderem Wege aufzuhalten? Dieser Gedanke schien ihm gerade furchtbar absurd, richtig dumm, so überhaupt nicht, wie er normalerweise dachte. Aber dennoch wusste er auch, warum er so gedacht hatte: Zorro hatte Angst gehabt, richtig Angst, so wie er es nicht kannte, so wie er sie seit dem Sabaody Archipel nicht mehr gefühlt hatte, und dieser Klumpen in seiner Magengrube war immer härter und kälter geworden. Zorro wusste genau, warum er sich gegen seinen ursprünglichen Plan entschieden hatte, wohl wissend, wie irrational seine Gedanken gewesen waren. Er war verzweifelt gewesen, hatte sich in seinem eigenen Netz aus Lügen und Geheimnissen verstrickt und wäre beinahe zu Fall gekommen. Dulacres Anblick, wie er Blut gespuckt hatte, zusammengebrochen war, leichenblass im Krankenbett gelegen hatte. Eizens Stimme, wie er von seinen Plänen schwärmte, Zorros Freunde bedrohte, ihm Großes vorhersagte. Die Worte seiner Freunde, fragend, drängend, vorwerfend. Es war genau, wie Lysop gesagt hatte. Auch Zorro würde so etwas wie Sabaody Archipel nicht noch mal ertragen, Dulacres Zusammenbruch hatte diese Angst wachgerüttelt, wie nichts zuvor, und diese Angst hatte Zorro fehlgeleitet, beinahe fehlgeleitet. Glücklicherweise war sein Lehrmeister aber nun mal ein besessener Kontrollfreak und hatte Zorro durchschaut. Glücklicherweise war Lysop nun mal jemand, der seine Ängste unverhohlen auf der Zunge trug und laut aussprach. Endlich hatte Zorro die Antwort darauf, was er zu tun hatte, wenn er hilflos sein sollte, wenn er absolut nichts tun konnte, außer voller Angst machtlos zuzusehen. Seufzend rieb er sich den Hinterkopf. Dulacre hatte also doch Recht, er lernte halt nicht durch Theorie und Trockenübung, sondern nur durch praktische Anwendung. Aber dieses eine Mal hätte er gerne darauf verzichten können. Mit einem Seufzen überlegte er, Duschen zu gehen, ehe er die Nachtwache einläuten würde, doch dann bemerkte er Dulacre, der wieder auftauchte, einen Blick zum Ausguck warf und dann gemächlichen Schrittes auf ihn zu kam. Augenrollend erhob er sich und verließ den Ausguck. Unten angekommen erwartete ihn schon der Samurai. „Ich wäre zu dir hochgekommen“, bemerkte er mit seinem typischen Lächeln, „dort wären wir wohl ungestörter.“ Zorro hob nur eine Augenbraue an und betrachtete den anderen. „Eher nicht“, murrte er und nickte Richtung Steuerterrasse, wissend, dass der andere ihm folgen würde. Dulacre sah nicht gut aus. Im Laufe des Tages war er immer bleicher geworden und seine Stimme kratziger. Es wäre für ihn wohl besser, sich jetzt auszuruhen, aber das tat er nicht. Nein, Dulacre wollte mit Zorro reden und er würde nicht weglaufen. Was auch immer für den anderen noch nicht geklärt war, sie würden es nun regeln, und danach würde hoffentlich wieder etwas mehr Alltag zurückkehren. Auf der Steuerterrasse lehnte Zorro sich gegen die Reling, neben der Treppe, die zur Galionsfigur hinaufführte und der Samurai bemerkte wohl seinen Blick, sagte jedoch nichts, sondern ließ sich folgsam auf den Treppenstufen nieder. „Ich habe soeben Jiroushin erreicht“, erklärte Dulacre dann, „er hat zugesagt, dich in den nächsten Tagen auf Dress Rosa aufzusammeln und unbemerkt nach Mary Joa zu bringen.“ „Tze, ich habe doch gesagt, dass er dir keinen Wunsch abschlagen wird. Ist das nicht viel zu gefährlich für ihn?“ „Ist es dir lieber, ich würde dich nach Mary Joa bringen?“ Sie sahen einander an, ohne dass einer gewillt war, klein beizugeben. Aufschnaubend gab Zorro dann doch nach und verschränkte die Arme. „Was willst du überhaupt hier? Du siehst beschissen aus. Chopper ist mit Sicherheit nicht glücklich darüber, wenn du hier draußen herumläufst; du solltest im Bett sein.“ „Höre ich da etwa Sorge heraus?“, neckte ihn der Ältere, ehe er sich gegen die Stufen lehnte und leise seufzte. „Mir geht es gut, Lorenor. Doktor Chopper hat mir bestätigt, dass es keinen Grund zur Beunruhigung gibt. Ich bin nur erschöpft, es war langer Tag.“ Dem konnte Zorro nur zustimmen. „Deshalb sagte ich ja, du solltest im Bett sein.“ Kopfschüttelnd stützte der andere die Ellenbogen auf die Treppenstufe hinter sich und schmunzelte ihn an. „Keine Sorge, das habe ich auch bald vor.“ Er konnte die stechenden Falkenaugen auf sich führen. „Aber ich wollte vorher mit dir sprechen. Schließlich werde ich morgen früh abreisen.“ „Was?“ Überrascht hob Zorro den Kopf. „Morgen schon? Ich denke nicht, dass Chopper dich so schnell entlassen wird.“ „Zum Glück ist er nicht mein Hausarzt“, entgegnete Dulacre weiterhin mit diesem arroganten Schmunzeln, ehe er ernst wurde. „Im Laufe des Tages werdet ihr Dress Rosa erreichen und es wäre nicht klug, wenn ich die Gastfreundschaft deiner Crew länger ausnutze als nötig.“ „Aber…“ „Ich vermute, dass Soldaten auf Dress Rosa sein werden und es wäre ein denkbar ungünstiger Zeitpunkt, um von ihnen entdeckt zu werden, insbesondere in Begleitung deiner Crew. Meine simple Anwesenheit auf diesem Schiff könnte deinen Plan gefährden, und dieser ist so oder so bereits gebrechlich genug und braucht nicht noch mehr Risse.“ Nun zeigte er doch wieder ein halbes Grinsen. „Außerdem wäre ich vermutlich nicht in der Lage, mich zurückzulehnen, und du willst doch mit Sicherheit nicht, dass ich mich einmische, oder?“ Zorro schwieg, ignorierte ausnahmsweise Mal den kleinen Seitenhieb. Natürlich hatte der andere Recht. So oder so brach Mihawk gerade seinen Vertrag mit den fünf Weisen, aber sollte herauskommen, dass er auf der Thousand Sunny gewesen war, so stünde nicht nur sein Titel auf dem Spiel – als wäre das nicht schon genug – sondern der ganze Plan, den sie sich mühsam zusammengelegt hatten, so gebrechlich dieser auch war. Außerdem konnte Zorro wirklich darauf verzichten, dass sein überfürsorglicher Lehrmeister ihn auf Schritt und Tritt überwachen würde, während sie sich mit de Flamingo anlegten. Zorro war sich sehr wohl bewusst, dass die Art, wie seine Crew und er solche Probleme angingen, nicht unbedingt dem strategischen Denken des Samurais entsprach und er brauchte wirklich nicht, dass der andere sich einmischen würde; erst recht in seinem derzeitigen Zustand. „Wann wirst du also aufbrechen?“, fragte er. „Früh. Leider Gottes zu unmenschlicher Morgenstunde“, beschwerte sich der Samurai, als ob er nicht selbst diese Entscheidung getroffen hätte. „Ich möchte möglichst viel Distanz zwischen uns bringen und zügig nach Kuraigana zurückkehren, nur für den Fall, dass Eizen doch Marinesoldaten nach mir schicken sollte.“ „Du denkst, dass er nicht weiß, dass du hier bist?“ Der andere zuckte mit den Schultern und warf Zorro einen Blick zu. „Doch natürlich. Wenn seine Schergen, die dich und deine Crew überwachen, ihm wirklich so treu ergeben sind, wie er behauptet, dann bezweifle ich, dass sie ihn nicht bereits informiert haben. Aber selbst, wenn er erfahren hat, dass ich Bescheid weiß, so wird dies kaum etwas ändern. Er sieht mich so oder so nicht als Gefahr für seinen Plan an. Daher würde es ihn vielleicht ärgern, dass er dachte, ich würde über dich nicht Bescheid wissen, aber er wird von seinem Plan nicht abweichen.“ „Was macht dich da so sicher?“ Zorro hatte da schon seine Zweifel. Er traute Eizen so einiges zu und erst recht, dass er einfach, weil er es konnte, Dulacres Titel angreifen würde, sollte er auch nur die leiseste Sorge haben, dass Dulacre seinem Plan gefährlich werden würde. „Und warum sollte er dann Soldaten nach Kuraigana schicken?“ „Weil Abweichungen seinen eigenen Plan gefährden könnten. Wenn er den fünf Weisen mitteilt, dass er davon Kenntnis erlangt hat, dass ich meine Weisungen ignoriert und für mehrere Tage die Gastfreundschaft deiner Crew ausgenutzt habe, wird natürlich die Frage nach dem Warum aufkommen, aber auch woher er das weiß. Meine Verbindung zu deiner Crew könnte überdies die Verbindung zwischen dir und Lady Loreen offenlegen und dies wird er um jeden Fall verhindern wollen, weil sonst sein ganzer Plan scheitern könnte.“ Der andere zuckte mit den Achseln. „Allerdings würde ich an seiner Stelle unter einer fadenscheinigen Ausrede ein Marineschiff nach Kuraigana schicken – vielleicht um Unterlagen für Lady Loreen abholen zu lassen – und wenn dabei meine Abwesenheit festgestellt werden würde, könnte ich der Untreue bezichtigt werden, ohne dass Eizens Name überhaupt erwähnt werden bräuchte.“ Überrascht starrte Zorro den anderen an, über so etwas hatte er sich bisher noch keine Gedanken gemacht. Aber gerade wurde ihm wirklich bewusst, was Dulacres reine Anwesenheit auf diesem Schiff für Folgen haben könnte. „Mach doch nicht so ein Gesicht, Lorenor. Selbst, wenn Eizen bereits vor meiner Abreise von Kuraigana ein Kriegsschiff beantragt hätte, so würde eine Genehmigung ohne außerordentlichen Grund mehrere Tage in Anspruch nehmen, gerade in der Vorbereitungszeit der Reverie, und so ein schwerfälliger Verwaltungsapparat wie die Marine braucht nun mal auch Zeit für die praktische Umsetzung. Ich sollte problemlos als erster Kuraigana erreichen.“ „Über all das hast du dir schon Gedanken gemacht?“, murmelte Zorro ungläubig, während sein Kopf noch von den vergangenen Gesprächen rauschte. „Lorenor, du kennst mich. Ich mache mir über alles, was von Relevanz sein könnte, Gedanken. Ich bin dir nicht in blinder Verzweiflung gefolgt, natürlich habe ich das Risiko meines Handels genau kalkuliert. Auch wenn ich zugeben muss, nicht diesen ungeplanten Aufenthalt auf eurem Schiff miteinberechnet zu haben.“ „Nicht?“, entgegnete Zorro und wandte den Blick wieder nach vorne, beobachtete Franky, der über die kleine Wiese stapfte, um wohl nach Caeser zu sehen. „Wenn ich es nicht besser wüsste, hätte ich gedacht, dass du dich absichtlich vergiftet hättest.“ Leise lachte der andere auf. „Ach, als würde ich eines solch windigen Vorwands bedürfen, um deine Crew zur Verantwortung zu ziehen.“ „Ach, halt doch die Klappe“, winkte Zorro ab, ohne den anderen anzusehen, „und sag mir lieber, was das hier soll? Was wolltest du noch besprechen?“ „Ist das nicht offensichtlich?“ Nun rollte er mit dem Auge und sah zum Älteren herüber. „Wenn es offensichtlich wäre, würde ich nicht fragen, das weißt du, also weich mir nicht mit nichtssagenden Fragen aus.“ Ergebend hob der andere eine Hand und nickte sachte. „Ich beabsichtige das Gespräch weiterzuführen, welches du im Beisein deiner Crew hattest führen wollen.“ Der andere war ernst wie eh und je, doch entgegen seinem rationalen Ton errötete er. „Ich möchte über uns reden, Lorenor.“ Zorro wandte den Blick ab. „Was gibt es da zu reden?“, murrte er abwehrend. „Es ist doch alles gesagt, oder nicht?“ „Ist es das?“, entgegnete der andere und Zorro konnte weiterhin die stechenden Augen auf sich spüren. „Lorenor, du…“ Dulacre brach ab und seufzte laut. „Ich verstehe ja, dass es schwierig ist für dich, darüber zu reden und mir ist bewusst, wie wenig du solche Gespräche leiden kannst, aber so tun, als hättest du nicht gesagt, was du gesagt hast, nicht getan, was du getan hast, das werde ich nicht tun, nicht, wenn du es nicht von mir verlangst.“ Erneut seufzte der andere, aber Zorro sah ihn immer noch nicht an. „Es ist genauso, wie du es befürchtet hast, die Dinge sind komplizierter geworden, sie haben sich verändert und ich frage dich, was das nun bedeutet, für deine Crew, dich, aber letzten Endes auch für mich.“ Die Arme verschränkend schwieg Zorro für einen Moment. „Muss es denn irgendetwas bedeuten?“, fragte er und wandte sich dem Meer zu. „Ich meine, okay die Dinge sind wie sie sind und ja, es ist kompliziert, aber die Gegebenheiten haben sich dennoch nicht verändert. Das alles ändert nichts.“ „Nicht?“, fragte der andere ruhig und Zorro hatte überhaupt keine Ahnung, was Dulacre wohl dachte, ob er vielleicht sogar wütend war. "Obwohl du mir vor wenigen Stunden noch sagtest, dass die Dinge nicht mehr seien, wie sie einmal waren, glaubst du nicht, dass dies irgendwelche Folgen haben könnte?" „Nein“, bekräftigte er und zuckte gleichwohl mit den Schultern. „Ganz gleich was du fühlst und ganz gleich was… was ich… was wir hier bereden würden, wir beide wissen, dass mein Platz hier ist, bei ihnen, und ich werde sie mit meinem Leben beschützen, daran hat sich nichts geändert. Und ich will dich immer noch besiegen, auch daran hat sich nichts geändert. Warum also suchst du nach einer Bedeutung, wenn es doch eh nichts ändern wird?“ Nun schwieg der andere und Zorro wunderte sich, ob er zu hart gewesen war. Er hatte nicht beabsichtigt Dulacre zu verletzten, aber solche Gespräche lagen ihm nicht. Er verstand kaum, was er dachte, hatte so schon genug Probleme, in Worte zu fassen, was ihn beschäftigte, und er wusste nicht, was der andere von ihm erwartete, was der Sinn dieser Unterhaltung war und das beunruhigte ihn. „Ist es das, was du willst?“, fragte Dulacre ihn nun ruhig. „Möchtest du, dass ich so tue, als hätten wir diese Gespräche nie geführt, als hättest du mich nie geküsst und als hätte ich nie beabsichtigt oder gar versucht, dir meine Gefühle zu gestehen?“ Nein. „Das habe ich so nicht gesagt“, widersprach er, ohne sich jedoch umzudrehen. „Ich habe nicht gesagt, dass du dich verstellen oder lügen sollst.“ „Was willst du dann?“ „Keine Ahnung. Ich will nur nicht, dass die Dinge sich jetzt groß verändern, dass wir es komplizierter machen, als es ohnehin schon ist. Ich will, dass es bleibt, wie es ist.“ Er zuckte mit den Schultern. „Ich will einfach nur…“ Bis auf die Wellen war es ruhig zwischen ihnen und Zorro wusste nicht, was er sagen sollte. Er hatte keine Ahnung, was dieses Gespräch sollte und wenn er ganz ehrlich war, so wusste er auch nicht wirklich, was er wollte. Er war nicht bereit seine Crew oder seinen Traum für irgendetwas oder irgendwen zu vernachlässigen, allerdings war ihm auch bewusst, dass seine Entweder-oder-Frage das längst nicht mehr war. Spätestens während des Gesprächs am Heck des Schiffes war ihm bewusst geworden, dass auch der verdammte Samurai es in dieses Entweder-oder geschafft hatte. Vielleicht war das der Grund, warum Zorro dieses Gespräch nicht führen wollte, weil er befürchtete, dass es noch mehr von dem offenbaren würde, was ihm bisher noch nicht bewusst gewesen war. Es überforderte ihn und er war sich wirklich nicht sicher, was er… nein, er wusste schon recht deutlich, was er dachte, was er fühlte, auch wenn er es nicht in Worte fassen konnte, auch wenn er nicht wusste, was er damit anstellen sollte. Er hatte einfach nur keine Ahnung, was Dulacre von ihm wollte, von ihm erwartete, aus diesem Gespräch erwartete, aber genau das wurde ihm gerade bewusst und zumindest dafür gab es eine ganz einfache Lösung. Langsam wandte er sich um. „Aber was willst du?“ Für einen Moment sah Dulacre ihn einfach nur an. Er auf der anderen Seite schien kein Problem damit zu haben, das Gespräch zu erfassen. „Das weißt du doch, Lorenor.“ „Nein, ich weiß es nicht“, widersprach er achselzuckend. Daraufhin hob Dulacre beinahe erstaunt die Augenbrauen an, ehe er anscheinend in tiefem Bedauern den Kopf schüttelte. „Dann ist diese Frage doch sinnlos, Lorenor. Meine Beweggründe…“ „Ist sie nicht“, entgegnete er und verschränkte die Arme erneut. „Du sagst, du kommst mir immer hinterher, um mir die Möglichkeit zu geben, zu sagen, was ich noch nicht sagen konnte. Aber dieses Mal bin ich nicht aus einem Streit geflohen, trotzdem kommst du mir hinterher. Warum? Kann es sein, dass du willst, dass ich noch etwas sage? Was bezweckst du mit diesem Gespräch, Dulacre? Was willst du von mir?“ Dulacre sah ihn einfach nur an, dann senkte er seinen Blick. „Bitte frag mich das nicht“, antwortete er mit seiner rauen Stimme und Zorro bekam eine Gänsehaut, „wenn du es wirklich noch nicht wissen solltest, dann bitte zwing mich nicht, es auszusprechen. Es würde die Dinge nur verkomplizieren und wolltest du das nicht vermeiden?“ Noch nie zuvor hatte er den anderen so gehört und Zorro wusste, dass er jetzt nicht zurückweichen durfte, so wie Dulacre in einem solchen Moment nie nachgegeben hätte. „Ich frage dich aber. Ich bin es leid, dass du mich andauernd dazu zwingst, dir irgendetwas zu sagen, du aber anscheinend mir die ganze Zeit etwas vorenthältst. Ich bin es leid, dass du die ganze Zeit so rücksichtsvoll mir gegenüber bist, obwohl ich dich darum nie gebeten habe.“ „Wie bitte? Als würde ich so etwas tun.“ „Ach, komm schon. Glaubst du, ich hätte das nicht gemerkt? Alle reden sie davon, was für ein Sturkopf du bist und wie unflexibel du bist, dich nie jemandem anpasst und die Meinungen anderer dir schlichtweg egal sind; du selbst hast das gesagt! Und ich merke das auch, ich sehe das, so wie du mit Kanan sprichst, mit Jiroushin und erst recht jedem anderen. Aber… aber mein Training hast du die ganze Zeit nach mir ausgerichtet, obwohl du mein Lehrmeister bist, hast du die ganze Zeit Rücksicht auf mich genommen und nicht von mir erwartet, dass ich mich dir anpasse.“ Nun rollte der andere mit den Augen. „Lorenor“, unterbrach er ihn, „ein guter Lehrer sollte seinen Unterricht dem Schüler anpassen. Lehrmethoden dürfen kein starres Gefüge…“ „Davon rede ich nicht!“ Nun stellte Zorro sich vor Dulacre, der ihn misstrauisch beäugte. „Ich rede nicht von meinen Fähigkeiten, meinen Stärken und Schwächen, meiner Auffassungsgabe. Ich rede davon, dass du verstanden hast, dass ich nicht einen Abend faul auf dem Sofa liegen kann, selbst wenn eine Trainingseinheit nur vergeudete Zeit wäre. Ich rede davon, dass du mich in Sachen unterrichtet hast, obwohl du wusstest, dass ich das nur wegen Eizen lernen musste, ohne nachzufragen. Dass wir Trainingsmethoden ausprobiert haben, nur weil ich sie vorgeschlagen habe. Dass du gegen mich gekämpft hast, obwohl ich noch nicht bereit war. Ich rede davon, dass du mir nichts von deinen Gefühlen erzählt hast, obwohl du es wolltest, nur weil ich dich bat, es nicht zu tun. Du hast die ganze Zeit auf mich Rücksicht genommen, die ganze Zeit. Die letzten zwei Jahre hast du dein komplettes Leben nach mir ausgerichtet, selbst jetzt tust du’s noch, jetzt gerade in diesem Moment, weil du nur danach fragst, was ich will, obwohl du hierhergekommen bist, um über meine Crew, mich und dich zu sprechen.“ Der andere entgegnete nichts. „Weißt du, ich habe mich geirrt. Ich will nicht, dass alles so bleibt, wie es ist. Ich weiß nicht, warum du immer so extrem Rücksicht auf mich nimmst, aber ich will das nicht mehr. Ich bin doch kein Kleinkind und ich will auch nicht, dass du mich wie eins behandelst; ich will, dass du mich als ebenbürtig, als gleichberechtigt, ansiehst. Ich will nicht, dass du dich verstellst oder mir Dinge verheimlichst, nur weil du meinst, auf mich Rücksicht nehmen zu müssen, denn dann passiert so ein Scheiß wie auf Applenine, oder wie mit den anderen eben. Du musst mit mir keine komplizierten Gedankenspiele spielen, Dulacre – die pissen mich nur an und ich verstehe sie eh nicht – sag mir einfach, was du sagen willst. Sag mir, was du mit diesem Gespräch hier erreichen willst. Was willst du?“ Beinahe verzweifelt riss er die Arme auseinander, redete sich um Kopf und Kragen und hatte keine Ahnung, ob der andere verstand, denn meistens, wenn Zorro viele Worte brauchte, war der andere wieder so unglaublich kompliziert. Aber der Ältere sah ihn einfach nur an, ehe er sich den Bart rieb und sich zurücklehnte. „Du hast Recht“, flüsterte er fast schon bedächtig und wandte den Blick ab. „Du hast mit allem Recht. Ich war immer schon jemand, der nie auf andere Rücksicht genommen hat, selbst nicht auf die, die mir wichtig waren. Ich war immer jemand, der genau wusste, was er wollte und was nicht, und wenn ich etwas wollte, habe ich mir das auch stets genommen, mit einer einzigen Ausnahme.“ Seufzend rieb er sich durchs Gesicht. „Nur ein einziges Mal in meinem Leben, habe ich mir nicht genommen, was ich wollte, was ich begehrte, deinetwegen, weil ich mir sicher war, dass du damit nicht würdest umgehen können. Ich habe damals entschieden, dass es nicht darum geht, was ich will, sondern dich so gut zu unterstützen, wie ich es kann, ziemlich selbstlos für einen so selbstbezogenen Menschen wie mich.“ Dulacre schmunzelte und schüttelte den Kopf. „Aber machen wir uns nichts vor, ich habe es nur getan, weil ich dich nicht verlieren wollte, deswegen habe ich so viel Rücksicht geübt, weil egoistische Menschen wie ich nicht in der Lage sind, andere Menschen lange in ihrem Leben zu halten.“ Zorro hatte wieder einmal das Gefühl, dass der andere etwas zwischen den Zeilen sagte, was er verstehen sollte, aber er tat es nicht. Allerdings verstand er genug. „Und das war ziemlich dumm“, urteilte er kalt. „Ich habe dir doch schon tausendmal gesagt, dass ich meine Entscheidungen selbst fälle, ich habe entschieden dich um Hilfe zu bitten und auch alles andere. Mir ist sehr bewusst, was für ein arroganter Arsch du bist und auch, dass du nicht gerade zu der gutmütigen Sorte Mensch gehörst. Ich wollte nie, dass du dich meinetwegen verstellst.“ Langsam nickte der andere. „Also soll ich es einfach sagen?“ „Ja!“, bekräftigte Zorro mit einem leisen Stöhnen. „Das würde es zumindest ein einziges Mal leichter machen.“ „Tze“, schnalzte der andere mit der Zunge, „es ist eher schockierend, dass du es dir nicht denken kannst, nachdem ich mich dir bereits vollends entblößt habe. Selbst du kannst nicht so einfältig sein und meine ausdrücklichen Avancen missverstehen.“ Zorro sah unbeeindruckt zu ihm hinab. „Und wieder einmal unterschätzt du mich – oder überschätzt, ach keine Ahnung – ich habe auf jeden Fall keine Ahnung, was du mit diesem Gespräch hier bezweckst, was du von mir willst.“ „Das kannst du nicht ernst meinen, Lorenor! Es ist doch so offensichtlich!“ „Na, für mich nicht“, knurrte er ungehalten, „und anstatt mir wieder mal eine Szene zu machen, könntest du mir auch einfach sagen, was du willst!“ „Oh mein Gott, Lorenor, das ist doch nicht so schwer zu verstehen!“ Leicht verzweifelt zuckte nun der andere mit seinen Schultern. „Ich will dich!“ „Wa.. was?“ Nun war Zorro der Sprachlose zwischen ihnen. „Ja, jetzt schau doch nicht so überrascht. Du meine Güte, hast du das nach all dem etwa immer noch nicht begriffen?“ Kopfschüttelnd rieb der Samurai sich übers Gesicht, verweilte mit der Hand über Kinn und Mund. „Mein Gott, was mache ich hier? Du bist so naiv und ahnungslos, so unwissend unerfahren. Was ist nur aus mir geworden? Ich komme mir vor wie ein Triebtäter, als würde ich einen Geistlichen verführen wollen, oder gar ein Kind!“ „Hey!“, warf er genervt ein. „Hör auf damit! Ich bin kein Kind! Ich bin erwachsen und das schon lange genug. Ich mag zwar jünger als du sein, aber behandle mich nicht wie ein ahnungsloses Gör!“ „Aber du benimmst dich wie eines, Lorenor! Ich bitte dich, wie kannst du nach allem, was ich dir gesagt habe, nicht verstanden haben, dass das Einzige, was ich will, du bist?! In meinem Kopf habe ich Fantasien, wie ich morgens neben dir aufwache, wie du abends nach einem langen Trainingstag zu mir an den Kamin kommst, wie wir Stunden bei Wein und Kerzenschein diskutieren, uns unterhalten, wie wir all die unschuldigen und die nicht so unschuldigen Dinge tun, die erwachsene Menschen miteinander tun.“ Einen Moment schloss der andere die Augen und schüttelte den Kopf, ehe er Zorro wieder ansah. „Wenn du mich fragst, was ich will, was ich wirklich will, dann ist die Antwort, dass ich dich in meinem Leben will, aber nicht nur wie bisher, nicht wie es jetzt ist. Ich würde so viel mehr wollen, als du mir geben kannst, und deswegen behandle ich dich wie ein Kind, weil du dir das noch nicht mal vorstellen kannst, weil du dir noch nicht mal vorstellen kannst, wie sehr ich mich nach dir in meinem Leben sehne.“ Dulacre erhob sich, als wollte er etwas tun, und setzte sich dann jedoch wieder. „Aber mir ist natürlich bewusst, dass ganz unabhängig von dem, was ich will, du zu deiner Crew gehörst. Meine Fantasien sind nicht mehr als das, Fantasien. Dein Platz ist hier bei ihnen, wo du sie beschützen kannst, und ich bin nur der ehemalige Lehrmeister, den du eines Tages besiegen wirst, um deinen Traum erfüllen zu können, nicht mehr als eine Randnotiz in den Chroniken deines Lebens, ein schlichtes Mittel zum Zweck.“ Nicht! Da war es schon wieder, irgendetwas hatte der andere gesagt, was Zorro absolut nicht mochte. Etwas, das ihn wütend machte. So wie während ihres letzten Gesprächs am Heck des Schiffes. Es war das gleiche Gefühl wie in dem Moment, als der Koch den Samurai aus der Kombüse hatte werfen wollen. „Aber wenn du mich fragst, was ich will, dann ist es eine Beziehung mit dir zu führen, jetzt, da du mir doch so deutliche Andeutungen gemacht hast, dass du meine Gefühle erwiderst. Ich möchte dich in aller Öffentlichkeit küssen dürfen, einen Platz an deiner Seite haben und auf deine Entscheidungen einwirken dürfen.“ Fast schon fassungslos lachte Dulacre einen Moment auf, als wäre er über seine eigenen Worte schockiert. „Oh Gott, ist das nicht erbärmlich? Ich sehne mich nach einer Beziehung mit meinem ehemaligen Schüler, der noch fast ein Kind ist, nur damit irgendsoein vermaledeites Rotzbalg mich nicht zurecht eines crewinternen Gespräches verweisen kann. Dennoch, der Smutje hat Recht: als dein ehemaliger Lehrmeister bin ich nicht viel mehr als irgendein Außenstehender, irgendein Bekannter. Uns verbindet noch nicht mal eine Allianz; mein Status auf diesem Schiff ist geringer als der von Trafalgar Law.“ Es schien, als wäre diese Aussage für den anderen das Schlimmste an der ganzen Situation, als seine kratzige Stimme bei Trafos Namen brach und er danach zitternd nach Luft schnappte. „Aber wenn ich den Status als dein Partner hätte, dann… dann wäre ich vielleicht nicht mehr so eifersüchtig auf sie, die sich alle deine Crewmitglieder nennen dürfen. Dann wäre vielleicht all das für mich einfacher, weil ich wüsste, dass du meine Gefühle erwiderst und ich einen Stellenwert in deinem Leben habe, der über ein Mittel zum Zweck hinausgeht.“ Zorro wandte sich ab, wusste wieder mal nicht, wie er mit diesen deutlichen Emotionen des anderen umgehen sollte, während er ihn aus dem Augenwinkel im Blick hielt. „Also, wenn du mich fragst, was ich wirklich will, Lorenor, dann ist es genau das, einen Titel, der meinen Platz an deiner Seite nicht mehr streitig macht. Ein Status, der unseren Gefühlen entspricht und den selbst der Smutje nicht mehr hinterfragt. Eine Bezeichnung, die mir das Recht gibt, dich anzurufen, wann ich möchte, dich zu belehren, wann ich es für richtig halte. Ich möchte einfach mehr sein als eine Anekdote deiner Vergangenheit und das Omen deiner Zukunft. Du fragst mich, was ich will, und das ist die Antwort. Ich wünschte ich dürfte dich meinen Sozius nennen.“ „Deinen was?“ Dulacre neigte leicht den Kopf und seine Augenbraue zuckte gefährlich, während er seine Lippen schürzte. „Ich schütte dir hier gerade mein Herz aus und von allem, was ich dir gesagt habe, ist es meine Ausdrucksweise, die dich stört?“ Zorro schüttelte unbeeindruckt mit dem Kopf. „Keine Ahnung, ich weiß nicht, was Sozius bedeutet.“ „Aber das habe ich dir erklärt! Vor dreizehn Monaten, als wir uns über…“ „Du erwartest ernsthaft, dass ich irgendeinen Begriff, den du vor über einem Jahr mal erwähnt hast, vermutlich in einem komplett anderen Zusammenhang, jetzt noch weiß?“ „Natürlich erwarte ich das, schließlich habe ich dich ausgebildet! Ich erwarte von meinen Schülern…“ Dulacre brach ab und senkte den Blick mit einem leisen Seufzer, den seine brüchige Stimme kaum tragen konnte. „Aber du bist nicht mehr mein Schüler.“ „Nein, das bin ich nicht“, stimmte Zorro zu und für einen Moment schwiegen sie beide, „und wenn ich ehrlich sein soll, macht es mich ziemlich wütend, wenn du das alle zwei Sätze auch noch betonen musst.“ Der andere sah nicht auf. „Denn für mich… verdammt nochmal, bis gestern hast du mich noch unterrichtet und wir haben fast jeden Abend über alles Mögliche diskutiert und das soll nun vorbei sein, nur weil ich nicht mehr auf Kuraigana bin? Ist doch alles totaler Mist. Und ich sehe es nicht ein, wenn der Koch dich als Außenstehender bezeichnet, denn das bist du nicht, nicht für mich. Du bist für mich immer noch mein Lehrmeister.“ Seufzend ließ er sich an der Reling hinabgleiten und setzte sich auf den Boden. „Aber die Wahrheit ist, eigentlich… ich hab dich zwar immer als mein Lehrmeister akzeptiert, aber gleichzeitig mich nie als deinen Schüler gesehen…“ Er konnte aus dem Augenwinkel sehen, dass der andere ihn nun beobachtete. „Ich mag nicht, wenn man mir sagt, was ich tun und denken soll, und ich kann es auch nicht leiden, wenn man mir versucht vorzuschreiben, in welcher Beziehung ich zu anderen stehen soll. Ja, auf Kuraigana magst du der Lehrmeister und ich der Schüler gewesen sein, aber wenn wir ehrlich sind, habe ich mich dir doch nur im Training untergeordnet, und selbst da manchmal nur widerwillig.“ Er betrachtete seine rauen Hände, die hart erarbeiteten Schwielen, die er im dämmrigen Licht der anbrechenden Nacht kaum noch ausmachen konnte. „Aber Kuraigana ist vorbei, du bist nicht mehr mein Lehrmeister und… und das ist scheiße.“ Nun lehnte er den Kopf zurück gegen die Reling. „Ich verstehe es selbst kaum, aber ich will nicht, dass du oder der Koch Recht haben. Ich will nicht, dass sich die Dinge verändern und kompliziert werden, gleichzeitig bin ich froh, mich dir nicht mehr unterordnen zu müssen; ich möchte, dass wir ebenbürtig sind. Ich möchte dir ebenbürtig sein, auch wenn ich es kämpferisch vielleicht noch nicht bin, so möchte ich doch, dass wir auf Augenhöhe miteinander reden.“ „So, wie jetzt?“ „Ja“, nickte er, „so wie jetzt. So wie wir es auf Kuraigana auch immer gemacht haben, obwohl du mein Lehrmeister warst, und das möchte ich auch weiterhin, egal was passiert und egal, wie viel Zeit vergeht, auch nachdem ich dich besiegt habe, und ich möchte das vor niemandem rechtfertigen müssen, erst recht nicht vor dem Koch. Warum interessiert dich überhaupt, was er einzuwenden hat? Um ihn geht es doch gar nicht.“ Mit geschlossenem Auge dachte Zorro über die vergangenen Stunden und Tage nach, über die Zeit bei seiner Crew und wie er immer wieder an seinem Nacken nach der Goldkette gesucht hatte, die er doch sorgfältig in seiner Bauchbinde versteckt hatte. Schweigsam erinnerte er sich an diese seltsamen Momente und diese noch seltsameren Gedanken, die er gehabt hatte. „Lorenor?“, fragte der andere nach, doch Zorro schüttelte nur langsam den Kopf. „Weißt du“, murmelte er, „auch ich habe… Fantasien oder wie du das genannt hast. Nicht so einen Mist wie du, aber… aber nachdem ich mit den anderen aufgebrochen war, da habe ich… keine Ahnung wie ich es beschreiben soll. Es gab Momente da dachte ich, du wärst da, mit an Bord, ich habe darauf gewartet, dass du etwas sagst oder irgendwie anders reagierst, habe mich nach dir umgesehen oder wollte dir etwas sagen und dann… dann warst du nicht da und irgendwie war das echt ein seltsames Gefühl und irgendwie habe ich mich echt gefreut darauf, dich auf Applenine zu treffen, einfach nur, um mit dir zu reden und eine Runde Schach zu spielen, die ich auf jeden Fall verlieren würde.“ Seufzend lehnte er sich wieder vor und betrachtete seine Hände im schwindenden Dämmerlicht. „Vielleicht hat mich das am meisten an der ganzen Sache angepisst. Nicht so sehr, dass du mir wegen Eizen misstraut hast, sondern viel mehr, dass du mit Hintergedanken dieses Treffen veranstaltet hast und nicht einfach, weil du es wolltest, so wie ich es einfach wollte, ohne irgendwelche tieferen Gründe.“ Er konnte hören, wie der andere zum Sprechen ansetzte, aber er sagte nichts. Erst nach einem Moment sprach Dulacre dann doch: „Warum sagst du mir das jetzt? Worauf willst du hinaus, Lorenor?“ Überraschenderweise musste Zorro darüber gar nicht lange nachdenken. „Du hast Recht, ich weiß nicht wirklich, was du von mir erwartest oder was genau du willst.“ Nun sah er Dulacre an, der seinem Blick ausdruckslos begegnete. „Aber ich glaube schon, dass ich dich verstehe, zumindest zum Teil. Denn auch ich möchte dich anrufen können, ohne… einfach nur, weil ich es will, ohne einen guten Grund dafür haben zu müssen. Ich möchte mich nicht rechtfertigen müssen, wenn ich will, dass du bei Entscheidungen dabei bist. Ich möchte auch nachdem ich dich besiegt habe, dass ich… dass die Dinge sind wie jetzt, dass du und ich miteinander reden, so wie jetzt.“ Dulacre kniff die Augen leicht zusammen und neigte den Kopf, zeigte deutlich, dass er Zorros Worte entweder nicht verstand oder ihnen nicht traute. „Aber auch nicht ganz so wie jetzt. Ich will nicht mehr, dass du mich wie ein Kind behandelst, wie einen Schützling, den du behüten musst, denn das bin ich nicht, nicht mehr. Ich bin erwachsen und ich will, dass du das akzeptierst und respektierst. Ich mag schlichter sein als du, unerfahren und in manchen Sachen vielleicht wirklich etwas naiv, aber ich bin weder dumm noch unschuldig. Ich bin kein Kind und ich bin auch nicht mehr dein Schüler. Ich bin Pirat und ein erwachsener Mann, also entweder du siehst mich als Rivalen an oder als… ach verdammt, das bedeutet Sozius.“ Er rieb sich durchs Gesicht, als er sich an ein längst vergangenes Gespräch über Vertragspartner erinnerte und wie nervig unpassend diese Erinnerung für diese Unterhaltung war. „Ach, Mensch, du könntest auch mal was sagen, anstatt mich immer um Kopf und Kragen reden zu lassen. Du weißt doch auch, dass mir sowas nicht liegt.“ Mehrere Sekunden konnte er nichts hören, außer seinem eigenen Atem und die sanften Wellen. Mittlerweile war es so dunkel, dass er nur noch die Umrisse des Schiffs um sich ausmachen konnte. Erneut holte Dulacre Luft und setzte zwei Mal zum Sprechen an, ehe er es schließlich schaffte: „Ich habe die Sorge, dich falsch zu verstehen, Lorenor. Möchtest du mir gerade sagen, dass du tatsächlich darüber nachdenkst eine Beziehung mit mir einzugehen?“ Zorro sah auf und bemerkte, wie die Falkenaugen selbst in der Dunkelheit noch beinahe golden schimmerten. „Ich weiß nicht, ob das, was ich will, genug für dich ist“, gestand er dann schließlich ein. „Aber… ach verdammt, das hier ist so nervig! Es war eine Sache über meine Gefühle nachzudenken, aber das hier stand eindeutig nicht auf meiner Liste. Ich habe einfach keine Ahnung, wie ich meine Gedanken gerade ausdrücken soll.“ Er zuckte geschlagen mit den Achseln. Es war ein langer Tag gewesen und langsam schien ihn sein Kopf im Stich zu lassen und das, nachdem er doch gerade noch darauf bestanden hatte, nicht dumm zu sein. „Dann sprich einfach, ohne sie vorher zu erörtern“, bot Dulacre an, so wie er es immer tat, und neigte leicht den Kopf, seine Stimme mittlerweile so brüchig wie am vergangenen Tag. „Ich werde versuchen, dich zu verstehen.“ Einen Moment sahen sie einander nur an, dann nickte Zorro und erhob sich, begann vor dem anderen auf und ab zu wandern, und dann sprach er einfach aus, was er dachte, ohne überhaupt zu versuchen, es zu begreifen. „Ganz ehrlich, ich habe nicht die Fantasie, dich in der Öffentlichkeit – oder sonst wo – küssen zu wollen, aber dennoch, die Idee, dass du jemand anderen küsst, gefällt mir nicht. Die Idee, dass du jemand anderen so ansiehst, wie mich kurz vor einem Kampf oder wenn wir über irgendwelche Themen diskutieren, dass du gegen jemanden lieber kämpfen wollen würdest als gegen mich, das will ich nicht. Ich mag nicht, wenn du und Robin diese vielsagenden Blicke wechselt, weil ich diese Blicke nicht verstehe und auch, wenn mich so etwas früher echt nie gestört hat, jetzt nervt es mich, wenn ich bemerke, dass du etwas anderes meinst, als du sagst, ich aber nicht verstehen kann, was.“ Er hielt inne und sah zum Samurai hinab. „Ich möchte, dass wir einander ebenbürtig sind, und ich möchte mir keine Gedanken darum machen, ob wir einander nahegenug stehen, dass meine Crew dich akzeptiert oder Jiroushin mir Bescheid geben würde, falls du Scheiße gebaut hast. Ich will nicht darüber nachdenken müssen, ob du aus Angst, Rücksicht oder aus was für einem Scheiß auch immer gerade wieder mit den Worten spielst oder mir nicht die ganze Wahrheit sagst. Auf Kuraigana mögen die Dinge anders gewesen sein. Aber jetzt bin ich halt nicht mehr auf Kuraigana und das wird sich die nächste Zeit auch nicht ändern, daher…“ Er begann wieder weiter auf und ab zu wandern, als würde die Bewegung es ihm leichter machen. „Wenn ich ganz ehrlich bin, halte ich von Romantik und diesem ganzen Kitsch nicht sonderlich viel und abgesehen von diesen komischen Büchern – die ja scheinbar nicht realistisch sind - weiß ich nicht wirklich, was es bedeutet, eine Beziehung zu führen. Ich weiß nicht wirklich, was es bedeutet ein Sozius zu sein. Aber… aber…“ „Aber was?“ Dulacre klang ungewohnt sanft. Erneut zuckte Zorro mit den Achseln. „Aber ich denke, ich… es käme halt auf einen Versuch an, oder?“ „Wie bitte?“ „Ja.“ Er nickte langsam. „Für mich bist du kein Außenstehender, aber du bist auch nicht mehr mein Lehrmeister, aber einfach nur ein Freund, ein Verbündeter bist du auch nicht. Ich brauche keinen Namen oder Titel, ich brauche keine Worte, um meine Gedanken und Gefühle auszudrücken, aber wenn das für dich notwendig ist, dann soll es mir recht sein.“ Vor Dulacre blieb er stehen. „Und wenn das dir ausreicht, wenn du verstehst, dass das hier nichts an meiner Loyalität meiner Crew gegenüber ändert, und wenn du akzeptierst, dass ich keine Ahnung habe, wie so ein Scheiß abläuft und was du von mir erwartest, dann ja, ich bin dabei.“ Für einen Moment sah der andere ihn einfach nur an, als ob er Zorro nicht verstehen würde, dabei hatte er das Gefühl, sich klar ausgedrückt zu haben. „Du… du möchtest eine Beziehung mit mir eingehen?“, fragte er nach. „Eine richtige Beziehung?“ „Das habe ich doch gerade gesagt“, murrte Zorro entnervt, weil der andere jetzt doch irgendwie genau so reagierte, wie die Charaktere in den dämlichen Schnulzen des dämlichen Kochs. „Mach da jetzt nicht so ein großes Ding draus.“ „Aber… bist du dir wirklich sicher, dass du dich an mich binden willst, Lorenor? Wenn man mal davon absieht, dass ich ein besessener Kontrollfreak bin, würde eine solche Beziehung mit Sicherheit nur meine Eifersucht stärken.“ „Was willst du denn jetzt?“, entgegnete Zorro sowohl entrüstet als auch noch genervter, sofern das überhaupt möglich war. „Hast du nicht gesagt, dass das genau das ist, was du willst? War das nicht genau das, was du wolltest? Hast du nicht eben noch gesagt, dass du dann vielleicht nicht mehr so eifersüchtig wärest, und jetzt machst du einen Rückzieher? Nachdem ich mir hier die ganze Zeit den Mund fusselig geredet habe?“ „Nein, aber…“ „Ich weiß, was für einen beschissenen Charakter du hast“, unterbrach er die brechende Stimme des anderen mit Leichtigkeit, aber auch, weil der andere ihn gerade wieder einmal zur Weißglut trieb. „Ja, du bist ein Mistkerl, ich weiß das und trotzdem bin ich hier, trotzdem war ich all die zwei Jahre auf Kuraigana, und es ist nicht so, als wäre ich ein Unschuldslamm. Manchmal denke ich, du vergisst, was ich in meinem Leben schon alles getan und verbrochen habe. Aber wie gesagt, ich komme damit schon klar. Ich komme mit dir und deinem beschissenen Charakter und meinetwegen auch mit deinen beschissenen Fantasien klar.“ „Aber Lorenor, du hast keine Ahnung, worauf du dich einlässt. Du redest davon eine Beziehung mit mir einzugehen, obwohl du kaum weißt, was eine ist, obwohl du noch so unerfahren und unwissend bist. Ich bin doppelt so alt wie du, Lorenor, und auch wenn ich selbst ebenfalls nie vorhatte mich in einer Beziehung niederzulassen, so habe ich doch Erfahrungen gesammelt, die du vielleicht nie haben wirst, die du vielleicht noch nicht mal willst. Ich bin mit Sicherheit kein…“ „Hör mal auf“, unterbrach Zorro den Älteren, als dieser anfing, vom Hölzchen aufs Stöckchen zu kommen, „das ist doch alles total egal. Dann bist du halt älter, na und? Deine Kontrolle ist trotzdem schlechter als meine. Dann bin ich eben unerfahren, na und? Ich werde dich trotzdem besiegen. Nichts davon bedeutet doch, dass du mich zu irgendetwas zwingst oder ich mich zu irgendetwas zwingen lassen würde. Denn wenn ich dich erinnern darf, bisher habe ich immer die Entscheidungen getroffen.“ „Wie bitte?“ „Ja klar, das habe ich doch eben gesagt! Ich habe dich um Hilfe gebeten, ich habe entschieden, von dir lernen zu wollen. Ich habe entschieden auf Kuraigana zu bleiben und zu gehen. Ich habe entschieden, dir von meinen Gefühlen zu erzählen und ich habe entschieden, eine Beziehung mit dir eingehen zu wollen. Das sind alles meine Entscheidungen, du hast mich zu nichts gezwungen oder überredet. Im Gegenteil, mich kotzt es an, wie rücksichtsvoll du mir immer gegenüber bist und wie sehr du dich immer zurücknimmst; ist echt anstrengend. Und wenn es eine beschissene Beziehung braucht, damit du mit diesem Mist aufhörst, dann machen wir das halt!“ „Kann es sein, dass du meine Bedenken nicht ernst nimmst?“ „Wenn das deine Bedenken sind, dann nein. Wir wussten beide von Anfang an, dass du ein verdorbener Mistkerl bist und was dieses Problem mit dem Alter soll, habe ich eh noch nie verstanden. Ich verstehe um ehrlich zu sein auch nicht, warum du jetzt alles wieder so kompliziert machst. Du hast eben gesagt, dass du eine Beziehung mit mir willst und ich bin einverstanden. Warum machst du jetzt also wieder so eine Sache draus? Ist nicht alles gesagt? Wir haben irgendwelche komischen Gefühle füreinander, die in diesen unrealistischen Schnulzen Liebe genannt werden, wir sind in irgendeiner seltsamen Beziehung miteinander, damit du deinen beschissenen Titel eines Sozius hast, und alle sind glücklich!“ „Was hast du gerade gesagt?“ Dulacre erhob sich und sah ihn mit großen Augen an. „Hast du das gerade ernst gemeint?“ Ja, was hatte er denn gesagt? Zorro konnte sich kaum daran erinnern. Dafür hatte er an diesem Abend schon viel zu viel gesagt und der andere war wieder so unglaublich kompliziert, dass Zorro wieder unglaublich viele Worte brauchte, um sich verständlich zu machen. Aber die Art, wie Dulacre ihn gerade ansah, gab ihm eine Gänsehaut. „War das gerade kein Witz? Hast du diese Worte gerade wirklich ausgesprochen? Du hast dich nicht über mich lustig gemacht? Du liebst mich?“ Hilflos zuckte er nur mit den Schultern. „Was soll das denn jetzt wieder?“, murrte er. „Es ist nur irgendein Wort, mach da nicht so ein Ding draus.“ Doch der andere wirbelte herum und brachte mehrere Meter Abstand zwischen sie. „Was ist denn jetzt kaputt?“, murrte Zorro und schritt ihm nach, doch Dulacre erhob eine Hand und Zorro hielt inne. In der Dunkelheit konnte er kaum noch was ausmachen, aber das hektische Hin und Her der selbst jetzt noch auffallend hellen Augen konnte er sehen, den schweren Atem des anderen hören, bevor er sich mehrfach räusperte. „Hey, kippst du mir jetzt gleich wieder um?“, fragte er leicht unruhig und konnte nicht verhindern an jenen Moment vor wenigen Tagen zurückdenken zu müssen. „Sag mal was, sonst hol ich Chopper.“ „Könntest… könntest du mir einfach einen Moment geben?“, bat der anderer mit heiserer Stimme. „Was ist denn los?“ So hatte er den anderen noch nicht erlebt, so… schweigend. „Was los sein soll?“ Nun wandte Dulacre sich ihm wieder zu, hielt aber den Abstand, sodass Zorro kaum seine Gesichtszüge ausmachen konnte. „Ich habe so lange gefürchtet dich zu verlieren, aufgrund meiner Gefühle und jetzt… ich bin etwas überfordert, Lorenor. Ich hätte nicht gedacht, in meinem Alter nochmal so etwas zu erleben, eine Beziehung mit dir zu führen. Ich fühle mich wie ein dummer Teenager und glaube mir, ich war nie ein dummer Teenager.“ „Wenn du anfängst, mir irgendwelche peinliche Kosenamen zu geben, hast du die längste Zeit eine Beziehung mit mir geführt“, entgegnete er unwirsch. „Ganz ehrlich, denk gar nicht erst dran, jetzt mit irgendeinem kitschigen Mist wie aus diesen Schnulzen um die Ecke zu kommen.“ Nun kam der andere auf ihn zu und blieb direkt vor ihm stehen. „Glaubst du wirklich, dass ich an romantischem Kitsch Gefallen finden würde? Ach bitte, Kosenamen sind etwas für fröhliche Zeitgenossen wie deinem Kapitän oder Jiroushin. Ich habe gewiss nicht vor, dich in aller Öffentlichkeit meinen Liebhaber oder meinen Wildfang zu nennen, tze, so ordinär. Aber einen Titel möchte ich dennoch, einen angemessenen, natürlich. Partner oder Sozius würden sich eignen, wenn du keine Einwände hast, klassisch und zeitlos.“ Zorro merkte, wie seine Wangen warm wurden, als der andere ihn wie immer mit seinen stechenden Augen betrachtete und innerhalb eines Atemzuges wieder Souveränität in Person war. „Du hast echt einen verdammten Stock verschluckt, weißt du das?“, murrte er, ehe er abwinkte. „Wenn’s dich glücklich macht, mir soll es egal sein. Ich werde dich eh weiterhin so nennen, wie es mir passt.“ „Nichts Anderes hätte ich erwartet“, entgegnete Dulacre mit seinem gefährlichen Schmunzeln, auch wenn seine Stimme da schon lange nicht mehr mithalten konnte. „Allerdings würde ich es begrüßen, wenn du mich nicht mehr ganz so oft beleidigen würdest.“ „Wenn du aufhörst, wie ein abgebrochener Lackaffe zu reden, sofort“, widersprach er unbeeindruckt und verschränkte die Arme. „Aber jetzt, da wir doch tatsächlich alles geklärt hätten, solltest du dich wirklich eine Runde aufs Ohr hauen. Du hörst dich echt beschissen an.“ „Tze, und immer noch unhöflich wie eh und je“, bemerkte der andere. „Keine Sorge, ich beabsichtige nicht, noch lange aufzubleiben. Tatsächlich bin ich recht müde und alleine bei der Vorstellung, vor Sonnenaufgang aufzustehen, graut es mir bereits. Aber zuvor, darf ich dich um etwas bitten?“ Als Antwort hob Zorro nur eine Augenbraue an, wissend, dass der andere auch in der Dunkelheit seine Mimik noch gut erkennen konnte. „Wenn wir nun eine Beziehung führen, darf ich dich küssen?“ „Wirst du jetzt zu so einem nervigen Vollidioten wie der Koch, wenn der ‘nem Rockzipfel hinterhergeiert?“ Nun lachte der Ältere leise auf und wirkte etwas mehr, wie Zorro ihn kannte. Aber es war der Blick, den der andere ihm schenkte, so wie Dulacre nur ihn ansah, der ihm eine Gänsehaut über den Rücken trieb. „Oh bitte, das würde mir meine gute Erziehung verbieten. Aber ich finde, nach deinem kläglichen Versuch von vorhin, sollte ich dir vielleicht zumindest dieses eine Mal zeigen, wie so etwas richtig geht. Nicht, dass du dich nochmal so blamierst.“ Sie sahen einander an und Zorro konnte spüren, wie die Gier in ihm wuchs. Er wollte kämpfen, er wollte so sehr gegen ihn kämpfen, er wollte so sehr seinen Willen an dem des anderen messen. Endlich verstand er, was Dulacre damit gemeint hatte. „Du bist so nervig“, murrte er, trat jedoch auf den anderen zu, sodass keine Handbreit mehr zwischen ihnen war, „meinetwegen, dann zeig mir, wie es richtig geht, du Mistkerl.“ Der andere beugte sich zu ihm hinab. „Aber danach gehst du ins Bett!“, knurrte er. Dulacre schmunzelte gefährlich. „Du weißt wirklich die Stimmung aufrechtzuerhalten, Lorenor.“           Kapitel 33: Kapitel 33 - Sonnenaufgang -------------------------------------- Kapitel 33 – Sonnenaufgang   -Zorro- „Einen schönen guten Morgen, Lorenor. Ich hatte dich zu so früher Stunde hier nicht erwartet?“ „Ich hatte Nachtwache“, entgegnete er kühl, während der Samurai gähnend zu ihm auf die Wiese kam und sein Schwert am Mast ablegte. Im schwachen Licht der nahenden Morgendämmerung konnte er die Gesichtszüge des anderen kaum erkennen. „Wieder einmal? Warum hast du überhaupt eine Koje, wenn du sie eh nie nutzt?“ „Warum hast du eine gute Erziehung, wenn du sie eh nie nutzt?“ „So unverschämt.“ Nun war der andere nahe genug, dass Zorro sein Grinsen sehen konnte. Er sah immer noch recht bleich aus und klang immer noch nicht so, wie Zorro es gewohnt war, aber bei weitem nicht mehr so schlecht wie in den vergangenen Tagen. „Hat Chopper dich entlassen?“ „Widerwillig“, gestand der Ältere ein, „aber er hat meinen Beweggründen zugestimmt, nachdem ich versprach, mich die nächsten Tage regelmäßig zu melden und meine Medikamente zu nehmen. Wirklich ein kleiner Sturkopf, er hat mir tatsächlich einen Ernährungsplan aufgeschwatzt und kein Wein für mindestens zwei Monate, ich bin entsetzt.“ „Tut mir leid, dass mein Mitleid sich in Grenzen hält, nachdem du mich fast ein halbes Jahr zur Abstinenz gezwungen hast.“ „Du bist so grausam, Lorenor.“ „Du wusstest, worauf du dich einlässt, für Beschwerden ist es jetzt zu spät.“ Der andere lachte kurz, ehe er ernst wurde. „Pass gut auf dich auf, Lorenor. Ich werde ein Auge auf deine Vivre Card halten.“ „Tze, glaubst du wirklich, dass de Flamingo so ein Problem wird?“ Dulacre rollte mit den Augen. „Wir beide wissen, dass meine Sorge nicht diesem Federvieh gilt. De Flamingo sollte für dich keine Herausforderung darstellen, Eizen hingegen…“ „Jetzt mach dir mal nicht ins Hemd. Wir haben einen Plan und es wird schon alles gutgehen und wenn doch nicht…“ Zorro grinste ihn an. „…dann bin ich schon ganz gespannt zu sehen, wie stark du sein kannst, wenn du deine Kontrolle aufgibst.“ Im schwachen Licht des kommenden Tages blitzten die Falkenaugen gefährlich auf. „Die meisten Menschen würden sich davor fürchten, mich in einem solchen Zustand zu erleben.“ „Ich bin nicht wie die meisten Menschen.“ Noch eine Sekunde sah der Ältere ihn an, ehe er nickte und sich zum Gehen wandte. „Sollte ich nichts von dir oder Jiroushin hören, werde ich kommen, Lorenor. Egal was passiert, halte bis dahin aus, ganz gleich, was du tun musst. Sollte dein Plan nicht aufgehen, werde ich dich retten.“ „Tze, hör auf so zu tun, als wäre ich eine Jungfrau in Nöten.“ Der andere hob nur eine Augenbraue an. „Solltest du von Eizen oder der Weltregierung gefangen genommen werden, wirst du alle Merkmale einer Jungfrau in Nöten erfüllen, Lorenor.“ „Ach, halt doch die Klappe.“ „Melde dich ab und an; du weißt, ich mache mir schnell Sorgen. Bis dann, Lorenor.“ „Warte.“ Der andere blieb stehen. „Was denn? Du bist doch niemand, der rührselige Abschiede begrüßt.“ „Ich habe noch eine Frage an dich.“ Offensichtlich überrascht wandte der Samurai sich um. „Um was geht es?“ Zorro zog den winzig klein gefalteten Zettel hervor und reichte ihn dem Älteren. „Erkennst du diesen Mann?“, fragte er ernst. „Warum fragst du?“, entgegnete Dulacre und nahm das Bild entgegen, hatte offensichtlich den harten Themenwechsel nicht erwartet. „Weißt du, wer er ist?“ Zorro schüttelte den Kopf. „Ich weiß, dass er bis vor circa 15 Jahren bei der Marine war und weil du auch mal ein Soldat warst…“ Er beendete den Satz nicht. „Interessant“, murmelte der Samurai und begutachtete das Bild einen Moment, „ist er wie du?“ „Ja.“ Ein gefährliches Grinsen glitt über die kühlen Züge des anderen. „Welch interessanter Zufall“, bemerkte er dann und sah Zorro an. „Das heißt, du weißt, wer er ist?“ „Ja, er ist ein paar Jahre jünger als ich und trat ebenfalls schon als Kind der Marine bei. Ich erinnere mich an ihn, Jiroushin und er haben sich gut verstanden, die paar Male, die wir uns begegnet sind, obwohl das offiziell natürlich nie geschehen ist.“ Erneut warf er einen Blick auf das Bild, ehe er wieder Zorro ansah. „Und du willst mir wirklich sagen, dass du nicht weißt, wer er ist? Dies ist kein dummer Scherz?“ „Würde ich dich sonst fragen?“, entgegnete Zorro nur. „Wer ist er?“ Immer noch am Grinsen schüttelte der Samurai den Kopf. „Ich dachte nur, im Angesicht eures bevorstehenden Abenteuers. Schließlich wurde er vor über einem Jahrzehnt von niemand anderem als de Flamingo getötet, erschossen, wenn ich mich recht erinnere.“ „Was?“ „Ganz recht. Lorenor, dieser Mann ist nicht irgendwer. Sein Name lautet Don Quichotte Rocinante.“ Klar sahen ihn diese Falkenaugen an. „Er ist de Flamingos kleiner Bruder.“ „Was?“ Ungläubig starrte er den anderen an. „Er hat seinen eigenen Bruder…?“ „Nach meinem Kenntnisstand ja, aber das war bereits, nachdem ich die Marine verlassen habe. Die genauen Umstände sind mir nicht bekannt, aber ich bin mir sicher, dass de Flamingo seinen jüngeren Bruder getötet hat. Warum willst du das wissen, Lorenor? Hat das etwas mit eurem bevorstehenden Kampf zu tun?“ „Nein“, winkte Zorro direkt ab, „das hat nichts miteinander zu tun. Glaub mir, es ist nur ein Zufall.“ Zweifelnd hob der andere eine Augenbraue an. „Bist du dir da sicher? Du zeigst mir ein Bild von de Flamingos verstorbenen Bruder an dem Tag, an dem ihr in einer Allianz mit Trafalgar Law ihn angreifen wollt, und sagst mir, dass dieser jüngere Bruder wiederauferstanden sein soll? Und das soll ein Zufall sein?“ „Es ist mir egal, was es ist, Dulacre. Ich wollte nur jemandem helfen und dachte, du wüsstest was, mehr ist es auch nicht. Ich bin genauso überrascht wie du, das kannst du mir glauben.“ „In Ordnung, ich glaube dir“, nickte der Ältere und reichte Zorro das Bild zurück. „Was hast du nun mit diesem Wissen vor?“ Für einen Moment überlegte Zorro. Damals hatte er keine Möglichkeit gehabt, Comil das Bild zu geben, aber jetzt, da er wusste, wer die Soldatin wirklich war, sollte er sich wohl mit ihnen in Verbindung setzen. „Kannst du Jiroushin fragen, ob er ein Treffen zwischen mir und Comil arrangieren kann?“ Erneut nickte der Samurai, ohne Fragen zu stellen, die Zorro ihm nicht beantworten würde. „Ich werde ihn darum bitten.“ „Danke.“ Es schien, als wollte der Samurai sich wieder zum Gehen wenden, doch mitten in der Drehung hielt er inne, als wäre ihm eine Idee gekommen. „Bevor ich gehe“, murmelte er und wandte sich wieder langsam um, einen Finger nachdenklich an sein bärtiges Kinn gelegt, „würde ich gerne noch etwas ausprobieren.“ Sein Blick fiel auf Zorro und er erkannte den Blick sofort. Was auch immer der andere vorhatte, er würde Zorro vor eine Herausforderung stellen. „Was hast du vor?“ „Du wirst es nicht mögen“, bemerkte der Ältere und schritt auf ihn zu, „aber ich denke, es ist an der Zeit.“ „An der Zeit für was?“, hakte Zorro misstrauisch nach. Er hoffte sehr, dass der andere nicht irgendwelche dreckigen Hintergedanken hatte. Auf so einen Mist hatte er jetzt überhaupt keinen Bock. „Ich habe eine letzte Lektion für dich, Lorenor“, sprach Dulacre und sah ihn ernst an. „Du wirst nochmal mit mir tanzen.“ „Was? Wieso sollte ich…?“ „Lass mich ausreden“, unterbrach er Zorro direkt. „Dank Jiroushins Hilfe konntest du zwar lernen, zu führen, und hast dieses Problem hervorragend gemeistert. Aber seit diesem einen kläglichen Versuch haben wir nicht einmal mehr versucht, ob du nun auch mich führen kannst. Ich denke, es ist an der Zeit, dies erneut auszuprobieren.“ Fassungslos starrte er den anderen an. Er erinnerte sich sehr genau an diese Einheiten. Er erinnerte sich sehr gut daran, als der Samurai festgestellt hatte, dass Zorro anscheinend nicht gewusst hatte, wie man einen Kampf führt, und versucht hatte, ihm das über den Tanz beizubringen. Er erinnerte sich genau an die nervigen Stunden mit Perona, ehe er schließlich versucht hatte, Dulacre zu führen. Er hatte ihn nicht einen Schritt bewegt bekommen, als hätte er versucht, einen Berg mit einem Handfächer zu verschieben. Wäre Jiroushin nicht zur Hilfe gekommen, hätte Zorro vermutlich nie verstanden, worauf sein Lehrmeister hinausgewollt hatte. Mittlerweile wusste Zorro natürlich, wie man einen Kampf führte, kontrollierte, aber seit jenem Training mit Jiroushin hatte er nicht einmal mehr tanzen müssen, erst recht nicht mit dem Samurai. „Ich will nicht“, murrte er. „Ich weiß, wie man einen Kampf führt. Warum sollten wir so einen Mist machen?“ „Ich bin ganz überrascht, dass du das so siehst, Lorenor“, entgegnete der Ältere mit einem gefährlichen Grinsen, „solltest du nicht die Gelegenheit nutzen, so viel über deinen zukünftigen Gegner herauszufinden, wie nur irgendwie möglich? Bist du nicht neugierig, zu sehen, ob du es nun kannst?“ Verdammt! Es gab keine Möglichkeit für Zorro, sich da herauszureden, und Dulacres Grinsen zeigte, dass er das auch ganz genau wusste. Aufschnaubend gab er nach. „Na meinetwegen. Wenn es denn sein muss.“ Wie auf Kommando ging Dulacre in Position und schien Zorro zu erwarten. Er atmete tief ein und schritt nach vorne, ergriff die Hand des anderen und ging ebenfalls in Position. Anders als Jiroushin beugte Dulacre seinen Rücken nicht und dieses Mal ging er auch nicht in die Knie wie damals, er passte seine Körperhaltung nicht im Mindesten an Zorro an. Schon damals hatte er behauptet, nicht gut darin zu sein, geführt zu werden, und nun schien er nur noch unbeugsamer. Zorro schloss sein Auge und holte tief Luft. Wenn er das schon tun würde, dann wollte er es auch schaffen. Er spürte, wie eine Anspannung durch seinen Körper glitt, als seine Muskeln sich an die Haltung erinnerten. Dulacres Hand in seiner war kühl, die Rippen unter seinen Fingern stabil. Zorro wurde bewusst, dass der andere seine Körperhaltung nicht korrigieren würde, also hob er seinen Ellenbogen höher, ohne seine Schulter zu verspannen, streckte seinen Hals. Es gab keine Musik, die ihm Takt oder Rhythmus vorgab. Es gab keine Regeln außer die ganz simple, dass er führen musste, und er musste aufpassen, dass er nicht vom Führenden zum Folgenden würde, dass er sich nicht von den Gedanken seines Gegenübers beeinflussen lassen würde. Als er ausatmete, schaute er zu seinem Partner auf, der seinen Blick unleserlich begegnete. Nichts war mehr zu sehen von dem vorherigen Grinsen, dem vorherigen Schalk. Dulacre nahm diesen Tanz so ernst wie jede Einheit zuvor und Zorro war sich sehr wohl bewusst, dass es hier um viel mehr ging als um einen hässlichen Walzer. Das hier war ein letzter Test, bevor Dulacre ihn als ebenbürtig akzeptieren würde, und Zorro beabsichtigte, ihn zu bestehen. Jedoch wie damals stand Dulacre vor ihm wie der unbezwingbare Berg eines Mannes, nicht gewillt, auch nur einen Schritt zu weichen, nicht gewillt, auch nur einen einzigen Schritt zurückzuweichen. Zorro hielt diesen gelben Augen stand. Sein Gegenüber war jemand, der nie gelernt hatte, sich anzupassen, der nahm, sagte und tat, wie es ihm gefiel. Er war arrogant, selbstbewusst und kannte seine eigenen Stärken und Schwächen perfekt, sein Wille so stark und unbeugsam, dass Zorro es genau spüren konnte. Genau wie damals wusste er auch heute, dass Dulacre niemand war, der folgte, der sich in die Position des Tanzpartners drängen lassen würde. Er war der perfekte Stratege, der nahezu perfekte Schwertkämpfer, der den Kampf kontrollierte, noch bevor er seine Waffe gezogen hatte. Es war schlicht unmöglich, ihn zu führen. Dulacre trat auf ihn zu, gleichzeitig trat Zorro einen Schritt zurück. Dies wiederholte sich, einmal, zweimal, dreimal, dann ein Schritt zur Seite und wieder zurück. Zorro drehte sich auf der eigenen Achse, während der Samurai um ihn herum ging, und wieder einen Schritt zurück, wieder ein Schritt zur Seite, noch ein Schritt zur Seite. Nun eine schnellere Schrittfolge nach hinten, unterbrochen durch eine halbe Drehung, und dann weiter zurück, schneller, zur Seite, zurück, Wiegeschritt, zurück, Drehung, zurück, Schrittwechsel, zurück, Schwebefigur, Drehung, zurück, schneller, zurück, Drehung, nach vorne, zur Seite, Schwebefigur. „So viel Aufwand, für einen einzelnen Schritt“, bemerkte der Samurai mit hochgezogener Augenbraue, klang beinahe gelangweilt, trotz seiner rauen Stimme. Zorro reagierte nicht, erlaubte dem anderen nicht, ihn abzulenken. Ein Fehler und… Nun standen sie da, immer noch standen sie da, auf den Fußspitzen, viel zu lange. Dulacre sah zu ihm hinab, sein Gesicht unleserlich. Er würde nicht einen Schritt zurückweichen und noch hatte der Samurai eindeutig die besseren Reserven, ganz gleich, wie angeschlagen er auch sein mochte. Zorro trat zurück, Schritt zur Seite, Drehung und nach hinten. Zwei schnelle Seitwärtsschritte, ein Schritt zurück, Wiegeschritt, ein Schritt nach vorne und ausdrehen. Er atmete schwer, zwei Schritte gleichsam nach vorne, einen zurück, dann ergriff er wieder die Hand des anderen und blieb stehen, sein ganzer Körper brannte, als hätte er gerade einen Kampf epischen Ausmaßes hinter sich gebracht. „Wirst du so gegen mich kämpfen?“, fragte Dulacre und sah kühl zu ihm hinab. „Denkst du, du könntest auf diese Art den Kampf gegen mich führen?“ Zorros Mund war trocken und seine Kehle kratzig. „In einem Kampf“, flüsterte er, „wirst du nicht bereit sein, zu folgen. Also was für einen Sinn würde es ergeben, dich führen zu wollen?“ Einen Moment begutachtete der andere ihn ausdruckslos, doch dann lachte er auf und ließ ihn los. „Sehr gut, sehr gut“, lachte er und nickte. „Etwas anderes hätte ich nicht von dir erwartet, Lorenor. Hervorragend.“ Zorro lachte nicht, sein Körper brannte immer noch. Das hier war anders gewesen als sein erster Kampf gegen den anderen, warum war es anders gewesen? Damals hatte er sich doch auch nicht… „Du hast dich zurückgehalten“, flüsterte Zorro ungläubig, „bei unserem Kampf auf Kuraigana hast du dich zurückgehalten.“ Das Grinsen des anderen wuchs eine Spur. „Im Rahmen meiner begrenzten Möglichkeiten, natürlich, aber wir beide wissen, dass ich mich nicht wirklich in einem Kampf gegen dich zurückhalten kann, ganz gleich, wie sehr ich es versuche; dafür ist meine Kontrolle zu unzureichend.“ „Was ist es dann?“, murrte Zorro. „Warum ist es… so schwer?“ „Weil du jetzt getan hast, was du tun musst, wenn du jemanden wie mich je besiegen willst, wenn du Kaido besiegen willst. Ich werde nie zulassen, dass du den Kampf kontrollierst, verstehst du? Solange du mit mir um die Kontrolle kämpfst, wirst du verlieren. Das war der Grund, warum du mich zuvor nicht bewegen konntest. Du wolltest führen, aber ich werde nie folgen.“ Dulacre legte ihm eine Hand auf die Schulter und nickte anerkennend. „Ich wusste, dass du es jetzt schaffen könntest, wahrlich faszinierend.“ „Ich verstehe noch nicht mal, was ich getan haben soll“, entgegnete Zorro zweifelnd. „Dies überrascht mich leider auch nicht, wie immer lernst du die kompliziertesten Techniken, ohne sie überhaupt zu begreifen.“ „Ist es das, was du mir nicht beibringen konntest?“, flüsterte Zorro und ignorierte den Seitenhieb. „Diese eine Sache, die ich selber lernen musste?“ Der Ältere neigte nun leicht den Kopf und schmunzelte, als würde er überlegen, ob er Zorro antworten sollte. „Diese Technik, die du gerade angewandt hast, ist die hohe Kunst einen Kampf zu kontrollieren, ohne zu führen.“ Fassungslos sah er den anderen an. „Aber… aber… was?“ Der Ältere gluckste leise, offensichtlich amüsiert über Zorros Verwirrung. „Es ist eigentlich ganz simpel. Sowohl meine als auch Kaidos Kontrolle ist unvollständig. Dies bedeutet auch, dass wir gar nicht anders können, als einen Kampf immer und immer zu führen, wir können uns nicht zurücknehmen und den anderen führen lassen, dem anderen folgen. Dieser unnachgiebige Kampfeswille ist zugleich auch unsere größte Schwäche, denn unsere Kontrolle kann nie perfekt sein, wir werden nie einen Kampf perfekt führen können.“ Mit großem Auge sah Zorro den anderen an, als er begriff. „Und wenn meine Kontrolle perfekt ist, kann ich in dem Moment, in dem deine es nicht ist, den Kampf für einen Moment führen.“ „Korrekt und dies ist dein einziger Weg, wie du mich je besiegen kannst. Ich bin dir in allem überlegen, Kampftechnik, Stärke, Erfahrung, es gibt nur eine Sache, die ich nicht kann.“ „Du weißt nicht, wie man folgt.“ „Genau.“ Plötzlich wandte der andere sich um, griff nach seinem Schwert und ging. „Nun gut, du hast bestanden, Lorenor. Kultiviere diese Technik und besiege Kaido, und wenn du bereit bist, komm zu mir und fordere mich heraus.“ „Warte!“ Zorro eilte ihm nach. „Woher wusstest du, dass ich es konnte? Woher wusstest du, dass ich es jetzt hinkriegen würde, wenn ich es doch vor einem Monat noch nicht hinbekommen hätte?“ Der Samurai blieb stehen und sah ihn mit hochgezogener Augenbraue über die Schulter hinweg an. „Weil du endlich bereit bist. Weil du seit gestern bereit bist. Dein ganzes Leben bestand daraus, meinem Schatten zu folgen und dabei aber nur dich selbst stets zu kontrollieren, während du dich den Kämpfen angepasst hast. Aber gestern hast du entschieden, mir nicht länger zu folgen, gleichsam musstest du einen Teil deiner Kontrolle abgeben, um dich endlich öffnen zu können, ohne dass du sie aufgegeben hast. Du hast dich mit mir auf eine Stufe gestellt und das ist der Grund, warum du es heute konntest. Du hast verstanden, was es bedeutet ebenbürtig zu sein und dies hat dir ermöglicht meine Schwächen zu sehen.“ Er verstand kaum, was der andere sagte. „Aber irre dich nicht, Lorenor. So wie du meine nun siehst, so sehe ich auch deine, denn ich sehe dich schon seit sehr langer Zeit als ebenbürtig an.“ „Aber wie wende ich das gegen Kaido an?“, fragte Zorro und ignorierte die Drohung, wusste nicht wirklich, was dies bedeutete. „Sag mir nicht, dass ich mit ihm eine Beziehung eingehen muss?“ „In gewisser Weise schon, mein lieber Sozius, allerdings bitte nicht in der gleichen emotionalen Tiefe, das würde mich durchaus eifersüchtig machen.“ Er zeigte ihm ein gefährliches Grinsen, ehe er wieder ernst wurde. „Du musst ihm erlauben, zu führen, ohne dass er dich kontrolliert.“ „Das hört sich an, als sollte ich ihm folgen, aber hast du mir nicht wochenlang gesagt, dass…?“ „Hör mir aufmerksam zu, Lorenor.“ Dulacre wandte sich ihm wieder zu. „Ich habe gesagt, es ist die Kunst, den Kampf zu kontrollieren, ohne zu führen. Ich habe gesagt, dass du ihm erlauben musst, zu führen, ohne dass er dich kontrolliert…“ „Aber…“ „Aber ich habe nicht ein einziges Mal gesagt, dass du folgen darfst. Dem einzigen Menschen, dem du jetzt noch folgen darfst, Lorenor, ist dein Kapitän. Auf Kuraigana bist du auch mir gefolgt, aber das tust du nun nicht mehr und solltest du je gegen deinen Kapitän kämpfen müssen, darfst du auch ihm nicht mehr folgen, wenn du ihn besiegen willst, verstehst du?“ Zorro sah ihn an, als er sich an die vergangenen Kämpfe, die vergangenen Trainingseinheiten, an Gespräche und Diskussionen erinnerte. Hawky hat dir gesagt, du sollst mich führen. Aber niemand hat gesagt, dass ich dir auch folgen würde. Du musst lernen, dich und den Kampf jederzeit und in jeder Situation kontrollieren zu können. „Ich verstehe“, flüsterte er. „Die perfekte Kontrolle bedeutet, dass ich nicht nur mich selbst und den Kampf kontrolliere, sondern selbst kontrolliere, wie lange ich meinen Gegner führen lasse. Ich lasse ihn führen, ohne ihm zu folgen und wenn seine Kontrolle bröckelt, übernehme ich die Führung.“ „Du wirst nicht viele Möglichkeiten haben, diese Art von Kampf trainieren zu können, also nutze deine Gelegenheit.“ Damit ging er, ließ Zorro zurück mit dieser letzten Lektion, schritt auf sein Sargboot, löste das Tau und augenblicklich verlor sein Schiff an Geschwindigkeit. Nun wusste Zorro alles, was er brauchte, um den besten Schwertkämpfer der Welt zu besiegen. Er besaß alle Fähigkeiten, die notwendig waren und nun hatte er auch den Schlüssel, um sie auch in einem echten Kampf gegen den Samurai einzusetzen. „Dulacre!“, brüllte er und warf sich halb über die Reling, während sich das Sargboot Richtung Sonnenaufgang wandte. „Ich werde dich besiegen! Ich werde der beste Schwertkämpfer der Welt!“   -Sanji- Mit einem Gähnen verließ er die Männerkajüte. Er hatte beinahe verschlafen, normalerweise begann er die Vorbereitung des Frühstücks noch vor der Morgendämmerung, das strahlende Licht des Sonnenaufgangs bedeutete ihm allerdings, dass ein neuer Tag bereits angebrochen war. Die hellen Strahlen wurden jedoch gebrochen, von einer Person, die an der Reling stand und nach mehrmaligem Blinzeln erkannte Sanji, dass es der Marimo war. Leicht verwundert entschied Sanji, zu überprüfen, was los war. Sein Kopf schwirrte immer noch vom vergangenen Tag und es wollte einfach nicht in seinen Kopf, dass die dauerschlechtgelaunte Moosbirne zugleich die liebreizende Lady Loreen sein sollte. Aber das war ein Problem, mit dem er sich später befassen würde, irgendwann, wenn er musste. Als er neben Zorro an die Reling trat, erkannte er den Schatten eines winzigen Schiffes, welches der Sonne entgegenzueilen schien. „Er ist also aufgebrochen“, murmelte Sanji und spürte die leise Erleichterung. Endlich war der Störenfried fort. Er konnte nicht wirklich so tun, als wäre er traurig, im Gegenteil, am liebsten würde er einen kleinen Freudentanz aufführen. Zorro nickte nur und plötzlich erinnerte Sanji sich an die vergangenen Gespräche, erinnerte sich an diesen Moment in der Kombüse, als Zorro bewegungslos am Tisch gesessen hatte, als er am Bett des anderen gesessen hatte. „Du musst dir keine Sorgen machen. Ich bin mir sicher, dem passiert nichts; Unkraut vergeht nicht“, meinte er aufbauend und versuchte, seine offensichtliche Freude etwas zu zügeln. „Hä“, machte der andere nur und gähnte laut und etwas zu unverhohlen. „Natürlich passiert ihm nichts, er ist ein verdammter Samurai und der beste Schwertkämpfer der Welt – noch – als ob ich mir um so einen Mistkerl Sorgen machen müsste.“ Sanji begutachtete sein Crewmitglied, doch wie sonst auch, verriet Zorros Gesicht so gut wie nichts und dennoch, da war etwas, ein Leuchten in seinem Auge, was nichts mit der aufgehenden Sonne zu tun hatte. „Wäre dir lieber, er wäre nicht gegangen?“, fragte er, unsicher wie er das zu deuten hatte. Konnte es sein, dass Zorro – der wahnsinnige Marimo – gerade kurz vorm Heulen stand? „Nein“, entgegnete Zorro leise, gesprächig wie nur selten, „es ist gut, dass er abgereist ist.“ Jetzt wusste Sanji, was los war. Er war nicht wehmütig oder traurig, Zorros ganzer Körper war angespannt, mit einer Hand hatte er die Reling gepackt und weiß standen seine Knöchel hervor. „Ist was passiert? Hattet ihr wieder einen Streit?“ Nicht, dass es Sanji überraschen würde. Er zweifelte, dass Falkenauge in der Lage war, Gespräche zu führen, ohne dabei ein Arsch zu sein. „Nein.“ Nun sah Zorro ihn an und Sanjis Nackenhaare stellten sich auf. „Aber wenn er geblieben wäre, wüsste ich nicht, wie lange ich mich noch zurückhalten könnte.“ Tief atmete er auf und fuhr sich dann durch Gesicht und Haare. „Du kannst dir nicht vorstellen, wie sehr ich gerade gegen ihn kämpfen will“, sprach er mit gefährlich tiefer Stimme weiter. „Dieser arrogante Mistkerl. Verdammt nochmal, wie kann er mich nur so locken und dann einfach abhauen?“ Sanji wusste nicht, was der andere damit meinte, aber entschied, da nicht weiter nachzufragen. Schwertkämpfer waren ein ganz eigentümliches Völkchen, das hatte Sanji sich schon oft gedacht und auch jetzt zeigte sich dies wieder deutlich. Er hatte noch nie verstanden, wie Zorro von seinen Schwertern und vom Kämpfen sprach, genauso wie es Falkenauge auch getan hatte. Aber wenn er ehrlich war, so war das gerade auch nicht wirklich wichtig für ihn. Es war nicht so, als ob der vergangene Tag alle Probleme gelöst hätte. Ja, Zorro hatte ihnen endlich reinen Wein eingeschenkt – und oh, Sanji hatte einen gewaltigen Kater davon – und einiges war nun geklärt, aber einiges auch nicht. All das änderte nichts daran, dass Zorro und er sich gestritten hatten, Dinge gesagt hatten, die sie hoffentlich beide bereuten. All das änderte nichts daran, dass das Vertrauen zwischen ihnen immer noch angeschlagen war. „Hör mal“, murmelte Sanji, nicht genau wissend, wie er anfangen sollte, „ich wollte dir noch sagen, dass ich…“ „Lass es bleiben, Koch“, unterbrach der andere ihn, „wir haben beide Scheiße gebaut und wir hatten beide unsere Gründe, gute und schlechte. Ich habe Dinge gesagt, die ich nicht hätte sagen sollen und du auch. Aber es reicht mir schon, dass dieser Mistkerl eines Samurais immer jeden Kleinkram bis zum Ende ausdiskutieren will, fang du nicht jetzt auch noch damit an.“ Sanji schnaubte auf. „Du willst also einfach so tun, als wäre nichts passiert?“ Der andere sah ihn an. „Nein, ich weiß genau, was sowohl du als auch ich gesagt haben, und wenn du jedes einzelne Wort jetzt wieder aufarbeiten willst, dann nur zu.“ Er zuckte mit den Achseln. „Du hast einiges gesagt, mit dem du Recht hattest und mit anderem wiederum nicht. Ich muss darüber nicht mehr reden. Ich brauche weder deine Entschuldigung, noch habe ich vor mich zu entschuldigen.“ „Du bist so ein Mistkerl“, murrte Sanji, aber er war dankbar, dass der andere anscheinend nicht nachtragend war. Er sah das Ganze zwar etwas anders, aber auch er wollte zurück zum Alltag. „Ich kann immer noch nicht glauben, dass du wirklich Lady Loreen sein sollst.“ „Und ich kann immer noch nicht glauben, dass du dumm genug warst, Dulacre anzugreifen.“ Sanji schwieg, überlegte etwas Patziges zu antworten, aber nach dem vergangenen Tag hatte er eigentlich keine Lust mehr zu streiten. Wenn ihn der vergangene Tag eines gelehrt hatte, dann, dass ein Streit selten zielführend war. „Sag mal“, murmelte er nachdenklich, „stimmt das, was du gestern über ihn gesagt hast oder hast du das nur gesagt, weil ich mich wie ein Arsch benommen habe?“ „Du hast dich wie ein Arsch benommen“, stimmte Zorro ihm zu. „Hey!“ „Was denn? Du hast das doch selbst gesagt. Allerdings war Dulacre nicht wirklich besser; sein Umgang mit Menschen, die er nicht mag, ist leider extrem nervig.“ „Na, das kannst du wohl laut sagen“, bemerkte Sanji. „Aber ja“, sagte Zorro dann und sah wieder zur Sonne hinüber, die mittlerweile den Horizont verlassen hatte, welcher das kleine Schiff bereits verschluckt hatte, „er gehört jetzt dazu, ob es dir passt oder nicht.“ „Tze“, lachte Sanji leise, „dass ich das mal erleben würde. Du weißt doch noch nicht mal wie man Liebe schreibt und jetzt ausgerechnet dieser Typ? Ein arrogantes Muttersöhnchen des ehemaligen Hochadels? Muss ich das verstehen?“ Der andere rollte mit seinem Auge. „Willst du ernsthaft jetzt mit mir darüber sprechen? Ich wüsste nicht, was dich das angeht.“ „Komm mir jetzt nicht damit“, murrte Sanji unbeeindruckt, „nach gestern hast du dein Recht verwirkt, mir vorzuschreiben, worüber ich mit dir rede und worüber nicht.“ „Tze“, schnaubte der andere auf, entgegnete jedoch nichts. Sanji fragte sich gerade, mit welchem der beiden Vollidioten er mehr Mitleid haben sollte. Falkenauge, der sich einen Partner auf dem romantischen Niveau eines Einzellers angelacht hatte, oder dem Marimo, der sich einen anmaßenden Narzissten ins Bett holte. „Du weißt, dass er alt ist, oder?“, murmelte Sanji dann etwas versöhnlicher. „Ich meine, er könnte dein Vater sein.“ „Koch, lass gut sein. Ja, er ist alt, na und? Ist doch unwichtig, solange ich ihn besiege, bevor er zu Staub zerfällt.“ „Das meinte ich nicht, Zorro!“ „Und es ist mir egal, was du meinst, Koch! Ich will darüber nicht mit dir – oder irgendwem sonst - diskutieren, also akzeptier einfach, dass er mein Sozius ist und halt die Klappe“, knurrte der andere. „Sozius?“, wiederholte Sanji fassungslos und starrte den Marimo an. „Was soll das denn für eine Scheiße sein?“ „Waren seine Worte“, murmelte der andere daraufhin kleinlaut in seinen nichtvorhandenen Bart und errötete, „und ist mir lieber als irgendein bescheuerter Kosename.“ „Das ist das Unromantischste, was ich je gehört habe“, urteile Sanji fassungslos. „Gut!“, meinte der andere und starrte ihn herausfordernd an. „Wenn es dir nicht gefällt, scheint es der richtige Begriff zu sein.“ „Du bist so ein Arsch“, murrte Sanji halbernst und kickte den anderen leicht gegen die Wade. „Wenn ich so drüber nachdenke, passt es zu einem Schnösel wie Falkenauge. Ich bin nur überrascht, dass du überhaupt weißt, was Sozius bedeutet.“ „Tze“, war alles an Antwort, was er bekam und Sanji musste grinsen. „Du wusstest also nicht, was es bedeutet.“ „Halt die Klappe, Koch. Was auch immer, ich geh mich hinhauen.“ „Warte mal“, rief Sanji ihm nach. „Was denn noch?“ Aufstöhnend blieb der andere stehen. „Brot oder Reis?“ „Was?“ Zorro sah ihn mit hochgezogenen Augenbrauen über seine Schultern hinweg an. „Ich kann Falkenauge echt nicht ausstehen und ich bin auch nicht glücklich über den Scheiß, in den du uns alle mithineingezogen hast, aber dieser Dreckskerl hat Recht. Als Koch dieser Crew sollte ich wissen, was du magst und was nicht und das tue ich nicht, also, bevorzugst du Brot oder Reis?“ „Hä?“ Nun wandte der andere sich ihm wieder zu. „Was soll der Mist denn jetzt? Keine Ahnung.“ „Du wirst doch wissen, was du als Beilage lieber hast.“ Zorro neigte den Kopf. „Koch, ich weiß, du kapierst das vielleicht nicht, aber nicht jeder denkt den lieben langen Tag über Lebensmittel nach. Es ist mir egal, ob da Brot oder Reis auf meinem Teller ist, was da ist, wird gegessen, Punkt.“ Tief holte Sanji Luft und verfluchte innerlich den Samurai, der also ganz offensichtlich nicht hatte wissen können, was der Marimo lieber mochte. „Okay, gibt es irgendetwas was du nicht isst?“ „Was soll der Mist, Koch? Ich…“ „Es ist kein Mist für mich, Zorro“, unterbrach er den anderen grob. „Als Schiffskoch ist es meine oberste Priorität, gut für meine Crew zu sorgen und wenn ich das nicht vernünftig mache und eure Gesundheit dadurch gefährde, versage ich in meiner Aufgabe. Du bist nicht der Einzige, der Prinzipen hat!“ Zum ersten Mal an diesem Morgen sah der andere ihn weder entnervt noch schlechtgelaunt an. „Und du würdest mir meine Aufgabe wirklich deutlich vereinfachen, wenn du mir einfach sagst, was du magst und was du nicht magst. Ist das so schwer für dich, das zu kapieren?“ Für einen Moment sah der andere ihn einfach nur an, dann zuckte er mit den Schultern und rieb sich den Nacken. „Man, du bist wirklich nervig, Koch“, murrte er. „Keine Ahnung. Dein Essen ist okay, okay? Ich mache mir um so etwas nicht viele Gedanken, wenn es essbar ist, ist das für mich in Ordnung.“ „Marimo“, knurrte er und ignorierte, dass dieser Vollidiot sein Essen als okay abstempelte, „mach es doch nicht so kompliziert!“ Dieser Satz schien irgendeine Wirkung zu haben, denn für eine Sekunde schien der andere regelrecht zu erstarren. „Meinetwegen“, meinte er dann. „Ich mag keinen Süßkram, okay? All dieses klebrige, zuckrige Zeug oder Schokolade, bleib mir damit vom Leib und alles ist in Ordnung.“ „Das ist alles? Keine Allergien? Kein Gemüse, keine Fischsorte, keine Soße, die du nicht verträgst oder nicht leiden kannst?“ Der andere schüttelte den Kopf. „Und was ist dein Lieblingsessen?“ „Was? Keine Ahnung.“ Sanji seufzte; dieser Kerl war anstrengend. „Wenn du dir eine Sache wünschen dürftest, die ich dir zubereiten soll, was wäre das?“ „Ein gutgekühlter Sake.“ „Ich rede vom Essbaren, du Vollidiot. Ich bin Koch, kein Barkeeper!“ Erneut rollte der andere mit seinem Auge. „Na gut, keine Ahnung. Die Onigiri sind gut.“ „Welche? Die mit Salzpflaumen, die mit Fisch, mit…“ „Die ganz einfachen, Koch“, unterbrach der andere ihn kopfschüttelnd. „Die ganz einfachen sind absolut okay.“ Sanji merkte, wie sein Herz einen kleinen Stich bekam. „Du willst mir sagen, dass dein Lieblingsessen simple, ungefüllte Reisbällchen sind?“ Zorro zuckte mit den Schultern, sich offensichtlich nicht bewusst, wie traurig dieses Geständnis war. „Ich denke; die oder Oyaku.“ „Oyaku?!“ Ojemine, Sanji brauchte jetzt ganz dringend eine Zigarette! „Was denn, du hast doch gefragt?“ „Was bist du? Ein alter Mann? Das ist Schonkost!“, knurrte er, während er sich eine Zigarette in den Mundwinkel steckte und nach seinem Feuerzeug fingerte. „Ich hab’s Falkenauge auf seinen beschissenen Ernährungsplan geschrieben und er hat sich noch darüber aufgeregt, und du willst mir sagen, dass simple Reisbällchen und fader Reisbrei dein Lieblingsessen sind?“ „Es schmeckt halt gut zu Sake und was ist jetzt eigentlich dein Problem? Hast du nicht…“ Was auch immer Zorro entgegnete, nahm Sanji nicht wahr, als er das goldene Feuerzeug in seinen Händen anstarrte, welches Zorro ihm vor wenigen Tagen geschenkt hatte und er dachte zurück an die Akte, die Zorro auf den Tisch geworfen hatte, mit den Zetteln über die gesamte Crew. „Hey“, murmelte er und sah Zorro an, vergaß ganz, sich die Zigarette anzuzünden. Wie hatte er Zorro nur verurteilen können, seine Geheimnisse zu haben? „Du sagtest gestern, dass Eizen uns alle beschattet hat, und in dieser Akte waren Dokumente über uns. Was war das?“ Der andere war mittlerweile wieder ernst geworden und neigte leicht den Kopf. „Informationen“, antwortete er, „man kann über Eizen sagen, was man will, er ist gründlich. Er hat in unser aller Vergangenheit rumgewühlt und alles Mögliche über uns herausgefunden.“ Wie ein kalter Klumpen lagen diese Worte Sanji im Magen. Zorro wusste es also, Zorro kannte die Wahrheit, die Wahrheit über Sanjis dunkles Geheimnis. „Das heißt“, sprach er leise weiter und konnte kaum verhindern, dass seine Stimme bebte, „du kennst meinen vollen Namen?“ „Ja.“ Er erstarrte. „Nicht, dass ich dafür Eizen gebraucht hätte“, sprach der andere leichtfertig weiter. „Ich habe einen deiner Brüder vor über einem Jahr auf einer Versammlung getroffen und ihr seht euch echt verdammt ähnlich; Ichiji oder so war sein Name.“ „Was?“ „Ja, war ein ziemlicher Arsch. Hat mich genauso lüstern angeguckt, wie du jedem Rock hinterhergaffst, hat es mir echt schwergemacht, ihm nicht eine reinzuhauen, schlimmer als bei Sakazuki.“ „Du hast mit ihm geredet?“ „Klar. Das war, glaube ich, die erste Versammlung, die ich moderieren musste, und dein Bruder war als Vertreter des Königreichs Germa 66 anwesend.“ Der andere schnaubte leise auf. „Aber wenn ich mich nicht irre, hat euer Vater entschieden, selbst zur Reverie zu kommen. Ich meine, mich erinnern zu können, seinen Namen auf der Liste gesehen zu haben, aber vielleicht irre ich mich ja auch, da standen so viele Namen drauf, dass ich mich kaum noch erinnere, wer denn wirklich...“ „Zorro!“ Sanji packte den anderen am Ärmel. „Hast du darüber mit irgendwem gesprochen?! Hast du irgendwem gesagt, wer mein Vater ist?!“ Der andere neigte den Kopf erneut und sah ihn beinahe misstrauisch an. „Was ist denn jetzt schon wieder dein Problem? Ich habe mit Dulacre über deinen Vater gesprochen; Germa 66 ist wohl ein sehr dubioses Königreich und er hat mich vor dessen Machenschaften gewarnt.“ Noch mehr Panik stieg in Sanji auf. „Aber ich musste es ihm nicht sagen, er wusste es schon, so wie Dulacre gefühlt alles immer weiß.“ „Er wusste es?“ „Ja.“ Nachdenklich seufzte Zorro auf. „Ich glaube, er wusste es schon, als er dich das erste Mal im East Blue getroffen hat, aber das weiß ich nicht genau.“ „Aber ansonsten hast du es niemandem gesagt?“ „Warum sollte ich? Koch, ich weiß ja nicht, ob es dir aufgefallen ist, aber deine Familiengeschichte stand jetzt nicht wirklich weit oben auf meiner Prioritätenliste. Um ehrlich zu sein, ist es mir ziemlich egal, wer deine Verwandten sind.“ Erleichtert atmete Sanji auf. „Du darfst das niemandem sagen, verstanden? Versprich mir, dass du nie jemandem die Wahrheit sagen wirst!“ „Ist ja gut“, murrte Zorro und streifte seine Hand ab. „Ich weiß zwar nicht, was dein Problem ist, aber meinetwegen, ich verspreche es. Nicht, dass es mir je in den Sinn gekommen wäre, deinen Stammbaum zu diskutieren.“ „Danke.“ Sanji senkte den Blick. Er hätte nie gedacht, dass ihn seine Vergangenheit auch mal einholen würde. Er hatte gedacht, dass dieser Teil seines Lebens für immer in Vergessenheit geraten würde. Doch nun wusste Zorro, wer er war, was er war und… „Ich hatte halt Recht“, meinte der andere und verschränkte die Arme, „ich wusste ja immer, dass du ein Prinz bist.“ Sanjis Kopf schnellte nach oben und ihm begegnete ein hässliches Grinsen des anderen. „Ja, der Prinz vom Idiotenland.“   Kapitel 34: Kapitel 34 - Strohhüte ---------------------------------- Kapitel 34 – Strohhüte   -Zorro- Das Frühstück war… seltsam, anders konnte er es nicht ausdrücken. Eigentlich hatte er vorgehabt, es zu verschlafen, und diese Entscheidung hatte er ganz bewusst getroffen. Weniger, weil er seiner Crew aus dem Weg gehen wollte – nicht, dass er wirklich darüber nachgedacht hatte, aber wenn er darüber nachdachte, so wusste er, dass er sich ihnen über kurz oder lang so oder so stellen musste – sondern einfach, weil er die vergangenen Tage selbst für seine Verhältnisse wenig geschlafen hatte und nun, da die Anspannung in seinen Knochen etwas nachgelassen hatte, war er echt müde. Dazu war dann am Morgen noch diese eigenartige Einheit gekommen, mit der Dulacre ihn überrascht hatte, die ihn nochmal auf eine ganz neue Art gefordert hatte, und dieses komische Gespräch mit dem Koch, worüber er bevorzugt nicht nachdenken wollte. Dieser hatte auch Zorros Plan einen Strich durch die Rechnung gemacht, als er nur gefühlte Sekunden, nachdem Zorro sich in seine Koje geworfen hatte, in die Kajüte gepoltert war und so lange über Mahlzeiten und ihre Abmachung rumgezickt hatte, bis Zorro schließlich aufgestanden war. Nun saß er am Tisch zwischen Lysop und Ruffy und wollte nichts mehr als zurück in seine Koje, um dringend etwas Schlaf aufzuholen, bevor sie Dress Rosa erreichen würden. Dennoch entging ihm nicht die seltsame Stimmung, auch wenn er sich nach Kräften bemühte, sie zu ignorieren. Nachdem er auf Kinemons Frage kurz angebunden erläutert hatte, dass Dulacre am Morgen aufgebrochen war, hatte er die Erleichterung bei einigen seiner Crew gesehen – nicht, dass ihn das überraschte – bevor Franky das Gespräch übertrieben auffällig auf den kommenden Tag gelenkt hatte. Früher wäre Zorro das wohl nicht aufgefallen. Nein, vielleicht wäre es ihm sogar aufgefallen, aber er hätte sich keine Gedanken darüber gemacht. Es wäre ihm egal gewesen, warum Franky unnötig laut Trafo ansprach und immer wieder de Flamingos Namen durch den Raum warf. Aber nun entging ihm Frankys Blick nicht, nun bemerkte er Namis hochgezogene Augenbraue, während sie an ihrem Kaffee nippte und natürlich war er sich bewusst, dass der Koch, der gerade in der Kochnische eine Zigarette nach der anderen verqualmte – obwohl er sonst eher selten rauchte, während andere aßen – ihn fast ununterbrochen im Auge behielt. Und auch, wenn es Zorro nervte, er wusste, dass es nicht unbedingt bewusst geschah, oder zumindest nicht nur. Er vermutete, dass sie alle nach gestern sich bemühten so zu tun, als wäre alles wie immer, gleichzeitig mussten sie natürlich verarbeiten, was sie gehört hatten, und vielleicht misstrauten sie ihm jetzt auch, vielleicht mehr oder weniger als noch am vergangenen Tag, jetzt, da sie die Wahrheit wussten. Doch aus welchem Grund auch immer, hatten sie wohl stillschweigend miteinander vereinbart, zumindest beim Frühstück nicht anzusprechen, was wohl anzusprechen war. Zorro hatte keine Ahnung, warum sie es nicht wollten, aber nachdem sowohl Chopper als auch Ruffy eher hektisch und laut von Lysop und Brook unterbrochen worden waren, war es mehr als offensichtlich, dass sie es doch sehr bewusst taten. Eigentlich war es Zorro egal. Er hatte gewiss nicht vor, irgendetwas heute noch anzusprechen, gestern hatte er wirklich genug geredet - für die nächsten Wochen - und wollte jetzt nicht viel mehr als in seine gemütliche Koje. Aber er wusste auch, dass die Fragen irgendwann kommen würden, vielleicht nicht bei diesem schrägen Frühstück, aber sie würden kommen, und mit ihnen würde auch all das andere kommen, Zweifel, Vorwürfe und wahrscheinlich auch Anschuldigungen und Ablehnung. Vermutlich hatten sie sich wortlos darauf geeinigt, dass sie sich erstmal um de Flamingo kümmern würden. Aber das bedeutete nun mal auch, dass das Frühstück gerade einfach seltsam war. Trafo schien es entweder nicht zu bemerken oder es war ihm egal, Momonosuke auf der anderen Seite fühlte sich offensichtlich unwohl, aber auch er sagte nichts. Genau wie Kinemon es am Vorabend erklärt hatte, wollten die beiden Samurai sich wohl komplett raushalten, und obwohl es Zorro egal sein sollte, so nahm er das doch gerne an. Besser so, als wenn seine Probleme nun wirklich jeder erfahren sollte. „Zorro“, sprach ihn nun Chopper an, der ihm gegenübersaß, und Zorro konnte sehen, wie Franky und Lysop direkt entschiedene Blicke austauschten, bereit jederzeit einzugreifen, „Sanji hat mich eben daran erinnert, dass dein letzter Checkup ja schon zwei Jahre her ist, und ich würde das gerne nachholen, bevor wir Dress Rosa erreichen. Hast du jetzt nach dem Frühstück Zeit?“ „Koch!“, stöhnte er mit einem Knurren auf und stierte den anderen nieder, der zum wiederholten Male am heutigen Tag seinen Plan durchkreuzte. „Was denn? Ich hab dich doch gewarnt“, murrte ebenjener unbeeindruckt aus der Kochnische. „Wir hatten uns auf zwei Mahlzeiten geeinigt und dennoch hast du gestern nur zu Mittag gegessen.“ „Das kannst du doch jetzt nicht ernst meinen!“ „Siehst du doch!“, blaffte der andere zurück, wie Zorro es gewohnt war, wie es früher immer zwischen ihnen gewesen war, und schwenkte einen Kochlöffel drohend durch die Luft. Zorro war drauf und dran mit dieser verdammten Kringelbraue das Deck zu schrubben, doch da bemerkte er Choppers Blick. Schwer aufatmend ließ er sich zurück auf seinen Stuhl fallen und zuckte nur abweisend mit den Schultern. „Meinetwegen“, murrte er, „aber mach nicht wieder so eine große Sache draus, Chopper. Ich will mich gleich noch was hinlegen.“ Während sich Choppers Gesicht aufhellte und er Zorro tausendmal versicherte, dass es nur die üblichen Untersuchungen wären, wandte Zorro sich wieder seinen Onigiri zu… und fand nur einen leeren Teller vor. „Ruffy!“   Wenige Minuten später folgte er Chopper ins kleine Krankenzimmer, während der Koch Lysop zum Abwasch verdonnerte. Niemand in der Crew mochte die Checkups, am wenigsten wohl der Koch, der sich von Chopper jedes Mal eine Standpauke übers Rauchen abholen durfte. Aber Zorro konnte ihn dafür nicht mal auslachen, weil seine meistens nicht besser liefen. Chopper regte sich bei ihm immer über alles Mögliche auf, sein Schlafrhythmus, seine Kämpfe, sein Training, seine Ernährung, sein Alkoholkonsum, sogar seine Körperhygiene war öfters Thema gewesen. Nervig waren auch all die Untersuchungen, die Zorro immer über sich ergehen lassen musste und die Chopper mit einer Präzision durchführte, als würde er am offenen Herzen operieren, weshalb es aber auch immer ewig dauerte. Aber das Schlimmste am Checkup war der Blick. Er kam immer irgendwann, meistens kurz vor der Standpauke, manchmal während Chopper die Untersuchungen protokollierte, und wenn Zorro ganz viel Pech hatte, dann kriegte er ihn sogar zwei Mal. Heute schien so ein Tag zu sein, vielleicht sogar noch schlimmer. Bevor Chopper auch nur überhaupt anfing, hatte er Zorro gefühlte fünf Minuten einfach nur ernst angestarrt, dann war er leise grummelnd von seinem Drehstuhl gehüpft, hatte irgendetwas von Diskretion, Privatsphäre und Patienten gegrummelt und beide Türen abgeschlossen, etwas, was er sonst eigentlich nie tat, soweit Zorro sich erinnern konnte. Die darauffolgende Belehrung hatte ihm dann aber nur zu deutlich gemacht, warum Chopper abgeschlossen hatte. Wie gesagt, Zorro war an die ausschweifenden und emotionalen Standpauken des jungen Schiffsarztes gewöhnt – manchmal verdrückte Chopper sogar eine Zornesträne – aber dieses Mal hatte er wohl wirklich sichergehen wollen, dass niemand ihn unterbrechen würde, während er Zorro fünfzehn Minuten über Vorsorge und gesunden Lebensstil belehrt hatte. Er hatte sich sogar Notizen gemacht und wann immer Zorro auch nur gewagt hatte, zu antworten oder gar zu widersprechen, hatte der Jüngere ihn niedergestarrt, wie damals, als er sich nach Enis Lobby den kleinen Übungsstreit mit dem Koch geleistet hatte. Offensichtlich hatte Chopper Standpauken von über zwei Jahren nachzuholen. Irgendwann war es dann endlich vorbei gewesen und Zorro hatte gedacht, dass er jetzt nur noch die Untersuchungen über sich ergehen lassen musste und dann endlich in seine Koje konnte. Doch auch während Chopper sein Herz abgehört hatte, war Zorro wieder dieser Blick aufgefallen, mit dem der Jüngere seine Brust angestarrt hatte. Allerdings hatte er Zorro dieses Mal von einer Predigt verschont, hatte nur den Kopf geschüttelt und dann etwas in Zorros Akte gekritzelt. Daher hatte Zorro gehofft, dass dieser Kelch nun doch noch an ihm vorüberziehen würde, aber während er nun seinen Mantel anzog und die Füße in seine Stiefel steckte, musste er feststellen, dass Chopper vor ihm seine Krankenakte fixierte, und zwar wieder mit diesem Blick. Selbst damals, nach Thriller Bark, hatte Chopper ihn keine dreimal gezeigt und Zorro fragte sich, was er wohl falsch gemacht hatte, während Chopper immer noch die geschlossene Mappe in seinen Hufen anstarrte, als wollte er sie mit purer Gedankenkraft verbrennen. Dann schnaubte Chopper entschieden auf, schüttelte erneut kurz den Kopf und steckte Zorros Mappe zurück zwischen die anderen, ehe er im nächsten Moment eine Schublade aufzog und eine noch ungenutzte Mappe herauszog. „Genau“, murmelte er nun zu sich selbst, zückte einen Stift und beschriftete die Mappe, „nur so ist das richtig.“ Mit Zorro sprach er nicht und Zorro hatte keine Ahnung, was er überhaupt tat. Er wusste, dass diese Mappen ihre Krankenakten waren – seine und Lysops waren mit Abstand die dicksten – aber er wusste nicht, ab wann ein Patient eine zweite brauchte. „Okay Zorro, dann verwandle dich jetzt bitte in Loreen, damit wir die Untersuchungen auch für deinen anderen Körper vornehmen können.“ „Wa… was?“ Überrascht lehnte er sich etwas zurück, während Chopper gar nicht zu ihm aufsah, sondern die neue Mappe öffnete und kontinuierlich Zeilen ausfüllte. „Ich weiß, dass du dich hinlegen willst“, sprach Chopper arglos weiter, „aber anders geht es nun mal nicht. Ich beeile mich auch, versprochen.“ Damit hatte er nicht gerechnet. „Nein“, murmelte Zorro, „das ist nicht nötig. Ich habe dir doch gesagt, dass diese blöden Zeitungsartikel…“ Er unterbrach sich, als Chopper ihn so ansah, wie er ihn so oft ansah in solchen Diskussionen. „Mir ist egal, was in der Zeitung stand. Wenn du sagst, dass das, was da geschrieben war, nicht stimmt, dann glaube ich dir das.“ Als ob Zorro Chopper je belügen könnte. „Aber Falkenauge hat auch gesagt, dass es zwei verschiedene Körper seien, mit unterschiedlichen Stärken und Schwächen, und das bedeutet, dass ich dich in beiden Körpern untersuchen und kennen muss, damit ich dich in beiden Körpern behandeln kann.“ Das klang logisch und dennoch, Zorro merkte, wie sehr er diese Idee ablehnte. Alles, was er gerade wollte, war, sich endlich etwas hinlegen zu können. „Mach dir keine Sorgen, Chopper“, murrte er und zuckte mit den Schultern. „Ich bin so gut wie nie… Loreen. Du wirst mich nicht…“ „Du hast gestern gesagt, dass du dich ab einem gewissen Punkt immer verwandeln musst“, widersprach Chopper mit seiner verdammten sachlichen Stimme und sah ihn ernst an, „und selbst deine Wunden verheilen nicht innerhalb eines Tages. Du sagtest gestern auch, dass du als Loreen schwächer wärest, das heißt, Wunden können dich mehr beeinträchtigen, oder nicht?“ Ja, das stimmte, und dennoch hatte Zorro überhaupt keine Lust, diesen Checkup noch einmal über sich ergehen zu lassen. „Zorro.“ Chopper drehte sich zu ihm, die neue Akte vergessen auf dem Tisch. „Ich weiß, dass du diese Untersuchungen nicht magst, aber ich bin der Schiffsarzt, ich muss diese Dinge wissen, ich muss alle Dinge wissen, die für deine Gesundheit eine Gefahr darstellen könnten, damit ich meine Aufgabe erfüllen kann.“ „Das weiß ich doch, Chopper“, stöhnte er leise auf, „aber ich denke nicht, dass es nötig ist, dass du…“ Zorro unterbrach sich, nicht in der Lage, Choppers Blick weiterhin standzuhalten, konnte nicht mal mehr Choppers sanften Blick standhalten. Er wusste, dass seine inneren Widerstände absoluter Blödsinn waren. Chopper wusste die Wahrheit, hatte ihn bereits als Loreen gesehen – auch wenn er ihn damals nicht erkannt hatte – und so sehr Zorro diese Untersuchungen nervte, so sehr wusste er auch, dass diese Diskussion ihn nur noch länger von seiner Koje fernhielt. Dennoch, die Vorstellung, dass sie ihn so sehen würden, dass Chopper ihn so sehen würde, er wollte es nicht, er wollte es schlicht nicht. Er war sich Choppers Blick nur zu gut bewusst, aber obwohl er doch genau wusste, dass seine Ablehnung irrational begründet war, so war alleine die Vorstellung, dass er hier auf der Sunny, unter seinen Freunden, diesen anderen Körper zeigen musste, so unangenehm, wie er es kaum beschreiben konnte. „Zorro?“ Tja, aber das war wohl noch unangenehmer, Choppers verunsicherte Stimme. Seufzend rieb Zorro sich den Nacken und sah seinen jungen Freund an. „Ich mag es nicht, Chopper“, erklärte er dann schließlich leise grummelnd, „ich bin nicht gerne in diesem anderen Körper, erst recht nicht vor anderen.“ Chopper neigte leicht den Kopf, doch dann nickte er. „Das verstehe ich“, murmelte er nachdenklich, was Zorro dann doch etwas anzweifelte, aber Choppers Ohr zuckte, wie so oft, wenn er an unschöne Dinge zurückdachte. „Weißt du, ich bin die vergangenen Jahre wirklich deutlich stärker geworden, und dennoch muss ich immer wieder auf meine Rumble Balls zurückgreifen, und das bedeutet im Zweifel auch, dass ich mich wieder nicht bewegen kann, und das meistens auch noch in richtig brenzligen Situationen.“ Nun seufzte Chopper leise und senkte den Blick. „Ich mag das gar nicht, erst recht nicht, wenn du das sehen könntest. Du bist so stark und kämpfst immer weiter, ganz egal, wie schwer verletzt du bist, und ich liege dann nutzlos in der Gegend herum und bin nur eine Last, muss von anderen getragen werden. Ich wünschte, ich könnte dann einfach verschwinden und niemand würde mich sehen.“ „Aber Chopper…“ Er zögerte, hatte es nie so gesehen, aber er war vielleicht nicht der Einzige, der mit den Grenzen seines Körpers zu kämpfen hatte. „Du weißt doch, dass…“ „Die Türen sind abgeschlossen.“ Mit diesem ganz simplen Satz brachte Chopper ihn zum Schweigen. „Mir ist die Privatsphäre meiner Patienten sehr wichtig und wie du weißt, nehme ich auch die ärztliche Schweigepflicht sehr ernst. Was du mir hier drin erzählst und was ich hier drin sehe, wird diesen Raum nicht verlassen.“ Verdammt, Chopper war wirklich erwachsen geworden in den vergangenen zwei Jahren, oder war es einfach nur Zorro, der sich wie ein unreifer Bengel benahm? „Okay“, stimmte er dann schließlich mit einem Nicken zu und konnte sehen, wie Choppers Züge etwas aufhellten, „aber bitte guck weg. Ich mag es noch weniger, wenn man mir beim Verwandeln zusieht.“ „Natürlich!“ Im nächsten Moment wirbelte Chopper auf seinem Bürostuhl herum und fuhr damit fort, emsig auf Zorros zweite Krankenmappe zu kritzeln. „Sag mir einfach Bescheid, wenn du soweit bist.“ „Mhm“, murrte Zorro nur, ehe er seine Füße wieder aus den Stiefeln zog und tief einatmete. Er sollte daraus nicht so eine große Sache machen, Chopper hatte ihn schon in deutlich erbärmlicheren Zuständen gesehen, oder nicht? Damals nach seinem Kampf gegen Mr. One oder nach Thriller Bark hatte Chopper ihn mehr oder weniger zusammenflicken müssen, nun war es nur dieser andere Körper. Seufzend schloss er sein Auge und erlaubte seinem Körper, sich zu verwandeln, was dieser wie sonst auch augenblicklich tat, wie er mit einem bitteren Beigeschmack bemerkte. Als er nun aufblickte, wirkte dieses kleine Zimmer etwas größer als zuvor, auch daran war er gewöhnt, empfand es beinahe als selbstverständlich, wie seine räumliche Wahrnehmung sich änderte, aber diese unglaubliche Anspannung in diesen schmächtigen Muskeln war fremd. Nein, nicht fremd, damals auf Sarue hatte er sich ähnlich gefühlt, war starr vor verspannten Muskeln gewesen. Seine eigenen Worte vom vergangenen Tag vom Heck des Schiffes waberten durch seinen Kopf und er erinnerte sich an all die Träume, an Sarue, an die schlimmsten Stunden während seines ultimativen Trainings, als Dulacre ihm seine schlimmsten Ängste vorgeführt hatte. Wenn Chopper sich jetzt umdrehen würde, dann würden die Worte vom vergangenen Tag Realität werden. Bisher war es für seine Crew nur nervige Theorie gewesen, nur viel zu viele Worte, schwer zu glauben, noch schwerer zu verdauen, aber nicht viel mehr als Worte, als eine vage Idee. Aber wie würde Chopper reagieren, wenn dieses unwirkliche Gedankenspiel vom vergangenen Tag unumstößliche Tatsache werden würde? „Okay, du kannst dich umdrehen.“ „Mhm, eine Sekunde noch, ich bin fast soweit.“ Chopper schrieb weiter und weiter, ohne überhaupt aufzusehen, was auch immer er da für einen Roman verfasste. „Ich hab übrigens neben den üblichen Fragen noch ein paar andere an dich, und es kann sein, dass noch mehr dazukommen; ich hatte auch noch nie einen Patienten mit mehr als einem Körper, daher müssen wir beide uns ein bisschen daran gewöhnen und die Checkups dementsprechend anpassen." Weiterhin schenkte er Zorro kaum seine Aufmerksamkeit, während er offenbar den üblichen Fragebogen um unzählige Fragen erweiterte. „Wir müssen Dinge abdecken wie deine Verwandlungen, wovon sind sie abhängig? Sind sie schmerzhaft? Kannst du sie kontrollieren? Wie lange dauern sie und so weiter. Aber das sind natürlich nicht die einzigen Fragen. Ich habe jetzt bewusst einen Fragebogen für Menschen mit weiblichen Geschlechtsorganen genommen, aber ich weiß noch nicht, was wir alles anpassen müssen. Da dies deine erste Untersuchung in diesem Körper sein wird, werde ich gründlicher sein müssen. Wurdest du in den letzten zwei Jahren schon mal untersucht? War dabei irgendetwas auffällig? Bekommst du eigentlich deine Periode? Eher regelmäßig oder…“ „Chopper“, unterbrach er ihn und konnte nicht verhindern zu erröten, als der andere wieder mal in seinen typischen Redefluss kam, sobald er begann, über medizinischen Kram zu sprechen. Plötzlich sah dieser ihn mit großen Augen an, sah Zorro nun zum allerersten Mal an und er merkte, wie ihm reine Wasserfälle aus Schweiß den Rücken hinunterjagten. „Du hast Recht“, kam es jedoch dann von Chopper. „Natürlich, mein Fehler, tschuldigung, Zorro. Erst die Blutabnahme, dann der Fragebogen und zum Schluss die Untersuchung, Anfängerfehler. Okay, lass mich mal deinen Arm sehen, oh den anderen. Na, das ist jetzt natürlich ungünstig, weil ich die Nadel eben schon gezogen habe. Warte, das schreibe ich mir sofort für deine nächste Untersuchung auf, damit ich dir nicht jedes Mal zwei Mal…“ „Ich hab kein Problem mit Nadeln“, murrte Zorro und hielt Chopper nun den linken Arm hin, nachdem der andere eben erst ein Pflaster mit bunten Punkten, entgegen seiner Proteste, auf seine andere Armbeuge geklebt hatte. „Es ist trotzdem unnötig“, widersprach Chopper, wie immer leicht schnippisch, wenn Zorro seine ärztliche Sorge ablehnte. Während Chopper nun Zorros Handgelenk nahm und das seltsame Gummiband um Zorros Oberarm band, erklärte er erneut den Ablauf der Untersuchungen, wie er es erst bei der letzten Blutabnahme vor wenigen Minuten Wort für Wort getan hatte, und irgendwie hatte Zorro das Gefühl, die Standpauke von zuvor ein zweites Mal über sich ergehen lassen zu müssen. Tatsächlich lief danach alles fast genauso ab, wie Zorro es schon kannte, manche mahnenden Worte wurden durch andere ersetzt, manche Untersuchungen waren neu und es kamen mindestens zehn neue Fragen hinzu, eher mehr, irgendwann hatte er aufgehört, mitzuzählen, und irgendwann dazwischen, zwischen den Untersuchungen, dem mahnenden Blick, den belehrenden Worten, war Zorros Anspannung mehr und mehr zu dieser genervten Anspannung geworden, die er immer während des Checkups spürte. Irgendwann war es endlich vorbei und Zorro lag mit hinterm Hinterkopf verschränkten Armen auf dem Bett, während Chopper weiter seine zweite Akte vervollständigte. „Du kannst auch hier schlafen“, kam es dann von ihm und er nickte nur kurz zu Zorro hinüber. „Du sagtest ja, dass du dich eh etwas hinlegen wolltest. Das kannst du auch hier machen, wenn du möchtest.“ Misstrauisch beäugte Zorro den Jüngeren. Tatsächlich käme es ihm sehr gelegen, da er sich so oder so noch nicht zurückverwandeln konnte – egal wie leer oder voll seine Batterien waren, jedes Mal, wenn er zu Loreen wurde, musste er immer eine gute Stunde warten, um sich zurückverwandeln zu können – und er wirklich darauf verzichten konnte, der Crew, aber auch insbesondere den anderen so unter die Augen zu treten. Einen Schritt nach dem anderen. Chopper bemerkte wohl seinen Blick, denn er sprach schnell weiter: „Naja, ich hab mir gedacht, ich komm dir etwas entgegen, nachdem du heute Morgen so kooperativ warst, weil hier würde dich mit Sicherheit niemand stören kommen, solange die anderen denken, dass wir noch im Patientengespräch sind“, murmelte Chopper ganz unbedarft. „Außerdem muss ich noch die ganzen Akten aktualisieren, das heißt, so lange könntest du hier ein Nickerchen halten, ohne dass Nami oder Sanji dir irgendwelche Aufgaben aufdrücken.“ Er mochte Chopper. „Wird es dich nicht stören, wenn du hier arbeitest?“, fragte Zorro nach und begegnete Choppers Blick, ohne sich zu regen. „Mhmh“, schüttelte Chopper den Kopf und grinste so breit, wie Zorro es zwei ganze Jahre vermisst hatte, „auf der Flying Lamb hast du oft am Treppenabsatz gedöst, während ich Kräuter verarbeitet habe, erinnerst du dich?“ Zorro nickte, bemerkte, wie Chopper einen Moment den Kopf senkte, immer noch mit diesem Lächeln, aber es war nicht mehr ganz so ehrlich. „Ich mag meinen Raum hier, ich hab endlich genug Platz für all meine Utensilien und ich kann die Aktenfächer abschließen. Aber…“ Nun rieb er sich leicht die kleinen Hufen. „… manchmal fühle ich mich etwas alleine, weil man hier ja auch nicht viel vom Deck mitbekommt und dann ist es immer so ruhig.“ Er war mit jedem Wort leiser geworden. „Warum hast du das nicht früher gesagt?“, grummelte Zorro, worauf Chopper beinahe verschreckt auf seinem Stuhl hochhüpfte. „Also… also, was ich meinte ist… ich meinte nicht…“ „Weißt du, dass es auf Kuraigana meistens total ruhig war? Also zumindest, wenn Dulacre und Perona sich mal nicht in den Haaren lagen“, murrte Zorro und legte sich etwas bequemer hin, ehe er die Augen schloss und Choppers kleine Panikattacke ignorierte. „War zwar super, aber ich hab mich echt zu sehr daran gewöhnt. Hätte ich gewusst, dass ich hier meine Ruhe habe… Solange es dich nicht stört, werde ich jetzt immer hier pennen.“ Er konnte nicht verhindern, dass Choppers leises Kichern ihn zum Schmunzeln brachte und mit dieser wohligen Wärme im Brustkorb schlief er dann auch sekundenschnell ein.   Nur gefühlte Minuten später weckte Chopper ihn und Zorro hatte ganz überrascht feststellen müssen, dass er ja noch in jenem anderen Körper gewesen war, hatte er es doch glatt vergessen. „Ich denke, wir werden bald ankommen“, bemerkte Chopper, der ihm den Rücken zugewandt hatte, während Zorro seinen Körper zwang, sich zu verwandeln. „Ich bin, um ehrlich zu sein, etwas nervös. Hoffentlich geht nichts schief.“ „Chopper“, murrte er und legte dem Jüngeren kurz eine Hand auf die Schulter, ehe er sich aufrichtete und ausgiebig streckte. „Du kennst uns, du weißt, alles wird schiefgehen.“ „Zorro!“, jammerte er direkt und wandte sich zu ihm um. „Aber dann wird es meistens erst richtig unterhaltsam“, zwinkerte er Chopper zu, ehe er sich wieder erinnerte, dass das mit nur einem Auge nicht die gleiche Wirkung hatte, und nickte ihm dann zu. „Na komm, ich denke, viel länger können wir uns hier nicht vor den anderen zurückziehen.“ „Du hast dich zurückgezogen“, stellte Chopper erbarmungslos klar, tapste an Zorro vorbei und schloss beide Türen auf, „ich habe gearbeitet.“ „Tze, was auch immer.“ Doch sein Grinsen erfror, als er Chopper in die Kombüse folgen wollte. Im Türrahmen blieb er stehen. Auf der anderen Seite saßen Nami, Lysop und der Koch am Küchentisch, während Franky neben der Tür lehnte, offensichtlich darauf achtete, dass sie ungestört sein würden. Ein Seitenblick zeigte ihm, dass die Luke zur Dachterrasse, zu der die Hängeleiter neben dem Hauptmast führte, geschlossen war. Etwas, was so gut wie nie vorkam. Er hatte es ja gewusst, während sich diese angenehme Wärme in seiner Brust langsam wieder in kalte Muskeln versteinerte, natürlich würde es kommen. Er hatte nur nicht damit gerechnet, dass es jetzt passieren würde, obwohl sie doch in den nächsten Minuten bis Stunden Dress Rosa erreichen sollten. Chopper an seinem Knie schien hingegen total überrascht zu sein und sah beinahe aufgescheucht zwischen den anderen hin und her. Selbst ihm musste bewusst sein, dass die anderen sich nicht zu einem kleinen Kaffeekränzchen verabredet hatten – obwohl auf dem Tisch mehrere Kaffeetassen standen – dafür waren die Mienen viel zu ernst, dafür waren sie viel zu ruhig, denn noch nicht ein einziges Wort war gefallen. Zorro überlegte einen Moment, was seine Optionen waren. Sollten sie nichts sagen, könnte er sie einfach ignorieren oder das Gespräch selbst eröffnen, beide Optionen nervten ihn, aber vielleicht war es besser, es einfach hinter sich zu bringen, die Fronten zu klären. Er hätte sich nur gewünscht, dass Chopper nicht dazwischen geraten würde, ihn nahmen solche Konflikte immer sehr mit und er würde mit Sicherheit am meisten unter dem leiden, was nun geschehen würde. „Hey, Chopper“, murrte er also und sah zu dem anderen hinab, „was hältst du davon, wenn du mal nach Caeser schaust und dann Trafo etwas Gesellschaft leistest?“ Nami und Franky tauschten einen kurzen Blick, ehe sie sachte nickten, als sie seiner Entscheidung stillschweigend zustimmten. Chopper hingegen sah Zorro mit großen Augen an, doch dann wurden seine Knopfaugen ernst. Für einen Moment betrachtete er noch Zorro, ehe er jeden Einzelnen im Raum ansah. „Mhmh“, schüttelte er den Kopf, „ich bleibe.“ „Ruffy angelt gerade“, warf nun der Koch mit dieser Stimme ein, die er immer aufsetzte, wenn er bewusst freundlich sein wollte, „vielleicht willst du…?“ „Nein.“ Chopper schüttelte noch deutlicher den Kopf, dann zupfte er an Zorros Hosenbein. „Ich bleibe.“ Selbst durch die Stoffe seiner Hosen hindurch konnte Zorro spüren, wie Choppers Hufe zitterten. „Ihr seid alle ganz ernst drauf und ihr habt euch während des Frühstücks seltsam verhalten. Es geht um gestern, oder?“ „Chopper“, murmelte nun Lysop in einem vermittelnden Ton. „Nein! Ich bleibe. Ich bin ebenso ein Crewmitglied und wenn ihr mit Zorro über gestern reden wollt, dann will ich das auch hören. Ich will auch alles wissen.“ Nun tauschten die anderen Blicke aus. Zorro beschloss derweil, Choppers Entscheidung zu akzeptieren, auch wenn er selbst sich etwas anderes wünschte. Schließlich war Chopper kein kleines Kind mehr, er war mittlerweile schon sechzehn Jahre alt und hatte mit seinem Alter mehr gesehen als Zorro damals. Also wer wäre er, Chopper zu verbieten, seine eigenen Entscheidungen zu treffen. Zu dem gleichen Entschluss schienen auch die anderen zu kommen, während Franky mit den Schultern zuckte und Nami sich mit einem gestöhnten „Meinetwegen“ durchs Gesicht rieb. „Gut“, murrte Zorro nun und sah die anderen unbeeindruckt an, während er die Arme verschränkte, wappnete sich innerlich vor den Worten, die kommen würden. „Jetzt, da wir das geklärt hätten, solltet ihr sagen, was ihr zu sagen habt. Damit wir die Dinge klären können, ehe wir Dress Rosa erreichen.“ Ich habe Angst davor, sie zu verlieren, wenn sie herausfinden, wer und was ich bin. Er konnte es ganz deutlich spüren, dieses Gefühl, welches seine Brust zuschnürte. Es war das Gefühl vom vergangenen Tag, als er das Tondial abgespielt hatte, als er die Blicke der anderen auf sich gespürt hatte, als er ihnen die Wahrheit gesagt hatte. Aber dann hatte das Schmieden eines Planes, das Herannahen einer Bedrohung, das Begreifen der Fakten sie alle abgelenkt. Gestern waren all diese Dinge für einen Moment wichtiger gewesen, aber am Abend, in der Nacht, als der Staub sich so ein bisschen gelegt hatte, waren in ihnen natürlich wieder die Fragen und die Gefühle hochgekommen, genau wie bei ihm. Doch dieses Mal gab es keinen Ruffy, der die Spannung im Raum mit seinem Lachen und seiner simplen Logik unterbrechen würde, keinen Dulacre, der reden würde, wenn Zorro die Worte nicht finden konnte. Dieses Mal konnte Zorro sich nicht hinter anderen verstecken, was doch eigentlich auch so unüblich für ihn war. Also würde er sich ihnen stellen, so wie er es immer getan hatte, ganz gleich, was es bedeuten würde. „Na gut, ich denke, dann fang ich mal an“, murrte Franky überraschenderweise, da auch Nami den Mund geöffnet hatte, aber nun lehnte sie sich mit einem leisen Nicken zurück. „Also, keine Ahnung was Ruffy angeht, aber Brook und Robin haben es gewusst, oder?“ Ernst sah er Zorro an, verschränkte ebenfalls die Arme, nicht unbedingt feindselig aber auf jeden Fall wachsam. Zorro nickte: „Zumindest teilweise.“ „Warum sie und nicht wir?“, fuhr er das Verhör fort. „Sie haben es herausgefunden, es war nicht so, als hätte ich sie bevorzugt oder eingeweiht.“ „Warum haben sie uns nichts gesagt?“ „Das wirst du wohl sie fragen müssen. Ich habe sie nicht drum gebeten.“ Der Koch schnaubte auf, sagte jedoch nichts, während Zorro Frankys harten Augen standhielt, sich den Blicken der anderen wohl bewusst. „Okay“, murrte Franky nun, „und das gestern, war das alles? Gibt’s noch irgendetwas, was du uns verschwiegen hast, was wir aber wissen sollten? Irgendwelche Fallstricke? Irgendwelche Gefahren? Irgendwelche neuen Feinde oder Liebhaber von denen wir wissen sollten?“ Nami zeigte ein Augenrollen über den letzten Kommentar, aber ansonsten blieben die anderen still. Allerdings fiel Zorro auf, wie der Koch den Blick senkte, und er erinnerte sich an das Gespräch am Morgen, an dieses unnötige Versprechen, welches der andere von ihm erfleht hatte. „Keine Ahnung“, antwortete Zorro unumwunden und zuckte mit den Schultern. „Ich denke nicht, zumindest nichts, was mir jetzt einfallen würde.“ Laut ausatmend nickte Franky nun. „Gut, das ist ja immerhin schon mal etwas.“ War es das? Zorro hatte nicht das Gefühl, dass eine Kleinigkeit mehr oder weniger die Situation noch groß verändern würde. So oder so hatte er das Vertrauen der Crewmitglieder aufs Spiel gesetzt. „Dann komme ich jetzt zu der eigentlichen Frage. Warum hast du uns nichts gesagt?“ Er hatte mit dieser Frage gerechnet, hatte gewusst, dass sie kommen würde, schon während des seltsamen Frühstücks, schon am vergangenen Abend, schon vor über zwei Jahren hatte er gewusst, dass diese Frage irgendwann kommen würde. Dennoch konnte er sie selbst jetzt noch nicht beantworten, weder seine Gefühle noch seine Gedanken auch nur ansatzweise in Worte fassen. „Dafür habe ich keinen guten Grund.“ „Das glaube ich dir nicht“, entgegnete Franky ebenso ruhig mit einem leichten Kopfschütteln. „Du bist verdammt schlecht in Geheimniskrämerei – also ganz ehrlich und nur für den Fall, dass du dachtest, du hättest dich gut angestellt. Das hast du nicht. Jeder von uns wusste, dass irgendetwas los ist - und ohne guten Grund würdest du so etwas nicht machen. Außerdem hat Falkenauge gestern doch gesagt…“ „Können wir Dulacre einfach mal außen vor lassen?“, murrte Zorro. „Ich weiß, dieser Mistkerl redet gerne und viel, wenn der Tag lang ist, aber selbst er weiß nicht alles, sonst würde er mir ja nicht alle zwei Minuten auf die Nerven gehen.“ „Aber er hat nicht ganz Unrecht, weißt du?“, bemerkte Nami nun und umschloss ihre Kaffeetasse, als müsste sie sich wärmen, doch ihr Blick lag klar und unbeeindruckt auf ihm. „Ich weiß nicht, ob und was er dir von gestern Mittag erzählt hat, aber bevor du und Lysop dazukamt, hat er uns ziemlich deutlich vorgeführt, wie wenig wir über dich wissen. Ich konnte gefühlt keine seiner Fragen beantworten und ich glaube, den anderen ging es nicht besser.“ Zustimmendes Nicken kam von den anderen, während Lysop sich den Nacken rieb und Zorro sich wiedermal fragte, ob Dulacre wirklich nicht in der Lage war, sich ein einziges Mal am Riemen zu reißen. Er hatte keine Ahnung, was Dulacre den anderen groß erzählt hatte und was für idiotische Fragen er ihnen wohl unbedingt hatte stellen müssen, aber ändern konnte er das jetzt nicht mehr. „Und ich meine das wirklich nicht böse, aber es stimmt einen schon nachdenklich. Glaub mir, ich verstehe, dass nicht jeder ein offenes Buch ist – ich rede auch über vieles nicht – aber wenn du uns noch nicht mal mit so etwas vertraust, dann…“ „Das stimmt nicht“, murrte Zorro, hatte noch nicht mal beabsichtigt, sie zu unterbrechen, „also die Sache mit Eizen und…“ „Ganz ehrlich, Eizen ist mir egal.“ Nun stand Nami auf, stellte ihre Tasse ab und kam auf ihn zu. „Ja, es ist beschissen und mich frustriert diese Situation, in der wir uns befinden, aber dafür gebe ich dir nicht die Schuld – wie gesagt, ich finde, du bist recht gut mit diesem Mist umgegangen und ich hätte dir nicht ansatzweise so viel Grips zugetraut – dass du uns diese Sache mit Lady Loreen verschwiegen hast, darüber bin ich schon sauer und ich würde es wirklich gerne verstehen.“ Jetzt stand sie vor ihm, die Arme verschränkt, aber sie wurde weder anstrengend laut noch nervtötend zickig. Verdammt, so konnte er sie ja gar nicht einfach abwiegeln. „Da gibt es nicht viel zu verstehen“, entgegnete er und zuckte erneut mit den Schultern. „Es war eine dumme Entscheidung meinerseits und ich…“ „Aber Zorro“, kam es nun von Lysop, der sich zurücklehnte, um ihn an Nami vorbei anzusehen, „es muss ja einen Grund geben, warum du dich so entschieden hast. Vielleicht hat Falkenauge ja doch Recht und du vertraust uns einfach nicht. Ich meine, so etwas kann man ja nicht wirklich beeinflussen und es wäre nur zu ver…“ „Er hat nicht Recht!“ Leise stöhnte er auf und rieb sich durchs Gesicht. „Also echt mal, dieser Mistkerl meint wirklich, sich überall einmischen zu müssen. Um das klarzustellen, die Sache mit Lady Loreen hatte nichts mit euch zu tun oder dass ich euch nicht vertrauen würde oder so, sondern…“ „Kein fehlendes Vertrauen?“, wiederholte der Koch und Zorro konnte ihm regelrecht anhören, wie er sich bemühen musste, ruhig zu bleiben; interessanterweise ging es Zorro augenblicklich ganz ähnlich. „Würde ich dir ja gerne glauben, aber…“ „Was aber?“, knurrte Zorro, fast schon dankbar, dass Nami vor ihm stand und Chopper sich in sein Hosenbein krallte. Es war so einfach sich vom Koch anstacheln zu lassen. „Jetzt mal ernsthaft, ja, die Sache mit Lady Loreen war scheiße, dafür entschuldige ich mich. Ich hätte euch nicht außen vor lassen sollen und ich weiß, dass ich es euch die letzten Tage nicht leicht gemacht habe. Ich hab keinen wirklichen Grund dafür, egal wie oft ihr fragen werdet. Alles, was ich sagen kann ist, dass ich Lady Loreen und alles was mit diesem Körper zutun hat, nicht wirklich abhaben kann und vielleicht ist es mir deshalb einfach nur schwergefallen, den Mund aufzumachen.“ „Als ob“, schnaubte der Koch leise auf und schüttelte ungläubig den Kopf. Aber Zorro konzentrierte sich auf Nami, die immer noch vor ihm stand und ihn eingehend musterte, ehe sie schließlich nickte. „Okay, das akzeptiere ich“, meinte sie dann, woraufhin der Koch noch mal aufschnaubte und eine Hand in einer wilden Geste nach oben riss, ehe Lysop ihn wortlos beschwichtigte, „aber das ändert nichts daran, dass zumindest ich absolut keine Ahnung habe, wer du bist. Ich weiß nichts über dich, du hast nie von dir erzählt, und ich frage mich halt, warum. Ob es nicht doch mangelndes Ver…“ „Das kannst du doch echt nicht ernst meinen.“ Kopfschüttelnd raufte Zorro sich die Haare. Er wusste, dass es ein wichtiges Gespräch war und dass Nami diese Worte ernst meinte, die anderen hier versuchten, mit der Situation so gut wie möglich umzugehen, und er war tatsächlich überrascht, wie wenig sie ihm bisher vorgeworfen hatten, bisher. Aber es störte ihn schon, wie sehr sie sich an irgendeinen Mist, den Dulacre wohl verzapft hatte, aufhielten. „Was redest du da, Nami? Du weißt, wer ich bin, da habe ich nie einen Hehl drum gemacht.“ „Nein, das weiß ich eben nicht“, meinte sie nun, fast schon sanft, eine Tonlage, die er von ihr nicht wirklich gewohnt war. „Falkenauge hat mir bewusst gemacht, dass ich eigentlich fast gar nichts über dich weiß und ich rede noch nicht mal, von den großen Sachen, sondern von den alltäglichen. Ich habe keine Ahnung, was dein Lieblingsgetränk ist, was für Bücher du gerne liest – mein Gott, ich war mir nicht mal sicher, ob du überhaupt lesen kannst -, dass du Bao aus dem metallenen Krieg bevorzugst – dass du überhaupt so viel Ahnung von Geschichte hast, dass du etwas über solche Kriege weißt – noch nicht mal, was deine beschissene Lieblingsfarbe ist oder…“ „Na und, was soll der Quatsch?“, entgegnete er. „Also mal ehrlich, dieser Mist ist doch total egal.“ „Nein, Zorro, ist er nicht. Als Crewmitglieder, als Freunde, sollten wir so etwas von dir wissen, aber das tun wir nicht. Wir kennen dich nicht, nicht wirklich, weil du einfach nie etwas von dir erzählt hast. Warum hast du uns nie solche Sachen von dir erzählt?“ Erst jetzt bemerkte er, dass sich die Atmosphäre im Raum wohl geändert hatte. Diese Anspannung, die jederzeit einen Konflikt heraufbeschwören konnte, hatte sich gelegt, ersetzt durch etwas, was er nicht ganz zuordnen konnte, während der Koch die Arme verschränkt hatte und den Tisch anstarrte, sein Mund nur eine dünne, bebende Linie. Lysop hingegen sah Zorro mit seinen großen glasigen Augen an und schluckte schwer, als hätte er Angst vor Zorros Antwort. Auch Franky sah nicht mehr halb so ablehnend aus, wie zuvor, wie er den Blick durch den Raum und ab und an aus dem Bullauge warf, als wäre er nicht in der Lage, Zorro anzusehen, was vorher noch kein Problem für ihn gewesen war. Ein leises Schniefen machte ihm auch bewusst, dass Chopper anscheinend sogar mit den Tränen kämpfte. Er verstand nicht wirklich, warum sie gerade alle so emotional reagierten, während Nami vor ihm stand und ihn absolut ernsthaft diese absolut unsinnige Frage stellte. Aber was er verstand, war, dass er die Situation wohl wieder mal falsch eingeschätzt hatte. Dieses Gespräch hatte nie einen Angriff darstellen sollen, nie ein Klarstellen der Fronten, sondern eine Intervention, der Versuch, die Wogen zu glätten. Anscheinend ging es ihnen gar nicht darum, ihn für sein Verhalten zur Verantwortung zu ziehen, sondern um etwas ganz anderes, und was auch immer das wohl war, hatte mit dieser sinnlosen Frage zu tun. „Weil mir dieser Kram absolut egal ist“, erklärte er nun erneut, bewusst ruhiger. „Keine Ahnung, warum dir das wichtig ist oder du das unbedingt wissen willst, aber es ist nicht so, als hätte ich etwas absichtlich verschwiegen. Es war mir nur nicht wichtig genug, um darüber zu reden.“ Nun sah er für einen Moment die anderen an, erst Franky, der leicht den Kopf neigte, dann den Koch, dessen Blick er mal so überhaupt nicht deuten konnte, ehe er erst den großen Augen Lysops und dann Choppers begegnete. Schlussendlich begegnete er wieder Namis ernsten Blick, die anscheinend angesprochen hatte, was für sie alle relevant war. „Ganz ehrlich, keine Ahnung, was meine Lieblingsfarbe ist – darüber habe ich mir noch nie, noch nie, Gedanken gemacht – und ich glaube, es gibt kaum ein Buch, das ich gerne lese; ich lese generell nicht wirklich gerne. Aber all dieser Mist ist doch total unwichtig und sagt nichts darüber aus, ob du mich kennst, oder nicht.“ Er zuckte beinahe hilflos mit den Schultern. „Also echt mal, ich sehe das Ganze wirklich anders. Ich hab keine Ahnung, was deine Lieblingsfarbe ist – orange? Rot? Es ist mir eigentlich egal, selbst wenn du es mir mal gesagt haben solltest – aber ich kenne dich, verdammt gut sogar, besser, als mir manchmal lieb ist. Und ich kapiere nicht, warum du behauptest, nicht zu wissen, wer ich bin, nur weil du nicht weißt, was mein Lieblingsgetränk ist.“ Erneut sah er in die Runde, die anscheinend überhaupt nicht vorgehabt hatte, ihm – berechtigte – Vorwürfe zu machen, sondern wohl nur versuchten, irgendwelche von Dulacre vorgebrachten Vorwürfe zu überprüfen. „Nochmal, ich verstehe, wenn ihr mir wegen der Sache mit Lady Loreen misstraut, aber diesen Mist kaufe ich euch nicht ab. Die Dinge, die mir wichtig sind, wisst ihr. Zumindest bin ich mir sicher, dass ich mich diesbezüglich immer klar genug ausgedrückt habe. Ihr alle wisst von meinem Traum, ihr alle wisst, wie wichtig mir diese Crew, meine Schwerter und der Schwertkampf sind. All das wisst ihr und ich hab nie mit meiner Meinung hinterm Berg gehalten. Dinge, die mir wichtig sind, spreche ich an und spreche ich aus, und wenn ihr darüber hinaus irgendetwas nicht wisst, dann aus dem ganz einfachen Grund, dass es mir nicht wichtig ist, aber nie, weil ich es bewusst oder unbewusst verheimlichen wollte, mit Ausnahme halt die Sache über Lady Loreen“, setzte er kleinlaut hinterher. Nachdenklich rieb er sich den Nacken. Diese ganze Diskussion erinnerte ihn an seine Auseinandersetzungen mit Dulacre über Namen und Titel und da verstand er, dass es vermutlich auch hier um unterschiedliche Prioritäten ging. Deshalb war es für sie wichtig, auch wenn er es nicht im Mindesten verstehen konnte, weil sie solche Dinge wohl übereinander wissen wollten, und deshalb dachten sie wohl, ihn nicht zu kennen, obwohl er die Antworten auf solche Fragen noch nicht mal selbst kannte. Aber das konnten sie ja nicht wissen, denn für sie war es wohl selbstverständlich solche Fragen beantworten zu können. „Wenn ich ehrlich bin, kann ich diese ganzen Sachen auch nicht über euch beantworten, weil es mir einfach nicht wichtig ist, und trotzdem würde ich behaupten, euch alle ganz gut zu kennen, weil ich die Dinge über euch weiß, die ich wichtig finde zu wissen. Wenn diese Sachen also für euch wichtig sind, entweder um eure Aufgabe zu machen…“ Er nickte zum Koch und legte eine Hand auf Choppers Kopf. „… oder weil es für euch relevante Informationen sind, dann fragt doch einfach.“ Interessanterweise waren es wieder die drei Männer im Hintergrund, die offensichtlich mit ihren eigenen Emotionen beschäftigt waren, während Nami hingegen Zorro aus zusammengekniffenen Augen anstarrte. Nicht, dass er sich wirklich Gedanken darüber machte. „Meistens, wenn man dich irgendetwas fragt, blockst du sofort ab“, bemerkte sie, zurecht. „Ja, weil solche Fragen nervig und unnötig sind“, knurrte er zurück, sprach jedoch weiter, „und wenn ich genervt bin, reagiere ich genervt, keine große Überraschung. Aber wenn du sagst, dass dir die Antwort wichtig ist, dann antworte ich, so wie wenn Chopper mich mit seinen nervigen Fragen bei den Checkups löchert oder heute Morgen der Koch übers Essen. Als würde sich da irgendwer Gedanken drüber machen.“ „Du bist der Einzige, der sich über Nahrungsmittel und Ernährung keine Gedanken macht, Marimo“, murrte der Koch nun, wollte wohl noch etwas hinten dran hängen, doch unterbrach sich, als Nami leise räusperte. „Okay, Zorro, dann habe ich noch genau drei Fragen an dich, die mir wirklich wichtig sind, dass du sie mir jetzt hier beantwortest.“ „Dann frag halt“, murrte er, nicht sicher, wie er dieses Gespräch einordnen sollte. Eigentlich fand er es nervig, aber uneigentlich konnte er nicht leugnen, dass seine Brust nicht mehr ganz so eng war, wie noch zu Beginn. „Können wir Falkenauge wirklich vertrauen?“ Sie klang absolut ernst. „Mir gefällt es gar nicht, dass du so einen Solotrip hinlegst, aber tatsächlich missfällt mir noch mehr, dass du uns da so raushalten willst – selbst, wenn es der klügere Weg sein sollte – also, kann ich darauf vertrauen, dass du spätestens auf Wa No Kuni wieder zu uns stößt?“ „Ja“, antwortete er, „seit ich gehört habe, wie stark Kaido sein soll, will ich unbedingt gegen ihn kämpfen. Das werde ich mir auf keinen Fall entgehen lassen.“ Leicht neigte Nami den Kopf und zog misstrauisch die Augenbrauen zusammen. „Das… das war nicht die Antwort auf meine… Herrje, du bist so ein Freak, dich soll mal einer verstehen.“ „Was denn?“, murrte er und zuckte mit den Schultern. „Du wolltest doch eine ehrliche Antwort, da hast du sie. War’s das jetzt oder kommt da noch was?“ „Du bist so ein Vollidiot.“ Tief holte sie Luft. „Okay, Frage Nummer Zwei: Bist du gerne Mitglied dieser Crew und was sind wir anderen für dich?“ Lysop machte einen seltsamen Laut, als wollte er wirklich nicht, dass Zorro darauf antwortete. „Wie kannst du das überhaupt fragen?“, kam es nun leise von Zorros Hosenbein, hinter dem Chopper sich halb versteckte. „Nach allem, was…“ „Du verstehst Namilein falsch, Chopper“, kam es nun vom Koch, der sich zurücklehnte und die Arme verschränkte. „Keiner hier zweifelt an, dass der Marimo hinter der Crew steht, aber das heißt halt noch lange nicht, dass er auch nur irgendeinen von uns ausstehen kann.“ „Dich zumindest nicht“, stimmte Zorro zugleich auch zu, worauf der Koch ihm nur den Mittelfinger zeigte, was er großzügig ignorierte, um sich wieder Nami zuzuwenden. „Also, die Antwort auf deine Frage – auch wenn es eigentlich zwei Fragen sind – lautet, ich bin gerne Mitglied dieser Crew. Ihr seid alle ziemlich laut und ziemlich nervig, gerade du und der Koch geht mir manchmal richtig auf den Sack. Aber ich sehe das etwas anders als der Koch.“ Er hockte sich hin und legte Chopper erneut eine Hand auf den Kopf, der ihn mit schimmernden Knopfaugen anstarrte. Zorro bemühte sich zu einem kleinen Lächeln. „Hinter einer Crew, die ich nicht ausstehen kann, würde ich nicht stehen. Crew oder keine Crew, ich kann jeden von euch auf seine eigene beschissene Art und Weise leiden.“ „Selbst Sanji?“, fragte Lysop mit einer naiven Ehrlichkeit nach, während der Koch nur mit einem leisen „Oi!“ das Gesicht verzog. Zorro rollte mit dem Auge und richtete sich wieder auf. „Mal mehr mal weniger, hat auch seine weniger nervigen Momente. Wenn er betrunken oder auf Entzug ist, ist er ganz unterhaltsam.“ „Du Mistkerl!“ Nun sprang der Koch auf und stakste auf ihn zu, ließ sich aber von einer ausgestreckten Hand Namis zurückhalten. „Dritte Frage“, sagte sie, immer noch so absolut ernst, und verhinderte eine handfeste Auseinandersetzung, auf die Zorro sich fast schon etwas gefreut hatte. „Was ist deine Kleidergröße?“ „Wa… was?“ „Deine Kleidergröße, wenn du Loreen bist?“ „Keine… keine Ahnung.“ „Nami, was soll das denn?“, kam es von Franky. „Wir haben viel Wichtigeres, was wir…“ „Das hier ist wichtig, Franky“, entgegnete sie, ohne den Cyborg auch nur anzusehen, „wenn ich mich nicht irre, bist du als Loreen etwas kleiner als ich, oder? So in etwa?“ Sie legte eine flache Hand gegen ihre Schläfe auf Höhe der Augen. „Keine… kann schon sein“, murmelte Zorro, absolut verwirrt über diese Frage. So verwirrt, dass er für einen Moment vergaß, wie unangenehm es ihm war, über dieses Thema zu sprechen. „Nami, warum willst du das überhaupt…“ Lysop wurde unterbrochen, als Franky gerade noch rechtzeitig zur Seite sprang, ehe die Türe aufknallte. Trafo stand im Türrahmen. „Hier steckt ihr alle“, murrte er mit einer genervten Tonlage, um die Zorro ihn beinahe beneidete, als er mit nur einem Blick die Situation zu erfassen schien. „Eure Gruppentherapie müsst ihr jetzt erstmal verschieben. Wir sind fast da.“ Er deutete mit einem Daumen hinter sich. „Und ich hoffe wirklich, dass euer Familiendrama sich nicht negativ auf unseren Plan auswirken wird.“ „Dir ist schon bewusst, dass jeder Plan mit Ruffy nur ein Wunschgedanke ist?“, entgegnete Nami, ehe sie Law nach draußen folgte. Zorro schloss sich den anderen an und gemeinsam gingen sie alle nach draußen, auf die Wiese, wo schon die anderen warteten und Ruffy sich lauthals beschwerte, wo sie denn alle geblieben waren. Am Horizont zeichnete sich eine Insel ab. Wenige Minuten später folgten ernsthafte Instruktionen, denen Zorro nur mit halbem Ohr zuhörte, während er an der Reling lehnte und der Insel entgegensah. Seit diesem Morgen gierte es ihm nach einem Kampf, die vergangenen Gespräche hatten sein Monster etwas eindösen lassen, aber jetzt merkte er es wieder deutlich und er hoffte, dass er sich etwas austoben würde können, wohl wissend, dass dies gegen Trafos Plan verstoßen würde. „Ich freu mich richtig!“ Ruffy sprang neben ihn auf die Reling und grinste ihn breit an. „Hab nochmal so richtig Lust, jemanden zu verprügeln.“ „Aye“, stimmte Zorro ihm vom ganzen Herzen zu, „ich möchte auch mal so langsam richtig kämpfen.“ „Shishishi“, lachte Ruffy ungewohnt leise. „Wirst du das auch auf Mary Joa?“ Einen Moment sahen sie einander an und Zorro erkannte diesen Blick, wusste, dass Ruffy verstand, ihn verstand. Er wusste, dass dies ausnahmsweise ein Kampf sein würde, den Zorro – noch – vermeiden wollte, weil er – noch – nicht bereit war, um ihn zu gewinnen. „Wenn es sein muss“, entgegnete er, während Trafo nachdrücklich darauf pochte, dass sie sich an den Plan halten würden. Erneut lachte Ruffy auf, dieses Mal lauter, sodass sie beide – obwohl Zorro doch nichts getan hatte, außer nicht zuzuhören – sowohl von Nami als auch Trafo nochmal belehrt worden. „Zorro?“ „Hmm?“ „Wenn du richtig kämpfen solltest, dann hab zumindest auch richtig Spaß, okay? Sonst komme ich doch nach“, drohte Ruffy, während er seine Schulter gegen Zorros stieß. Einen Moment schloss Zorro sein Auge und atmete tief ein, genoss die frische Meeresluft, die sich in seinem Brustkorb ausbreitete wie der erste Atemzug nach einem langen Tauchgang. „Sollte ich kämpfen, werde ich den Spaß meines Lebens haben, Käpt’n.“ Schmunzelnd begegnete er Ruffys breitem Grinsen. „Dann ist ja gut.“     Kapitel 35: Kapitel 35 - Abreise -------------------------------- Kapitel 35 – Abreise   ~ einige Tage später ~   - Zorro – „Lorenor“, grüßte ihn die wie üblich leicht entnervte Stimme seines ehemaligen Lehrmeisters, „wo bist du, wenn ich fragen darf?“ Scheiße! „Ähm…“ „Wo bist du?“ Verdammte Scheiße! „Auf… auf dem Weg nach Zou?“ „Interessant, denn ich erinnere mich, mit Jiroushin abgesprochen zu haben, dass er dich in irgendeiner Hütte auf Dress Rosa vorfinden würde, wie du mir während unseres letzten Telefonats aufgetragen hattest.“ Oh, verdammte Scheiße! „Und rate mal, wer mich eben anrief und dich nicht finden konnte? Leicht besorgt, nachdem deine Crew wohl Reißaus vor der Marine genommen hatte.“ Er entgegnete gar nichts. „Hast du irgendetwas zu deiner Verteidigung vorzubringen?“ „Es gab Sake?“ „Lorenor!“ Verdammt! Er hatte doch glatt vergessen, dass es da noch ein anderes Problem gab. Er hatte wirklich einfach vergessen, dass er sich heute mit Jiroushin treffen und nach Mary Joa reisen wollte. Nachdem er den anderen endlich die Wahrheit gestanden hatte und sie sich danach wie üblich ins Chaos gestürzt hatten, ohne dass auch nur einer Zorro gegenüber misstrauisch gehandelt hatte, war er endlich angekommen, hatte endlich für einen Moment diesen Klumpen Angst in seiner Magengegend vergessen, und damit auch, was er eigentlich zu tun hatte. „Du bringst mich wirklich an den Rand der Verzweiflung!“, knurrte der andere und Zorro konnte laute Schritte hören, als der andere wohl begonnen hatte, auf und ab zu tigern. „Unverbesserlich, wie eh und je.“ Laut stöhnte Dulacre auf und die kleine weiße Teleschnecke spiegelte seinen entnervten Gesichtsausdruck perfekt wider. Er hörte sich besser an seit seinem letzten Gespräch mit Zorro, aber darüber dachte Zorro gerade nicht wirklich nach, als er die Wut des anderen auf sich zog. „Nun gut, sei es so. Ich kann ja nicht behaupten, dass ich das nicht erwartet hätte.“ „Nicht?“, murrte Zorro, obwohl er sich bewusst war, dass er vielleicht besser schweigen sollte. „Natürlich nicht. Es scheint mir, als würdest du in Gegenwart deines Kapitäns zu einem einfältigen Tölpel degenerieren. Zum Glück habe ich ein solches Szenario bereits vorausgesehen und Jiroushin während seines Aufenthaltes auf Kuraigana einen Teil deiner Vivre Card gegeben.“ „Du hast was?“ Die Teleschnecke rollte mit den Augen. „Sei nicht so überrascht, Lorenor, ein solches Verhalten meinerseits war doch absolut vorhersehbar. Allerdings wird Jirou sich nicht direkt aufmachen können, um euch zu folgen – verfluchte Marinetätigkeiten, ihr habt ein ganz schönes Chaos auf Dress Rosa hinterlassen – aber er wird euch nachreisen und einen Konflikt provozieren.“ „Warum?“ „Tze, bitte denk doch mit. Während des Tumults eines Kampfes kannst du dich ungesehen in seine Kajüte begeben. Daraufhin wird er zum Rückzug auffordern, unter irgendeiner fadenscheinigen Ausrede. Es ist kein guter Plan, aber der Einzige, der uns bleibt, wenn du es noch rechtzeitig zur Reverie schaffen möchtest. Stelle du nur sicher, dass du deine Crew einweihst; ich würde es nicht willkommen heißen, wenn ihr auch noch diesen Plan mit eurer Einfältigkeit vermasselt. Außerdem würde es sich gewiss nicht gut in Jiroushins Akte machen, ein Kriegsschiff zu verlieren. Also haltet euch zurück.“ „Glaubst du wirklich, dass dieser Plan funktionieren wird? Hört sich für mich alles andere als durchdacht an.“ „Wessen Schuld denkst du ist das, Lorenor?“, grummelte der andere. „Mir gefiel unser Ursprungsplan auch deutlich besser, aber du hast ihn ja vergessen! Also wenn du keinen…“ „Wenn ich mich einmischen dürfte? Ich hätte vielleicht einen Vorschlag, der etwas weniger Risiko beinhaltet.“ Zorro sah überrascht auf. „Nico Robin“, entgegnete Dulacre mit schroffer Stimme, „auch wenn es mir missfällt, dass du private Gespräche mithörst, so wäre ich doch sehr beruhigt, wenn zumindest ein Mitglied dieser Crew mitdenken würde.“ Mit einem Lächeln schloss sie die Türe hinter sich und schritt zu Zorro in den Aufenthaltsraum der Going Ruffy, in den Zorro sich zum Telefonieren zurückgezogen hatte. „Ich bin mir ziemlich sicher, dass sich deine Meinung ändern wird, wenn du von meinen Gedanken hörst.“   ~ wieder einige Tage später ~   In angespannter Stille saßen sie da, Zorro direkt hinter der Tür, Lysop mit geladener Schleuder genau gegenüber, während draußen die Planken knarzten. Nun würde sich zeigen, ob Robins Plan aufgehen oder ihnen noch viel größere Probleme bescheren würde. Sein Blick glitt über die Anwesenden, die alle mehr oder weniger aufmerksam den Neuankömmling erwarteten. Zorro konnte nicht ganz vermeiden, ein schlechtes Gewissen zu haben. Sie hatten derzeit genug Probleme am Hals – ein Vollidiot von Koch zum Beispiel, der einen verdammten Alleingang gestartet hatte, auch wenn Zorro vielleicht nicht derjenige war, der darüber urteilen sollte – außerdem missfiel es ihm, nun, da die Crew getrennt war, sich von den anderen abzuseilen. Natürlich traute er den anderen zu, auf sich selbst Acht zu geben, so wie sie es die vergangenen zwei Jahre getan hatten. Aber sie waren in Begriff sich mit Kaido anzulegen, auf dem Weg in ein fremdes Land mit neuen Gefahren und ausgerechnet jetzt musste Zorro für einige Tage Lady Loreen spielen. Vor der Türe verstummten die Schritte und leise quietschend bewegte sich die Klinke. „Einen schönen guten Abend.“ „Uah! Ein Marinesoldat!“ „Reg dich ab, Lysop, das ist Jiroushin.“ Schwerfällig erhob Zorro sich, während der Vizeadmiral die Türe hinter sich ins Schloss fallen ließ. „Mann, Zorro!“, grüßte der Neuankömmling ihn mit einem breiten Grinsen und schlug ihm kräftig auf die Schulter. „Gut dich zu sehen – endlich – du bereitest einem ganz schönes Kopfzerbrechen, weißt du das?“ „Sorry“, murmelte er. „Also… also der Typ ist nicht unser Feind?“, fragte Lysop kleinlaut nach. „Oh doch, natürlich“, lachte Jirioushin. „Ich bin schließlich Marinesoldat und ihr seid gesuchte Schwerverbrecher.“ „Zorro!“ „Aber Dulacre ist mein bester Freund und ich würde nie zulassen, dass seinem Wildfang etwas zustößt.“ „Bitte sag mir, dass er sich ein beschissenes Pferd zugelegt hat“, stöhnte Zorro leise auf und rieb sich die Schläfen. „Aber ich muss sagen, ich bin etwas enttäuscht. Ich hätte zu gerne deinen Kapitän kennen gelernt – Hawky scheint ihn ja überhaupt nicht leiden zu können, daher bin ich mir sicher, dass er ein fröhlicher Zeitgenosse ist – aber er ist ja gar nicht da und gefühlt die Hälfte deiner Crew fehlt“, schmollte Jiroushin beinahe und warf einen Blick in die Runde, um die einzelnen Crewmitglieder zu begutachten. Auf Robins klugen Einwand hin, waren nur sie und Trafo anwesend. Die übrigen Mitstreiter sollten das Geschehen mit sicherem Abstand aus dem U-Boot der Heart-Piraten beobachten und Zorro war das nur Recht; er bevorzugte, wenn die kleine Sache mit Lady Loreen nicht direkt jeder wusste. „Ja, das stimmt, aber ich denke, je weniger ich dir sage, desto besser für uns alle“, murrte er. Mit einem tiefen Seufzen nickte der Vizeadmiral. „Sag mal, ist Comil an Bord?“, fragte Zorro und hielt seinen Blick bewusst auf Jiroushin, dieser schüttelte jedoch nur mit dem Kopf. „Tut mir leid, er wurde nicht nach Dress Rosa berufen. Aber ich habe einen Termin für dich auf Mary Joa mit ihm vereinbart.“ „Okay, danke dir.“ Zorro ließ sich nichts anmerken. Er hatte entschieden, erst mit Comil selbst über seine erlangten Informationen zu sprechen, ehe er irgendwem unnötige Hoffnungen machen würde, aber er hätte sich gewünscht, schon mal eines der nervigen Themen abhaken zu können. „Nun gut, die Idee mit dem verlassenen Handelsschiff war sehr gut, aber ich denke, wir sollten allmählich zur Tat schreiten, wenn ich zu lange brauche, wird mit Sicherheit jemand nach mir gucken kommen und dann werden wir doch noch miteinander kämpfen müssen“, erklärt Jiroushin mit einem breiten Grinsen, welches Ruffys Konkurrenz machen konnte. Dann zog er einen kleinen Stempel hervor. „Dulacre hat mir gesagt, dass es für deine Fähigkeit von Vorteil ist, wenn du genau weißt, wie der Gegenstand aussieht, wenn du ihn nicht mit eigenen Augen sehen kannst. Ein Stempel, der genauso aussieht, wie dieser hier, liegt auf dem Boden inmitten meiner Kajüte. Wird das für dich funktionieren?“ Trafo, der bisher gegen einen Balken gelehnt und sie alle nur beobachtet hatte, stieß sich nun vom Holz ab und schritt auf Jiroushin zu. „Room“, murmelte er leise und nahm dann den Stempel entgegen. „Ja, das sollte gehen“, murrte er. Im Hinterkopf konnte Zorro Dulacres leises Fluchen hören, als würde er direkt hinter ihm stehen und sich darüber ereifern, dass er den Erfolg dieses Plans nicht diesem Bengel anvertrauen würde, aber Robins Vorschlag war nun mal gut, deutlich besser als einen Konflikt zu riskieren. „Okay.“ Zorro lockerte seine Muskeln und sah jeden Einzelnen der Anwesenden an. „Wir sehen uns dann in ein paar Tagen. Passt auf euch auf.“ „Musst du gerade sagen“, meinte Lysop mit deutlich zu lauter Stimme, „pass du bloß auf dich auf!“ „Ach Langnase, mach dir doch nicht so einen Kopf“, lachte Franky und schlug dem Lügenbaron kräftig auf den Rücken, aber über seine Sonnenbrille hinweg sah er Zorro ernst an, „schließlich hat Zorro einen Plan.“ Also wie schaut’s aus? Was ist der Plan? Er sah ihn genauso an, wie damals. Nein, nicht genauso, damals in den Kerkern der G6 hatte Franky ihn nicht hinterfragt und sie alle hatten dafür bezahlen müssen, jetzt forderte er diesen Vertrauensvorschuss von Zorro wieder zurück. Zorro nickte. „Keine Sorge, ich werde auf Wa No Kuni zu euch stoßen.“ Franky nickte ebenfalls. Dann fiel Zorros Blick auf Robin, doch sie neigte nur leicht den Kopf und lächelte. „Bis dann, Zorro.“ Er mochte es nicht, er mochte es absolut nicht. Er konnte spüren, wie sie ihm alle versichern wollten, dass er sich keine Sorgen machen brauchte, so wie er ihnen versicherte, dass sie sich keine Sorgen machen brauchten. Aber so, wie es ihm nichts brachte, machten sie sich wahrscheinlich auch trotzdem Sorgen. Vielleicht sogar zu Recht. „Okay“, murmelte Zorro, griff den Seesack neben sich und sah kurz Jiroushin an, „bis gleich.“ Dann nickte er Trafo zu, der ebenfalls nur nickte und bevor Zorro auch nur wusste, was passierte, befand er sich plötzlich mitten in einem recht großen Raum mit protzigen Gemälden und einem Schreibtisch, groß genug, um eine Konferenz abhalten zu können. Es war ein kluger Plan gewesen, das gestand Zorro Robin neidlos zu. Dank Laws Fähigkeit konnte Zorro an Bord dieses Kriegsschiffes gelangen, ohne dass jemand ihn sehen würde und Jiroushin würde einfach so tun, als wäre das vermeintliche Handelsschiff, auf dem die anderen sich versteckt hielten, verlassen gewesen. Wie sowohl Robin als auch Dulacre erwartet hatten, hatte ihre Route nach Wa No Kuni sich genau mit der Route Jiroushins von Dress Rosa zurück nach Mary Joa gekreuzt, sodass es nun noch nicht mal auffallen würde. Es war ein guter Plan, dennoch war Zorro alles andere als zufrieden. Die ganze Situation ärgerte ihn, verdammter Koch, verdammte Big Mom, verdammte Reverie, verdammter Eizen. Es war wirklich, wie er gesagt hatte, die Dinge waren nicht mehr einfach, nichts war mehr einfach und er war mitten drin. Aber wenn er das hier packen würde, dann würde ein ganz elementarer Teil seines Lebens wieder einfacher und wenn er es nicht packen würde, dann… dann würde er zumindest ein Spektakel erleben, welches er sich kaum ausmalen konnte. Vor der großen doppelseitigen Tür konnte Zorro Stimmen hören und er entschied, in Deckung zu gehen. Die Kajüte des Kommandeurs des Schiffes war groß, allerdings nicht so groß, wie die Räumlichkeiten in denen er als Lady Loreen normalerweise untergebracht war. Es gab kein abgetrenntes Schlafzimmer, in das man sich zurückziehen konnte, aber das war auch gar nicht nötig, denn als die Tür aufging, war es nur Jiroushin, der hineinkam, kurz noch ein paar Worte wohl mit einem Soldaten auf der anderen Seite der Türe wechselte, ehe er sie wieder hinter sich schloss, zu seinem Schreibtisch hinüber ging und beide Stempel dort abstellte. „Mann, du bist wirklich gut geworden“, urteilte er, „obwohl ich weiß, dass du da bist, kann ich deine Präsenz überhaupt nicht wahrnehmen. Aber die Mauern deines Verstandes waren ja immer schon sehr solide und in deiner anderen Gestalt bist du ja selbst im Kampf nicht wahrnehmbar.“ Zorro trat aus dem Bad heraus. „Danke für deine Hilfe, Jiroushin, und entschuldige die Umstände. Ich habe unser Gespräch von Kuraigana nicht vergessen und hätte dich lieber nicht mithineingezogen.“ Mit einem breiten Schmunzeln schüttelte der Vizeadmiral den Kopf und hängte seinen Marinemantel neben der Türe auf. „Nicht doch. Es stimmt natürlich, durch unsere Positionen sind wir Feinde, aber das ändert nichts daran, dass ich dir als meinem Freund helfen möchte. Außerdem, wenn Dulacre mit dem, was er gesagt hat, Recht behalten sollte, werde ich auf diese Weise sogar die Weltregierung schützen, nicht wahr?“ „Was hat er dir erzählt?“ Zorro mochte die Situation immer noch nicht, aber ihm war auch bewusst, dass dieses Gefühl nicht vergehen würde, bis er wieder bei seiner Crew sein würde. „Nicht wirklich viel, nur, dass die Weltregierung in Gefahr wäre und dass ihr meine Hilfe braucht, um diese Gefahr aufhalten zu können.“ Jiroushin nickte den ausladenden Stühlen an dem weitläufigen Konferenztisch zu und Zorro folgte seiner Aufforderung. „Ich vermute natürlich, dass es etwas mit Eizen und der Reverie zu tun hat; es muss etwas Dramatisches sein, wenn selbst Hawky versucht, die Weltregierung zu schützen, wobei es ihm vermutlich nur um dich geht.“ Zorro entgegnete nichts, sondern setzte sich hin. Er fragte sich, was der Samurai seinem Kindheitsfreund noch so erzählt hatte. „Im Übrigen muss ich mich entschuldigen, du bist vermutlich andere Räumlichkeiten gewohnt, aber ich bin ja nur ein einfacher Soldat der Marine und keine einflussreiche Persönlichkeit.“ „Ach, lass den Mist“, murrte Zorro abwinkend, während der andere schallend auflachte und sich ebenfalls auf einen Stuhl Zorro gegenüber fallen ließ. Doch im nächsten Moment wurde der Blondschopf wieder todernst und lehnte sich so weit vor, dass Zorro das Bedürfnis hatte sich zurückzulehnen. „Und jetzt will ich wissen, was wirklich los ist.“ Seine ganze Ausstrahlung hatte sich geändert, von dem lustigen, gutmütigen Dauergrinsen war nichts geblieben. Zorro zuckte nur mit den Achseln. „Ganz ehrlich, ich denke nicht, dass ich dir mehr erzählen sollte als nötig. Je mehr du weißt, desto mehr könntest du in die Schusslinie geraten. Allerdings…“, sprach er sofort weiter, als der andere ihn unterbrechen wollte, „… würde ich dir raten Mary Joa so schnell wie möglich zu verlassen. Lass dich notfalls krankschreiben oder so, aber ich denke – nur für den Fall, dass etwas schief geht – solltest du nicht dort sein.“ „Ach, davon rede ich doch gar nicht“, winkte Jiroushin ab und schüttelte den Kopf, „aber glaube nicht, dass mich eine ominöse Warnung deinerseits so leicht ins Bockshorn jagen würde. Selbst Hawky kann mich nicht dazu bringen, meinen Posten zu vernachlässigen, und er hat mich fast darum gebeten, euch nicht zu helfen.“ Das wiederum überraschte Zorro. Dulacre hatte deutlich gemacht, dass er nur seinem Kindheitsfreund genug vertrauen würde, Zorro zu helfen, und jetzt sollte er ihm sogar davon abgeraten haben? Es fiel Zorro etwas schwer, das zu glauben, aber letzten Endes war es nun mal Jiroushins eigene Entscheidung. „Nein, ich will, glaube ich, gar nicht wissen, in was für einen Mist ihr euch wieder manövriert habt, aber was ich wissen will, ist, warum war Hawky bei euch zu Besuch?“ Absolut ernst starrte der andere ihn an. „Ich weiß natürlich, dass er aufgrund der Reverie ein Reiseverbot erteilt bekommen hatte und auch wenn Hawky es sich nicht nehmen lässt, seine Abneigung der Weltregierung gegenüber bei jeder sich bietenden Gelegenheit deutlich zu machen, so würde er seinen Titel nicht leichtfertig aufs Spiel setzen, nicht ohne Grund.“ „Nun ja“, murmelte Zorro abwehrend. „Auch das liegt an…“ „Aber es braucht ja kein Genie, um zu vermuten, dass du irgendetwas angestellt hast und er – besessener Kontrollfreak der er nun mal ist – dir hinterher reiste, um dich vor Schlimmerem zu bewahren. Das hat mich, um ehrlich zu sein, nicht wirklich überrascht, was mich jedoch überrascht hat, war nicht nur, dass er geklungen hat, als hätte er mit deiner Crew mehrere Flaschen hochprozentigen Alkohol gekippt – was, wie wir beide wissen, er nie tun würde, weil er deine Crew nicht leiden kann – sondern insbesondere, dass er viel zu nett zu mir war.“ Oh, verdammt! Manchmal vergaß er, dass hinter dem fröhlichen Grinsen ein scharfsinniger Stratege steckte, der mit Leichtigkeit selbst mit Dulacre oder Robin mithalten konnte. Natürlich hatte Jiroushin bemerkt, dass etwas vorgefallen war. Er kannte den verdammten Samurai schon fast sein ganzes Leben, hatte dessen Höhen und Tiefen alle miterlebt und kannte ihn vermutlich besser als jeder andere. „Irgendwas muss während seiner unerlaubten Reise vorgefallen sein; ich war kurz davor, ihn für einen viel zu schlechten Doppelgänger zu halten. Also, was ist passiert?“ Abwehrend verschränkte Zorro die Arme. „Solltest du das nicht lieber mit ihm besprechen? Er ist doch dein Kindheitsfreund, lad das nicht bei mir ab.“ „Du bist aber jetzt hier, auf meinem Schiff, und ich frage dich.“ „Ich habe dir nichts zu sagen. Am Ende bin ich es dann wieder schuld, darauf kann ich gut verzichten“, murrte Zorro und zuckte nur mit den Achseln. „Ich denke, du missverstehst deine Position“, entgegnete Jiroushin mit einem freundlichen Lächeln. „Bis zu unserer Ankunft wirst du in diesem Raum hier festsitzen – mit mir – und wenn ich dich erinnern darf, kräftetechnisch magst du mir mittlerweile zwar überlegen sein, aber meine stärkste Waffe war nie mein Degen.“ Er sprach nicht weiter, doch das musste er auch gar nicht. Zorro war sich sehr bewusst, dass er dem friedvollen Krieger rhetorisch nicht das Wasser reichen konnte und jemand, der einem Sturkopf wie Dulacre jahrelang den Rücken freigehalten und die Stirn geboten hatte, ließ sich natürlich so schnell von nichts beeindrucken. Auf der anderen Seite war Zorro auch nicht irgendwer und er glaubte schon, dass er hier den stärkeren Willen an den Tag legen konnte. Außerdem war auch er sehr gut darin, diesem Mistkerl eines Samurais die Stirn zu bieten. „Ich verstehe deinen Widerwillen“, sprach Jiroushin nun weiter und lehnte sich wieder zurück. „Du willst nicht zwischen die Fronten geraten, indem du mir Dinge erzählst, von denen du ausgehst, dass Dulacre sie mir vielleicht aus gutem Grund nicht gesagt hat und nicht sagen will. Ich erinnere mich daran, dass du vermeiden wolltest, dass deine reine Anwesenheit unsere Freundschaft gefährdet, und es scheint, als würdest du diesen Worten immer noch viel Bedeutung zumessen, was ich natürlich sehr schätze.“ Der Vizeadmiral schenkte ihm wieder sein warmes Lächeln. „Allerdings unterschätzt du Hawkys und meine Freundschaft. Glaub mir, wir haben in den letzten Jahrzehnten schon deutlich mehr erlebt, als dass du nun in der Lage wärest, unsere Freundschaft zu zerstören. Im Gegenteil, vermutlich erwartet er sogar, dass ich auf meine Art herausfinde, was passiert ist, damit er mir nicht zu sagen braucht, was auch immer es ist, vermutlich um einer Belehrung meinerseits zu entgehen, was ihm natürlich nicht gelingen wird. Du kannst dir mit Sicherheit vorstellen, dass wir beiden – auch wenn wir nicht immer regelmäßig miteinander kommunizieren – trotzdem uns stets über den anderen informieren. Ich meine, wenn ich darauf warten würde, dass dieser Kerl von sich aus mal anruft, bräuchte ich keine Teleschnecke.“ Zorro schwieg immer noch, während sein Gegenüber leise lachte. Wenn er ganz ehrlich war, hatte er keine Lust auf all das hier. Die letzten Tage waren anstrengend gewesen und die kommenden würden gewiss nicht leichter. Er wollte diesen ruhigen Moment nutzen, um einfach ein wohl verdientes Nickerchen zu halten, und dann die nächsten Tage planen. Aber trotz des warmen Lächelns waren die ernsten Augen des Vizeadmirals weiterhin auf ihn gerichtet. „Ach so“, bemerkte Jiroushin dann und neigte leicht den Kopf. „Es geht nicht darum, was passiert ist, sondern was ihm passiert ist.“ Eine Gänsehaut glitt über Zorros Unterarme, doch sein Gegenüber nickte nur sachte, als er mit Leichtigkeit erriet, was doch eigentlich unvorstellbar sein sollte. „Natürlich, ich verstehe, deswegen bist du so defensiv. Es muss dich recht erschüttert haben, schließlich hast du ihn noch nie hilfsbedürftig gesehen, noch nie in Not oder gar verletzt.“ Der Vizeadmiral erhob sich und ging zu einem kleinen Tresen hinüber, auf dem eine Karaffe mit Wasser und zwei vereinzelte Falschen gefüllt mit goldenen Flüssigkeiten standen. „Es muss schwierig für dich gewesen sein, den Mann, den du doch so anhimmelst, in einer Notlage erlebt zu haben.“ Zorro schnaubte auf. „Anhimmeln?“, wiederholte er mit hochgezogener Augenbraue. Jiroushin schenkte ihm sein übliches Grinsen und stellte ein Glas mit einem Fingerbreit Whiskey vor ihm ab, ehe er sich wieder hinsetzte. „Oh ja, dir mag es vielleicht nicht bewusst sein, aber auf deine ganz besondere Art und Weise hast du den lieben Hawky regelrecht verfolgt. So besessen, wie er von dir ist, so warst du es auch von Falkenauge, wenn wir ehrlich sind.“ „Sicher“, grummelte Zorro, erinnerte sich jedoch an ganz ähnliche Worte des Samurais und eine leise Stimme in seinem Hinterkopf fragte ihn, ob vielleicht etwas Wahres da dran war. „Aber ja doch“, betonte der Blondschopf. „Mir ist das schon früh aufgefallen. Du hattest immer eine Art Urvertrauen in ihn, dass alles irgendwie gut gehen würde, solange er da ist.“ „Was?“ Kopfschüttelnd lehnte Zorro sich zurück und griff nach dem Glas. „Erzähl doch keinen Mist. Ich hatte keine Wahl, als irgendwie mit ihm klar zu kommen, aber das war’s dann auch schon.“ „Ja sicher“, lachte der andere. „red‘ dir das ruhig ein, Zorro. Aber vergiss nicht, ich war von Anfang an dabei. Ich habe euch auf dem Ball gesehen und du tust zwar immer so, als würde es dich total nerven, wenn er irgendeine seltsame Trainingsmethode vorschlägt, aber im Endeffekt tust du es dann doch immer, selbst wenn du keine Ahnung hast, warum er es machen will.“ „Ja, weil er mich unterrichtet hat. Ich habe auch dir zugehört, als du mich unterrichtet hast, das ist nichts Besonderes.“ „Aber erst nachdem Hawky dir gesagt hat, dass du mir zuhören sollst, wenn ich dich erinnern darf. Du hast auch versucht, mich zu töten, nachdem er es dir vorgeschlagen hat“, rief Jiroushin ihre erste gemeinsame Trainingseinheit ihnen wieder ins Gedächtnis. „Weil du nicht ernst gemacht hast.“ Er kippte sich den Alkohol in den Rachen. „Oder weil du Hawky vertraut hast, dass er wusste, was das Beste für dein Training ist.“ Schmunzelnd hielt der Blondschopf seinem Blick stand. „Schau nicht so genervt. Du weißt, dass ich Recht habe. Gib es doch zu, du konntest dir nicht im Traum vorstellen, dass irgendjemand in der Lage sein könnte, ihm tatsächlich ein Leid zuzufügen, nicht wahr? Du warst so daran gewöhnt, dass er dich mit Leichtigkeit besiegen könnte, ganz egal wie sehr du dich bemüht hast; hast dich wahrscheinlich gefragt, ob er überhaupt bluten kann. Aber jetzt hast du mit eigenen Augen gesehen, dass er es kann, und das hat dich erschüttert, nicht wahr?“ War er so einfach zu durchschauen? Waren seine Gedanken wirklich so offensichtlich? Zorro selbst hatte über diesen Mist nie nachgedacht – nie! – bis zu diesem einen Moment, als Dulacre vor ihm zusammengebrochen war. Natürlich war ihm immer bewusst gewesen, dass selbst Dulacre nur ein Mensch war, aber dennoch hatte er immer so überlegen gewirkt, nahm jemanden wie Homura, der Zorro innerhalb weniger Minuten vernichtend geschlagen hatte, noch nicht mal als Gegner wahr. Irgendwie hatte Dulacre immer wie jemand gewirkt, für den nichts unmöglich schien, den man durch nichts aufhalten konnte, den selbst Zorros ureigenes Monster nicht mal beeindrucken konnte. Ja, es hatte Zorro erschüttert, als er so unerwartet um das Leben des einen Menschen bangen musste, um dessen Leben er sich sonst nie Sorgen machen musste. „Aber du brauchst dir keine zu großen Sorgen um ihn zu machen“, meinte Jiroushin gutmütig und nahm ebenfalls einen Schluck seines Getränks, als würde er Zorros Gedanken einfach lesen. „So schnell haut Hawky nichts um. Er ist nicht umsonst der beste Schwertkämpfer der Welt.“ „Tze, du hast leicht reden“, murrte Zorro und verschränkte die Arme, „dich hat er ja nicht vollgeblutet.“ Überrascht bemerkte er, wie der andere nur die Augenbrauen hochhob. „Echt jetzt? Du denkst, ich habe nie miterlebt, wie er gebrochen wurde? Denkst du, ich hätte nie um sein Leben fürchten müssen?“ Zorro wandte den Blick ab. „Sorry“, murmelte er, sich natürlich bewusst, was die Position eines ersten Maats bedeutete. „Du brauchst dich nicht entschuldigen. Wie gesagt, du bist noch jung, dein ganzes Leben lang war Hawky dieser unbezwingbare Mann, wie du und die Welt ihn heute kennen. Aber das war nicht immer so und dank seines besonderen Charakters hat er sich schon früh sehr starke Feinde gemacht, also ja, ich weiß genau, wie es sich anfühlt.“ Für einen Moment schwiegen sie beide. „Seine Speiseröhre ist gerissen oder so“, erklärte Zorro tonlos. „Keine Ahnung genau warum, hat irgendwie allergisch auf diesen einen Wein reagiert, und hat einfach… hat einfach Blut gespuckt. Chopper und Trafo waren zum Glück in der Nähe und konnten ihn operieren.“ „Trafo? Trafalgar Law? Da wird Hawky ja nicht besonders begeistert gewesen sein.“ Doch Jiroushin lächelte nicht, er betrachtete seine eigenen Hände, wie sie sein Glas hielten. „Deswegen klang er also so heiser.“ Zorro nickte nur. „Und du warst da?“ Erneut nickte Zorro. „Na, da hat er ja ziemliches Glück gehabt, dass du und deine fähigen Freunde da waren. So etwas könnte wohl selbst für ihn unangenehm werden“, lachte Jiroushin leichtfertig. „Unangenehm?“, wiederholte Zorro verdrießlich. „Chopper sagte, er wäre gestorben, wenn wir nur wenige Minuten später angekommen wären. Hätte…“ Er brach ab und schüttelte den Kopf. „Wäre es auf Kuraigana passiert, wäre er verblutet und wir wüssten es noch nicht mal, wir hätten nichts tun können.“ Auf ein Schnauben des anderen schaute er auf und sah, wie der Blondschopf schmunzelte. „Du findest das lustig? Er wäre beinahe gestorben“, knurrte er, konnte nicht verstehen, wie der andere das einfach so locker akzeptierte, gerade weil der Vizeadmiral doch jemand war, der sich immer um alles und jeden Sorgen machte. Jiroushin sah ihn an, nach einigen langen Sekunden verschränkte er seine Arme, stützte sie auf den Tisch und lehnte sich nach vorne. „Das hier war das erste Mal, dass du ihn verwundbar erlebt hast, dass deine Crew ihn verwundbar erlebt hat. Natürlich geht ihr davon aus, dass so etwas ihn umbringen könnte, so wie ich damals davon ausging, dass du unmöglich einen von Natakus Angriffen überlebt haben könntest.“ Die grünen Augen sahen ihn ernst an. „Aber wenn du erlebt hast, wie er unversehrt durch ein Flammenmeer geht, einfach weil er es kann, eine halbe Stunde gegen einen Fischmenschen unter Wasser kämpft, weil dies eine angemessenere Herausforderung darstellt, dann siehst du die Dinge anders.“ „Aber…“ „Zorro, muss ich dir wirklich erklären, was es bedeutet, die Grenzen der Menschlichkeit hinter sich zu lassen? Hatte er Schmerzen? Mit Sicherheit. War es für ihn gefährlich? Vermutlich auch. Hätte ihn so etwas getötet? Nein, ich denke nicht.“ Entnervt erhob Zorro sich. „Was redest du da? Es war kein Kampf oder so, okay? Sein Körper hat schlapp gemacht, dass kann man nicht einfach mit Zähne Zusammenbeißen wegmachen“, murrte er. „Du warst nicht dabei und behauptest jetzt einfach, dass ihn so etwas wie ein kaputter Magen nicht umbringen kann? Er wäre verblutet, verdammt nochmal! Weißt du, ich lasse mich nicht schnell von Verletzungen unterkriegen, aber ob ich so etwas…“ Er verstummte. Jiroushin sah ihn überlegen an und erst jetzt verstand Zorro, dass er dem Soldaten auf dem Leim gegangen war und sich wohl verraten hatte, nicht mal wissend, ob es überhaupt etwas zu verraten gab. „Hast du es ihm gesagt?“, fragte der Blondschopf nun mit einem breiten Grinsen und Zorro wusste genau, was er meinte, der Blick des anderen sagte alles. War er wirklich so leicht zu durchschauen? War es wirklich so offensichtlich, was er fühlte, für alle außer ihn selbst? „Ich habe keine Ahnung, wovon du redest“, log er griesgrämig und verschränkte die Arme. „Ich hau mich jetzt eine Runde aufs Ohr. Danke für die Mitfahrgelegenheit.“ „Zorro.“ Der andere war ebenfalls aufgestanden und hatte ihn an der Schulter gefasst. „Hawky ist mir sehr wichtig. Ein gerissener Magen macht mir Sorgen, aber nicht ansatzweise so viel wie…“ „Es gibt nichts, um das du dir Sorgen machen müsstest“, unterbrach er den anderen kühl. Jiroushin holte tief Luft. „Also, das bedeutet… das heißt…?“ „Das da vorne ist dein Bett? Ich borg mir das mal gerade, okay? Du musst wahrscheinlich eh noch arbeiten.“ „Warte mal, Zorro. Heißt das etwa…?“ „Ruf deinen Hawky an, wenn du Details wissen willst, und geh mir damit nicht auf die Nerven. Ich muss einen verdammten Putsch verhindern und will jetzt einfach nur eine Runde pennen.“ „In Ordnung“, gab der andere nach, „ich habe eh erfahren, was ich erfahren wollte.“ Überrascht sah Zorro den anderen an, der ihn weiterhin angrinste. „Glaubst du wirklich, du könntest mich in meinem Spiel besiegen, Zorro? Du hattest von Anfang an keine Chance.“ Kapitel 36: Kapitel 36 - Loyalität ---------------------------------- Kapitel 36 – Loyalität   - Zorro – „Puh, endlich. Das war ganz schön umständlich.“ Ächzend schloss Jiroushin die Türe hinter sich. „Aber es scheint alles gut gegangen zu sein. Ich denke nicht, dass wir aufgeflogen sind. So hektisch, wie da draußen alle herumrennen, hat sich keiner für dich interessiert. Es stimmt halt doch, Kleider machen Leute.“ Zorro nickte nur augenrollend und ließ den Seesack neben sich zu Boden fallen, ehe er die Marinekappe abnahm und ebenfalls zu Boden segeln ließ. Er rieb sich durchs Gesicht, aber die Anspannung in seinen Muskeln wollte nicht nachlassen. Nun war er da, auf Mary Joa, und langsam schien die Sache ernst zu werden. Die Verkleidung als Marinesoldat half da auch nicht wirklich, zumindest blutete er dieses Mal nicht wie ein Schwein. „Wo zur Hölle bist du gewesen?!“ Überrascht schauten er und Jiroushin auf, als die Türe zu einem der Schlafsäle aufschlug und niemand anderes als Perona hineingeflogen kam, so aufgebracht, dass mehrere Geister aus ihr emporschwebten. „Perona?“, entkam es ihnen einstimmig. „Was machst du denn hier?“, murrte Zorro. „Wolltest du nicht nach Moria suchen?“ „Was ich hier mache?“, entgegnete sie unbeeindruckt und schwebte auf ihn zu, einen Zeigefinger mahnend erhoben. „Aufpassen, dass deine Abwesenheit nicht auffällt. Mihawk hat mich angerufen und verdammt nochmal, was meinst du, wie kompliziert das alles war. Ich musste mich als Loreen ausgeben und so tun, als wäre ich krank. Weißt du, wie schwierig es war, diesen Eizen und seine Leute abzuwimmeln?!“ „Warum?“, fragte Zorro und hielt ihrem Blick kühl stand, wobei er sich bemühte ihren Geistern nicht zu nahe zu kommen. „Eizen wusste, dass ich nicht da bin und…“ „Ja, ich bin mir ziemlich sicher, dass er Spaß an der ganzen Schmierenkomödie hatte“, unterbrach sie ihn ungehalten, „und mich fragt natürlich keiner! Ich hab wirklich Besseres zu tun, als mich um deine Probleme zu kümmern, kapiert?“ Entnervt rollte Zorro mit den Augen. Wenn Perona sich einmal in Rage geredet hatte, war es das Einfachste, sie einfach so lange nörgeln zu lassen, bis sie sich beruhigte – etwas, was Dulacre nie hinbekam – aber gerade heute kostete es ihn wirklich Geduld. Ein Blick zur Seite zeigte ihm, dass der Vizeadmiral es anscheinend lustig fand, wie Perona ihn zusammenstauchte. Mehrere Minuten ging ihre Schimpftirade, in der sie sich über alles Mögliche aufregte, aber Zorro las zwischen den Zeilen, dass sie die Suche nach Moria wohl entweder aufgegeben hatte oder hatte müssen, aber auch das interessierte ihn nicht wirklich. Während sie nun darüber sprach, dass Kanan ihm Kleidung geschickt hatte, entschied er einzugreifen. „Okay, das reicht jetzt“, murrte er, als sie endlich mit den Füßen den Boden berührte. „Ich danke dir für deine Hilfe, aber du musst jetzt verschwinden.“ „Was?!“ Schon trennten Schuhe und Teppich wieder einige Zentimeter. „Wie kommst du darauf, dass du…?“ „Perona“, unterbrach er sie und verschränkte die Arme, „es wird wahrscheinlich gefährlich werden und du wärest in der Schusslinie.“ Dann wandte er sich Jiroushin zu. „Kannst du sie irgendwie zum Sabaody Archipel schmuggeln?“ Der Soldat nickte knapp und zuckte gleichzeitig mit den Schultern. „Sollte kein großes Problem sein, morgen früh gibt es eine Fähre für Verwaltungsangestellte. Wenn du dich dementsprechend anziehst, solltest du nicht groß auffallen, Perona.“ „Und was mach ich dann da?“, fragte sie immer noch recht aufgebracht. „Mir egal“, murrte Zorro nur. Er konnte sich jetzt nicht auch noch mit ihren Problemen beschäftigen. „Such Moria oder lass dich von Shakky in eines der Handelsschiffe setzten, die nach Kuraigana fahren. Du solltest hier nur weg.“ Sie öffnete den Mund und war offensichtlich drauf und dran, ihn anzufauchen, doch dann klappte sie ihn wieder zu und sah Zorro ernst an. „Du meinst das ernst“, murmelte sie, „es könnte wirklich gefährlich werden.“ Er entgegnete nichts und hielt ihrem Blick einfach nur stand. „In Ordnung“, gab sie dann nach, nicht ansatzweise so kleinlaut, wie sie es früher getan hätte. „Ich werde zurück nach Kuraigana reisen, bevor es ernst wird, wollte eh sehen, wie der Kirschbaum blüht.“   Wenige Minuten später kam Zorro zurück in den Aufenthaltsraum, nun nicht mehr in der Marineuniform, die Jiroushin ihn geborgt hatte, sondern in einem simplen, hochgeschlossenen Kleid, welches Perona ihm aufgedrängt hatte. Er würde sich heute noch mit Eizen treffen und Perona hatte darauf bestanden, ihm genau zu erklären, welche Klamotten er für welchen Termin anziehen sollte – als wäre das wirklich das Wichtigste – und wie er sich zu frisieren und schminken hatte, weil sie ja nicht dabei sein würde. Nicht, dass Zorro beabsichtigte, irgendwas davon in die Tat umzusetzen. Einzig und alleine an das dünne Jäckchen sollte er denken, es war gefühlt das einzige Kleidungsstück mit Taschen, und irgendwo musste er ja das Tondial unterbringen. Seufzend streckte er sich und warf Jiroushin einen Blick zu, der auf einem der vielen Sofas saß und die langen Beine vor sich ausgestreckt hatte. „Sorry, dass wir dir schon wieder Umstände machen“, meinte er ehrlich und nickte zum Ankleidezimmer, in dem Perona gerade vor sich hinwütete. „Ach, mach dir keine Gedanken. Ich bin es ja gewohnt“, entgegnete der andere mit einem schiefen Grinsen, doch Zorro erkannte sofort, dass es falsch war. „Denk du nur ja an Comil heute Abend; er war nicht begeistert davon, dass ich ihm einfach einen Besuch bei dir aufzwinge, ohne irgendeine Erklärung. Er hat ein paar kryptische Andeutungen gemacht, aber darauf bin ich bewusst nicht eingegangen. Ich will gar nicht wissen, worum es geht. War übrigens ziemlich schwer, überhaupt ein Zeitfenster für ihn zu finden. Eizen hat dich ab morgen komplett eingeplant und er war nicht besonders freundlich, als ich ihn darum bat, einen deiner Termine freizuhalten. Ich denke, wenn ich nur irgendein dahergelaufener Marinesoldat wäre und nicht auch Vertreter meiner Insel, hätte er mich hochkant rausgeworfen.“ Zorro antwortete nicht, sondern hockte sich auf einen Stuhl und zählte gefühlt die Sekunden, bis es endlich losgehen würde, während er mit der kleinen Kreuzkette um seinen Hals spielte. „Kann ich dich was fragen?“ Jiroushin sah ihn ernst an. „Warum bestehst du so darauf, uns alle wegzuschicken? Ich bin dein einziger Verbündeter in diesen Mauern. Wenn jemand dich enttarnen sollte, bin ich der Einzige, der dir helfen könnte.“ „Ganz ehrlich? Weil es so für alle das Beste ist“, murmelte er und sah nun ebenfalls auf, dachte an jenes Gespräch zurück, als Dulacre ihm offenbart hatte, wie er Zorro zur Hilfe kommen wollte, sollte es nötig sein. „Glaub mir, falls mein Plan schiefgeht, dann wirst weder du noch ich in der Lage sein, irgendetwas groß beeinflussen zu können.“ Der Vizeadmiral schwieg, doch dann weiteten sich entsetzt seine Augen und er senkte den Blick. „Oh, ich verstehe“, flüsterte er beinahe heiser und schüttelte leicht den Kopf. Plötzlich erhob er sich und schritt auf und ab. „Jiroush…“ Die Worte blieben Zorro regelrecht im Halse stecken, als der andere ihn ansah. „Gibt es keinen anderen Weg?“, flüsterte er. „Ist das wirklich der einzige Weg?“ Zorro schwieg. „Dir muss doch bewusst sein, was das bedeuten kann, was ihr hier aufs Spiel setzt.“ Jiroushin schüttelte den Kopf. „Ihr seid doch wahnsinnig, alle beide, wahnsinnig.“ „Das heißt, er hat es wirklich noch nie getan.“ Zorro erhob sich ebenfalls und verschränkte die Arme. „Er ist noch nie wirklich zum Monster geworden, so wie ich damals.“ „Nicht, dass ich es je erlebt habe“, bestätigte Jiroushin mit heiserer Stimme. „Zorro, wenn er das wirklich tun sollte, dann… es ist nicht wie mit dir damals. Er war stark genug, dich aufzuhalten, und du wurdest nur von deinem Monster übermannt, du hast deine Kontrolle verloren und nicht freiwillig aufgegeben. Aber wer wäre stark genug, ihn aufzuhalten in einem solchen Zustand? Wenn Dulacre seine Kontrolle einfach aufgibt, kann es sein… es kann sein, dass er niemals zurückkommen wird.“ Ja, das stimmte, Zorro war sich dem nur zu gut bewusst. Nein, sicher gewusst hatte er es bis gerade nicht, aber er hatte es geahnt, befürchtet. Erinnerte sich zu gut an sein eigenes Training und an… „Zorro, das dürft ihr nicht tun.“ Der andere kam auf ihn zu. „Du hast ihn nicht erlebt, damals als der Tod seiner Mutter und seiner Schwester ihn gebrochen hat. Damals hat er nicht nur seine absolute Kontrolle verloren, sondern einen Teil seiner selbst. Wenn ihr…“ „Jiroushin“, unterbrach er den anderen. „Du weißt genau wie ich, dass diese Entscheidung nie bei mir lag.“ Der andere sah ihn mit glasigen Augen und zusammengepressten Lippen an. „Ich habe dir schon einmal gesagt, dass Dulacre ein erwachsener Mann ist, der seine eigenen Entscheidungen treffen kann und ich ihm da nicht reinreden werde, selbst wenn ich sie absolut idiotisch finden sollte.“ Nun biss Jiroushin sich auf die Unterlippe und wandte den Blick ab. Er schien sich wirklich nur zu sehr bewusst zu sein, was für ein Risiko der Samurai eingehen würde, vielleicht konnte er dieses Risiko sogar besser einschätzen als Zorro. „Aber ich habe dir auch gesagt, dass ich nicht zulassen werde, dass er durch seine eigene Dummheit draufgeht. Was auch immer passiert, ich werde da sein und ihn im Zweifel aufhalten. Aber ja, es könnte haarig werden, deshalb solltest du zusammen mit Perona die Kurve kratzen und…“ „Nein“, widersprach der andere ihm todernst, „ich werde nicht gehen.“ „Aber Jiroushin, du…“ „Du willst ihn aufhalten, du? Bist du denn verrückt? Mal abgesehen davon, dass du ihn selbst in einem normalen Kampf noch nicht besiegen könntest, bist du doch derjenige, gegen den er mehr als alle anderen kämpfen will. Nein, du wirst ihn nicht aufhalten können, im Gegenteil, dein Anblick allein würde wahrscheinlich ausreichen, um ihn vollends den Verstand verlieren zu lassen. Der Einzige, der ihn - wenn überhaupt - in einem solchen Zustand vielleicht noch aufhalten könnte, bin ich.“ Er klang bitter. „Und wenn ich versage, wird er dich töten, Mary Joa dem Erdboden gleichmachen und vielleicht nie mehr er selbst werden. Aus meiner Treue zur Marine und meiner Loyalität zu Dulacre ist es für mich unmöglich, Mary Joa zu verlassen. Ich hoffe, du verstehst das, Zorro, aber selbst, wenn nicht, wird es nichts an meiner Entscheidung ändern.“   Seine Nackenhaare stellten sich auf, als es an der Türe klopfte. Erst vor wenigen Minuten waren Jiroushin und Perona aufgebrochen und nun würde es endlich beginnen. Wenn das vergangene Gespräch Zorro eine Sache noch deutlicher gemacht hatte – nicht, dass er der Erinnerung bedurfte – dann, dass er auf keinen Fall scheitern durfte. Das Problem war nur, selbst wenn er alles richtig machte, konnte es sein, dass er bereits aufgeflogen war. Selbst wenn er es schaffen sollte, Eizen auszuspielen und an die fünf Weisen auszuliefern, so hieß das noch lange nicht, dass er gewonnen hatte. Aber dafür musste er erst einmal Eizen überstehen und genau dieser stand nun vor der Tür und schenkte ihm sein übliches Lächeln. „Meine werte Lady Loreen“, grüßte der Politiker ihn, während Zorro widerwillig zur Seite trat und ihn hereinließ, „ich bin ja so froh, dass es Ihnen endlich wieder besser geht.“ Doch zu Zorros Überraschung war er nicht alleine. Hinter ihm, eine weiße Akte in der Hand und in einem perfekt sitzenden Nadelstreifenanzug, kam Frau Rihaku ins Zimmer. Wie immer, wenn Eizen oder ein anderer Politiker anwesend war, zeigte ihr Gesicht kaum eine Regung, eine Maske der Professionalität. Selbst ihre mandelförmigen Augen offenbarten keine Spur von Freundlichkeit, während sie Zorro kurz nickend begrüßte und dann hinter sich die Tür schloss. Er hatte sie schon das ein oder andere Mal alleine angetroffen und in solchen Momenten hatte sie sich meist ganz anders gegeben, als Zorro sie sonst kannte, viel nahbarer und freundlicher. Anders als Eizen wusste sie natürlich nicht, wer Zorro in Wirklichkeit war und so hatte sie ihm – also Lady Loreen – schon öfters ihre Hilfe angeboten und schien ihm recht wohlgesonnen. Aber ganz gleich, wie herzlich sie ihn in privaten Momenten behandelt hatte, sobald andere dabei waren, zeigte sie kaum persönliche Empfindung und so begegnete sie auch jetzt Zorro nur mit einem kühlen Blick. Dementsprechend war es weniger ihr Verhalten als ihre generelle Anwesenheit, die Zorro überraschte. Er war es gewohnt, dass sie bei den Terminen vor oder nach Versammlungen dabei war, meist auch bei organisatorischen Gesprächen in Eizens Räumen. Aber wenn Eizen Zorro in seinem eigenen Zimmern aufsuchte, dann eigentlich immer allein, um mit ihm unter vier Augen sprechen zu können, um Dinge sagen zu können, die er nicht sagen konnte, wenn andere anwesend waren. Und Zorro hatte erwartet, dass Eizen heute mit ihm allein würde reden wollen, um zumindest ein paar abfällige Kommentare über seine Crew fallen zu lassen, aber hauptsächlich, weil er Dulacres Vermutung teilte, dass der alte Mann nicht nur von Dulacres Besuch auf der Thousand Sunny wusste, sondern diesen vielleicht sogar selbst durch seinen Brief provoziert hatte. Die Frage war dann nur, ob Eizen dies beabsichtigt hatte und Dulacre ihm volle Kanne in die Falle gelaufen war, oder ob er nicht erwartet hatte, dass selbst Dulacre so etwas tun würde, und deshalb von dessen Aktion überrascht worden war. So oder so hatte Zorro mit einem lauten Eizen gerechnet, euphorisch oder fuchsteufelswild. So war es dann jedoch ein seltsamer Moment, als sie sich alle einfach an den Tisch setzten und ein für Zorro relativ belangloses, langweiliges Gespräch über die nächsten Tage führten, wobei Rihaku ihm mehrere Unterlagen überreichte, sie Terminkalender abglichen und in ödem Smalltalk über die vergangenen Tage sprachen. In Anbetracht Zorros Anspannung über die kommenden Ereignisse fühlte sich dieses Treffen mehr als unwirklich an. Nichts an Eizen zeugte von einer möglichen Unzufriedenheit darüber, dass Dulacre die Wahrheit über Lady Loreen wusste. Jedoch ließ er in einem Nebensatz Dress Rosa fallen. Aber selbst da warf er Zorro keinen vielsagenden Blick zu oder machte eine mehrdeutige Bemerkung, sondern erklärte einfach nur, dass der derzeitige Trubel auf Mary Joa auch damit in Verbindung hing, weil dieser Vorfall ein hohes Aufgebot an Marine verursacht hatte, die zum Teil auch für die Absicherung der Reverie vorgesehen waren. Im nächsten Satz sprach er dann von der kommenden Nacht, in der eine Vielzahl von Kriegsschiffen auslaufen würden, um die in den nächsten Tagen anreisenden Staatsoberhäupter in Empfang zu nehmen, und Dress Rosa war vergessen. Erst, als Frau Rihaku das Gespräch über die Eröffnungsfeier mit einem überraschten Seufzen unterbrach, merkte Zorro, dass der andere ihn über sein Monokel hinweg böse anfunkelte. „Es tut mir sehr leid“, erklärte sie in ihrer üblichen ruhigen Manier, während sie ihre Unterlagen durchblätterte. „Ich kann die Unterlagen über die Eröffnungsrede nicht finden.“ „Ach, das ist mein Vergehen“, bemerkte Eizen mit offensichtlich falschem Bedauern. „Ich wollte sie gestern Abend noch einmal überarbeiten und habe wohl vergessen, sie zurückzulegen. Wären Sie so freundlich, sie zu holen, Frau Rihaku?“ „Natürlich, ich werde mich beeilen“, sprang sie sofort mit einer Eleganz auf, die selbst die Piratenkaiserin in den Schatten stellen würde, und eilte von dannen. Zorro war sich ziemlich sicher, dass der alte Politiker die Rede absichtlich aus den Unterlagen genommen hatte. Er hatte also doch vor, Zorro nochmal in seine Schranken zu weisen, aber Zorro war sich nicht sicher, ob er das nochmal mitmachen würde. Wenn ihn die Zeit bei seiner Crew eines gelehrt hatte, dann, dass er es leid war, sich verstellen zu müssen und wenn Eizen jetzt die Maske fallen lassen würde, würde Zorro es vielleicht auch mal tun. Die Türe fiel hinter Rihaku ins Schloss. „Nun, erzählen Sie mal, Liebes, was haben Sie Ihrer Anstandsdame erzählt, dass sie Ihre Abwesenheit gedeckt hat?“ Eizen sah ihn weiterhin an, nun zeigte er das angriffslustige Grinsen, welches Zorro absolut nicht abhaben konnte und nun würde der Teil des Gespräches beginnen, weshalb Zorro schon die ganze Zeit so angespannt war. „Und was haben Sie dem werten Konteradmiral Cho erzählt, dass er Sie hergebracht hat?“ Ein falsches Wort und Eizen würde wissen, dass die zwei in sein Geheimnis eingeweiht waren. Also schwieg Zorro und hoffte, dass Eizen sich seine Fragen selbst beantworten würde, wie er es ja meist tat. „Was sind Sie denn jetzt auf einmal so schweigsam? Eben hatten Sie noch keine so schwere Zunge“, sprach Eizen weiter, aber nun grinste er nicht mehr. „Sind Sie so erzürnt darüber, dass ich Sie von Ihren kleinen Abenteuern mit Ihren kriminellen Freunden abhalte?“ Er sah Zorro ganz offen an, seine unscheinbaren Augen blitzten rot auf, und Zorro war sich ganz sicher, dass trotz des Schauspiels während Rihakus Anwesenheit Eizen offensichtlich doch nicht die Ruhe in Person war. Nicht, dass Zorro das überraschte. Eizen hatte Dulacre von Anfang an nicht für voll genommen und ihn die ganze Zeit unterschätzt. Er hatte also vermutlich nicht damit gerechnet, dass Dulacre sich von seinem Brief würde provozieren lassen und es stieß ihm wahrscheinlich sauer auf, dass er ihn falsch eingeschätzt hatte. Aber erneut entschied Zorro, zu schweigen. Schon oft hatte er bemerkt, dass es sinnvoller war, Eizen reden zu lassen, als sich selbst durch unbedachte Äußerungen zu verraten. Je länger er den Politiker reden ließ, desto weniger würde er selbst erklären müssen. „Allerdings bin auch ich etwas unzufrieden, Liebes. Habe ich nicht extra Ihren Steckbrief damals aufheben lassen, damit wir das leidige Thema Lorenor Zorro abschließen können und die Welt Sie aus den Augen verliert? Und nun haben Sie es geschafft - nur wenige Tage vor Ihrer alles entscheidenden Rede - erneut in die Schlagzeilen zu kommen, mit dem Sturz eines Samurais noch dazu; unpassender könnte die ganze Situation nicht sein.“ Er klang tatsächlich ungewohnt verstimmt, allerdings über ein ganz anderes Thema, als Zorro erwartet hatte und so fragte er nur perplex: „Sie haben die Aufhebung damals veranlasst?“ Zorro erinnerte sich gut daran, als er bereits wenige Wochen nach der G6 seinen eigenen Aufhebungsvermerk gelesen hatte, erinnerte sich an den Streit, den er danach mit dem Samurai geführt hatte, dieses Gefühl der Hilflosigkeit, in jenem Moment auch noch das letzte bisschen, was ihn ausgemacht hatte, nun endgültig verloren zu haben. „Natürlich. In dem Moment, als ich Sie auf der Versammlung der fünf Inseln sah, begann ich mir eine Strategie zurecht zu legen. Mir war bewusst, dass wenn der Tod von Lorenor Zorro zügig offiziell bestätigt werden würde, diese Neuigkeit von dem wenige Tage später stattfindenden Marineball überschwemmt werden würde, und so war es auch und der krönende Abschluss war die Vernichtung der Strohhutbande, so wie es sein sollte. Für Jahre hat keiner mehr über den Zerstörer der G6 nachgedacht, es wurde vergessen, dass die Leiche nie gefunden wurde, dass die Crewmitglieder überlebt haben könnten. Lorenor Zorro und die Strohhüte waren nicht mehr als eine unliebsame Anekdote der Geschichte.“ Eine Gänsehaut glitt über Zorros Unterarme und gleichsam schlug sein Herz schneller. „Das alles haben Sie eingefädelt?“ „Was? Haben Sie etwa wirklich gedacht, dass dies alles Zufälle seien, Liebes? Was für eine Naivität. Ich wusste, dass Sie irgendwie den werten Mihawk überreden würden, den Strohhüten auf Sarue zu helfen, und das war mir nur recht. Ich wollte nicht, dass die Strohhüte gefangen genommen werden und das Thema der G6 immer und immer wieder in der Zeitung auftaucht, bis schließlich jedem ein Prozess gemacht werden würde. Außerdem war das Risiko viel zu groß, dass ich Sie durch eine verzweifelte Rettungsaktion verlieren würde. Nein, ich musste sichergehen, dass die Strohhüte verschwinden, ohne dass sie sterben, denn ansonsten hätte ich ja mein Druckmittel gegen Sie verloren, und natürlich wusste ich von Bartholomäus Bärs Verbindung zur Revolutions Armee und Monkey D. Dragon. Es war wahrlich zu einfach.“ Konnte es sein, dass Zorro diesen Mann die ganze Zeit unterschätzt hatte? Woher wusste er all das? Und wie zum Teufel wollte er all das angestellt haben? „Nein, es war nicht einfach, es war perfekt, die perfekte Aufführung einer perfekten Komposition. Der erste Akt war ein voller Erfolg.“ Plötzlich erhob Eizen sich und schritt durch den Raum. „Und dann reißt Ihnen im ersten Lied des zweiten Aktes direkt eine Saite, weil Sie so unbedacht spielen!“ Zorro mochte keine Metaphern, aber er war sich ziemlich sicher, dass Eizen auf Dress Rosa anspielte. „Ich hatte vorgehabt, Ihnen und Ihrer gesamten Crew Immunität anzubieten, schließlich werden Sie ja die Symbolfigur unseres neuen Zeitalters; es wäre ein angemessener Preis gewesen, Ihre Kumpane zu begnadigen, nachdem die Welt sie bereits vergessen hatte.“ Er wandte sich Zorro wieder zu, sein missbilligender Blick musterte ihn eindringlich. „Aber dies ist nun nicht mehr möglich. Ich muss sagen, ich bin sehr enttäuscht von Ihnen, Liebes. Ich hatte wirklich erwartet, dass Sie etwas mehr mitdenken würden und den Schutz Ihrer Crew nicht so einfach aufs Spiel setzen würden.“ Aufseufzend schüttelte Eizen den Kopf, hob sein Monokel hoch und rieb sich den Nasenrücken. „Aber das war wohl zu viel von mir erwartet. Ich hätte wissen müssen, dass trotz all meiner Bemühungen Sie immer noch einfältig und schlicht denken. Nicht, dass bei einem solchen Lehrmeister etwas anderes zu erwarten wäre. Entgegen seines Rufes ist der werte Mihawk enttäuschender Weise nicht besonders geistreich, hat nicht mal bemerkt, wem er Geleit und Schutz geboten hat, hat nicht mal bemerkt, dass er sich in einem ihm so verhassten Piraten verliebt hat.“ Jetzt würde es kommen! Natürlich, das alles war nur der Auftakt gewesen, jetzt würde Eizen es also ansprechen. Zorro wappnete sich, die Lügen und Ausreden, die er zusammen mit Dulacre und Robin erdacht hatte, aufzusagen und hoffte, dass er überzeugend sein würde. „Aber nun gut, ich bin nicht hier, um Sie so kurz vor dem Ziel zu entmutigen. Dass der werte Mihawk Ihr kleines Geheimnis nicht weiß, hat letzten Endes uns beiden in die Karten gespielt. Wie besprochen, hatte ich ihm einen Brief schicken lassen, in dem ich Ihnen ein Alibi für die vergangenen Tage gegeben habe und seine fehlende Reaktion zeigt, dass er wirklich keinerlei Verdacht schöpft, also scheinen Sie zumindest ihm gegenüber Ihre Rolle gut gespielt zu haben.“ Was? Zorro war verwirrt, mehr als verwirrt. Doch Eizen sprach ungehindert weiter. „Und das kommt natürlich uns beiden zugute. Wie ich Ihnen bereits mitgeteilt habe, ließ ich ihn als Reserve zuteilen, sodass er während der Reverie weder Kuraigana verlassen noch nach Mary Joa reisen darf. Es ist ein perfekter Plan, um sein Einschreiten zu verhindern, sodass weder unser kleiner Putsch noch Ihr kleines Geheimnis durch ihn gefährdet werden. Selbst, wenn er gerufen werden sollte, bei seinem Eintreffen werden Sie bereits an der Spitze der Macht stehen und er wird nichts tun, was Ihnen nicht zugute kommen würde.“ Nun war sein übliches Grinsen wieder da. Aber Zorro war immer noch verwirrt. Konnte es sein, dass Eizen nicht die Wahrheit wusste? Aber wie? Zorro selbst hatte die ominösen Gestalten gesehen, die sie immer wieder beschattet hatten. Es war unmöglich, dass Eizen nicht wusste, dass Dulacre an Bord der Thousand Sunny gewesen war. War das hier eine Falle? „Aber Sie haben mir immer noch nicht gesagt, wie Sie den Vizeadmiral und Ihre Anstandsdame überredet haben, Sie zu decken? Wie haben Sie es geschafft, dass Cho Sie von Dress Rosa hierhin gebracht hat?“ Lass dir was einfallen! „Ich… ich sollte ihn treffen!“, platzte er unüberlegt heraus und entschied spontan, einfach mal mitzuspielen. „Wie bitte?“ Eizen neigte leicht den Kopf und sah ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an. „Ich… ich tat so, als würde ich Dulacre vermissen“, log er sich um Kopf und Kragen. „Ich konnte Dulacre ja schlecht selbst fragen, mich von Dress Rosa hierhin zu bringen, sonst hätte er alles herausgefunden, daher musste ich jemand anderen finden, der mir helfen würde.“ Er konnte nicht verhindern, dass er gehetzt klang, aber wichtiger war, dass er eine passende und vor allem glaubhafte Ausrede fand. „Also habe ich so getan, als hätten ich mich heimlich mit Dulacre auf Dress Rosa getroffen, was natürlich niemand wissen durfte, weil er Kuraigana derzeit nicht verlassen darf und weil ich ja eigentlich hier sein sollte. Also bat ich Perona, sich für mich auszugeben, und Jiroushin, mich zurückzubringen. Sie sind beide absolute Romantiker und hätten das nie in Frage gestellt.“ „Ah“, nickte der Politiker beflissen, „ich verstehe, das ist gar nicht mal so dumm von Ihnen gewesen. Ach, nach Ihrer enttäuschenden Handlung mit Ihrer Crew beruhigt es mich doch, zu sehen, dass Sie nicht ganz kopflos handeln, Liebes.“ Zorro wollte etwas entgegnen, doch in diesem Moment klopfte es an der Türe und Rihaku kam herein, die Rede, die Zorro zur Eröffnung halten sollte, in ihrer Hand. Sie atmete, als wäre sie die ganze Strecke gerannt oder zumindest sehr eilig auf ihren Hacken gestelzt, was nicht überraschend war, schließlich war Eizens Büro direkt bei den Räumlichkeiten der fünf Weisen, am anderen Ende des Schlosses. „Oh, Sie haben sich aber sehr beeilt, Frau Rihaku“, bemerkte Eizen und bot ihr ihren Stuhl an. „Ich bitte Sie, sich nicht zu überanstrengen.“ „Aber nicht doch, Herr Eizen, wie Sie wissen, würde ich alles für Sie tun“, entgegnete sie und ihre Körperhaltung zeigte die Anspannung einer Soldatin, die vor einem Admiral salutierte, ehe sie Eizens Aufforderung folgte und sich wieder hinsetzte. „Gemach, meine Liebe, gemach.“ Dann nahm er ihr die Rede ab und sah zwischen ihr und Zorro hin und her. „Ich begrüße Ihrer beider Enthusiasmus. Aber ich möchte Sie darauf hinweisen, dass die Reverie erst bevorsteht. Die nächsten Tage werden noch viel abverlangen, von uns allen dreien, daher ist es wichtig, dass wir unsere Kräfte schonen und effizient arbeiten. Die Arbeit der letzten Monate würde bedeutungslos, sollten wir nun nicht in der Lage sein, diese Reverie erfolgreich durchführen zu könne.“ Ganz klar lagen seine Augen nun auf Zorro, während Rihaku ihm regelrecht an den Lippen hing. „Ich bin Ihnen beiden wirklich dankbar für Ihre Loyalität und ich verlasse mich auf Sie. Lassen Sie uns aus dieser Konferenz das Ereignis des Jahrhunderts machen.“     Kapitel 37: Kapitel 37 - Gedankenspiel -------------------------------------- Kapitel 37 – Gedankenspiel   -Zorro- „Nun gut, ich denke für heute ist alles gesagt und wir sollten uns empfehlen.“ Eizen erhob sich. „Sie sind mit Sicherheit immer noch etwas angeschlagen und auch wir sollten uns nicht überanstrengen, Frau Rihaku, wenn wir alle die nächsten Tage gut bewältigen wollen, daher sollten Sie heute früh zu Bett gehen.“ Zorro und Rihaku standen ebenfalls auf und Zorro schloss die Mappe mit der Rede, die Rihaku ihm eben erst geholt hatte. Was sie natürlich nicht wusste, war, dass diese Rede nun ein paar zusätzliche Seiten enthielt, und zwar für die Rede für den großen Moment, die Zorro halten sollte, nachdem sie die Weltregierung gestürzt haben würden. Aber sie konnte es nicht wissen und selbst wenn, würde ihr kühler Gesichtsausdruck so oder so nichts verraten, nicht, dass es Zorro jetzt noch auffallen würde. Er war müde, die Anspannung steckte ihm in den Knochen. Diese Art des Konfliktes lag ihm nicht. In einem Kampf konnte er die Anspannung für sich nutzen, wusste ganz genau, was zu tun war, aber hier musste er abwarten, aushalten, auf seine Wortwahl achten und durfte seine Gedanken nicht eine Sekunde abschweifen lassen. „Ach, aber bitte vergessen Sie nicht“, bemerkte Rihaku nun und wandte sich Zorro zu, „wenn ich mich Recht erinnere, haben Sie noch einen Termin mit Vizeadmiral Comil, nicht wahr? War der heute oder morgen?“ „Sie haben Recht“, stimmte Eizen ihr zu. „Natürlich, ich hatte beinahe vergessen, dass der werte Herr Cho mich darum bat, eines Ihrer Terminfenster freizuhalten. Sie werden heute Abend noch auf Vizeadmiral Comil treffen, nicht wahr?“ Wahrheitsgemäß nickte Zorro. Der Tag war wirklich lang gewesen und sie hatten noch einige Stunden mit fast schon banalen Formalitäten über Termine und Organisatorisches verbracht. Zorro war immer noch verwirrt darüber, dass Eizen so tat, als wüsste er nichts von Dulacres kleinem Ausflug, deshalb musste er wachsam bleiben, aber gerade wollte er einfach nur, dass Eizen und Rihaku gingen und er einfach mal einen Moment seinen BH aufmachen konnte. Zorro hatte beinahe vergessen, wie unbequem diese Teile sein konnten. „Nun ja, nicht, dass es mich wundert. Sie werden mit Sicherheit das ein oder andere Interessante zu berichten haben, nicht wahr?“ Zorro folgte dem Politiker und dessen Assistentin zur Türe. Er war müde und hatte bis Rihakus Bemerkung hin beinahe vergessen, dass dieser nervige Tag immer noch nicht vorbei war. Gerade wünschte er sich, dass sobald sie verschwinden würden, die Tür zum Nebenzimmer aufgehen und der verdammte nervige Samurai irgendetwas verdammt Nerviges sagen würde, wie so oft in der Vergangenheit, wenn sie gemeinsam auf Mary Joa gewesen waren. Nein, gerade wünschte er sich, dass er durch diese Tür hindurchgehen und auf dem Deck der Sunny herauskommen würde, über deren Wiese Ruffy, Lysop und Chopper rennen würden, gejagt von Franky und Brook mit Wasserpistolen, während Nami sie vom Steuerrad her zurechtstutzten würde und der Koch im Hintergrund Robin einen Kaffee brachte, nur um dann eine starke Hand auf seiner Schulter zu fühlen, bevor Dulacre ihn mit einem Augenrollen fragen würde, ob dies wirklich die Idioten wären, die er mit seinem Leben beschützen wollte. „Ich wünsche Ihnen noch einen ruhigen Abend“, entgegnete Zorro nur schlicht und hoffte, dass sie einfach gehen würden. Er fürchtete, dass er unachtsam werden könnte, wenn Eizen ihm nun noch die ein oder andere Finte stellen würde. „Geht es Ihnen gut, Lady Loreen?“, fragte dann aber Rihaku und zeigte zum ersten Mal an diesem Tag etwas menschliche Regung, als sie besorgt die Lippen schürzte. „Sollten Sie sich nicht etwas ausruhen? Die kommenden Tage werden gewiss ereignisreich und anstrengend. Möchten Sie, dass ich Vizeadmiral Comil für Sie absage?“ Tief holte Zorro Luft und bemühte sich noch einmal zu einem Lächeln. „Ich danke Ihnen, aber ich habe diesem Treffen zugesagt und werde es abhalten. Danach kann ich mich immer noch ausruhen.“ „Dann sollten wir Sie nicht noch länger belästigen“, warf Eizen ein. „Lassen Sie uns gehen, Frau Rihaku.“ Sie nickte beflissen. „Ich danke Ihnen für Ihre Zeit“, bemerkte Zorro in seiner besten Lady Loreen Manier und geleitete sie zur Türe. Dort nahm Rihaku überraschenderweise seine Hand und drückte sie einmal feste, ehe sie Zorro ernst ansah. „Sollten Sie doch Hilfe benötigen, sagen Sie mir bitte Bescheid. Sie können sich auf mich verlassen.“ Dann setzte sie einen Satz leise hinterher, sodass Eizen sie nicht hören konnte, welcher in diesem Moment von einem Klopfen an der Tür abgelenkt wurde. „Sie wissen doch, Frauen wie wir müssen zusammenhalten.“ Zorro wollte etwas entgegnen, doch da öffnete Eizen bereits die Türe. „Herr Comil“, grüßte der Politiker den Marinesoldaten auf der anderen Seite. „Herr Eizen.“ Offensichtlich überrascht betrachtete Comil erst Eizen und dann Rihaku und Zorro, ehe er schnell den Kopf neigte. Der Schatten der alten Dame hingegen wandte den Blick nicht ab und wie immer jagte das Lächeln der Wiedergeborenen Zorro einen Schauer über den Rücken. „Es tut mir leid, mir war nicht bewusst, dass Sie noch da sind. Ich habe einen Termin mit Lady Loreen, aber falls ich störe, werde ich später wiederkommen.“ „Nicht doch, nicht doch“, winkte Eizen mit seiner üblichen großzügigen Manier ab. „Ich entschuldige mich. Wir haben die werte Lady Loreen zu lange aufgehalten und dabei die Zeit vergessen.“ Im nächsten Moment wandte Eizen sich Zorro zu und nahm seine Hand, sodass Rihaku zur Seite weichen musste, was sie demütig auch tat. „Ich habe Sie zu lange in Anspruch genommen, Liebes, das tut mir aufrichtig leid. Aber ich freue mich auf die kommenden Tage.“ „Die Freude ist ganz meinerseits“, log Zorro so aalglatt, wie er es sich von Nami abgeschaut hatte. „Ich sehe Sie dann morgen früh im großen Sitzungssaal um acht Uhr.“ Eizen nickte mit seinem üblichen Grinsen. „Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Abend, bis morgen früh.“ Dann nickte der Politiker noch kurz Comil zu, ehe er seines Weges ging, gefolgt von Rihaku wie ein treuer Hund. Leise hallten seine federnden und ihre klackenden Schritte in der Stille wider, während sowohl Zorro als auch Comil ihnen noch hinterhersahen, bis ihre Schritte ganz verhallt waren. „Sie scheinen ganz schön beschäftigt zu sein“, bemerkte Comil und schenkte Zorro ein breites Grinsen mit seinen schwulstigen Lippen. „Das ist wohl…“ Zorro unterbrach sich. Gerade war er einen Schritt zurückgetreten, um den Soldaten hereinzubitten, als erneut Schritte zu hören waren, nun von der anderen Seite des Ganges. Doch es war kein leichtfüßiger, federnder Gang und auch kein eiliger, klackender Lauf, sondern stramme Schritte, wie die eines Soldaten und nur Momente später wusste Zorro auch, wer dort auf sie zu kam. Für eine Sekunde erstarrte er. „Mihawk“, grüßte Comil den Herbeieilenden mit einem Kopfnicken, „sagen Sie bloß, Sie wollen auch die Zeit der werten Lady Loreen in Anspruch nehmen?“ Mihawk Senior betrachtete Zorro für einen Augenblick wortlos, ehe er sich seinem Kollegen zuwandte. „Ganz recht, Comil. Allerdings bin nicht ich derjenige, der die Zeit der ehrenwerten Lady Loreen beanspruchen möchte, und daher kann ich Ihnen nicht den Vortritt gewähren. Was auch immer Sie mit Lady Loreen besprechen möchten, es muss warten.“ Nun sah Mihawk Gat Zorro an und, obwohl dessen Blick nicht ansatzweise mit Dulacres intensiven Augen mithalten konnte, musste Zorro schlucken. Er hatte so seine Vermutung, warum der alte Mann ihn gerade jetzt aufsuchte. „Ich würde Sie nun gerne bitten, mich zu begleiten, Lady Loreen, jetzt.“ „Einen Moment, Mihawk“, wandte Comil ein. „Im Gegensatz zu Ihnen, habe ich einen Termin mit der werten Lady Loreen und…“ „Und ich habe Ihnen schon einmal gesagt, dass Sie sich an die falsche Person wenden“, unterbrach Zorro den Vizeadmiral, als er verstand, warum Dulacres Vater hier war. Unbeeindruckt hielt Comil seinem Blick stand; nichts verriet die Verwunderung, die Zorros Schmierenkomödie in ihm auslösen musste, schließlich hatte Zorro ja um dieses Treffen gebeten und nicht umgekehrt. „Ich habe Ihnen bereits bei unserem letzten Treffen gesagt, dass Sie sich an Dulacre wenden sollen, nicht an mich; als Zivilist ist mein Fachwissen über Kriegsführung und Kampfstrategien sehr begrenzt.“ Zorro ergriff den dünnen Mantel, den Perona ihm extra rausgelegt hatte, und trat dann zu den Soldaten hinaus. Comil zeigte keinerlei Regung, aber Zorro zweifelte nicht daran, dass er den Wink mit dem Zaunpfahl verstanden hatte. Er hoffte nur, dass Dulacre - arroganter Mistkerl, der er nun mal war – sich dazu herablassen würde, Comil die Wahrheit über die Soldatin, die eigentlich de Flamingos kleiner Bruder war, zu verraten, denn Zorro würde möglicherweise keine Gelegenheit mehr dafür haben. „Und wenn Sie mich nun entschuldigen würden, ich habe noch anderweitige Termine, die ich wahrnehmen muss.“ „Ich entschuldige mich für mein aufdringliches Verhalten“, reagierte Comil fast schon zu gut und verneigte sich. „Bitte verzeihen Sie mir, werte Lady Loreen. Es ist nur so, dass es noch schwieriger ist, einen Termin bei Ihrem geschätzten Bekannten zu erhalten als bei Ihnen, daher dachte ich, Sie könnten mir vielleicht helfen.“ „Nun gut“, sprach Mihawk Gat kühl, „versuchen Sie Ihr Glück bei meinem Sohn, Comil, Sie werden es gebrauchen können.“ Verdammt, heute schien echt nicht Zorros Tag zu sein. Erst Eizen, dann Comil und nun direkt Mihawk Senior, ohne auch nur einen Moment zum Luftschnappen zu bekommen, aber das war ihm heute wohl nicht vergönnt, während er nun neben den langen Beinen Mihawk Seniors einen protzig ausgestatteten Flur entlangschritt. „Ich hoffe, es war nichts Wichtiges, was Sie mit Comil besprechen wollten“, bemerkte Mihawk Gat höflich. „Nicht doch“, entgegnete Zorro, bemüht gelassen. Er hatte eine Ahnung, was das Auftreten von Dulacres alten Herrn zu bedeuten hatte, aber sicher war er sich nicht. „Sie haben mir sogar einen Gefallen getan. Ich hatte keinerlei Interesse an diesem Gespräch.“ Zumindest das war nicht gelogen. „Da bin ich erleichtert.“ Aber nichts an der Körpersprache oder der Stimme des anderen klang auch nur im Entferntesten erleichtert. Er klang angespannt, so angespannt, wie Zorro sich fühlte. „Es war sehr schwierig für mich, eine Audienz für Sie bei den fünf Weisen zu ermöglichen und da Sie sich an mich und nicht an Eizen gewandt haben, bin ich davon ausgegangen, dass Sie ihn nicht unbedingt einweihen wollten. Daher war dieser offizielle Termin mit Comil die einzige Möglichkeit, die sich bot.“ Zorro hatte sich also nicht geirrt. Mihawk Gat hatte ihn nicht zufällig gerade aufgesucht, er hatte den Zeitpunkt sorgfältig abgewogen; Zorro war gerade auf dem Weg zu den fünf Weisen. Aber die große Frage war doch, ob Dulacre Recht hatte. Die große Frage war doch, ob Mihawk Gat einfach nur Lady Loreen einen Gefallen tun wollte oder ob er Lorenor Zorro gerade in eine perfide ausgearbeitete Falle lockte. Um ehrlich zu sein, war Zorro sich da gar nicht mehr so sicher, schließlich hatte der Samurai sich ja auch in Bezug auf Eizen geirrt – hoffentlich – und vielleicht wollte Mihawk Senior ihm auch einfach nur helfen. Im Gegensatz zu seinem Sohnemann schien er doch von etwas hilfsbereiterer Natur zu sein. Vielleicht sollte Zorro ausnahmsweise mal nicht den Teufel an die Wand malen und einfach abwarten, was passieren würde. „Darf ich fragen, ob es einen Grund gab, warum Sie mich um Mithilfe baten und nicht Herrn Eizen?“, sprach der andere nun mit seinem höflichen Unterton weiter. „Für ihn wäre es mit Sicherheit ein Leichtes gewesen, Ihnen eine Audienz zu verschaffen, ohne Sie zu so später Stunde noch überrumpeln zu müssen. Ich konnte Ihnen noch nicht mal Zeit zur Vorbereitung gewähren.“ „Herr Eizen ist ein vielbeschäftigter Mann“, gab Zorro die Worte wider, die der Samurai ihm eingetrichtert hatte, für genau diese Frage, in der verzweifelten Hoffnung mögliche Wogen noch glätten zu können, „ich wollte nicht, dass es auf ihn zurückfällt, falls ich keinen guten Eindruck vor den fünf Weisen hinterlassen sollte.“ Er konnte den überraschten Blick des anderen auf sich fühlen. Mit so einer Antwort hatte er gewiss nicht gerechnet und das war genau der Grund, warum Dulacre gewollt hatte, dass Zorro so etwas sagen würde. „Aber Sie scheuen sich nicht davor, das Risiko einzugehen, dass es auf mich negativ zurückfällt?“ Nun sah Zorro auf und grinste Mihawk Senior an, ohne etwas zu erwidern. „Mir scheint, mein Sohn hat keinen guten Einfluss auf Sie, werte Lady Loreen.“ „Hätten Sie es nicht genauso gemacht?“, entgegnete Zorro und sah wieder nach vorne. Für einen Moment schwieg der andere, bis sie um eine Ecke bogen und vor ihnen ein riesiges, prunkvoll dekoriertes Tor aufragte, welches von mehreren Soldaten bewacht wurde. Mihawk Gat blieb stehen und Zorro tat es ihm gleich. „Ich denke, ich habe Sie unterschätzt“, sprach der alte Soldat nun und sah Zorro eindringlich an. „Sie bauen darauf, dass ich mitspielen werde, nicht wahr?“ Zorro hatte keine Ahnung, was der andere damit meinte. „Sie verfolgen eine riskante Strategie, so wie mein Sohn es tun würde. Sind Sie sich sicher, dass Sie so gewinnen können?“ Verdammt, wusste er es also wirklich oder was zur Hölle sollte das bedeuten? Zorro mochte nicht, wie wenig er von dem Kram kapierte, der um ihn herum passierte und er wünschte, er hätte jemanden als Übersetzer da. Aber das hatte er nun mal nicht und Zorro war schon immer jemand, der lieber seine eigenen Schlachten schlug, als sich hinter anderen zu verstecken, also würde er genau das auch hier tun, ganz gleich wie wenig er von dem Gesagten verstand. „Ich habe es Ihnen schon einmal gesagt, Herr Mihawk, Dulacre mag noch so ein genialer Stratege sein, aber ich spiele nicht nach seinen Regeln. Er hätte gewiss nicht gewollt, dass ich mich an Sie wende, also tun Sie nicht so, als ob er meine Entscheidungen gefällt hätte.“ Mit diesen Worten wandte Zorro sich um und schritt auf das riesige Tor zu. „Sie haben mich ausgetrickst“, hörte er den Soldaten hinter sich flüstern, „ich hoffe, dass Sie es nicht bereuen.“ Ja, das hoffte Zorro auch, aber anmerken ließ er sich nichts, als er vor dem Tor wartete und sein Herz wie wild schlug. Alles war ruhig. Eigentlich müsste Zorro sich gerade den Kopf darüber zerbrechen, was Mihawk Senior mit diesen Worten meinte. Eigentlich müsste er darüber nachdenken, ob der alte Mann die Wahrheit erkannt hatte, aber uneigentlich öffnete sich gerade das Tor vor ihm und all diese Dinge wurden nebensächlich. „Lady Loreen!“, kündigte einer der Soldaten ihn an und auf Geheiß schritt Zorro nach vorne. Mit gesenktem Blick betrat er den Raum der Autoritäten, während das Tor hinter ihm zuschlug. Der Klang erinnerte ihn an das zufallende Tor der G6, bevor der Koch damals die Winde zerstört hatte; hoffentlich war dieser Vollidiot in Sicherheit. Nein, Zorro war nicht in der Position, sich um andere Sorgen zu machen. Gerade jetzt konnte er sich nicht leisten, sich von seinen Sorgen ablenken zu lassen. Was auch immer kommen würde, würde kommen, aber hier und jetzt musste er darauf bauen, dass sein Plan aufgehen würde. Tief ging er in den Knicks, wie Kanan es ihn gelehrt hatte, und auf Geheiß richtete er sich wieder auf. Schlussendlich stand er ihnen nun doch gegenüber, den fünf Weisen.   -Mihawk- Gähnend lehnte er sich zurück und fuhr sich durchs Haar, ehe er dann schließlich doch aufstand und entschied, in die Küche zu gehen und sich etwas zu kochen, was natürlich mit seinem Ernährungsplan konform gehen würde. Früher hätte er sich einen solchen Aufwand nicht gemacht, hätte nicht extra etwas Kompliziertes gekocht, nun aber war er beinahe dankbar dafür, eine Aufgabe zu haben, mit der er die Zeit totschlagen konnte. Seit seiner Rückkehr nach Kuraigana kam Dulacre dieses Schloss noch leiser und leerer vor, als es nach Lorenors und Peronas Abreise gewesen war. Die Human Drills hatten ihn wie demütiges Dienstpersonal empfangen, jedoch kaum ihre Enttäuschung darüber verbergen können, dass ihre Herrin nicht zurückgekehrt war. Während seiner Abwesenheit hatten die Primaten das getan, was Dulacre von ihnen erwartet hatte, und damit begonnen die Ruinen im Wald zu beseitigen, auch wenn Dulacre nicht einmal wirklich wusste, warum er es ihnen damals aufgetragen hatte. Nein, er wusste genau, warum er es ihnen aufgetragen hatte, aber weigerte sich, einzugestehen, dass er bereitwillig einen Wunsch der Geisterprinzessin erfüllte, die schon seit Längerem beabsichtigte, die zerfallenen Baracken der Human Drills durch angemessene Unterkünfte zu ersetzen. Seufzend bereitete er sein schnödes Mahl zu, langweiligen, geschmacklosen Reisbrei, konnte sich kaum erinnern, wie er früher die Stille Kuraiganas so sehr hatte genießen können. Natürlich, Dulacre mochte die Ruhe, geregelte Tagesabläufe, angenehme Routine und vor allem keine unnötige Zeitverschwendung durch nervige Gäste, bedeutungslose Unterhaltungen oder uninteressante Aufträge. Früher hatte er dieses große, karge und dennoch prachtvolle und beeindruckende Schloss genau deshalb als sein Heim erwählt. Selbst während Lorenors und Peronas Anwesenheit hatte Dulacre die wenigen ungestörten Momente wertgeschätzt und sich manches Mal gewünscht, wieder der alleinige Bewohner dieses Schlosses zu sein, gerade wenn die beiden sich wegen Nichtigkeiten gestritten hatten. Nun jedoch war es anders. Nun, da Dulacre nicht damit rechnen musste, dass jeden Moment die Tür zu Flur aufgestoßen werden konnte und Lorenor ihn missmutig anschnauzen würde, dass er zu spät fürs Training wäre, nun, da die Tür zum Hinterhof nicht mehr aufgehen konnte und Perona mit einem Korb voller Pilzen hereinkommen und düstere Lieder vor sich hinsummen würde, nun genoss er die Stille dieser vertrauten Mauern nicht so, wie er sollte und wollte. Es war nicht so, als würde Dulacre sich einsam fühlen – er war niemand, der sich von solch simplen Gefühlen beeindrucken lassen würde – aber die letzten zwei Jahre hatte er sich an den Trubel seiner zwei Wirbelwinde gewöhnt und Dulacre war nun mal ein Mann der Gewohnheit und es war schlicht ungewohnt, dass dieses Schloss nun wieder so still war, wie früher, wie damals, bevor Dulacre Lorenor kennen gelernt und ein anderer Mensch geworden war. Gemächlichen Schrittes ging er ins Kaminzimmer und setzte sich an den Tisch. Aber so wie er hatte auch das Schloss sich in den letzten zwei Jahren verändert, auch wenn nicht mehr alle Bewohner da waren. Perona hatte tatsächlich fleißig gearbeitet, das gestand Dulacre ihr zu, und so war doch jeder genutzte Raum, jeder Flur, jedes Zimmer etwas wohnlicher geworden, etwas angemessener für einen Mihawk, ganz zu schweigen von den prächtigen Gärten, die das Schloss nun einrahmten. Eigentlich sollte Dulacre sich hier wohlfühlen und vermutlich würde er das unter anderen Umständen auch, würde die nun vorherrschende Stille willkommen heißen und nicht fast schon bedauern, während er sein karges Mahl zu sich nahm. Aber die Wahrheit war nun mal, während er hier saß und abwartete, hatte Lorenor Mary Joa erreicht und es gab nichts, was Dulacre tun konnte, nichts, außer alle paar Minuten die Vivre Card hervorzuholen, nichts, außer die kleine weiße Teleschnecke stets bei sich zu tragen und abzuwarten und oh, Dulacre war doch noch nie ein geduldiger Mensch gewesen. Kurz bevor er entschieden hatte, sein Abendessen vorzubereiten, hatte Jiroushin ihn angerufen, um ihn zu informieren, dass er Lorenor ohne irgendwelche besonderen Zwischenfälle sicher abgeliefert hatte und Perona vermutlich am nächsten Morgen zum Sabaody Archipel bringen zu lassen, von wo aus sie beabsichtigte, zurück nach Kuraigana zu kommen. Perona war während jenes Gespräches außerordentlich ruhig gewesen und hatte Dulacres Bemerkungen klaglos hingenommen, vermutlich hatte entweder Lorenor oder Jiroushin ihr die Brisanz der Situation erläutert. Gegen ihr Begehr, nach Erfüllung ihrer Aufgabe, zurück nach Kuraigana zu reisen, hatte Dulacre nicht viel einzuwenden. Aus verschiedenen Gründen hielt er diese Absicht zwar nicht für klug, aber um ihr Wohlergehen machte er sich keine Sorgen, sollte sie doch tun, was sie nicht lassen konnte. Es überraschte Dulacre nicht, dass sie Gecko Moria nicht gefunden hatte, als sie nach Lorenors Abreise mit den Strohhüten sich zur verlassenen Thriller Bark aufgemacht hatte. Allerdings musste er ihr anerkennen, dass sie vor wenigen Tagen auf seine Anfrage hin bereitwillig entschieden hatte, nach Mary Joa zurückzureisen und sich in Lady Loreen’s Gemächer einzunisten, bis Lorenor eintreffen würde. Endlich hatten sich ihre Fähigkeiten als nützlich erwiesen. Sein Blick fiel aus dem Fenster, während er die untergehende Sonne hinter den sanften Nebelschwaden beobachtete. Laut Jiroushin würde Lorenor am heutigen Abend seinen Termin mit Comil haben, ehe er die nächsten Tage vollständig von Eizen in Anspruch genommen werden sollte. Allerdings hatte Dulacre so seine Zweifel, dass Comil seinen Termin erhalten würde. Wenn Dulacres Vater auch nur halb so klug war, wie er für einen Mihawk sein sollte, dann würde er genau dieses Zeitfenster für die Audienz nutzen müssen. Aber wenn er dies tun sollte, würde dies nur bestätigen, was Dulacre von Anfang an befürchtet hatte. Die Frage war nur, wenn heute tatsächlich bereits der Tag sein sollte, würde Lorenor die Idee und die Möglichkeit haben…? Er unterbrach seinen Gedanken, als er aus den Tiefen des Schlosses das Klingeln einer Teleschnecke hören konnte. Schmunzelnd erhob er sich. Manchmal fragte er sich, ob irgendwann der Tag kommen würde, an dem er Lorenor nicht mehr unterschätzen würde, und manchmal fragte er sich, ob er das überhaupt wollte. In der Bibliothek angekommen schritt er zur Teleschnecke der Marine hinüber, die folgsam nach ihm rief, und nahm mit einem leisen Gotcha ab. „Comil“, grüßte er, bevor sein Gegenüber überhaupt etwas sagen konnte. „Mihawk“, kam es dann etwas überrascht von der anderen Seite, „Sie wussten, dass ich anrufen würde?“ Dulacre wusste nicht, ob er auflachen oder mit den Augen rollen sollte. Natürlich hatte er es gewusst. Natürlich war Comil der einzige Marinesoldat, der ihn genau in diesem Moment hätte anrufen können, aber nur unter der einen Voraussetzung, dass Lorenor ihn dazu hätte veranlassen müssen. Er war ganz begeistert. Nicht, dass er dieses Gespräch hier führen wollte, allerdings schien Lorenor sich endlich zu dem Taktiker zu entwickeln, der er sein musste, um Dulacre gefährlich werden zu können. Allerdings bedeutete dieser Anruf auch genau das, was er befürchtet hatte, und das bedeutete eine ganz simple Sache. Wenn er bis zum Morgengrauen nichts von Lorenor hören würde, dann würde Dulacre spätestens mit Sonnenaufgang aufbrechen. Was für eine erwartete und dennoch unterhaltsame Entwicklung, denn wenn Dulacre in den frühen Morgenstunden aufbrechen sollte, würde dies bedeuten, dass Mary Joa bald fallen könnte, und zwar noch bevor Beginn der Reverie. Die Dinge schienen endlich interessant zu werden und Dulacres letzter richtiger Kampf lag lange zurück. Vielleicht würde es amüsant werden, sich ganz alleine der gesamten Weltregierung zu stellen, schließlich mochte er solch ‚viele gegen einen‘-Szenarien, solange er der eine war. „Ich habe damit gerechnet“, entgegnete er und warf sich auf einen Stuhl. Er hatte gerade so gute Laune, dass er sogar gewillt war, Comil zu helfen – sofern es das war, was Lorenor von ihm erwartete – so würde er zumindest noch etwas Zeit vertreiben können, während er ganz ungeduldig abwarten musste, ein erregendes Gefühlschaos aus Sorge, Neugierde, Kampfeslust und Verärgerung in seiner Brust. Aber all das war besser als langweilige Zeitverschwendung. „Möchten Sie mir den Grund sagen, warum Sie mich anrufen, Comil?“ „Wie Ihnen vermutlich bewusst ist, rufe ich Sie auf einer verschlüsselten Leitung an“, erklärte der Soldat zugleich, „wir können also ganz frei sprechen.“ „Und worüber? Ich bin ein vielbeschäftigter Mann“, log er und benetzte seine Lippen, „Sie sollten also einen guten Grund haben, meinen Abend zu stören.“ „Oh, ich bin mir ziemlich sicher, dass Sie wissen, warum ich anrufe“, entgegnete Comil und die Teleschnecke gab das hässliche Grinsen seiner schwulstigen Lippen nur zu gut wieder. „Ihr geschätztes Mündel hat mich beauftragt, mich an Sie zu wenden, weil niemand anderes als Ihr Vater meinen Termin mit der ehrenwerten Lady Loreen hat platzen lassen. Ich gehe also davon aus, dass Sie Informationen haben, die mir zugedacht sind, liege ich da richtig?“ Dulacre überschlug seine Beine und warf sie auf den Tisch vor sich. Comil hatte keine Zeit verschwendet, hatte bereitwillig direkt berichtet, was Dulacre von ihm hören wollte, zeigte deutlich, dass er nicht beabsichtigte mit Dulacre zu feilschen, sondern einfach nur an die Informationen wollte, die Lorenor ihm versprochen hatte, ohne jegliche Hintergedanken. Aber Dulacre hatte Hintergedanken, denn schließlich war er nicht so gutmütig und naiv wie sein werter Wildfang. „Das habe ich“, bestätigte er aalglatt, „und ich bin gewillt, Ihnen diese zu geben.“ Er legte eine Kunstpause ein, wartete, bis Comil Luft holte, um sich zu bedanken, und dann sprach er weiter: „Allerdings nicht jetzt und nicht ohne Gegenleistung.“ Die Augen der Teleschnecke weiteten sich eine Spur. „Ich habe Ihnen bereits alles gesagt, was für Sie von Interesse sein könnte, Mihawk. Es ist nicht meine Absicht, mit Ihnen um Informationen zu buhlen, ich dachte, das wäre deutlich geworden.“ „Ist es“, stimmte Dulacre mit einem breiten Grinsen zur, „nur… Sie haben mir keine Neuigkeiten mitgeteilt, Comil. Ihre Auskunft hatte für mich keinerlei Mehrwert, daher möchte ich einen angemessenen Ersatz, dann werde ich Ihnen gerne bereitwillig die Ihnen zustehenden Informationen zukommen lassen. Natürlich können Sie auch einen erneuten Termin mit meinem Sozius ausmachen, wenn Ihnen das mehr beliebt.“ Er genoss die Stille, die folgte, es war wie Musik in seinen Ohren, konnte regelrecht zuhören, wie Comil die Chancen und Möglichkeiten berechnete und abwägte. Drei… Zwei… Eins… „Was wollen Sie wissen, Mihawk?“ „Die Wahrheit“, entgegnete er hochmütig, „die ganze Wahrheit über die Wiedergeborenen.“ Wieder schwieg der andere, doch in der Stille meldete sich die alte Teleschnecke, auf deren Ruf Dulacre nur gewartet hatte. Es hatte also begonnen. „Allerdings nicht jetzt. Wie Sie hören, bin ich ein vielbeschäftigter Mann.“ Für eine Sekunde war die Leitung eisig kalt. „Wann werden Sie mich also für unseren Informationsaustausch anrufen“, lenkte Comil zähneknirschend ein. „Sobald ich mich um diese andere Angelegenheit gekümmert habe“, antwortete er ehrlich, „allerdings könnte es spät werden.“ „Ich erwarte Ihren Anruf.“ Im nächsten Moment legte der Marinesoldat laut auf, aber Dulacre interessierte das nicht im Mindesten. Ja, er war neugierig und endlich bot sich ihm die Möglichkeit, Dinge herauszufinden, die Lorenor nur widerstrebend mit ihm teilte. Aber gerade in diesem Moment waren Theorien und Vergangenheit unwichtig, wenn Lorenor in der Gegenwart ganz realen Gefahren ausgesetzt war. Gotcha „Es hat begonnen“, wurde er mit leiser Stimme begrüßt, „wie erwartet, ist er vor wenigen Minuten hineingegangen.“       Kapitel 38: Kapitel 38 - Verrat ------------------------------- Kapitel 38 – Verrat   -Zorro- „Lady Loreen, willkommen.“ Rang, Name, Titel, Hierarchie, all das war Zorro grundsätzlich einerlei – abgesehen von dem einen Kapitän, dem er folgte, und dem einen Titel, den er verfolgte – und er war niemand, der sich schnell von irgendwem beeindrucken ließ, zumindest nicht, wenn es sich nicht um einen Kampf handelte. Aber gerade glitt eine Gänsehaut über seine dünnen Ärmchen, als sich alle fünf Augenpaare auf ihn richteten. Den Blonden und den Schwertkämpfer hatte Zorro in den vergangenen zwei Jahren bereits getroffen, die anderen jedoch nicht, und irgendwie war es doch etwas anderes, ihnen allen auf einmal gegenüberstehen zu müssen. Vielleicht aber auch nur, weil er nicht er selbst sein durfte und jede Sekunde, jeden Atemzug auf seine Mimik, seine Worte, seine Gesten achten musste. Es wäre vielleicht anders, wenn er ihnen einfach als er selbst gegenüberstehen könnte und wenn er ihnen einfach sagen könnte, was er von ihnen hielt – nicht besonders viel, um ehrlich zu sein – dann würden sie ihn vermutlich nicht sonderlich beeindrucken. Aber gerade durfte er nicht er selbst sein, er musste Lady Loreen sein. Zorro durfte sich nicht verraten! Also neigte er den Kopf und verbeugte sich. „Vielen Dank, dass Sie so großzügig waren, mir diese Audienz zu gewähren“, sprach er, wusste, dass er genau jetzt so gut schauspielern musste wie noch nie zuvor, auch wenn es vielleicht bereits vergebens war. Auf Geheiß richtete er sich auf und erhielt nun zum ersten Mal die Möglichkeit, seine Gastgeber zu mustern. Nur drei der Männer saßen auf den protzigen grünen Sofas, dahinter standen der Blonde und der Lockenkopf, beide mit verschränkten Armen. Glücklicherweise konnte Zorro keine der seltsamen Schatten sehen, aber das hieß nicht, dass nicht doch einer von ihnen die gleiche Fähigkeit wie Eizen besaß, aber ganz gleich ob diese Männer nun wussten, wer er in Wirklichkeit war oder nicht, zumindest Eizen würde er heute stürzen müssen, zumindest das lag in seiner Hand. „Nicht doch, nicht doch, mein Kind“, sprach der Mann in der Mitte, mit langem, weißen Haar und ebenso weißen und langem Bart, doch entgegen seiner Worte klang er abweisend und kalt, als wäre dieses Gespräch unter seiner Würde. „Mihawk Gat informierte uns darüber, dass Sie uns etwas von äußerster Dringlichkeit mitzuteilen haben, was die Sicherheit der Reverie betreffen würde. Natürlich können wir solche Warnungen nicht ignorieren, erst recht nicht, wenn die Reverie so kurz bevorsteht.“ „Ich danke Ihnen“, zeugte Zorro erneut seine falsche Demut und neigte kurz den Kopf. Er hatte Mihawk Senior nichts über seine Beweggründe für die Audienz gesagt. Vermutlich hatte Dulacre also wirklich Recht behalten – natürlich, dieser Mistkerl eines Samurais irrte sich so gut wie nie, verdammter besserwisserischer Vollidiot – und vermutlich wussten die fünf Weisen Bescheid. „Nun dann, Lady Loreen“, sprach der Blondschopf, wenn irgendwie möglich noch abweisender als der andere – Zorro hatte ihn noch nie leiden können und gerade erinnerte er sich auch wieder warum – und schlug einen unruhigen Takt auf seinen Unterarm, „so wie Sie, sind auch wir so kurz vor der Reverie sehr beschäftigt und haben einige Audienzen vorzubereiten und abzuhalten. Ich möchte Sie also bitten, sich kurz zu fassen.“ „Natürlich, es ehrt mich, dass Sie mir Ihre kostbare Zeit opfern.“ Doch dieses Mal neigte Zorro seinen Kopf nicht, sondern spannte seinen Rücken noch etwas mehr an und straffte seine Schultern. „Ich bin hier, um Rishou Eizen des Hochverrats zu bezichtigen.“ Er wusste nicht, was genau er erwartet hatte, aber doch zumindest irgendetwas, irgendeine Form der Reaktion, als er den so ziemlich mächtigsten Politiker der Welt vor seinen Lehnsherren anprangerte, doch nichts geschah. „Dies ist ein schwerer Vorwurf“, sprach nun der Lockenkopf, „insbesondere, wenn man bedenkt, dass Rishou Eizen Sie als Mentor unter seine Fittische genommen hat, um Sie in die Welt der Politik einzuführen.“ „Und das ist genau der Grund, warum ich nicht schweigen kann“, entgegnete Zorro, versuchte vergebens, einen demütigen Ton beizubehalten. „Es mag sein, dass ich einen Vertrag mit Eizen geschlossen habe, aber meiner Loyalität gilt dieser Welt und einer gerechten Zukunft und ich werde nicht zulassen, dass irgendetwas oder irgendwer dies gefährdet.“ Nun spielte es Zorro in die Karten, dass Lady Loreen als idealistische Weltverbesserin von vielen bewundert und verehrt wurde, obwohl er selbst dies eher belächelte, auch wenn Dulacre ihn regelmäßig damit aufzog, dass seine wahren Weltansichten dem wohl ganz ähnlich seien, was Zorro bereits aus Prinzip ablehnte. „Und Eizen tut dies?“, fragte der Mann mit dem Feuermal auf der Stirn. „Das fällt mir doch recht schwer, zu glauben.“ „Ich verstehe Ihre Zweifel“, nickte Zorro, „und mir ist auch bewusst, wie schwer mein Vorwurf ist und da ich weiß, dass mein Wort allein nicht genug sein kann, damit Sie mir glauben können, möchte ich Sie bitten, folgender Tonaufnahme für wenige Minuten Gehör zu schenken.“ Als er Lysops Tondial aus der Tasche seines dünnen Mantels zog, konnte er zum ersten Mal sehen, wie die fünf Weisen Blicke miteinander austauschten. Damit hatten sie anscheinend nicht gerechnet. „Nun gut, Sie sind ein großes Risiko eingegangen, Ihren Mentor hinter seinem Rücken anzuklagen, nur damit wir Ihnen zuhören. Wir erlauben Ihnen, die Aufnahme abzuspielen, um uns von Ihren Vorwürfen zu überzeugen. Wir sind sehr neugierig, was Sie uns zeigen wollen“, sprach der kahlköpfige Schwertkämpfer, „aber sollten Sie uns nicht überzeugen, werden Sie für Ihren Verrat bestraft werden. Ich hoffe, das ist Ihnen bewusst.“ Es sollte ihn einschüchtern, aber tatsächlich waren solche Drohungen das ihm Vertrauteste an diesem ganzen Gespräch. „Ich bin mir sicher, dass Sie in ein paar Minuten verstehen werden, warum ich dieses Risiko eingehen musste, meine Herren“, entgegnete er mit klarer Stimme und mit einem erneuten Knicks, weil er wusste, dass seine Worte sonst zu hochmütig klingen würden, weil es genau das war, was der verdammte Samurai gesagt hätte. Auf das Nicken des Blondschopfes drückte er den Knopf und dann wurden sie alle ganz still, während Eizens und Lady Loreens Stimme durch den Raum waberten. Egal wie oft Zorro diese Aufnahme hörte, er würde sich nie an dieses Stimmchen gewöhnen, das wohl das seine war. Sich vom Tondial zu hören, klang noch tausendmal schlimmer, als seine weibliche Stimme sich so oder so für ihn anfühlte, so weich, so zerbrechlich, so schwach. Aber bewegungslos stand er da und hielt das Tondial in die Höhe, während Eizen über seine Absichten prahlte und von Zorros Mutter und der Verwerflichkeit der Weltregierung sprach. Doch dieser Moment gab Zorro die Möglichkeit, die fünf Weisen ausführlich zu begutachten. Sie alle regten sich nicht, doch auf der Stirn des Blondschopfes bildete sich mit der Zeit eine Zornesader ab und mit jeder verstreichenden Minute schien sie mehr anzuschwellen. Ja, deswegen mochte Zorro ihn nicht, er war einer dieser Kerle, die ihre Aggressionen nicht im Griff aber dafür ein zerbrechlich schwaches Ego hatten. Dulacre hätte wahrscheinlich seinen Spaß, ihn mit Worten zu brechen, und Ruffy würde ihn wohl auslachen, Zorro fand ihn nur nervig. Dann fiel sein Blick auf den Schwertkämpfer, derjenige der fünf Weisen, der Zorro am meisten interessierte. Seiner Körperhaltung war anzusehen, dass er sicherlich ein ausgezeichneter Krieger sein musste, ungeachtet seines bereits fortgeschrittenen Alters. Aber fast noch beeindruckender war sein Schwert, das in der Scheide an seinem Kimono ruhte. Zorro hatte schon die Stimmen einiger Schwerter vernommen, aufbrausende, blutgierige wie Josei oder das Kitetsu der dritten Generation, ruhige und besonnene wie Wado-Ichi-Monji oder sein ehemaliges Schwert Yubashili, erhabene und reine wie Shuusui oder Shigule von Tashigi und dann natürlich auch noch Yoru. Die Stimme des Black Swords war so einzig und mächtig, dass Zorro sie mit kaum etwas vergleichen konnte. Aber dieses Schwert dort vor ihm klang ähnlich, alt und weise und doch ganz anders. Während Yorus Summen so vereinnahmend und betörend war, dass Zorro am liebsten in seiner Stimme versinken wollte, bereitete dieses Schwert ihm allmählich Kopfschmerzen und erweckte in ihm Widerstände, die er nie zuvor gegenüber einer Waffe verspürt hatte. Je länger er der Stimme dieses Schwertes ausgesetzt war, desto unangenehmer wurde sie ihm. Zu Beginn des Gespräches hatte er sie kaum bemerkt, aber nun, da niemand der Anwesenden sprach, schien sie mit jeder Sekunde lauter und eindringlicher zu werden. Er hatte das Bedürfnis, so viel Abstand wie möglich zwischen dieses Schwert und sich zu bringen. Yoru hatte ihn immer willkommen geheißen, ihm deutlich gezeigt, wie sehr es sich nach seinem Blut sehnte und ihn dennoch geduldig unterrichtet. Dieses Schwert hingegen gab ihm das Gefühl, als würde Zorros reine Anwesenheit ihm größte Qualen bereiten, als würde er mit seiner reinen Anwesenheit die Ehre dieses Schwertes beschmutzen. Zorro wusste nicht, warum oder woher er sich so sicher war, aber er zweifelte nicht eine Sekunde daran, dass dieses Schwert ihn aus tiefster Inbrunst verachtete und solch starke Gefühle hatte er noch nie von einem Schwert gefühlt, nicht mal von Josei, dessen Griff immer brennend heiß war, ganz gleich, wann Zorro es ergriff. Nicht mal von Yoru, dessen Wesen eine einzige Naturgewalt war. Plötzlich bemerkte er den Blick des kahlköpfigen Schwertkämpfers auf sich. Natürlich musste er bemerkt haben, wie Zorro das Schwert angestarrt hatte und nun verengten sich leicht seine Augen, während er mit einer Hand über die Scheide seiner Waffe glitt. Für einen Moment schien es sich zu beruhigen, doch dann wurde es noch aggressiver und ganz offensichtlich hatte der alte Mann das nicht erwartet, denn für einen Moment wandte er den Blick ab, um seine Waffe zu betrachten. Das laute Klicken vom Ende der Aufnahme ließ Zorro aufschrecken und auf einmal wurde ihm wieder bewusst, in was für einer Situation er sich befand. Er hatte keine Zeit, sich von irgendeiner Waffe ablenken zu lassen. Offensichtlich wütend wollte der Blondschopf sprechen, doch der Lockenkopf unterbrach ihn mit einem einzigen Blick und sah dann Zorro an. Keiner sagte ein einziges Wort, irgendwie war es ziemlich schräg. Zorro wusste nicht, ob sie von ihm erwarteten, etwas zu sagen, allerdings schien der Blick des Lockenkopfes ihm etwas anderes zu bedeuten. Außerdem wirkte der Blonde so, als würde er beim leisesten Geräusch sofort explodieren. Also schwieg Zorro, wirklich nicht sicher, was das hier sollte, während das Schwert des Kahlkopfes langsam wieder lauter wurde. Es vergingen mit Sicherheit fünf Minuten – und fünf Minuten waren verdammt lang, wenn man in einer Audienz vor den fünf Weisen stand, niemand auch nur ein Wort sagte, alle einen anstarrten und ein verdammtes Schwert vor sich hinzeterte, dass Zorro beinahe übel davon wurde – und dann plötzlich pochte es drei Mal laut an die Türe hinter Zorro und jedes Mal machte sein Herz einen Satz. Er hatte keine Ahnung, was nun folgen würde, und das zeternde Schwert überlagerte seine Sinne. Er wagte noch nicht einmal, sich umzudrehen, während Schritte durch den Raum hallten und die Türe wieder zufiel. „Meine Herren.“ Neben ihm stand verdammt noch mal Eizen! Neben ihm stand verdammte Scheiße noch eins Eizen! Zorro wusste, dass er gerade darin versagte, seine Mimik zu kontrollieren, während er den Politiker anstarrte, der sich tief verneigte und ihn danach jedoch unbeeindruckt über sein Monokel hinweg musterte, als würde es ihn überhaupt nicht wundern, dass Zorro anwesend war, und, als würde es ihn überhaupt nicht wundern, dass Zorro ihn wie ein Gespenst anstarren musste. Warum zum Teufel war Eizen da?! Warum zur Hölle stand dieser Mistkerl gerade neben ihm, obwohl Zorro ihn gerade verraten hatte, und zeigte dieses blasierte kleine Lächeln, als gäbe es nichts auf der Welt, was ihm gefährlich werden könnte? „Mir war nicht bewusst, dass Lady Loreen auch dieser Audienz beiwohnen würde“, sprach er dann in diesem gelassenen Ton weiter. „Ich entschuldige mich für meine lückenhafte Vorbereitung und offensichtlich muss ich mich verspätet haben, wenn Sie die werte Dame bereits hereingebeten haben.“ „Eizen“, sprach nun der alte Mann mit dem langen weißen Haar und Bart, „Sie wissen, warum wir Sie sprechen wollten?“ „Natürlich.“ „Und was ist Ihre Antwort auf unsere Frage?“ „Laut meinen Informanten beabsichtigt König Kobra auf der Reverie die Entlassung der sieben Samurai der Meere zu beantragen. Dies ist der Grund, warum er um eine Audienz gebeten hat, um sich Ihre Unterstützung und Genehmigung zu sichern.“ Verdammte Scheiße! Auch das noch?! Was zur Hölle ging hier vor sich? Was meinte Eizen damit? Die Samurai sollten aufgelöst werden? Das konnte er doch nicht ernst meinen? War das nur ein Ablenkungsmanöver? Warum sollte der alte Kobra das… Na gut, nach Crocodile war  das schon nachvollziehbar, aber warum sagte Eizen das jetzt? Warum jetzt, obwohl Zorro ihn gerade verraten hatte? Ging er wirklich davon aus, dass die fünf Weisen Zorro deshalb dahaben wollten? Hatte er deshalb so getan, als hätte er von Dulacres Ausflug nichts gewusst? War das hier vielleicht alles nur ein Trick? Wollten er ihn verunsichern? Wollten er ihm so drohen? Was hatte all das verdammt nochmal zu bedeuten?! „Das ist nicht die Antwort auf unsere Frage“, entgegnete nun der Blondschopf mit bissiger Stimme und zum ersten Mal glitt so etwas wie Überraschung über Eizens Gesicht und dann etwas, was Zorro nicht einordnen konnte, als Eizen ihn ansah. „Me..meine Herren?“ Er fing sich zu schnell und nichts blieb von dem Moment der Unsicherheit. „Es tut mir leid, es muss ein Missverständnis vorliegen. Ich dachte, Sie hatten mich gebeten, Informationen über König Kobras Absichten hinter seiner kurzfristig beantragten Audienz zu ermitteln. Ist dies nicht der Grund für diesen Termin? Ist der Grund hinter Lady Loreens Anwesenheit nicht derjenige, dass sie mit einem der Sieben Samurai liiert ist und so ein Gewissenskonflikt bestehen könnte?“ Vielleicht hatte Eizen deshalb Zorro so deutlich gemacht, wie gut es wäre, wenn Dulacre auf Kuraigana bleiben würde, weil er wusste, was auf dieser Reverie passieren würde, aber warum hatte er das Zorro dann nicht vorher gesagt? Er verstand gar nichts mehr und gerade war eindeutig keiner dieser Momente, in denen es egal war, ob Zorro den Überblick behielt oder nicht. So schwierig hatte er sich das ganze doch nicht vorgestellt. Verdammte Scheiße, was tat er hier überhaupt?! „Nein“, sprach der Mann mit dem Feuermal, „Wir wurden darüber informiert, dass wir auf der Reverie mit einem Putsch zu rechnen haben, deshalb ist Lady Loreen anwesend. Sie haben nicht zufälligerweise etwas davon gehört, Eizen?“ Dieses Mal verriet nichts, was in Eizen vorging. „Ganz recht“, sprach er direkt, wieder so gelassen wie zuvor, während Zorros Gedanken Purzelbäume sprangen und er keine Ahnung hatte, was hier vor sich ging und was er denken sollte. „Wie ich Sie bereits letzten Monat warnte, wurde mir berichtet, dass die Revolutionsarmee sich formiert hat. Es ist mit einem Angriff zu rechnen.“ Nun lachte er sogar leicht. Dieser verdammte Mistkerl lachte, während er doch gerade in Zorros Falle rennen sollte, wohingegen Zorro das ungute Gefühl hatte, dass ihm zu viel entging, zu viel, was er wissen sollte. „Es tut mir leid, wenn unbedachte Äußerungen meiner doch recht emsigen Novizin Sie beunruhigt haben sollten. Sie hat ein sehr großes Pflichtgefühl und Ihre Loyalität lässt sie zuweilen etwas übereifrig handeln, allerdings ist sie manchmal etwas ungeschickt in ihrer Wortwahl. Ich bin mir sicher, dass dies nur ein Missverständnis ist.“ Dann wandte Eizen sich Zorro zu und zum ersten Mal konnte er die Wut in diesen Augen sehen, aber Zorro hatte keine Ahnung, ob Eizen dachte, Zorro hätte sich verplappert, ob er Zorro gerade übers Ohr haute oder bereits begriffen hatte, was Zorro hier versuchte zu tun. „Nun entschuldigen Sie sich schon, Liebes. Wegen Ihrer Unbedachtheit vergeuden wir nun die Zeit dieser Herrschaften? Ich bin sehr enttäuscht von Ihnen.“ „Sie haben Recht“, sprach der Lockenkopf, bevor Zorro auch nur eine Ahnung hatte, wie er reagieren sollte. „Die junge Dame legt eine beeindruckende Loyalität an den Tag, damit hat sie uns allen ungeachtet ihrer Ausdrucksform imponiert.“ Ach, hatte er das? Sie hatten doch kaum zwei Worte gewechselt. Zorro hatte nicht das Gefühl, hier irgendwen zu beeindrucken, er hatte eher das Gefühl, am komplett falschen Ort zu sein. „Aber ihre Loyalität gilt nicht Ihnen, Rishou Eizen, oder sollte ich lieber sagen Eizen D. Rishou?“ Plötzlich veränderte sich das Gesicht des Politikers, erst starrte er fassungslos die fünf Weisen an, dann Zorro. „Wie… wie bitte?“ „Diese Audienz dient dazu, einen Verräter aus unseren eigenen Reihen auszumerzen“, erläuterte der Schwertkämpfer, „und zwar Sie. Eizen D. Rishou, Sie sind wegen Hochverrates verhaftet.“ Das Monokel zerbrach am Boden. Eizens Augen wurden groß und sein Gesicht eine fahle Maske. Zum ersten Mal seit langer Zeit wurde Zorro bewusst, wie alt der Politiker neben ihm war. „Aber… aber da muss ein Missverständnis vorliegen.“ Dieses Mal fing Eizen sich nicht, seine Stimme bebte. Es war das allererste Mal, dass Zorro das Gefühl hatte, dass Eizen nicht alles unter Kontrolle hatte, seine Worte nicht perfekt zurechtgelegt hatte. „Ich weiß nicht, was diese junge Dame Ihnen erzählt hat, meine Herren, aber…“ „Lady Loreen hat eigentlich gar nichts gesagt“, unterbrach der Blondschopf nun Eizen und er zitterte am ganzen Körper vor Zorn. „Es waren Ihre eigenen Worte, Eizen. Sie selbst haben uns verraten, wie Sie vorhaben die Tyrannei von uns diktatorischen Narzissten mit Gotteskomplex zu beenden. Sie selbst haben uns von Ihrem Verrat berichtet.“ Eizen war wie erstarrt, seine Augen weit aufgerissen, sein Mund leicht geöffnet. Ohne Brille und Monokel wirkte er nun einfach nur wie ein alter Greis, dem jeden Moment das Gebiss herausfallen würde. „Ihr Fehler war“, sprach dann der Mann mit dem Feuermal, „Ihre Novizin in Ihren Plan einzuweihen, Eizen. Denn sie hat alles aufgenommen und uns vorgespielt.“ Plötzlich starrte Eizen Zorro an. Offensichtlich hatte er keine Ahnung gehabt. Warum also hatte Zorro immer noch dieses beschissene Gefühl, dass ihm etwas entging, dass die Dinge nicht ganz zusammenpassten, und das, obwohl der Plan bisher doch perfekt aufgegangen war? „Wir wissen alles, von Ihnen, von Uranos und von Lorenor Zorro.“ „Lassen Sie mich er…“ „Sie haben genug erklärt!“ Der Schwertkämpfer erhob sich, nun schwieg sein Schwert zum ersten Mal. „Und ich habe genug gehört. Ich brauche keine weiteren Erläuterungen und Rechtfertigungen. Bringen Sie ihn weg!“ Wie auf Geheiß öffnete sich eine schlichte Tür zur Linken der fünf Weisen. „Liebend Gerne!“ „Aber…“ Eizen wurde leichenblass und Zorro hatte das Gefühl so langsam gar nichts mehr zu kapieren. Deswegen also! Niemand anderes als Frau Rihaku kam herein. Für einen Moment sah sie zu Zorro hinüber und der Hauch eines Lächelns glitt über ihre Lippen, dann jedoch fielen ihre mandelförmigen Augen auf Eizen und ja, dieser Blick konnte töten. „Ich… ich verstehe nicht, Rihaku, was tun Sie hier? Sie sind mir loyal. Sie sind…“, stammelte Eizen und Zorro stimmte ihm in allen Punkten zu. Was zur Hölle tat sie hier? „Ich bin was?“, entgegnete sie bissig und schritt durch den Raum, als wäre er ihr Reich. „Wenn Sie immer noch glauben, dass ich Ihre loyale Untergebene wäre, dann habe ich meine Rolle wohl nur zu gut gespielt.“ „Was… was meinen Sie? Sie… Sie sind doch nicht…?“ Vor Eizen blieb sie stehen, reckte herablassend ihr Kinn. „Oh doch, genau das bin ich und Ihnen ist es nicht mal aufgefallen“, entgegnete sie mit schneidendem Hohn. „All die Jahre habe ich all das getan, was Sie von mir verlangten, ganz gleich wie nieder die Arbeit war, und ich habe mich kein einziges Mal beschwert und Sie haben sich nie gefragt, warum? Warum ich all das getan habe, ganz gleich wie verwerflich oder erniedrigend es war? Sie denken, Sie hätten ein Netz aus Informanten und Zuarbeitern gewoben? Sie denken, mit Ihren schwächlichen Versuchen von Erpressung und Betrug würden Sie die Fäden in der Hand halten? Ich bitte Sie, das waren immer schon alles meine Leute, mein Puppentheater.“ „Was?“ „Oh, seien Sie doch nicht so überrascht“, entgegnete der Lockenkopf augenrollend und ignorierte Rihakus Worte. „Haben Sie wirklich geglaubt, Sie wären der Erste, der versuchen würde, uns zu verraten, nachdem er sich in unsere Reihen eingeschlichen hat? Sie mögen gut im Täuschen sein und ein noch besserer Taktiker, aber irren Sie sich nicht, wir hatten Sie von Anfang an im Auge. Wir haben alles kontrolliert, was Sie getan haben und tun wollten, welche Informationen Sie erlangten und welche Sie davon weitergaben, wen Sie trafen und wen nicht, all das lag nie in Ihrer Kontrolle. Beziehungsweise, Sie selbst haben diese Kontrolle abgegeben, als Sie anfingen, Ihre Aufgaben an Rihaku zu delegieren.“ Eizen war nun leichenblass. Zorro jedoch stand daneben und fühlte sich wie ein unbeteiligter Zuschauer, der den ersten Akt verpasst hatte. Würde es auffallen, wenn er jetzt einfach gehen würde? Er hatte doch seinen Plan durchgezogen. Konnte ihm doch scheißegal sein, dass die fünf Weisen Eizen immer schon verdächtigt hatten und das Rihaku offenbar ihr Maulwurf gewesen war. Doch genau ihre Augen lagen nun wieder mit diesem wissenden Blick auf Zorro, also blieb er, genau auf seiner Stelle, neben Eizen, genauso unwissend und ahnungslos, wie der Politiker. „Nein“, flüsterte ebendieser, „das ist nicht möglich. Ich habe Sie doch überprüfen lassen.“ „Natürlich haben Sie das, von unseren Leuten“, bestätigte der Lockenkopf. „Aber Sie können sich geehrt fühlen, dass Rihaku entschieden hatte, sich Ihrer selbst anzunehmen.“ „Es war eine ganz schöne Tortur“, sprach sie weiter mit einem Augenzwinkern und ganz ungezwungen, wenn man bedachte, dass die fünf Weisen anwesend waren, vor denen selbst Dulacre sich benehmen würde… vielleicht. „Ihre Arroganz und Ihre Speichelleckerei war so schwer zu ertragen, und wie Sie die ganze Zeit davon ausgingen, Sie hätten Macht und Einfluss. Dabei war es meine Macht, mein Einfluss, meine Leute und Sie wollten meine Leute dafür verschwenden ein paar Mönche im West Blue und eine Königstochter auf der Grand Line zu bewachen, weil Sie dachten, jemanden kontrollieren zu können, der von Anfang an nicht von Ihnen kontrolliert wurde? Wissen Sie, wie aufwendig es ist, ein Netzwerk an Geheimagenten, Spitzeln und Spionen zu unterhalten? Ich habe meine Einheiten über Jahrzehnte aufgebaut und gehegt und gepflegt und Sie wollten meine Leute für persönliche Feldzüge missbrauchen und als Babysitter für irgendwelche Gören verkommen lassen.“ Im nächsten Moment zog sie ein paar Handschellen hervor und ließ sie um ihren Zeigefinger kreisen. „Auf diesen Moment habe ich Jahre gewartet, Eizen, so viele Jahre, die ich Ihre Untergebene gespielt habe, während Sie mir ein Geheimnis nach dem anderen anvertraut haben und heute, heute verrate ich Ihnen meines.“ Grob packte sie Eizens Arme und kalt schlugen die Ketten zu. „Wissen Sie, ich bin keine einfache Verwaltungsangestellte und das hätte Ihnen auffallen müssen. Schließlich habe ich Ihnen Informationen besorgt, die niemand wissen konnte, schließlich habe ich Ihre dubiosesten Aufgaben durchgeführt, ohne auch nur ein einziges Mal zu zögern, aber Sie haben nicht mal nachgefragt, weil Sie dachten, dass es Ihr Name wäre, der mir Schloss und Türe geöffnet hätte. Aber Sie irren sich, es war nicht Ihr Name, Eizen, es war meiner.“ Dann lag ihr Blick plötzlich auf Zorro und ihr Grinsen wuchs, als würde sie wollen, dass er all das hörte, als würde sie es genießen, nicht nur Eizen sondern auch Zorro seine Unwissenheit vorzuführen. Und damit hatte sie eindeutig Erfolg, er hatte absolut keine Ahnung, was gerade passierte. Aber eine leise Gewissheit überkam ihm, dass die Dinge nun doch noch etwas komplizierter werden könnten. Schöne Scheiße! „Schließlich bin ich Rihaku Minekura, Befehlshaberin von Cipherpol.“ „Das reicht jetzt, Rihaku, wir haben keine Zeit für Ihre persönliche Fehde. Bringen Sie ihn weg.“ Noch einen Moment länger lag ihr Blick auf Zorro, als wollte sie ihm etwas ganz Bestimmtes sagen, was er jedoch nicht verstand – nicht, dass er gerade auch nur irgendetwas von diesem ganzen Mist verstand - dann nickte sie den fünf Weisen zu und zog den immer noch erstarrten Eizen hinter sich her zu der Tür, aus der sie gekommen war. „Nein“, flüsterte der Politiker und erwachte langsam aus seiner Starre, „nein! Sie sind mir loyal! Sie sind meine Assistentin! Sie sind…“ „Ich bin diejenige, die Sie nun in eine hübsche Zelle bringen wird, in der Sie auf Ihr Urteil warten können.“ Eizen starrte Zorro an, als wäre er ein Geist, als wäre all das, was gerade geschah, nicht mehr als ein furchtbarer Albtraum, unmöglich Realität, während Rihaku ihn einfach weiter mit sich zog. Doch Zorro war nicht weniger schockiert. Er verstand kaum noch, was vor sich ging, doch bevor er auch nur etwas sagen konnte, erhoben sich die Männer vor ihm. „Das Tondial, bitte“, bemerkte der Mann mit dem Feuermal, schritt auf Zorro zu und streckte die Hand aus, „und wenn Sie uns bitte begleiten würden.“ Zorro zögerte. Er hatte keine Ahnung, wohin sich das gerade alles entwickelte, aber er hatte das ungute Gefühl, dass sein toller Plan vielleicht doch nicht alle Eventualitäten miteinberechnet hatte, während er Lysops Tondial aus der Hand gab, so wie er seinen ganzen Plan aus der Hand zu geben schien. Nein, wenn er ehrlich war, hatte er gerade das dringende Bedürfnis, eine Notbremse zu ziehen und für einen Moment auszusteigen. Er verstand gar nichts mehr, allerdings war es mehr als offensichtlich, dass sein Plan vermutlich nie sein eigener gewesen war. „Darf ich fragen, wohin?“, fragte er, dankbar dafür, dass seine Stimme deutlich gefasster klang, als er es gerade war. „Natürlich dürfen Sie das“, entgegnete der Schwertkämpfer und trat ebenfalls auf ihn zu. Augenblicklich begann sein Schwert zu zischen und Zorro vermisste seine Schwerter, die mit Sicherheit passend reagiert hätten. „Uns allen hier ist sehr wohl bewusst, warum Sie heute zu uns gekommen sind. Wie Sie bemerkt haben, wussten wir schon seit geraumer Zeit, dass Eizen uns hintergehen wollte.“ „Warum haben Sie ihn dann schalten und walten gelassen?“ Nun neigte der Schwertkämpfer leicht den Kopf. „Weil uns sein Plan interessiert hat und wir wussten, dass dieser Sie zu uns führen würde, und wir sind gespannt darauf zu sehen, ob er Recht hatte. Wir sind gespannt, zu sehen, wer Sie wirklich sind und ob in Ihnen wirklich das Blut eines wahren Lorenors fließt.“ Ein kalter Schauer glitt Zorro über den Rücken. Sie hatten es also die ganze Zeit gewusst und es darauf angelegt, dass Eizen ihn hierhin bringen würde, nach Mary Joa, ohne Dulacre. Sie hatten es geplant, von Anfang an, Eizens Verrat, Zorros Falle, all das hatten sie von Anfang an miteinkalkuliert. Warum? Warum sollten sie so etwas tun? Nur damit er heute hier stehen würde? „Sie sollten sich geehrt fühlen, denn Sie werden gleich einer der wenigen Menschen sein, die eines der wohlbehütetsten Geheimnisse Mary Joas leibhaftig zu Gesicht bekommen.“   Kapitel 39: Kapitel 39 - Vergangenheit -------------------------------------- Kapitel 39 – Vergangenheit   -Zorro- Mit einer erzwungenen Gelassenheit schritt er zwischen den fünf Weisen eine lange, steile Wendeltreppe hinab, dennoch kribbelte seine Haut, wie bei einem Gewitter oder wie damals, als er gegen Enel gekämpft hatte. Die Spannung in der Luft war beinahe greifbar und er wusste nicht, auf was er sich vorzubereiten hatte. Noch immer konnte er kaum glauben, was soeben passiert war. Verdammt nochmal, all die Zeit hatte er gedacht, dass Eizen sein größtes Problem sein würde, aber wie hätte er ahnen können, dass Rihaku sich als Geheimagentin herausstellen und Eizen verhaften würde? Eigentlich sollte er sich freuen, sein Plan war ja aufgegangen, Eizen war verhaftet und wenn er Rihakus Worte richtig gedeutet hatte, war nicht Eizen derjenige, der die Fäden die ganze Zeit in der Hand gehalten hatte, sondern sie. Und so, wie sie sich aufgeregt hatte, schien sie kein Interesse daran zu haben, ihre Ressourcen und Agenten für irgendwelche überwachenden Tätigkeiten missbrauchen zu wollen. Hatte sie nicht irgendetwas in die Richtung gesagt? Er hoffte, dass er all das richtig verstanden hatte. Deswegen hatte Eizen wahrscheinlich auch nichts über Dulacres Reise gewusst; Rihaku hatte ihm ganz offensichtlich nicht alle Informationen weitergegeben. Dennoch, ob nun Eizens oder Rihakus Leute, sie waren überwacht worden; zumindest die Crew und Dulacre waren überwacht worden. Daher bedeutete Eizens Verhaftung noch lange nicht, dass Zorros Freude außer Gefahr waren und wenn er ehrlich war, glaubte Zorro nicht, dass er sich gerade in einer Situation befand, in der er sich erlauben konnte, sich um andere Leute Gedanken zu machen. Schließlich war er gerade auf dem Weg in die Untiefen Mary Joas, auf dem Weg zu Uranos. Dieser Teil der Geschichte überraschte ihn leider doch mehr, als es vielleicht sollte. Natürlich war ihm bewusst gewesen, dass die fünf Weisen nach der Tonaufnahme überprüfen wollen würden, ob Eizen mit seiner Behauptung Recht hatte und nach Dulacres Infos hatte er auch damit gerechnet, dass sie bereits vorbereitet sein würden. Aber dennoch war es etwas ganz anderes, nun wirklich auf dem Weg zu sein. Denn im Endeffekt war alles, was ab jetzt passieren würde, reine Spekulation und so etwas lag Zorro nun mal überhaupt nicht. Mit jeder Treppenstufe wurde es kühler um sie herum, fast schon kalt. Er fragte sich, ob es den fünf Weisen egal war, was er alles an Informationen erhalten hatte, ob es vielleicht irrelevant war, was er alles gehört hatte, weil sie eh vorhatten, ihn nie wieder gehen zu lassen, oder aber, weil sie dachten, dass er das alles schon gewusst hatte… Ob Dulacre das alles gewusst hatte? Nein, was für ein schwachsinniger Gedanke. Dieser Mistkerl eines Samurais mochte zwar immer so tun, als könnte ihn rein gar nichts überraschen, aber selbst er konnte wohl nicht vorhergesehen haben, dass Rihaku von Cipherpol war und wenn er gewusst hätte, dass die Samurai gegebenenfalls bald Geschichte sein würden, hätte er das vielleicht doch irgendwann zwischendrin mal in einem Nebensatz fallen gelassen oder zumindest… Sie hatten das Ende der Treppe erreicht und Zorro vergaß für einen Moment seine Gedanken als er durch einen kurzen mit mehreren schweren Eisentoren gesäumten Flur schritt und dann durch eines von ihnen hindurch in eine riesige, uralte Halle trat. Die gläserne Decke war so hoch, dass er den Himmel sehen konnte, obwohl sie doch tief unter der Erde sein mussten, so lange wie sie die Treppen hinabgestiegen waren. Die Wände und der steinerne Boden erinnerten Zorro an den unterirdischen Hafen Mary Joas und auch hier hallte jeder einzelne Schritt wie eine Musiknote wider, aber sie klangen tief und drohend. Normalerweise konnte so etwas Zorro nicht wirklich beeindrucken, aber gerade wäre ihm die brennende Insel Punk Hazard oder der Wald von Thriller Bark deutlich lieber. Doch dann sah er sie, die uralten Wandteppiche, riesig groß, hingen sie von den Decken, eine Vielzahl von ihnen, in verschiedenen Farben, waberten leicht unter dem kalten Licht alter Kronleuchter. Hier hatte Eizen sie also gesehen, doch die viel größere Frage war, warum in irgendeiner unterirdischen Halle, auf dem Weg zu Uranos ein verdammter Wandteppich seiner Mutter hing. Zorro versuchte, sich nicht von ihnen ablenken zu lassen, von den Blicken der abgebildeten Personen, ihren klaren Augen. Er musste sich konzentrieren, wachsam bleiben. Er wollte nicht über irgendwelche Verschwörungen und Vermutungen nachdenken, die nichts an seiner derzeitigen Situation verändern würden. So etwas würde er Dulacre überlassen, der ihn wiederum auf jeden Fall damit nerven würde. Vielleicht sollte er ihn mit Robin in einen Raum werfen und dann konnten die beiden über so etwas diskutieren und Zorro würde verschont… Verdammt! Er durfte sich nicht ablenken lassen! Aber es war unmöglich, die Augen seiner Mutter zu ignorieren und die Augen der anderen. Er hatte das Gefühl, als würden sie ihn beobachten - was natürlich Schwachsinn war, als würden Augen aus Stoff und Farbe ihn beobachten - dennoch konnte er die Gänsehaut auf Rücken und Armen nicht verhindern. Beinahe wäre Zorro stehen geblieben, als er den Mann ansah, der neben seiner Mutter stand. Genau wie sie, sah der Mann auf Zorro hinab, als würde er über ihn urteilen, während Zorro nicht wusste, was er über diesen Mann denken sollte. Dieses Mal konnte er ganz deutlich das Wort Alciel lesen und nun, da er die Teppiche in echt sah, war es für ihn deutlich einfacher, die anderen Zeichen auf dem grünen Hintergrund zu entziffern. Doch dann glitt sein Blick auf die verblassten roten Teppiche auf der rechten Seite des Ganges und er erstarrte, als er dieses breite Grinsen sah, welches ihm etwas zu vertraut war. Das konnte doch nicht wahr sein, verdammt, der Mistkerl eines Samurais würde sich einen Ast ablachen! „Es ist erstaunlich, was Eizen alles herausgefunden hat“, sprach nun der Blondschopf hinter ihm, aber seine Worte waren offensichtlich nicht an Zorro gerichtet, „ich hätte nie gedacht, dass damals auch nur ein Lorenor überlebt haben könnte. Schließlich wurde dieser ganze Krieg doch nur geführt, um sicherzugehen, dass keiner von ihnen davonkommen würde.“ „Wir hätten die Suche nie einem Amateur wie ihm überlassen sollen“, entgegnete der Schwertkämpfer direkt vor Zorro mit offensichtlicher Verachtung in seiner Stimme. Es schien ihnen wirklich egal zu sein, dass Zorro alles mithören konnte. Ob sie wirklich glaubten, dass niemand ihnen gefährlich werden könnte oder dass Zorro so oder so alles bereits wusste? Irgendwie kam ihm das etwas naiv vor. „Hätten wir Rihaku persönlich früher hinzugezogen, wäre Eizen dieser Fauxpas vor über 15 Jahren nicht geschehen.“ „Aber ohne ihn hätten wir Lorenor Zakuro vielleicht nie gefunden. Wir hätten vielleicht nie herausgefunden, dass sie überlebt hatte.“ „Und hätte er es richtig gemacht, hätten wir sie in unsere Gewalt bekommen oder zumindest herausgefunden, wie sie nach all der Zeit so plötzlich wieder auftauchen konnte und dass sie tatsächlich ein Kind hatte. Wer weiß, welche anderen Geheimnisse die Königin Alciels mit ins Grab genommen hat, nur weil wir einem Stümper freie Hand gelassen haben. Es scheint, als wolle die Vergangenheit uns wirklich zum Narren halten, indem sie sich immer wieder unserer Kontrolle entzieht.“ Na, da war die Bestätigung, die Dulacre sich so sehnlich herbeigesehnt hatte. Nicht, dass Zorro da irgendwie drauf scharf war oder es selbst noch gebraucht hätte. Allerdings fragte er sich ebenfalls, was seine Mutter sonst noch vor ihm verborgen gehalten hatte. Dennoch beschäftigte ihn eine andere Frage viel mehr. Wenn die Weltaristokraten davon ausgegangen waren, dass es keine Lorenor mehr gab und diese notwendig waren, um Uranos in Betrieb zu nehmen, warum hatten sie die antike Waffe überhaupt noch? Auf der anderen Seite, wenn Sie Uranos nicht zerstören, sondern eigentlich nutzen wollten, warum hatten sie dann damals Alciel vernichtet und alle Lorenors gejagt? Konnte es sein, dass sie gar nicht wollten, dass Uranos aktiviert werden würde? Oder konnte es sein, dass Zorro hier etwas entging? So oft, wie das in den letzten Stunden bereits der Fall gewesen war, kam ihm diese Erklärung am wahrscheinlichsten vor. Der Blondschopf hinter Zorro wollte etwas sagen, doch was auch immer es war, er unterbrach sich, als sie durch ein weiteres, uraltes Tor gingen und Zorro plötzlich auf ein monströses etwas hinabstarrte, das er nicht ansatzweise identifizieren konnte. Vor ihm war ein riesiger kreisförmiger, hoher Raum, sogar noch höher als die Halle, durch die sie eben durchgeschritten waren, doch der Boden bestand nur aus einem kleinen Balkon, der an der Wand einmal den Raum entlang führte. Hinter der kleinen Balustrade war nicht mehr als ein riesiges Loch und in diesem Loch war es, groß, schwarz, wie ein Klumpen aus halbgeformten Stahl, unförmig, wie eine mehr schlecht als recht zusammengeschusterte Maschine, die implodiert und in sich zusammengefallen war. Nein, es erinnerte eher an den riesigen Stamm eines riesigen Baumes aus Stahl, der implodiert und in sich zusammengefallen war, nur einen unförmigen Stumpf zurückgelassen hatte. In den Schatten des wenigen Lichtes konnte Zorro kaum etwas ausmachen, aber plötzlich wurde ihm schlecht und er hatte das unangenehme Gefühl eines Déjà-vus. „Man mag von Eizen halten, was man will, er hat Lorenor Zakuro gefunden und nur so konnten wir die Verbindung zu Lorenor Zorro finden“, bemerkte der Lockenkopf. „All das war wohl letzten Endes notwendig, um sichergehen zu können, ob dieser unbedeutende Wicht aus dem East Blue ein wahrer Lorenor ist. All das war letzten Endes vielleicht notwendig, um nun die Geschichte wieder in unseren Händen halten zu können, zumindest zum Teil.“ Dann sahen alle fünf Männer Zorro an. „Eizen geht davon aus, dass Sie Lorenor Zorro sind und wir wollen nun feststellen, ob er Recht hat.“ Zorro entgegnete nichts; er hatte genau das erwartet. Er fragte sich, ob es nicht sinnvoller gewesen wäre, ihm einfach etwas Blut abzuzapfen, aber diesen Vorschlag würde er jetzt ganz gewiss nicht machen. „Es spricht für Sie, dass Sie jetzt nicht verzweifelte Lügen von sich geben.“ Naja, es war eher so, dass Zorro nicht wirklich daran zweifelte, dass jedes Wort ihn verraten könnte. „Wir wissen alle, dass mein Wort für Sie kein Gewicht hat, ganz gleich was ich sage“, antwortete er also und hoffte, irgendwelchen Nachfragen so entgehen zu können. Er war sich immer noch nicht ganz sicher, ob sie ihn nun bereits entlarvt hatten und überprüfen wollten, ob sein Blut das Blut eines wahren Lorenors war – was auch immer das bedeutete – oder ob gar sie nicht anzweifelten, dass Lorenor Zorro ein Ebensolcher war, aber noch nicht überzeugt waren, ob Lady Loreen und Lorenor Zorro ein und dieselbe Person waren. Daher entschied er, besser erstmal mitzuspielen, schließlich hatte er ja die kleine Hoffnung, dass sein derzeitiges Blut nicht funktionieren würde. „Das ist richtig“, bestätigte der Mann mit dem Feuermal, „Worte sind Schall und Rauch, nur Taten zählen.“ „Was soll ich also tun?“ Zorro wappnete sich, jetzt würde es also passieren, jetzt würde sich zeigen, ob dieser Körper ihn zumindest dieses eine Mal schützen würde. „Folgen Sie mir.“ Der Schwertkämpfer wandte sich um und ohne auch nur zu zögern, schritt Zorro ihm nach, erlaubte sich nicht, irgendeine Schwäche zu zeigen und zu seiner Überraschung schlug sein Herz nun deutlich ruhiger als zuvor. Sie hatten schon ein gutes Stück um den undefinierbaren Koloss herum hinter sich gebracht, als der andere stehen blieb. Nun waren sie so nah, dass Zorro das seltsame Etwas wohl berühren könnte, wenn er sich nur genug strecken würde. Aus der Nähe bestätigte sich sein allererster Eindruck; die Oberfläche der Waffe war nicht glatt wie geschmiedeter Stahl, sondern rau und mit Furchen übersäht, erinnerte an uralte Rinde, die Kanten jedoch wirkten messerscharf. Das erboste Schwert des anderen war auffällig ruhig und dennoch war Zorro beinahe übel. Die Aura dieses Ortes war so intensiv, als würde hier eine andere Schwerkraft herrschen. Dieser Ort war alt, unglaublich alt und Zorros Instinkte rieten ihm, sich für einen Kampf zu rüsten, ein vertrautes Gefühl. „Hier, bitte führen Sie hier Ihren Arm hinein.“ Zorro folgte dem anderen auf einen Vorsprung und dort war etwas, das er nicht anders als ein Loch beschreiben konnte, vielleicht ein Astloch, wenn er an das seltsame Gebilde dachte, nicht viel größer als der Durchmesser seines Oberschenkels, aber irgendwie hatte Zorro das Gefühl, dass dieses Loch dort falsch war, nicht sein sollte, als wäre es nicht auf natürliche… was dachte er da, das war doch eine Maschine, wie sollte es auf natürliche Weise entstanden sein? „Was passiert, wenn ich das tue?“, fragte er, obwohl er die Antwort bereits erahnte. Warum verlangten sie nicht, dass er sich verwandelte? Wenn sie doch wussten, wer er in Wirklichkeit war, warum verlangten sie nicht, dass er seine wahre Gestalt annahm? „Wir werden sehen“, entgegnete der alte Mann nur. Vielleicht dachten sie, dass es keine Rolle spielen würde. Vielleicht dachten sie, dass Zorro wie dieser Ivankov war, der Ruffy in Impel Down geholfen hatte, schließlich hatten seine beiden Gestalten ja zumindest auf den ersten Blick eine gewisse Ähnlichkeit. Vielleicht hatten sie aber auch ganz andere Gründe und es war nicht so, als ob er es ihnen jetzt vorschlagen würde. Vielleicht verzettelte Zorro sich gerade auch einfach nur in seiner Unwissenheit. Es hatte keinen Sinn, über ihre Beweggründe nachzudenken, die er so oder so nicht herausfinden würde; er musste das tun, was sich für ihn richtig anfühlte, und auf sein Glück vertrauen. Sich innerlich wappnend schob Zorro seinen Ärmel hoch und stopfte seinen Arm so tief in dieses leblose Monster, wie er konnte. Er rechnete fast schon damit, dass es zuschnappen würde wie eine Falle, doch nichts passierte, als er mit der Schulter an der antiken Waffe lehnte, für Sekunden passierte gar nichts und Zorro wusste nicht, ob das wirklich ein gutes Zeichen war oder nicht. Aus dem Augenwinkel bemerkte er, wie die vier verbliebenen der fünf Weisen am Eingang sich auf einmal verneigten und wenn er sich nicht schwer irrte, tauchte da noch jemand in den Schatten auf, aber aus seinem Blickwinkel konnte er unmöglich mehr ausmachen als einen groben Umriss. Und plötzlich durchfuhr Zorro ein stechender Schmerz…   „Sie kommen.“ „Ja.“ Überrascht starrte Zorro in den Raum vor sich, oder eher, in einen riesigen Garten. Der Raum, in dem er bis gerade noch gewesen war, war weg, die Decke hoch oben fehlte so wie die ganze steinerne Wand. Der Boden zu Zorros Füßen war einfache Erde und er starrte auf ein mächtiges Gebäude mit einem riesigen Tor, welches fast so aussah wie das, durch welches Zorro gerade eben hindurchgegangen war. Eine prachtvolle Treppe führte zum Tor hinauf, geschmückt mit goldenen Verzierungen und einem kunstvoll verschlungenen Geländer. Was ging hier vor sich? Wo zur Hölle war er? „Ich wünschte, du wärest nicht dagegen, sie zu bekämpfen.“ Seine eigene Stimme klang seltsam, nicht wie seine Stimme, nicht wie Lady Loreens Stimme und Zorro wusste gar nicht, warum er sprach oder von was er sprach. Es war, als würde sein Körper von alleine handeln. Ohne, dass Zorro seine Bewegungen überhaupt kontrollieren konnte, sah er zu der anderen Person hinauf, konnte gerade so ein breites Grinsen unter dem Schatten einer Hutkrempe ausmachen. Was zur Hölle ging hier vor sich? „Du weißt, dass ich sie besiegen könnte.“ „Natürlich“, entgegnete der andere und ließ seine Beine hinabbaumeln. Zorro hatte das Gefühl ihn zu kennen, aber zumindest diese Stimme hatte er noch nie gehört und der andere saß zu weit oben, als dass er ihn näher hätte erkennen können. Er saß weit oben auf dem riesigen Ast eines riesigen Baumes, dem Zorro den Rücken zugewandt hatte und an dessen Fuß er stand. Warmes Licht brach sich an der Hutkrempe und gab dem grinsenden Fremden dort oben beinahe einen heiligen Schein; es war fast so, als würde er selber strahlen wie die Sonne. „Natürlich würdest du sie alle besiegen, aber ich bitte dich, nicht gegen sie zu kämpfen. Sie sind trotz allem unsere Verbündeten, unsere Freunde. Ich möchte nicht, dass du deine Hände mit dem Blut unserer Freunde beflecken musst.“ Zorro hatte keine Ahnung, was hier vor sich ging, wer der andere war, aber erneut antwortete sein Körper, als würde er nicht Zorro gehören: „Wenn es sein muss, würde ich es tun. Ich habe entschieden, dich zu beschützen, ganz gleich wen oder was ich dafür opfern muss.“ „Ich wusste, dass du das sagen würdest, und ich weiß, dass du das tun würdest“, stimmte die Gestalt dort oben zu, „und deshalb befehle ich dir, nicht gegen sie zu kämpfen.“ Zorro – beziehungsweise derjenige, der diesen Körper unter Kontrolle hatte, denn das war ja anscheinend nicht Zorro - neigte den Kopf, und irgendwie hatte Zorro ein seltsames Gefühl der Vertrautheit, als hätte auch er beinahe erwartet, dass er dies sagen würde. Er wusste zwar nicht, was hier los war, aber er hatte diese Antwort erwartet, die Antwort zu einem Gespräch, das er nicht kannte. „Es tut mir leid, dir diesen Befehl erteilen zu müssen. Ich hoffe, du kannst mir verzeihen.“ „Du solltest dich nicht bei mir entschuldigen. Wie du weißt, ist es meine Entscheidung dir zu dienen, mein König.“ Zorro fühlte einen tiefen Stolz in dieser fremden Stimme widerhallen, stark und mächtig. Er wusste, dass diese Worte stimmten, dass diese Person, in dessen Körper er war, der Person dort oben mehr als das eigene Leben geben würde und Zorro kannte dieses Gefühl nur zu gut. „Und wie ich weiß, hast du immer schon seltsame Entscheidungen getroffen; es wäre deutlich klüger, wenn du dich ihnen anschließen würdest. Wenn du dich gegen mich stellen würdest, könntest du dein Volk, Ornos und dein eigenes Leben retten. Du weißt, dass Alciel fallen wird, wenn du heute stirbst.“ Überrascht horchte Zorro auf und plötzlich beschlich ihn eine leise Ahnung, was hier gerade vor sich ging. Also nein, er hatte nicht wirklich einen Plan, was gerade geschah, schließlich war er vor einem Moment noch mit den fünf Weisen und in Lady Loreens Körper zu irgendeiner unterirdischen Kammer heruntergekommen, aber diese Worte ließen ihn aufmerken. Das Tor dort oben an der Treppe, der intakte Baum in seinem Rücken und ein Alciel, das noch nicht gefallen sein sollte? Konnte es sein? Konnte das hier die Vergangenheit sein? Konnte es sein, dass Zorro gerade in der Vergangenheit war? Zu Gast in einem fremden Körper? Verdammt noch mal, solche Ablenkung konnte er gerade wirklich nicht gebrauchen. Er hatte keine Lust, hier den unbeteiligten Zuschauer zu spielen, während er keine Ahnung hatte, was gerade mit ihm passierte. Konnte dieser Baum dran schuld sein? Stellte er irgendeine Verbindung zur Vergangenheit dar, die Zorro ausgelöst hatte, als er seinen Arm in das seltsame Loch gesteckt hatte? Aber was bedeutete das für die Gegenwart? Was passierte gerade in der Gegenwart, während er hier in der Vergangenheit feststeckte? „Alciel wird nicht fallen, nicht, solange mein Blut fließt und du weißt auch, dass ich mich nie gegen dich stellen würde. Ich habe damals entschieden, dir zu folgen, und diese Entscheidung fälle ich jede Sekunde aufs Neue, und wenn dies meinen Tod bedeutet, dann entscheide ich mich, zu sterben; schließlich entscheide ich über mein Schicksal.“ Zorro war um ehrlich zu sein egal, worüber diese beiden Typen hier sprachen. Der Typ, in dessen Körper Zorro war, konnte ihm beinahe leidtun, da Alciel sehr wohl fallen würde, aber auch das interessierte ihn nicht wirklich. Er musste aufwachen, er musste in seinen Körper zurückkehren. Aber dieser Körper hier hörte nicht auf Zorro, während er sich gegen die Rinde lehnte. Anders als noch vor wenigen Sekunden in der Gegenwart war sie nun weder hart noch kalt, sondern warm und beinahe elastisch an seinem Rücken. Dann beugte der fremde Körper sich hinab und erst da bemerkte Zorro, dass er ein Kurzschwert hielt. Im nächsten Moment riss er sich den eigenen Unterarm auf und Blut strömte aus der Wunde, das Handgelenk hinab, tropfte zu Boden. Was zur Hölle ging hier vor sich? Für einige Sekunden beobachtete Zorro, wie das Blut aus diesem Körper floss und auf die Wurzeln des Baumes und die umliegende Erde tropfte, ehe der Mann sich wieder aufrichtete und dann die Hand auf den mächtigen Stamm legte, während Blut weiter zu Boden glitt. Doch dann spürte Zorro es, eine unbändige Kraft, unbekannt und dennoch so unglaublich vertraut. Der Baum pulsierte unter seiner Haut wie ein atmendes Biest, als wäre die reine Berührung genug, um ihn zum Leben zu erwecken, und sie erinnerte Zorro an die Momente, kurz bevor er die Kontrolle verloren hatte und doch viel wärmer. Diese Kraft glitt durch seinen Körper, als wäre sie mehr die seine als die des Baumes – vielleicht strömte sie sogar aus diesem Körper in den Baum und nicht andersherum – und mit jeder Sekunde tropfte weniger Blut zu Boden. Dann nahm der Mann seine Hand weg vom Stamm und rieb sich über den Unterarm, auf dem nur noch Blut verblieben war, die Wunde selbst jedoch war nicht mehr als ein bereits verblassender Schatten. Von der Verletzung war kaum noch mehr zu sehen, als dieser sanfte Schatten, welcher innerhalb weniger Tage wohl verschwinden würde, und natürlich das verschmierte Blut auf dem Unterarm und die unglaubliche und vertraute Kraft, die durch diesen Körper floss, deutlich stärker, als sich Zorros eigene Kraft je angefühlt hatte, selbst jetzt, da er sie kontrollieren konnte, und er fragte sich, wie mächtig dieser Mann war. Gleichzeitig hatte Zorro gerade überhaupt keinen Nerv sich mit einer Vergangenheit auseinanderzusetzen, die er eh nicht ändern konnte. Es interessierte ihn nicht wirklich, was diese beiden miteinander besprachen, viel mehr wollte er wissen, was gerade in der Realität passierte und wie er zurückkommen konnte. Aber es schien, als hätte Zorro keine Möglichkeit, auf sich aufmerksam zu machen oder die Kontrolle zu übernehmen. Er konnte nichts tun, außer diesen beiden zuzuhören. Na, ganz toll, wieder so eine theatralische Geschichte, wie in den nervigen Schnulzen des nervigen Kochs. Aber jetzt konnte er noch nicht mal die Seiten umblättern und zum Ende vorspringen. „Du warst all diese vielen Jahre treu an meiner Seite“, sprach der Kerl mit dem Hut nun weiter wie ein alter Mann, obwohl seine Stimme nicht alt auf Zorro wirkte. „Ich möchte dich fortschicken, du hast dieses Ende nicht verdient, nicht so, nicht heute. Diese Welt braucht dich, du bist frei zu gehen, du solltest gehen.“ „Dieser Welt werden dunkle Zeiten bevorstehen, wenn du nicht mehr da bist, mein König, und ich bezweifle, dass ich allein daran etwas ändern könnte.“ „Hmm“, entgegnete der andere. „Hast du denn die anderen über deinen Entschluss informiert? Wer weiß schon, wie lange Ornos ohne dich bestehen kann, und sobald du fällst, werden auch die anderen Wächter angreifbar sein. Du solltest sie zumindest über dieses Schicksal in Kenntnis setzen.“ „Ornos ist stark, selbst ohne mein Blut und meinen Schutz wird er die Gezeiten überdauern“, widersprach Zorros Körper. „Aber ich habe Nicor und Sora informiert, sie werden die anderen warnen.“ „Das ist gut“, sprach der angebliche König. „Ornos mag stark genug sein, ohne Wächter zu überleben, aber die anderen Bäume sind es womöglich nicht. Ich mag mir kaum vorstellen, was aus dieser Welt werden könnte, wenn auch nur einer von ihnen zerstört werden würde.“ Irgendwie lösten diese Worte ein Gefühl in Zorro aus. Wie eine Erinnerung, die er nicht ganz greifen konnte, aber er hatte keine Ahnung, was diese Männer genau meinten und wovon sie eigentlich sprachen. Dennoch hatte er das sichere Gefühl, dass diese Befürchtung in seiner Zeit bereits eingetreten war. „Vertraue den anderen Wächtern, wie du mir vertraust, mein König. Auch wenn du und ich nicht mehr da sein sollten, so werden sie die Bäume und diese Welt doch beschützen.“ Der Mann mit dem Hut lachte leise auf: „Aber hast du nicht entschieden, mit mir zu kommen? Wer weiß, vielleicht werden eines Tages auch die anderen ihrer Aufgabe müde.“ „Du bist ganz schön unverschämt, mein König“, bemerkte nun Zorros Körper mit einem tadelnden Unterton, der Zorro etwas zu sehr an Dulacre erinnerte. „Lass das keinen der anderen Wächter hören. Sie sind sehr stolz auf ihre Lebensaufgabe, die Bäume und die Welt zu behüten; sie würden sie nicht einfach aus einem Bauchgefühl heraus aufgeben.“ „Aber du bist doch auch aus einem Bauchgefühl heraus mitgekommen“, widersprach der andere erneut lachend, „und keiner ist so stolz wie du.“ „Ja, das stimmt“, gestand Zorros Wirt ein. „Ich war so stolz, dass ich die Ketten, die mich hielten, gar nicht bemerkt habe, bis du sie mir abgenommen hast. Ornos mag meine Natur sein, aber er hat nie eines Wächters bedurft. Du hast mir diese Freiheit gezeigt, daher habe ich entschieden, dich auf deinem Weg zu begleiten. Ich habe entschieden, dass es meine Lebensaufgabe sein soll, dich zu behüten, auch wenn es mein Leben kosten mag.“ „Könntest du bitte aufhören, so zu tun, als wäre es was ganz Tolles, für mich draufzugehen?“, murrte der andere offensichtlich frustriert und Zorro konnte spüren, wie sich die fremden Gesichtszüge seines Körpers zu einem Grinsen verzogen. „Ich hab dich nie darum gebeten. Alles, was ich wollte, war dir zu zeigen, dass du mehr bist als ein Wächter.“ „Ja, und das hast du. Du hast mir die Freiheit gegeben, so viel mehr zu sein. Aber dennoch bin und bleibe ich auch ein Wächter, vergiss das nicht, und es ist meine Entscheidung, wen ich beschützen will und was ich bereit bin, zu geben“, belehrte Zorros Körper den anderen mit einem Schmunzeln, ehe er seufzte. „Der Tod macht mir keine Angst, aber ich bin stolz darauf, dir Folge zu leisten, mein König.“ Obwohl er kaum verstand, worüber die beiden sich unterhielten, so konnte Zorro dennoch diese tiefe Verbundenheit in diesem Körper fühlen und er glaubte, dass diese zwei Männer sich wirklich schon lange kannten, sich wortlos verstanden. „Wenn ich dir befehlen würde, zu gehen, jetzt sofort, und dich nicht nach mir umzudrehen, würdest du dann auch diesem Befehl Folge leisten?“ „Befehle es und finde es heraus.“ Es war ein vertrautes Gefühl, Zorro wusste genau, was dieser Mann, in dessen Körper er war, gerade denken und fühlen musste. Es hätten Zorros Worte sein können und das, obwohl er noch nicht mal wusste, was genau los war, aber dass ein Kampf bevorstand – ein Kampf, den diese zwei nicht kämpfen würden – war offensichtlich. „Es tut mir leid.“ Der andere kletterte etwas unbeholfen von seinem Ast und rutschte am Stamm des Baumes in Zorros Rücken hinab wie eine Rutsche und blieb auf einer Mulde direkt neben seiner Schulter sitzen, wie ein zu groß gewordener Vogel, der aus seinem Kuckucksloch herausguckte. „Es ist nicht gerecht, was ich hier von dir verlange. Aber mir bleibt nur zu hoffen, dass du mich verstehst.“ „Ob gerecht oder nicht, du verlangst gar nichts von mir, mein König. Du bist nicht derjenige, der heute Blut vergießen möchte.“ Wieder sah Zorro ungewollt auf, sah in diese funkelnden Augen im Schatten der Hutkrempe, die vor Lebensfreude beinahe zu strahlen schienen. Er erkannte den Mann, es war jener vom roten Wandteppich, der so breit gegrinst hatte. Er fragte sich, worüber diese beiden Männer außerhalb des Gesagten sprachen. Ob er denjenigen, in dessen Körper er gerade war, auch auf einem der Wandteppiche gesehen hatte? Der Mann neben ihm seufzte leise. „Wir beide wussten, dass es so kommen musste, früher oder später. Gib nicht ihnen die Schuld für ihre Taten. Es war ihnen vorherbestimmt, so wie uns dieser Weg vorherbestimmt war.“ „Sie haben ihre Entscheidung getroffen, sie werden die Konsequenzen tragen müssen, so wie wir alle“, entgegnete Zorros Wirt. Der andere neben ihm sah gen Himmel und schlug mit seinen Füßen einen unregelmäßigen Takt gegen das Holz hinter ihnen, welches immer noch mit Zorros Energie pulsierte. Aber nun hatte es überhaupt nichts Unangenehmes oder gar Bedrohliches mehr. Der Baum reagierte auf Zorros Wirt wie eine Blume aufs Licht und die Energie, die Zorros Wirt erfüllte, war warm und stark, erinnerte ihn in gewisser Weise an Yoru, ebenso alt, ebenso weise und doch ganz anders. Warum auch immer musste er an den Sonnenbaum der Fischmenscheninsel denken. Er hatte das Gefühl – fast schon die Gewissheit – dass dieser Baum ebenso alt, wenn nicht sogar älter, war. „Heute ist es sehr ruhig“, sprach der andere und Zorro konnte das Lächeln in der Stimme des anderen hören. „Die Welt wird sehr laut werden, wenn du und ich gehen.“ „Das wird sie, aber du mochtest doch noch nie die Stille.“ Zorro konnte ein Schmunzeln der fremden Gesichtsmuskeln spüren und dieser fremde Körper verschränkte die Arme. Der andere lachte leise: „Das stimmt.“ Dann stieß sein Knie gegen den Oberarm von Zorros Wirt. „Was denkst du, was für Abenteuer auf diese Welt warten? Was sie erleben werden? Glaubst du, sie werden Spaß haben? Unser letztes Abenteuer ist schon so lange her. Es ist wirklich Zeit für ein Neues.“ „Wer weiß das schon. Wer weiß, wie die Welt sich in der Zwischenzeit verändern wird. Aber ich freue mich auch auf diese Zeit, ich freue mich auf ein Leben voller Abenteuer.“ Dann richtete sich Zorros Blick nach vorne, als das riesige Tor aufgerissen wurde und Zorro erkannte die Halle mit den Wandteppichen, durch die er eben noch hindurchgegangen war – beziehungsweise irgendwann in der Zukunft hindurchgegangen sein werden würde, Mann, war das verwirrend - und mehrere Gestalten herauskamen. Ein seltsames Gefühl übermannte Zorro. Die Gesichter waren ihm alle fremd und dennoch kamen manche ihm irgendwie bekannt vor, obwohl er sie auf die Entfernung noch kaum erkennen konnte. „Wächter!“, brüllte einer der Neuankömmlinge, als sie näher kamen, und Zorro war sich ziemlich sicher, dass damit sein Wirt gemeint war, denn dieser seufzte leise. Aber eine andere Sache wurde Zorro auch in diesem Moment bewusst: Er hatte es gar nicht bemerkt, aber bis zu diesem Moment, hatten sein Wirt und der Typ mit dem Hut die Sprache seiner Mutter gesprochen, der Neuankömmling jedoch tat dies nicht. Zorro hatte eine vage Ahnung, wer diese Menschen waren; er erinnerte sich an Dulacres und Robins Worte und er hatte eine leise Vermutung, was nun passieren würde. „Mach dich bereit. Wir sind gekommen, um deinen König zu stürzen.“ Der fremde Körper seufzte schwer, als würde er eine Müdigkeit von hundert Leben mit sich herumtragen, dann stieß er sich ab und trat drei Schritte auf die anderen zu. „Unser König“, sprach seine fremde Stimme klar aus, nun auch nicht mehr in der Sprache Alciels. „Jeder von uns hat sich einst entschieden, ihm zu folgen, auch wenn ihr das vielleicht vergessen habt über all die Zeit.“ „Es ist an der Zeit, dass dieser König abtritt, hast du das immer noch nicht verstanden?“, widersprach eine der anderen. Ich denke, es ist wahrscheinlich, dass der damalige Krieg zwischen den Urvätern der Weltregierung und einer Allianz, geschlossen aus denen, die das D. trugen und dem Volk aus Alciel, ausgetragen wurde. Aber Zorro verstand. Die Weltregierung war nicht aus einem Krieg hervorgekommen, nein. Der alte König war verraten worden. Die Gründer der Weltregierung hatten sich gegen den bisherigen König aufgelehnt und es schien, als würde er genau diesen Moment gerade miterleben. Sein Körper schüttelte den Kopf und Zorros Wirt stieß einen weiteren tiefen, bedauernden Seufzer aus. „Schließ dich uns an! Du musst hier keinen sinnlosen Tod sterben. Breche deinen Schwur, tu es uns gleich. Wir können wieder frei sein, wir alle, so wie die anderen, die dem Ruf nie gefolgt sind. Du bist diesem Tyrannen zu nichts verpflichtet. Komm auf unsere Seite, wir sind stark. Lass uns gemeinsam ein neues Reich erbauen.“ „Nein“, entgegnete Zorros Wirt schlicht, „wenn dies eine Wahl zwischen Tod und Verrat sein soll, dann wähle ich den Tod.“ „Das ist doch nicht nötig“, sprach nun ein Blondschopf und Zorro hatte beinahe das Gefühl, diese Gesichtszüge schon mal irgendwo gesehen zu haben. „Keiner von uns würde einen anderen Wanderer töten wollen; es gibt doch bereits nur noch so wenige von uns. Du bist doch nicht nur diesem König verpflichtet. Was ist mit Ornos? Was ist mit deinem Volk? Wann warst du das letzte Mal in deiner Heimat? Weißt du, dass die Welt Alciel mittlerweile verachtet? Der neue König deines Landes scheint wirr, du solltest ihn aufhalten und deinen rechtmäßigen Platz einnehmen, bevor er noch etwas Dummes anstellt, stattdessen spielst du die Amme dieses Kindskopfs.“ „Es reicht.“ Er trat noch einen Schritt nach vorne und Zorro hatte das sichere Gefühl, dass der Geduldsfaden seines Wirts bereits überspannt war. Er wusste immer noch nicht, was hier vor sich ging, aber so langsam fügten sich die Puzzleteile zusammen. Das hier war kein seltsamer Traum, kein seltsames Hirngespinst, das hier war wirklich passiert und die Wut seines Wirtes fühlte sich beinahe wie Zorros eigene an. „Dieses Gespräch ist bedeutungslos, eure Worte sinnlos. Mein Platz ist nicht auf dem Throne Alciels, das war er nie. Mein Platz ist auch nicht bei Ornos. Ich bin genau dort, wo ich zu sein habe; bei dem König, dem ich meine Treue geschworen habe, dem auch ihr eure Treue geschworen habt.“ „Und das war vor langer, langer Zeit“, widersprach eine Blonde. „Wir sind dem Ruf gefolgt, weil wir alle dachten, dass dies der richtige Weg sei. Aber wir haben alles geopfert, so viele Lebenszeiten und so viel Freiheit. Wir sind es leid, aber wir können die Zeit nicht zurückdrehen, Geschehenes ungeschehen machen. Aber die Gegenwart können wir ändern und deshalb wollen wir nun unsere Freiheit zurückerlangen, unsere Macht zurückerlangen.“ „Darum geht es euch also in Wirklichkeit“, entgegnete Zorros Wirt beinahe ernüchtert, „eure Geister scheinen verwirrt, wenn ihr von Freiheit redet, aber Macht meint, und deswegen verstehe ich eure Worte nicht. Alles, was ich in meinem Leben tat, tat ich aus freien Stücken, und ich habe es nie bereut. Damals, vor sehr, sehr langer Zeit, habe ich entschieden, meinem König zu folgen, und diese Entscheidung fälle ich jede Sekunde meines Lebens erneut.“ Er konnte ihre Blicke sehen, ihre nichtverstehenden Blicke. „Ich muss meine Freiheit nicht zurückerlangen, denn ich habe sie nie hergegeben. Ich stehe freiwillig hier und alle meine Entscheidungen habe ich aus eigenem Willen geschlossen. Unser König hat mich nie zu etwas gezwungen. Ich habe in all der Zeit, die ich ihm folge, nur einen einzigen Befehl erhalten und dieser lautet, heute nicht gegen euch zu kämpfen.“ Stille brach über sie hinein und Zorro war nicht weniger verwundert als die Verräter vor ihm. Verstohlene Blicke wurden gewechselt und ein leises Flüstern setzte ein. „Seid ihr nun etwa enttäuscht?“, sprach sein Wirt weiter. „War es das, was ihr erhofft habt? Heute im Kampf gegen mich zu fallen? Für den Traum einer Freiheit zu sterben, vor dessen Realität ihr euch fürchtet? Seid ihr heute gekommen, weil ihr wusstet, dass der Bruch eures Schwures unverzeihlich ist? Ist das der Grund, warum ihr uns ausgerechnet hier aufgesucht habt? Weil ihr wisst, dass ihr von nun an wieder im Dunkeln wandeln werdet und der Tod euch gnädiger wäre. Seid ihr in der Hoffnung gekommen, dass ich euch vor dem Schicksal eurer eigenen Entscheidungen bewahren würde?“ „Lächerlich!“ „Nun dann, wenn ihr nicht gekommen seid, um zu sterben, dann wisst ihr mit Sicherheit, was ihr jetzt zu tun habt.“ Die kleine Gruppe von Menschen vor ihm wirkte fast schon eingeschüchtert, während Zorros Wirt ganz ruhig klang, jedoch voller Verachtung. „Wenn ihr hergekommen seid, um unseren König zu ermorden, dann solltet ihr zuerst mich töten, denn mit seinem Tod werde ich nicht nur in meiner Aufgabe als Wächter versagt haben. Sollte mein König vor mir fallen, wird auch sein Befehl fallen. Also rate ich euch an, zuerst mich zu töten.“ Zorros Wirt ging auf die Knie und nahm die simple Waffe von seinem Gürtel, mit der er sich eben noch selbst verletzt hatte. „Du verlangst, dass wir einen der unseren töten?“ Die ehemaligen Verbündeten tauschten verunsicherte Blicke und Worte, es schien, als würde sich keiner trauen, das zu tun, was Zorros Wirt von ihnen verlangte. Aber auch das überraschte Zorro nicht. Obwohl er diesen Körper nicht kannte, konnte er die Macht in diesen Muskeln spüren, diesen starken Willen. Er fragte sich, ob diese Leute vor ihm überhaupt in der Lage sein würden, die starke Aura seines Wirtes zu durchbrechen, mal ganz abgesehen von der Energie in seinem Rücken. „Ich verlange gar nichts“, entgegnete Zorros Wirt. „Aber wenn ihr mich zwingen wollt, mich auf eine Seite zu stellen, dann sterbe ich lieber als Wächter, als weiterzuleben als Wanderer.“ Nun wirkte die Gruppe zum ersten Mal uneins. Während manche Verräter flüsterten oder abfällig zu ihm hinabstarrten, schüttelten andere verzweifelt den Kopf oder redeten dringlich auf Zorros Wirt ein, keinen sinnlosen Tod zu sterben. Aber keiner traute sich, das zu tun, was Zorros Wirt forderte. Dann jedoch trat einer hervor und obwohl Zorro weder die Namen noch die Gesichter der anderen kannte, so erkannte er diese Person doch sofort, beziehungsweise er wusste, wie der Name lauten musste. Langsam schritt sie auf ihn zu, die durchdringenden Augen auf ihn gerichtet. „Bitte, tu das nicht“, flüsterte sie in einer viel zu ruhigen Stimme für die Wildheit dieses Blickes. „Bitte stirb hier heute nicht.“ „Dann zieht euch zurück“, entgegnete Zorros Wirt unbeeindruckt. „Das können wir nicht.“ „Dann töte mich.“ „Das kann ich nicht.“ „Nun mach schon“, brüllte einer der anderen, wohl dankbar, dass sich einer nach vorne getraut hatte, während jemand anderes sie beide anflehte, innezuhalten. Es war offensichtlich, dass keiner von ihnen es wirklich wagte, sich gegen Zorro’s Wirt zu stellen, keiner außer der Person vor ihm, die jedoch alles andere als glücklich wirkte. „Verlang das nicht von mir. Einen anderen Wanderer töten; du wirst unser Schicksal für alle Zeiten besiegeln!“ „Dein Schicksal ist deine Entscheidung und du kannst sie frei treffen, aber meine ist bereits gefallen.“ „Mit deiner Entscheidung nimmst du mir die Wahl“, sagte die Person mit den durchdringenden Augen dann und sah Zorro direkt an und es war kein simpler Vorwurf mehr, sondern reine Verzweiflung, „deine Entscheidung wird auf ewig mein Schicksal binden, ist es das was du willst?“ „Ist es nicht das, was du willst?“ „Zwing mich nicht dazu, dein Blut zu vergießen. Es wird für immer an meinen Händen haften.“ „Du bist die einzige Person, der ich erlaube, mich zu töten, der ich diese Bürde auferlegen möchte, hier an diesem Ort. Tränke diesen Boden noch ein letztes Mal mit meinem Blut.“ In Stille wandten sich diese durchdringenden Augen ab, offenbar nicht in der Lage, Zorros Wirt auch nur noch eine Sekunde länger anzusehen. Im Hintergrund konnte Zorro hören, wie die anderen miteinander tuschelten, aber zum ersten Mal wollte er wissen, wie das hier ausging – obwohl er das natürlich wusste, nicht nur, weil er verdammt nochmal die Zukunft bereits kannte, sondern auch weil dieser Körper es so eindeutig wusste – dennoch wollte er wissen, was nun geschehen würde. „Aber zuvor habe ich noch eine Bitte an euch, für die Zeit, die wir uns Freunde nannten: Ohne mein Blut wird Ornos bald verwittern. Wenn ihr mich je als einen der euren anerkannt habt, bitte ich euch Ornos Schlaf nicht zu stören, lasst ihn leben. Euer Hass gilt nicht den Bäumen, nicht der Welt, oder?“ „Wir sind keine Monster“, sprach der, der als Allererstes gesprochen hatte, „auch wenn uns die Zeit vielleicht eines Tages so darstellen mag. Wir werden deinen letzten Wunsch respektieren, Wächter. Auch wenn du dich gegen unsere Seite entschieden hast.“ „Habt meinen Dank.“ Doch Zorros Wirt sah nicht denjenigen an, der sprach, sondern die Person, die ihn töten sollte. Nach einem Moment hob diese seufzend den Kopf und begegnete kopfschüttelnd seinem Blick und Zorro kannte dieses sanfte, traurige Lächeln, spürte, wie sein Wirt es erwiderte. Dann zerriss das Ziehen des Schwertes die sanfte Ruhe und auch das erkannte Zorro. Es war das Schwert des Weisen, welches Zorro in der Zukunft so feindselig begegnen würde, doch jetzt klang es nur traurig, so traurig, wie dessen Meister aussah. „Sag deinem König Lebwohl.“ Zorro konnte die Schritte hinter sich hören. Der Mann, den alle König nannten, stellte sich hinter ihn und legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Ich werde nach dir suchen, deine Stimme soll mir Orientierung sein.“ Zorro sah nicht auf, sein Blick war auf diese Augen gerichtet, die ihn mit einer entschiedenen Verzweiflung anstarrten, die Zorro noch nie zuvor gesehen hatte. „Ich werde nach dir rufen, mein König, ich werde stets nach dir rufen.“ „Dann werde ich dich auch hören. Egal wie viel Zeit vergeht, ich werde dich finden und dir erneut helfen, deine Fesseln abzulegen.“ Zorro schloss die Augen. „Und ich werde dir erneut folgen, mein Freund.“   Zorro riss die Augen auf. Es war dunkel, es war kalt. War er tot? Nein. Wo war er? Was war passiert? Er konnte sich nicht erinnern, er konnte sich an überhaupt nichts erinnern. Nein, das war falsch, er musste in Mary Joa sein, er erinnerte sich daran, Eizen an die fünf Weisen verraten zu haben, aber seine Gedanken waren verworren und unstet. Was war passiert? Wo war er? Sein linker Arm tat ihm unglaublich weh, fast so als hätte ein wildes Tier versucht, ihn abzureißen. Er musste seinen Atem beruhigen, seinen Herzschlag beruhigen. Für einen Moment schloss Zorro seine Augen. Er war in Lady Loreens Körper, so viel konnte er wahrnehmen, und ihm war kalt, er hatte Kopfschmerzen. Langsam setzte er sich auf, tastete blind nach dem Untergrund, harter feuchter Stein. In der Ferne sirrte Elektrizität, er konnte das stete Tropfen von Wasser hören. All das war Zorro nur zu vertraut und ohne genau zu wissen, was geschehen war, so hatte er doch eine grobe Ahnung, wo er gerade war. In einem Kerker. Kapitel 40: Kapitel 40 - Vorboten --------------------------------- Kapitel 40 – Vorboten   -Zorro- Es war ruhig. Bis auf das Widerhallen steter Tropfen aus weiter Ferne war nichts zu hören. Manchmal gesellte sich das unangenehme Geräusch von zischender und knisternder Elektrizität dazu, von einer flirrenden Lampe im Gang, die wohl bald den Geist aufgeben würde. Es war dunkel. Die alten, teils zerbrochenen Lampen im Gang spendeten etwas Licht, aber zu wenig, um die dunklen Ecken zu erhellen, zu wenig, um kaum mehr als den Gang selbst in flackerndes, künstliches Licht zu tauchen. Es war erbärmlich kalt. Bis auf Stein und Eisen gab es hier unten nichts, mit Ausnahme der knüppelharten, uralten Bretter, die wohl einst so etwas wie Schlafstätten dargestellt hatten, bevor sie mit der Zeit zerfallen waren. In einer Ecke an den Gitterstäben schimmelte etwas vor sich hin, was vielleicht ein Leinensack gewesen war vor langer, langer Zeit; vielleicht hatte irgendwer, der schon längst tot war, ihn mal als Decke genutzt. Zorro wünschte sich, er hätte auch eine Decke, denn sein schmächtiger Körper zitterte ganz elendig vor Kälte, das dünne Mäntelchen und das feine Kleidchen fühlten sich eher klamm an und wärmten ihn überhaupt nicht. Allerdings hegte er auch deutliche Zweifel daran, dass dieses schimmelnde Etwas da am Boden ihm Erleichterung bringen würde. Er sollte sich verwandeln. In seinem Körper würde er die feuchte Kälte deutlich besser ertragen können als jetzt, aber er tat es nicht. Der eine Grund war offensichtlich. Wenn er sich verwandeln würde, hätte er nicht viel mehr übrig zum Anziehen als seine Unterhose, ein viel zu kleines Kleidchen und ein dünnes Mäntelchen, was er auf keinen Fall tragen würde. Aber selbst, wenn es ihm egal sein würde, hier in dieser Zelle so gut wie nackt oder nur in Stofffetzen herumzuhocken, so gab es doch noch einen weiteren, nicht ganz so offensichtlichen, Grund. Zorro hatte keine Ahnung, ob er aufgeflogen war. Das Letzte, an das er sich erinnerte, war das seltsame Gebilde in den Tiefen Mary Joas – was mit absoluter Sicherheit nicht Uranos gewesen war – in dessen Schlund er seinen Arm hatte stecken sollen. Jetzt war er hier. Da er in einem Kerker saß – zumindest vermutete er, dass er in einem Kerker saß, aber es sah auch schon ziemlich nach Kerker aus – standen seine Chancen wohl nicht ganz so gut. Nein, sie standen wohl wirklich schlecht. Was auch immer passiert war, vermutlich glaubten die fünf Weisen Eizens Worten, selbst wenn sie keine Beweise hatten. Aber, und das konnte er halt nicht ausschließen, es war zumindest eine Möglichkeit, dass durch das, was auch immer in den Tiefen Mary Joas passiert war, die fünf Weisen nicht mehr daran glaubten, dass er ein wahrer Lorenor sein könnte; ganz gleich ob als Lady Loreen oder als Lorenor Zorro. In diesem Fall hatten sie ihn wahrscheinlich einfach deshalb eingekerkert, weil sie dachten, dass er mit Eizen doch gemeinsame Sache gemacht hatte, oder weil er zu viel gehört hatte. Im Zweifel hatten sie ihn auch einfach nur als Druckmittel gegen Dulacre eingekerkert, der wohl seinen Samuraititel verlieren würde. Die Frage war also, wie lange er hier hocken musste. Aber er merkte, dass er über diese Frage nicht nachdenken wollte. Er wollte nicht darüber nachdenken, was erst passieren musste, damit er diesen Kerker wieder würde verlassen können. Also hockte er hier in dieser klammen Dunkelheit, seine eigenen Hände kaum mehr als grobe Umrisse im flackernden Glimmen der sterbenden Glühbirnen, vergrub die tauben, zitternden Finger tief in den Armbeugen, während er am ganzen Körper fröstelte, und erlaubte sich, ein bisschen vor sich hinzuleiden. Er hatte das hier nicht verdient. Nicht, nachdem er sich so viel Mühe mit dem Plan und dessen Umsetzung gemacht hatte. Nicht, nachdem er seine Crew und Dulacre eingeweiht hatte. Nicht, nachdem er sich extra in dieses dünne Kleidchen gezwängt und Eizen sogar freiwillig an die fünf Weisen verraten hatte und ihnen dann auch noch fügsam diese endlose Treppe hinunter gefolgt war. Nein, Zorro hatte nicht verdient, jetzt hier zu hocken, ohne zu wissen, warum genau, was vorgefallen war oder was gerade außerhalb dieser Mauern oder irgendwo über ihm in deutlich wärmeren Räumen passierte. Leise wunderte er sich, ob die anderen Zellen um ihn herum leer waren oder ob Eizen in einer von ihnen steckte. Das spärliche Licht im Gang offenbarte die kalten Gitterstäbe zweier gegenüberliegender Zellen, sowie die steinerne Wand zwischen ihnen, aber hinter den metallenen Mündern war nichts außer einer pechschwarzen Nacht. Wie viel Uhr war es eigentlich? Er hatte kein Zeitgefühl, wusste nicht, wie lange er tatsächlich bei den fünf Weisen gewesen war, erst recht nicht, wie lange er ohnmächtig gewesen war; es könnten Minuten oder Tage gewesen sein. Er vermutete, dass er seit etwas mehr als zwei Stunden wieder bei Bewusstsein war, aber aufgrund der Kälte, die sich durch Fleisch und Knochen grub, fiel es ihm schwer, irgendeine andere Empfindung wahrzunehmen. War er hungrig? War er durstig? Wie lange fror er schon so? Als einziger zeitlicher Indikator diente ihm das stete Wassertropfen irgendwo zu seiner Rechten den Gang hinunter, aber es fiel ihm schwer, sich darauf zu konzentrieren. Er war erschöpft, die vergangenen Tage waren anstrengend gewesen, und die Kälte, die er zunächst nur als unerfreulich abgestempelt hatte, schien mit jeder Minute schlimmer zu werden. Tief atmete er ein, erinnerte sich zurück an das ultimative Training des Samurais. Er wusste, dass er damals deutlich eisigere Temperaturen in beiden Körpern hatte aushalten müssen, deutlich widrigere Umstände hatte aushalten und überstehen müssen. Aber es war eine andere Situation gewesen. Wenn es nur die Kälte, nur die Feuchtigkeit, nur die Dunkelheit und das Sirren der alten Lampen wäre, dann wäre dies hier nicht ansatzweise mit seiner Ausbildung vergleichbar gewesen. Dann hätte er sich vermutlich auf dieser alten Baracke eines Bettes breitgemacht – und gehofft, dass das alte Holz das Fliegengewicht dieses schmächtigen Körpers würde tragen können – und hätte einfach eine Runde gepennt. Aber er war benommen von der Ohnmacht, sein Körper erschöpft von einer Tortur, an die er sich nicht erinnern konnte und dessen einziger Zeuge der feste Verband um seinen Unterarm war. Beim Aufwachen hatte er das Pulsieren der Wunde darunter gefühlt, aber das tat er nicht mehr, zu erschöpft war sein Geist. Das war tatsächlich das Problem. Zorro wusste, dass er alles aushalten konnte, was man von ihm verlangen würde. Selbst, wenn sein Körper an seine Grenzen kommen würde, er hatte die mentale Stärke, auch alles darüber hinaus zu überwinden. Aber daran fehlte es ihm gerade. Er war müde und erschöpft, nicht nur physisch, nein, vielleicht sogar physisch weniger als emotional, gedanklich, psychisch, und er wusste noch nicht mal, warum. Ja, sein Termin mit den fünf Weisen, Eizen und dann auch noch Rihaku war eine Herausforderung ganz eigener Art gewesen und es hatte ihn auch überfordert, sein Kopf hatte sich beinahe überschlagen bei dem Versuch, alles zu verstehen und alles Geschehene zu verarbeiten. Aber das war nicht das Problem, zumindest glaubte er das. Zwing mich nicht dazu, dein Blut zu vergießen. Kopfschüttelnd entschied Zorro, diese seltsamen Stimmen in seinem Kopf zu ignorieren. Seit er aufgewacht war, tauchten sie immer wieder auf. Seltsame Worte, gesprochen von fremden und dennoch nicht unbekannten Stimmen. Wenn er die Augen schloss, sah er manchmal Gesichter. Aber darüber wollte er nicht nachdenken, denn je mehr er darüber nachdachte, desto stärker schienen seine Kopfschmerzen zu werden und desto mehr schienen diese Worte und Bilder zurückzukommen, als wäre es eine längst vergessene Erinnerung, die plötzlich von irgendetwas wieder aufgeweckt worden war. Aber Zorro wollte nicht über so etwas nachdenken, nicht in irgendeine Vergangenheit zurückkehren, die er eh nicht mehr beeinflussen konnte. Alles, was er wollte, war… Plötzlich war da ein Geräusch. Wie das Fauchen eines Tieres schallte es durch den Kerker, gefolgt von einem lauten Knall, wie das Zufallen einer Türe. Kaum einen Moment später hallten schwere Schritte am kalten Stein wider und kamen immer näher. Zorro versuchte, die abgestumpften und erschöpften Sinne in diesem Körper zu konzentrieren, aber es gelang ihm nicht wirklich. Wer auch immer kam, würde kommen. Zorro hingegen war gerade so erschöpft, dass es ihm beinahe gleich war. Im strammen Tempo kamen die Schritte näher, es war vermutlich ein Soldat. Wenig überraschend, wenn man bedachte, dass er irgendwo in den Untiefen Mary Joas war, das aufgrund der anstehenden Reverie nur so von Soldaten wimmelte. Er meinte, die Schritte zu erkennen, aber eigentlich war es ihm egal. Alles, was er irgendwie noch wahrnahm, war diese unaufhaltbare Kälte, die sich immer tiefer in ihn fraß. Dann wurde das spärliche Licht vor seiner Zelle gebrochen. Aber Zorro sah nicht auf, er war zu müde, ihm war zu kalt. „Oh, Grundgütiger.“ Sah er wirklich so erbärmlich aus? Zorro wusste es nicht. Aber es wunderte ihn schon, wie kalt ihm war und wie wenig es ihn interessierte, wer da vor ihm aufgetaucht war. „Es ist also wahr“, flüsterte der Neuankömmling atemlos. „Ich wollte es nicht glauben, als ich hörte, dass Eizen verhaftet wurde. Ich kann es immer noch nicht glauben.“ Hatte er sich also verraten? Oder warum war der andere hier unten? Ganz toll, da hätte er sich auch gleich verwandeln können, um diese Kälte etwas besser auszuhalten. Aber jetzt war er zu müde, um sich noch zu verwandeln. Er war zu müde, um noch irgendetwas zu tun. Zum Glück war ihm keine Frage gestellt worden, es fühlte sich nach einer unüberwindbaren Kraftaufwendung an, den Mund zu öffnen und etwas zu sagen. Er konnte sich gar nicht vorstellen, diese erdrückende Stille mit seiner Stimme zu durchbrechen. Ein lautes Klirren übernahm dies jedoch gerade, dröhnte unangenehm in seinen Ohren, zwang ihn dazu, nun doch den Kopf zu heben. Mit einem schrillen Quietschen fiel die Zellentür auf. „Nun kommen Sie schon!“ Der Soldat hatte eine Hand nach ihm ausgestreckt, beinahe ein schwarzer Schatten vor dem flackernden Licht. „Sie müssen hier raus! Kommen Sie!“ Zorro verstand nicht, irgendetwas war seltsam. Ihm wurde die Möglichkeit zur Flucht geboten, die Zellentür war offen, er sollte es nutzen, er musste hier weg, er musste Mary Joa so schnell wie möglich verlassen. Aber alleine der Gedanke daran, aus dieser zusammengekauerten Position zu müssen, schien zu anstrengend. Warum war er so erschöpft, warum war sein Kopf so schwer? Wir sehen uns auf Wa No Kuni! Ruffy! Was tat er hier?! Er musste nach Wa No Kuni! Ruffy verließ sich darauf, dass Zorro dort sein würde, wenn er mit den anderen den verdammten Koch eingesammelt haben würde! Warum also jammerte er hier vor sich hin?! „Warten Sie, ich komme herein und helfe Ihnen. Der Stein des Elends muss Sie schon zu sehr erschöpft…“ Entschieden stemmte Zorro die winzigen Hände auf die dürren Oberschenkel und kämpfte sich auf. Wer war er denn, dass er sich besiegen lassen würde? Seine Knochen mochten brechen, sein Fleisch bluten, aber nie würde er aufgeben, nie würde er nachgeben. Er hatte in seinem Leben schon alles verloren, seine Freunde, seine Zukunft, selbst seinen eigenen Körper, aber er würde sich nicht erlauben, sich einfach so aufzugeben. Nicht, solange noch irgendwer an ihn glaubte, nicht, solange Ruffy noch an ihn glaubte. Schnaufend kam er zum Stehen. Sein Körper war immer noch kalt, immer noch steif und schwer, als wäre er auf dem tiefen Grund eines eiskalten Sees. Aber selbst das würde ihn nicht aufhalten. „Sie sollten nicht hier sein“, knurrte er und seine sonst so weiche Stimme klang ungewohnt rau, beinahe vertraut. „Sie begehen gerade Hochverrat.“ Der Vizeadmiral sah ihn an. „Das ist mir gleich. Es ist nicht rechtens, Sie einzusperren, nur weil Sie für Eizen gearbeitet haben. Sie sind unschuldig und ich werde nicht zulassen, dass Sie…“ Zorro schlug die Hand des anderen weg. „Ich danke Ihnen für Ihre Hilfe“, knurrte er und merkte, wie mit jedem Wort wieder mehr Leben in seinen kalten Körper stieg, „aber Sie sollten nicht hier sein.“ „Aber… Lady Loreen, ich…“ „Sie irren sich, Homura“, murrte Zorro und versuchte, den Gang in die Richtung hinunterzueilen, aus welcher der Soldat eben gekommen war, aber seine Beine folgten nur langsam seinen Befehlen, als müsste er sich durch Morast kämpfen, „ich habe zwar nicht mit Eizen gemeinsame Sache gemacht, aber denken Sie ja nicht, dass ich unschuldig wäre. Ich habe ihn verraten und Sie werden es bereuen, wenn Sie…“ Er blieb stehen. Dort am so weit entfernten Ende des Ganges öffnete sich unter lautem Knarzen ein kleines Fenster strahlenden Lichtes, gebrochen von einem schwarzen Schatten. Dann fiel das schwere Eisentor zu und ein weiterer Soldat schritt forschen Schrittes und mit wehendem Mantel auf sie zu, als würde ein Sturm heranziehen. „Jiroushin“, murmelte der Vizeadmiral hinter Zorro. „Er hatte den gleichen Gedanken wie ich.“ „Was tust du hier?!“, knurrte Zorro, während Jiroushin mit jedem Schritt näher kam. Sein Gesicht eine harte Maske, so ungewöhnlich für den sonst so sanften Mann. „Ich habe dir gesagt, dass du…“ „Halt die Luft an“, unterbrach der Blondschopf ihn kühl und kam vor ihm zum Stehen, musterte einen Moment erst Zorro und dann Homura hinter ihm. „Du solltest nicht hier sein, Nataku. Ich schätze deine Hilfe, aber du solltest jetzt gehen. Verschwinde und verschaff dir ein Alibi.“ „Jiroushin, willst du mich verarschen?“ Der andere machte einen Schritt nach vorne und zeigte sich ausgesprochen impulsiv für seinen Namen als kalte Klinge der Gerechtigkeit. „Du machst doch das gleiche wie ich. Du bist auch hier, weil du…“ „Du hast keine Ahnung, warum ich hier unten bin!“ Hart hallte die Stimme des friedvollen Kriegers von Stein und Metall wider, ebenfalls deutlich kratzbürstiger als es für ihn üblich war. „Nataku, du bist im Begriff, dich der Weltregierung zu widersetzen, um einen Gefangen entgegen den Anweisungen zu befreien, aus persönlichen Motiven. Gehe nun, wenn du die Marine nicht verraten willst!“ „Und was ist mit dir?“, entgegnete Homura unbeeindruckt. „Hast du nicht genau das gleiche vor? Willst du Lady Loreen nicht helfen, nur aus dem Grund, weil sie Dulacres ein und alles ist?“ „Nein!“ „Nein?“ Doch Jiroushin sah nicht mehr seinen Kollegen an, sondern wandte sich Zorro zu. „Es hat begonnen“, erklärte er nun fast schon anteilslos. „Du magst es hier unten nicht spüren können, aber der Untergang hat begonnen.“ Lorenor, denkst du, es wäre klug, wenn deine Crew anwesend sein würde, wenn ich die Weltregierung angreife, die dich gefangen hält und dich vielleicht beabsichtigt zu töten? „Dulacre ist auf dem Weg?“ „Er ist schon fast da. Ich habe es gespürt und es ist eindeutig er, so eine Macht hat nur er.“ „Wovon redest du, Jiroushin?“ Homura packte ihn am Unterarm. „Was meinst du damit? Du glaubst doch nicht, dass…“ „Ich wiederhole mich, Nataku. Du bist im Begriff, die Marine zu verraten. Ich allerdings nicht. Ich tue, was getan werden muss, um die Weltregierung zu beschützen. Der Drache kommt, um seinen Schatz zurückzuholen, den ihm die fünf Weisen geraubt haben, und ich bin nicht bereit, meine Kameraden für einen einzelnen Menschen brennen zu sehen.“ Dann warf er Zorro plötzlich seinen Seesack zu, den er wohl die ganze Zeit mit sich gehabt hatte. „Zieh dich um, die Zeit des Versteckspielens ist vorbei; ich kann mir im Zweifel nicht leisten, dich beschützen zu müssen, also musst du das selbst übernehmen. Und bete, dass du und ich ihn noch irgendwie aufhalten können.“ Der grobe Stoff des Seesacks war unerwartet warm in Zorros Händen. „Was redest du für einen Irrsinn, Jiroushin?!“, bellte Homura atemlos. „Was meinst du damit, dass Dulacre kommt?! Selbst, wenn er von Lady Loreens Verhaftung erfahren haben sollte, so wird er dieses Missverständnis gewiss mit Worten regeln wollen. Selbst Dulacre ist nicht verrückt genug, um die…“ „Er kommt, Nataku, und er ist wütend, so wütend, wie ich ihn für Jahrzehnte nicht erlebt habe. Er kommt nicht her für Verhandlungen.“ „Und du glaubst, dass ein einziger Mann – selbst wenn es ein Samurai sein sollte – ausreicht, um Mary Joa zu stürzen?“ „Ob ein einziger Mann dafür reicht, kann ich nicht sagen. Aber wir sprechen hier nicht von einem gewöhnlichen Mann, sondern von Mihawk Dulacre, und ich habe genügend Monster in meinem Leben gesehen, um diese Chance nicht riskieren zu wollen.“ „Dennoch, was du da sagst, ist…“ „Es reicht jetzt“, murrte Zorro und spürte, wie die Bewegung langsam in seine Glieder zurückkehrte. „Wir verschwenden hier unnötig Zeit damit, über Fakten zu diskutieren, die wir nicht ändern können.“ Ernst sah er Jiroushin an und schulterte seinen Seesack. „Danke für meine Sachen, ich werde mich umziehen.“ Dann begutachtete er Homura. „Sie sollten lieber gehen. Was jetzt kommt, wollen Sie weder sehen noch wissen.“ Ohne auch nur Homuras Widerspruch abzuwarten, drehte Zorro sich um und ging die paar Meter zu seiner Zelle zurück. Als er sie betrat, konnte er dieses Mal ganz deutlich das Elend und Leid spüren, ließ sich davon aber nicht mehr beeindrucken. Während die beiden Soldaten sich stritten, entledigte Zorro sich im Schutz der Zellenwand sorgsam seiner Klamotten und zwang dann seinen Körper dazu, sich zu verwandeln. Es schien ungewöhnlich schmerzvoll, aber vielleicht bildete er sich das auch nur ein. Zorro überlegte nicht, warum Jiroushin gekommen war, warum er entschieden hatte, dass Zorro sich verwandeln sollte. Er überlegte gar nicht, nicht über Beweggründe, nicht über Homuras Anwesenheit oder darüber, wie viel Zeit vergangen war. Seine Gedanken waren klar und ruhig, während er sich anzog und Lady Loreens Klamotten in den Seesack stopfte. Es war die Ruhe vor dem Sturm und wenn Ruffy jetzt hier wäre, würden sie einander angrinsen, während Lysop in der Ecke wimmern würde, ob er mitkommen müsse, ehe Nami ihn mitschleifen würde. Franky wäre super gespannt auf den Kampf, während Robin ihren Galgenhumor zum Besten geben würde, den Zorro immer sehr amüsant fand. Während er sorgsam seine Schwerter an seiner Schärpe befestigte, hörte er Brooks lachende Stimme in seinem Kopf und wie Chopper sich selbst Mut zusprach, um die eigene Angst durch Kampffreude zu überwinden. Mit einem Schmunzeln überlegte Zorro was für spannende Kämpfe Chopper wohl gerade mit Ruffy, Nami und Brook erlebte. Kurz strich er über Josei, welches er im Seesack lassen musste, dann griff er nach seinen Ohrringen und nahm sich Zeit, sie richtig anzulegen, als wäre es eine hochkomplexe Aufgabe. Wetten, dass ich vor dir auf Wa No Kuni ankommen werde, Koch. Einen Moment bildete er sich ein, Zigarettenqualm zu riechen. Ach, pass besser auf, dass du nicht wieder aus Versehen abkratzt, Marimo. Wenn er das hier nicht überstehen sollte, würde er sie nicht wiedersehen. Diese Genugtuung würde er dem verdammten Kartoffelschäler nicht gönnen. Wir sehen uns auf Wa No Kuni! Entschlossen schritt er aus der Zelle, bereit, sich seinem Monster eines Sozius zu stellen, nicht bereit, dabei draufzugehen. „Können wir, Jiroushin?“, grinste er und rieb sich den Nacken, genoss seinen eigenen Körper, die Tiefe seiner Stimme, die Anspannung seiner Muskeln und den fassungslosen Blick Homuras. „Was… was zur…?“ „Was denn? Überrascht?“ Ja, Zorro war niemand, der für Rache lebte, aber verdammt nochmal, dieser Mistkerl hatte diesen Moment so was von verdient, und wenn sie nicht größere Schlachten zu schlagen hätten, würde Zorro nun seine Schwerter ziehen und seine hart erarbeitete Revanche einfordern. „So sieht man sich wieder, Homura. Wobei, wir sind uns ja die vergangenen zwei Jahre immer wieder über den Weg gelaufen, nicht wahr?“ „Unmöglich… aber wie…?“, flüsterte Homura fassungslos, hinter ihm Jiroushin, dessen Gesicht keinerlei Regung zeigte. „Ich hörte von dem Kopfgeld, aber ich dachte, es sei ein Hochstapler. Das ist unmöglich, meine Klinge tötet, immer!“ Im nächsten Atemzug prallte die kalte Klinge der Gerechtigkeit gegen Zorros Kitetsu. Unbeeindruckt hielt Zorro der Kraft des Vizeadmirals stand. „Homura, glaub mir, ich hätte wirklich Lust auf diesen Kampf, ich würde dir gerne zeigen, was ich die vergangenen zwei Jahre gelernt habe. Aber das Ding ist, Dulacre ist auf dem Weg und er scheint auch einen Kampf zu wollen, daher wiederhole ich, was ich dir schon einmal gesagt habe: Warum sollte ich mich mit einem drittklassigen Schwertkämpfer abgeben, wenn ich den besten haben kann.“ Die grauen Augen des anderen weiteten sich. „Nein?! Das kann nicht…“ „Zur Seite!“ Im nächsten Moment stolperte der Vizeadmiral unter Zorros Blick zurück, fiel gegen die Gitterstäbe. Zorro hatte keine Zeit, sich mit ihm zu beschäftigen, leider. „Nochmal Danke für die Hilfe.“ Dann schritt Zorro an ihm vorbei, zu Jiroushin, der ihn kühl ansah. „Jiroushin hat Recht, besorg dir ein Alibi und überlass Dulacre uns. Du könntest eh nichts tun, denn dich würde er selbst im besonnenen Zustand umbringen wollen.“ Dann blieb Zorro stehen und sah zu Homura zurück, der sich wieder aufrichtete. Endlich standen sie einander nochmal richtig gegenüber. Homura hatte Dansei auf ihn gerichtet, doch das Schwert wollte nicht kämpfen, wusste es besser als sein Meister. „Wegen dir musste meine Crew ziemlich viel Scheiße durchmachen, nur weil du Dulacres Spielzeug kaputt machen wolltest. Aber weil ich nicht so ein Arsch bin wie du, werde ich dich heute verschonen. Wir sind jetzt quitt, verstanden? Aber solltest du meiner Crew noch einmal zu nahe kommen, werde ich mich dir wieder in den Weg stellen, und dieses Mal wirst du den Kampf nicht gewinnen.“ „Lorenor Zorro“, flüsterte Homura, „ich wusste, dass du zu einem Monster werden würdest, wie Dulacre eines ist.“ „Natürlich.“ Zorro nickte Jiroushin zu und gemeinsam gingen sie dem eisernen Tor entgegen. „Schließlich braucht es ein Monster, um ein anderes zu besiegen.“ Homura folgte ihnen nicht, Zorro fragte sich nicht warum, fragte nicht, warum Jiroushin jetzt kam, fragte nicht, ob Jiroushin gewollt hatte, dass Homura es herausfinden würde. Zorro fragte nichts, er brauchte nichts zu fragen, alles, was er wissen musste, war, dass Dulacre auf dem Weg war, und wenn sie Pech hatten, dann war er nicht mehr der, den sie kannten. Hinter dem schweren Eisentor grüßte ihn ein ebenso leerer und düsterer Gang wie der, den sie gerade hinter sich gelassen hatten. An beiden Seiten war eine Vielzahl von Türen, doch genau vor ihnen ragte eine altertümliche Wendeltreppe auf. Wenige Sekunden später stapften sie die schier endlos wirkenden Treppenstufen hinauf, Zorro wusste nicht, wo genau Jiroushin ihn hinführte, aber nach oben schien schon mal eine ganz gute Richtung zu sein. „Ich habe Perona fortgeschickt und Shanks eine Nachricht zukommen lassen“, murrte Jiroushin nun, so ungewohnt ernst, „direkt nachdem ich von deiner Verhaftung gehört habe. Er ist der Einzige, den ich kenne, der Dulacre in einem solchen Zustand vielleicht aufhalten könnte. Aber ich habe keine Ahnung, wo er sich derzeit aufhält. Ich bezweifle, dass er es rechtzeitig schaffen wird, und selbst wenn, sollten die zwei hier einen wahrhaften Kampf ausführen, wird Mary Joa so oder so fallen.“ Zorro beobachtete den anderen von der Seite. „Ganz ehrlich, ich bin zwar dankbar, dass du mir hilfst, aber warum bist du überhaupt noch hier?“, murrte er. „Du hättest gemeinsam mit Perona fliehen sollen. Dulacre wird nicht wollen, dass du…“ „Sprich nicht weiter!“ Jiroushin war stehengeblieben, er bebte am ganzen Körper und als er Zorro ansah, konnte er die Wut, nein, die pure Verzweiflung in diesen leuchtendgrünen Augen sehen. „Du bist nicht in der Position, meine Entscheidungen zu kritisieren!“ Dann wandte er den Blick ab. „Ist dir überhaupt bewusst, was du getan hast? Was du zu verantworten hast?“ Jiroushin schüttelte den Kopf, blonde Locken wippten in alle Richtungen. „Grinst wie ein Honigkuchenpferd, als würdest du dich auf das, was kommt, freuen. Gibst lockere Sprüche zum Besten, als wäre das hier ein Spiel. Hast du auch mit diesem Grinsen, mit solchen Sprüchen, meine Kameraden auf den Senichi-Inseln ausgelöscht?“ „Jiroushin…“ „Ich mag dich leiden mögen, Zorro, aber gerade verachte ich dich. Wieder bringst du meine Kameraden in Gefahr. Wegen dir werden Dulacre und ich uns nun als Feinde gegenüberstehen. Wegen dir wird er nun mir liebgewonnene Kameraden töten. Und wegen dir könnte es sein, dass ich meinen besten Freund verliere, der Mann, für den ich sogar bereit bin, meine Moral und meine Werte zu hintergehen. Also spiel dich nur auf, aber merke dir, dass du nicht der Held in dieser Geschichte bist. Du zwingst mich, diese Entscheidungen zu treffen, also wage es nicht, mich deshalb zu kritisieren.“ „Bist du fertig?“ Zorro verschränkte die Arme. „Oder willst du mir noch irgendetwas anderes an den Kopf werfen? Ich bin ganz Ohr.“ „Willst du mich eigentlich…?!“ „Komm von deinem hohen Ross herunter, Jiroushin“, entgegnete Zorro unbeeindruckt. „Ich werde mich für mein Verhalten nicht entschuldigen und ich bereue keiner meiner Entscheidungen. Wenn du mit deinen nicht klarkommst, dann geh jetzt nach Hause.“ „Du…“ „Und ich bin nicht bereit, mich hier als Sündenbock hinstellen zu lassen. Dulacre hat entschieden und wenn er seine Kontrolle aufgeben sollte, dann ist auch das seine Entscheidung.“ Er überbrückte die Stufen, die sie trennten, und sah kühl zu Jiroushin hinauf. „Also mach mir nur so viele Vorwürfe, wie du lustig bist. Aber glaub nicht, dass mich das in irgendeiner Form beeindruckt. Ich schätze dich, ganz gleich, was du von mir denkst, aber ich sehe nicht ein, mir jetzt ein schlechtes Gewissen einreden zu lassen, nur weil du deine Gefühle nicht ertragen kannst.“ Dann zuckte Zorro mit den Schultern, drückte Jiroushin zur Seite und setzte seinen Weg fort, obwohl er keine Ahnung hatte, wo dieser ihn hinführen würde. „Ach, und um das klarzustellen. Ich bin kein Held, habe ich nie für mich in Anspruch genommen. Aber ich habe mich bewusst dazu entschieden, ein Monster zu werden, also sei nicht so geschockt, wenn ich mich wie eines verhalte.“ „Wie kannst du nur so kalt sein?“ Zorro blieb stehen und sah zu Jiroushin hinab. „Ich dachte, auch du hättest zumindest einen Funken Moral in dir. Ich dachte, du hättest auch deine Prinzipien. Warum also handelst du nun so und freust dich auch noch darauf? Wie kannst du dem mit einem Grinsen entgegengehen? Du könntest sterben, Dulacre könnte sterben, wir alle könnten sterben, ist dir das gleich? Ich dachte, du liebst ihn. Warum macht es dich nicht emotional, dass er sterben könnte, dass er sich verlieren könnte?“ Leise schnaubte Zorro auf. „Ich glaube, du überschätzt mich, Jiroushin. So weit denke ich nicht. Ich habe meine Prinzipien und auch, wenn ich nicht aus Lust an der Freude anderen beim Sterben zusehe, so gibt es doch Dinge, für die ich alles in Kauf nehmen und alles tun würde. Ich habe kein Interesse daran, dass deine Kameraden sterben, mir wäre es lieber sie würden überleben, ganz ehrlich, und ich werde auch versuchen Dulacre mit allem, was ich habe, aufzuhalten. Aber erwarte nicht von mir, dass ich Angst habe, denn das wird nicht passieren.“ Er zuckte mit den Schultern und schritt weiter, hörte, wie der andere ihm folgte. „Wenn heute der Tag gekommen ist, an dem Dulacre oder ich oder wir beide sterben sollen, dann ist das so. Der Tod macht mir keine Angst; wir sind Schwertkämpfer. Der Tod gehört zum Schwertkampf dazu, und wenn Dulacre bereit ist, ein solches Risiko einzugehen, dann ist das seine Entscheidung.“ „Ich verstehe dich einfach nicht“, murrte Jiroushin ein paar Stufen unter ihm. „Wie kannst du keine Angst davor haben, was jetzt passieren wird?“ Zorro blieb stehen, endlich hatte er das Ende der schier endlosen Treppe erreicht, vor ihm nichts weiter als eine recht unbeeindruckend aussehende alte Holztür. „Ich könnte dich das gleiche fragen, Jiroushin.“ Nun sah er zu dem anderen hinab. „Du bist ein Schwertkämpfer, wieso ziehst du den Schwanz ein, bevor der Kampf überhaupt begonnen hat? Noch ist nichts passiert, noch leben doch alle, das heißt wir können noch alles beeinflussen, wir haben noch alle Möglichkeiten. Also ist die eigentliche Frage an einen Schwertkämpfer wie dich, wieso brennst du nicht voller Erwartung, zu sehen, wie stark der beste Schwertkämpfer der Welt wirklich ist, wie stark er ist, wenn er alle Fesseln abstreift? Willst du nicht auch wissen, wie weit du mit ihm mithalten kannst? Wie stark ist wohl ein echter Angriff mit Yoru? Werde ich es mit nur einem Schwert überhaupt annehmen können oder sollte ich direkt aufs Ganze gehen?“ „Zorro?“ „Du willst, dass ich mir Sorgen mache? Dass ich Angst um ihn oder vor ihm habe? Jiroushin, ich erbebe regelrecht vor Vorfreude. Noch nie habe ich ihn ernsthaft kämpfen sehen, ohne dich als Schiedsrichter, mit Yoru in der Hand. Wenn der Tod dafür der Preis sein soll, dann sei es so, ich biete mein Leben dar, so wie ich es schon einmal getan habe. Und ich akzeptiere und respektiere, dass Dulacre sein Leben riskiert, um diesen Weg zu gehen. Er hat entschieden, Mary Joa anzugreifen, und wenn er dabei stirbt, dann war das sein Weg, sein Weg als Schwertkämpfer.“ Mit diesen Worten riss er die Türe auf. „Aber du vergisst eines. Ich habe dir damals versprochen, dass ich nicht zulassen werde, dass er draufgeht, und an diesen Worten hat sich nichts geändert. Ich habe ihn noch nicht besiegt und selbst wenn, ich erlaube ihm nicht, einfach so zu sterben, schließlich ist er mein Partner und das sollte mir doch zumindest irgendeine Form des Mitspracherechts geben!“ Dann schritt er entschieden hinaus und geradewegs auf eine riesige Plattform, die im Himmel zu sein schien. Verwirrt blieb er stehen. Bis auf das altertümliche Geländer vor ihm und das riesige Schloss hinter ihm, aus dem er gerade herausgekommen war, konnte er nur Himmel und Wolken sehen. Irgendwie lag eine seltsame Ladung in der Luft, als ob ein Gewitter bevorstehen würde. „Wo sind wir?“ Fragend sah er Jiroushin an, der neben ihn schritt. Der scharfe Wind riss an ihren Kleidern, ernst sah der Soldat ihn an, schien wohl noch über seine Worte nachzudenken. „Dieser Ort hier heißt Zwischen Himmel und Hölle. Früher wurden die Verurteilten von dieser Plattform aus in ihren Tod geworfen, das ist allerdings schon sehr lange her.“ Zorro folgte dem anderen, der mit wehendem Marinemantel auf das Geländer zuschritt. „Und warum sind wir dann hier?“ „Es ist der einzige Ort in Mary Joa, von wo man aus über die Red Line hinaus hinab aufs Meer sehen kann, mit Ausnahme der oberirdischen Häfen natürlich. Aber die sind schwer bewacht, anders als dieser Ort hier. Darüber hinaus ist es gerade der einzige Ort in ganz Mary Joa außerhalb der Kerker, wo ich dich hinbringen kann, ohne entdeckt zu werden.“ „Wie meinst du das?“, murrte Zorro und stellte sich neben den anderen. „Was bringt uns das, wenn ich hier bin?“ Mit verschränkten Armen beugte er sich leicht über das Geländer hinweg, kalte Böen schlugen ihm ins Gesicht, und es mochte sein, dass da unten irgendwo das Meer war, aber Zorro hatte eher das Gefühl in ein bodenloses Nichts zu starren. „Weil dies unsere einzige Möglichkeit sein wird, Dulacre aufzuhalten, ehe er Mary Joa angreift“, erklärte Jiroushin und nickte dem Horizont entgegen. Aber so weit musste Zorro gar nicht schauen. Um sie herum war der Himmel bis auf vereinzelte weiße Wattewölkchen strahlendblau, es musste mitten am Tag sein, aber dort direkt vor ihnen, gefühlt nahegenug, dass Zorro es greifen konnte, wuchs ein Gewitteramboss empor, der sich unter dem Aufblenden unzähliger Blitze immer weiter auf sie zu bewegte. Kaum, dass Zorro ihn gesehen hatte, meinte er diese seltsame Elektrizität auf seiner Haut fühlen zu können, die er vorher als Gewitter abgetan hatte. War das…? „Was du da spürst, diese Energie, das ist Dulacre. Ich würde ihn immer erkennen, ganz gleich, wie weit entfernt er noch ist.“ Die kleinen Härchen auf Zorros Unterarmen stellten sich auf. So etwas hatte er noch nie gespürt, die Spannung in der Luft war nichts im Vergleich zu der in seinem Körper, denn trotz der Entfernung hatte Zorro beinahe das Gefühl, als würde der andere direkt vor ihm stehen, als würde er versuchen, Zorro alleine mit seinem Willen zu erdrücken. „Die meisten Soldaten können es nicht wahrnehmen, nicht wie wir“, bemerkte Jiroushin, „und die wenigen, die es tun, werden es auf unwichtige Wetterphänomene schieben. Wer würde schon damit rechnen, dass wir angegriffen werden; hier oben herrscht immer ein falsches Gefühl der Sicherheit, ähnlich wie auf Kuraigana.“ „Was also ist dein Plan?“, murrte Zorro und starrte auf den Gewitteramboss, wissend, dass dort unten, mit dem bloßen Auge nicht erkennbar, irgendwo ein winziges Boot mit einer riesigen Persönlichkeit auf sie zu kam. „Ich werde dich runterwerfen.“ „Was?“ Überrascht sah er auf. Zum ersten Mal an diesem Tag zeigte Jiroushin ein halbes Grinsen. „Der einzige Weg, um Hawky aufzuhalten, ist dich zu ihm zu bringen, ehe er angreifen kann. Aber die oberirdischen Häfen werden schon seit Tagen für die Ankunft der Staatsoberhäupter vorbereitet und der unterirdische Hafen wird komplett von der Marine blockiert. Dort sind viel zu viele Menschen, als das ich dich unauffällig herausschmuggeln könnte. Daher warten wir, bis Hawky nahe genug sein wird, und mit etwas Glück, fängt er dich auf.“ Zorro schluckte. Er hatte nicht gewusst, dass Jiroushin etwas von Galgenhumor verstand. Leise gluckste er auf. „Und sollte irgendwer mich sehen oder die Wahrheit über Lady Loreen wissen, wird es so aussehen, als hättest du einfach nur den Schwerverbrecher, der für die G6 verantwortlich war, ausschalten wollen.“ Dann sah er wieder über das Geländer hinab. „Aber selbst für mich ist dein Plan etwas waghalsig“, gestand er mit einem schiefen Grinsen ein. „Ich weiß“, bemerkte der andere und nun lächelte er absolut ehrlich und für einen Moment war er wieder der schalkhafte Spaßvogel, den Zorro kannte. „Warte mal, machst du das absichtlich? Willst du mir damit eine Lektion erteilen, oder was?“ Nun verschränkte Jiroushin seine Arme und sein Blick hatte etwas vertraut Spielerisches an sich, was Zorro immer zur Vorsicht riet. „Naja, zumindest fessle ich dir nicht die Hände oder gieße deine Füße in Beton, aber vielleicht denkst du in der Zukunft dann erstmal etwas besser nach, ehe du meine Kameraden wieder in Lebensgefahr bringst, junger Mann.“ „Hör auf deine Erziehungsratgeber an mir auszuprobieren, dein armes...“ Plötzlich unterbrach sie eine Erschütterung und für einen Moment schien die ganze Erde, ja sogar die Luft, zu erbeben. „Was zur Hölle?“, flüsterte Zorro, während er sich gleichsam wie Jiroushin am Geländer festhielt. Dieser sah aschfahl auf das endlose Meer unter ihnen. „Was soll das? Er ist doch noch viel zu weit weg?“ „Wovon redest du? Sag mir nicht, dass das…“ „Höchste Instanz! Ich rufe euch an!“ Obwohl es unmöglich sein sollte, hallte Dulacres Stimme wie ein einziges Donnergrollen über das Plateau hinweg, als würde er direkt vor Zorro stehen oder seine Stimme über eine Lautsprecherteleschnecke verbreiten. „Gebt meinen Sozius frei! Ich warne euch nur ein einziges Mal, ich bin nicht für Verhandlungen hergekommen, und solltet ihr nicht innerhalb der nächsten Sekunden euren Willen zur bedingungslosen Kooperation zeigen, so werde ich angreifen!“ Nach der unerwarteten Lautstärke war es nun dröhnend still. Zorro und Jiroushin sahen einander einfach nur an, ihre Herzschläge zu laut, wie Glockenschläge. „Wie lange wird er brauchen, um nah genug für einen Angriff zu sein?“, fragte Zorro nach einigen Atemzügen. „Muss er nicht irgendwie erstmal die Red Line…“ BOOM! Kapitel 41: Kapitel 41 - Abgott ------------------------------- Kapitel 41 – Abgott   -Zorro- BOOM! Die Erde erbebte! Im nächsten Moment erfüllte das ohrenbetäubende Krachen von berstendem Stein die Luft und es hörte sich an, als würde eine ganze Insel zusammenbrechen. „Oh mein Gott!“ Jiroushin rannte das Geländer entlang, bis er an die andere Seite der Plattform kam. „Oh Gott! Der Hafen! Der unterirdische Hafen! Er hat den… er hat den Hafen zerstört!“ Noch einen Moment sah Zorro zum Gewitteramboss hinüber, dann eilte er Jiroushin hinterher. Was er sah, nahm auch ihm den Atem. Er sah auf etwas hinab, was man wohl eine unvorstellbar breite Mauer nennen könnte, nur dass es keine Mauer war, es war ein Kontinent, die Red Line. Ihr Ende verschwamm irgendwo am Horizont, breiter als Zorro sehen konnte. Direkt vor ihm war der Vorhof des Schlosses, aber alles, worauf er achtete, war der riesige Riss, welcher gefühlt nur einen Steinwurf entfernt in der Red Line klaffte. Immer noch brachen vereinzelte Steinbrocken ab und kalt hallte ihr Sturz wider. Jiroushin hatte Recht, irgendwo dort, ganz unten am Meer, war der Eingang zum unterirdischen Hafen, in einer riesigen Höhle innerhalb der Red Line, von wo aus eine schier unendliche Treppe und ein Lastenaufzug zu Mary Joa hinaufführten. Hatte Dulacre gerade etwa die komplette Red Line von unten bis oben eingeschnitten? Wie lächerlich abstrus stark war dieser Mistkerl eigentlich? Auf die Entfernung war es unmöglich zu sagen, ob nur der Zugang zu dieser riesigen Höhle oder gleich der ganze Hafen zerstört worden war. Aber so oder so war die ganze Flotte der Marine, welche zur Sicherung der Weltkonferenz sich in den Untiefen der Red Line bereitgemacht hatte, mit nur einem einzigen Angriff handlungsunfähig gemacht worden. Zorro fasste einen Entschluss und sprang über das Geländer in den Abgrund aus Nichts! „Nein!“ „Argh!“ Beinahe renkte es ihm die Schulter aus, als plötzlich Jiroushin sein Handgelenk packte. „Lass mich los! Du hast doch gesehen, was er mit nur einem…“ Wasser tropfte auf seine Wangen, verwirrt sah er auf. Jiroushin hielt ihn fest, war ihm nachgesprungen, Tränen rannen sein Gesicht hinunter, hielt sich mit nur einer Hand am Geländer fest, sein weißer Mantel wehte im Wind wie eine Flagge der Kapitulation. „Wenn du springst und er dich nicht rechtzeitig auffangen kann, wirst du sterben.“ „Du erwartest, dass ich hier warte und tatenlos zusehe, während er alles und jeden dem Erdboden gleichmacht?“ „Denk doch mal mit, Zorro. Wenn du jetzt sterben solltest, werden wir ihn auf keinen Fall mehr aufhalten können. Unsere einzige Chance ist, ihn zu erreichen, ehe er die Schlacht beginnt.“ „Was glaubst du, was ich hier gerade versuche?! Du hast doch selbst vorgeschlagen, dass ich…“ „Dulacre ist schon längst nicht mehr dort unten.“ Im nächsten Moment warf Jiroushin ihn zurück auf die Plattform und folgte ihm mit einem Sprung. Zorro richtete sich auf. „Was? Wovon redest du?“ Jiroushin zeigte mit ausgestrecktem Arm in Richtung des oberirdischen Hafens, immer noch die Spuren versiegter Tränen auf seinem Gesicht. „Dulacre hat nur gewartet, bis er nahe genug war, um eine Schnittwelle ausüben zu können, danach hat er das Sargboot verlassen, um den Red Port anzugreifen, und auch dafür wird er wohl kaum mehr als einen Atemzug brauchen. Vermutlich wird er in wenigen Minuten die Red Line erklommen haben.“ „Aber hast du nicht gesagt…?“ „Ich habe mich verschätzt“, murmelte Jiroushin mit bebender Stimme und zitternder Unterlippe. „Ich habe nicht erwartet, dass seine Geduld so am Ende sein würde. Verdammt!“ Der Vizeadmiral schlug das Geländer hinter sich. „Verdammte Scheiße nochmal! Es ist meine Schuld! Weil ich ihn wieder einmal unterschätzt habe! Ich weiß doch, wie er tickt. Ich weiß doch genau, was für ein Monster er sein kann! Ich weiß doch genau, dass er es nicht noch einmal zulassen würde! Ich weiß doch, dass er…“ „Jiroushin!“ Zorro packte seinen Arm. „Hör auf!“ Der andere sah ihn an, während erneut die Tränen siegten. Er war offensichtlich verzweifelt: „Ich habe meine Kameraden sterben lassen.“ „Nein, Dulacre hat sie getötet. Du bist nicht für seine Taten verantwortlich, aber wir müssen jetzt handeln. Wo ist er und wann wird er hier sein?“ Die Spannung in der Luft erinnerte Zorro an Ruffy, wenn er sein Königshaki auslöste, aber es war nicht nur ein heftiger Windstoß, der durch ihn hindurchbebte, es war wie dicker, feuchtwarmer Dampf, der das Atmen erschwerte. So, wie Nebel die Sicht erschwerte, benebelte diese Spannung Zorros Sinne, machte es ihm unmöglich auszumachen, von wo diese unmenschliche Energie kam. Zu seiner Rechten hört er plötzlich laute Rufe. Zorro folgte den Stimmen zurück an die Seite der Plattform und sah über das Geländer hinab. Vor ihm erstreckte sich der riesige Platz am Fuße des Schlosses. Türen wurden aufgerissen und unzählige Soldaten eilten nach draußen, viele von ihnen in ihrer Kadettenuniform, andere mit wehendem Marinemantel. Das musste der verbliebene Rest sein, der nicht unten im Hafen gewesen war. „Was haben die denn vor?“ „Oh, nein“, flüsterte Jiroushin und eilte neben ihn, „sie werden sich doch wohl nicht formieren und einen Gegenschlag ausführen wollen.“ Zorro sah etwas verwundert zum anderen. „Naja, ist das nicht ihre Aufgabe als Marine, wenn die Weltregierung angegriffen wird?“ Jiroushin blitzte ihn aufgebracht an. „Für solche Besserwisserkommentare ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt“, knurrte er. Für dass er normalerweise eher ein ruhiger und besonnener Stratege war, schien er ungewöhnlich emotional; das konnte Zorro gerade gar nicht gebrauchen. Entschuldigend hob er beide Hände. „Hör auf, mich anzuschnauzen, und sag mir lieber, was wir jetzt…?“ Er unterbrach sich, als der augenscheinliche Befehlshaber der Soldaten diese zur Ordnung rief und sie in Stellung brachte. Auf die Entfernung und unter dem Druck von Dulacres Aura war es Zorro unmöglich, auszumachen, wer diese Person war, oder ob der Soldat stark war, auf jeden Fall nicht stark genug. „Hat es überhaupt einen Sinn, ihn mit einem Heer anzugreifen, jetzt, da er die Kontrolle aufgegeben hat?“, murmelte er. „Nein“, bestätigte Jiroushin seine Befürchtung, schloss einen Moment seine Augen und holte tief Luft. „Keiner der Soldaten da unten wird seiner Aura standhalten können, sobald er ernst macht.“ Zorro starrte den anderen an. „Warte mal, ernst macht? Du meinst…?“ Der Vizeadmiral sah ihn nüchtern an und nickte, nun etwas mehr kontrolliert, als würde er die Situation endlich akzeptieren. „Dulacre hat seine Kontrolle noch nicht aufgegeben. Das, was du gerade spürst, ist nicht mehr als Energie, die durch die Risse seiner Kontrolle entflieht, wenn er wütend ist.“ „Verdammte Scheiße“, lachte Zorro heiser. „Warum muss dieser Mistkerl es denn immer übertreiben.“ Jiroushin schnaubte entnervt auf. „Zorro, es ist jetzt wirklich nicht der richtige Moment für deine blöden…“ „Aber hey, Jiroushin, das bedeutet doch auch, dass wir ihn noch aufhalten können, oder?“ Sie sahen einander an. „Solange er noch bei Sinnen ist, können wir ihn doch noch problemlos…“ Eine erneute explosionsartige Erschütterung unterbrach sie und im nächsten Atemzug wusste Zorro ganz genau, wo Dulacre war. „Er ist hier!“ „Das war die Treppe hinunter zum Hafen!“, entkam es Jiroushin. Erneut sahen sie einander kurz an. „Das heißt, er hat den Hafen nicht zerstört? Nur den Zugang?“ Die Frage blieb unbeantwortet, als die Soldaten unten zum Angriff brüllten. „Diese Vollidioten“, murrte Zorro. „Wir müssen sie aufhalten“, entgegnete Jiroushin, „bevor Dulacre… Argh!“ „Uff!“ Zorro taumelte ein paar Schritte zurück und seine Knie wurden weich, während Jiroushin sich am Geländer festhielt, als seine Beine unter ihm nachgaben und er zu Boden stürzte. Es war anders als bei Ruffy. Das hier war ein ganz neues Level, das hier war das Königshaki eines der stärksten Menschen der Welt. Der Gewitteramboss hatte sie mittlerweile erreicht, und bedrohlich brodelte der Himmel über ihnen. „Sieht so aus…, als würde er langsam ernst machen.“ Atemlos versuchte Jiroushin sich aufzurichten, doch seine zittrigen Knie wollten sein Gewicht nicht halten. „Das heißt, wir sollten wohl das Gleiche tun“, murrte Zorro und zog den anderen auf die Beine. „Je länger wir warten, desto eher dreht er doch noch durch. Wie kommen wir am schnellsten da runter?“ Als er über das Geländer sah, musste er feststellen, dass bis auf genau vier taumelnde oder kniende Soldaten alle anderen bewegungslos am Boden lagen. Vielleicht war es besser so, besser jetzt bewusstlos als tot in einer Minute. Und dann sah er ihn, dort, wo sich die Staubwolke legte, die Luft um ihn herum schien zu flackern, und obwohl er sich nicht bewegte, einfach nur ruhig dastand, schien seine Aura immer erdrückender zu werden. Sie mussten handeln! „Wenn wir die Treppe hinunternehmen, kommen wir an den Ausgang, durch den die Soldaten rausgekommen sind. Vom Platz aus müssten wir ihn schnell erreichen.“ Zorro wollte etwas entgegnen, doch schnelle Bewegungen vom Schlachtfeld lenkten ihn ab. „Das ist doch Ryokugyu“, entkam es Jiroushin neben ihm atemlos. „Einer der neuen Admiräle?“, fragte Zorro nach und Jiroushin nickte nur. Ein zweiter Umhang wehte im Wind, und diesen erkannte Zorro sofort. „Fujitora“, flüsterte er, „er ist schon von Dress Rosa zurück?“ Plötzlich bekam der Boden um Dulacre herum Risse und Zorro wusste ganz genau, welche Schwerkraft gerade auf ihn einwirken musste. Beide Admiräle rasten auf Dulacre zu, schneller als Licht schienen sie zu sein, Zorro konnte ihnen kaum folgen. Doch sein ehemaliger Lehrmeister zog noch nicht mal sein Schwert. Im nächsten Moment hatten sie ihn erreicht, doch er sprang einfach über sie hinweg, als wäre es das Leichteste der Welt, verlor noch nicht mal seinen bescheuerten Hut mit der bescheuerten Federboa. Noch in der Luft drehte er sich um die eigene Achse und schien einmal in die Luft zu treten. Für eine Sekunde passierte gar nichts, dann erfüllte ein schmerzerfülltes Grunzen die Luft und Ryokugyu verschwand wie ein Kanonengeschoss hinter der sich legenden Wolke aus Schutt und Staub. Fast zeitgleich griff Fujitora an. Nein, andersherum, Dulacre hatte angegriffen, aber so schnell, dass Zorro es nicht gesehen hatte, und der Admiral hatte seinem Angriff nur durch eine eigene Schockwelle aufhalten können. Dieser Mistkerl hatte zwei Admiräle mit unterschiedlichen Techniken gleichzeitig attackiert, ohne auch nur sein Schwert zu ziehen, und schien eindeutig der Führende in diesem Kampf zu sein. „Komm schon, Zorro!“, bellte Jiroushin ihm zu, zerrte an seinem Arm, ohne dass er es überhaupt bemerkt hatte. „Wir müssen los. Jetzt ist nicht die Zeit, ihn zu bewundern.“ Zorro warf noch einen Blick über seine Schulter, sah, wie Fujitora nun alleine Dulacre gegenüberstand, dann nickte er Jiroushin zu und folgte ihm. „Mihawk Falkenauge Dulacre, Samurai der Meere!” Zorro erstarrte mitten in der Bewegung, als eine laute Stimme durch die Luft hallte. Anders als Dulacres Stimme vor wenigen Minuten wirkte diese nicht künstlich verstärkt. Nein, wer auch immer es war, diese Person brüllte einfach nur laut genug, dass man ihn wohl selbst unten auf der Grand Line hören musste. „Was fällt dir ein, die Heilige Stadt Mary Joa anzugreifen?!“ „Der Generalkommandant“, flüsterte Jiroushin hinter ihm. „Was denn so überrascht, Kong? Ich habe meine Intention doch deutlich genug zum Ausdruck gebracht.“ Obwohl er nicht brüllte, nicht mal laut sprach, konnte Zorro ihn hören, als würde Dulacre direkt vor ihm stehen. „Ich gab euch zehn Sekunden zur Reaktion, mehr als genug Zeit, doch jetzt ist meine Geduld erschöpft.“ Sie hatten keine Zeit mehr! „Lady Loreen ist für Beihilfe an Eizens Verrat gegenüber der Weltregierung verhaftet worden. Natürlich wird sie nicht so einfach freigelassen, nur weil ein angeleinter Köter dies einfordert.“ „Jetzt komm schon, Zorro!“ „Zu schade, ich hatte mir doch so sehr vorgenommen, Vernunft und Besonnenheit an den Tag zu legen. Aber, du siehst, Generalkommandant Kong, die Regierung hat mich zu lange an einer zu kurzen Leine hungern lassen, und die alte Kette ist rostig. Was denkst du, wird passieren, wenn ihr mir jetzt vorenthaltet, was mein ist?“ Sie hatten keine Zeit mehr! „Ich werde es dir sagen. Die Kette ist gebrochen und ein wildes Biest treibt nun in eurem Schlosshof sein Unwesen. Also gib mir, was ich begehre, oder ich werde dich zerfleischen.“ Zorro hechtete los. „Die Weltregierung lässt sich nicht von Verbrechern erpressen!“ „Zorro, was tust du da!“ „Wie ihr wünscht, dann sterbt, wenn euch das lieber ist. Mary Joa wird heute fallen.“ „Du verdammter Kontrollfreak!“ „Zorro, nicht!“ Er packte das Geländer fest mit beiden Händen und sprang hinüber. Auf dieser Seite mochte es nicht Kilometer in die Tiefe gehen, aber doch noch tief genug. Er hörte Jiroushin über sich brüllen, aber dafür hatte er jetzt keine Zeit mehr. Er hatte keine Zeit, unzählige Treppenstufen nach unten zu laufen. Er musste jetzt handeln, jetzt! Im freien Fall lag sein Blick kurz auf Dulacre und dessen Gegnern, Admiral und Generalkommandant, dann richtete er seine Aufmerksamkeit auf den immer näherkommenden Steinboden. Es war niemand da, der ihn hätte auffangen können, so wie Robin und Lysop es sonst getan hätten. Er war auf sich gestellt, aber er konnte seinen Sturz auch nicht mit einer Druckwelle abschwächen, nicht ohne wohl eine Vielzahl der bewusstlosen Soldaten auf dem Platz zu verletzen oder Schlimmeres. Sich mit voller Wucht mit den Beinen abzufangen, schien ihm auch nicht eine besonders kluge Idee, aber er hatte seine Zweifel, dass er sich elegant würde abrollen können. Das schien jedoch seine einzige Möglichkeit zu sein. Im nächsten Moment konnte er nur noch gerade rechtzeitig seine Arme hochreißen, ehe eine Druckwelle ihn nach hinten riss. „Urgh!“ Wie ein unfreiwilliger Propeller wirbelte er mehrmals um die eigene Achse, krachte dann mit voller Wucht kopfüber ins Schloss hinter sich. „Oh, verdammt!“ Was tat er sich hier nur an? Hustend drehte er seinen Kopf, schmeckte Mörtel und Staub, konnte nur sehen, wie die Gestalten irgendwo weit vor ihm verkehrtherum umhersprangen, während Kräfte aufeinanderprallten. „Du Vollidiot“, murrte er und grub seine Arme aus dem Stein. Immerhin hatte die Schockwelle seinen Sturz abgefedert, ohne die Soldaten auf dem Boden unnötig zu gefährden. Putz bröckelte auf ihn nieder und endlich konnte Zorro seine Beine aus der Mauer befreien und sprang die verbleibenden Meter hinunter. Er hatte gerade beide Füße wieder fest auf dem Boden, da schoss ein lilaweißer Blitz an ihm vorbei und krachte hinter ihm in die Mauer des Schlosses. Stöhnend regte Fujitora sich im Stein, Blut rann ungehindert seine Schläfe hinab, dennoch kämpfte er sich aus der Mauer, nur um dann auf ein Knie zu sinken. Zorro beobachtete für einen Moment, wie er schwer atmend versuchte, sich wieder aufzurichten. „Wo ist Sakazuki, wenn man ihn mal braucht?“, murrte er leise zu sich selbst. „Wer hätte gedacht, dass Cipherpol sich selbst jetzt noch nicht rührt. Wie sollen alte Männer wie wir ihn aufhalten, wenn wir nicht richtig kämpfen können, während er…“ Er stockte und sah in Zorros Richtung, beziehungsweise, sein Kopf zuckte in Zorros Richtung und die blinden Augen weiteten sich. „Ich kenne dich“, murmelte er. „Ich erkenne dich, wir haben auf Dress Rosa die Klingen gekreuzt.“ Fujitora machte zwei taumelnde Schritte auf ihn zu, sein rechtes Bein schien sein Gewicht kaum tragen zu können. „Einen schönen guten Tag“, grüßte Zorro ihn mit einem Grinsen. „Schön? Gut?“, wiederholte der Admiral, zeigte jedoch auch ein Schmunzeln. „Nur ein Monster würde so etwas wohl sagen, in Anbetracht der Gefahr, der wir ausgeliefert sind.“ Zorro hob nur eine Augenbraue an. „Ich würde diese Runde aussetzen, Fujitora.“ „Und einem Verbrecher die Verteidigung Mary Joas überlassen?“ „Ich sag‘s ja, ein schöner Tag.“ Der Admiral lachte laut auf, doch Zorro wartete seine Antwort nicht mehr ab, sondern rannte los. Er konnte Lysop in seinen Ohren hören, der ihm zubrüllte, ob er denn wahnsinnig wäre, während Zorro geradewegs auf einen Kampf zwischen Generalkommandant und Samurai zu rannte, über ihm lauter Donner und grelle Blitze, die immer wieder einen starken Kontrast zu dem seltsamen düsteren, gelben Licht des Tages setzen, welches mittlerweile über Mary Joa hereingebrochen war. Was tat er hier überhaupt? Warum auch immer musste er fast drei Jahre zurückdenken, an den Tag, als Ruffy ihn gefunden hatte. Hätte er damals geglaubt, dass er ein paar Jahre später über den Vorplatz Mary Joas hechten würde, um den Samurai Falkenauge – der zu diesem Zeitpunkt sich auf den offiziellen Titel als Zorros Sozius etwas einbildete – davon abzuhalten die Weltregierung zu stürzen? Wohl eher nicht. Nein, ganz bestimmt nicht. Nun, da der Generalkommandant alleine gegen Dulacre kämpfte, zeigte sich sein Alter, oder vielleicht hatte es nichts mit dem Alter zu tun, Zorro wusste es nicht. Aber es war offensichtlich, dass dieser Kampf nicht mehr ewig dauern würde. Aber konnte das wirklich sein? Konnte es wirklich sein, dass es hier niemanden gab, der Dulacre gewachsen war? Hier im Heiligen Land? Hier oben herrscht immer ein falsches Gefühl der Sicherheit. Wer hätte gedacht, dass Cipherpol sich selbst jetzt noch nicht rührt. Irgendetwas schien hier vor sich zu gehen. Auf der anderen Seite wusste er auch, dass das Auftreten einer einzigen Piratencrew, die des roten Shanks, ausgereicht hatte, um einen Krieg zu beenden. Vielleicht gab es also wirklich nur ein paar wenige Menschen, die da oben an der Spitze noch mithalten konnten. Vielleicht konnten diejenigen wenigen hier aber auch nicht so kämpfen, wie sie wollten, ohne dass die Heilige Stadt in Mitleidenschaft gezogen werden würde. Mit einem Schnauben entschied Zorro, diese Gedanken zu ignorieren. So oder so würde er mit Dulacre noch nicht mithalten können, aber das hieß noch lange nicht, dass er es nicht versuchen… „Oi!“ Im letzten Moment sprang er zur Seite, wäre beinahe vom Generalkommandanten abgeschossen worden, als dieser nun durch die Luft flog. „Oh, Scheiße!“ Er hatte es doch gewollt, oder nicht? Deswegen war er doch hier, um Dulacre aufzuhalten, bevor dieser noch mehr Schaden anrichten konnte, warum also jagten diese Augen ihm nun einen kalten Schauer über den Rücken? Hatte er etwa… Angst? Fast langsam glitten die scharfen Falkenaugen auf ihn und Dulacre neigte den Kopf zur Seite. Er hatte noch nicht mal sein Schwert gezogen. Ein Schwertkämpfer, der noch nicht mal sein Schwert gezogen hatte im Kampf gegen einen Admiral und den Generalkommandanten der Marine. Nein, was Zorro spürte, war keine Angst, es war die pure Erregung. Er wollte so sehr gegen ihn kämpfen! Nur noch wenige Meter trennten ihn von seinem ehemaligen Lehrmeister, als er stehen blieb. Auf den ersten Blick sah Dulacre nicht wirklich anders aus als sonst – wenn man davon absah, dass er sein Kampfoutfit trug, was Zorro in den vergangenen Jahren eher selten gesehen hatte – und doch hatte er etwas Unbekanntes an sich, was Zorro nicht ganz einschätzen konnte. Er musste sich zügeln. Er war noch nicht bereit, mit diesem Dulacre mithalten zu können, ganz gleich wie sehr er wollte. Zorro musste seine eigene Gier unterdrücken, sonst würde er Dulacre nur noch anstacheln und er hatte absolut nicht vor, heute hier draufzugehen. „Hey“, murrte er und rieb sich den Nacken, zwang seine Muskeln, sich zu entspannen, auch wenn die Luft vor Energie pulsierte, „wie besprochen habe ich durchgehalten, bis du gekommen bist. Also lass uns jetzt gehen, Dulacre.“ Einen unglaublich langen Moment sah der andere ihn an und kam dann auf ihn zu, über ihnen brodelten die Wolken, aber die waren Zorro ehrlicherweise gerade ziemlich egal. „Nein“, entgegnete Dulacre gefährlich unterkühlt und schritt an Zorro vorbei, ehe er schließlich stehen blieb. „Ich habe sie gewarnt und sie wollten nicht hören. Jetzt muss ich mein Versprechen auch wahrmachen, sonst würde mein Wort seinen Wert verlieren; Mary Joa wird heute fallen.“ „Du hast den unterirdischen Hafen wenige Tage vor der Reverie zerstört, reicht das nicht als Botschaft?“ Er musste vorsichtig mit dem anderen umgehen. Etwas sagte Zorro, dass er ihn nicht einfach zurechtstutzen sollte, wie sonst auch. Er hatte das sichere Gefühl, dass Dulacre an einer Schwelle stand, über die Zorro ihn nur zu leicht schubsen konnte, wenn er nicht aufpasste. Und seine eigene Gier machte es ihm nicht wirklich leichter. „Aber du bist nur wegen mir hergekommen, oder nicht? Du wolltest meine Freilassung, oder nicht? Hier bin ich. Es gibt keinen Grund, weiterzukämpfen. Lass uns gehen.“ „Willst du mir etwa vorschreiben, was ich zu tun habe?“, warnte Dulacre, ohne ihn überhaupt anzusehen, und Zorro merkte, wie er langsam die Geduld verlor. Wie sollte er ruhig und besonnen mit diesem Mistkerl diskutieren, wenn dieser ihn so sehr aufregte? „Ich versuche, dich an deine eigenen Prinzipien zu erinnern“, knurrte er. „Du hast, was du wolltest, ich bin hier. Ein weiterer Kampf wäre Zeitverschwendung, hier ist eh niemand mehr, der dich unterhalten könnte, oder nicht?“ „Mhm“, machte der andere zustimmend und die Luft wurde etwas leichter. Dulacre wirkte nachdenklich, als hätten Zorros Worte ihn tatsächlich erreicht. Dann starrten ihn diese gelben Augen an, wirkten fast noch greller als sonst in diesem gelben Licht. „Falsch!“ Oder auch nicht. „Einen gibt es noch!“ „Argh!“ Hart schlug Zorro auf, Stein barst unter seinem Körper und sämtliche Luft wurde aus seinen Lungen gepresst. Alles, was er sah, waren diese grellen, gelben Augen, viel zu nah an seinem Gesicht, als der andere ihn mit einer Hand am Hals in den Boden drückte. Er hatte es nicht mal gesehen, hatte es weder gesehen noch schnell genug reagieren können. Dabei hatte er doch mit einem Angriff rechnen müssen. „Verdammte… Scheiße!“, krächzte er. Für einen Moment war er nicht aufmerksam gewesen und gewohnheitsgemäß bestrafte sein ehemaliger Lehrmeister solche Fehler sofort. „Wehr dich, Lorenor“, raunte Dulacre an seinem Ohr, „unterhalte mich.“ „Ach, leck mich doch!“, knurrte er, packte Dulacres Arm mit beiden Händen und trat zu! „Urgh!“ „Das war zu offensichtlich. Ich dachte, ich hätte dich besser unterrichtet.“ „Ha… ah…“ „Keine Sorge, gebrochen ist es nicht, aber ich würde es in dieser Position nicht unbedingt bewegen, sonst geht noch was kaputt.“ Böse grinste er hinab, seine Augen weit aufgerissen. „Das wird das Kämpfen für dich etwas erschweren, nicht wahr? Aber du wirst mir doch trotzdem einen interessanten Kampf bieten, oder, Lorenor?“ Die Frage war also, war dies nur Falkenauge, nur Dulacres erwachte Blutgier, oder hatte er bereits die Kontrolle aufgegeben. Zorro konnte es nicht unterscheiden, während er eine Hand in seinen Oberschenkel grub. „Du… du Mistkerl!“ Sein Knie brannte höllisch und er schien es nicht wie gewohnt bewegen zu können. Irgendetwas in seinem Körper hatte laut geknackt, nein, es war eher ein Knall gewesen. Aber warum tat es so weh, während der Samurai sein Knie mit dessen Bein in Position hielt? Zorro hatte das ungute Gefühl, dass der Schmerz zunehmen würde, sobald der Druck von seinem Knie genommen werden würde. Wie sollte er nur mit Dulacre mithalten können? Dieser stierte ihn immer noch so intensiv an. „Ich mag deinen Blick, Lorenor, tut es weh? Bist du überrascht, wie weh es tut? Dabei bist du doch so hart im Nehmen.“ Natürlich, der perfekte Stratege, der nahezu perfekte Schwertkämpfer. Dulacre konnte Hakiströme und Energiefluss wahrnehmen, konnte jede Stärke und Schwäche einem Körper ansehen. Er wusste mit Sicherheit genau, wie er die größtmöglichen Schmerzen bei minimaler Schädigung zufügen konnte, gerade bei Zorro, den er fast täglich über zwei Jahre beobachtet hatte. „Nun sag mir, Lorenor, was geht dir durch den Kopf?“, säuselte der andere und lehnte seine Stirn gegen Zorros. „Fragst du dich, wie du je zu mir aufholen kannst? Beeindruckt es dich, dass ich all deine Stärken und Schwächen kenne? Sag mir, mein lieber Sozius, hast du Angst? Fürchtest du dich vor mir?“ „Dulacre“, entgegnete er mit kratzender Stimme, da der andere ihm immer noch die Kehle zudrückte, „machst du gerade ernst?“ Offensichtlich überrascht zuckte der Samurai etwas zurück und neigte leicht den Kopf. Es war vergebens, Zorro konnte sich nicht zurückhalten. „Wenn du mich beeindrucken willst, dann hör auf mit mir zu spielen und mach verdammt noch mal ernst!“ Breit grinsend sah er zu ihm auf, ließ das Handgelenk des anderen los und legte seine Hand gegen Dulacres Hals, direkt unter dessen Kiefer, konnte dessen Herzschlag pulsieren spüren. „Du magst mich besiegen können, töten können, aber du wirst mir keine Angst machen. Glaub mir, mein lieber Sozius, ganz gleich was du tust, du wirst mich nicht brechen. Also halte dich nicht zurück, denn ich halte dich aus.“ Dulacre sah ihn an, drückte seinen Kiefer etwas mehr gegen Zorros Daumen, sodass er ihm fast die Halsschlagader abdrückte, gleichzeitig kostete es Zorro fast all seine Kraft, diesem Druck standzuhalten. „Große Worte, Lorenor. Dann lass uns sehen, was als erstes bricht, mein Kampfeswille oder dein Körper.“ Zorro hätte am liebsten irgendetwas Schlaues geantwortet, aber dafür fehlte ihm der Atem, als Dulacre ihn am Hals hochhob und dann durch die Gegend warf. Bevor er irgendwo gegen prallen konnte, riss der andere ihn an den Haaren zurück und warf ihn in die Luft, gab ihm keine Sekunde seine Gedanken zu sortieren. Er verhärtete seine Arme und kreuzte sie schützend über sich. „Falsche Entscheidung!“ „Urgh!“ Dulacres Knie grub sich in seinen Rücken, nur zwei-drei Zentimeter weiter nach rechts und er hätte Zorros Wirbelsäule zerbersten lassen, so merkte er nur, wie ein paar Rippen nachgaben. „Na, komm schon. Wehr dich doch mal, ich habe noch nicht mal Yoru gezogen.“ „Ah!“ Mit voller Wucht schlug Dulacre von oben auf seine Arme, Zorros Haki brach und er knallte zurück auf den Boden. Schwer atmend erhob er sich. Vor ihm stand der andere, die Arme verschränkt, die Augenbrauen spöttisch hochgezogen, hatte noch nicht mal seinen beschissenen Hut verloren. Wie konnte es sein, dass er jetzt noch so viel unbezwingbarer wirkte als während ihrer ersten Auseinandersetzung? Zorro schmeckte Blut. Da hatte er sich ja was vorgenommen. Wie sollte er ihn nur aufhalten? Bereits jetzt brannte sein ganzer Körper und er konnte sein linkes Knie nicht belasten, bei jeder kleinsten Bewegung jagte ein sengender Schmerz durch sein Bein. Vermutlich war was ausgerenkt, er wusste es nicht. Dulacre beobachtete ihn aufmerksam. „Na, worüber denkst du nach? Suchst du eine Strategie? Fragst du dich, wie viel dein Körper noch aushalten kann? Nun komm schon, unterhalte mich noch etwas. Solltest du mich langweilen, werde ich vielleicht doch die Heilige Stadt aufsuchen, das wolltest du doch verhindern.“ „Du Mistkerl.“ Zorro spuckte Blut zu Boden und rieb sich mit dem Ärmel über den Mund. „Kämpfe gegen mich, weil du es willst, nicht weil du mich für das kleinere Übel hältst.“ Nun grinste der Samurai und Zorro erkannte das Grinsen, er hatte es fast vergessen, erinnerte sich kaum an jenen Moment, hatte immer noch Erinnerungslücken durch die damalige Gehirnerschütterung. Aber gerade sah Dulacre ihn so an, wie während ihres ersten richtigen Kampfes vor wenigen Wochen. Also war das da vor ihm nur Falkenauge, nicht mehr als Dulacres Blutgier, und trotzdem hatte Zorro kaum eine Chance. „Noch bist du aber nur ein kleineres Übel und noch ist das hier kein Kampf, sondern nur das Zurschaustellen meiner absoluten Überlegenheit.“ Langsam schritt Dulacre auf ihn zu. „Also gut, wie wäre es mit einer Abmachung? Biete mir einen interessanten Kampf und ganz gleich wer von uns zuerst bricht, ich verspreche, nach diesem Kampf Mary Joa nicht zu überfallen.“ Zorro hatte seine Zweifel, dass der andere in der Lage sein würde, sich an dieses Versprechen zu halten, aber immerhin gab es nun einen Weg, der machbar schien. Außerdem würde er nun endlich die Chance bekommen, herauszufinden, wie stark Dulacre wirklich war. Endlich würde er ihn mal richtig in Aktion erleben. „Tze, meinetwegen“, murrte Zorro und zog sein Schwert, „ich nehme deinen Vorschlag an.“ „Sehr gut.“ „Aber Dulacre“, Zorro richtete Wado-Ichi-Monji auf ihn, „wenn du einen echten Kampf mit mir willst, brauchst du nicht mit solchen lächerlichen Spielchen zu kommen. Sag einfach Bitte.“ Dulacre nahm seinen Zahnstocher vom Hals. Es kratzte etwas an Zorros Stolz, aber gleichzeitig wusste er genau, dass er nur so überhaupt die kleinste Chance hatte, zu überleben. „Bitte.“ „Arroganter Mistkerl!“ Stahl prallte auf Stahl. „Nur ein Schwert, Lorenor?“ Er rutschte über den Boden, krallte eine Hand in den Stein, um sein Bein zu entlasten. Obwohl er all sein Haki auf Arme und Schwert konzentriert hatte, hatte er Dulacres Angriff mit voller Wucht abbekommen. Er musste aufpassen, hätte er eine Sekunde länger gegengehalten, wäre das übel für ihn ausgegangen. Sein Bein tat weh, verdammt, es brannte wie die Hölle. Schnaufend richtete er sich auf. „Naja, du hast doch auch nur den Zahnstocher genommen. Wir beide wissen, dass ich dich derzeit noch nicht besiegen kann, aber wenn alles, was du willst, ein interessanter Kampf ist, na, den kann ich dir bieten.“ „Ich bitte darum.“ Zorro griff an. Seine Bewegung war durch das angeknackste Bein eingeschränkt, aber davon ließ er sich nicht aufhalten. Er musste schneller sein, als er war, stärker sein, als er war, klüger sein, als er war. Wenn er auch nur die geringste Chance haben wollte, die nächsten Angriffe zu überleben, musste er auf der Stelle besser werden, als er jetzt noch war. Er sprang zur Seite und schlug zu, doch Dulacre hielt problemlos mit. Zorro warf den Kopf nach hinten, spürte wie die Schnittwelle seine Wange und Nasenspitze aufriss. Mit einer Hand fing er sich ab, wagte nicht sein kaputtes Knie zu belasten. Griff wieder an. „Du musst schneller werden“, lachte Dulacre, „deine Beine sind immer noch zu plump. Oh, Entschuldigung, natürlich meinte ich dein Bein.“ Hart schlug Metall auf Metall. „Du“, knurrte Zorro, sprang zurück und setzt wieder nach vorne, „bist nicht mehr mein Lehrmeister. Also hör auf, dich so aufzuspielen!“ Er duckte sich unter Dulacres Arm hinweg, packte sein Handgelenk und warf ihn über seine Schulter. Zumindest war das sein Plan gewesen, aber so einfach machte es der andere ihm nicht. „Zu! Langsam!“ „Uff!“ Dulacre trat ihm in den Bauch und Zorro krachte mehrere Meter entfernt auf den Boden. Er hatte keine Zeit, nach Atem zu ringen, sprang zur Seite, gerade rechtzeitig, um der kleinen Klinge zu entgehen. Im nächsten Moment parierte Dulacre seinen Angriff und schleuderte ihn wieder hoch in die Luft. Doch dieses Mal war Zorro vorbereitet, ließ sich nicht aus dem Gleichgewicht bringen, und nutzte die Schwerkraft zu seinen Gunsten, als er auf den anderen zuraste. Dulacre wich zur Seite, doch Zorro hatte das erwartet, federte mit einem Schwertstreich seinen Sturz ab und nutzte den Schwung, um dem Samurai hinterherzueilen. Er holte zum Schlag aus, doch Dulacre blockte ihn problemlos. „Ich sag’s ja, du bist zu… Hng!“ Er hatte es geschafft. Beinahe überrascht sahen sie einander an, als sich Zorros verhärteter Stiefel fast schon zufällig in Dulacres Wange bohrte. Dann stolperte Dulacre ein paar Schritte zurück, kämpfte um sein Gleichgewicht, während Zorro zu Boden krachte. Sein ganzer Körper zitterte und bebte, bat ihn um einen Atemzug Pause. Doch dafür hatte er keine Zeit. Mit beiden Händen katapultierte Zorro sich in die Höhe, wirbelte um die eigene Achse, zog seine Schwerter, musste diesen Moment nutzen. Er wich Dulacres Schwerthieb aus und griff an! Stahl prallte auf Stahl! Klinge um Klinge! Kitetsu wurde ihm aus der Hand gerissen, das einkalkulierte Opfer für den Dolch, Shuusui ließ er zur Verteidigung los, als er sich unter Yoru hinweg beugen musste, welches sich plötzlich einmischte. Sprang zurück, griff an. Wado-Ichi-Monji wehrte die stärkste Waffe der Welt ab und dann war sie da, die Lücke, nicht nur zufällig, nicht nur aus Versehen, sondern bewusst provoziert. Er sah den erstaunten Blick des anderen und dann schlug Zorro zu. Aufgrunzend schlugen sie gleichzeitig auf Stein auf. Schnaufend und nach Atem ringend kämpfte er sich auf sein stabiles Bein. Wo waren seine Schwerter? Verdammt, sein ganzer Körper tat weh. Es war noch nicht so schlimm, wie damals auf Kuraigana, aber lange würde er nicht mehr durchhalten. „Ahahahahaaaah…“ Ein kalter Schauer lief über Zorros Nacken. Vor ihm richtete sich Dulacre zur vollen Größe auf und lachte kehlig, seine Wange gerötet. Zu seinen Füßen lag der hässliche Hut mit der hässlichen Federboa. „Darauf habe ich gewartet, endlich ein interessanter Gegner. Los komm, Lorenor, greif mich noch mal an, unterhalte mich. Kämpfe, genauso, aber dieses Mal leg noch etwas mehr Kraft in deinen Tritt und verhärte deine Rüstung so sehr du kannst, wenn du so freundlich wärest.“ Plötzlich verhallte sein Lachen und sein Blick wurde ernst, während er Zorro begutachtete und langsam Yoru wieder in seine Halterung steckte. „Oh, ich verstehe. Mein Vergehen, du hast dein Limit schon erreicht, nicht wahr, Lorenor?“ „Ist das… so offensichtlich?“, lachte Zorro und rieb sich erneut Blut vom Gesicht. „Aber ein Angriff sollte schon noch… ARGH!“ „Welch eine Enttäuschung, dabei hatte es gerade angefangen, mir Freude zu bereiten.“ Sein Magen! Seine Rippen! Zorro wollte sich vor Schmerzen krümmen, aber er konnte sich nicht bewegen. Mit einem Fuß stand Dulacre auf seinem Brustkorb, drückte mit seinem anderen Bein Zorros zu Boden und kniete so auf ihm, zu ihm hinabgebeugt, sein Gesicht viel zu nah an Zorros. Er versuchte, seine Hände zu bewegen, aber Dulacre hatte sie zu fest in den Stein hinter ihm gedrückt, mit nur einer Hand, erlaubte Zorro nicht, sich zu bewegen. Seine Schultern knacksten unter der Verrenkung. Zorro rang nach Atem, aber es war schwierig mit diesen kalten Fingern erneut um seinen Hals. Nicht in der Lage, auch nur irgendetwas zu tun, starrte er in diese gelben Augen. Wenn Dulacre doch Haki verwenden würde, dann könnte Zorro ihm dringend benötigte Energie absaugen, aber natürlich tat dieser Mistkerl nichts dergleichen. Nun seufzte er leise: „Schade, Lorenor. Es scheint, als hätte dein Körper doch zuerst nachgegeben. Dabei hat es gerade angefangen, mir Spaß zu machen.“ „Wirst du… dich zurückziehen?“, fragte Zorro atemlos, hielt diesem Blick stand, obwohl die Enttäuschung Dulacre ins Gesicht geschrieben stand. „Das war unsere Vereinbarung, nicht wahr?“ Der Kampf war also interessant für dich? „Dennoch tut es mir leid, schließlich werde ich dich jetzt töten müssen.“ Warum er das musste, erklärte er nicht, doch fast schon bedächtig nahm er seine Hand von Zorros Hals, erlaubte ihm, endlich zu atmen. „Eine Schande, dass du noch nicht so weit bist. Ich hätte dich gerne in voller Blüte erlebt.“ „Ich bin doch kein verdammter Baum“, lachte Zorro kehlig auf, ehe er ernst zu seinem ehemaligen Lehrmeister hinaufsah. „Tut mir ja leid, dass ich noch nicht stark genug bin. Aber hoffentlich war ich dennoch keine Zeitverschwendung.“ Beinahe zärtlich legte Dulacre seine Hand an Zorros Kinn, streichelte ihm mit seinem Daumen über die Wange, und lehnte seine Stirn gegen Zorros. „Nein, das warst du nicht, mein Sozius.“ „Na immerhin etwas.“ „Ja, immerhin etwas“, flüsterte Dulacre, während er seine Hand hob und seine goldenen Augen ungewohnt schimmerten; über ihnen donnerte es. „Wir sehen uns im nächsten Leben, mein kleiner Wildfang.“ Ruffy! „Tu’s nicht!“ Zorro konnte die Fingerspitzen des anderen in seiner Brust spüren, fühlte die Fingernägel in seinem Fleisch, aber es war nicht tief, noch nicht tief genug. Viel schockierender waren jedoch die weit aufgerissenen Augen kaum eine Nasenspitze über Zorro, die ihn anstarrten, aber nicht sahen. „Bitte, Hawky, tu es nicht!“ Der Druck auf Zorros Stirn ließ nach, als Dulacre den Kopf hob. Irgendwo direkt hinter Zorro musste Jiroushin stehen, aber er selbst konnte nicht viel mehr sehen als Dulacres Oberkörper. „Jiroushin“, murmelte dieser immer noch so unglaublich ruhig. „Was tust du hier?“ „Dich davon abhalten etwas zu tun, was du bereuen würdest.“ Er klang… verzweifelt, ja, Jiroushin klang so, als würde er weinen. „Das hier ist doch nicht mehr notwendig, Hawky. Sieh es doch ein, du hast alles, weshalb du hergekommen bist. Du hast deinen Worten Taten folgen lassen, hast Zorro zurück und du hast auch noch einen Kampf bekommen. Reicht es jetzt nicht? Sag mir, reicht es nicht? Was willst du noch?“ Dulacres Kopf nickte zur Seite. „Willst du mir nun Befehle erteilen, Jiroushin?“ „Nein, wer könnte dir schon Befehle erteilen, mein Käpt’n? Aber sage mir, war ich nicht immer deine Stimme der Vernunft? Hast du nicht meinen Worten vertraut, wenn du deinen eigenen Gedanken nicht mehr vertrauen konntest? Und ich frage dich, ist es das, was du wirklich willst? Das Leben des einen Mannes auszulöschen, den du über alles liebst, hier und jetzt? Den zu töten, der dir vielleicht eines Tages den Kampf bietet kann, nachdem du dich schon Zeit deines Lebens sehnst? Du wirst nie wieder gegen ihn kämpfen können, ihn nie wieder lachen hören, nie wieder seine Stimme hören, willst du das wirklich?“ Langsam sah Dulacre zu Zorro hinab, er atmete schwer, als würde er einen unsichtbaren Kampf ausfechten, der ihn deutlich mehr forderte als Zorro bisher und Zorro wagte nicht, sich zu bewegen. „Aber… aber…“ „Deine Blutgier ist erwacht.“ Jiroushin klang ruhig, gefasst. „Du hast gekämpft, aber das reicht dir nicht, nicht wahr?“ Immer noch sah Dulacre Zorro an, ehe er wieder zu Jiroushin aufschaute. „Dann komm her, Hawky, hol dir dein Blut.“ „Warte, Nei… Urgh!“ Für einen Moment wurde der Druck auf Zorros Abdomen unglaublich stark und dann war er plötzlich weg. Ein lautes Donnergrollen hallte über den Platz. Zorro rollte sich auf den Bauch, als seine Beine ihn nicht tragen wollten, und griff nach dem anderen, aber natürlich war er zu spät. Nur wenige Meter vor ihm stand Dulacre und direkt vor ihm wohl Jiroushin, von dem Zorro kaum mehr als die Stiefel sehen konnte. „Schon okay, Hawky. Ich nehme es dir nicht übel.“ Eine Hand griff Dulacres Hinterkopf. „Und wenn du wieder bei Sinnen bist, erinnere dich an meine Worte: Hasse dich nicht für das, was du bist und was du getan hast.“ „Dulacre, nicht!“ „Danke, dass du mein Freund warst. Danke, dass du einem Angsthasen wie mir die Welt gezeigt hast, und jetzt darf ich sogar durch die Hand des besten Schwertkämpfers der Welt sterben. Welche größere Ehre könnte es für einen Schwertkämpfer der Marine wie mich geben?“ Der Samurai packte grob Jiroushins Schulter, woraufhin der Vizeadmiral scharf Luft holte. Tränen tropften zu Boden. „Verdammt nochmal, Dulacre! Jetzt reiß dich zusammen, du Mistkerl!“ Zorro versuchte, sich aufzurichten, doch sein Knie wollte sich nicht beugen. Er stürzte zurück zu Boden. „Jiroushin…“ „Leb wohl, mein Freund.“ Dulacre hob seine andere Hand und dann fielen die ersten Regentropfen.   Kapitel 42: Kapitel 42 - Aufbruch --------------------------------- Kapitel 42 – Aufbruch   -Zorro- „Verdammt nochmal, Dulacre! Jetzt reiß dich zusammen, du Mistkerl!“ „Jiroushin…“ „Leb wohl, mein Freund.“ Dulacre hob seine Hand. Ein Tropfen fiel zu Boden. „Als könnte ich dich töten.“ „Was?“ Ein weiterer Regentropfen fiel auf Zorros noch ausgestreckte Hand. „Als könnte ich den einzigen Menschen auf der Welt, der ein Monster wie mich stets als Freund akzeptiert hat, töten.“ „Hawky?“ Dann zog Dulacre Jiroushin in seine Arme. Schwer atmend hockte Zorro auf dem Boden, verstand nicht, was hier vor sich ging, während Dulacre vor ihm Jiroushin im Arm hielt, der sich nicht regte und den Samurai aus dem Augenwinkel misstrauisch beäugte. Versiegende Tränen rannen noch sein Gesicht hinunter und ganz langsam hob Jiroushin seine Hände und klopfte Dulacre fast schon zaghaft auf den Rücken. Als hätte seine Berührung irgendetwas ausgelöst, sank Dulacre auf die Knie, sämtliche Spannung aus seinem Körper verschwunden. Yoru rutschte aus seiner Halterung heraus und schepperte zu Boden. „Hey… hey Hawky, was ist denn los?” Jiroushin versuchte, ihn festzuhalten und ging mit ihm in die Hocke, griff ihn an beiden Schultern. „Was hast du?“ Mühsam brachte Zorro sich in eine sitzende Position, gab es auf, sich hinstellen zu wollen. Kaum zwei Meter vor ihm und doch gefühlt unerreichbar holte Dulacre zittrig Luft. Dann hob er den Kopf. „Ich danke dir, Jirou, mein Freund.“ Und dann bebten Jiroushins Lippen und neue Tränen bahnten sich ihren Weg. „Oh, Hawky!“ Im nächsten Moment stürzte er sich auf den Samurai und begann bitterlich zu weinen. „Ich bin ja so froh!“ Zorro saß einfach nur da, während einzelne Regentropfen auf ihn fielen, und starrte die beiden an, verstand nicht wirklich, was gerade passierte und warum Jiroushin wie ein Schlosshund heulte, obwohl sie sich doch gerade mitten auf einem Schlachtfeld in feindlichem Gebiet befanden. „Könnte mir mal jemand erklären, was los ist?“ Überrascht schauten ihn beide Männer an, Dulacre beinahe ausdruckslos, Jiroushin immer noch am Heulen, während Zorro nach Wado-Ichi-Monji griff und es zurück in dessen Scheide steckte; die anderen Schwerter lagen außerhalb seiner Reichweite. „Ich komm nicht mehr mit.“ Einen Moment sahen die beiden anderen einander an, dann wandte Dulacre sich ihm zu und schenkte ihm ein herablassendes Schmunzeln. „Als wäre das bei dir eine Überraschung, Lorenor.“ Zorro konnte es ganz deutlich sehen, konnte es in seinen Augen sehen. „Du hast dich wieder unter Kontrolle?“, murmelte er, woraufhin Dulacre nickte und sich schwerfällig erhob, Jiroushin tat es ihm gleich. „Ja, dank Jiroushin, ich kann endlich wieder klar denken.“ Dulacre hob sein Schwert hoch, dann sah er zu Zorro hinab. „Was hockst du da noch so unglücklich auf der Erde, Lorenor? Es ist an der Zeit für uns zu gehen.“ „Du bist ja lustig“, knurrte Zorro. „Du Mistkerl hast irgendetwas mit meinem Knie gemacht, ich kann es kaum bewegen.“ Die Augen des anderen weiteten sich für einen Moment. „Ach ja, ich habe deine Kniescheibe verschoben. Ein effektives Mittel, um jemanden am Weglaufen zu hindern.“ „Ja, ganz toll“, murrte Zorro, während der andere sich zu ihm hockte und Yoru neben sie legte. „Aber ist beschissen damit zu kämpfen.“ „Das nanntest du kämpfen?“ „Hör auf dich so aufzuspielen!“ Jiroushin gab Dulacre einen Klaps auf den Hinterkopf und ließ dann Zorros Seesack neben ihm zu Boden fallen, ehe er Zorro seine Schwerter reichte. „Das ist alles deine Schuld, weil du hier wie ein besitzergreifender Wahnsinniger auftauchen musstest. Wie viele Menschen hast du heute umgebracht, Dulacre?“ Mittlerweile tröpfelte es immer mehr um sie herum, bald würde der Regen kommen. „Niemanden“, murrte Dulacre entnervt, der unter Zorros Grunzen sein Bein positionierte. „Was?!“, entkam es Jiroushin. „Aber… aber die Häfen…?“ „Hast du mir nicht zugehört, Jiroushin – Achtung, Lorenor, das wird jetzt etwas wehtun, versuche, dich zu entspannen – ich hatte mich bemüht, besonnen zu handeln. Hätte Kong nicht so irrational reagiert, wäre meine Gier gar nicht erwacht, nicht, dass er es wert gewesen wäre. Aber er hat mich aufgeregt, weil er so getan hat, als wäre meine Forderung unverschämt.“ „Urgh!“ Zorro rammte seine Hände in den Boden, als Dulacre sein Knie wieder richtete. „Du willst mir sagen, dass du die Häfen zerstört hast, ohne auch nur eine Person umzubringen?“ „Natürlich, ich habe wie sonst auch perfekt kalkuliert. Wobei ich keine Verantwortung für herumfliegendes Geröll übernehme, oder was diese Idioten sich antun, wenn sie versuchen, den Schutt beiseite zu räumen. Vom Red Port habe ich auch nur die Gondel zerstört, was hätte es mir auch gebracht, die Stadt anzugreifen? Darf ich das mal bitte?“ Er griff nach Zorros Schärpe und begann, sie um sein Knie und Oberschenkel zu wickeln. „Ich wollte nur sichergehen, so wenig Kollateralschaden wie möglich zu produzieren. Meine Absicht war, Lorenor abzuholen. Ich habe kein Interesse daran, einen Putsch durchzuführen. Weißt du, wie viel Arbeit das zur Folge hätte? Warum meinst du, habe ich diese Schwächlinge dahinten alle bewusstlos werden lassen und Yoru im Kampf nicht gezogen?“ Zorro würde sich gerne am Gespräch beteiligen und betonen, dass Dulacre gegen ihn sehr wohl Yoru eingesetzt hatte, aber er musste sich darauf konzentrieren gegen den Schmerz anzuatmen. Warum auch immer tat dieses Bein mehr weh als der ganze Rest seines Körpers. Was zur Hölle hatte Dulacre damit gemacht?! Kniescheibe verschoben, ja sicher! Jiroushin neben ihnen verschränkte seine Arme und schnaubte laut auf. „Seit wann vermeidest du Tote? Dir ist doch egal, wen du umbringst.“ „Ist es mir auch“, bestätigte Dulacre direkt und betrachtete sein Werk mit einem zufriedenen Nicken, „aber dir nicht. Ich weiß, dass du es nicht magst, wenn ich deine Kameraden grundlos umbringe. Also versuche ich, es zu vermeiden, wenn mir danach ist.“ „Ich mag es generell nicht, wenn du meine Kameraden umbringst, selbst wenn du meinst, einen Grund zu haben“, murrte Jiroushin unbeeindruckt. Mit einem zweiten Nicken richtete Dulacre sich wieder auf, verstaute Yoru sicher hinter seinem Rücken und reichte Zorro eine Hand, um ihn auch wieder auf die Beine – oder eher auf das eine belastbare Bein – zu ziehen. Vorsichtig mutete er seinem Knie Gewicht zu. Es tat weh, aber nichts, was er nicht aushalten konnte, und der Druck des Verbandes tat sein Übriges. Solange dieser Mistkerl eines Samurais nicht wieder auf die Idee kam, mit ihm Tanzen zu wollen, würde es das schon tun. „Außerdem kann Issho dahinten nun allen die atemberaubende Geschichte des friedvollen Kriegers erzählen, der nur wenige Tage vor der Reverie den Untergang Mary Joas und den Tod unzähliger Soldaten verhinderte, indem er geistreich mit dem Samurai Falkenauge aushandelte, dass dieser von seinem Putschversuch absehen würde, zum Preis eines einzigen Gefangenen, nicht wahr, Issho?“ Zorro sah auf, mit klackendem Stock kam der Admiral näher. „Du bist immer noch so gerissen wie früher, Mihawk. Nun gut, meinetwegen, um das Gesicht der Weltregierung zu wahren, werde ich deinem Vorschlag folgen und alles genauso sagen. Aber merke dir für die Zukunft, wir sind nun quitt, nächstes Mal werde ich dir nicht so zurückhaltend gegenübertreten.“ Zorro hatte keine Ahnung, was der Admiral meinte, aber der Samurai neben ihm grinste nur. „Ich bitte darum, Issho. Vielleicht wird es dann mal ausnahmsweise interessant. Anders als der Generalkommandant oder deine anderen Kollegen bist du einer der Wenigen, von denen ich mehr erwarte. Ich wäre arg enttäuscht, wenn das heute Gezeigte schon deine Bestleistung wäre. Schließlich war dieser ganze Kampf nicht viel mehr als eine Schmierenkomödie.“ Ach, war es das? Zorro merkte, wie eine Ader an seiner Schläfe pulsierte, und das lag nicht am Adrenalin der Schmierenkomödie. „Und auch immer noch so arrogant wie früher“, bemerkte der Admiral leichtfertig. „Allerdings muss dir bewusst sein, dass eine Vielzahl von Augen uns gerade beobachtet. Niemand innerhalb dieser Mauern wird deine Erklärung fraglos als die Wahrheit akzeptieren.“ Dulacre zuckte mit den Schultern. „Das müssen sie auch nicht. Es reicht mir, wenn du dich für Jiroushin verbürgst und dies die Wahrheit für die Massen ist. Die Herrschaften dort oben werden die wahre Botschaft auch so verstanden haben.“ „Die da wäre?“, fragte der Admiral nach. „Dass sie nicht noch einmal versuchen sollen, zu nehmen, was mir gehört!“, flüsterte Dulacre mit einem gefährlichen Ton. „Hey, Pfoten weg!“, grummelte Zorro, als der andere einen Arm um seine Hüfte legte und ihn an sich zog. „Und sag nicht so einen Mist!“ „Das nächste Mal werde ich mich nicht aufhalten lassen.“ „Jetzt lass mich los!“, knurrte Zorro und versuchte, sich wegzudrücken, ohne Erfolg. Warum war dieser Mistkerl denn nur so stark? Ebengenannter Mistkerl wandte sich dann einfach um, zog Zorro mit sich, als wäre er nicht mehr als eine Spielzeugpuppe. „Nun gut, ich denke, es ist an der Zeit für uns zu gehen, bevor Sakazuki doch noch eintrifft und die Dinge unnötig kompliziert macht. Jiroushin, meinen Dank. Ruf mich an, wenn alles erledigt ist.“ „Natürlich, passt auf euch auf.“ „Tze, wir beide wissen, dass du wohl den gefährlicheren Teil übernimmst“, murrte Dulacre, trat Zorros Seesack in die Luft und fing ihn mit seiner freien Hand auf. Zorro hingegen vergaß einen Moment, sich zu wehren. Er konnte Dulacre eine Unzufriedenheit anhören, die er nicht erwartet hatte. Aber natürlich hatte er Recht. Jiroushin würde nun seinen Vorgesetzten Rede und Antwort stehen müssen und wahrscheinlich wussten diejenigen sehr genau, was für eine Geschichte den Vizeadmiral mit Falkenauge verband. Leise lachte Jiroushin auf, während der Regen langsam zu prasseln anfing, die Spannung in der Luft löste sich. „Ach, du solltest doch mittlerweile wissen, dass solche Gespräche für dich zwar ein Graus sind, ich sie aber immer unbeschadet überstehe. Und wenn sogar ein Admiral für mich bürgt, dann werde ich nichts zu befürchten haben.“ Dann grinste er Zorro und Dulacre offen an. „Also bis dann, Hawky, Zorro.“ „Bis dann, Jirou.“ „Lass mich…“ Im nächsten Moment sprang Dulacre in die Luft und zog Zorro einfach mit sich. „Hör auf dich zu wehren, Lorenor. Du bist verletzt, nicht, dass du dir noch mehr wehtust.“ „Wessen Schuld ist das wohl?“, murrte Zorro und verschränkte als unfreiwilliger Passagier die Arme, während Dulacre ihn mit einem Arm festhielt und ohne Zögern einfach die Red Line hinabrannte, als würde die Schwerkraft für ihn nicht gelten; eisige Böen und Regentropfen rissen an Worten und Kleidern. „Es tut mir leid, Lorenor“, murmelte Dulacre nach einigen Sekunden, ohne ihn anzusehen, sah beinahe unbekümmert auf den Abgrund unter ihnen, während Zorro ihn anstarrte. Er mochte es einfach nicht, wenn der andere sich bei ihm entschuldigte. „Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Ich hätte dich beinahe getötet, so knapp wie heute war es noch nie. Wäre Jiroushin nicht gekommen, dann hätte ich dich…“ „Hör auf.“ Zorro stieß seinen Ellenbogen in die Seite des anderen. „Hör auf, so einen Stuss zu labern.“ „Aber Lorenor, ich…“ „Ich hatte echt Spaß“, murmelte er dann und sah aufs Meer unter ihnen hinab. „Ganz ehrlich, ich hatte schon echt lange nicht mehr einen solchen Spaß beim Kämpfen wie heute. Es ist der erste Kampf seit Kuraigana, bei dem ich mich nicht zurückhalten musste. Ja, ich bin dir noch nicht gewachsen und es war viel zu kurz, aber verdammt nochmal, hatte ich Spaß. Also wage es nicht, dich dafür zu entschuldigen.“ Er sah zum anderen auf, der immer noch viel zu ernst auf das Meer unter ihnen starrte, tiefe Furchen auf seiner Stirn. „Oder muss ich mich etwa entschuldigen? Konnte ich dich etwa doch nicht unterhalten?“ Der andere sah ihn an und für einen Moment schienen sie in der Luft stehen zu bleiben, als er aufhörte zu laufen. „Sag mir, Dulacre, war der Kampf für dich interessant?“ Nun fielen sie die Red Line hinab, aber alles, was Zorro sehen konnte, waren diese leuchtenden Augen. „Ja, auch ich hatte Spaß.“ „Ich dachte, der ganze Kampf wäre für dich nicht viel mehr als eine Schmierenkomödie gewesen“, hakte er ein bisschen misstrauisch nach, konnte nicht verhindern, beleidigt zu klingen. Dulacre sah ihn kurz mit großen Augen an, dann senkte er beinahe bescheiden den Blick. „Das galt doch nur für diese Geplänkel mit der Marine. Weder Issho noch ich hatten einen ernsthaften Kampf beabsichtigt; das hätte Mary Joa nicht überstehen können – er überdies auch nicht. Deshalb habe ich Ryokugyu und Kong so schnell aus dem Weg geräumt, denn sie hätten einen echten, aber ach so langweiligen, Kampf führen wollen.“ Dann sah Dulacre ihn wieder an und Zorro bekam eine Gänsehaut. „Doch der Kampf gegen dich war nicht geplant, weder als Schauspiel noch als echte Auseinandersetzung. Du musstest ausbaden, dass Kong meine Gier erweckt hat, und das hast du. Du hast so viel mehr als das. Für einen Moment dachte ich wirklich, dass du schon so weit wärest.“ Zorro schluckte, er kannte diese Tonlage des anderen zu gut und er wusste, dass sie allein ausreichen konnte, um Zorros eigenes Monster unruhig werden zu lassen. Gleichzeitig besänftigten diese Worte seine Unzufriedenheit. „Sag mal“, murrte er dann und senkte seinen Blick wieder aufs Meer unter ihnen, welches rasend schnell näher kam, als er diesen Augen nicht länger standhalten konnte, ohne dass seine Gier aufwachen würde, obwohl er sie gerade erst befriedigt hatte, „warum stürzen wir gerade eigentlich die Red Line hinab? Jiroushin sagte, das wäre eine Hinrichtungsmethode.“ Dulacre sah ihn mit hochgezogener Augenbraue an, nerviger Weise – aber auch irgendwie beruhigend – innerhalb von Sekunden erneut so herablassend, wie Zorro ihn kannte. „Warum meinst du, ist diese Methode abgeschafft worden? Als würde so etwas mir gefährlich sein. Nein, einst habe ich sogar ein Wettklettern mit Rothaar abgehalten. Die Red Line zu erklimmen, ist wahrlich kein Kunststück, auch wenn manche Geschichten anderes behaupten wollen.“ „Aha, aber wir fallen gerade und warum höre ich davon jetzt zum ersten Mal?“, murrte Zorro und weigerte sich, beeindruckt zu sein. „Warte mal, kann es sein, dass du verloren hast?“ Der andere entgegnete nichts, sondern starrte auf die Wellen unter ihnen. „Du hast verloren!“ „Tze, er hat geschummelt, hatte einen unfairen Vorsprung.“ „Alles, was ich höre ist, dass du ein schlechter Verlierer bist.“ „Soll ich dich ins Meer fallen lassen?“ Zorro grinste ihn an und nach einer Sekunde seufzte Dulacre und zeigte ebenfalls ein leises Schmunzeln. „Du bist wirklich unmöglich, Lorenor. Nun gut, halte dich gut fest. Wir sind fast da.“ Bevor Zorro auch nur irgendetwas sagen konnte – oder sich festhalten, nebenbei bemerkt – drehten sie sich um die eigene Achse und der andere schickte mit einem Tritt eine Schockwelle Richtung Meer. Durch den Druck schienen sie beinahe in der Luft stehen zu bleiben, als würde Dulacre den Sky Walk des Kochs beherrschen. Im nächsten Moment prasselte Wasser auf sie nieder und bevor Zorro überhaupt wusste, was geschah, prallten sie irgendwo auf. Unfreiwillig an Dulacres Brust gepresst sah Zorro auf das Holz zu ihren Füßen. „Wie erwartet“, feixte Dulacre. „Nun sag mir, wie fühlt es sich an, die Marine zu verraten, Vater?“ Zorro wirbelte herum. Sie standen auf dem Bug eines noch wankenden Marineschiffs, in ihrem Rücken die Red Line, das Deck vor ihnen mit Soldaten gefüllt und mit ihnen am Bug stand Mihawk Gat in seinem weißen Marinemantel. „Oh, verdammt“, murmelte Zorro. „Keine Sorge, Lorenor. Diese Soldaten sind nicht hier, um gegen uns zu kämpfen – nicht, dass sie auch nur den Hauch einer Chance hätten – sie sind auf meinen Wunsch hier.“ „Was?“ Fassungslos starrte Zorro den anderen an. Was meinte er bitte damit? Auf seinen Wunsch? „Aber das sind Marinesoldaten und wir sind Piraten.“ Nun zeigte Dulacre ihm sein typisches Schmunzeln. „Natürlich, aber auch, wenn die Anwesenden uns verachten, so haben alle Soldaten unter der Führung meines Vaters eines gemeinsam. Sie stammen von meinen Inseln und mein Name bietet ihnen und ihren Familien Schutz. Ob sie wollen oder nicht, sie werden dir helfen, genauso wie dieser Nichtsnutz eines Vaters.“ Zorro folgte den Falkenaugen und sah in die vielen verbitterten Gesichter, verstand, dass Dulacre all diese Soldaten gerade dazu zwang, Hochverrat zu vergehen. „Du hast mir ja keine Wahl gelassen, mein Sohn. Wie du nur zu gut weißt, muss ich als Mitglied der Familie Mihawk den Befehlen des Familienoberhauptes Folge leisten, und deine übermittelte Botschaft war eindeutig. Du wolltest, dass ich meine Reputation beschmutze, um dir zu helfen.“ Für einen Moment hatte Zorro keine Ahnung, was hier vor sich ging, doch dann sahen die vergilbten Augen ihn an und Zorro erinnerte sich an sein letztes Gespräch mit dem alten Mann, als dieser ihn zu den fünf Weisen gebracht hatte, und an die Worte, die Dulacre ihm eingetrichtert hatte zu sagen. Herr Eizen ist ein vielbeschäftigter Mann, ich wollte nicht, dass es auf ihn zurückfällt, falls ich keinen guten Eindruck vor den fünf Weisen hinterlassen sollte. Aber Sie scheuen sich nicht davor das Risiko einzugehen, dass es auf mich negativ zurückfällt? Mir scheint, mein Sohn hat keinen guten Einfluss auf Sie, werte Lady Loreen. Sie bauen darauf, dass ich mitspielen werde, nicht wahr? Konnte es sein, dass Dulacre… hatte er das alles hier geplant? Hatte er gewusst, dass die fünf Weisen Zorro nie gehen lassen würden? Hatte er deshalb Zorros Crew so unmissverständlich klar gemacht, dass er gehen würde? Weil er gewusst hatte, dass es passieren würde, ganz gleich was Zorro geplant hatte? „Ganz recht“, bestätigte Dulacre mit einem herablassenden Ton, „und immerhin hast du zumindest das verstanden, doch keine komplette Enttäuschung.“ „Willst du mich so bestrafen, mein Sohn?“, fragte der alte Mann. „Erst verrätst du die Weltregierung und gibst so deinen Titel als Samurai auf, und als wäre das noch nicht genug, zwingst du mich nun auch noch, meine Lehnsherren zu hintergehen?“ „Ach, hör auf dich so aufzuspielen. Du bedeutest mir nicht genug, als dass ich mir über deine Bestrafung Gedanken machen würde. Außerdem dürftest selbst du nicht dumm genug sein, um zu verkennen, dass die Zeit der Samurai so oder so zu einem Ende gekommen ist.“ Geschockt starrte Zorro den anderen an. Hatte er es etwa doch gewusst? War er deshalb so bereitwillig diese ganzen Risiken eingegangen? Erst Zorro zu verfolgen und dann Mary Joa anzugreifen? Weil er wusste, dass sein Titel mit der Reverie so oder so fallen würde? Was hatte er noch alles geplant und gewusst? Dann schnalzte Dulacre laut mit der Zunge und unterbrach Zorros Gedankengang: „Nun, wie dem auch sei, wir haben genug Zeit vergeudet. Ich werde mich nun für eine halbe Stunde mit Lorenor zurückziehen. Macht euch bereit, danach aufzubrechen.“ Zorro mochte nicht so einfühlsam sein wie Robin oder der Koch, dennoch konnte selbst er nicht die angespannte Stimmung ignorieren und er wusste ganz genau, wie sehr es den Soldaten gegen den Strich gehen musste, von einem Samurai, der gerade erst Mary Joa angegriffen hatte, Befehle erteilt zu bekommen. „Wie du wünschst, mein Sohn.“ Doch Dulacre schenkte seine Aufmerksamkeit längst nicht mehr seinem Vater, sondern sah mit seiner üblichen überheblichen Miene, die er immer an den Tag legte, wenn er seinen sozialen Status ausnutzte, zu Zorro hinab. „Nun komm, Lorenor. Ich möchte deine Verletzungen versorgen.“ „Mir geht es gut“, murrte Zorro, trottete jedoch dem anderen hinterher, durch den Regen und zwischen den Soldaten hindurch, die sie alle argwöhnisch beäugten. Ob ihnen bewusst war, in was sie hineingeraten waren? Vermutlich nicht. Immerhin wusste selbst Zorro immer noch nicht wirklich, was genau geschehen war. Entnervt rieb er sich dem Hinterkopf, während er Dulacre durch die Gänge des Marineschiffs folgte. „Was soll das überhaupt? Ich verstehe um ehrlich zu sein nur…“ „Warte bitte noch einen Moment mit deinen Fragen, Lorenor.“ Nun klang Dulacre nicht mehr so herablassend, wie zuvor, sondern überaus ernst, und da verstand Zorro, dass sein Sozius kein ungefährliches Spiel zu spielen schien. Er tat überheblich, aber so sicher schien die Lage dann doch nicht. Ruhig folgte Zorro ihm in ein üppig ausgestattetes Zimmer, dessen Art Zorro von seinen Reisen als Lady Loreen bereits gewohnt war. „Warum ziehst du deinen Vater und diese Soldaten mit hinein?“, murrte Zorro dann, als die Tür hinter ihm zufiel. „Sie schienen nicht wirklich glücklich, dazu gezwungen zu werden, die Marine zu hintergehen. Wer weiß, ob sie nicht doch was planen.“ „Na und, was schert mich der Gemütszustand von Komparsen? Aber sei unbesorgt, diese Soldaten sind daran gewöhnt, die Marine zu hintergehen. Ob sie es wissen oder nicht.“ „Was?“ Zorro hielt in seiner Tätigkeit inne, den Raum auf Abhörgeräte zu untersuchen, und sah Dulacre an, der unbeeindruckt ein Bild von der Wand nahm und danach wieder zurückhing. „Wie meinst du…?“ Ein Klopfen an der Tür unterbrach ihn. „Wie erwartet“, murrte der Samurai, ehe sich die Tür öffnete und Mihawk Senior hineinkam. Für einen unangenehm langen Moment sahen Vater und Sohn einander an und Zorro hatte das sichere Gefühl, fehl am Platz zu sein. „Nun denn“, sprach Dulacre schlussendlich, „was hast du mir zu sagen?“ „Vieles“, antwortete Mihawk Gat, „aber deshalb bin ich nicht hier.“ „Natürlich nicht“, entgegnete Dulacre mit einem falschen Schmunzeln der Überheblichkeit. „Nun gut, meinetwegen, ich erlaube es. Allerdings nur unter meiner Anwesenheit.“ „Worum geht’s?“, murrte Zorro misstrauisch. Er mochte nicht, wie diese beiden vieles sagten, ohne es auszusprechen. Denn das bedeutete, dass er es nicht verstand, und er verstand schon so zu viel nicht. „Die Vorgesetzte meines Vaters möchte mit dir sprechen“, erklärte Dulacre und sah ihn mit hochgezogener Augenbraue an. „Ich habe keine Einwände, du?“ „Vorgesetzte?“, wiederholte Zorro. „Du kennst sie, wenn ich nicht irre.“ Doch, was auch immer Dulacre damit meinte, blieb ungesagt, als ein leises Böllebölle durch den Raum hallte. Ohne seinen Sohn aus den Augen zu lassen, zog Mihawk Senior eine Teleschnecke aus der Anzugtasche und drückte den Knopf. „Pünktlich auf die Minute“, grüßte sie die unheilverheißende Stimme Rihakus. „Eine der großen Tugenden eines Mihawks, Pünktlichkeit.“ Zorro verstand überhaupt nichts mehr. Vorgesetzte? Aber… aber offiziell war Rihaku nur eine Verwaltungsangestellte in Eizens Dienst und inoffiziell… Schließlich bin ich Rihaku Minekura, Befehlshaberin von Cipherpol. Zorro hatte das ungute Gefühl, dass ihm etwas entging, aber er wusste nicht genau was, doch dann, fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Hätten wir Rihaku persönlich früher hinzugezogen, wäre Eizen dieser Fauxpas vor über 15 Jahren nicht geschehen. Außerdem hat mein Vater viele Jahre für Eizen gearbeitet und eigens die Soldaten für dessen Leibgarde ausgewählt. Ich habe meinem Sohn gesagt, dass er dieses Wissen nicht an sich nehmen solle und es für die Welt besser wäre, wenn Lorenor Zorro in Vergessenheit geraten würde. Die Geschichte ließ uns alle glauben, dass Lorenor Zorro unmöglich ein wahrer Lorenor sein könne. Verdammt, konnte es sein, dass Mihawk Senior ebenfalls Cipherpol angehörte? Konnte es sein, dass er all die Jahre für Rihaku gearbeitet und Eizen ausspioniert hatte und so an dieses Wissen gelangt war? Beziehungsweise, dass Eizen über ihn überhaupt an sein Wissen gekommen war? Wenn ja, dann bedeutete das doch, dass… „Wir haben die Red Line soeben hinter uns gelassen und werden in einigen Minuten Kurs auf Wa No Kuni nehmen“, erläuterte der Soldat kühl, seine vergilbten Augen weiterhin auf seinen Sohn gerichtet. „Wir befinden uns derzeit in den Gemächern. Anwesend sind neben meiner Wenigkeit mein Sohn, Mihawk Falkenauge Dulacre, Samurai der Meere, und Piratenjäger Lorenor Zorro, Mitglied der Strohhutpiratenbande.“ „Natürlich, wie es besprochen war. Eine weitere Tugend der Mihawks, die absolute Einhaltung eines Plans.“ Die Teleschnecke zeigte ein süffisantes Grinsen. „Nun denn, ganz schön viel Aufwand Ihrerseits, nur um in die Tiefen Mary Joas zu gelangen, nicht wahr, Lorenor Zorro?“ Sie wusste es also, nicht, dass es Zorro jetzt noch überraschte. Denn, wenn er den Gedanken richtig zu Ende dachte, hatte erst Mihawk Senior Eizen überwacht und irgendwann hatte es Rihaku selbst übernommen. Aber Zorro wusste trotzdem nicht, was er jetzt sagen sollte. Schließlich hatte er nie vorgehabt, in die Tiefen Mary Joas zu gelangen. Was sollte er antworten? „Ganz schön viel Aufwand Ihrerseits, nur um Lorenor in die Tiefen Mary Joas gelangen zu lassen, nicht wahr, Rihaku Minekura, Befehlshaberin von Cipherpol“, entgegnete Dulacre unbeeindruckt. Die Teleschnecke gackerte, aber Zorro starrte seinen ehemaligen Lehrmeister einfach nur an, der viel zu breit grinsend seinem Blick begegnete. Also hatte Dulacre es gewusst? Also hatte Dulacre alles gewusst? „Chachacha, ich denke, wir alle wollten dasselbe herausfinden, nicht wahr, Falkenauge? Sie waren doch auch neugierig, oder? Sonst hätten Sie doch nie so fügsam mitgespielt und Ihren werten Sozius in eine solche Gefahr gebracht.“ Nun lachte auch Dulacre leise auf, während Zorro keine Ahnung hatte, was hier Charade war und was nicht. „Sie glauben ernsthaft, dass Lorenor auch nur eine Sekunde irgendeiner Gefahr ausgesetzt war? Wie naiv.“ „Vielleicht bin ich auch nur bescheiden genug, die eigenen Fähigkeiten nicht zu überschätzen“, entgegnete Rihaku und ihre Teleschnecke spiegelte Dulacres falsches Schmunzeln fast zu gut. „Wie dem auch sein, wir haben solide zusammengearbeitet, um Lorenor Zorro in der Gestalt von Lady Loreen Zugang zum Untergrund zu gewähren und uns dieser lästigen Klette Eizen zu entledigen, aber nun würde ich gerne meine Frage beantwortet wissen. Lorenor Zorro, befriedigen Sie doch bitte die Neugierde aller Anwesenden. Handelt es sich bei dem seltsamen Gebilde in den Tiefen Mary Joas wirklich um Uranos? Oder ist es vielleicht etwas ganz anderes?“ Sie wusste es! Es sollte Zorro vielleicht nicht schockieren, aber das tat es trotzdem. Er hatte das Gefühl, dass alle um ihn herum mehr wussten als er selbst und dieses Gefühl war wirklich beschissen. Zorros Blick fiel auf Mihawk Senior und er erinnerte sich an die Blätter, die alten Aufzeichnungen, die er damals mehr schlecht als recht überflogen und dann verbrannt hatte. Natürlich, wenn Mihawk Senior ihr Untergebener war, dann hatte er ihr natürlich auch alle Informationen weitergeleitet, die er selbst ermittelt oder über Eizen herausgefunden hatte. „Nicht so schnell“, entgegnete Dulacre, nun ebenfalls messerscharf. „Auskunft gegen Auskunft.“ Zorro sah ihn an, doch Dulacres Blick lag kühl auf der Teleschnecke. Was für Informationen wollte er denn bitte von ihr haben? „Natürlich, damit habe ich gerechnet“, entgegnete sie ohne Zögern. „Sie wollen selbstverständlich wissen, ob ich meine Leute zurückziehe. Wie Sie selbstredend bereits vermuten, habe ich die vergangenen zwei Jahre nur die Strohhüte und Ihre Wenigkeit unter Überwachung gestellt – der Rest wäre viel zu aufwendig und kostspielig gewesen - und natürlich bin ich gewillt meine Leute abzuziehen. Tatsächlich habe ich dies als Zeichen meines Wohlwollens bereits veranlasst, und zwar direkt, nachdem ich Eizen verhaftet hatte.“ Ungläubig wollte Zorro nachfragen, doch er verstummte mit offenem Mund auf Dulacres Kopfschütteln hin. Als würde er ihr das einfach so glauben. „Und das soll ich Ihnen ohne Beweis einfach glauben?“, hinterfragte auch Dulacre sie unbeeindruckt. Erneut lachte sie gackernd auf. „Chachacha, Sie sind tatsächlich genauso misstrauisch, wie ich erwartet habe, das gefällt mir, aber ich denke, Sie müssen mir einfach vertrauen oder habe ich mich die vergangenen zwei Jahre auch nur einmal fehlverhalten. Ich habe Sie und Ihren Sozius immer unterstützt und gedeckt, verhelfe ihm gerade sogar zur Flucht. Ich habe Eizen noch nicht mal etwas von Ihrem kleinen Ausflug erzählt, Falkenauge, wie Ihnen Ihr Sozius mit Sicherheit beteuern kann. Sollte das nicht als Zeichen meines Wohlwollens ausreichend sein?“ Für einen Moment dachte Zorro nach und begegnete Dulacres berechnendem Blick. Selbst wenn sie log, was für einen Unterschied würde es machen? Schon vor der G6 hatte die Marine immer eine grobe Ahnung gehabt, wo sie sich gerade… Zorro dachte zurück an den Tag, als Jiroushin Dulacre und ihm streng geheime Informationen über den Aufenthalt der anderen kurz nach dem Sturz der G6 verraten hatte und selbst jetzt hatte Mihawk Senior gewusst, wo Zorro hinmusste, ohne dass er oder Dulacre auch nur ein Sterbenswörtchen über Wa No Kuni verloren hatten. So oder so wurden sie anscheinend beschattet, aber aus welchem Grund? Aber das bedeutete auch, dass Rihaku - zumindest noch - nicht vorhatte, Eizens Drohung in die Tat umzusetzen, oder? Der Samurai schien dasselbe zu denken – oder auch nicht, woher sollte Zorro das schon wissen – denn nach einem weiteren Moment nickte er Zorro zu. „In Ordnung“, sagte Zorro und nickte ebenfalls, „und ja, Ihre Zweifel sind berechtigt, Rihaku. Das, was die fünf Weisen in Mary Joa versteckt halten, ist nicht Uranos, die antike Waffe.“ Dulacres Gesicht verriet gar nichts, während er Zorro aufmerksam musterte. „Ah, Sie können ja doch für sich selbst sprechen.“ Doch Rihakus Stimme erzitterte beinahe unter einer Anspannung, die Zorro arg an Dulacre erinnerte, wann immer sie über Alciel sprachen. „Und diese Antwort gefällt mir sehr gut. Aber sie reicht mir nicht. Ich will mehr wissen. Was ist es?“ „Das erfahren Sie beim nächsten Mal“, scherzte Dulacre tonlos, noch bevor Zorro auch nur irgendetwas sagen konnte. „Lorenor hat Ihre erste Frage beantwortet. Eine Zweite war nicht Bestandteil der Abmachung. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass es ein nächstes Mal geben wird, vielleicht erfahren Sie es dann.“ „Gewiss“, stimmte sie leichtfertig zu, als hätte sie diese Antwort erwartet, und die Teleschnecke zeigte ein breites Grinsen. „Na gut, meinetwegen, verschieben wir diesen Plausch aufs nächste Mal. Wer weiß, was für Fragen ich bis dahin habe und die ein oder andere Antwort werde ich bis dahin auch herausfinden.“ „Da bin ich mir sicher“, murrte Zorro mit einem Augenrollen. Er mochte diese ganze Situation überhaupt nicht. „Gut, gut“, redete sie gutgelaunt weiter, „Mihawk, stellen Sie sicher, dass Sie unseren Gast wohlbehalten auf Wa No Kuni abliefern.“ „Selbstverständlich“, antwortete der altgediente Soldat nun kurzangebunden. „Und ich wurde gebeten, Ihnen auch mitteilen, dass wir sehr zufrieden mit Ihnen sind. Ihre Unzulänglichkeit von vor 15 Jahren wurde Ihnen nun vergeben. Sie werden offiziell für die Verhaftung Eizens und die Vermeidung seines Putschversuches ausgezeichnet.“ Ihre Stimme war weiterhin unbeschwert, aber Zorro fragte sich, wen sie mit wir meinte, die fünf Weisen? Auch was sie über Mihawk Senior sagte, konnte er nicht ganz abschütteln und er fragte sich, warum sie ihm das in Zorros und Dulacres Anwesenheit sagte, was mit Sicherheit kein Zufall war. Er hatte das Gefühl, als würde ihm etwas entgehen, aber das wäre ja in den vergangenen Stunden nicht das erste Mal. „Ich bitte Sie, nach Erfüllen Ihres Auftrages sich unverzüglich zurück in Mary Joa einzufinden und Eizens Prozess als Hauptzeuge beizuwohnen, welcher direkt im Anschluss an die Reverie stattfinden wird. Nach seiner Verurteilung werden Sie als Held von Mary Joa geehrt werden, auch wenn vermutlich weder Ihr Sohn noch dessen Verlobte an dieser Festivität werden teilnehmen können. Ich wünsche einen schönen Tag.“ Bevor Mihawk Senior auch nur irgendetwas entgegnen konnte, beendete ein leises Gotcha das Gespräch. Einen Moment war es unangenehm still, und es musste schon was heißen, wenn Zorro eine Situation als unangenehm empfand. „Na, dann herzlichen Glückwunsch“, feixte Dulacre mit einer Stimme, die töten wollte. „Held von Mary Joa, wenn das kein erstrebenswerter Titel ist.“ Der alte Soldat steckte die Teleschnecke weg. „Du bist wirklich grausam, mein Sohn.“ „Vor allem bin ich deine Anwesenheit leid“, entgegnete der Samurai mit einem herablassenden Wink seiner Hand. „Es waren deine Entscheidung, also lebe mit den Folgen eines Doppellebens. Und nun geh; ich habe weder Zeit noch Interesse an dich zu verschwenden.“ Mihawk Senior schnalzte hart mit seiner Zunge, doch Dulacre hatte sich bereits abgewandt und schritt durch den Raum, hatte das Gespräch offensichtlich beendet. Dann lagen diese vergilbten Augen auf Zorro, der alte Mann begutachtete ihn einmal von oben nach unten. „Was für eine Enttäuschung. Nicht nur irgendein windiger Pirat, sondern dann auch noch ein Lorenor. Wie tief bist du nur gesunken, mein Sohn?“ Der alte Mann klang nüchtern, resigniert, fast schon traurig und dennoch voller Verachtung. An der Türe zum Badezimmer blieb Dulacre stehen, eine Hand an der Klinke. „Ist es so schrecklich für dich, Vater? Die Wahrheit hinter Lady Loreen? Zu sehen, wie ich ein Pirat wurde, und nun zu sehen, wie viel mir ein anderer Pirat bedeutet? So viel mehr als du mir je wert sein könntest, obwohl dein Blut leider Gottes durch meine Adern fließt? Wäre es dir lieber, ich wäre eine respektable Liaison der Vernunft eingegangen, so wie du oder meine Schwester?“ Er wandte sich nicht um, aber seine Tonlage konnte nichts Gutes bedeuten. Normalerweise würde Dulacre solche Kommentare mit einem herablassenden Lachen abschütteln oder sich direkt provozieren lassen. Nun jedoch klang er ruhig, beinahe nachdenklich. „Dabei solltest du doch wissen, dass ich für so etwas viel zu egoistisch bin. Lorenor ist der einzige Mensch, den ich je an meiner Seite akzeptieren werde, er ist der zukünftige beste Schwertkämpfer der Welt, Crewmitglied des zukünftigen Königs der Piraten. Ich hätte keinen würdigeren Partner finden können. Aber ich erwarte nicht, dass du das verstehst, so wie du mich doch noch nie verstanden hast.“ „Nein, das verstehe ich nicht“, entgegnete der alte Soldat. „Ich werde dich wohl wirklich nie verstehen, mein Sohn. Ich hoffe nur, dass dein Schicksal dir gnädig ist.“ Nun schnaubte Dulacre laut auf, wieder ganz er selbst. „Du solltest lieber hoffen, dass ich dir gnädig bin, solltest du meine Geduld noch länger herausfordern. Verschwinde endlich, ich habe nicht ewig Zeit.“   Kapitel 43: Kapitel 43 - Atempause ---------------------------------- Kapitel 43 – Atempause   -Zorro- „Musst du so etwas immer sagen?“, murrte er, als die Türe zu fiel. „Ist es dir peinlich, wenn ich so offen über unsere Beziehung spreche?“ Dulacre schritt ins Bad, weder seine Stimme noch seine Mimik verriet, was er wohl dachte, und das war äußerst ungewöhnlich für den sonst so theatralischen Samurai. „Ist mir, um ehrlich zu sein, ziemlich egal“, entgegnete Zorro schlicht und zuckte mit den Schultern, „ich kann es nur nicht ab, wenn du meinst, dich rechtfertigen zu müssen. Es interessiert mich nicht, was er oder sonst wer denkt. Ich habe kein Problem damit, ein windiger Pirat zu sein und es sind unsere Entscheidungen, die gehen niemand anderen was an.“ Im Türrahmen blieb Dulacre stehen und sah ihn mit geweiteten Augen an, einen Verbandskasten in den Händen, dann lächelte er. „Du hast wohl Recht“, gestand er ein, immer noch mit dieser seltsamen Tonlage, die Zorro misstrauisch machte. „Nun komm, lass mich deine Verletzungen versorgen.“ „Mir geht es gut“, wiederholte Zorro grummelnd, ließ sich jedoch fügsam auf einem Sofa nieder. Er mochte überhaupt nicht, wie der andere sich benahm, aber vielleicht lag das auch daran, dass er die ganze Situation nicht mochte und das Gefühl hatte, überhaupt nichts beeinflussen zu können und wie ein kleines Kind an der Hand mitgeschliffen zu werden. Anscheinend war er der Einzige gewesen, der von nichts eine Ahnung gehabt hatte – naja, er und Eizen. „Du bist verstimmt“, stellte Dulacre somit zutreffend fest und setzte sich vor Zorro auf das Kaffeetischchen. „Weil ich dir nichts von meinem Vater gesagt habe?“ „Weil du mir gar nichts gesagt hast“, murrte Zorro und verschränkte die Arme. „Du wusstest alles, oder? Über deinen Vater, Rihaku, sogar über die Samurai, und du hast mich einfach ins offene Messer laufen lassen. Fandest du es unterhaltsam? Zu sehen, wie ich mir den Kopf zerbreche, während du…“ „Lorenor“, unterbrach Dulacre ihn mit seiner nervigen, ruhigen Stimme, „lass mich deine…“ „Ich habe gesagt, mir geht es… Hnn!“ Der Ältere presste genau die schmerzhafteste Stelle an seinem Knie. Aufschnaubend lehnte Zorro sich zurück und ließ es zu, dass Dulacre sein Hosenbein und die darunter liegende Leggings hochkrempelte und sein Knie mit irgendeiner Salbe einrieb. „Es ist doch sehr geschwollen. Du solltest dich bis zu deiner Ankunft auf Wa No Kuni schonen.“ Zorro entgegnete nichts, woraufhin der Samurai nur seufzte. „Natürlich wusste ich, dass die Samurai auf der Reverie aufgelöst werden“, erklärte er dann. „Glaubst du, ich hätte so leichtfertig meinen Titel riskiert und wäre dir nachgekommen, wenn mir nicht bewusst gewesen wäre, dass er so oder so bald fallen würde? Die Zeichen standen bereits vor dem Krieg auf Veränderung und mir war bewusst, dass die Samurai nicht noch eine Reverie überstehen würden. Spätestens jetzt, nach dem Verrat Trafalgars und dem Sturz de Flamingos innerhalb so kurzer Zeit verbleibt es als die einzig sinnvolle Reaktion. Die Samurai werden aufgelöst und noch während der Reverie angegriffen. Warum sonst hätte man ausgerechnet mich in meiner Bewegungsfreiheit derart einschränken sollen? Es war ganz offensichtlich.“ „Wenn du das alles wusstest, warum hast du dann nichts davon gesagt?“ „Weil es nicht notwendig war“, bemerkte der andere ruhig. „Außerdem gab es bereits genug Dinge, um die wir uns Sorgen machen mussten und es ist ja nicht so, als wäre das eine große Überraschung oder in irgendeiner Form problematisch; es war so oder so nur eine Frage der Zeit, bis ich diesen Titel aufgeben würde. Um ehrlich zu sein, gefällt es mir sogar ganz gut, wie sich die Dinge entwickelt haben; so konnte ich die Initiative ergreifen und wurde nicht wie ein verbrauchter Kettenhund in die Gosse gejagt.“ Zorro sah das etwas anders und es nervte ihn bereits jetzt wieder, wie herablassend der andere tat, als wäre es etwas Offensichtliches gewesen. „Überdies trage ich ja jetzt einen neuen Titel, der mir deutlich wichtiger ist.“ „Halt die Klappe“, murrte er, war jedoch zu müde, um sich über so eine unnötig kitschige Bemerkung aufzuregen, nachdem er verstanden hatte, worauf Dulacre anspielte. „Und tu nicht so, als wäre das eine Kleinigkeit. Wenn du deinen Titel aberkannt bekommst, bedeutet das, dass du…“ „Lorenor“, unterbrach Dulacre ihn und begann, sein Bein zu bandagieren, „ich kann dir versichern, dass der Verlust meines Titels nichts ist, worum du dich sorgen brauchst.“ „Sie werden dich wieder jagen“, entgegnete Zorro genervt, „sie werden vielleicht auch die fünf Inseln angreifen.“ „Ja“, stimmte Dulacre ihm zu, „und vielleicht schaffen sie es sogar, mich für eine kurze Zeit zu unterhalten.“ Zorro wusste nicht, was er darauf antworten sollte. Der andere mochte sein langweiliges, beschauliches Leben – auch wenn er oft so tat, als wäre dem nicht so – und nun würde er das verlieren, würde seinen geregelten Tagesablauf verlieren und auch das, was er an Ansehen noch hatte und was ihm doch auch so wichtig war. Außerdem könnten die fünf Inseln den Schutz der Marine verlieren und auch wenn Dulacre immer schlecht von seiner Geburtsstätte gesprochen hatte, so wusste Zorro doch, dass der andere das Herrenhaus der Familie Mihawk und dessen Haushälterin um jeden Preis würde beschützen wollen. Zorro war sich daher nicht sicher, ob der andere die Wahrheit sagte oder ihn nur beruhigen wollte. „Soll ich dir etwas verraten, Lorenor“, sprach Dulacre dann weiter, als würde er seine Gedanken hören. „Die letzten Tage auf Kuraigana waren furchtbar öde. Wenn es nicht für meine stete Sorge um dich wäre, hätte ich mich gewiss zu Tode gelangweilt. Ich habe mich beinahe darüber gefreut, als der Morgen endlich anbrach und ich aufbrechen konnte. Ich bin die dauernde Ruhe dieses Schlosses wohl nicht mehr gewohnt und wer weiß, vielleicht wird es mir Spaß machen, nochmal der Gejagte zu sein. Mit Sicherheit wird es mich zumindest für eine Weile davon ablenken, zu viel über dich und deinen Kampf gegen Kaido nachzugrübeln.“ Einen Moment dachte Zorro über die Worte des anderen nach und folgte der wortlosen Aufforderung seinen Mantel auszuziehen, damit auch die anderen Wunden versorgt werden konnten. „Deshalb hast du deinen Vater mithineingezogen“, murmelte er, während Dulacre das Blut auf seiner Brust abtupfte, „weil du wusstest, dass die Weltregierung dich noch während der Reverie angreifen wird, und wenn sie dich nicht auf Kuraigana finden sollten, dann…“ „… werden sie meine Inseln angreifen, korrekt“, beendete Dulacre seinen Satz. „Außerdem kann ich mir deutlich Besseres vorstellen, als mir die umständliche Reise nach Wa No Kuni anzutun, nur weil ihr euch in den Kopf gesetzt habt, einen der vier Kaiser zu stürzen.“ In Stille ließ Zorro sich verarzten und ignorierte den üblichen herablassenden Kommentar. Er war immer noch wütend, aber vielleicht sollte es ihn nicht überraschen, dass Dulacre immer alles besser wusste. Schließlich war das hier Dulacres Welt. Wobei Zorro sie mittlerweile schon genügend kennen gelernt hatte. „Weißt du, wie lange ich da unten in den Kerkern war?“, murmelte er und rieb sich mit einer Hand durchs Gesicht. „Ich hab überhaupt kein Zeitgefühl. Ich weiß nicht mal, wie viel Uhr es ist.“ „Gestern um diese Uhrzeit hat Comil mich angerufen, nachdem du ihm deine Zeit verwehrt hattest.“ „Was?“ Überrascht sah Zorro auf, es war also früher Abend? Kaum ein Tag sollte vergangen sein? Das bedeutete ja, dass er nur ein paar Stunden in diesem Kerker gewesen sein musste. Dabei hatte es sich nach einer halben Ewigkeit angefühlt. „Hast du Comil die Wahrheit über den Soldaten gesagt?“, fragte er nach einem Moment und dachte daran zurück, wie Mihawk Senior ihn gehindert hatte, mit dem Vizeadmiral zu sprechen. „Nachdem ich mich abgesichert habe, dass es das war, was du wolltest, ja. Was er damit anfängt, ist jedoch seine Sache.“ „Dann sollte ich Trafo wohl Bescheid geben, wenn ich ihn das nächste Mal sehe“, murmelte Zorro mehr zu sich selbst, nicht sicher, ob er sich da wirklich einmischen wollte. Aber irgendwie hatte er das Gefühl, dass er schon mitten drin war und nachdem, was er auf Dress Rosa mitbekommen hatte, fühlte es sich falsch an, dieses Wissen länger als notwendig für sich zu behalten. Auch Dress Rosa schien schon eine Ewigkeit her zu sein, dabei hatte er sich erst vor wenigen Tagen von den anderen auf ihrem Weg nach Wa No Kuni getrennt. „Hast du was von den anderen gehört?“ Langsam senkte er den Blick auf seine mittlerweile bandagierten Handgelenke. Der andere übertrieb maßlos mit seiner Fürsorge, noch schlimmer als Chopper, aber Zorro war zu müde, um sich darüber jetzt aufzuregen. „Du machst dir Sorgen, nicht wahr?“ Zorro entgegnete nichts, sich nicht sicher, ob Sorge der richtige Begriff war. „Nach meinem derzeitigen Kenntnisstand hat die eine Hälfte deiner Crew Wa No Kuni erreicht, während dein Kapitän wohl der Germa 66 begegnet ist. Aber wie dir bewusst ist, hat er sich in gefährliches Territorium begeben und könnte sehr wohl sterben.“ „Du bist wirklich schlecht in sowas“, murrte er und fragte erst gar nicht, woher der andere seinen Kenntnisstand hatte. „Tze, nicht, dass die simple Wahrheit dein Vertrauen in den Strohhut erschüttern könnte, nicht wahr?“ Kopfschüttelnd musste Zorro grinsen, damit hatte der andere wirklich nicht Unrecht. Dulacre auf der anderen Seite strich über eine bereits verheilende Schnittwunde an Zorros Unterarm, hochkonzentriert. „Das war nicht ich“, murmelte er nachdenklich. „Das ist keine Verletzung aus einem Kampf. Lorenor, wo hast du die her?“ „Ich dachte, du wüsstest bereits alles“, entgegnete Zorro und konnte nicht verhindern, ein bisschen angepisst zu klingen. „Schließlich wusstest du ja auch alles über Rihaku und deinen Vater.“ „Ach, Lorenor“, stöhnte nun der andere auf, „wirst du mir nun ewig vorhalten, wenn ich dir nicht jedes kleine Detail, das ich vermute, weitergebe?“ „Ja, verdammt nochmal, wenn es mich etwas angeht, dann will ich, dass du mir so ein kleines Detail auch sagst. Warum hast du es nicht?“, entgegnete er nicht minder entnervt. „Ich habe doch gesagt, dass mein Vater eine gewisse Zeit für Eizen gearbeitet hat und darüber hinaus bestens über die Vorgänge rund um Eizen und den Namen Lorenor informiert war.“ „Aber nicht, dass er ein verdammter Geheimagent ist!“ „Oh, tut mir leid, Lorenor. Mir war nicht bewusst, dass das von Relevanz für dich sein könnte. Es ist ja nicht so, als würden nicht unzählige Cipherpol-Agenten bei der Marine ein und ausgehen und gefühlt jeder dritte Regierungsbeamte ist ebenfalls ein Agent. Es wäre einfacher, dir aufzuzählen, wer nicht dazugehört als andersherum. Möchtest du, dass ich dir über jeden einzelnen einen Steckbrief zusammenstelle?“ Zorro hatte gerade das große Bedürfnis, irgendetwas – oder viel mehr einen bestimmten jemand – gegen die nächstbeste Wand zu werfen. „Seit wann weißt du es?“, fragte er, anstatt den anderen anzubrüllen, was für ein Vollidiot er war. „Ach, schon immer, würde ich sagen“, erklärte Dulacre und zuckte salopp mit den Schultern. „Ich denke, er ist irgendwann zwischen dem Tod meiner Mutter und meiner Schwester und meinem Eintritt in die Marine Cipherpol beigetreten; während ich bei der Marine war, arbeitete er für die CP4.“ „Woher weißt du all das?“, murmelte Zorro kopfschüttelnd und lehnte sich vor, sein Kopf begann langsam zu pochen. „Sollten solche Dinge nicht geheim sein?“ „Natürlich, aber vergiss nicht, dass ich im Gegensatz zu dir, in dieser Welt groß wurde und auch meinen Spaß daran finden kann, Wissen gegen andere einzusetzen. Außerdem habe ich neben meinem absolut überlegenen Intellekt noch einen Gefährten von ähnlichem Niveau, dem die meisten Menschen nur zu gerne vertrauen, auch wenn ihm ab und an seine idealistische Moralität im Wege steht; Informationsbeschaffung ist einfach, wenn man weiß wie.“ Zorro rollte darüber nur mit dem Auge, er wollte eindeutig nicht wissen wie. „Das heißt, du wusstest auch die ganze Zeit, dass Rihaku die Befehlshaberin von Cipherpol ist?“, fragte er nach, sich immer noch nicht sicher, wieso er dem anderen nicht einfach eine überzog, verdient hätte er es. „Oh, ich hatte meine Vermutung, dass sie recht weit oben auf der Rangliste stehen würde, aber so weit nicht, nein“, erklärte Dulacre mit seiner herablassenden Stimme und ignorierte, wie genervt Zorro über sein Verhalten war. „Sie ist… gut, muss ich sagen. Es ist schwierig, an Fakten und verlässliche Quellen über sie heranzukommen, so dass mir nicht viel mehr blieb als meine Vermutung. Nicht lange nachdem ich Samurai wurde, hat sie begonnen, für Eizen zu arbeiten, wie eine bessere Sekretärin, und sich nie aus seinem Schatten bewegt, obwohl sie dafür zweifelsohne die Qualitäten besessen hätte. Es hat mich stets stutzig gemacht, denn sie wirkte nicht wie jemand, der sich aus Verehrung jemandem anbiedern würde, dennoch hat sie es getan, und die Mauern ihres Verstandes sind ähnlich hart wie die deinen. Daher war dies die für mich logischste Erklärung, aber ich hatte keinerlei Beweise, auf die ich mich hätte berufen können.“ Zorro schnaubte leise auf, doch dann fiel ihm eine Kleinigkeit auf. „Warte mal“, murrte er und sah auf, während Dulacre sich erhob und den Verbandskasten wegbrachte. „Du sagst, du wusstest nicht, wie weit oben sie auf der Rangliste stehen würde und trotzdem hast du sie als Befehlshaberin angesprochen. Woher…“ Er verstummte, als der andere ihm über die Schulter ein dreckiges Grinsen schenkte. „Glaubst du wirklich, ich hätte gar nichts unternommen und dich einfach ohne jegliche Unterstützung so einer Gefahr ausgesetzt?“ Sie glauben ernsthaft, dass Lorenor auch nur eine Sekunde irgendeiner Gefahr ausgesetzt war? Was ich hier mache? Mihawk hat mich angerufen und verdammt nochmal, was meinst du, wie kompliziert das alles war. In Ordnung. Ich werde zurück nach Kuraigana reisen, bevor es ernst wird, wollte eh sehen, wie der Kirschbaum blüht. „Perona“, flüsterte Zorro, „ich hatte mich noch gewundert, warum du sie nach Mary Joa geschickt hast, obwohl du wusstest, wie gefährlich es werden könnte.“ „Endlich hat ihre Fähigkeit sich als nützlich erwiesen“, erklärte Dulacre nun und verschwand ins Badezimmer, ehe er ohne Verbandskasten zurückkam. „Mary Joa ist absolut abhörsicher. Selbst die Verbindung unserer Zwillingsteleschnecken hat ihre Schwierigkeiten, durch die verstärkten Wände Signale zu senden, wie du dich vielleicht erinnerst. Darüber hinaus stehen überall Wachen oder Überwachungsteleschnecken und an jedem relevanten Durchgang sind die Türen mit Seestein verstärkt.“ Zorro starrte ihn an, während Dulacre redete, als wäre es etwas absolut Selbstverständliches. „Aber all diese Vorsichtsmaßnahmen bringen nichts gegenüber Abhörmethoden, die weder physisch noch sichtbar sind.“ „Ihre Geister“, murmelte Zorro, „sie haben die Audienz belauscht?“ „Korrekt, glücklicherweise lag der Raum noch innerhalb von Peronas Reichweite, und über eine gesicherte Leitung hat sie mir alles weitergegeben. Nur in den Untergrund konnten die Geister euch nicht folgen, so weit reichte Peronas Macht leider doch noch nicht, was wirklich eine Enttäuschung ist.“ Dulacre kam zurück und ließ sich wieder Zorro gegenüber nieder. „Ich hatte natürlich meine Vermutungen, wie dieses Gespräch verlaufen würde, aber es war doch unterhaltsam, zu hören, wie sehr ich Recht hatte.“ „Ja, schön, dass du deine unterhaltsamen Vermutungen hattest. Wie wäre es gewesen, wenn du mir mal was davon mitgeteilt hättest?“, knurrte Zorro und trat dem anderen gegens Schienbein. „Warum hast du auf der Sunny diesen ganzen Mist nicht ein einziges Mal erwähnt?!“ „Aber Lorenor, das hätte doch nichts geändert“, murrte nun auch Dulacre, würdigte den Tritt jedoch nicht mal mit einer Reaktion. „Es war doch ganz offensichtlich, dass Rihaku ebenfalls Eizen würde stürzen wollen, aber er noch nützlich für die Weltregierung war. Deshalb hat Cipherpol nicht interveniert, zunächst weil sie noch keine Beweise hatten, daher hat Rihaku als sein Anhängsel gearbeitet – warum sonst hätte sie vor über 15 Jahren die Rolle meines Vaters übernehmen sollen – und dann, weil sie herausfinden wollten, ob Eizens Recht hatte. Indem sie mit uns zusammengearbeitet hat, konnte sie überprüfen, ob das, was auch immer in Mary Joa schlummert, wirklich eine antike Waffe ist.“ „Zusammengearbeitet?“ Zorro starrte den anderen an, der nur wie selbstverständlich nickte. „Natürlich. Sie und wir hatten das gleiche Ziel, herauszufinden, was in Mary Joa verborgen liegt, ohne dass du gefangen genommen wirst.“ „Wa… was? Was redest du von Ziel? Also mein Ziel war das ganz bestimmt nicht! Mein Ziel war, hier irgendwie durchzukommen, ohne dass…“ Irgendwie verwirrte ihn diese Aussage. So, wie Dulacre es sagte, klang es beinahe so, als ob er… „Aber es war dein Ziel. Nachdem ich dir und den anderen die Sache von Uranos und Alciel erzählt habe, wolltest du wissen, ob er Recht hatte?“ Dulacre nickte nur leicht, während Zorro nicht mal wusste, ob er einfach nur überrascht oder so wütend war, dass er schon wieder ruhig wurde. „Das heißt, noch während ich euch auf der Sunny alles über Eizen gesagt habe, hast du schon daraus geschlussfolgert, was Rihaku vorhatte, weil du wusstest, dass Cipherpol bereits involviert war und dennoch nichts getan hat, und du… du hast mitgespielt?“ Nun zeigte Dulacre ein kleines Grinsen, sich anscheinend keiner Schuld bewusst. „Selbstverständlich. Ich kann dir nicht den Grund hinter Rihakus Handeln sagen, aber es ist mehr als offensichtlich, dass sie nicht beabsichtigt hat, dass dir – beziehungsweise Lady Loreen – zusammen mit Eizen der Prozess gemacht wird. Im Gegenteil, ihr scheint es sogar wichtig zu sein, dass du Mary Joa so schnell wie möglich verlassen kannst, jetzt, da sie weiß, was sie wissen wollte. Warum meinst du, unterstützt sie deine Flucht? Warum hat Cipherpol auf meinen Angriff nicht reagiert? Warum befiehlt sie gerade meinem Vater, dich nach Wa No Kuni zu deiner Crew zu bringen?“ Dulacres Grinsen wuchs. „Nein, ich glaube Cipherpol verfolgt deutlich größere Ziele und bei deinem Glück würde es mich nicht wundern, wenn diese mit deinem Kapitän zu tun haben. Dir ist mit Sicherheit auch bewusst, dass Cipherpol euch schon seit deutlich längerer Zeit beschattet, und Rihakus Wort wird daran nichts ändern.“ Zorro hatte das Gefühl, als würde ihm ganz viel entgehen, während Dulacre irgendeinen Mist redete. Er war immer noch an dem Punkt, dass Dulacre anscheinend, noch während sie alle zusammen einen gemeinsamen Plan geschmiedet hatten, seine eigenen Schlüsse gezogen und dementsprechend gehandelt hatte, ohne sie einzuweihen. Erneut zuckte Dulacre mit den Schultern: „Also ja, ich habe mitgespielt. Ihre Absichten sind mir gleich, aber sie deckten sich halt teils mit den meinen, denn ganz Recht, da ich so oder so nicht verhindern konnte, dass du diese Reise auf dich nehmen würdest, wollte ich sie wenigstens gewinnbringend nutzen.“ Zorro kapierte noch nicht mal, was Dulacre damit meinte. Sein Ziel hatte sich mit Rihakus gedeckt? Doch dann verstand er. Dulacre war immer schon von Zorros Vergangenheit fasziniert gewesen, und nachdem Zorro ihn eingeweiht hatte, war er mit Sicherheit ganz gespannt darauf gewesen, zu sehen, ob Eizen mit seiner Theorie über Uranos Recht haben könnte. Verdammter Mistkerl! „Allerdings hege ich so meine Zweifel, dass Rihaku wirklich an der Spitze der Pyramide steht. Ich denke, dass wird sie nur gesagt haben, um dich abzulenken. Sie wird vermutlich die Regentin vor dem Vorhang sein.“ Fassungslos starrte er den anderen an, wusste nicht, was er sagen sollte. „Woher… woher weißt du das alles?“ „Ich weiß gar nichts. Ich versuche nur, das logischste Bild aus den mir vorliegenden Puzzleteilen zu erfassen. Wenn es Rihaku nur darum gegangen wäre, Eizen zu stürzen, hätte sie das getan - und sie hätte mit Sicherheit nicht auf dein Tondial als Beweis zurückgreifen müssen - das hat sie aber nicht, aus irgendeinem Grund. Sie zeigte sich äußerst wohlgesonnen Lady Loreen gegenüber – was natürlich auch an deiner Ausstrahlung gelegen haben könnte – aber wenn man davon ausgeht, dass sie die Wahrheit über dich wusste, was sie spätestens tat, nachdem du meinen Vater miteinbezogen hattest, und sie dennoch nichts gegen Eizens Plan unternahm, ist diese Schlussfolgerung die einzig sinnvolle.“ Kopfschüttelnd rieb Zorro sich durchs Haar. „Ach, ist sie das?“, murrte er sarkastisch und ließ sich wieder gegens Sofa fallen. „Mir war das alles nicht so klar.“ „Natürlich nicht. Solange du die Wahl hast, wirst du immer in direkten Wegen denken. Man muss dich in solche Situationen zwingen, damit du auch mal um die Ecke denkst.“ Einen Moment dachte Zorro über diese Worte nach. Dachte darüber nach, dass Dulacre all diesen Mist mal ebenso nebenbei geschlussfolgert hatte, ohne Zorro auch nur ein Sterbenswörtchen zu verraten. Er hatte ihm noch nicht mal verraten, warum er Perona nach Mary Joa geschickt hatte. Wiedermal hatte er Zorro durch ein Labyrinth seiner Gedankenspiele geschickt, wie auf Applenine, wie bei seiner Crew, und warum? Um ihn in eine Situation zu zwingen, damit er auch mal um die Ecke dachte? Was meinte er damit? „Sollte das hier eine dumme Lektion von dir gewesen sein, du Mistkerl?“, mahnte er wütend. „Hast du mir deshalb all diesen Scheiß vorenthalten? Um dich über mich lustig zu machen, dass mich solche Gedankenspiele überfordern?“ „Nicht doch, Lorenor“, widersprach der andere besänftigend und zeigte ein spielerisches Schmunzeln, welches Zorro nur nervte. „Aber was würde es dir bringen, wenn ich dir alle Vermutungen und Theorien meinerseits weitergebe, ohne dass ich dafür irgendwelche Beweise habe? Im Zweifel würden dich solche Hypothesen nur verwirren. Ich hatte sehr wohl darüber nachgedacht, dir all das zu offenbaren. Aber mir war auch bewusst, wie riskant dein Plan bereits war und ich hielt es für sinnvoller, dass du dich auf deine Aufgabe konzentrieren würdest, als dir über unbelegte Behauptungen den Kopf zu zerbrechen.“ Misstrauisch beobachtete Zorro den anderen. „Also“, murrte er, „für mich hört sich das an, als würdest du mir auf bemüht freundliche Art und Weise sagen wollen, dass ich dumm bin.“ Das scharfe Zungenschnalzen des anderen ließ ihn beinahe zusammenzucken und Dulacre verwarf seinen Einwurf mit einer abfälligen Handbewegung. „Ach, Lorenor, ich weiß, es war ein anstrengender Tag und es ist gewiss viel passiert, aber ich bin nicht gewillt, unbegründetes Selbstmitleid deinerseits zu unterstützen.“ „Ich bin nicht...“ „Hörst du dich überhaupt reden? Lorenor, ich bin dein üblicher Gesprächspartner, glaubst du wirklich, ich wäre bereit, meine Zeit mit dir zu vergeuden, wenn du dumm wärest? Tze, für mich gibt es kaum etwas Unattraktiveres als Dummheit, Lorenor.“ „Tja, würde mich nicht überraschen, wenn du bei deinem beschissenen Charakter auch einen beschissenen Geschmack hast“, murrte er mit einem halben Scherz, allerdings war er immer noch hauptsächlich wütend. „Tze, von jemanden, der einen Château Magaux nicht von billigem Fusel unterscheiden kann, lasse ich mich nicht über Geschmack belehren.“ „Naja, ich steige nicht einem zwanzig Jahre jüngeren…“ „Was ich damit sagen wollte“, unterbrach Dulacre ihn nun und lehnte sich vor, packte Lorenors Oberschenkel, doch seine Wangen erröteten augenblicklich. Es war immer noch zu einfach, ihn mit seinem Alter aufzuziehen, jetzt vielleicht sogar noch einfacherer als zuvor. Irgendwie besänftigte dieser Gedanke Zorro etwas. „Ich habe volles Vertrauen in deine Fähigkeiten und dein strategisches Denken. Es mag nicht meiner Herangehensweise entsprechen, aber du hast eine schnelle Auffassungsgabe und eine noch schnellere Reaktion, sodass du in der Lage bist, spontan auf solche Kniffe zu reagieren, und ich glaube, dass dir ein solches Handeln mehr entspricht als ein von langer Hand entworfener Plan. Aus diesem Grund habe ich entschieden, dir nichts von meinen Vermutungen zu erzählen. Eizens Verrat hat dich bereits so oder so genug gefordert und ich wollte dich nicht über die mögliche Einmischung Cipherpols noch mehr verunsichern. Daher habe ich im Hintergrund die notwendigen Weichen gestellt, damit du dich auf deine Aufgabe konzentrieren konntest. Denn, wenn Cipherpol nicht eingegriffen hätte, wäre es absolut notwendig gewesen, dass du die Charade der Lady Loreen um jeden Preis aufrecht erhalten hättest.“ Immer noch beobachtete Zorro den anderen, hatte Schwierigkeiten, Dulacres Laune zu erfassen, aber gerade schien er nicht streiten zu wollen und eigentlich war das Zorro nur Recht. Denn mit einem lag der noch-Samurai richtig; der Tag war anstrengend gewesen und er bekam schon Kopfschmerzen davon, nur zu versuchen, Dulacres Argumentation zu verstehen. „Ich habe die leise Ahnung, dass du das nur sagst, um dir selbst schönzureden, dass du dich in einen Dummkopf verknallt hast“, murmelte er also nur unter einem Gähnen. Ein Lachen erfüllte den fremden Raum mit einer vertrauten Wärme. „Ich gebe zu, etwas voreingenommen zu sein, Lorenor, allerdings möchte ich festhalten, dass dieser Ausdruck des verknallt sein nicht ansatzweise meine Gefühle für dich erfasst." Er schenkte Zorro dieses seltsam sanfte Lächeln und nun war es Zorro, der errötete, während Dulacre abwinkte. "Aber genug der Plänkelei, möchtest du mir jetzt erzählen, was passiert ist?“ „Du weißt doch schon längst alles“, überspielte Zorro seine warmen Wangen mit altvertrauter Genervtheit. „Nein, tue ich nicht. Ich habe nicht mehr als meine Vermutungen und das, was Perona mir weitergegeben hat, aber es ist äußerst unzufriedenstellend Geschichten aus zweiter Hand zu erfahren, und ich denke, ich habe mir deine Geschichte verdient, nachdem ich mir deinetwegen die halbe Nacht mit Comil um die Ohren schlagen musste und nun sogar in Mary Joa eingefallen bin.“ Zorro überlegte, den anderen darüber anzupflaumen, dass dieser sich nicht so anstellen sollte, wenn er an seinen Tag dachte, entschied sich jedoch dagegen. „Wie geht es dir eigentlich?“, murrte er stattdessen. „Chopper wird mit Sicherheit nicht glücklich sein, wenn er hört, dass du nicht mal zwei Wochen nach deiner…“ „Was für ein schwacher Versuch ist das denn bitte?“, entgegnete Dulacre und sah ihm mit einem überlegenen Schmunzeln an. „Ich halte mich mustergültig an seinen Ernährungsplan und habe auch die vorgeschriebenen Medikamente genommen. Glaubst du wirklich, du seist der Einzige mit schnell verheilenden Wunden? Mir geht es gut, das Schlimmste ist, dass ich weiterhin keinen Wein trinken darf.“ Wie immer musste er sein Auge über so viel Überheblichkeit rollen. „Da will man einmal nett sein und nachfragen…“, murrte er. „Aber Lorenor“, lachte Dulacre nun leise auf. „Natürlich rührt mich deine Sorge, aber gerade in diesem Moment bin ich zu neugierig, von deinen Erlebnissen zu hören, als dass mich diese Lappalie von Vorgestern überhaupt noch interessieren würde.“ Zorro war sich ziemlich sicher, dass Dulacre diese Worte genau so meinte, wie er sie sagte und da er nicht wirklich streiten wollte, gab er sich zumindest für den Moment geschlagen. Also begann er zu erzählen, von seiner Sitzung mit Eizen und Rihaku, bemerkte erst beim Erzählen, wie auffällig Rihaku sich benommen hatte, aber er hatte es damals nicht wahrgenommen. Dann erzählte er von Comil und Mihawk Senior und dessen kryptischen Worten, die auch jetzt erst Sinn für Zorro ergaben. Zwischendurch warf Dulacre ein Wort oder ein Schnauben ein, aber wie so oft, wenn Zorro erzählte, schwieg er. So auch, als Zorro von der Audienz bei den fünf Weisen erzählte und von Rihaku und davon, dass sie das Informationsnetz kontrolliert hatte und nicht Eizen, weshalb dieser überhaupt nicht gewusst hatte, dass Dulacre Kuraigana verlassen hatte. Dies ließ der andere gänzlich unkommentiert, aber Zorro war sich sicher, dass er sich darüber ärgerte, es falsch eingeschätzt zu haben; hatte er doch gedacht, dass Eizen auch dies gewusst hätte. Und dann sprach Zorro davon, wie er den fünf Weisen in die Tiefen von Mary Joa gefolgt war. Er erzählte von den Wandteppichen, die seine Mutter, vermutlich seinen Vater und noch so viele andere gezeigt hatten, die Zorro auf eine seltsame Art und Weise bekannt vorgekommen waren, obwohl er sie noch nie vorher gesehen hatte. Ihm war bewusst, dass Dulacre jetzt deutlich aufrechter saß als zuvor; alles was mit Alciel oder Zorros Vergangenheit zu tun hatte, interessierte ihn auf eine nervige Art, aber Zorro ließ nichts aus, auch nicht von dem Moment als er die bodenlose Halle betreten hatte. Er versuchte, dieses zerfallene Etwas zu beschreiben, was Eizen und die fünf Weisen fälschlicherweise als antike Waffe deklariert hatten, und in das er seinen Unterarm mit dem nun bereits verheilenden Schnitt hatte stecken müssen. „Ich denke, es war eine fehlerhafte Übersetzung“, murmelte Zorro in die Stille des Raumes. „Die Schriftzeichen und die Silben sind ähnlich, deswegen hat dein Vater sich wohl vertan, und da sie wussten, dass Uranos eine antike Waffe ist, sind sie wohl davon ausgegangen, dass es Uranos sein müsste, aber es war Ornos, nicht Uranos.“ „Hmm“, machte der andere nachdenklich und rieb sich den Bart, „also das bedeutet, dass Eizens Plan von vorneherein zum Scheitern verurteilt war, selbst wenn Cipherpol ihn hätte gewähren lassen und wir uns nicht eingemischt hätten. Dennoch, was ist Ornos überhaupt? Den Namen habe ich schon mal irgendwo gehört.“ Ohne mein Blut wird Ornos bald verwittern. Wenn ihr mich je als einen der euren anerkannt habt, bitte ich euch, Ornos Schlaf nicht zu stören. Da war sie wieder, eine dieser Stimmen, die Zorro gehört hatte, als er im Kerker zu sich gekommen war. Seitdem er den Kerker verlassen hatte, war zu viel passiert, als dass er sich mit diesen Erinnerungsfetzen hätte befassen können – nicht, dass er sich damit befassen wollte – doch nun musste er wieder an den Moment denken, als er seinen Arm in das leblose Objekt gesteckt hatte. Hatte er den Schlaf des Baumes gestört? Deshalb die Schnittwunde? „Ornos“, wiederholte der andere abwesend, „war das nicht… der Baum aus der Sage Hakuryuus, der Drache, nicht der Schwertkämpfer?“ Zorro brummte zustimmend, immer noch mehr bei seinen eigenen Gedanken, hörte kaum zu, wie Dulacre irgendetwas Unverständliches vor sich hin murmelte. Doch dann klopfte es an der Türe und sie sahen beide auf. „Ich denke, es ist an der Zeit“, erklärte Dulacre dann beinahe zaghaft. „Ich sollte aufbrechen und das solltet ihr auch, sonst wird noch jemand misstrauisch.“ Er erhob sich und im gleichen Moment kam Mihawk Senior herein, der immer noch ernste Miene zum bösen Spiel machte. Einen kurzen Moment sahen Vater und Sohn einander eindringlich an und dieses Mal wusste Zorro genau, was Thema dieses Blickduells war. Er konnte die Drohung Dulacre ansehen, während er ebenfalls aufstand. Im nächsten Moment unterbrach Dulacre dann den Augenkontakt und sah Zorro an. „Ich werde mich bei dir melden, sobald ich auf Kuraigana angekommen bin, dann können wir weiterreden“, entschied er unumstößlich, „das sollte während der frühen Morgenstunden sein. Bis dahin solltest du etwas schlafen.“ „Warte… warte eine Sekunde“, murmelte Zorro und ging zu seinem Seesack hinüber, als Dulacre schon drauf und dran war, das Zimmer zu verlassen. „Du überraschst mich immer wieder, Lorenor, dies ist nun schon das zweite Mal, dass du den Abschied herauszögerst. Ist das etwa…?“ „Hör auf mit diesem Mist“, knurrte er, als er sich wieder aufrichtete, nun Josei in der Hand. Er sah, wie ihn nicht nur Dulacre, sondern auch Mihawk Senior verwundert musterten. „Ich möchte dich bitten, Josei mitzunehmen.“ „Ich verstehe nicht“, entgegnete Dulacre, die flache Hand gegen das Schwert gedrückt, ein eindeutiges Zeichen der Ablehnung, „Josei ist dein Schwert, es gehört rechtmäßig dir. Warum willst du es mir zurückgeben?“ Mihawk Senior holte scharf Luft, aber Zorro ignorierte ihn. „Ich will es dir nicht zurückgeben“, widersprach er. „Ich will, dass du es für mich aufbewahrst. Ich habe lange darüber nachgedacht, aber ich weiß nicht, was für Gefahren auf Wa No lauern werden. Ich kann mir nicht leisten, auf ein Schwert Rücksicht zu nehmen, welches ich noch nicht an den gleichen Gürtel schnallen kann wie meine anderen.“ „Noch nicht?“ Dulacre hob eine Augenbraue an, doch Zorro grinste nur breit. „Irgendwann werde ich so gut sein, dass Josei von mir geführt werden will, ganz gleich, welche Götter es neben sich akzeptieren muss“, entgegnete er. „Aber bis dahin muss ich tun, was für Josei und meine anderen Schwerter am besten ist. Also bitte, pass für mich auf Josei auf, bis ich es mir wieder abhole.“ Noch einen Moment begutachtete Dulacre ihn, dann schloss sich seine Hand um Josei. „Du solltest vorsichtig sein, Lorenor, man könnte deine Aufrichtigkeit mit Arroganz verwechseln.“ Er lehnte sich zu Zorro hinab und legte ihm die andere Hand auf die Schulter. „Du bist wirklich ein dreister Bengel, weißt du das?“ „Ich bin kein Bengel“, erwiderte Zorro, „und es ist nicht mein Problem, wenn du Selbstbewusstsein mit Arroganz verwechselst.“ „Überlebe Wa No Kuni, dann sprechen wir nochmal darüber.“ Für einen Moment sahen sie einander nur an. „In Ordnung.“ Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, wandte Dulacre sich ab und ging an seinem Vater vorbei. Es war ein seltsames Gefühl. Letztes Mal hatte Zorro ihm große Worte hinterhergebrüllt, dieses Mal würde er es nicht tun, aber irgendwie fühlte sich das Zufallen der Türe noch bedeutsamer an als ihr letztes Auseinandergehen. Doch dann schwand Zorros Grinsen. Offensichtlich dachte Mihawk Senior überhaupt nicht daran, ebenfalls zu gehen.   Kapitel 44: Kapitel 44 - Schicksal ---------------------------------- Kapitel 44 – Schicksal   -Zorro- Für eine gefühlte Ewigkeit starrte Mihawk Senior ihn an, musterte ihn von oben bis nach unten, nachdem dessen Sohn gerade das Zimmer verlassen hatte, und Zorro fragte sich, was er wollte. Vermutlich nicht gegen ihn kämpfen, so dumm schien er nicht zu sein. „Es fällt mir immer noch schwer, die Wahrheit zu akzeptieren“, sprach der Soldat dann schließlich. „Sie haben sich wirklich gut als Lady Loreen verkauft, Lorenor. Selbst, als Sie mich baten, für Ihre Audienz zu bürgen, hätte ich es Ihnen zu gerne noch geglaubt.“ Zorro wusste nicht wirklich, was er darauf antworten sollte. „Mir wäre auch lieber, Sie hätten es mir geglaubt“, murrte er und verschränkte die Arme. Was sollte das werden? Nun zeigte der alte Mann ein halbes Lächeln. „Nun ja, Lorenor, mir haben unsere…“ „Okay, stopp, das reicht mir“, unterbrach Zorro ihn direkt mit einer wegwerfenden Handbewegung. „Also um zwei Dinge klarzustellen. Wir brauchen diesen ganzen Small Talk Mist nicht mehr abzuziehen, okay? Das habe ich nur gemacht, weil ich das als Loreen musste. Aber was auch immer Sie zu sagen haben, sagen Sie es einfach, anstatt unser beider Zeit hier mit unnötig höflichen Floskeln zu verschwenden, obwohl wir beide ganz genau wissen, dass Sie mich nicht abhaben können.“ Die Augen des anderen weiteten sich. „Aber, Lorenor, was…?“ „Ja und das ist das Zweite. Nennen Sie mich nicht so, verstanden?“ „Was? Wollen Sie, dass ich Sie weiterhin mit Lad…“ „Nein, ganz sicher nicht. Aber Dulacre ist der Einzige, der mich Lorenor nennt und dabei will ich es auch belassen. Es ist wirklich schräg, wenn Sie das auch machen.“ Perplex verschränkte nun auch Mihawk Senior die Arme und neigte leicht den Kopf. „Und wie soll ich Sie sonst ansprechen?“ „Na, wie schon? Zorro, einfach Zorro, so wie jeder Idiot, mit dem ich mehr als ein paar Sätze gewechselt habe. Ich bin Pirat, wir haben es nicht so mit Formalitäten.“ Einen Moment entgegnete Mihawk Senior gar nichts, musterte Zorro wieder so eindringlich wie zuvor, während Zorro ein leichtes Wanken wahrnehmen konnte; sie mussten sich in Bewegung gesetzt haben. Gleichsam konnte er fühlen, wie Dulacres Präsenz langsam schwächer wurde. Ein Gefühl, was Zorro nicht sonderlich mochte, er genoss die Anwesenheit dieser starken Aura. Auf der anderen Seite hatte er das unterschwellige Gefühl, dass für das kommende Gespräch Dulacres Abwesenheit wohl besser war. „Nun gut, dann ist es also Zorro“, meinte der alte Mann mit einem leisen Seufzen. „Ich sehe schon was mein Sohn an Ihnen findet, Zorro. Er mochte immer schon Menschen mit einem starken Willen, die keine Angst davor haben, unverblümt das zu sagen, was sie denken, so wie er selbst.“ Mihawk Senior ging an Zorro vorbei. „Sie fragen sich mit Sicherheit, was ich von Ihnen möchte, nicht wahr?“, fragte er dann und blieb vor einem Vorhang stehen, den er dann mit einem Zug zur Seite riss. Das weite Meer hinter ihm war in tiefes Rot getaucht, die Sonne stand schon tief über dem Horizont. „Nicht wirklich“, meinte Zorro nur und zuckte mit den Schultern. „Ich gehe davon aus, dass Sie irgendwas mit mir bereden wollen, was Dulacre nicht mitkriegen soll. Deshalb haben Sie darauf gewartet, dass er abreist.“ Der andere nickte und öffnete eine Tür aus Glas, die zu einem kleinen Balkon hinausführte. „Das ist richtig. Ich habe ein paar Fragen an Sie und wäre äußerst dankbar, wenn Sie mir diese beantworten würden, nun, da ein weiteres Versteckspiel unnötig ist.“ Dann trat er hinaus und winkte Zorro hinter sich her. „Warum wollen Sie raus? Vertrauen Sie noch nicht mal Ihren eigenen Leuten?“ „Ich gehe davon aus, dass mein Sohn den Raum sorgsam untersucht hat“, entgegnete Mihawk Senior, während Zorro ihm nach draußen folgte. „Aber ihm traue ich nicht, und wie Sie zurecht gesagt haben, möchte ich nicht, dass er dieses Gespräch hört.“ Der alte Mann lehnte sich gegen die Seitenwand des Balkons, Zorro hingegen nahm auf der Balustrade Platz und wunderte sich, was jetzt noch kommen würde. „Es war ein Übersetzungsfehler meinerseits, nicht wahr?“, fragte Mihawk Senior, ohne Zorro anzusehen. „Sie haben es in meinen Unterlagen gesehen, dass ich etwas in den Schriften Alciels fälschlicherweise mit Uranos übersetzt habe. Daher wussten Sie, dass das, was in Mary Joa verborgen ist, unmöglich eine antike Waffe sein kann.“ Zorro überlegte, wie viel er dem anderen verraten sollte. Schließlich wusste er, dass Mihawk Senior es treu seiner Herrin weitersagen würde, auf der anderen Seite war er dem langen Tag an Geheimniskrämereien müde und er entschied, so zu handeln, wie es sich für ihn richtig anfühlte und nicht, wie Dulacre handeln würde. „Ich habe die Unterlagen verbrannt“, erklärte er geradeheraus. „Was?“ „Ja, mich hat genervt, dass Dulacre in meiner Vergangenheit herumgewühlt hat, erst recht, ohne vorher mit mir darüber zu reden. Daher habe ich sie verbrannt, ohne sie mir vorher näher anzuschauen.“ „Grundgütiger“, flüsterte der andere und starrte ihn fassungslos an, „was haben Sie… nur getan? All die Jahre… All die…“ „Ja, Dulacre hat auch nicht gerade begeistert reagiert“, meinte Zorro nur achselzuckend und absolut nicht bereit, das gleiche Gespräch nun mit jeder Generation zu führen. „Aber ich erinnere mich tatsächlich an die ersten paar Zeilen, die wohl eine Übersetzung aus dem ersten Buch sein sollten, aber ich war mir nicht sicher, da sie komplett falsch waren.“ Der andere glotzte ihn immer noch mit großen Augen an. „Da stand nicht Uranos – das hätte auch überhaupt keinen Sinn ergeben – sondern Ornos.“ „Ornos?“, wiederholte der andere fragend. „Or, wie in Lorenor, also Wächter, und was bedeutet nos?“ „Das werden Sie schon herausfinden“, murrte Zorro abweisend, „Sie haben ja auch so einige Puzzleteile zusammenfügen können.“ Er sah absolut nicht ein, hier die Drecksarbeit für Cipherpol zu erledigen. Er hatte kein großes Interesse an seiner Vergangenheit und seiner Abstammung, setzte sich nur gezwungenermaßen damit auseinander. Vermutlich würde er nicht drum herum kommen, mit Robin und Dulacre die ein oder andere nervige Diskussion führen zu müssen, aber mit Mihawk Senior musste das wirklich nicht sein. Lange sah der andere ihn an. „Sie wissen, wer ich bin, oder?“, fragte der alte Mann und zum ersten Mal ohne einen ablehnenden oder abwehrenden Unterton. „Sie wissen, dass ich da war, oder?“ Hätten wir Rihaku persönlich früher hinzugezogen, wäre Eizen dieser Fauxpas vor über 15 Jahren nicht geschehen. Außerdem hat mein Vater viele Jahre für Eizen gearbeitet und eigens die Soldaten für dessen Leibgarde ausgewählt. Ihre Unzulänglichkeit von vor 15 Jahren wurde Ihnen nun vergeben. „Nachdem Sie so viel über den Namen Lorenor wussten, habe ich es vermutet.“ „Aha“, meinte der andere nur und betrachtete die Schwerter an Zorros Seite. „Sie sind schon ein sehr eigenartiger Mensch, Lorenor Zorro“, murrte er dann, ähnlich wie es sein Sohn vor über zwei Jahren mal getan hatte. „Wir sind Feinde, Sie sind ein Pirat, ein Gesetzloser, der die Weltregierung aus fragwürdigen Interessen infiltriert hat. Gleichzeitig empfinde ich Ihnen gegenüber Scham. Nach dem Tod meiner Frau wollte ich… ich wollte die Welt zu einem besseren Ort machen. Aber letzten Endes habe ich Ihnen das Gleiche angetan, wie es meinem eigenen Sohn widerfahren ist. Macht mich das nicht zu dem gleichen Monster, wie die, die ich jage?“ Augenrollend ließ Zorro den Blick übers Meer schweifen. „Mir sind Ihre Motive und Ihre Taten ziemlich egal. Meine Mutter hat sich damals selbst vergiftet und sie allein trug die Verantwortung ihrer Taten, verstanden?“ Er konnte den Blick des anderen auf sich fühlen, aber es war ihm egal. „Und dennoch hätte sie ohne mein Zutun nicht zu solchen Maßnahmen greifen müssen“, beharrte Mihawk Senior drauf, „und es würde mein Gewissen erleichtern, Ihnen meine Beweggründe zu erklären, mich für meine Taten bei Ihnen zu entschuldigen.“ „Wäre das nicht ziemlich dumm?“, entgegnete Zorro, der sich eigentlich nichts mehr wünschte, als dieses Gespräch zu beenden und dennoch… obwohl es ihm egal war, es nichts an der Vergangenheit ändern würde. Obwohl es nichts an dem Tod seiner Mutter ändern würde, an der Art, wie sie gelebt hatte und gestorben war, ändern würde, etwas in ihm wollte hören, was Mihawk Senior zu sagen hatte. Der alte Mann seufzte. „Vielleicht ist es das“, gestand er ein. „Aber wie Sie wissen, wird der Titel meines Sohnes als Samurai demnächst wohl verfallen und daraufhin wird ihm nicht viel bleiben. Er wird jeden Verbündeten gebrauchen können und er scheint Ihnen zu vertrauen wie sonst kaum jemanden, außer vielleicht dem gutmütigen Jiroushin, und daher bin ich gewillt, dieses Risiko einzugehen.“ Überrascht sah Zorro auf. Dulacre sollte ihm vertrauen? Dulacre? Der Typ, der noch nicht mal seinem besten Freund wirklich vertraute? Der es bis vor ein paar Tagen anscheinend noch nicht mal geschafft hatte, ehrlich mit Zorro zu reden? „Ich meine, sonst hätte er Ihnen niemals Josei gegeben. Die Familie Mihawk kann eine beeindruckende Anzahl ausgezeichneter Schwerter ihr Eigentum nennen. Neben Yoru, Josei und Dansei sogar noch zwei weitere Drachenschwerter. Yugure wäre mit Sicherheit hervorragend als Lehrschwert gewesen.“ Nun betrachtete Mihawk Senior ihn eindringlich. „Zumindest in Ihrer anderen Gestalt wäre Yugure wahrscheinlich sogar noch besser geeignet, körperlichen Schwächen auszugleichen, und natürlich war dies meinem Sohn bewusst, schließlich ist er nicht nur der beste Schwertkämpfer der Welt, sondern auch ein wahrer Meister des Schwertes, wie die Welt ihn zuvor noch nie gesehen hat.“ Der andere schnalzte auf, wie Dulacre es oft zu tun pflegte, während Zorro beinahe verwundert zuhörte. Davon hatte er noch nie was gehört. Sprach der andere es an, weil er gesehen hatte, wie Zorro sein Schwert Dulacre zur Aufbewahrung mitgegeben hatte? „Nein, nicht nur wahrscheinlich, Yugure wäre absolut besser geeignet, starker Beschützerinstinkt, aber sanftmütig und ruhig, ohne jegliche Blutgier, eher besonnen wie Dansei und dabei doch deutlich stärker. Dennoch entschied mein Sohn, Ihnen ein Schwert zu geben, welches weder für Lady Loreen noch für Lorenor Zorro geeignet ist, da Josei keine anderen Götter neben sich akzeptieren kann und weil es jegliche Schwäche seines Trägers sofort ausnutzt.“ Mihawk Senior sah wieder aufs Meer hinaus, Zorro hingegen hörte tatsächlich zu. Dulacre hatte ihm damals nicht wirklich erklärt, warum er sich für Josei entschieden hatte, und Zorro hatte das auch nicht hinterfragt, aber wenn er ehrlich war, interessierte ihn das und seine Schwerter klangen ungewöhnlich friedlich, selbst Kitetsu, als der alte Mihawk über die verschiedenen Drachenschwerter sprach. „Und trotzdem“, murmelte der andere nun, „obwohl Josei ganz offensichtlich nicht die richtige Wahl sein konnte, hat er es Ihnen gegeben, und dabei Recht behalten, dass es die perfekte Wahl ist. Obwohl Sie so ganz anders als meine Tochter sind und Josei sich in Ihrer Nähe so ganz anders verhält, scheinen Sie diese Waffe mit einer Perfektion gemeistert zu haben, die ich nur meiner Tochter zugetraut hätte.“ Zorro bekam eine Gänsehaut unter diesem Blick. „Aber selbst, wenn mein Sohn diese absolut unwahrscheinliche Entwicklung vorausgesehen hätte, so hätte er doch nie deswegen das Schwert seiner Schwester jemand anderem gegeben, schließlich war Josei stets seine letzte Verbindung zu ihr. Schließlich hat meine Tochter ihn mit Josei zusammen unterrichtet. Dieses Schwert, in der Hand meiner Tochter, war das stärkste Schwert der Welt und er hat es bereitwillig in die Hand eines Anfängers gegeben. Ein solch selbstloses Verhalten passt nicht zu meinem Sohn und deswegen glaube ich, dass er Ihnen vertraut.“ Zorro schwieg und fragte sich, wie Josei wohl auf solche Worte reagiert hätte; das herrische Schwert mochte nicht wirklich, wenn jemand über es sprach. Er hatte gewusst, dass Dulacres verstorbene Schwester seine frühere Meisterin gewesen war, aber er hatte sich nie wirklich Gedanken darüber gemacht, was es bedeutet hatte, dass Dulacre – der so besessen von seiner Schwester gewesen war – es ihm überlassen hatte. Ich hätte nicht gedacht, es jemals wirklich aus den Händen zu geben. Zum ersten Mal hatte Zorro das Bedürfnis, mehr über die Vergangenheit seines ehemaligen Lehrmeisters zu erfahren, so wie er das erste Mal mehr über seine Mutter erfahren wollte. Alles, was heute geschehen war, schien seine Ursprünge schon viel weiter in Zorros Vergangenheit zu haben als diese Sitzung vor zwei Jahren, als er Eizen zum ersten Mal getroffen hatte, und irgendwie schien das alles mit seiner Mutter, aber auch mit Dulacre oder zumindest dessen Vater zu tun zu haben, und Zorro wollte wissen was. Er wollte nicht mehr der Dummkopf sein, der alle zwei Minuten von irgendwelchen neuen Informationen überrascht wurde. „Okay“, murmelte er und sah Mihawk Senior an, „ich werde zuhören.“ Der Soldat sah ihn einen langen Atemzug an, dann nickte er. Im nächsten Moment ging er wieder hinein, platzierte Teleschnecke und das soldatentypische Schwert auf einem kleinen Schreibtisch, ehe er zwei Stühle packte und sie hinter sich nach draußen zog. Mittlerweile war die Sonne in Zorros Rücken wohl untergegangen, denn es wurde stetig dunkler. „Ich hoffe, Sie frieren nicht schnell, aber ich würde es bevorzugen draußen zu bleiben; hier sind wir ungestörter vor ungefragten Zuhörern.“ Damit meinte der alte Mann wohl wirklich seinen Sohn, aber Zorro hatte kein Problem mit der Kälte, also zuckte er nur mit den Schultern und nahm die Worte des anderen einfach hin. Dieser ließ sich auf einen der beiden Stühle nieder. Zorro hingegen entschied, ihm ganz deutlich zu zeigen, dass Lady Loreen nicht mehr als eine Tarnung, eine Rolle, gewesen war und er tatsächlich seinem Namen als windiger Pirat alle Ehre machte, daher neigte er nur leicht den Kopf und warf seine Füße auf den leeren Stuhl, was sein geschwollenes Knie ihm nicht wirklich dankte. Der Vizeadmiral sah ihn wachsam an. „Sie könnten hinunterfallen“, mahnte er, dann seufzte er. „Mein Sohn hat ebenfalls die Angewohnheit, sich stets überaus unangebracht auf Sitzgelegenheiten zu fläzen.“ Zorro entgegnete nichts, sondern verschränkte nur die Arme, während der Meereswind ihm die Hoffnung gab, dass er bald wieder bei seiner Crew sein würde. Hoffentlich ging es ihnen gut, verdammter Koch! Zorro hatte es geschafft sein Problem selbst zu lösen – okay, mit Dulacres Hilfe, aber der zählte ja wohl nicht - aber dieser Vollidiot musste von Ruffy gerettet werden, wie das verdammte Prinzeschen, das er auch war. Verdammt, hoffentlich ging es ihnen allen gut. „Also“, murrte er unbeeindruckt und hielt diesen gelblichen Augen problemlos stand, „Sie wollten mir was erzählen.“ Mihawk Senior nickte. „Ich werde etwas weiter ausholen müssen, damit Sie die Hintergründe verstehen.“ Er zuckte nur mit den Schultern. „Bis Wa No Kuni sind es ja noch ein paar Meilen.“ „Wohl wahr“, stimmte der andere zu. „Sie wissen, dass meine Frau die Erbin der Mihawkfamilie war und ich nur eingeheiratet habe?“ Zorro nickte, mit weiter ausholen meinte der andere wohl ganz zurück an den Anfang zu gehen. Es würde wirklich noch ein langer Abend werden, hoffentlich würde Zorro nicht aus Versehen einnicken. „Und mein Sohn wird Ihnen mit Sicherheit auch gesagt haben, dass es nur eine Zweckehe war.“ Dieses Mal entgegnete er nichts. „Allerdings sind die Gründe doch etwas anders, als er es gerne wahrhaben würde, nicht ich habe diese Ehe initiiert.“ Der alte Mann seufzte. „Es stimmt, dass ich damals nur ein unbedeutender Marinesoldat war, talentiert aber unauffällig, ohne jegliche Beziehungen oder große Namen, die es mir hätten erleichtern können, auf der Karrieretreppe nach oben zu klettern. Dies änderte sich dann natürlich, als ich Taruchie kennenlernte oder viel mehr, als sie ein Duell zwischen einem Piraten und mir unterbrach, um mir zu erklären, dass sie mich zum Mann nehmen würde.“ Schweigend hörte Zorro zu. Er wusste nicht, warum Mihawk Senior ihm nun von seiner Beziehung mit Dulacres Mutter erzählte und was das mit Zorros Mutter zu tun hatte, aber er entschied, noch geduldig zu sein. „Nachdem sie mich einige Male während eines Kampfes beobachtet hatte, entschied sie, mich heiraten zu wollen, und zwar aus einem mir völlig befremdlichen Grund. Meine Frau war eine Meisterin des Schwertes und...“ „Was?“, entkam es Zorro ungewollt. „Dulacre sagte mal, dass sie keinerlei Interesse am Schwertkampf hatte.“ Der alte Mann begegnete seinem Blick. „Ja, das mag wohl für die Kindheit meines Sohnes zutreffend gewesen sein. Wissen Sie, meine Frau war alles andere als gewöhnlich. Als eine Mihawk war sie naturgemäß stolz und willensstark. Das Geschlecht der Mihawk schaut auf eine ehrbare und lange Geschichte der Schwertkunsttradition zurück und hat über die Jahrhunderte eine Vielzahl beeindruckender Schwertmeister hervorgebracht. Meine Frau war keine Ausnahme, aber als die Perfektionistin, die sie war, erkannte sie früh ihre Unzulänglichkeiten und wusste, dass sie nie ihren eigenen Ansprüchen Genüge tun könnte, und da sie es als respektlos empfand, diese Kunst mit ihrem Unvermögen auszuüben, entschied sie kurz nach der Geburt unserer Tochter, nicht länger mit dem Schwertkampf ihre Zeit zu verschwenden, und das in jedweder Hinsicht. Nur äußerst selten hat sie dem Training oder einem Kampf meinerseits oder unserer Kinder beigewohnt. Als Schwertkämpfer war mir unbegreiflich, wie sie dieser Kunst, die sie so über alles respektierte, hatte abdanken können. Es muss gewiss schmerzhaft für sie gewesen sein und dennoch hat sie nicht einmal mehr ein Schwert erhoben; wie in allem anderen waren ihre Entscheidungen stets absolut.“ Langsam ahnte Zorro, von wem der Samurai seinen Dickschädel hatte. „Aus diesem simplen Grund wählte sie mich damals aus, weil sie mein Talent und meine Fähigkeiten sah und vermutete, dass ich die ihren gut ergänzen würde und unsere Kinder der Perfektion, die sie ersehnte, näherkommen würden. Es war eine rein rationale Entscheidung, um eine noch bessere Generation an Schwertmeistern heranzuziehen, und natürlich konnte ich nicht ablehnen. Wenn man davon absieht, was es wohl bedeutet hätte, ihren Zorn auf mich zu ziehen, war mir natürlich bewusst, dass das Einheiraten in diese Familie mir eine gute Zukunft bedeuten würde. Darüber hinaus wäre es wohl eine Lüge zu behaupten, dass ich nicht sehen wollte, was wir für Nachwuchs zeugen könnten.“ Jetzt wurde es langsam seltsam und Zorro hatte nicht das Bedürfnis, dies näher erläutert zu kriegen. „Und unsere Kinder waren wohl die beste Generation, die die Welt je gesehen hat. Meine Tochter war alles, was ich in einer Schwertmeisterin auch nur hätte erwarten können, sie war nahezu übernatürlich begabt und fleißig und ehrgeizig. Sie zu unterrichten war mehr eine Ehre als eine Pflicht, sie war wissbegierig und hatte ein natürliches Verständnis für die Bewegungen von Körper und Waffe. Ihr Talent war ohnegleichen und ihre Arbeitsmoral hervorragend. Aber bereits in jungen Jahren zeigte sie ihre sanfte Seite, ihr naives und freundliches Wesen, und auch wenn ich damit gut umgehen konnte, so war dies doch der Grund, warum unsere Tochter laut meiner Frau nicht die von ihr erstrebte Perfektion würde erreichen können.“ Der alte Mann schwieg für eine Weile. „Ich weiß nicht, ob sie damit Recht hatte. Ich möchte es nicht glauben, ich möchte nicht glauben, dass Gutmütigkeit und Sanftmut der Schwertkunst entgegenstehen. Allerdings habe ich auch von jeher meine Zweifel gehabt, dass es überhaupt möglich ist, eine Kunst zu perfektionieren und selbst meine Tochter hatte ihre Schwächen: Ihre fehlende Ernsthaftigkeit, ihr Unwille ihren Gegner im Zweifel des Zweifels zu brechen, ihre Abneigung nicht nur Stahl sondern auch Fleisch zu schneiden.“ Zorro hingegen hatte das Gefühl, dass ihm die Ansichten von Dulacres Mutter nicht zu unbekannt vorkamen. „Daher bekamen wir noch ein Kind, und so unähnlich meine Tochter ihrer Mutter gewesen war, so sehr glich mein Sohn ihr. Der gleiche Stolz, der gleiche starke Wille, die gleiche Kompromisslosigkeit, aber er war auch faul und hatte dauernd nur Dummheiten im Kopf. Er war immer schon eitel gewesen und seine überlegene Intelligenz gab ihm auch leider stets allen Grund dazu. Auch er hatte alles, was es für einen Schwertmeister bedurfte, aber ich habe in ihm nie das gesehen, was meine Frau in ihm gesehen hat. Ja, er war talentiert – natürlich war er das – aber er war nicht gewillt, hart zu trainieren, an sich zu arbeiten, Fehlschläge hinzunehmen, Respekt vor den Erfahreneren zu üben. Fast alles gelang ihm beim ersten Versuch und mehr als einen Versuch war er auch nicht bereit, aufzubringen, ganz anders als seine Schwester, die nie aufgab, ganz gleich vor welche schweren Hürden sie gestellt wurde.“ Mihawk Senior sah ihn ruhig an. „Unsere Kinder waren wie Schatten und Licht. Meine Tochter strahlte heller als je ein Mensch, den ich kennen gelernt habe, und je heller sie strahlte, desto dunkler war der Schatten, den mein Sohn warf. Sie beide hatten Schwächen, welche der jeweils andere ausgleichen konnte und sie waren zusammen ein Ganzes, zusammen hätten sie wohl Perfektion erreichen können. Aus diesem Grund hatte meine Frau entschieden, dass sie die Zwillingsdrachenschwerter erhalten sollten, sobald sie alt genug sein würden. Das blutdurstige Josei, was den Kampfeswillen und die Gier meiner Tochter verstärken sollte, und das erhabene Dansei, dessen Ruhe und Besonnenheit die Unbarmherzigkeit und den Unwillen meines Sohnes aushalten konnte.“ Mittlerweile erhellten nur die Sterne und der Mond das Meer vor ihnen, das Licht der Kajüte den Balkon um sie herum, doch die Müdigkeit war aus Zorros Knochen verschwunden. „Meine Frau hatte einen recht eigenwilligen Charakter und obwohl sie mir aufgetragen hatte, unsere Kinder auszubilden, hatte sie mir zunächst nicht erklärt, warum es von solcher Notwendigkeit war. Dies änderte sich jedoch, als ich mit den Büchern Alciels nachhause kam.“ Weiterhin lagen die vergilbten Augen auf Zorro. „Sie wissen von Ihrem Schicksal, nicht wahr?“ Unbeeindruckt hob Zorro eine Augenbraue an. „Ich glaube nicht an das Schicksal“, entgegnete er mürrisch, „ich entscheide selbst über meinen Weg.“ Der andere zögerte. „Sie wollen mir sagen, dass… aber Sie wissen zwischen der Verbindung? Zwischen Ihnen und meinem Sohn?“ Zorro war sich nicht sicher, worauf der alte Mann anspielte. Auf diese seltsame Beziehung, die er nun anscheinend mit Dulacre führte? „Sie wissen, dass das Schicksal der Mihawks mit dem der Lorenor eng verbunden ist? Die Taten Ihrer beider Ahnen haben die Wege Ihrer Zukunft bestimmt!“ „Und noch einmal, ich glaube nicht an das Schicksal.“ Kopfschüttelnd lehnte der Soldat sich zurück. „Aber ist das nicht der Grund, warum Sie meinen Sohn herausgefordert haben? Warum Sie ihn um Hilfe gebeten haben?“ Augenrollend schüttelte nun Zorro den Kopf. „Ich habe ihn herausgefordert, weil ich ihn besiegen will, und ich habe nicht vor, mein Handeln von irgendwelchen Toten bestimmen zu lassen. Haben Sie deshalb meine Mutter verfolgt? Weil Sie Angst vor irgendwelchen Ammenmärchen haben?“ Beinahe erschrocken starrte der andere ihn an, ehe er den Blick abwandte und die Arme verschränkte. Für mehrere Minuten war es still und Zorro fragte sich, ob es niemanden störte, dass der Kommandant des Schiffes für gefühlte Ewigkeiten verschwand. „An dem Tag, als meine Tochter geboren wurde, erwähnte meine Frau das erste Mal den Namen Lorenor. Mit unserem Kind im Arm erklärte sie mir, dass dieses Geschlecht der Grund war, warum es absolut notwendig für unsere Kinder sein würde, die Schwertkunst zu erlernen. Sie sagte, dass es das Schicksal der Mihawks wäre, mit den Lorenors die Klinge auf Leben und Tod zu kreuzen und jede Generation müsse dafür bereit sein und sie war sich sicher, dass die Zeit bald kommen würde.“ Der alte Mann seufzte. „Ich hatte immer gedacht, dass sie von unserer Tochter sprach, die schon in jungen Jahren die Besten der Besten besiegt hatte und bereits mit 16 die Königin der Schwertkunst genannt wurde und ich dachte, dass auch meine Frau sie gemeint hatte, schließlich hatte sie unserer Tochter zu ihrem 16. Geburtstag das ihr zugedachte Schwert gegeben, auf dass sie lernen würde, es zu meistern, was ihr natürlich in kürzester Zeit gelang. An jenem Tag trainierte meine Frau meine Tochter, ohne dass jemand anwesend sein durfte. Doch was auch immer sie unserer Tochter an jenem Tag sagte, wird die Welt wohl nie wissen. Doch was auch immer es war, meine Tochter war von jenem Tag an ein andere, sie übernahm ihre Pflichten gewissenhaft und entschied später, die Liaison mit Nataku einzugehen zum Wohle des Hauses Mihawk, so wie meine Frau damals die Liaison mit mir eingegangen war.“ Wie in Zeitlupe lehnte Mihawk Senior sich nach vorne und im Licht, welches aus dem Zimmer drang, konnte Zorro ein Grauen in diesem Blick sehen, welches er nicht genau erfassen und verstehen konnte. „Mein Sohn hingegen beunruhigte mich zutiefst. Ganz gleich was ich tat, ich war nicht in der Lage, ihn zu unterrichten und das ist eine Schande, mit der ich als Lehrmeister zu leben lernen musste. Er war ein sehr ungewöhnlicher Schüler, wie gesagt, er war alles andere als fleißig, aber selbst die schnellste Auffassungsgabe und der schärfste Verstand können ohne Wiederholung und Einüben nur so viel erreichen. Aber er war nicht gewillt, einen solchen Einsatz zu zeigen.“ Für einen Moment sah der alte Mann Zorro an. „Es mag für Sie unwirklich scheinen, weil mein Sohn nun mal zurecht der beste Schwertkämpfer der Welt ist, aber wirklich trainiert hat er nie. Die einzige Form, wie er den Schwertkampf lernen konnte – gewillt war zu lernen – war die direkte Konfrontation, das war das Einzige daran, was ihm Spaß gemacht hatte und er war nie gewillt gewesen, Zeit zu opfern für etwas, was ihm keinen Spaß machte. Er brauchte Dinge nur einmal zu sehen und konnte sie nachahmen. Er brauchte Dinge nicht erklärt zu bekommen, weil er sie beim Zusehen oder Durchführen direkt verstand und er sah keinen Sinn in Trockenübungen, sah sie als reine Zeitverschwendung an. Er war vielleicht wirklich ebenso talentiert wie seine Schwester, aber… aber man könnte es wohl so beschreiben, dass er nur die Früchte ernten und essen wollte, nicht aber den Baum pflanzen und pflegen. Ein solcher Weg widersprach allem, was ich über den Schwertkampf gelernt hatte und so wusste ich ihn nicht zu unterrichten. Meine Tochter jedoch kämpfte mit ihm tagein tagaus und so wurde er innerhalb kurzer Zeit deutlich besser, als ich es je erwartet hatte.“ Zorro musste gestehen, dass er diese Information sehr interessant fand, hatte er doch selbst seinen ehemaligen Lehrmeister auch nur vielleicht ein bis zwei Mal die vergangenen zwei Jahre trainieren gesehen. Aber er konnte sich darauf nicht konzentrieren, denn obwohl der alte Mann nichts sagte, was Zorro in irgendeiner Form schlimm fand, hatte er nun wieder aschfahl den Blick auf den Boden gerichtet und sah aus, als würde ihm jeden Moment die Stimme versagen. „Ich wollte ihm eine Lektion erteilen, meinem faulen, eitlen Sohn. Ich dachte, eine Auseinandersetzung mit echten Gegnern, das Beiwohnen eines echten Kampfes, würde ihm etwas Demut beibringen, würde ihm etwas seiner Arroganz austreiben. Also entschied ich, dass er mit seiner Mutter eine Versammlung besuchen sollte, wissend, dass das Kriegsschiff die Route einiger Piraten kreuzen würde, dachte, dass die Soldaten…, dass er…“ Mihawk unterbrach sich mit einem leichten Kopfschütteln. „Aber aus welchem Grund auch immer war nicht er mit an Bord, sondern meine Tochter, bereits zu diesem Zeitpunkt als beste Schwertkämpferin der Welt angesehen, jedoch unbewaffnet, da sie an jenem Tag als Vertreterin ihres Hauses unterwegs war und Waffen an einem Ort der Diplomatie nur fehl am Platz gewesen wären. An jenem Tag überlebte niemand den Angriff. Die Besatzung, meine Frau, meine Tochter, niemand überlebte diese Schlacht.“ Zorro vergaß beinahe, zu atmen, obwohl er diese Geschichte doch kannte. „An jenem Tag war ich bereit gewesen, meinen Sohn in seinen sicheren Tod zu schicken, nur um ihm eine Lektion über Arbeitsmoral zu erteilen. Aber weil ich meine Kinder nicht kannte, die Faulheit meines Sohnes und die Gutmütigkeit meiner Tochter unterschätzt habe, habe ich an jenem Tag meine Tochter in ihren Tod geschickt. An jenem Tag habe ich sie alle verloren, meine geliebte und verehrte Frau, meine wundervolle, sanftmütige, liebenswerte Tochter und auch meinen Sohn, meinen faulen, eigensinnigen, stolzen Sohn, der meiner Frau so unglaublich ähnlich ist. Seit jenem Tag fällt es mir schwer in seine – ihre – Augen zu sehen, denn an jenem Tag habe ich in meiner Aufgabe als Vater versagt; ich habe meine eigenen Kinder verraten.“ Zorro schwieg weiterhin, war sich nun nicht mehr sicher, ob er die Wahrheit wirklich hatte wissen wollen, aber nun war es zu spät, nun wusste er die Wahrheit. Doch er wusste immer noch nicht, warum der alte Mann ihm all das erzählte und wenn er ehrlich war, änderte es doch alles nichts. All das änderte nichts daran, wer Dulacre heute war – für Zorro war - und was geschehen war, nur weil der andere es ihm nun erzählte. Erneut schüttelte Mihawk Senior den Kopf und, als er weitersprach, klang er gefasster. „Da niemand überlebt hatte, wusste niemand, was genau geschehen war, es musste ein barbarisches Hinrichten gewesen sein, anhand der wenigen Überbleibsel, die man fand. Dennoch war es mir unvorstellbar, wem es hätte gelingen können, nicht nur die Soldaten, sondern auch meine Frau und gerade auch meine Tochter zu besiegen, aber niemand wusste, welche Piraten für diese Tat verantwortlich gewesen waren – gewesen sein konnten - und… ich war blind vor Hilflosigkeit und Racheverlangen. Ich dachte damals, dass ich meine Schuld sühnen könnte, wenn ich ihren Mörder finden und aufhalten würde. So kam ich zu Cipherpol, in der Hoffnung meine Schande ausmerzen zu können.“ Nun sah Mihawk Senior ihn wieder an. „Und von dort wurde ich irgendwann auf Eizen angesetzt. Cipherpol hatte schon sehr früh ein Auge auf ihn geworfen und nach dem Fall Oharas noch mehr. Rihaku beauftragte mich wenige Jahre später, herauszufinden, was er vorhatte, nachdem er einen Tempel im West Blue unter einer fadenscheinigen Begründung hatte aufsuchen wollen. Ich arbeitete ihm zu, gab ihm genügend Informationen, damit er in unserem Sinne handeln konnte, aber vielleicht manchmal auch etwas mehr, aus Eigeninteresse.“ Einen Moment schien Mihawk Senior nachzudenken. „Sie mögen nicht an das Schicksal glauben, für mich jedoch konnte es gar nichts anderes gewesen sein, als ausgerechnet Eizen sich zum Ziel gesetzt hatte, die Nachfahren der Lorenor zu finden, und in Gedenken an meine Frau entschied ich, ihn nicht nur zu überwachen, sondern auch jeden Lorenor zu töten, der uns über den Weg laufen würde. Denn sie waren doch diejenigen, die unser ganzes Schicksal bestimmt hatten, aufgrund derer meine sanfte Tochter und mein eitler Sohn hatten Schwertkämpfer werden müssen. Nach einer Weile endeten wir im East Blue und da fanden wir sie, Lorenor Zakuro, die letzte Königin des zerfallenen Königreiches Alciels, deren Verbleib über Jahrhunderte nie ganz hatte geklärt werden können und die dann, wie von Zauberhand plötzlich wieder aufgetaucht war.“ Seufzend lehnte er sich zurück. „Nach Eizens Befehl erfolgte der Zugriff, doch ich war zu spät; sie war mir zuvorgekommen und hatte entschieden, sich Eizen zu entziehen, und zwar auf eine absolute, unumstößliche Art und Weise.“ Wohl eine Vergiftung. Was für eine Schande, hätte man sie früher gefunden, hätte man sie vermutlich retten können. „Und trotz meines Racheverlangens hat es mich nicht zufriedengestellt, sie dort liegen zu sehen, es hat mich nicht glücklich gemacht, wie ich es erhofft hatte. Welch trauriges Ende es für eine Frau wie sie gewesen war. Ihr war noch nicht mal die Ehre zuteil geworden, im Kampf fallen zu dürfen und das als eine Kriegerin ihrer Klasse. Doch selbst im Tode zeigte sie noch den Stolz und die Eleganz einer Herrscherin und ich kam nicht umhin, an meine verehrte Frau zu denken und an das, was ich in ihrem Gedenken hatte tun wollen.“ Mittlerweile hatte Zorro den Blick abgewandt, während der alte Mann ihn ansah. Es war egal, was Mihawk Senior sagte, nichts davon würde etwas daran ändern, dass seine Mutter an jenem Tag gestorben war. „Doch dann sah ich die Schuhe, die Schuhe eines Kindes, halb verbrannt in der Feuerstelle, und mir wurde bewusst, dass… dass, was auch immer Eizen vorhatte, es darin enden würde, dass dieses Kind getötet oder versklavt werden würde. Mit meinem Handeln hatte ich nicht nur meine Familie zerstört und meinen eigenen Sohn im Stich gelassen, sondern auch noch verursacht, dass nun ein anderes Kind das Gleiche oder Schlimmeres würde durchmachen müssen wie meine eigenen Kinder.“ Zorro sah weiterhin aufs Meer hinaus, wollte sich nicht eingestehen, dass er dieses Kind gewesen war, von dem der andere sprach, seine Finger verworren in der feinen Goldkette um seinen Hals. „Ob Lorenor oder nicht, meine Tochter war tot und ich dachte mir, dass das Schicksal, welches meine Frau vorhergesagt hatte, mit ihr gestorben war. Die Vorstellung, ein unschuldiges Kind zu töten, nur um ein Schicksal zu verhindern, welches doch nicht mehr eintreten würde, war eine Bürde, die ich nicht tragen konnte. Ein unschuldiges Kind zu töten, nachdem seine Mutter bereitgewesen war, alles zu tun, um dieses Kind zu beschützen, ließ mich demütig werden, meinen jahrelangen Hass und meine blinde Wut vergessen. Während ich alles verloren hatte, nur weil ich mit dem Charakter meines Sohnes überfordert gewesen war, hatte sie alles aufgegeben, um ihr Kind beschützen zu können. An jenem Tag schwor ich mir, dass ihr Opfer nicht umsonst gewesen sein sollte.“ Sei heute Abend pünktlich, Ren, ich möchte beizeiten essen. Und benimm dich, sei den Arbeitern keine Last. „Also verbrannte ich die Schuhe, die Klamotten, alles was auf ein Kind hätte schließen lassen können. Ich sprach mit den Dorfbewohnern und erfuhr, dass sie einen Jungen hatte, noch ein kleines Kind. Ich sagte ihnen, sie sollten den Jungen für die nächsten Tage vom Dorf fernhalten und entschied, Eizen nicht über ihn zu informieren.“ Ist das ihr Junge? Hat er sie gefunden? Bringt ihn hier weg, keiner sollte seine Mutter so sehen müssen. „Und ich glaubte – hoffte - mit dieser Tat etwas meiner Schuld ablegen zu können. Nie hätte ich gedacht… nie hätte ich gedacht, diesem Kind je gegenüberzustehen. Ich war überzeugt, dass das Schicksal der Mihawks mit meiner Tochter gestorben war, so wie das Schicksal der Lorenors mit dem Tod der Königin, dass ich mir noch nicht mal etwas dachte, als über ein Jahrzehnt später der Name Lorenor Zorro nach und nach über die Grenzen des East Blues hinaus schwappte. Es war nur irgendein Piratenjäger aus dem Schwächsten der Meere, nichts Beunruhigendes, wollte ich mir einreden.“ Nun sahen sie einander an. „Und dann hörte ich davon, dass mein Sohn im East Blue einen talentierten jungen Schwertkämpfer verschont hatte – etwas so überaus Ungewöhnliches für ihn – und dass ausgerechnet Sie es gewesen waren.“ Mihawk Senior schüttelte den Kopf. „Mein Sohn hat nie wirklich die Pflichten seines Erbes angenommen. Er tut das, was von ihm als Sohn des Hauses Mihawk erwartet wird in Gedenken an seine Mutter, aber durch den frühen und unerwarteten Tod meiner Frau hat mein Sohn sein wahres Erbe nie angetreten – nie antreten können - und er hat sich auch geweigert, Dansei als sein Schwert zu akzeptieren, fand sein eigenes Schwert, Yoru. Aber selbst mein Sohn konnte sich dem Schicksal der Mihawks anscheinend nicht entziehen und da ich nicht gewillt war, auch ihn zu verlieren…“ Er zögerte. „Sie haben Homura auf mich angesetzt“, hakte Zorro nach. „Ja“, lachte der Soldat beinahe auf und lehnte sich zurück, rieb sich durchs Gesicht. „Ich überlegte, Rihaku von Ihnen zu erzählen, aber was hätte es gebracht? Was hätte es gebracht? Solange Sie am Leben waren, stellten Sie eine Gefahr für meinen Sohn dar, aber ich wollte meinen Schwur Ihrer Mutter gegenüber nicht brechen. Sie hatte so oder so beabsichtigt, Ihre Crew zu überwachen, also übernahm ich diese Verantwortung und beauftragte den unwissenden Nataku, der mir immer mehr wie ein Sohn gewesen war als mein eigener, Ihre Crew im Auge zu behalten, sicherzugehen, aus der Ferne zu beobachten, aber nicht einzugreifen, hoffte, dass sich mein Konflikt von alleine lösen würde. Doch dann griffen die Strohhüte Enis Lobby an und ich wusste, dass gehandelt werden musste, entgegen Rihakus Vorgaben. Ich veranlasste, dass Nataku von Jiroushin erfahren würde, dass Sie derjenige waren, den mein Sohn im East Blue am Leben gelassen hatte und ich wusste, wie Nataku reagieren würde. Ich entschied, meinen Schwur zu brechen, um zu verhindern, dass das Schicksal meines Sohnes in Ihre Hände fallen würde.“ Tief aufatmend erhob der alte Mann sich und wandte Zorro den Rücken zu. „Aber all das war vergebens. Ganz gleich was ich getan habe, das Schicksal kann nicht aufgehalten werden. Sie haben Nataku überlebt, den Sturz der G6 überlebt, auch wenn ich nicht weiß, wie, und auch wenn ich nicht weiß, wie Sie Ihre Gestalt wechseln können, aber mein erbarmungsloser, gnadenloser Sohn, der neben meiner fröhlichen und sanften Tochter und dem beinahe noch gutmütigeren Jiroushin nie einen anderen Menschen wertschätzen konnte, hat Sie in sein ach so kaltes Herz geschlossen. Das Schicksal der Mihawks ist ein grausames Leben voller Verlust und Leid, Einsamkeit und Isolierung, und meine Frau hat das gewusst. Kein Mihawk ist je an hohem Alter verstorben und sie hatte mich gewarnt, dass dieses Schicksal auch ihr bevorstehen würde, aber ich wollte nicht hören und musste die Konsequenzen tragen. Dies ist der Grund, warum ich doch zumindest meinen Sohn vor diesem Schicksal bewahren wollte, aber wieder einmal habe ich versagt. Denn ganz gleich wie jener Kampf enden wird, am Ende wird er sterben oder Sie werden fallen und seinen Willen zu Leben mit sich nehmen.“ Erneut holte Mihawk Senior tief Luft. „Dies ist der Grund, warum ich Ihnen helfe. Nicht weil Rihaku es mir befohlen hat, nicht weil ich damals beim Tod Ihrer Mutter schwor, Ihnen nicht das Leben zu nehmen, sondern weil ganz gleich was ich tue, Ihre Existenz hat das grausame Schicksal meines Sohnes besiegelt und ich hoffe ihm so zumindest noch ein paar…“ „Sie sind irgendwie ziemlich dumm“, unterbrach Zorro ihn und verschränkte die Arme. „Was?“ Mit großen Augen und offenen Mund wirbelte der andere herum. „Was erlauben Sie sich?“ „Was ich mir erlaube? Tze, ziemlich dreiste Worte für jemanden, der versucht, seine Taten durch etwas so Bescheuertes wie das Schicksal zu entschuldigen.“ „Aber…“ „Nichts aber“, knurrte Zorro und erhob sich nun ebenfalls, musterte den alten Mann einmal von oben nach unten. „Ganz ehrlich, Ihr Opfergehabe ist echt anstrengend, wie Sie irgendeinem übermächtigen Wesen, irgendeinem Schicksal die Schuld in die Schuhe schieben für Ihr ach so hartes Leben. Das ist alles nichts mehr als eine beschissene Ausrede. Wir stehen hier heute nicht, weil es das Schicksal so wollte, sondern weil Sie, ich und alle anderen in der Vergangenheit Entscheidungen getroffen haben, die uns hierhin gebracht haben. Also ich persönlich sehe nicht ein, die Früchte meiner Taten irgendeinem Schicksal abzugeben und wenn Sie nicht die Konsequenzen Ihrer Entscheidungen tragen können, dann suchen Sie sich halt Ihre Ausreden. Ich für meinen Teil würde nie etwas tun, was ich bereuen würde und wenn das zur Folge haben wird, dass ich oder Dulacre draufgehen werden, dann ist das so, aber dann lag das an meinen und seinen Entscheidungen und nicht an irgendeinem beschissenen Schicksal!“ Nun war er es, der den anderen musterte. Er hatte wirklich wenig mit Dulacre gemein, konnte noch nicht mal zu seinen Entscheidungen stehen. „Sie haben entschieden, in die Mihawkfamilie einzuheiraten und Ihre Kinder zu Schwertkämpfern zu erziehen. Sie haben all diese Entscheidungen getroffen und alles, was danach passierte, ist nichts anderes als deren Folgen, keine verdammten Schicksalsschläge!“ Herablassend sah er zu dem anderen auf. „Und es pisst mich echt an, dass Sie eher auf irgendein schwachsinniges Schicksal vertrauen, als Ihrem eigenen Sohn zuzutrauen, dass er seine eigenen Entscheidungen fällen könnte! Ich habe ihn damals herausgefordert und er hat damals entschieden, mich nicht zu töten. Das hatte nichts mit Schicksal zu tun, das haben wir aus freiem Willen so entschieden! So wie wir uns jeden Tag aufs Neue entscheiden.“ Hart atmete er aus. Dieser Typ machte ihn wirklich wütend und so wütend konnte ihn sonst nur einer machen. „Dulacre hat nicht seine Mutter und Schwester verloren, weil irgendein Schicksal das so wollte, sondern weil dumme Entscheidungen getroffen wurden. Er lebt nicht wie ein verdammter Einsiedler, weil er ein so schweres Los gezogen hat, sondern aufgrund seines beschissenen Charakters und seines Unwillens daran zu arbeiten. Aber das ist ja kein Wunder, bei so einem Vater! Tze, was für eine peinliche Ausrede. Hören Sie auf, die Verantwortung für Ihre Taten irgendeinem beschissenen Schicksal in die Schuhe zu schieben, sondern denken Sie nach, bevor Sie irgendeinen Mist bauen, dessen Konsequenzen Sie nicht tragen können!“ Mit großen Augen sah der andere zu ihm hinab, aber Zorro hatte noch einiges zu sagen. „Und noch etwas“, murrte er und trat einen Schritt auf den anderen zu, der zurückweichen wollte, aber direkt an der Schiffswand stand, „sind Sie wirklich so doof oder kapieren Sie nicht, warum die Mihawks nicht alt werden? Schwertkämpfer sterben nun mal früh! Und wissen Sie, woran das liegt? Weil wir kämpfen und unsere Kämpfe nun mal normalerweise in Sieg oder Niederlage enden; der Sieger überlebt, der Verlierer stirbt. Ab einem gewissen Alter wird man halt wieder schwächer und irgendwann verliert man. Die meisten von uns können nicht wie Ihre Frau einfach die Waffen an den Nagel hängen und sich dem Häkeln widmen und ich würde lieber mit einem Schwert in der Hand sterben, als über Monate hinweg vor mich hinvegetieren.“ Zorro wollte es gut sein lassen, aber irgendwie war es auch befreiend, endlich mal jemanden anzuschnauzen, endlich Eizen, Rihaku und Lady Loreen hinter sich zurückzulassen. „Und wo wir schon dabei sind, wagen Sie es ja nie wieder, den Tod meiner Mutter als trauriges Ende zu bezeichnen! Sie ist so gestorben, wie sie es wollte, so wie sie es für richtig hielt. Sie ist aus freiem Willen gestorben, um mich zu beschützen und gegen Eizen, Sie und Cipherpol zu gewinnen, also wagen Sie es ja nicht, die Entscheidung meiner Mutter sich selbst anzurechnen!“ Mihawk Senior starrte Zorros fassungslos an, während er selbst laut Luft ausstieß. „Ich will Ihre Entschuldigung nicht und ich werde Ihnen Ihr Gewissen nicht erleichtern“, knurrte Zorro und wandte sich ab. „Sie haben damals getan, was Sie für richtig hielten und wenn Sie damit nicht klarkommen, ist das Ihr Problem aber mit Sicherheit nicht meins.“ Was auch immer der alte Mann antworten wollte, geriet in Vergessenheit, als es plötzlich an der Tür klopfte und die Stille nach Zorros Worten zerbrach. „Es ist wohl an der Zeit, meinen Pflichten nachzugehen“, bemerkte Mihawk Senior mit monotoner Stimme und beinahe zu ausdrucksloser Miene. „Dies beendet wohl unser Gespräch. Ich bitte Sie, bis zur Abreise in diesen Gemächern zu verweilen, um unnötige Spannungen mit meinen Soldaten zu vermeiden, und wünsche Ihnen noch eine geruhsame Nacht.“ „Mihawk!“, rief Zorro ihm nach, als dieser bereits den Balkon verlassen hatte und seine Sachen einsammelte. „Ich habe noch eine Frage.“ Mit hochgezogener Augenbraue sah der alte Mann ihn an. „Wer war der Pirat, der es geschafft hatte, Ihre Tochter zu besiegen? Haben Sie es je herausgefunden?“ Die Augen schmerzlich zusammenkneifend senkte Mihawk Senior den Blick, ehe er schließlich nickte: „Ja, das habe ich und zu meiner Schande habe ich die Verfolgung damals aufgegeben, weil ich ihm nie gewachsen gewesen wäre.“ „Das heißt, er lebt noch?“ „Oh ja und Sie sind im Begriff, sein Territorium zu erreichen.“ Was? „Es war Kaido.“ Für einen Moment hörten sie nichts weiter als das leise Rauschen der Wellen vom Balkon her, welches sie stetig näher nach Wa No Kuni brachte. „Weiß Dulacre es?“ „Nein. Mir ist bewusst, wie rachsüchtig mein Sohn ist – wohl die eine Sache, die er von mir geerbt hat – und trotz seiner unvergleichlichen Stärke… wer weiß, wer den Kampf zwischen diesen beiden Monstern überleben würde, ob die Welt überleben würde. Ich habe jegliche Hinweise vernichtet und bin der einzige Mensch, der weiß, wer für jenen Vorfall verantwortlich ist.“ Der alte Mann zögerte. „Ich und nun Sie.“ Damit wandte er sich um und ging, ließ Zorro fröstelnd im warmen Zimmer zurück.   Kapitel 45: Kapitel 45 - Gefühle -------------------------------- Kapitel 45 – Gefühle   -Mihawk- Überrascht sah er auf. Es war nicht so, als ob er nicht damit gerechnet hatte, dass diese Teleschnecke sich melden würde, er hatte nur nicht so früh mit ihrem Ruf gerechnet. Nein, er war davon ausgegangen, dass der andere sich erst nach seinem Treffen melden würde. Bis auf die Kerzen seines Sargbootes war die Welt um ihn herum dunkel. Selbst die Sterne und der Mond trauten sich nicht, gesehen zu werden, aber ihn störte die Dunkelheit nicht, sie hatte ihn noch nie gestört. Seufzend erhob er sich und trat seinen Thron zurück, um dem Ruf zu folgen. Er war erst seit wenigen Stunden unterwegs und würde gewiss noch weitere brauchen, ehe er Kuraigana erreichen würde. Es war ihm nicht leichtgefallen, Lorenor auf dem Schiff seines Vaters zurückzulassen, aber es wäre wohl sinnlos gewesen, emotional zu werden. Außerdem war Lorenor durchaus in der Lage, auf sich selbst Acht zu geben. Niemand an Bord stellte eine ernsthafte Gefahr für ihn dar. Nachdenklich rieb er seinen schmerzenden Kiefer. Nein, er brauchte sich wirklich keine Sorgen mehr um Lorenor zu machen. Dann seufzte er und nahm ab. „Was willst du?“, murrte er entnervt. „Ich warte auf einen Anruf und habe keine Zeit für deine Kindereien.“ Sein Gesprächspartner hatte bereits zum Sprechen angesetzt, unterbrach sich dann jedoch. „Ich… ich dachte, du wolltest dich nicht einmischen“, kam dann die überraschend ernste Antwort, „und dann werde ich benachrichtigt, dass du Mary Joa angreifen würdest? Obwohl du doch weißt, dass ich gerade…“ „Dieser Jiroushin“, knurrte Dulacre unter einem Augenrollen und ignorierte die Worte des anderen, „was für eine unnötige Handlung seinerseits.“ Nun lachte sein Gesprächspartner leise auf, aber selbst das klang ungewöhnlich ernst für seine Verhältnisse: „Ich denke, er war verzweifelt, was ich auch ein bisschen nachvollziehen kann, wenn du…“ „Glaubst du wirklich, Mary Joa würde noch stehen, wenn ich es tatsächlich hätte angreifen wollen?“, widersprach Dulacre abschätzig. „Ich habe kein Interesse daran, mich einzumischen, Rothaar. Mach du, was du nicht lassen kannst, verändere die Welt oder was auch immer für Machenschaften du verfolgst, aber lass mich damit bloß in Ruhe.“ „Sagst du auf der einen Seite und auf der anderen Seite meint dein Vizefalke, dass es notwendig wäre…“ „Ich wiederhole mich, Rothaar“, knurrte Dulacre nun. „Ich habe kein – ich betone, absolut kein – Interesse daran, mich in deine Kindereien einzumischen. Nichts liegt mir ferner, als meine kostbare Zeit damit zu verschwenden, mir freiwillig Arbeit aufzuhalsen.“ „Und doch hast du…“ „Aber lass mich eines klarstellen“, sprach er weiter, als hätte der andere nicht versucht, ihn zu unterbrechen. „Wenn deine Machenschaften mein Territorium berühren, dann werde ich nicht nur mitmischen, im Zweifel werde ich deine stärkste Trumpfkarte oder aber dein größtes Problem werden, verstanden, Shanks?“ Auf der anderen Seite war es eine lange Zeit absolut still und Dulacre überlegte bereits, das ungeplante Gespräch zu beenden, aber eine Kleinigkeit wollte er zuvor doch noch wissen, daher wartete er. „Ich beabsichtige nicht, dich zu meinem Feind zu erklären, Mihawk“, erklärte sein ehemaliger Rivale so ungewöhnlich und begrüßenswert ernst, „aber du musst verstehen, dass ich mich auch von dir nicht aufhalten lassen werde.“ „Dann sind die Fronten ja geklärt“, murrte Dulacre unbeeindruckt. „Komm mir nicht in die Quere und ich werde mich dir nicht in den Weg stellen.“ Für eine Sekunde schwieg der andere, war wirklich selten zurückhaltend. Dulacre musste gestehen, dass er diese Seite an dem roten Shanks beinahe leiden mochte. „Du hast dich wirklich sehr verändert, Falkenauge“, kam es dann schließlich von dem anderen mit seinem üblichen Lachen und augenblicklich schwand jedwede Sympathie seitens Dulacre. „Ich hätte nie gedacht, dass du Faulpelz mal freiwillig bereit sein könntest, dich für irgendetwas anzustrengen, echt ungewöhnlich, dass du mir sogar drohst.“ „Es ist keine Drohung, sondern Fakt, dass ich meine Interessen stets rücksichtslos verfolge“, entgegnete Dulacre schlicht. „Aber nur ein Einfaltspinsel würde die Geschehnisse der Welt beobachten und darauf vertrauen, sich ungerührt auf die faule Haut legen zu können. Nein, mir ist sehr wohl bewusst, dass die nächsten Wochen wahrlich aufregend werden.“ „Aufregend?“, wiederholte der andere eindeutig zu laut. „Aufregend?! Nichts ist aufregend! Du findest nichts aufregend! Gar nichts! Selbst unsere Kämpfe waren für dich nicht mal spannend. Du beschreibst Dinge als tolerabel oder erträglich, im besten Fall interessant. Und jetzt sagst du – Du! – dass die Zukunft aufregend sein wird?!“ Leise lachte Dulacre und ließ sich am Fußende seines Bettes nieder. „Das ist nicht lustig, Falkenauge! Was ist mit dir passiert? Ich erkenne dich kaum wieder!“ Es schien, als wären zum ersten Mal die Rollen vertauscht. Shanks schien mit den Nerven absolut am Ende und seinen Verstand anzuzweifeln, während Dulacres Laune einen unerwarteten Höhepunkt erreichte, und dass, obwohl er sich sekündlich mehr und mehr von Lorenor entfernte. „Naja, was erwartest du, Rothaar? Schließlich habe ich vor kurzem mit deinem Schützling gesprochen.“ „… Ruffy? Du hast mit Ruffy gesprochen?“ Nun klang der andere noch verwirrter. „Wann? Wo?“ „Du meine Güte, du bist ja noch schlechter informiert, als ich dachte. Ist dir nicht bewusst, was er gerade treibt?“ „Natürlich, jeder hat das mit de Flamingo…“ „Das meinte ich nicht.“ Oh, Dulacre wünschte, er könnte sein Grinsen unterdrücken, aber er schaffte es nicht. „Ich kann ihn wahrlich nicht leiden, diesen Strohhutbengel. Er erinnert mich sehr an dich, Rothaar, und dich kann ich ja auch nicht leiden. Wobei ich gestehen muss, dass er sogar noch nerviger ist.“ „Nerviger als ich?“, hakte der andere nach. „Pass auf, dass du auf deiner Schleimspur nicht ausrutschst. So freundlich bist du mir gegenüber sonst nie.“ Dieses Mal schwieg Dulacre. „Du hast also mit ihm gesprochen“, murmelte Shanks, „und bist zu dem Schluss gekommen, dass die Zukunft aufregend wird?“ „Wie gesagt, anders als der Strohhut, bin ich weder Einfaltspinsel noch Dummkopf. Dennoch gestehe ich ein, dass diese Crew wohl die Welt verändern wird…“ „Wie meinst…?“ „… und sie sind sogar bereits dabei.“ In diesem Moment meldete sich die Teleschnecke, die Dulacre eigentlich erwartet hatte. „Was meinst du damit?“, wiederholte der andere. „Sag nicht, dass…?“ „Ich habe keine Zeit mehr für dich, Rothaar. Ich wünsche eine gute Nacht.“ „Mihawk, was meinst du damit? Was hat Ruffy vor?!“ Kopfschüttelnd erhob er sich. „Frag Beckman, wenn deine Kontakte es dir noch nicht gesagt haben, er wird sich die Antwort schon zusammenreimen können.“ Damit legte er auf, unterbrach Shanks Nachfragen, genoss dieses Gefühl der Überlegenheit. War gewillt, dafür auch den kleinen Preis zu zahlen, den anderen auf die richtige Fährte zu leiten. Shanks hatte es tatsächlich nicht gewusst. Er hatte nicht gewusst, was sein kleiner Schützling vorhatte. Ja, die kommenden Tage würden sehr wohl interessant werden. Gotcha „Kannst du frei sprechen?“ „Natürlich, Hawky. Ich bin in meinem Zimmer, alles ist gut.“ Jiroushin hörte sich erschöpft an – nicht, dass es Dulacre wunderte. Es war mitten in der Nacht und der Gute war vermutlich gerade erst von den Vernehmungen entlassen worden – aber da er keines der üblichen Codewörter zwischen ihnen verwendete, schien es ihm gut zu gehen. „Seid ihr gut losgekommen?“ „Tze, bitte höre auf, dir unnötige Sorgen zu machen. Wie du sehr wohl weißt, warst du derjenige von uns, der einem größeren Risiko ausgesetzt war.“ „Kannst du nicht einfach mal meine Frage beantworten, anstatt immer so von oben herab mit mir zu reden, als wäre ich irgendein dummes Kind? Ich bin weder dein Schüler noch dein Feind, verstanden? Also behandle mich auch nicht so.“ Oh, er war gereizt, er war wirklich gereizt. Mehr noch, Jiroushin klang beinahe wütend. War er etwa so besorgt gewesen? Wegen solcher Nichtigkeiten? Zu gutmütig für diese Welt. „Lorenor und mir geht es gut, Jiroushin“, sagte er ruhig. „Ich bin auf dem Weg nach Kuraigana und er zurück zu seiner Crew, genau wie geplant.“ Er konnte hören, wie der andere erleichtert aufatmete. Er hatte sich also wirklich so große Sorgen um sie gemacht. Was für ein großherziger Narr. „Das ist gut“, flüsterte Jiroushin und es hörte sich so an, als würde er sich auf sein Bett fallen lassen. „Hab mir ein bisschen Sorgen gemacht.“ „Du solltest auch mal an dich denken“, entgegnete Dulacre und nahm die Teleschnecke mit sich an Deck. „Tze, ich scheine wirklich ein Händchen dafür zu haben, mich mit selbstlosen Menschen zu umgeben, was für eine mühselige Beschwerlichkeit.“ „Sei doch froh, dass es ein paar Idioten gibt, die es mit dir aushalten, ansonsten hättest du niemanden“, murrte der andere trocken. „Das ist wohl wahr“, stimmte er zweifelsfrei zu. „Und was ist mit Zorro?“, hakte Jiroushin nach. „Wie hat er reagiert, als er erfahren hat, dass du ihn nach Strich und Faden hintergangen hast?“ Dulacre seufzte. Er hatte befürchtet, dass dieses Gespräch folgen könnte, als er Jiroushin in seinen Plan miteinbezogen hatte, aber ohne seinen besten Freund wäre es unnötig kompliziert geworden. Und nun würde dieser ihn für sein Verhalten belehren, was natürlich absolut überflüssig war; Dulacre war sich seines Fehlverhaltens wohl bewusst, würde es aber im Zweifel jederzeit wiederholen. „Wie erwartet. Er war zunächst recht wütend, aber da er von den vergangenen Ereignissen auch recht erschöpft gewesen war, hat er meine Beweggründe relativ zügig akzeptiert.“ „Du bist dir selbst dein schlimmster Feind. Weißt du das, Hawky?“, flüsterte Jiroushin mit einem leisen, enttäuschten Seufzer. „Ganz ehrlich, dein Verhalten war falsch und völlig unnötig, du hättest ihm und seiner Crew doch einfach die Wahrheit sagen können und dass du…“ „Jiroushin. Ich respektiere deine guten Absichten, aber wir wollen es dabei belassen und uns wichtigeren Themen zuwenden. Lorenor nicht einzuweihen, war eine wohlüberlegte Entscheidung. Taktiken mit doppelten Böden und alternativen Vorgehensweisen hätten ihn überfordert und er hätte sich am Ende nur verraten.“ „Wir beide wissen, dass dies nicht der Hauptgrund für dein Handeln ist“, murrte der andere sogar recht barsch, der Dulacre natürlich problemlos durchschaut hatte. „Ja, mag schon sein, dass du ihn nicht überfordern wolltest. Aber wir beide wissen, dass du es ihm nicht aus diesem Grund vorenthalten hast. Sondern weil du…“ „Das reicht mir jetzt“, unterbrach er Jiroushin kalt. „Ich wollte Rücksicht üben, weil du einen anstrengenden Tag hattest, aber nur weil du schlechte Laune hast, gibt dir das nicht das Recht, mir…“ „Ich nehme mir aber das Recht“, verwies Jiroushin ihn überraschend klar in seine Schranken, „denn als dein bester Freund – so ziemlich dein einziger Freund – muss ich dir sagen, wenn du Fehler machst! Heute mag Zorro es dir verziehen haben, aber Dulacre, deinen eigenen Partner zu hintergehen ist… schlecht, verstehst du das? Ich verstehe ja, dass du ihn beschützen willst, aber das rechtfertig nicht, dass du ihn anlügst und Pläne hinter seinem Rücken schmiedest.“ Er war es nicht gewohnt, belehrt zu werden, getadelt zu werden. Aber bevor er auch nur das Wort erheben konnte, sprach Jiroushin bereits weiter: „Für jemand, der so klug ist wie du, fällst du oft recht dumme Entscheidungen, wenn es um Zorro geht.“ Der andere seufzte. „Und sobald es um ihn geht, ist deine Wortwahl nicht annähernd so beeindruckend eloquent und gnadenlos unverhohlen, sondern eher zurückhaltend, ja fast schon ungeschickt. Ich dachte am Anfang, dass es Rücksicht ist oder vielleicht eine gewisse Unsicherheit, wie du mit jemandem wie Zorro, der zwar schlicht aber nicht unbedingt dumm ist, umzugehen hast, aber das ist es nicht, oder? Du willst es dir nicht eingestehen, aber der Grund, warum du ihm nicht die Wahrheit sagst, ihn und alle um ihn herum lieber manipulierst, selbst zu seinem eigenen Schutz, ist ein ganz einfacherer. Du hast…“ „Jiroushin“, mahnte er. „…Angst.“ Selbst das Meer schien zu schweigen, keine einzige Welle sich zu erheben, während sogar die Flammen für einen Moment erstarrten. Es war die Wahrheit, die Dulacre schon auf dem Schiff der Strohhüte hatte erkennen müssen, daher überraschte es ihn keineswegs, dass Jiroushin es nun ansprach. Aber er befürchtete, dass Jiroushins überlegene emotionale Intelligenz vermutlich noch mehr erfasste, als er selbst wahrgenommen hatte, und er sollte Recht behalten. „Aber nicht davor, dass er eines Tages geht, sobald er sieht, wer du wirklich bist, wie du wirklich bist. Du fürchtest dich zwar vor dem Moment, wenn deine Maske bricht und er Angst vor dir bekommt, aber das ist nicht der Grund, warum du so riskant handelst.“ Dulacre schloss seine Augen, während Jiroushin ihn so problemlos analysierte und oh, wie Dulacre es hasste, analysiert zu werden. „Du bist so überzeugt davon, dass er dich eines Tages fürchten wird, verabscheuen wird, in dir das Monster sieht, welches die Welt in dir sieht, welches du selbst in dir siehst, dass dies dir noch nicht mal Angst macht, du erwartest es sogar. Nein, eigentlich fürchtest du dich eher davor, dass du ihm vertrauen könntest, und das ist, weshalb du dich so fragwürdig verhältst. Du hast begonnen, Vertrauen zu ihm zu fassen, und das fürchtest du mehr als alles andere.“ Er entgegnete nichts. Er würde Jiroushin gerne den Mund verbieten, aber er wusste nicht wie. Dulacre wusste tatsächlich nichts darauf zu entgegnen. „Und deshalb hintergehst du ihn immer wieder, spielst deine Spiele mit ihm, belügst ihn. Nicht – nur – um ihn zu schützen, nicht weil es – vielleicht – die klügste Herangehensweise ist. Sondern weil du so überzeugt davon bist, dass er dich eh verlassen wird, dass du lieber sein Vertrauen riskierst, als die Gefahr einzugehen, ihm vielleicht doch selbst zu vertrauen.“ Erneut seufzte Jiroushin: „Ich verstehe dich ja, Dulacre. Ich verstehe deine Angst, dich auf einen Menschen einzulassen, der sich vielleicht eines Tages vor dir fürchten könnte. Aber du musst einsehen, dass dein derzeitiges Verhalten…“ „Tust du das?“ Dulacre war fast überrascht, dass er diese Frage laut stellte. „Kannst du mich wirklich verstehen, Jiroushin? Gutmütiger, von allen gemochter Jiroushin?“ Nun schwieg der andere. Natürlich konnte er es nicht. Er wusste nicht, wie es sich anfühlte, unter einem Vater aufzuwachsen, der einen stets gefürchtet hatte. Er kannte die Wut nicht, sich anhören zu müssen, dass selbst Shanks, der doch vor nichts und niemanden Angst hatte, ihn eines Tages fürchten könnte. Und erst recht wusste er nicht, wie es sich anfühlte, die Angst in den Augen des besten Freundes zu sehen. „Vielleicht hast du Recht, Jiroushin. Vielleicht haben meine Emotionen meine Gedanken verklärt und meine Entscheidungen beeinflusst. Aber ganz gleich, was es ist, die Wahrheit ist nun mal, dass ich ein Mensch bin, den man nicht gerne in seinem Leben haben möchte; selbst mein bester Freund fürchtet mich, zurecht. Und es wird der Tag kommen, an dem mich auch mein Sozius fürchten wird, und jener Tag wird mein ach so kaltes Herz brechen. Also wäre es doch nur nachvollziehbar, wenn ich dem zuvorkommen würde.“ Daraufhin war es still und Dulacre überlegte, wie er dieses ernüchternde Thema beenden sollte, um sich wichtigeren Dingen zu widmen, aber er fand die Worte nicht. Nun verstand er ein bisschen, wie frustrierend solche Gespräche für Lorenor sein mussten, über Gefühle zu sprechen, ohne sie richtig ausdrücken zu können, ohne, dass es irgendetwas ändern würde, was für eine unnötige Zeitverschwendung. „Es stimmt“, sprach Jiroushin, viel zu sanft für Dulacres Härte. „Es gibt Momente, da fürchte ich mich vor dir, Dulacre.“ Na, da war es, endlich. Nach über 35 Jahren, in denen es keiner von ihnen beiden je laut ausgesprochen hatte, nun gestanden sie es sich endlich ein. „Allerdings ist das auch nichts Besonderes“, lachte Jiroushin resigniert auf. „Du vergisst es zwar manchmal – weil ich nicht um alles ein riesiges Drama mache wie du, mein geschätzter Herr Mihawk – aber ich habe oft Angst. Weißt du, dass mein Herz immer noch zu rasen anfängt, wenn ich höre, dass Herr Koumyou mich sprechen will? Oder als Zorro damals seinem Monster erlegen war, auch da hatte ich Angst, obwohl du direkt neben mir standest und vor Vorfreude beinahe gezittert hast. Oder als ich Zorro aus seiner Zelle befreite, da… da hatte ich so große Angst vor dem Tag, der kommen würde. Ich hatte Angst um dich, meine Freunde und Kollegen, die Weltordnung als solche, Zorro und letzten Endes auch um mich. Es hat mich beinahe gelähmt, so große Angst hatte ich.“ Leise schnaubte der Vizeadmiral auf. „Und während ich mich so fürchte, steht vor mir dieser Bengel, wirft mit lockeren Sprüchen um sich und versteht meine Angst absolut nicht. Ich weiß nicht, was für einen Kerl du dir da ausgesucht hast, Hawky, aber ich glaube nicht, dass Zorro dich je fürchten könnte. Er war so gespannt darauf, zu sehen, wie stark du sein könntest, wenn du deine Kontrolle vollends aufgibst. Er war so voller Vorfreude, wie ein Kind am Abend vor seinem Geburtstag. Ich glaube nicht, dass es dir gelingen wird, ihm je Angst einzujagen. Vielleicht noch nicht mal, wenn du es sogar wollen würdest.“ Warum sollte ich Angst vor dir haben? „Ich glaube, dass Zorro ganz genau weiß, wer du bist. Vielleicht versteht er dich nicht immer – vielleicht ist es ihm auch schlicht egal – aber ich glaube, er hat schon viel öfters hinter deine Maske gesehen, als dir lieb ist.“ Ich weiß, was für einen beschissenen Charakter du hast! „Du magst vielleicht Angst davor haben, dass er sich eines Tages vor dir fürchten mag, aber was ist, wenn du dich nur für einen Moment auf die Vorstellung einlässt, dass er nicht mal dann geht, wenn er das Monster sieht, welches du in dir siehst. Kann es nicht sein, dass er dich sieht und dennoch einfach bleibt?“ Mir ist sehr bewusst, was für ein arroganter Arsch du bist und auch, dass du nicht gerade zu der gutmütigen Sorte Mensch gehörst. „Ich glaube nicht, dass Zorro derjenige ist, der Angst davor hat, dass du dein wahres Ich zeigst, sondern du. Ach, so wie ich ihn kenne, nervt es ihn eher, wenn du dich hinter einer deiner vielen Masken versteckst. Denn damit kann er nicht wirklich umgehen; er bevorzugt schlichte Ehrlichkeit, das weißt du doch mit Sicherheit besser als jeder andere, so oft, wie du mit ihm gestritten hast.“ Ich wollte nie, dass du dich meinetwegen verstellst. Dulacre seufzte, vielleicht war der Tag auch für ihn etwas zu lang gewesen: „Warum sagst du mir das jetzt alles, Jiroushin? Ich verstehe nicht, was du mit diesem Tadel erreichen möchtest.“ „Ich möchte dir bewusst machen, dass du dein bisheriges Verhalten Zorro gegenüber überdenken musst, Hawky. Denn ich bin dein Freund und möchte, dass du glücklich wirst, aber wenn du weitermachst wie bisher, dann riskierst du das, was auch immer du versuchst, dir hier aufzubauen, verstanden?“ Tief holte Jiroushin Luft. „Ich weiß, es ist schwierig für dich. Du bist daran gewöhnt, umständliche Strategien aufzustellen, um das zu erreichen, was du willst, ohne mehr von dir preiszugeben als nötig. Aber du musst verstehen, dass Lug und Trug und Manipulation mit Zorro nicht funktionieren werden. Ich kenne dich, ich weiß, wann und warum du mich für deine Zwecke einsetzt, aber Zorro wird so etwas nicht erkennen. Er vertraut dir und erwartet so etwas nicht, weil er selbst eher direkt und geradeaus denkt. Aber im Nachhinein wird er es herausfinden und auch wenn er dir tausendmal verzeihen sollte, wenn du so einen Mist wie heute abziehst, könnte irgendwann der Tag kommen, dass er es nicht mehr kann. Und deshalb musst du endlich lernen, dich auf ihn einzulassen und ihm zu vertrauen, wenn du ihn nicht verlieren willst.“ Du magst mich besiegen können, töten können, aber du wirst mir keine Angst machen. Glaub mir, mein lieber Sozius, ganz gleich, was du tust, du wirst mich nicht brechen. Also halte dich nicht zurück, denn ich halte dich aus. Lange sah er die Teleschnecke an. Er hatte den Verlauf dieses Gespräches nicht erwartet – wie immer, wenn es mit Lorenor zu tun hatte – und er hatte nicht erwartet, dass Jiroushin ihn so deutlich belehren würde. Aber nun saß er da und fragte sich, wie er mit diesen Worten umgehen sollte, ob er überhaupt mit ihnen umgehen konnte. Seufzend schüttelte er den Kopf. „Nun gut, ich habe deine Kritik verstanden und bin gewillt, über deine Worte nachzudenken.“ „Na, was ein Glück“, atmete der andere etwas zu erleichtert auf. „Allerdings nicht jetzt, denn der Tag war lang und ich habe noch andere Dinge mit dir zu klären, die wesentlich wichtiger sind, als deine erbärmlichen Versuche, dich als Therapeut aufzuspielen.“ „Manchmal machst du es mir wirklich schwer, dich zu mögen, Hawky“, bemerkte Jiroushin leicht säuerlich. „Aber meinetwegen, lass uns das Thema wechseln. Was möchtest du wissen?“ „Das Verhör natürlich, der eigentliche Grund deines Anrufes. Wie ist es dir ergangen?“, fragte Dulacre direkt nach und beendete somit unumstößlich das vorangegangene Thema; damit konnte er sich später beschäftigen, was nicht unbedingt bedeutete, dass er das auch würde. „Gut“, antwortete der andere einsilbig und erst auf Dulacres Räuspern ließ er sich zu einer ausführlicheren Erläuterung bewegen. „Ich meine, ich habe natürlich gar nicht erst versucht, meine – manchmal doch etwas zweifelhafte - Freundschaft zu dir zu verleugnen und bin auch ziemlich bei der Wahrheit geblieben.“ Das überraschte Dulacre nicht sonderlich. Jiroushin war sehr geschickt im Umgang mit Worten und konnte ganz wunderbar nur die Wahrheit sagen, ohne die Wahrheit zu sagen. „Dadurch, dass ein Admiral für mich gebürgt hat, der mit auf dem Schlachtfeld war, scheinen die meisten meine Version der Dinge als Wahrheit zu akzeptieren. Man hält mich nicht für einen Komplizen.“ „Bist du ja auch nicht“, bestätigte Dulacre, nun deutlich gelassener, da ihr Gespräch wieder ihm gewohntes Terrain berührte. „Schließlich war es allein meine Entscheidung, die Häfen anzugreifen.“ „Hmm“, murrte der andere nur wenig überzeugt. „Wie dem auch sei, ich hatte Glück, dass auch Nataku für und nicht gegen mich ausgesagt hat, sonst wäre es vielleicht doch noch kritisch geworden.“ „Was hat er? Warum wurde dieser Straßenköter überhaupt angehört?“ „Er hatte ebenfalls vorgehabt, deinen Sozius aus den Kerkern zu befreien.“ Nun musste Dulacre ein Auflachen unterdrücken. Er hatte diesen Nutznießer nie für klug gehalten, aber diese Verzweiflungstat war wahrlich zu amüsant und steigerte seine bis gerade doch recht miserable Laune. „Oh, ich hätte gerne sein Gesicht gesehen, als Lorenor ihm gegenüberstand.“ „Schadenfreude steht niemandem gut, Hawky“, bemerkte Jiroushin, aber nicht halb so ernst wie sein vorangegangener Tadel. „Er hat ausgesagt, dass wir zwar das gleiche Vergehen beabsichtigt hätten, ich ihn jedoch aufgehalten hätte mit dem überzeugenden Argument, dass es schon schlimm genug wäre, wenn einer von uns sich Befehlen widersetzen würde, und ihn somit in Schutz genommen hätte. Seine Aussage war eindeutig, dass wenn ich Lady Loreen nicht befreit hätte, dann hätte er es getan“, erklärte Jiroushin absolut ernst, „und er hat Lorenor Zorro nicht einmal erwähnt.“ Verwundert betrachtete Dulacre die Teleschnecke. „Warum sollte er so etwas tun?“, fragte er misstrauisch. „Natürlich wäre es sinnlos gewesen, wenn er sich gegen das Wort eines Admirals stellen würde, in einem verzweifelten Versuch dich anzukreiden. Aber warum sollte dieser Köter sich freiwillig mit seinem beabsichtigten Fehlverhalten belasten, nur um dich zu schützen?“ Nun schenkte ihm die Teleschnecke ein beinahe freundliches Lächeln, welches Jiroushin ihm immer schenkte, wenn Dulacres emotionale Intelligenz an seine Grenzen kam. Das heutige Gespräch gefiel Dulacre absolut nicht. Schon wieder schien Jiroushin ihn belehren zu wollen; langsam wurde seine hilfsbereite Art nervig. „Vielleicht würdest du es verstehen, wenn du aufhören würdest, ihn einfach nur als Straßenköter zu sehen, den dein Vater aus der Gosse gerettet hat.“ „Aber genau das ist er.“ „Nein, das ist er nicht. Ich weiß, du kannst ihn nicht leiden, Hawky, und ich weiß, dass die Dinge nicht einfach sind, aber ich habe dir schon mehrfach gesagt, dass ich mit Nataku gut zurechtkomme. Wir sind… Kameraden, Kollegen, Trainings…“ „Willst du mir etwa sagen, dass ihr Freunde seid?“ „Wir sind Leidensgenossen, Hawky – der Umgang mit der Familie Mihawk ist nicht immer leicht, weißt du - und wir verstehen einander. Ich kann dir nicht genau sagen, warum er es getan hat, aber anders als du, macht er es nicht für irgendwelche komplizierten Strategiezüge oder mit gefährlichen Hintergedanken“ – „natürlich nicht, für solche Gedankenspiele ist er deutlich zu schlicht.“ – „Er hat es getan, weil er sich sicher war, dass ich einen guten Grund hatte, so zu handeln, wie ich es habe, und er nicht wollte, dass ich dafür entlassen oder gar verhaftet werde.“ Dulacre entgegnete nichts. Er hatte den Verlobten seiner Schwester nie als Mitglied der Familie akzeptiert – weder offiziell noch inoffiziell – aber Jiroushin würde ihn nur fragen brauchen und er würde ihn eigenhändig in die Familienchroniken schreiben. Es missfiel ihm, dass einer der wichtigsten Menschen in seinem Leben mit einem seiner Meistverhassten anscheinend so gut auskam. Er wusste, dass Jiroushin mit so ziemlich jedem Menschen zurechtkam und stets von allen gemocht wurde, aber meistens versuchte er, zu ignorieren, dass Jiroushin jederzeit bessere Freunde finden könnte, wenn er es nur wollte. Jiroushin war nur äußerst selten jemandem feindlich gesinnt, selbst Lorenor hatte er trotz dessen Taten mögen gelernt, nannte ihn sogar einen Freund. Natürlich würde jemand wie Jiroushin selbst in jemandem wie Nataku etwas Gutes finden, es sollte Dulacre nicht überraschen. Dennoch, die vergangenen Jahre hatte er gut verdrängen können, dass die beiden mehr als unfreiwillige Kameraden sein könnten. Aber ausgerechnet heute mochte er es wirklich nicht. „Ich weiß, dass Nataku nie über den Tod deiner Schwester hinweggekommen ist, und das hat ihn zu einem bitteren Mann gemacht. Ja, er macht Fehler und ist geplagt von Rachegelüsten und Schuldgefühlen, aber in der Tiefe seiner Seele ist er kein schlechter Mensch, Dulacre. Er hat eigentlich eine gute Moral und ein ehrliches Herz, und ich wünschte, du würdest dir endlich eingestehen, dass du ihn nicht ansatzweise so verachtest, wie du immer tust“, sprach Jiroushin unbeeindruckt weiter. „Ich glaube, er wäre immer noch bereit…“ „Jiroushin“, seufzte er nun auf, „deine Gutmütigkeit in allen Ehren, bitte erwarte nicht von mir, dass ich plötzlich so sanftmütig und gütig werde wie du, erst recht nicht ihm gegenüber; mehr als Dansei und meine Verachtung kann er nicht von mir erwarten. Aber um ehrlich zu sein, interessieren mich Natakus Beweggründe nicht wirklich. Viel mehr möchte ich erfahren, was nun passieren wird, wie es dir nun ergehen wird.“ Der andere stöhnte auf: „Ich kann dich nicht auf später vertrösten, oder? Ich bin müde.“ „Das tut mir leid, Jiroushin, aber mir wäre wirklich lieber, du würdest mir jetzt alles sagen.“ Er vermied, darauf hinzuweisen, dass sie dieses Gespräch schon längst hätten beenden können, wenn Jiroushin nicht immer wieder versuchen würde, aus Dulacre einen besseren Menschen zu machen. Er hatte die wohl nicht unbegründete Vermutung, dass das Gespräch dadurch nur noch länger werden würde. „Na gut“, meinte der andere langgezogen, wie ein unwilliger Bengel. „Also zusammengefasst: Du warst nie hier.“ Das kam nicht unerwartet. Im Gegenteil, genauso hatte Dulacre die Reaktion der Weltregierung vorausgesagt. „Offiziell sind die Renovierungsarbeiten der Häfen für die Reverie überraschend in Verzug geraten. Glücklicherweise kann die Gondel schnell repariert werden – anders der unterirdische Hafen, dieser ist doch sehr in Mitleidenschaft gezogen worden - sodass die Abgesandten vermutlich ganz normal am Red Port empfangen werden können“, erklärte Jiroushin unter einem Gähnen, wobei nichts davon Glück gewesen war. „Eizens Verrat wird morgen offiziell verkündet – du kannst mir erzählen, was du willst, die hatten es von Anfang an geplant, ihn jetzt auflaufen zu lassen – und dein Herr Vater wird die Lorbeeren dafür ernten.“ „Natürlich.“ „Die offizielle Erklärung über Lady Loreen lautet, dass sie während der Verhaftung von Eizen evakuiert wurde und nun von deinem Vater in Sicherheit gebracht wird.“ „Und was ist die inoffizielle Erklärung.“ „Die Gleiche.“ Nun wurde er zum ersten Mal aufmerksam. „Wie viele wissen die Wahrheit?“ „Innerhalb der Marine? Kaum einer, dafür hat die Weltregierung gesorgt. Die Soldaten denken, dass Lady Loreen nur aufgrund eines Missverständnisses erst verhaftet und dann evakuiert worden wäre. Glücklicherweise hat außer Issho und Nataku niemand wirklich Zorro gesehen – du weißt, was ich meine – daher wird das wohl durchgehen. Aber natürlich wissen alle da oben Bescheid. Rihaku war nur als Zeugin geladen und sie hat ihre Rolle wirklich perfekt gespielt, dieses ganze Verhör war eine reine Farce. Glaub mir, so viel Bestürzung und ihre Sorge über die Reverie, die sie ja nun halten müsse, obwohl doch fast alle Anwesenden die Wahrheit wussten, unglaublich.“ „Naja, vielleicht dachte sie ja, dass du wirklich nichts wüsstest, nachdem selbst Nataku dich in Schutz genommen hat“, mutmaßte er mit einem Schmunzeln. „Ja sicher“, schnaubte der andere. „Das war eine Schmierenkomödie, sag ich dir. Wir alle wussten die Wahrheit, aber keiner hat es zugegeben. Ich bin fast dankbar, dass sie mich nach Hause schicken und ich nicht…“ „Wie bitte?“, unterbrach er den anderen sofort, der jedoch nur einen gelangweilten Laut machte. „Ich wurde suspendiert, für zwei Monate.“ „Warum?“ „Jetzt reg dich nicht auf. Egal, ob Lady Loreen oder Lorenor Zorro, ich habe ohne Genehmigung einen Gefangenen befreit, natürlich mussten sie das bestrafen.“ „Und du nimmst diese Blender auch noch in Schutz.“ Dann seufzte er. „Aber vielleicht ist es wirklich besser, wenn du nach Hause fährst.“ Der andere schwieg für einen Moment. „Dein Titel wird dir also wirklich aberkannt“, murmelte er dann geschlagen, „und das heißt, man wird dich angreifen.“ „Ja, das heißt es wohl“, bestätigte Dulacre, wusste, dass er nun das ansprechen musste, was er nie hatte ansprechen wollen, aus reinem Egoismus, obwohl er doch gerade erst ihr Gespräch auf ein angenehmes Klima gebracht hatte. „Jiroushin, ich möchte dich um etwas bitten.“ „Sag es nicht.“ Doch natürlich würde er sich von diesen Worten nicht aufhalten lassen. „Da ich nicht mehr dein Vorgesetzter oder dein Kapitän, sondern nur noch dein Freund bin, bleibt mir dieses Mal nichts anderes übrig, als dich zu bitten. Ist dies nicht die Ehrlichkeit, die du eben noch von mir eingefordert hast? Daher leiste ich dem jetzt folge und sage es ganz klar: Folge mir nicht erneut, verstanden?“ „Aber Hawky, du weißt doch…“ „Ich weiß, dass du die Marine damals nur meinetwegen verlassen hast, obwohl ich dir einen anderen Befehl gegeben habe. Als Kapitän lautete mein letzter Befehl an dich, dich fortan von mir fernzuhalten. Beide Male hast du meine Befehle ignoriert, daher hoffe ich, dass du nun einer Bitte mehr Respekt entgegenbringst. Ich möchte nicht, dass meine Entscheidung erneut dein Leben aus den Fugen wirft. Denk an Lirin, denk an Ray.“ „Du erwartest von mir, dass ich mich gegen dich stelle? Dass wir Feinde werden? Hawky, das kannst du doch nicht ernst meinen, das kannst du doch nicht von mir verlangen.“ „Jirou, du musst dir keine Sorgen um mich machen. Ich bin…“ „Wie kannst du es wagen?!“ Ganz plötzlich klang Jiroushin wütender, als Dulacre je erwartet hätte über etwas so Absehbares. „Schieb nicht meine Familie vor und sag mir dann, was ich…“ „Jiroushin“, unterbrach er den andere kühl, nicht gewillt, ein weiteres Mal an diesem Abend von ihm belehrt zu werden. „Dies ist kein Grund für dich so emotional zu werden. Wir beide wussten, dass ich den Titel des Samurais nicht ewig tragen würde.“ „Ja, aber…“ „Warum meinst du, habe ich damals die Crew aufgelöst?“ „Dulacre…“ „Ich kann dich nicht überall auf der Welt beschützen, Jiroushin, und ich brauche die Gewissheit, dass man nicht dich jagen wird, nur um mir einen Denkzettel zu verpassen. Ich brauche die Gewissheit, dass du in Sicherheit bist, also bitte, bleib ein treuer Marinesoldat, kehre nach Hause zu Frau und Kind, und wenn man dich je dazu zwingt, dich auf eine Seite zu stellen, dann bei Gott, wähle die Gerechtigkeit.“ Lange Zeit schwieg Jiroushin nun. „Du willst, dass ich dich verrate?“ „Nein, das ist der Grund, warum ich dich nun darum bitte, so wird es kein Verrat sein, du erfüllst nur meinen Wunsch.“ „Das ist doch ausgemachter Schwachsinn! Weißt du, was du hier von mir verlangst? Du weißt, dass du mein bester Freund bist, oder? Du weißt, dass ich…“ „Du hast schon mal alles für mich verloren, mein Freund, und ich kann das nicht noch ein einziges Mal zulassen.“ Er zögerte einen Moment, ehe er sich anmaßte, die nächsten Worte zu sprechen. „Ich weiß nicht, was es bedeutet, ein Kind zu verlieren, aber dich so leiden sehen zu müssen, kann ich nicht noch mal ertragen.“ Nun schwieg Jiroushin. „Außerdem habe ich Lirin damals geschworen, dich nie mehr einer solchen Gefahr wie damals auszusetzen, dich dem Tode nahe zu bringen und hat der vergangene Tag dir nicht gezeigt, was meine Pläne für dich bedeuten können? Also bitte, Jiroushin, sei dieses Mal vernünftig und wähle die Gerechtigkeit.“ Es war die Vernunft, es war die Sachlichkeit, die aus ihm sprach. Denn egal, wie sehr es schmerzte, Jiroushin auf der anderen Seite zu wissen, verlieren konnte er ihn nicht, verlieren durfte er ihn nicht. Und diese Angst, diese Abhängigkeit gestand er nun schamlos ein, hoffte, dass er dieses Mal zu dem anderen durchdringen würde. „Du hast dich wirklich sehr verändert, Dulacre“, hörte er an diesem Tage nun schon zum wiederholten Mal, aber dieses eine Mal hörte er zu. „Ich werde mich an diese neue, sanfte Seite von dir wohl nie gewöhnen, fast schon beängstigend.“ „Tze, du wolltest doch eben noch, dass ich ehrlich werde und Vertrauen fasse, und nun beschwerst du dich? Wäre es dir lieber, ich würde dir wieder Befehle erteilen, die du eh wieder nur ignorieren würdest, so wie früher?“ „Ganz ehrlich, ja!“, lachte der andere leise auf. „Denn über die konnte ich mich ärgern und hinwegsetzen, mit dem Gedanken, dass deine Befehle mit Aufgabe deines Postens ihre Befehlskraft verloren hätten.“ „Tze, deswegen nennt man es letzter Befehl“, belehrte er Jiroushin mit einem Schmunzeln, „weil die Wirkungskraft erhalten bleibt, selbst wenn man den Posten verlassen hat.“ „Du wirst immer mein Freund bleiben“, sprach Jiroushin dann ganz klar, jeder Schalk von vorher verschwunden. „Du bist nicht mein Vorgesetzter, nicht mehr mein Kapitän, aber Dulacre, du wirst immer mein Freund sein. Du hast früher nie gebeten, nur Befehle erteilt, es war einfach diese zu ignorieren, aber wie soll ich die Bitte eines Freundes ignorieren? Du magst sanfter geworden sein, aber nicht weniger grausam, weißt du das?“ Er entgegnete nichts. „Na gut, ich verspreche, für meine Gerechtigkeit einzustehen, ganz gleich, welchen Weg du nehmen wirst. So bist du nicht verantwortlich für die Gefahren, die meine Entscheidungen heraufbeschwören mögen. Sollte ich dem Tod gegenüberstehen, dann nur aufgrund meiner eigenen Entscheidungen, nicht deiner.“ Dulacre schwieg weiterhin. Er war nicht dumm, er wusste genau, was Jiroushin gerade tat, und wenn Dulacre seine Worte wirklich so meinte, wie er sie meinen wollte, dann würde er jetzt nachbohren, Jiroushin in die Pflicht nehmen, ihn so sehr an sein Wort binden, dass er sich nicht durch gewandte Rhetorik dieser Fesseln entledigen können würde. Aber die Wahrheit war nun mal, dass Dulacre gerade nur dankbar war, dass Jiroushin trotz allem sich nicht überzeugen lassen wollte, von Dulacres Seite zu weichen. „Deswegen habe ich dir früher immer Befehle erteilt“, murmelte er leise zu sich selbst. „Da konntest du dich nicht so leicht rausreden.“ „Denkst du“, kam es von Jiroushin trocken. „Warum meinst du, habe ich dich meist früh morgens, wenn du noch im Halbschlaf warst, um Befehle gebeten. Es fällt mir deutlich leichter, dir die Worte im Mund herumzudrehen, wenn du sie unbedacht wählst.“ „Vorsicht, Jiroushin, deine kriminelle Seite kommt ans Licht“, bemerkte er mit den Gedanken an zurückliegende Tage. Schallend lachte der andere auf, erinnerte sich wohl auch an jenen Kommentar, als Jirou vor langer, langer Zeit sein zaghaftes Selbstbewusstsein entdeckt hatte. „Oh Gott, wie lange ist das her? Wer hat das damals gesagt? Sharak?“ „Nachdem du damit angegeben hast, wie du den alten Shoun überredet hast, dir diese ekligen, bitteren Bonbons zu schenken, als ob du nicht das Geld hättest, sie dir zu kaufen.“ Er sah zum dunklen Nachthimmel hinauf und erinnerte sich an diese einfachen, glücklichen Zeiten zurück. „Nur weil du diese dumme Wette gewinnen wolltest.“ „Du weißt schon, dass sie so bitter waren, weil sie in Rum getränkt wurden, oder?“, meinte Jiroushin und die Wärme in seiner Stimme erfüllte Dulacres kaltes Herz wie in alten Zeiten. „Deshalb hat er sie nicht an Kinder verkauft. Und du hast einen Monat meine Hausaufgaben gemacht, absichtlich falsch, weil du so ein schlechter Verlierer bist.“ „Und obwohl du es wusstest, hast du mich aus Prinzip einfach weiter machen lassen.“ „Weil du verloren hattest.“ „Weil du geschummelt hattest.“ „Es war kein Schummeln. Die Regeln waren, dass der alte Shoun sie mir freiwillig geben sollte, ohne dafür eine Gegenleistung zu erhalten. Lügen und Betrügen war nicht verboten.“ Leise seufzte Jiroushin auf. „Damals haben wir wirklich viel Mist gebaut und so oft Ärger bekommen. Kein Wunder, dass ich bei Shoun immer noch Hausverbot habe.“ „Er war immer schon sehr nachtragend“, bestätigte Dulacre nachdenklich, fragte sich, warum er so selten an jene schönen Zeiten zurückdachte. „Nach Sharaks Tod“, sprach Jiroushin weiter und erinnerte Dulacre an das Warum, „weißt du wie lange es gedauert hat, bis ich dich nach ihrem Tod nochmal habe Lachen hören, richtig lachen hören?“ Er schwieg, wusste weder die Antwort noch, ob der andere überhaupt eine erwartete. „Fast drei Jahrzehnte“, kam dann die Antwort, die ihn nicht überraschte. „Ich hatte mich so an dein falsches Lachen, dein herablassendes Gekicher, an dein spöttisches Schnauben gewöhnt, aber ich werde nie vergessen, wie du dir auf jenem Marineball Zorro über den Rücken geworfen hast und lachend davonranntest, so wie wir es früher immer bei unseren Streichen gemacht haben.“ Langsam senkte Dulacre den Blick auf die Teleschnecke. Er hatte gedacht, über seine Zeit an Bord der Thousand Sunny emotional gereift zu sein, aber an Jiroushin kam er bei Weitem noch nicht heran. „Wenn ich sage, dass du dich verändert hast, Hawky, dann meine ich, dass ich etwas von diesem unbeschwerten Jungen von damals wieder in dir sehe, und das macht mich sehr glücklich. Ich bin froh, dass du endlich wieder Zugang zu dir selbst und deinen Gefühlen gefunden hast. Ich bin erleichtert, dass du wieder beginnst, Vertrauen zu deinen Mitmenschen zu schöpfen, auch wenn du dich davor fürchtest. Und ich bin sehr froh, dass du keine Befehle mehr brauchst, um mir deine Sorgen mitteilen zu können.“ „Ja, ich auch“, flüsterte er, obwohl er nicht wusste, ob es stimmte, „und ich bin dankbar, dass du all diese Jahre auf mich geachtet hast. Du bist wahrlich ein besserer Freund, als ich es verdient habe.“ „Das stimmt“, lachte der andere auf, „und doch könnte ich mir keinen Besseren vorstellen. Alleine heute, du warst so wütend, so emotional und dennoch, du hast dich zurückgehalten, meinetwegen. Erst bei den Häfen, dann gegen Kong und selbst im Kampf gegen Zorro. Du hättest jederzeit die Soldaten auf dem Vorplatz oder das Schloss selbst angreifen oder auch nur nebenbei verletzen oder beschädigen können, aber das hast du nicht. Obwohl du so erregt und mitten im Kampf warst, hast du mich nicht verletzt.“ „Es ist doch eher traurig, dass wir uns darüber freuen, dass ich nicht aus Versehen meinen besten Freund umgebracht habe“, murrte er eher unzufrieden, „und ohne dein Eingreifen hätte ich Lorenor getötet. Es ist wirklich sehr frustrierend, dass ich nun so schnell so emotional werde.“ „Naja, was erwartest du, du hast dreißig Jahre lang deine eigenen Gefühle ignoriert, natürlich musst du nun erstmal mit ihnen zurecht kommen. Deswegen muss ich ja auch so viel mit dir schimpfen; deinem Vater würdest du ja nicht zuhören“, meinte Jiroushin leichtfertig. „Aber ich finde, du machst dich gar nicht so schlecht… für einen Teenager.“ Er konnte noch nicht mal wütend sein, als Jiroushin sich auf der anderen Seite der Verbindung über seinen schlechten Witz kaputt lachte. „Du bist übermüdet und überdreht, Jiroushin“, murmelte er und versuchte, sein Schmunzeln zu verbergen, erfolglos. „Du solltest jetzt etwas schlafen.“ Der andere lachte weiter. „Oh, habe ich da etwa einen Nerv getroffen?“ „Vor allem fängst du an, mir mit deinem Gekicher auf die Nerven zu gehen. Also schlaf etwas und melde dich, sobald sich etwas Neues ergibt.“ „Na gut, na gut“, kicherte die Teleschnecke auf eine Art, die Dulacre einfach zum Lächeln bringen musste, „aber schlaf du auch etwas und grüble nicht die ganze Zeit vor dich hin. Das macht nur Falten.“ „Gute Nacht, Jirou.“ „Gute Nacht, Hawky.“ Gotcha Plötzlich war die Welt ungewöhnlich leise, ohne Jiroushins freundliche Stimme, aber nach einer Sekunde summte Yoru etwas lauter, als wollte es ihn vor seiner Einsamkeit bewahren. „Selbst du bist heute ungewöhnlich sanftmütig mir gegenüber. Hat dich dieser eine Schwertstreich bereits so versöhnt?“ Seufzend steckte er die Teleschnecke neben sich auf die Sitzfläche, wo sie sich an ihn schmiegte. „Es tut mir leid, dass ich dir nur ein unzureichender Führer bin, Yoru. Aber ich danke dir, dass du mir meine Unzulänglichkeit nie vorgehalten hast.“ Yoru summte versöhnlich und bedachtsam, während Dulacre den Tag Revue passieren ließ. Die kleine Teleschnecke in seiner Hosentasche schien sich auch noch etwas mehr an sein Bein zu kuscheln. Dann fiel sein Blick auf seine rechte Hand. Keine Sorge, gebrochen ist es nicht. Biete mir einen interessanten Kampf und ganz gleich, wer von uns zuerst bricht, ich verspreche, nach diesem Kampf Mary Joa nicht zu überfallen. Du hast doch auch nur den Zahnstocher genommen. Wir beide wissen, dass ich dich derzeit noch nicht besiegen kann, aber wenn alles, was du willst, ein interessanter Kampf ist. Du hast dich zurückgehalten. „Er hat Recht“, stellte er fest und streckte seine Hand nach hinten, ließ sie über Yorus Griff streichen. „Ich habe mich zurückgehalten.“ Yoru summte nur leise, während die Welt um ihn herum langsam heller wurde. „Die Morgendämmerung“, flüsterte er, als er begriff, dass eine schier endlose Nacht endlich zu Ende ging, „ein neuer Tag bricht an.“   Kapitel 46: Kapitel 46 - Entscheidung ------------------------------------- Kapitel 46 – Entscheidung   -Zorro- Abwesend schloss er die Balkontüre hinter sich, sah einen Moment in die Dunkelheit der Nacht, die nur vom Licht aus seinem Zimmer erleuchtet schien, dann zog er die Vorhänge zu und wandte sich ab. Es war seltsam, durch Gemächer wie diese hier in seinem wahren Körper zu laufen, drei Schwerter an seiner Seite aber Josei weit fort. Nun, ohne Mihawk Senior und Mihawk Junior, wirkte der mit Prunk und Nimbus vollgestopfte Raum unangenehm leer und laut. Zorro war niemand, der die Stille als unangenehm empfand, aber gerade wünschte er sich, dass jemand sie füllen würde. Während er im Bad war, versuchte er sich an Brooks Geigenspiel zu erinnern, aber so wirklich wollte es ihm nicht gelingen; Musik hatte ihm noch nie sonderlich gelegen, aber er mochte, wenn Brook spielte. Selbst die Lieder, die jeder Pirat oder jeder aus dem East Blue kennen musste, fielen ihm nicht ein, während die Stille in seinen Ohren dröhnte. Er sollte schlafen gehen, entschied er, während er sich das Gesicht wusch. Die letzten Tage waren nervenaufreibend genug gewesen und Dulacre hatte Recht. Er sollte sich bis Wa No Kuni gut erholen, wer wusste schon, was ihn dort erwarten würde. Hoffentlich geht es den anderen gut. Sein Spiegelbild begegnete ihm und selbst Zorro wusste nicht, was es wohl dachte. Wasser tropfte von Haarspitzen hinab, lief über Stirn und Nasenrücken als auch die Schläfe hinunter zum Wangenknochen. Er machte sich keine großen Sorgen um Ruffy. Dieser Idiot würde den verdammten Kartoffelschäler schon zurückholen und hoffentlich würde Nami dem einen Einlauf verpassen, wie er es mehr als verdient hatte. Aber er machte sich Sorgen um all die anderen auf Wa No Kuni, wünschte sich beinahe, er könnte sie so einfach kontaktieren wie Dulacre, dessen kleine, weiße Teleschnecke sich an Zorros Oberschenkel schmiegte, gut verborgen in seiner Hosentasche. Aufstöhnend schüttelte er den Kopf und schrubbte sich das Gesicht trocken. Er sollte schlafen gehen und sich nicht mit solchen Gedanken belasten. Die Dinge waren, wie sie waren, lamentieren brachte da auch nichts. Er schnappte seine Sachen, schloss die Eingangstüre ab und begab sich dann zum ausladenden Bett in einem angrenzenden Zimmer, welches nicht minder vollgestopft war als der Aufenthaltsraum, und zog dort ebenfalls sämtliche Vorhänge zu. Sorgsam lehnte er seine Schwerter gegen den Nachttisch, während er die Tasche auf irgendeinen Stuhl fallen ließ, bevor er mühselig seine Stiefel auszog. Er war wirklich müde. Für einen Moment betrachtete er seine Hände. Er hatte es… geschafft… er hatte es wirklich geschafft. Langsam realisierte er, was in den vergangenen Stunden passiert war, und eine ungeahnte Last schien von seinen Schultern zu fallen. Endlich war es vorbei. Eizen war besiegt, der Putsch verhindert. Seine Freunde wussten die Wahrheit und Zorro musste sich nicht mehr verstellen. Erleichterung durchflutete ihn. Endlich war das Thema G6 mit allem, was danach gekommen war - Lady Loreen, Eizen, Uranos - abgeschlossen, vorbei, Geschichte. Jetzt konnte Zorro endlich einfach nur noch er selbst sein. Der unbedeutende Junge aus dem East Blue mit einem großen Traum und zerstörten Ruf, der das Glück gehabt hatte, dass Ruffy ihm begegnet war. Leise lachte er auf. Endlich waren es wieder seine Entscheidungen, er brauchte sich nicht mehr verbiegen, anpassen, Geheimnisse vor seinen Freunden verbergen. Er konnte einfach nur er selbst sein, einfach nur Zorro. Lorenor Zorro, künftiger bester Schwertkämpfer der Welt, Crewmitglied des zukünftigen Königs der Piraten. Dann ließ er sich einfach zurückfallen und schloss sein Auge. Er war wirklich müde, zu müde, um nochmal aufzustehen und im Nebenraum das Licht auszumachen. Aber mit geschlossenen Augen war der vereinzelte Lichtstrahl, welcher durch die angelehnte Tür fiel, nicht viel mehr als ein sanftes Glimmen, nicht genug, um seinen Schlaf zu stören. Er war wirklich müde. Ich werde dich finden und dir erneut helfen, deine Fesseln abzulegen. Nein, er wollte jetzt nur schlafen, wollte nicht über irgendwelche Dinge nachdenken, einfach den Moment genießen, einfach nur… Was denkst du, was für Abenteuer auf diese Welt warten? Leise grummelte er auf und legte einen Arm über seine Augen, versuchte, die Stimmen mit dem sanften Glimmen aus seinem Kopf zu verdrängen. Glaubst du, sie werden Spaß haben? Er wollte diese Stimmen nicht hören, diese Worte. Zorro wollte sich nicht an das erinnern, was er gesehen und gehört hatte. Er wollte nur schlafen, einfach nur schlafen, als der unbedeutsame windige Pirat, der er war. Der dreiste Bengel aus dem East Blue mit einem großen Traum. Und ich werde dir erneut folgen, mein Freund. Er riss sein Auge auf. Sein ganzer Körper zitterte. Du bist noch nicht tot, Wanderer. Noch nicht. Du weißt nicht zufällig, was ein Wanderer ist? Wanderer sind sehr, sehr alte Geschöpfe. Je älter die Seele, desto stärker deren Macht. Es heißt, dass Wanderer die Last der Welt auf ihren Schultern tragen, und daher nennt man sie auch Wächter der Welt. Ich habe entschieden, dich zu behüten, auch wenn es mein Leben kosten mag. Es erklärt, warum du Ruffy folgst. Dann sterbe ich lieber als Wächter, als weiterzuleben als Wanderer. Du bist ein Wanderer ohne Gedächtnis. Egal wie viel Zeit vergeht, ich werde dich finden. Es scheint wirklich Schicksal zu sein, nicht wahr? Knurrend knallte Zorro seinen Kopf in die Kissen. Er wollte all das nicht hören, all das nicht sehen. All diese Theatralik, all diese ach so großen und ach so aufgeplusterten Worte! All das hatte nichts mit ihm zu tun. Er war nur irgendein Bengel aus dem East Blue, den Ruffy per Zufall… Ich bin Ruffy! Ich bind dich los und dafür machst du bei mir mit, ja? Ich bin hier, mein Käpt’n! Ich werde dich finden und dir erneut helfen, deine Fesseln abzulegen. Ich werde nach dir rufen, mein König. Langsam setzte er sich auf, rieb sich durchs Gesicht, durch die Haare, hatte das Gefühl, den Verstand zu verlieren, wie damals, als Dulacre sich das erste Mal gewaltsam Zugang zu Zorros Geist verschafft hatte. „Ruffy“, flüsterte er in die Stille des Raumes wie ein Mantra. „Ruffy!“ Hey, du da! Kannst du mal herkommen und mich losbinden? Keine Ahnung, ob ich dich will. Du hast einen schlechten Ruf. Ruffy wird der nächste König der Piraten! Das gefällt mir sehr gut! Der beste Schwertkämpfer der Welt und der Piratenkönig… das sieht aus wie ein Spitzenteam! Nein! Er würde sich nicht einschüchtern lassen! Das waren Ruffys und seine Entscheidungen gewesen! Was auch immer er da unten bei Ornos gesehen hatte, das hatte nichts mit ihnen zu tun! Die Welt wird sehr laut werden, wenn du und ich gehen. Ich freue mich auf ein Leben voller Abenteuer. Ich suche Männer, die wie ich Pirat werden wollen. Wenn du stirbst, mach ich dich platt! Sein Kopf schien zu explodieren. Die Stimmen verschwommen miteinander, übertönten einander, ließen ihn beinahe zweifeln, wer was gesagt hatte. Er wollte all das nicht hören, all dieser Mist, in den Robin oder Dulacre viel zu viel hineininterpretieren würden. Das waren nur Zufälle, das hatte nichts mit Zorro zu tun! Nur Zufälle, alles nur Zufälle, nichts als Zufälle. Es scheint wirklich Schicksal zu sein, nicht wahr? Du wirst ja kaum aus einer Laune heraus mit ihm mitgegangen sein. Manchmal möchte ich gerne glauben, dass es Schicksal war. Aber natürlich ist mir bewusst, dass du nicht an das Schicksal glaubst, weil es bedeuten würde, dass der Weg, den du gehst, nicht auf deinen eigenen Entscheidungen beruhen würde. Ich habe entschieden, ins Leben zurückzukehren, ganz gleich der Konsequenzen, mir sogar der Konsequenzen wohl bewusst. Wenn das damals du warst, warum hast du nichts gesagt? Ich hatte keine Wahl. Ich musste zurück. Ich hätte doch nicht irgendeiner Wildfremden Zorros Schwerter mitgegeben. Ich wäre als Spielzeug zurückgekommen, wenn ich so Ruffy hätte beschützen können. Ich werde nach dir suchen, deine Stimme soll mir Orientierung sein. „Aufhören, ich will das nicht hören.“ Sein Kopf tat weh. Er hockte auf dem Bett, hielt seinen dröhnenden Kopf, hörte all diese längst vergangenen Worte, all diese Gespräche. Warum redeten sie alle von Schicksal? Es waren Entscheidungen gewesen, Ruffys und seine Entscheidungen! Ihrer aller Entscheidungen! Das hatte nichts mit irgendwelchen toten Menschen zu tun, nichts mit einer vergessenen Vergangenheit aus grauer Vorzeit, nichts mit irgendeinem verfluchten Schicksal! Aber es war seine Entscheidung gewesen! Jede Einzelne! Ruffy zu folgen! Ihn zu beschützen! Ihm beizustehen! Seinen Befehlen zu gehorchen! Das waren seine Entscheidungen gewesen! Zittrig rang er nach Luft. Es war seine Entscheidung gewesen, im Kampf gegen Homura nicht seine wahren Kräfte einzusetzen, deshalb hatten sie verloren. Einen Plan zu entwickeln, ohne den Koch einzuweihen, deshalb misstraute dieser ihm. Es war… es war seine Entscheidung gewesen, all diese Menschen sterben zu lassen. Es war seine Entscheidung gewesen, nicht mit dem Koch zu fliehen, deshalb… deshalb war er selbst verbrannt! Seine Finger gruben sich ins Haar, in die Kopfhaut. Er hatte nicht sterben wollen! Er hatte nicht sterben wollen! Aber es war seine Entscheidung gewesen, es war seine Entscheidung gewesen! Es musste seine Entscheidung gewesen sein! Er hatte diesen Weg gewählt, denn nur dann… denn, wenn es nicht seine Entscheidung gewesen wäre, wer hatte dann entschieden, dass er all das hatte durchmachen müssen? „Nein, es waren meine… ich habe so entschieden…“ Er hatte entschieden zurückzubleiben, zu sterben. Alles aufzugeben, was ihn ausmachte, seine Crew, seinen Traum, seine Ehre… seinen Körper. Also könnte jeder zurückkommen, der bereit ist, einen Preis zu zahlen? Nein. Die meisten nicht, nicht so wie ich und die anderen. Wir sind die, die zurückgekommen sind. Diejenigen, die noch nicht loslassen wollten. Könntest du diese Entscheidung wieder treffen? Ich weiß es nicht. Ich weiß nicht, ob ich noch einmal vor die Wahl gestellt werde. Aber wer hatte entschieden, dass er die Wahl haben würde? Wer hatte entschieden, dass er als Lady Loreen wiedergeboren werden würde? Wer hatte…? Wenn es nicht seine Entscheidung war…, wenn es nie seine Entscheidungen gewesen waren, warum… warum…? „Warum bin ich dann überhaupt hier?“ Heiße Tropfen liefen seine Unterarme hinab. „Warum bin ausgerechnet ich hier, nachdem ich so viele Menschen getötet habe?“ Hilflos sah er die dunkle Zimmerdecke an, seine Hände kraftlos auf den Knien. Warum er? Von all den Menschen, die gestorben waren, warum ausgerechnet er? Warum war ausgerechnet er am Leben? Warum hatte ausgerechnet er die Wahl bekommen? Wer hatte entschieden, dass er leben sollte? Dass er nicht hatte sterben dürfen? Wenn all das nicht seine Entscheidungen gewesen waren, dann war seine reine Existenz in diesem Moment nicht mehr als… Betrug. Als hätte jemand ein zerborstenes Schwert geklebt und zurück in die Scheide gesteckt, in der Hoffnung, dass es niemandem auffallen würde. Wenn irgendein übermächtiges Wesen hier die Entscheidungen fällte, dann… dann… „… dann hätte ich nie überleben sollen.“ Der Tod macht mir keine Angst, aber ich bin stolz darauf, dir Folge zu leisten, mein König. Egal wie viel Zeit vergeht, ich werde dich finden. Dann war es nie um ihn gegangen, nie um Ruffy, nie um die Crew, seine Freunde, noch nicht mal um seinen Traum. Dann war all das geschehen, dann hatten sie all das durchmachen müssen, dann hatte er all das tun müssen, nicht seinetwegen, nicht ihretwegen, sondern nur… nur weil irgendwer es so entschieden hatte. Weil er nicht mehr war als… „… ein Bauernopfer.“ Und sie alle wussten es. Sie alle wussten es und nahmen es so an. Sie alle wussten es und fanden es sogar gut. Sie wussten es und waren glücklich darüber, dass jemand anderes die Strippen zog. Sie alle wussten, dass es nie seine Entscheidung gewesen war.  Das ist ja so aufregend. Dann war es wirklich Schicksal. Manchmal möchte ich gerne glauben, dass es Schicksal war. Sie wissen von Ihrem Schicksal, nicht wahr? „Aufhören…“ Nein, er wollte das nicht wahrhaben! Würde nicht akzeptieren, dass Ruffy ihn damals mitgenommen hatte, weil es ihnen so vorherbestimmt gewesen war. Wollte nicht einsehen, dass alles, was bisher geschehen war, Arlong, Crocodile, Enel, Enis Lobby, Bär… Es war so viel geschehen, sie hatten so viele Orte gesehen, waren so vielen Menschen begegnet, hatten so viele Kämpfe geführt, so viele Entscheidungen getroffen, und nichts davon sollten ihre gewesen sein? Es sollte ihnen vorherbestimmt gewesen sein, dass Ruffy Zorros Leben retten würde, nur damit er sich später für ihn opfern konnte? Dass Nami jahrelang von Fischmenschen als Sklavin gehalten wurde, nur damit sie sich begegnen würden? Dass die Flying Lamb ihr Ende finden musste, nur damit Franky Lysop verprügeln würde? Dass Robin ihre Heimat verlieren musste, nur damit… wenn nichts davon Entscheidungen gewesen waren, wenn ihnen alles davon vorherbestimmt worden war, sie nie eine Wahl gehabt hatten, worauf baute diese Crew dann eigentlich auf? Wenn es nie Ruffys Entscheidung gewesen war, ihn mitzunehmen, warum hatte er ihn dann damals mitgenommen? Aber nicht nur, was Ruffy betraf, was ihn betraf, die Crew, seinen Traum, plötzlich war sein ganzes Leben… „Aufhören…“ Sie wissen, dass das Schicksal der Mihawks mit dem der Lorenor eng verbunden ist? Du wirst unser Schicksal für alle Zeiten besiegeln! Die Taten Ihrer beider Ahnen haben die Wege Ihrer Zukunft bestimmt. Deine Entscheidung wird auf ewig mein Schicksal binden. Ganz gleich, was ich tue, Ihre Existenz hat das grausame Schicksal meines Sohnes besiegelt. Wir sehen uns im nächsten Leben, mein kleiner Wildfang. „Aufhören!“ Er erschrak beinahe über seine eigene Stimme, konnte sich nicht erinnern, wann er sich wieder nach vorne gekrümmt hatte, wieder den Kopf gepackt hatte, die Augen geschlossen hatte. Nun betrachtete er seine schmalen Hände in den Schatten, die der einsame Lichtstrahl durch die angelehnte Tür warf, fasste nach einzelnen Strähnen langen Haars, die auf seine Knie fielen. Er hatte gar nicht bemerkt, dass er sich verwandelt hatte, wusste nicht, wann es passiert war, konnte sich nicht erinnern. Warum hatte er sich verwandelt? Es konnte unmöglich schon Zeit dafür sein, er hatte seinen Körper noch nicht mal einen halben Tag angenommen. Er hatte dieses unangenehme Ziepen noch überhaupt nicht gespürt. Immer noch zitterte er am ganzen Körper, schaffte es nicht, seinen Atem zu beruhigen. Er versuchte, sich zurückzuverwandeln, doch es klappte nicht, sein Herz schlug immer schneller, aber er konnte sich nicht… er konnte sich nicht… er konnte nicht… Es war dieser Körper, dieser Körper, der ihm aufgezwungen worden war, weshalb Dulacre ihn mitgenommen hatte, weshalb Eizen ihn erkannt hatte, weshalb seine Freunde ihn nicht erkannt hatten, weshalb er ihnen nicht die Wahrheit gesagt hatte. Es war dieser Körper, dieser verhasste Körper. Dieser Körper, der nie hätte existieren sollen. Wäre er nie in diesem Körper zu sich gekommen, dann hätte er all das nie erfahren, hätte nie erfahren, was der Name Lorenor bedeutete, was ein Wanderer war, was ein Wächter war. Hätte nie erfahren, was Eizen ihm gesagt hatte, was Rayleigh ihm gesagt hatte. Hätte nie erfahren, was Ornos ihm gezeigt hatte. Hätte nie erfahren, was Mihawk Gat ihm gesagt hatte. Er wäre Ruffy weitergefolgt, hätte darauf vertraut, dass es seine Entscheidungen waren, Ruffys Entscheidungen waren, hätte nicht hinterfragt, hätte nicht gezweifelt, hätte nie gezweifelt. Irgendwann wäre er Dulacre wieder begegnet, hätte gegen ihn gekämpft, hätte ihn besiegt, vielleicht sein Leben verschont, hätte nicht gezögert, hätte nicht gehadert. Er hätte nie mit diesem beklemmenden Gefühl seinen Freunden gegenübergestanden, dort nicht hinzugehören, ihnen nicht die Wahrheit sagen zu können. Er hätte nie diese Angst erlebt, nie seinen eigenen Entscheidungen so sehr misstraut, seine eigenen Taten so sehr angezweifelt. Er hätte all das nie erfahren sollen! Es war ein Fehler! Er hätte nie die Wahrheit… nein, er hätte nie zurück ins Leben kommen sollen. Dieser Körper war ein Fehler. Dass er diese Wahrheit wusste, war ein Fehler. Dass er… am Leben war, war ein Fehler. Sein Blick fiel auf die Schwerter neben dem Bett, so ungewöhnlich ruhig, viel zu ruhig. Er konnte sie über sein wild schlagendes Herz, seinen zitternden Atem nicht hören. Wieso konnte er seine eigenen Schwerter nicht hören? Wieso konnte er sich nicht verwandeln? Wieso konnte er nicht…? Er konnte nicht… Was kannst du nicht? Lässt du dich etwa so leicht brechen? Überrascht sah er auf. Niemand war da, natürlich war niemand da. Ruffy war gerade irgendwo in Big Moms Gewässern, um den verdammten Koch zu retten, die anderen waren irgendwo auf Wa No Kuni, um Momonosuke und Kinemon zu helfen, und Dulacre war gerade auf dem Rückweg nach Kuraigana, um die fünf Inseln vor einem Angriff der Marine zu bewahren. Dann sah er, was seine Aufmerksamkeit erregt hatte. Es war ein Spiegel, direkt hinter der Tür, in dem sich die Schatten bewegten. Zorro wollte sein Spiegelbild nicht sehen, dieses Spiegelbild nicht sehen. Aber zum ersten Mal schien nicht Lady Loreen zurückzuschauen. Das schwache Licht des Nebenraums brach sich in seinen Augen, aber ansonsten wirkten die Gesichtsstrukturen in den Schatten unstet, als wäre seine Verwandlung nicht ganz abgeschlossen. Zum ersten Mal, zum allerersten Mal konnte Zorro die Ähnlichkeit zu seiner Mutter sehen. Ihr Schatten im schwachen Schein erinnerte ihn an irgendetwas, aber er wusste nicht was. Wer hatte denn ahnen können, dass Lorenor Zakuro tatsächlich ein Kind hatte? Wohl eine Vergiftung. Was für eine Schande, hätte man sie früher gefunden, hätte man sie vermutlich retten können. Nach Eizens Befehl erfolgte der Zugriff, doch ich war zu spät; sie hatte entschieden, sich Eizen zu entziehen. Wer weiß, welche anderen Geheimnisse die Königin Alciels mit ins Grab genommen hat. Der Tempel, das flackernde Licht des Feuers, seine Mutter, die mit ihren Händen den Schatten eines Drachen an den Tempelwänden zum Leben erweckte. Sie erzählte ihm die Sage Hakuryuus, sie erzählte ihm, wie der Drache das Volk Alciels aus seinen Schuppen formte und von Ornos Baumkrone über sie wachte. Er erinnerte sich nicht mehr genau an ihre Worte, aber an ihr Gesicht in den Schatten der Säulen und daran, wie der Schatten des Drachen sich von diesem umgestülpten Becher erhoben und davongeflogen war, um seine wahre Bestimmung zu verfolgen, was auch immer diese gewesen war. Zorro erinnerte sich, dass er die Geschichte nie gemocht hatte, weil der Drache verschwunden war, irgendwohin, um seiner wahren Bestimmung zu folgen, was auch immer diese gewesen war. Jedes Mal, wenn seine Mutter die Geschichte Hakuryuus erzählt hatte, hatte er sie gefragt, ob der Drache denn nicht irgendwann zurückkommen würde. Das war eine der wenigen Erinnerungen daran, wie seine Mutter ihn in den Arm genommen und ihm mit dieser sanften Stimme erzählt hatte, dass er nicht traurig sein sollte. Denn Hakuryuu mochte vielleicht fortgeflogen sein, aber er hatte sein Volk nie verlassen, denn sie waren aus seinen Schuppen geformt worden und ihr Blut floss durch seine Adern. Zorro hatte diese Worte nie verstanden und sie hatten ihn nie beruhigt, aber jedes Mal hatte sie die Geschichte dann gleich beendet und an diese Worte konnte er sich noch ganz genau erinnern. Du brauchst keine Angst haben. Solange Hakuryuu lebt, solange wird kein Einziger unseres Volkes allein sein, solange wird Ornos leben und solange wird Alciel nicht fallen und eines Tages, da bin ich mir ganz sicher, eines Tages wird Hakuryuu zurückkehren, Ornos blühen und Alciel aus den Ruinen wiederauferstehen. Und wann immer er als Kind Angst gehabt hatte, da hatte er gehofft, dass Hakuryuu endlich kommen würde. Aber das war er nicht und Zorro war alleine gewesen, irgendwann war er ganz alleine gewesen. Plötzlich erinnerte er sich an ihre letzten Worte. Worte, die er beinahe vergessen hatte, die er fast sein ganzes Leben vergessen hatte, weil er alleine gewesen war und weil er irgendwann nicht mehr alleine gewesen war. Was auch immer sie unserer Tochter an jenem Tag sagte, wird die Welt wohl nie wissen. Aber meine Tochter war von jenem Tag eine andere, sie übernahm ihre Pflichten gewissenhaft. Sei heute Abend pünktlich, Ren, ich möchte beizeiten essen. Und benimm dich, sei den Arbeitern keine Last. Langsam erhob er sich, ignorierte, wie die Hose zu Boden glitt, stolperte beinahe über sie und die Stiefel, fühlte kaum, wie lose Verbände hinabhingen, spürte kaum die Schmerzen aus einem Kampf, den dieser Körper nie geführt hatte. Durch den frühen und unerwarteten Tod meiner Frau hat mein Sohn sein wahres Erbe nie angetreten. Und vergiss nicht, Ren, auch mein Blut fließt durch deine Adern, und so wie der Drache Hakuryuu, so werde auch ich dich nie verlassen, selbst wenn ich nicht mehr da sein sollte. „Du wusstest es, oder?“, fragte er sein Spiegelbild, welches natürlich nicht antwortete. „Du wusstest es die ganze Zeit.“ Langsam hob er eine Faust, der viel zu große Ärmel rutschte in seine Armbeuge. „Warum hast du mir nichts gesagt?“ Er schlug gegen den Spiegel, spürte die Zornestränen. „Du wusstest doch, dass du sterben würdest. Warum hast du mir dann nichts gesagt?!“ Wenn das alles war, weswegen er am Leben war, weswegen er wieder und immer noch am Leben war, als Spielball für irgendwen oder irgendwas, weil irgendwer anders die Entscheidung gefällt hatte, warum hatte sie ihm das nicht gesagt? Warum all die Stunden über die Geschichten und Werte Alciels? Warum all die Reden über Moral und Disziplin, über Ehre und Entscheidungen, wenn davon doch nichts seins war? Wie sollte er stolz auf seine Entscheidungen sein, wenn sie ihm vorgegeben waren? Bereue nicht, Ren, ein Lorenor bereut nie. Was sollte er nicht bereuen? Dass sein Leben nichts weiter als ein kosmischer Scherz war? Dass seine eigenen Pläne, Wünsche und Entscheidungen unwichtig fürs große Ganze waren? Was wäre passiert, wenn Dulacre ihn am vergangenen Tag getötet hätte? Hätte dieser Seelenwächter ihn einfach wieder zurück ins Leben geschickt? Vielleicht ohne seine Erinnerungen, weil Zorro zu viel wusste? Einfach weil sie es konnten? Einfach weil es unterhaltsam war? Sollte er all das nicht bereuen? Sollte er nicht bereuen, dass er von Anfang an nicht Herr seiner eigenen Entscheidungen gewesen war? Sollte er nicht bereuen, dass er irgendwann für Ruffy sterben würde, von Dulacre getötet werden würde, ganz gleich, was er wollte, was sein Kapitän wollte, was Dulacre wollte? „Bereust du es, für mich gestorben zu sein?“, fragte er den Spiegel. „Oder ist es das, was wir Lorenor nun mal so machen? Für andere sterben?“ Vielleicht war sie nie für ihn gestorben, sondern nur für diesen anderen, diesen Wächter. Aber wieso? Wenn es doch sein Schicksal war, wenn er doch so oder so nie eine Wahl gehabt hatte, als diese Pflicht, die irgendwer ihm aufgelegt hatte, zu erfüllen, warum hatte sie ihn dann kein bisschen darauf vorbereitet? Sie hatte ihm so viel erzählt, so viel über die Sagen Alciels, ihm so viel beigebracht, ihn in so vielem gelehrt, als er noch ganz klein gewesen war, als er noch so vieles nicht verstanden hatte. Warum hatte sie ihm nicht auch davon erzählt? Warum hatte sie ihm nicht gesagt, dass Ornos mehr als nur eine Sagengestalt war? Warum hatte sie ihm nicht von den Wächtern und den Wanderern erzählt? Warum hatte sie ihm nicht gesagt, dass sein ganzes, verdammtes Schicksal ihm bereits vorbestimmt war? Dulacres Mutter hatte es getan, bei dessen Schwester, als sie alt genug gewesen war. Vermutlich hätte sie es auch Dulacre erzählt, wenn sie gewusst hätte, dass sie seinen sechzehnten Geburtstag nie erleben würde. Aber seine Mutter hatte es gewusst, sie hatte gewusst, dass sie an jenem Tag sterben würde. Jeden Morgen hatte sie ihn mit den gleichen Worten verabschiedet, nur an jenem Tag hatte sie Hakuryuu erwähnt und als er nach Hause gekommen war, da war sie nicht mehr da gewesen, ihr Körper hatte zwar dort gelegen, aber sie hatte ihn alleingelassen. „Warum hast du mir nicht die Wahrheit gesagt?“ Welch trauriges Ende es für eine Frau wie sie gewesen war. Die Menschen heutzutage sind furchtbar scheinheilig. Ganz gleich, was ich getan habe, das Schicksal kann nicht aufgehalten werden. Die Menschen heutzutage achten nicht mehr darauf, was ihre Hilfsbereitschaft sie kosten könnte. Die Taten Ihrer beider Ahnen haben die Wege Ihrer Zukunft bestimmt. Sorge dafür, dass du die Konsequenzen deiner Taten trägst und nicht jemand anderes. Ihre Existenz hat das grausame Schicksal meines Sohnes besiegelt. Sei gütig, sei barmherzig, aber sei dir bewusst, dass jede Tat auch Folgen haben kann, die du nicht voraussehen konntest. Das Schicksal der Mihawks ist ein grausames Leben. Stelle sicher, dass du nichts tust, was du eines Tages bereuen könntest, nur so kannst du die Konsequenzen deiner Entscheidungen ein Leben lang tragen. Denn sie waren doch diejenigen, die unser ganzes Schicksal bestimmt hatten, aufgrund derer meine sanfte Tochter und mein eitler Sohn hatten Schwertkämpfer werden müssen. Bereue nicht, Ren. Aber selbst mein Sohn konnte sich dem Schicksal der Mihawks anscheinend nicht entziehen. Ein Lorenor bereut nie die eigenen Entscheidungen. Seine Beine gaben nach und langsam rutschte er am Spiegel entlang zu Boden. Konnte es sein…? Konnte es sein, dass er seine Mutter all die Zeit falsch verstanden hatte? Nur der schwache Geist glaubt, dass einem die Entscheidungen durch das Schicksal vorweggenommen werden. Dabei sind es doch unsere Entscheidungen, mit denen wir unser eigenes Schicksal bestimmen. Wir stehen hier heute nicht, weil es das Schicksal so wollte, sondern weil Sie, ich und alle anderen in der Vergangenheit Entscheidungen getroffen haben, die uns hierhin gebracht haben. Er sah den Schatten im Spiegel an, als wäre es eine Tür in die Vergangenheit. Doch seine Mutter hatte nie so hilflos am Boden gehockt, ihn nie mit Tränen in den Augen angesehen. Nein, sie war immer schon zu stolz gewesen für Schwäche und Zweifel jeglicher Art. Sie hatte nie geklagt, sich nie beschwert, hatte ihre Entscheidungen gefällt und damit gelebt. Sie hatte gelebt, wie sie es gewollt hatte und sie… Sie ist so gestorben, wie sie es wollte, so wie sie es für richtig hielt. Sie ist aus freiem Willen gestorben, um mich zu beschützen. Wie hatte er auch nur für eine Sekunde glauben können, dass seine Mutter ihre Entscheidungen irgendeinem Schicksal untergeordnet hatte? Und plötzlich musste er an einen Streit denken, an einen Streit, der lange zurücklag und den er nicht verstanden hatte, aber jetzt verstand er. Lorenor, ich denke in diesen Papieren könnten Hinweise auf deine Vergangenheit, dein Vorfahren, dein Erbe… Du willst all diesen Schwachsinn über meine Vergangenheit wissen, du willst nach irgendetwas Bedeutungsvollem in meiner bedeutungslosen Geschichte suchen und es stört dich, dass mir das alles egal ist. Vielleicht hast du ein Erbe, welches du antreten musst. Aber mir geht dieser Kram am Arsch vorbei. Ich werde dich nicht besiegen, weil ich irgendein Nachfahre einer ach so tollen untergegangenen Zivilisation bin, sondern weil ich jeden Tag an meine Grenzen gehe und unablässig daraufhin trainiere! Ich werde deinen Titel nicht an mich nehmen, weil irgendein Blut adliger Ahnen durch meine Adern fließt, sondern weil ich es kann und weil ich es will. Wie sollen wir denn jetzt je die Wahrheit hinter deiner Fähigkeit herausfinden? Ich akzeptiere nicht, dass alle Opfer und Anstrengungen der vergangenen zwanzig Jahre weniger Wert sein sollen als das Blut irgendwelcher toter Menschen. Was fällt dir ein, du dummes Kind?! Das waren die Antworten! Endlich hättest du herausfinden können, was dein Name bedeutet, wer deine Vorfahren waren, warum du diese Sprache kannst, vielleicht sogar, warum du von den Toten auferstanden bist. Du bist derjenige von uns, der Namen und Titeln mehr zuspricht als Worten und Taten und weil ich deinen Titel will, bist du besessen davon in meiner Vergangenheit irgendetwas zu finden, dass das rechtfertigt. Mach dich nicht lächerlich, ich weiß, wer ich bin, von wem ich abstamme, wessen Blut durch meine Adern fließt. Ich trage den Namen meiner Familie, die Titel meiner eigenen Taten und das Erbe meiner Ahnen. Ich weiß genau, wer ich bin, Dulacre, und anders als du definiere ich mich nicht über irgendwelche Namen und Titel, sondern nur über meine Taten, nur darüber, ob ich meinen eigenen Ansprüchen genüge, ob ich meinem Spiegelbild stolz entgegentreten kann. Jetzt verstand er. Seine Mutter hatte ihm alles beigebracht, was er wissen musste, und noch mehr. Sie war vielleicht gestorben, aber sie hatte ihn nie wirklich alleine gelassen. In all seinen Worten, all seinen Gedanken, all seinen Taten, sie war da, aber er hatte es nicht gesehen. Ich weiß genau, wer ich bin. Ein Lorenor bereut nie die eigenen Entscheidungen. „Ich bin Lorenor Zorro“, flüsterte er dem dunklen Zimmer zu. Dann schüttelte er den Kopf, holte tief Luft und straffte seine Schultern. „Ich bin Lorenor Zorro“, sprach er klar aus, „der zukünftige beste Schwertkämpfer der Welt!“ Mühsam kämpfte er sich auf die Beine, behindert von seinen nervigen Klamotten und den noch nervigeren Verbänden. „Ich stehe jetzt hier aufgrund meiner Entscheidungen, und ich bereue nichts davon!“ Dann sah er sein Spiegelbild an, doch weder Lady Loreen noch seine Mutter sahen zurück, sondern er selbst, einfach nur er selbst. Er konnte sich gar nicht erinnern, wann er sich verwandelt haben sollte. Es war noch nie unabsichtlich geschehen, die Verwandlung in seine wahre Gestalt musste er immer regelrecht erzwingen. Sein Körper tat nicht weh – wenn man von den Blessuren des Kampfes absah – dieses unangenehme Gefühl der Erschöpfung fehlte. Im Gegenteil, er fühlte sich… gut. Er war müde, so müde, wie zuvor, aber endlich – endlich – entspannten sich seine Nackenmuskeln und es schien, als würde er zum ersten Mal seit Ewigkeiten richtig atmen können. Jetzt verstand er, was er verlernt hatte. Nicht, sich von anderen beschützen zu lassen, nicht, anderen zu vertrauen. Nein, im Kampf gegen Homura hatte er seine Entscheidung angezweifelt, beim Ausbruch hatte er seine Entscheidung angezweifelt, als er unter dem Turm vergraben worden war, hatte er seine Entscheidung angezweifelt. Das hatte er verlernt, das Vertrauen in seine Entscheidungen, in sich selbst. Bereue nicht, Ren. „Ich bereue nicht“, erklärte er und wusste, dass es stimmte, dass es dieses Mal endlich stimmte. Ja, seine Entscheidungen hatten viel Leid herbeigeführt, für unzählige unschuldige Menschen und ihre Familien, und auch für seine Freunde und auch für ihn, aber nur dank seiner Entscheidungen hatten seine Freunde überlebt, hatte er Dulacre als mehr als nur einen Rivalen kennengelernt. All seine Entscheidungen hatten zu diesem Moment hier geführt. „Ich bereue nichts.“ … böllebölle… böllebölle   Kapitel 47: Kapitel 47 - Zorro ------------------------------ Kapitel 47 – Zorro   -Zorro- böllebölle…böllebölle… Verwirrt schaute er sich um. Hatte die kleine Teleschnecke in der lauten Stille kaum gehört. Eine Sekunde stand er einfach nur da, versuchte, zu verstehen, was gerade geschehen war, obwohl nicht wirklich irgendetwas geschehen war, oder? Erneut warf er einen Blick in den Spiegel, sah sich selbst im Schatten des spärlichen Lichtes. Dann wandte er sich um, stapfte durch den Raum, fiel beinahe über seine Stiefel, als er sich nach der Hose bückte, wühlte nach der rufenden Schnecke und zog sie hervor. Für einen Moment wusste er nicht wirklich, was er tun sollte, wusste noch nicht mal, warum er nicht wirklich wusste, was er tun sollte. Schließlich wusste er genau, dass Dulacre auf der anderen Seite war, schließlich hatte dieser ihm gesagt, dass er sich melden würde, sobald er auf Kuraigana angekommen war. Kurz sah er zum Fenster hinüber, aber durch die dicken Vorhänge würde sich kein Sonnenstrahl kämpfen können, selbst wenn diese schon aufgegangen sein sollte. Seufzend drückte er den kleinen Knopf und ließ sich wieder aufs Bett fallen. Er war wirklich müde, jetzt noch mehr als zuvor. „Kannst du frei sprechen?“, kam nach wenigen Sekunden die erwartete Frage. „Mhm“, murrte er nur zustimmend. „Wie bitte?“ „Jaha“, entgegnete er nicht minder genervt. Er wusste nicht, ob er gerade mit Dulacre reden wollte. Nein, das stimmte so nicht. An sich mochte er, wenn die Teleschnecke nach ihm rief, aber gerade hatte er sich noch nicht überlegt, wie er auf all das, worüber er nachgedacht hatte, reagieren sollte. Er war es nicht gewohnt, so viel denken zu müssen. „Alles in Ordnung, Lorenor?“ Nein, er hatte wirklich kein Problem damit, wenn der andere anrief. Aber er hatte ein Problem damit, wenn Dinge kompliziert wurden. „Bist du gut angekommen?“, reagierte er mit einer Gegenfrage, um sich etwas Zeit zu verschaffen, wissend, dass es ihm eh nichts bringen würde, weil er nicht beides gleichzeitig tun konnte oder wollte. „Natürlich“, antwortete Dulacre sogleich mit einem unverhohlenen Gähnen, „vor wenigen Minuten. Aber natürlich hat sich in den wenigen Tage hier nicht wirklich etwas verändert.“ Zorro rieb über eine Falte seiner Leggings, spürte wie die gelangweilte und herablassende Stimme des anderen ihn wieder etwas mehr in die Normalität zurückholte. „Aber lass mich meine Frage wiederholen, ist alles in Ordnung?“ „Sicher“, murrte er und rieb sich die Schläfen, merkte, wie die verrutschten Bandagen seine Bewegung behinderten, „dein Vater ist minimal nervig und du hast diese Verbände echt schlecht angelegt, aber ansonsten ist alles okay.“ Er konnte beinahe hören, wie der andere über seine Worte nachdachte und Informationen herausfilterte, von denen Zorro nicht mal bewusst war, dass er sie preisgegeben hatte. Aber er war zu müde, um sich darüber Gedanken zu machen. Allerdings war er nicht zu müde, um die Teleschnecke aufs Kopfkissen neben sich zu setzen, damit er beide Hände frei hatte, um Arme und Oberkörper von den Verbänden zu befreien. „Nun gut“, antwortete Dulacre langgezogen nach einer Pause, „wenn du dir sicher bist…“ „Bin ich.“ „In Ordnung, dann würde ich gerne unser Gespräch wiederaufgreifen, welches mein Vater gestern Abend so unhöflich unterbrochen hatte.“ Das hatte Zorro erwartet. „Wir waren bei Ornos stehen geblieben, der in den Tiefen Mary Joas verborgen ist und von meinem Vater fälschlicherweise als Uranos übersetzt wurde, nicht wahr?“ Zorro entgegnete nichts. „Du wolltest mir erzählen, was du über Ornos weißt“, fuhr Dulacre fort. In der Bewegung innehaltend, betrachtete Zorro den Spiegel. „Ornos“, begann er schließlich, wobei er sich nicht mal sicher war, warum er zögerte, „ist der Baum, auf dem der Drache…“ „Das weiß ich doch alles, Lorenor“, wandte Dulacre mit einem leisen Schnauben direkt ein. „Denkst du wirklich, ich hätte nicht als allererstes sämtliche deiner Übersetzungen durchgearbeitet? Aber in der Sage des Drachen Hakuryuus wird Ornos kaum mehr als erwähnt. Nichts erklärt, warum er so besonders sein könnte, dass man sich seinen Namen merken sollte. Dennoch warst du dir absolut sicher, dass dieses Gebilde Ornos sein muss, weil dir dieser Begriff so geläufig war. Du kanntest ihn also und es fällt mir schwer zu glauben, dass du dir diesen Namen merken würdest, nur weil er zwei Mal in einer Geschichte fällt.“ „Könntest du bitte aufhören, mich so zu analysieren? Das nervt“, motzte Zorro und fuhr mit seiner Tätigkeit fort. Doch ehe der andere zu einem nervigen Kommentar ansetzen konnte, gab Zorro nach: „Ornos gehört zu den Bäumen, die für das Gleichgewicht der Welt wichtig sind, wenn ich mich richtig erinnere.“ „Aha“, kam es beinahe zu zurückhaltend von dem anderen, als wollte er Zorro nicht unnötig reizen, was auch besser so war, „und weißt du, was es mit diesen Bäumen auf sich hat?“ „Nicht wirklich. Meine Mutter hat sie ein paar Mal erwähnt, irgendeine Sage, die so alt ist, dass selbst sie nicht wusste, was stimmte und was nur Erzählungen war. Neben Ornos gab es noch zehn weitere Bäume, glaube ich… oder waren es mit Ornos zehn?“ Nachdenklich betrachtete er den Verband in seinen Händen, während die Stimme seiner Mutter durch seine Gedanken waberte, ohne dass er ihre Worte verstand. „Ich weiß, dass meine Mutter mir die Namen gesagt hat, aber ich konnte sie mir nie merken. Der eine hieß Prunos, daran erinnere ich mich, weil er sich auf Ornos reimt. Dann gab es noch Eva und Adam, daran erinnere ich mich, weil die Leute im Dorf auch öfters eine Geschichte über zwei Menschen namens Eva und Adam erzählt haben.“ Er versuchte sie an den Fingern abzuzählen, während Dulacre auffallend ruhig war. „Bei den anderen weiß ich es nicht mehr. Ich glaube sie hießen irgendwas wie Ziege oder Sciens, vielleicht auch Seance, und Ci…Ci… ach, komm schon… Nein, ich erinnere mich nicht an den Rest.“ Einen Moment dachte er nach. „Ornos war glaube ich die Geburtsstätte des Volkes Alciels, aber aus irgendeinem Grund haben sie ihn vor langer Zeit verlassen, aber mehr weiß ich auch nicht über ihn oder die anderen Bäume.“ Er zuckte mit den Schultern. „Außer, dass Eizen nicht in allem Unrecht hatte. Nicht Uranos braucht das Blut der Lorenor, sondern Ornos, aber frag mich nicht wofür.“ Dulacre schwieg für einen Moment, ehe er seine Gedanken laut aussprach: „Aber Eizen sagte auch, dass Uranos von einem D. kontrolliert werden würde, wie passt das nun mit diesen seltsamen Bäumen zusammen?“ „Ich weiß es nicht, aber er lag ja in einigem falsch, vielleicht hat das ja wirklich was mit Uranos zu tun und eben nicht mit Ornos“, murrte Zorro unbeeindruckt und dem Thema überdrüssig. „Hmm“, machte der andere nachdenklich, „nun gut, damit könntest du wohl Recht haben. Aber was ist dann passiert, als du…?“ „Dulacre“, unterbrach er den anderen und betrachtete wieder den Spiegel. „Lorenor.“ „Ich möchte nicht mehr drüber reden.“ „Aber, Lorenor, wenn dies wirklich dein Erbe ist, dein Schicksal, dann kannst du dich dem doch nicht so einfach…“ „Doch, das kann ich“, entgegnete er entschieden. „Weißt du, ich habe die vergangenen Stunden nachgedacht, viel nachgedacht.“ „Ach, hast du das?“, fragte sein Sozius nach, als wäre das etwas zur Beunruhigung. „Und worüber?“ Zorro seufzte. „Über all dieses Gerede von Schicksal und großen Plänen und Zukunft und Vergangenheit und all den Dingen, die wir tun sollen, nur aufgrund irgendeines Erbes, nur weil irgendwelche toten Menschen unsere Vorfahren waren; um ehrlich zu sein, hat es mich irgendwie verunsichert.“ Langsam senkte er seinen Blick auf die Teleschnecke. „Und all die Zeit habe ich mich gefragt, wieso ich so unwissend bin. Wieso meine Mutter mir nichts gesagt hat, gar nichts gesagt hat. Aber jetzt weiß ich es.“ Der andere schwieg. „Sie wusste, dass dein Vater kommen würde, dass Eizen kommen würde, sie hat sich von mir verabschiedet. Aber obwohl sie wusste, dass sie sterben würde, hatte sie sich entschieden, mir nichts zu sagen, von all diesen Dingen, von irgendeinem Schicksal, irgendeinem Erbe. Meine ganze Kindheit über erzählte sie mir all die Sagen, all die Werte Alciels, erzählte mir von Hakuryuu dem Drachen und Hakuryuu dem Schwertkämpfer, der Weisen Pari und so vielen andere Geschichten, aber nicht ein einziges Mal erwähnte sie, ob das irgendeine Bedeutung für mich hatte. Im Gegenteil, sie war zwar dagegen gewesen, dass ich ein Krieger, ein Schwertkämpfer, werden wollte, aber sie hat es mir nie ausgeredet, sie hat mir immer gesagt, dass es meine Entscheidung wäre. Ich entscheide über mein Leben, das hat sie mir beigebracht.“ Er konnte den anderen nachdenklich brummen hören, beinahe ein angenehmes Geräusch und Zorro konnte nicht verhindern, dass er nach hinten sackte und sein Auge schloss. Er war wirklich müde. „Und wie entscheidest du dich?“, fragte Dulacre dann schließlich. „Es ist mir egal“, flüsterte Zorro vor Entspannung. „All dieser Kram hat nichts mit dem Weg zu tun, den ich gehen will. Wenn er sich uns irgendwann in den Weg stellt, dann sei es so, aber ich schulde Alciel nichts, schulde Ornos nichts und das einzige Erbe, das ich tragen werde, ist der Wille meiner Mutter meine eigenen Entscheidungen zu treffen und sie nicht zu bereuen.“ Dieses Mal war es überraschend lange ruhig auf der anderen Seite und Zorro musste an ihren Streit von damals zurückdenken. Ob Dulacre wieder wütend werden würde, weil er Zorro einfach nicht verstand? Aber zu seiner Überraschung brummte der andere erneut einen zustimmenden Laut, was sich irgendwie lustig aber irgendwie auch vertraut anhörte. „Mir scheint, wir werden uns in diesen Dingen wohl nie ganz einig sein, Lorenor, aber ich muss gestehen, dass diese Worte mich nicht sonderlich überraschen. Nein, eher bin ich sogar froh, sie zu hören. Es passt zu dir. Du scheinst dich endlich wiedergefunden zu haben.“ Ich bin nicht der Einzige, der sich verloren hat, oder? Zorro erinnerte sich an jenen Tag vor über zwei Jahren, als Dulacre ihn das zweite Mal hatte weinen sehen, damals als Zorro seine Crew, seinen Körper und sich selbst verloren hatte. „Dulacre?“ „Hmm?“ „Lady Loreen ist tot. Die Zeit der Maskerade ist vorbei, ich werde nie wieder verheimlichen wer ich bin, mich wie nieder verstellen.“ „Na, das passt doch ganz ausgezeichnet“, lachte der andere auf, während Zorro die wohlige Wärme des Bettes genoss, „ich hatte auch überlegt, mein Alter Ego Falkenauge nach all den Jahren zu begraben und die Ketten meines Erbes abzustreifen.“ „Ach?“, nuschelte Zorro schlaftrunken, kaum in der Lage eine Augenbraue hochzuziehen. „Ich dachte, du magst all diesen Kram.“ „Das stimmt, ich finde es wahrlich interessant und auch wenn es dir missfällt, so werde ich doch weiter Nachforschungen anstellen, sowohl über den Namen Lorenor als auch über Alciel und Ornos. Aber vielleicht ist es auch für mich an der Zeit, über mein Schicksal selbst zu entscheiden.“   Ein leises Rascheln ließ ihn aufhorchen. Er musste eingeschlafen sein. Eine sanfte Brise sagte ihm, dass ein Fenster offenstehen musste und das Rascheln von Papier war vermutlich der verdammte Samurai, der die… Zorro öffnete die Augen. Er war nicht auf Kuraigana, sondern auf einem Schiff Richtung Wa No Kuni, beinahe hatte er es vergessen. Mühsam setzte er sich auf und gähnte. Er konnte sich nicht erinnern, wann er eingeschlafen war, aber es wunderte ihn nicht, dass er nach dem vergangenen Tag dann irgendwann doch eingenickt war. „Einen schönen guten Abend, endlich aufgewacht?“ Überrascht senkte er den Blick auf die kleine, weiße Teleschnecke neben ihm, die ihre Augen auf die Bettdecke vor sich gerichtet hatte und hin und her bewegte, als würde sie lesen. „Ich bin eingeschlafen“, murmelte Zorro verwundert. „Ganz offensichtlich“, reagierte die Teleschnecke, ohne aufzublicken. „Und du hast nicht aufgelegt?“ „Nein.“ „Besessener Kontrollfreak.“ „Und hier dachte ich, es würde dich beruhigen, dass ich ein Ohr auf dich halte, während du im Schiffsbauch deines Feindes ein ungeplantes Nickerchen hältst.“ Zorro rieb sich durchs Gesicht, ehe er sich ausgiebig streckte und dabei erneut lautstark gähnte. „Red‘ dir das ruhig ein, du Kontrollfreak. Wie viel Uhr haben wir?“ „Es ist fünf Uhr abends. Du hast sehr lange geschlafen.“ Den Kopf von links nach rechts dehnend, bis die Wirbel knacksten, richtete Zorro sich auf. Mit der Teleschnecke in der Hand tapste er auf nackten Füßen in den Nebenraum zur Eingangstür. „Und du hast die ganze Zeit an der Teleschnecke gehockt? Wie langweilig.“ Wie er erwartet hatte, fand er auf der anderen Seite der Tür ein kleines Wägelchen mit abgedeckten Schalen, welches er hineinzog und die Tür wieder schloss. Als Loreen war er an solche Nettigkeiten gewohnt, aber es überraschte ihn doch, dass die Soldaten selbst einem Piraten Essen bereitstellten, vielleicht war es ja vergiftet. „Langweilig? Du hast die aktuelle Zeitung noch nicht gesehen, oder?“ Ebendiese lag gefaltet neben den Schalen und Tellern, doch Zorro ignorierte sie für den Moment und hob eine der Hauben hoch, bevor er sie wieder absenkte. Er hatte keine Lust auf Reisbällchen, auch wenn sie deutlich besser aussahen als der Gefängnisfraß auf der G6. „Was steht denn lnteressantes drin?“, murmelte er und öffnete den runden Korb, in dem noch warme Nikuman vor sich hin dampften. Dulacre räusperte sich und las vor: „Putschversuch nur wenige Tage vor der Reverie – Rishou Eizen wollte die Weltregierung stürzen. Die Zeitung ist gefüllt mit Artikeln und Berichten über ihn, aber es ist ganz offensichtlich, dass nur ausgewählte Informationen an die Journalisten weitergegeben wurden.“ Mit einer Teigtasche in der einen, der Teleschnecke in der anderen Hand und der Zeitung unterm Arm ließ Zorro sich auf einem ausladenden Sofa nieder, stellte die Teleschnecke neben sich auf der Armlehne ab und breitete die Zeitung auf dem Sofakissen aus. Das Titelblatt zeigte ein Archivbild von Eizen, wie er eine Rede hielt, darüber prangten in dicken Schriftzeichen die Worte ‚Ein Verräter in unseren Reihen? Was war sein Motiv?‘ und unterhalb des Podiums stand ‚Rishou Eizen festgenommen! Attentat auf die Weltkonferenz verhindert‘. Kopfschüttelnd biss Zorro in seine Teigtasche. Natürlich war ein Putschversuch titelblattverdächtig, aber warum fiel nicht ein einziges Wort über den Angriff eines gewissen Samurais? War das nicht auch etwas, was die Aufmerksamkeit der Massen verdiente? „Interessanter Weise erreichte mich diese Zeitung schon kurz nachdem du eingeschlafen warst“, bemerkte Dulacre genau das, was ebenfalls in Zorros Kopf vor sich ging. „Du denkst, Rihaku hat es vorhergesagt und schon vorher…?“ „Höchstwahrscheinlich. Auch wenn die Journalisten sich viele Wörter aus den Fingern gesaugt haben, so sind die tatsächlichen Aussagen doch sehr vage und wenig informativ. Ich bin mir sicher, dass der Druck dieser Nachrichten bereits erfolgt war, noch bevor du Mary Joa überhaupt verlassen hattest.“ „Mhm“, murmelte Zorro zustimmend, während er seine Teigtasche aß und die Zeitung durchblätterte. „Was ist mit dir? Irgendwie finde ich nichts über deinen Auftritt.“ „Das wirst du auch nicht.“ „Was?“ Nun lachte Dulacre leise auf. „Bis auf einen kleinen Artikel auf der vorletzten Seite über in Verzug geratende Renovierungsarbeiten, gibt es keinen einzigen Beleg meiner Anwesenheit auf Mary Joa, und dabei wird es wohl auch bleiben.“ Verwirrt sah er auf. „Was? Sie wollen einfach ignorieren, was du…?“ „Oh nein, ignorieren werden sie es nicht.“ Die kleine Teleschnecke spiegelte das arrogante Grinsen des anderen zu perfekt wider. „Aber was würde das über die Stärke der Marine und die Macht der Weltregierung sagen, wenn die Welt die Wahrheit erfahren würde? Nein, sie werden es verschweigen und mir wie von Anfang an geplant, auf der Reverie meinen Titel aberkennen.“ „Und natürlich, hast du das alles vorhergesehen und es beunruhigt dich überhaupt nicht.“ „Korrekt.“ Zorro schüttelte darüber nur leicht schmunzelnd den Kopf, nahm noch einen Biss seiner Teigtasche und wandte sich wieder der Zeitung zu. „Und hast du auch zufällig irgendetwas zu Lady Loreen gesehen? Oder will die Weltregierung ebenfalls ignorieren, wer ich bin?“ „Natürlich wird sie das nach außen hin ebenfalls ignorieren, Lorenor. Zumindest bis nach der Reverie“, entgegnete Dulacre gelassen. „Tatsächlich enthält die Zeitung aber auch unabhängig davon überraschend wenig über Lady Loreen. Im Aufmacher wird sie gar nicht erwähnt und im Leitartikel fällt der Name auch nur zwei Mal.“ Zorro konnte das Blättern von Seiten hören und tat es dem anderen gleich. „Auf Seite Sieben ist dir ein Artikel gewidmet, aber wie du siehst, sind auch hier nur recht vage Angaben zu finden.“ Das stimmte, unter einem riesigen Bild, welches Zorros Alter Ego zeigte – ebenfalls ein älteres Bild, wenn er sich nicht irrte – war ein verhältnismäßig kleiner Bericht darüber, dass Lady Loreen Mary Joa wohl noch in der Nacht verlassen hatte, angeblich verletzt und dass von offizieller Seite keine Angaben über ihren Aufenthalt gemacht wurden, sodass angenommen wurde, dass sie evakuiert worden war. Der Rest waren lose Vermutungen über Lady Lorrens Beteiligung an Eizens Festnahme und dessen Putschversuch. Es war deutlich weniger, als Zorro erwartet hatte. „Das ist wirklich sehr gut geplant von Rihaku“, bemerkte der noch-Samurai von der anderen Seite der Leitung. „Natürlich wird heute und morgen die Aufmerksamkeit auf Eizen, Lady Loreen und dem Putschversuch liegen, aber spätestens, wenn die Reverie beginnt, wird man diese Unannehmlichkeiten über die neuen Paukenschläge schnell vergessen. Und mit dem Verlust meines Titels werden die Verschwörungstheorien nicht lange auf sich warten lassen, warum Lady Loreen so plötzlich von der Bildfläche verschwunden ist, ohne dass es auch nur mit der Weltregierung in Verbindung gebracht werden wird.“ Sich den Nacken massierend stand Zorro auf, um sich noch eine Teigtasche zu sichern. „Heißt das, ich spiele ihr in die Karten, wenn ich Lady Loreen sterben lasse?“, murrte er unzufrieden. Dennoch wusste er, dass egal wie Dulacres Antwort ausfallen würde, er hatte sich entschieden und daran würde er festhalten, selbst wenn es die Dinge komplizierter machen würde. „Nein, ich denke nicht“, entgegnete der andere jedoch. „Anstatt dich zu verraten, hat die Weltregierung dein Geheimnis für den Moment gewahrt. Entweder sie gehen davon aus, dass es dir aus irgendeinem Grund wichtig sei, deine wahre Identität zu verheimlichen, sodass sie dich mit diesem Artikel hier unter Druck setzen wollen, oder sie selbst haben ein Interesse daran, dass die Welt noch nicht erfährt, wer Lady Loreen wirklich ist. Vielleicht ist es auch umgekehrt und sie wollen sogar vermeiden, dass die Welt herausfindet, dass Lorenor Zorro Zugang zu den wichtigsten Bereichen der Weltregierung hatte; wir wissen ja, dass sie ein ungewöhnliches Interesse an dir und deiner Crew haben.“ Einen Moment dachte Zorro darüber nach und vertilgte dabei die zweite Teigtasche. „Das heißt, wenn ich Rihaku mitteilen lassen würde, dass Lady Loreen Geschichte ist und mir egal ist, wenn irgendwer die Wahrheit erfährt, würde ihr das vielleicht einen Strich durch die Rechnung machen?“ „Höre ich da etwa Rachegelüste heraus?“ „Ach, halt doch die Klappe.“ Der andere lachte leise auf und begann, ihm noch den ein oder anderen Artikel zusammenzufassen, während Zorro den Wagen wieder nach draußen schob. Danach entschied er sich, etwas zu tun, was er bereits am vergangenen Abend hatte machen wollen, aber dank Mihawk Seniors Drama dann doch vergessen hatte. Also ging er ins Schlafzimmer und öffnete seinen Seesack. Mit einem leisen Seufzen beugte Zorro sich nach dem kleinen Köfferchen mit seinen Pflegeutensilien und ergriff dann seine anderen Schwerter. Wa No Kuni würde bald kommen und er wollte bereit sein. Er musste gestehen, dass es etwas kniff, dass eines seiner Schwerter nun fehlte, aber es war die klügere Entscheidung gewesen und natürlich wusste er, dass Dulacre gut auf Josei Acht geben würde, so wie er es die letzten Jahrzehnte bereits getan hatte. Irgendwann würde Zorro gut genug sein, Josei so zu führen, dass es sich noch nicht mal daran stören würde, wenn er mit mehr als nur ihm kämpfen würde, und dieses Irgendwann beabsichtigte er bald zu erreichen. „Hey, sag mal“, murmelte er, als er alles vor sich auf dem niedrigen Kaffeetischchen ausbreitete und das Gerede des anderen ihn so überhaupt nicht mehr interessierte, „warum hast du mir eigentlich damals Josei gegeben?“ „Na, weil du eine Waffe brauchtest, natürlich“, entgegnete Dulacre beiläufig über das Blättern von Seiten hinweg, als würde es ihn nicht mal stören, wenn Zorro ihn unterbrach. „Deine Schwerter waren doch bei deiner Crew.“ „Ja, schon klar, aber warum Josei? Warum das Schwert deiner Schwester?“ Ein Seufzen kam über die Teleschnecke. „Was für Flausen hat mein Vater dir in den Kopf gesetzt?“, fragte er nach und die Mundwinkel der Teleschnecke erreichten einen Zorro bis dato noch unbekannten Tiefpunkt. „Nichts Wildes“, murrte Zorro nur und zog gewohnheitsmäßig als erstes Wado-Ichi-Monji hervor, „nur, dass er nicht erwartet hätte, dass Josei und ich zueinander passen würden und die Familie Mihawk andere, besser geeignete Schwerter hätte. Yugure erwähnte er, wenn ich mich richtig erinnere.“ „Yugure? Ach du meine Güte, was für eine Enttäuschung mein Vater doch ist. Was für ein unfähiger Mensch er doch ist, und so jemand nennt sich Schwertmeister.“ „Warum? Ist das Schwert so schlecht?“ „Nein, natürlich nicht, es ist ein Drachenschwert von exzellenter Qualität und angenehmen Charakter. Selbst ein Idiot wie dein Kapitän könnte es wohl führen.“ „Könntest du aufhören, meinen Kapitän zu beleidigen.“ „Wohl eher nicht.“ Der andere schnalzte leise mit der Zunge. „Was ist dann dein Problem mit Yugure?“ „Es wäre die absolut falsche Wahl gewesen“, erklärte der andere halb lachend, halb aufschnaubend, als wäre dies doch offensichtlich. „Natürlich ist es ein hervorragendes Schwert, wäre es eine Person, würde man es wohl einen Gutmenschen nennen, sanft wie ein Wolkenfuchs, erfahren wie ein altes Pferd und besonnen wie eine Riesenschildkröte, aber ich hätte es nie für deine Ausbildung ausgewählt.“ „Warum?“, wiederholte Zorro nachdenklich. „Einen Kutscher mit einer selbstfahrenden Kutsche ausbilden? Tze, was für ein einfältiger Vorschlag. Darüber hinaus ist Yugure ein Zanbato wie mein Yoru und ich weiß, dass du Katana bevorzugst, welche sich für deinen Kampfstil auch deutlich besser anbieten. Aber der wichtigste Grund, warum ich dir Josei und nicht Yogure oder eines der anderen Schwerter gegeben habe, ist ein ganz einfacher, Josei wollte es so.“ Für eine Sekunde verharrte Zorro in seiner Tätigkeit, doch seine Schwerter schwiegen, so wie sie es sonst immer taten, sobald das Black Sword anwesend war. Er frage sich, wie Josei wohl auf diese Worte reagiert hätte. „Wie du weißt, ist die Wahl des richtigen Schwertes nicht nur vom Kämpfer abhängig. Wenn die Waffe dem Führenden nicht folgen will, ist es gleich, was für Ambitionen er hat, seine Tat ist bereits zum Scheitern verurteilt. Yogure ist tatsächlich ein Schwert, welches wohl jedem folgen würde, aber es deshalb auszuwählen, wäre eine Beleidigung, sowohl für dich als Schüler als auch für mich als Lehrender. Die Wahrheit ist“, sprach Dulacre weiter und klang nun absolut ernst, „ich hatte mehrere geeignete Möglichkeiten im Blick, aber obwohl Josei mir auch in den Sinn gekommen war, hätte ich es wohl unter anderen Umständen nicht gewählt.“ Zorro betrachtete das Schwert in seiner Hand. War es ein Fehler gewesen, Josei wegzugeben? Ein gutgemeinter Fehler? „Du musst wissen… nach dem Tod meiner Schwester ist Josei damals verstummt. Für mehr als ein Vierteljahrhundert hat es geschwiegen – und ich habe sehr wohl versucht, es aufzuwecken, aber es war vergebens – und anstelle eines toten Schwertes hätte ich dir gleichwohl einen Klumpen Stahl in die Hand drücken können. Anders als mein Vater wusste ich sehr wohl, dass Josei eine sehr gute, wenn auch fordernde, Partie für dich sein würde, aber als ich an jenem Abend vorhatte, ein Schwert für dich zu wählen, hätte ich natürlich kein totes Schwert gewählt.“ Der anderes seufzte leise. „Du kannst dir sicherlich meine Überraschung vorstellen, als ich eintrat und mich Joseis eindringliche Stimme begrüßte; ich hätte mich gar nicht anders entscheiden können.“ Nun vermisste er die herrische Stimme seines Schwertes noch mehr, aber nein, nur weil er seine Anwesenheit schätzte, hieß das nicht, dass er sich falsch entschieden hatte. Auf Wa No Kuni konnte er sich nicht erlauben, auf Josei Rücksicht zu üben, so gut war er noch nicht. „Natürlich war mir bewusst, dass Josei keine ungefährliche Wahl war, allerdings hattest du das Kitetsu der dritten Generation ja auch gemeistert und ich wusste, dass Josei unter meiner Anleitung sich zu benehmen wissen würde.“ Die leichte Vibration in Zorros Hand sagte ihm etwas anderes, Wado schien sich über die Aussage des besten Schwertkämpfers der Welt zu ärgern, was äußerst ungewöhnlich für das friedliebende Schwert war. Aber Zorro fragte sich, warum Josei sein jahrelanges Schweigen gebrochen hatte. Er selbst hatte diese Klinge alles andere als ruhig und schweigsam erlebt und auch wenn er wusste, dass manch ein Schwert manch einem Führenden nachtrauerte, so schien es doch gerade für Josei eher untypisch. „Warum ist es damals aufgewacht?“, fragte er, als nun auch Kitetsu zu zetern begann, was ihn allerdings nicht überraschte. „Natürlich aufgrund deiner Anwesenheit, Lorenor.“ „Was?“ „Aber bilde dir darauf nichts ein. Es hatte weniger mit deinem Talent zu tun, sondern mit deinem kratzbürstigen Wesen.“ Das ließ Zorro unkommentiert, während er sein erstes Schwert wieder in dessen Scheide steckte und zur Seite legte. „Selbstverständlich. Du musst wissen, Josei und ich waren noch nie gute Freunde. Zu ähnlich, würde ich sagen, beide zu kampffreudig, gnadenlos und blutdurstig. Wir sind nie gut miteinander ausgekommen und ich denke, es hat Gefallen daran gefunden, wie gerne du mich zur Weißglut treiben magst.“ Darüber rollte Zorro nur mit den Augen. Wer trieb hier wen regelmäßig zur Weißglut? „Aber das mein Vater nicht erkannt hat, was für eine hervorragende Wahl Josei für dich – unabhängig von deinem Körper – ist, das ist schon sehr bedauerlich.“ Mit einem nachdenklichen Laut entschied Zorro, sein Kitetsu noch etwas zetern zu lassen, und wandte sich erst Shuusui zu; das verfluchte Schwert regte sich noch etwas mehr auf. „Wo wir beim Thema sind, dein Vater hat auch was davon gesagt, dass Dansei eigentlich dein Schwert werden sollte. Aber jetzt führt es Homura, wie kam es dazu?“ „Das stimmt, Dansei war mir zugedacht. Aber das war noch, als meine Schwester lebte und Josei führte. Mit Sharaks Tod ist diese Kombination hinfällig geworden.“ „Warum?“, fragte Zorro nach. „Dein Vater sagte, du hättest dich geweigert, es als dein Schwert anzuerkennen. Für mich klang das so, als würde er davon ausgehen, dass es dennoch gut zu dir gepasst hätte.“ Der andere schnalzte mit der Zunge und Zorro konnte Schritte hören. „Ach je, was denkst du denn, Lorenor? Denkst du, Dansei würde zu mir passen?“ Darüber brauchte Zorro nicht lange nachdenken. „Ich denke, es würde funktionieren. Es wäre möglich. Ich glaube nicht, dass es ein Schwert gibt, welches du nicht führen kannst. Aber…“ Er zögerte für eine Sekunde und versuchte, es in Worte zu fassen. „Aber ich glaube, es gibt eine Grenze und die dürftest du nicht überschreiten, was dir aufgrund deiner unvollständigen Kontrolle in einem richtigen Kampf schwerfallen würde.“ Er konnte ein leises Knistern hören und ging davon aus, dass der andere sich an den Herd begeben hatte. Dulacre seufzte laut auf: „Und wenn du das erkennen kannst, obwohl du mich nicht während meiner Ausbildung erlebt hast, dann sollte es doch auch meinem Vater offensichtlich sein. Dansei und ich waren eine gute Partie, solange meine Schwester lebte und Josei führte. Zusammen hätten wir ein fast perfektes Ganzes ergeben, vielleicht hätten wir sogar Perfektion erreicht. Aber ohne Sharak kann Dansei mich letzten Endes nicht aushalten. Das kann nur Yoru, so wie nur ich in der Lage bin auf Yorus Sensibilität Rücksicht zu nehmen.“ „Und dir war es egal, dass Homura sich Dansei nimmt? Du kannst ihn doch nicht abhaben?“ Im Hintergrund konnte er das leise Klacken und Scharben von Küchenutensilien und Zutaten hören. „Was wäre deine Vermutung?“, fragte der andere. „Meine Vermutung? Es war dir lästig, dass er dich deswegen immer wieder gefragt hat und damit er dich in Ruhe lässt, hast du irgendwann nachgegeben. Wobei du ihn dann vermutlich eher umgebracht hättest.“ Schallend lachte Dulacre auf. „Ja, das würde zu mir passen, nicht wahr?“ Er schien überraschend gute Laune zu haben, auch wenn Zorro davon bisher noch nicht so viel mitbekommen hatte. „Aber nein, das war nicht - nur – der Grund.“ „Was kochst du?“ „Kartoffeln, die Auswahl ist ja dank des Ernährungsplans Doktor Choppers und des Smutjes eher begrenzt“, beschwerte der andere sich, doch Zorros Mitleid hielt sich in Grenzen, wenn er daran dachte, dass dieser Typ kaum zwei Wochen nach seiner Operation in Begriff gewesen war Mary Joa zu stürzen, verdammter Mistkerl. „Nein, es war ein sentimentaler Moment meinerseits. Nachdem Josei verstummt war, ist auch Dansei sehr ruhig geworden. So ruhig, dass ich selbst in Erwägung gezogen hatte, es doch an mich zu nehmen, wohl wissend, dass dies nicht sinnvoll gewesen wäre. Als Nataku dann kam und mich fragte, ob er dieses Schwert im Andenken an meine Schwester während seiner aktiven Zeit tragen dürfte… Josei hätte ich ihm nie gegeben und Dansei ist nicht der perfekte Partner für ihn, aber es war die richtige Entscheidung. Selbst wenn es Nataku war.“ Das ließ Zorro jedoch aufhorchen. Nicht nur, dass der stets unfreundliche noch-Samurai Homura ein Schwert gegeben hatte, sondern auch noch, obwohl er es nicht für eine gute Paarung hielt. „Warum hast du es ihm gegeben, wenn es keine gute Kombination war?“ „Ich sagte nicht, dass es keine gute Kombination wäre, nur, dass sie nicht perfekt ist. Aber solange Nataku so versessen an der Vergangenheit festhält, wird er auch kein perfekt zu ihm passendes Schwert finden. Aber Dansei vergibt Fehler und ist sehr geduldig und auch wenn Nataku mir nichts bedeutet, so erkenne ich doch seine Fähigkeiten an und er ist auch jemand, der so ziemlich jedes Schwert auf eine vernünftige Weise führen kann, wenn auch nicht so gut wie du oder ich, aber wer kann das schon?“ Zorro zögerte über das Werkeln des anderen. So freundliche Worte passten ganz und gar nicht zum anderen. Ob er betrunken war? Wobei, dann wurde er meist nur noch theatralischer, etwas anderes musste seine selten gute Laune ausgelöst haben. Aber eigentlich ging das Zorro nichts an, also zuckte er nur die Schultern. „Du hast ihm also Dansei gegeben, damit es kämpfen kann?“ „Nein, es war ähnlich wie mit Josei und dir. Wenn ein Schwert einen Kämpfer auswählt, dann sollte er es auch führen und das bin ich ihnen schuldig.“ „Und so bist du auch an Yoru gekommen?“ Dulacre schwieg, während Zorro Shuusui zur Seite legte und sich schlussendlich dann auch seinem Kitetsu zuwandte, was die Berührung begehrte wie eine Katze, kurz bevor sie zuschlagen würde. Nach einigen ruhigen Sekunden begann der Ältere dann über sein vergangenes Telefonat mit Jiroushin und dessen Verhör zu sprechen und Zorro entschied, diesem Themenwechsel zu folgen. Irgendwann würde er die Geschichte schon hören und wenn er ehrlich war, würde er das auch lieber vor einem Feuer, über einem Schachspiel, bei einem Glas Wein oder Sake, und nicht über die Teleschnecke auf einem fremden Schiff, während der andere seine verhassten Kartoffeln kochte. Kapitel 48: Kapitel 48 - Meeresbrise ------------------------------------ Kapitel 48 - Meeresbrise   -Zorro- Er dehnte Arme und Beine, ehe er den Kopf von rechts nach links kreisen ließ, bis die Knochen knacksten, dann griff er nach seinen Klamotten und zog sich an. Es war wirklich ein seltsames Gefühl. Seinen unfreiwilligen Aufenthalt in diesem Zimmer hatte er in weiser Voraussicht als Loreen verbracht, aber nun hatte er sich verwandelt und vermisste beinahe den süßen Schmerz verausgabter Muskeln, an den er sich über die vergangenen zwei Jahre gewöhnt hatte. Er fragte sich, was sich diesbezüglich noch verändert hatte, aber solange es ihn nicht beim Kämpfen störte, war es ihm, wenn er ganz ehrlich war, einfach egal. Eine innere Unruhe erfüllte ihn, während er die rote Schärpe festzog. Beim Frühstück hatte er die Zeitung gelesen und auch, wenn er sich ein bisschen über den Steckbrief des Kochs geärgert hatte – er war sich sicher, dass sein eigenes Kopfgeld bald in die Höhe schießen würde, spätestens wenn die Welt herausfinden sollte, dass er in Wirklichkeit Lady Loreen war und von Dingen wusste, von denen die Weltregierung mit Sicherheit nicht wollte, dass sie öffentlich wurden – so hatte das breite Grinsen Ruffys in ihm jedoch eine Vorfreude geweckt, die er die vergangenen Tage fast vergessen hatte. Wenn er aus dem Fenster guckte, konnte er am Horizont ein Stück Land in einem stürmischen Wolkenamboss ausmachen, dem sie stetig näherkamen. Er hatte Wa No Kuni erreicht; dank des überraschend schnell gelösten Problems mit Eizen nur wenige Tage nach den anderen. Zorro erinnerte sich an die mahnenden Worte Kinemons darüber, dass sie sich unauffällig verhalten sollten, und daher hatte er entschieden, dass Marineschiff zu verlassen und die letzten Meter zu schwimmen. Irgendwie würde er schon an Land kommen. Ein Klopfen an der Türe ließ ihn aufhorchen und er verließ das Badezimmer, schenkte dem Neuankömmling jedoch kaum seine Aufmerksamkeit, sondern suchte seine Sachen zusammen, auch wenn es nicht viele waren. „Einen schönen guten Morgen, ich… oh…“ Mihawk Senior war auf einen Besuch vorbeigekommen – Zorro hatte ihn seit dem Beginn ihrer Reise nicht mehr gesehen, was auch daran lag, dass er sein Zimmer nicht verlassen hatte – und musterte ihn nun mit großen Augen, als hätte er vergessen, dass sein Gast Lorenor Zorro und nicht Lady Loreen war. „Ich wollte Ihnen soeben vorschlagen, sich vielleicht bereits von uns abzusetzen, da wir nicht beabsichtigen in den Hafen einzulaufen, aber es scheint, als wäre dies nicht notwendig.“ Zorro nickte nur und ging an dem anderen vorbei zu seinem Seesack, wo er seine andere Kleidung hineinstopfte. Dulacre hatte ihm ziemlich genau erklärt, wie er ins Land gelangen konnte – und nur circa zehn Mal darauf hingewiesen, dass er sich nicht von Kaidos Lakaien schnappen lassen sollte, als ob Zorro so dumm wäre – und er hatte damit gerechnet, dass die Marine nicht in den von Kaido kontrollierten Hafen mal ebenso einlaufen würden. „Nochmal danke für die Hilfe“, murrte er unbeeindruckt, während er die Schlaufen zuzog. Als er aufblickte, bemerkte er, wie der andere ihn immer noch musterte. „Das ist die Narbe meines Sohnes, nicht wahr?“ Zorro nickte nur und rieb sich das linke Schlüsselbein, streifte dabei die Kette um seinen Hals. „Sie wissen dies mit Sicherheit, aber Sie können wirklich sehr stolz auf diese Zeichnung sein.“ Mit einem erneuten Nicken packte Zorro seinen Seesack und wandte sich kurz Mihawk Senior zu. „Ich muss Sie um einen Gefallen bitten“, fiel er direkt mit der Tür ins Haus. „Ich möchte, dass Sie Rihaku und wem auch immer folgende Botschaft ausrichten.“ Der Soldat verschränkte die Arme. „Lady Loreen ist tot, sagen Sie ihr das.“ Die vergilbten Augen des anderen weiteten sich. „Aber… sagen Sie nicht, dass Sie…?“ „Doch, genau das sage ich.“ Mit diesen Worten schulterte Zorro seinen Seesack und wandte sich dem Balkon zu. „Warten Sie, Zorro.“ Er blieb stehen. „Werden Sie meinen Sohn töten? Werden Sie, wenn der Tag gekommen ist und Sie ihm endlich den Kampf bieten, den er schon seit Jahren erwartet, werden Sie ihn dann töten?“ „Tze“, schnalzte Zorro mit der Zunge, ohne sich auch nur umzudrehen, „klammern Sie sich immer noch an dieses verdammte Schicksal?“ Kopfschüttelnd seufzte er und fuhr sich mit einer Hand durch die Haare, streifte seine Ohrringe. „Also, um das noch ein letztes Mal klarzustellen, Dulacre und ich, wir treffen unsere eigenen Entscheidungen, und als wäre ich so dämlich den einen Menschen umzubringen, der den Schwertkampf so sehr respektiert wie ich. Ein einziger Sieg wird mir nicht reichen. Ich will tausendmal gegen ihn kämpfen und ihn tausendmal besiegen, und ich werde nicht zulassen, dass diesem Mistkerl irgendetwas passiert, noch nicht mal seine eigene Blödheit, die er anscheinend von seinem Vater geerbt hat.“ „Sie sind ein ungewöhnlicher Mann, Lorenor Zorro. Solche Ambitionen zu äußern, während Sie im Begriff sind, Kaidos Hoheitsgebiet zu betreten… Haben Sie etwa vor, auch so ein Monster zu werden, wie mein Sohn es geworden ist? Grenzt das nicht an Wahnsinn?“ Zorro konnte ein Schmunzeln nicht verhindern. „Es braucht ein Monster, um ein anderes zu bezwingen“, erinnerte er sich an Shakuyaks Worte von vor langer Zeit, „und hätten Sie wirklich etwas anderes von einem Crewmitglied des künftigen Königs der Piraten erwartet?“ Mit diesen Worten riss er die Tür zum Balkon auf und sprang über Bord, ehe der Soldat noch etwas erwidern konnte, sein Blick fest auf das Land am Horizont gerichtet. Ich geh schon mal vor, Ruffy! Komm bald nach und bring den verdammten Koch mit!   -Sanji- Ein erneutes Seufzen ließ ihn aufhorchen. Er überlegte, nachzufragen, aber nach den letzten zwei erfolglosen Versuchen sollte er es wohl dieses Mal bleiben lassen. Leise arbeitete er weiter und versuchte, das Geraschel zu ignorieren. Sein allerliebstes Namimäuschen war leider nicht besonders gut gelaunt und auch, wenn Sanji fand, dass Rage ihr stets gut stand, so mochte er es doch gar nicht, wenn sie unzufrieden war. Sanji selbst war eigentlich allerbester Laune. Nicht nur, dass er endlich wieder mit seinen Freunden unterwegs war – als wäre das nicht schon Wunder genug – nein, er hatte sogar ein neues Kopfgeld bekommen und endlich – endlich! – den verdammten Marimo hinter sich zurückgelassen! Dieses Erfolgserlebnis konnte selbst der kleine Dämpfer, dass nun der Name seiner Familie seinen Steckbrief zierte, nicht schmälern. Darüber hinaus betitelte die Zeitung Ruffy bereits, als wäre er einer der Kaiser. Nein, Sanji hatte wirklich fantastische Laune, insbesondere wenn er bedachte, wie furchtbar er sich noch vor wenigen Tagen gefühlt hatte. Eigentlich war dieses Gefühl viel stärker als der Stolz über sein Kopfgeld, Dankbarkeit. Er konnte es kaum in Worte ausdrücken – nicht, dass irgendwer diese Worte hören wollte – aber er war unglaublich dankbar. Gleichzeitig fühlte er in sich aber auch diese Scham, diese Schuldgefühle für das, was er gesagt und getan hatte. Er hatte gedacht, das Richtige zu tun, und dennoch… „Endlich!“, stöhnte Nami hinter ihm entnervt auf. „Du hast was gefunden?“, murmelte er abwesend und wagte nicht, sich herumzudrehen. Sie hatte ihm verziehen, aber Sanji wusste – oder zumindest befürchtete er – dass es doch nicht so einfach war, nur, weil sie es gesagt hatte. „Ja, ich bin alle Zeitungen durchgegangen“, murrte sie, „und hier steht endlich was.“ Nun wandte er sich doch um. Nachdem sie die Neuigkeiten aus der heutigen Zeitung erfahren hatten und Sanji entschieden hatte, etwas für sie alle zu kochen, war Nami ihm kurz darauf gefolgt, um die Zeitungen der vergangenen Tage auf Hinweise zu durchforsten. Nun saß sie am Tisch, neben ihr ein Stapel bereits gelesener Zeitungen, eine hatte sie glatt gestrichen vor sich auf dem Tisch ausgebreitet und fuhr mit einem Finger zügig die Zeichen der Titelseite entlang. „Und?“ „Eizen wurde verhaftet“, murmelte sie, ohne innezuhalten. „Zorros Plan scheint aufgegangen zu sein, auch wenn nicht wirklich viel gesagt wird. Zumindest steht hier ausdrücklich, dass er einen Putschversuch geplant hatte und aufgehalten worden ist. Genaueres ist derzeit wohl noch angeblich Gegenstand von Ermittlungen.“ Sanji schluckte. „Und was ist mit Zorro?“, fragte er nach, musste sich räuspern, weil sein Hals so trocken war. Die vergangenen Tage hatte er immer wieder an diesen Vollidioten denken müssen. Nicht unbedingt daran, wie der andere als Lady Loreen durch die Gänge Mary Joas stolperte, sondern eher an das davor. Sanji war wütend auf ihn gewesen, weil er sich so einfach von irgendeinem Fremden hatte kontrollieren lassen, so wie Sanji seit jeher von seinem Vater kontrolliert worden war. Sanji war wütend auf ihn gewesen, weil Zorro, der doch immer so direkt und unverblümt gedacht hatte, sich von einem Fremden ein Geheimnis hatte aufbrummen lassen, weshalb er selbst ihnen nicht mehr die Wahrheit gesagt hatte, so wie Sanji sich seit jeher dem Geheimnis, welches ihm sein Vater aufgezwungen hatte, gebeugt hatte. Und dann hatte er ihn beneidet, für diese Kraft, für diese Stärke, einfach die Fesseln zu sprengen, einfach die Wahrheit zu sagen und sich nicht länger von der Gewalt dieses Geheimnisses kontrollieren zu lassen. Sanji hatte sich seiner Vergangenheit so stellen wollen, wie Zorro es getan hatte. Als er die Einladung zu seiner eigenen Hochzeit gelesen hatte, da hatte er plötzlich verstanden. In diesem Moment hatte er genau verstanden, warum Zorro so gehandelt hatte, sowohl damals auf der G6 als auch während der Tage nach ihrer Wiedervereinigung. Er hatte es ihm gleichtun wollen, hatte gedacht, er könnte seine Probleme alleine lösen, so wie Zorro, der alleine nach Mary Joa gereist war. Aber die Wahrheit war, dass Sanji genauso gehandelt hatte, wie Zorro damals, auf der G6 - er hatte sogar eine Nachricht verfasst, genau wie Zorro damals! Er war wirklich keinen Deut besser – doch ihm war es noch nicht mal bewusst gewesen. Er hatte gedacht, er würde sich erwachsen verhalten, richtig verhalten, würde nicht die gleichen Fehler machen, wie die anderen zuvor, aber vielleicht weil er so gedacht hatte, weil es ihm so wichtig gewesen war, die anderen nicht in sein Dilemma mithineinzuziehen, vielleicht war das der Grund, warum er genau die gleichen Fehler wiederholt hatte. Es war ein erbärmliches Gefühl, vielleicht wollte er gerade deshalb so stolz auf seinen Steckbrief sein, denn wenn Sanji nicht gewesen wäre, dann hätten sie Zorro im Zweifel helfen können, dann hätten sie im Zweifel nach Mary Joa reisen können, dann würde Nami jetzt nicht da sitzen und einen Artikel nach dem anderen durchwühlen, während sie keine Ahnung hatten, wie es Zorro ging, und Sanji wusste, warum sie so entnervt war. Es war ihr typisches Verhalten, um ihre Sorge zu verdrängen, denn Sanji wusste auch, jede neue Zeile könnte offenbaren, dass sie ihren Schwertkämpfer wieder verloren hatten. Er schämte sich. Zorro war alleine gegangen, während Sanji von Ruffy hatte gerettet werden müssen. Er schämte sich. Zorro hatte von seiner Familie gewusst und nicht mal hinterfragt, warum Sanji ihn angefleht hatte, nicht darüber zu sprechen, während Sanji ihm nicht einmal hatte zuhören können, als Zorro bereit gewesen war, ihm die Wahrheit zu sagen. Er schämte sich. Er war wütend auf Zorro gewesen, weil Zorro sich hatte unterdrücken lassen, so wie Sanji sein Leben lang von den Worten seines Vaters unterdrückt worden war, während er doch auch genauso gehandelt hatte wie Zorro. Er schämte sich so sehr. Aber vielleicht auch nur, weil dieses Gefühl leichter zu ertragen war als die anderen. Natürlich wollte er lieber Stolz und Dankbarkeit fühlen, aber sie konnten nicht über die Demut und die Scham hinwegtäuschen. Dennoch, Schuldgefühle waren deutlich besser auszuhalten als dieses andere Gefühl, diese tiefe Furcht, während Nami die Seiten umblätterte und nach Hinweisen suchte. Natürlich machte er sich auch Sorgen um die anderen, wobei er jedem von ihnen zutraute, auf sich selbst Acht zu geben. Das tat er auch eigentlich beim Marimo, aber es war halt nochmal was verdammt anderes und er hatte Zorros Blick gesehen, als Falkenauge davon gesprochen hatte, Mary Joa im Zweifel anzugreifen. Sanji war sich gar nicht so sicher, ob der Samurai nicht sogar die größere Gefahr darstellte. „Er wird nicht mal erwähnt“, murmelte Nami fast schon fahrig und durchforstete den nächsten Artikel. „Also weder er noch Lady Loreen.“ „Was?“ Nun verschränkte Sanji die Arme. „Aber selbst, wenn der Marimo gar nichts gemacht hätte, so würde man Lady Loreen doch zumindest mal…“ „Hab was“, unterbrach sie ihn und sah kurz auf, aber dann verzog sie unzufrieden die Stirn. „Nichts Hilfreiches, leider, nur das Eizen zusammen mit Lady Loreen in den letzten Zügen der Vorbereitung für die Reverie war – kein Wunder, beginnt doch schon übermorgen - aber viel mehr steht da auch nicht.“ „Vielleicht ist ja auch einfach nichts passiert“, murmelte Sanji, obwohl er selbst nicht dran glaubte. „Vielleicht hat Eizen sich ja selbst verraten und die Grasbirne musste gar nichts tun, außer seine Rolle weiterzuspielen.“ „Hm“, brummte sie nur, wenig überzeugt, und blätterte weiter. Sanji wandte sich wieder seiner Arbeit zu. Laut Nami sollten sie Wa No Kuni innerhalb der nächsten paar Tage erreichen, aber was würde passieren, wenn der verdammte Marimo dort nicht auftauchte? Eigentlich überraschte es ihn, dass Ruffy anscheinend überhaupt nichts unternehmen wollte. Bisher war er doch jedem von ihnen nachgekommen, egal ob sie es gewollt hatten oder nicht. Selbst Sanji hatte er verfolgt! Aber ausgerechnet bei Zorro, dem einen, den sie schon einmal verloren hatten, da schien er nicht mal drüber nachzudenken. Wieder mal verstand Sanji ihn einfach nicht. Sie wussten noch nicht mal, was passiert war, ob Zorro in… „Oh! Endlich!“ Er schaute auf. Zum ersten Mal klang Nami nicht mehr so gereizt, wie die vergangenen Stunden. Als er zu ihr herübersah, rieb sie sich gerade eine Strähne aus dem Gesicht und beugte sich noch tiefer über die Zeitung. „Rätsel um Lady Loreen, war sie Mittäter oder Opfer? Hm…hm…hm… Keine eindeutige Antwort über ihre Rolle und ihrem Verbleib… Übereinstimmender Zeugenaussagen zufolge war sie während der Verhaftung Eizens am späten Abend anwesend… noch in der Nacht wurde ein Arzt gerufen… Zimmer wurde am nächsten Tag geräumt… Keine näheren Angaben von offizieller Seite… möglicherweise evakuiert… das war’s. Viel mehr steht da nicht.“ Sie begann schon weiterzublättern, während Sanji über die zitierten Worte nachdachte. „Glaubst du, wir können dem glauben?“, murmelte er, während er die vielen verschiedenen Snacks zu Tisch brachte und sich dann zu ihr setzte. „Eizen wurde also vor ein paar Tagen verhaftet, das scheint stimmig. Aber was bedeutet es, dass keiner weiß, wo Lady Loreen jetzt ist?“ „Eigentlich ganz klar“, antwortete Nami, die weiterhin die Artikel in atemberaubender Geschwindigkeit durchforstete. „Es gibt ja nur drei Möglichkeiten. Zorro wurde gefangen genommen, getötet oder er hat Mary Joa mittlerweile verlassen. Ach, verdammt nochmal, diese ganzen Berichte wiederholen sich nur gegenseitig. Wie kann man mit so vielen Worten so wenig ausdrücken.“ Sanji starrte sie an, während sie sich über die Zeitung aufregte. Wie konnte sie das nur so einfach…? Nein, er wusste genau, wie sie das konnte. Dafür hatten sie schon zu oft über Zorros Tod gesprochen und außerdem hatte sie Recht. Genau das waren die drei Optionen und sie schienen alle möglich. Aber dann kam ihm ein neuer Gedanke. „Wenn Eizen bereits verhaftet wurde, hätte dann nicht spätestens heute etwas in der Zeitung stehen müssen, wenn Falkenauge Mary Joa angegriffen hätte? Dieser Typ scheint ja regelrecht besessen vom Marimo und wird mit Sicherheit sofort reagiert haben, sollte er nichts vom Marimo gehört…“ „In der Zeitung wird darüber nichts stehen.“ Nami faltete die Blätter zusammen und sah Sanji mit einem leichten Schulterzucken an. „Wenn Mary Joa gefallen wäre, hätten nicht wir heute die Schlagzeile eröffnet. Das bedeutet Mary Joa steht noch, also hat Falkenauge entweder nicht angegriffen oder aber…“ „… er hat versagt“, führte Sanji ihren Satz zu Ende. „Aber warum würden sie das nicht berichten? Wäre es nicht eine Zurschaustellung ihrer Macht, wenn sie…“ „Sanji, denk doch mal nach“, seufzte sie. „Die Reverie ist übermorgen, eine Demonstration ihrer Autorität. Was würde es wohl über die Weltregierung aussagen, wenn nur wenige Tage zuvor einer der Samurai, die ihr doch angeblich treu ergeben sind, sich gegen sie auflehnen würde? So kurz nachdem einer ihrer eigenen Politiker einen Putsch versucht hat? Nein, sollte er angegriffen und versagt haben, sollten sie ihn gefangen genommen haben, werden sie das wohl erst nach der Reverie oder vielleicht auch gar nicht veröffentlichen, wer weiß das schon.“ Sanji verschränkte die Arme. „Aber warum veröffentlichen sie dann den Putschversuch von Eizen?“ Sie zuckte erneut mit den Schultern. „Keine Ahnung. Vielleicht war er ihnen schon seit längerer Zeit ein Dorn im Auge. Vielleicht wollen sie nicht, dass er die Lorbeeren für die Reverie erntet, oder was weiß ich. Aber alleine, dass Falkenauge nicht erwähnt wird, sollte uns nicht in Sicherheit wiegen, denke ich.“ Sie senkte den Blick. „Aus diesen Artikeln ist es unmöglich zu sagen, wie es um Zorro wirklich steht.“ „Verdammt“, murrte Sanji und rieb seine Schläfen, spürte wie seinen Augen brannten. „Aber was machen wir denn dann jetzt? Sollen wir wirklich einfach so nach Wa No reisen? Müssen wir nicht…“ Er unterbrach sich, als Nami neben ihm leise lachte. „Glaub mir, Sanji, ehe ich eben hier reinkam, habe ich gefühlt eine halbe Stunde versucht, mit Ruffy darüber zu diskutieren, was wir machen, wenn wir nichts über Zorros Verbleib wissen. Aber er wollte davon nichts hören – du kennst ihn ja, wie er dann immer ist – also reisen wir nach Wa No Kuni. Befehl des Käpt’ns.“ Sanji setzte sich wieder auf und sah Nami zu, wie sie sich durch Gesicht und Haare fuhr. „Mann, wenn das hier alles vorbei ist, dann brauche ich wirklich mal ein paar Tage Urlaub.“ Dem konnte er nur zustimmen, während er sich erhob. „Ich hol mal alle zum Essen, wärest du so freundlich, noch schnell den Tisch zu decken“, murmelte er, woraufhin sie nur nickte und die Zeitungen wegräumte. Es gefiel ihm nicht, Nami eine solche Arbeit aufzudrängen, aber er war auch dankbar, denn während er übers Deck lief und die anderen aufforderte, sich drinnen stärken zu gehen, konnte er Ruffy an seinem Lieblingsplatz auf der Gallionsfigur ausmachen, der nicht kam, obwohl er Sanji hören musste. Also ging Sanji zu ihm auf die Steuerterasse. „Hey Kapitän, willst du nichts essen?“ Normalerweise würde Ruffy spätestens jetzt aufspringen und Sanji mit sich Richtung Kombüse schleudern, aber nun tat er es nicht und für einen Moment fürchtete Sanji beinahe, dass Ruffy wütend auf ihn war. Aber dann sah er, dass Ruffy breit grinste, so wie er immer grinste, wenn er sich richtig freute. Für einen Moment folgte Sanji seinem Blick aufs strahlendblaue Meer, doch konnte nichts erkennen, was diese Freude hätte auslösen können. Kopfschüttelnd lehnte er sich gegen die Reling und zündete sich eine Zigarette an. Manchmal verstand er seinen Kapitän einfach nicht. Nicht immer, meistens war Ruffy ein offenes Buch und absolut vorhersehbar, aber manchmal, da gab es diese Momente, in denen Sanji ihn absolut nicht einschätzen konnte. Manchmal verstand er ihn einfach nicht. Es fiel ihm schwer zu verstehen, warum Ruffy so handelte, wie er handelte. Warum war er Sanji nachgekommen, wollte aber jetzt nicht Zorro nachreisen? Warum hatte er sich mit Sanji auf eine Art angelegt, die sein Herz zerrissen hatte, aber bei dem Konflikt mit dem Marimo hatte er sich rausgehalten? Warum hatte er nur eingegriffen, wenn jemand anderes was gesagt hatte, aber Zorro hatte er nicht einmal zur Verantwortung gezogen? Warum hatte er Sanji all diese Dinge zugeschrien, aber Zorro verteidigt? Sanji verstand es nicht, er verstand es einfach nicht. „Sag mal“, murmelte er, „sollten wir nicht vor Wa No Kuni einen Abstecher nach Mary Joa machen?“ „Hm? Nö, wieso sollten wir?“, entgegnete Ruffy auf seine leichtfertige Art und sah kurz zu Sanji hinüber. Er rollte mit den Augen. „Naja, um nach dem Marimo zu sehen“, grummelte er. „Schließlich haben wir keine Ahnung, was mit ihm…“ „Zorro geht’s gut.“ Das war’s. Das war seine ganze Reaktion. Ein simples ihm geht’s gut, das war’s. Aber irgendwie erinnerte es Sanji an damals zurück. Damals, als er Ruffy hatte sagen müssen, dass Zorro gestorben war und die Tage darauf, als Ruffy immer wieder mit diesen simplen Worten und dieser unschuldigen Stimme gesagt hatte, dass Zorro am Leben war. Genauso wie damals hörte er sich gerade an und genau wie damals stieß es Sanji sauer auf. „Machst du dir keine Sorgen?“, fragte er und bemühte sich, ruhig zu bleiben. „Nein“, kam die fast schon erwartete Antwort. „Wieso?“ Sanji schüttelte den Kopf. „Ganz ehrlich, Ruffy, ich kapiere es nicht. Mir kommst du nach, obwohl ich dir noch einen verdammten Zettel hinterlasse und obwohl du keinen Grund hattest anzunehmen, dass ich in Schwierigkeiten stecken würde, aber Zorro – von dem wir nichts wissen, außer dass er gerade in einer richtig beschissenen Situation steckt – ihm willst du nicht helfen? Ihn willst du alleine lassen? Warum? Warum tust du das? Warum willst du Zorro nicht helfen?“ Er bereute beinahe, dass er sich nicht auf die Zunge beißen konnte, aber verdammt nochmal, es erinnerte ihn an Falkenauges Worte und seine eigenen Zweifel, bevor Zorro sie eingeweiht hatte. Ruffy war der Kapitän, es war seine Aufgabe, die Crewmitglieder zu beschützen, und ja, der Marimo mochte ein verdammter Vollidiot sein, der wirklich stark genug war, um mit vielem Scheiß alleine klarzukommen, und ja, er schien sich jetzt einen verdammten Samurai als Schoßhündchen angelacht zu haben, aber trotzdem konnten sie doch nicht einfach… „Zorro will nicht, dass wir ihm helfen, also ist das schon okay“, entgegnete Ruffy mit einem breiten Grinsen, schien Sanjis Unzufriedenheit nicht mal wahrzunehmen. „Ist es nicht!“, widersprach Sanji. „Ruffy, nur weil er das gesagt hat, heißt das nicht, dass er…“ „Für Zorro war es echt nicht einfach.“ Diese Worte ließen Sanji erstarren. Was meinte Ruffy damit? Damals hatte er Sanji unterbrochen, als er Zorro angegriffen hatte, war Ruffy doch auf ihn sauer? Wollte er ihn nun doch dafür belehren, dass Sanji ein Crewmitglied so angegangen war? „Ich glaube, er hat sich etwas gelangweilt – nicht, dass er sich beschwert hätte – weil ich ihm nie die stärkeren Gegner überlassen habe.“ Nun plusterte Ruffy einmal seine Wangen auf und schnaubte durch die Nase auf. „Auf der anderen Seite wollte ich auch Spaß haben und es ist nicht meine Schuld, wenn Zorro sich immer verläuft und deshalb die besten Kämpfe immer verpasst. Außerdem bin ich der Kapitän, ich will gegen die Stärksten kämpfen.“ „O…kay“, murmelte Sanji, nicht wirklich sicher, was er damit anfangen sollte. „Aber was hat das mit…?“ Nun grinste Ruffy ihn an. „Zorro hat mir gesagt, dass er auf Mary Joa den Spaß seines Lebens haben wird. Er hat sich die vergangenen Kämpfe nicht wirklich amüsieren können und ich hab immer gegen die stärksten Gegner gekämpft, obwohl er das sicher auch wollte. Es wäre unfair von mir, nach Mary Joa zu reisen und ihm diesen Spaß zu nehmen.“ Nun seufzte Ruffy leise auf, ehe er die Arme verschränkte und sich nachdenklich einen Finger an die Schläfe drückte, als würde er komplizierten Gedankengängen folgen. „Ich bin zwar ein bisschen neidisch, dass Falki dabei sein konnte und ich nicht, aber dafür werden wir dann zusammen Kaido plattmachen und dann ist das schon okay. Hauptsache Zorro hatte mal so richtig Spaß und kann nochmal so richtig kämpfen.“ Sanji verstand nicht. „Ruffy, schon klar, ich kämpfe auch gerne. Aber hier geht es nicht um einen spannenden Kampf. Es könnte sein, dass Zorro gerade in einem Kerker sitzt oder hingerichtet wird. Wir müssen doch…“ „Mhmh“, schüttelte Ruffy den Kopf und sah Sanji wieder so unschuldig an. „Zorro geht’s gut.“ Zorro weiß, dass wir zur Fischmenscheninsel wollen, also bin ich mir sicher, dass er da wieder zu uns stoßen wird. Und bis dahin bewahren wir seine Schwerter für ihn auf. Zorro lebt! Ich weiß es! Und trotzdem lebt er! Er meinte, bis er zurückkommt, denn er wird zurückkommen. Sanji merkte, wie etwas in ihm aufbrach, was über die vergangenen Jahre zu hartem Stein geworden war. „Du sagst das nicht nur so, oder?“, murmelte er. „Du glaubst nicht nur, dass es Zorro gut geht. Du weißt es, oder?“ Nun begann Ruffy zu strahlen, als ob Sanji ihm gerade sein Lieblingsfleisch gebracht hatte. „Na klar“, lachte er. „Zorro ist stark und wenn er sich etwas in den Kopf setzt, dann zieht er das auch durch. Er hat gesagt, wir treffen uns auf Wa No Kuni wieder, also werden wir das auch.“ Absolutes Vertrauen. Sanji wusste nicht warum, aber zwischen diesen beiden bestand ein absolutes Vertrauen, um dass er sie nur beneiden konnte. Da war es wieder, dieses seltsame Verhalten. Diese Art, wie Ruffy über Zorro sprach, diese Art, wie Zorro zu Ruffy sprach. Diese Art, wie sie Dinge voneinander wussten, ohne dass sie auch nur einmal erwähnt worden waren. Sanji wusste nicht wirklich, was es genau war, aber die einzige Erklärung, die ihm dazu einfiel, war absolutes Vertrauen. Doch gleichzeitig gab ihm genau dieser Gedanke einen bitteren Beigeschmack. Wenn Ruffy Zorros Worte glaubte, sie kein bisschen anzweifelte, ihm absolut vertraute, aber Sanji entgegen seiner Worte hinterhergekommen war, dann bedeutete das doch auch… „Deswegen bin ich dich ja auch abholen gekommen“, sprach Ruffy weiter und hob den Kopf gen Himmel. „Zorro wollte nicht, dass ich nach Mary Joa komme.“ Dann sah Ruffy wieder zu ihm hinüber und lächelte. „Du hingegen hast zwar gesagt, dass wir dich in Ruhe lassen sollen, aber du wolltest, dass ich dir hinterherkomme.“ Seine Augen brannten, als Ruffy ihn so ehrlich anlächelte, und mit bebenden Lippen senkte Sanji den Blick. Seine Worte von damals hallten durch seinen Kopf, als er Ruffy angeschrien und angegriffen hatte, beleidigt hatte, all diese Dinge gesagt hatte, die er nie hatte sagen wollen. „Du hast mir nicht ein Wort geglaubt?“, fragte er. „Du wusstest, dass ich gelogen habe?“ Ruffy lachte leise, während Sanji mit den Tränen kämpfte. „Shishishi, manchmal bist du ziemlich dumm, Sanji. Natürlich wolltest du mit uns weiterreisen, schließlich willst du doch den All Blue finden.“ Seine Tränen siegten. Aber er wollte sich nicht von ihnen überkommen lassen. „Deshalb also“, murrte er und rieb sie sich entschieden weg, erfolglos, da immer neue kamen. „Deshalb hast du wegen Zorro nichts gemacht, oder? Weil du wusstest, dass er das irgendwie hinbekommen würde? Deswegen hast du es mir nicht übelgenommen, dass ich die ganze Zeit mit ihm gestritten habe?“ Ruffy lachte als Antwort nur, doch verstummte, als Nami sie zum Essen rief. Im nächsten Moment sprang er auf und wollte loshechten. „Warte Ruffy!“ Sanji packte ihm am Kragen und zog ihn zurück, nun wieder Herr seiner Gefühle. „Also im Klartext, der Marimo ist in Ordnung?“ Ruffy grinste ihn breit an, während seine Füße weitergingen und sein Körper sich immer länger streckte. „Woher weißt du das?“, hakte Sanji nach. „Woher weiß ich was?“ „Dass es ihm gut geht?“ Nun neigte Ruffy leicht den Kopf. „Na, weil es Zorro ist. Er hatte ganz viel Spaß auf Mary Joa und jetzt wartet er auf uns auf Wa No Kuni, zusammen mit den anderen, so wie er es gesagt hat.“ Einen Moment sahen sie einander nur an, dann ließ Sanji den Kragen seines Kapitäns los und dieser flog wie ein gespanntes Gummiband nach vorne, knallte gegen die Treppe zur Kombüse hoch. „Tut mir leid, dass ich deine Worte angezweifelt habe“, murmelte er leise, dann folgte er mit dem Blick ein paar weißen Wattewolken am Himmel. „Dann sehen wir uns also auf Wa No, du Vollidiot einer Alge. Stell bis dahin nichts Dummes an, hörst du?“ „Sanji, jetzt komm schon!“   Kapitel 49: Kapitel 49 - Dulacre -------------------------------- Kapitel 49 – Dulacre   -Zorro- Über das leise Piepsen in seiner Hand hinweg betrachtete er die ruhige Landschaft, die stetig dunkler wurde. Schließlich wurde abgenommen und für eine Sekunde versagte ihm die Stimme. „Hey“, sprach er dann, klang glücklicherweise so unbeeindruckt wie sonst auch. „Kannst du frei sprechen?“, kam dann auch die übliche Frage. „Ja, kann ich.“ Dann grüßte ihn ein leises Aufatmen. „Wie geht es dir, Lorenor? Ich habe auf deinen Anruf gewartet.“ „Ich bin müde“, antwortete er wahrheitsgemäß und schloss für einen Moment sein schweres Auge. Er war wirklich, wirklich müde und sehnte sich nach seiner Koje, aber wenn er ehrlich war, so hatte er sich tatsächlich noch mehr nach diesem Telefonat gesehnt – außerdem war es nicht so, als hätte er gerade die Kraft, wirklich noch bis zu seiner Koje zu schlurfen; nicht, dass er auch nur den Hauch einer Ahnung hatte, wo die Sunny derzeit war. „Aber ich denke, morgen wird es in allen Zeitungen stehen und daher wollte ich es dir selbst sagen.“ Er rieb sich den Nacken und sah zum Himmel auf, wo sich die ersten Sterne zeigten. „Kaido ist gefallen. Wir haben ihn besiegt.“ Eine Sekunde war es totenstill. Nichts war zu hören außer dem sanften Wind. Dann zerbrach ein zittriges Einatmen die Stille und Zorro ignorierte die glasigen Augen der Teleschnecke. „Du wusstest es also“, schlussfolgerte er aus der ungewohnten Reaktion des anderen, doch die einzige Antwort, die er erhielt, waren laute, unstete Atemzüge. So wartete er, wartete im angenehm frischen Nachtwind darauf, dass sich der Atem des anderen wieder beruhigen würde. Es störte ihn nicht, dort zu sitzen und die dunkle Welt zu beobachten. Er wusste nicht, ob er erwartet hatte, dass Dulacre es gewusst hatte, aber es überraschte ihn nicht und so saß er da und wartete. Mit einem lauten Einatmen beendete der andere dann sein Schweigen. „Danke“, entkam es ihm mit kratziger Stimme. „Ich danke dir, Lorenor.“ Zorro ließ das unkommentiert, schüttelte leicht den Kopf über ein leises Schniefen im Hintergrund. Der andere schuldete ihm keine Dankbarkeit. „Warum hast du es nicht selbst getan?“, fragte er stattdessen und ignorierte weiterhin die Geräusche von der anderen Seite der Leitung. „Warum hast du ihn nicht selbst angegriffen?“ „Weil ich ihr vor langer Zeit versprechen musste, nie Rache zu üben, falls jemand sie töten sollte“, antwortete Dulacre mit brüchiger Stimme, die Zorro an die Zeit erinnerte, als der andere im Krankenzimmer der Thousand Sunny zu Gast gewesen war, „und dieses Versprechen war alles, was mir von ihr geblieben war. Ein totes Schwert und ein totes Versprechen waren alles, was sie mir in ihrem Tod hinterließ.“ Zorro betrachtete den Horizont im schwindenden Licht, doch der Mond war bereits aufgegangen. „Und warum hast du es mir nicht gesagt?“ „Weil ich dich weder beeinflussen noch meine Rache durch dich ausüben wollte.“ Wieder schwiegen sie für eine ganze Weile. „Wie geht es dir?“, fragte Zorro dann. „Hältst du dich auch gut an Choppers Ernährungsplan?“ Ein kratziges Lachen ertönte. „Ach, Lorenor. Ihr habt gerade einen der vier Kaiser gestürzt und du fragst mich nach meinem Speiseplan?“ „Na, eigentlich haben wir zwei gestürzt, aber wer zählt schon mit.“ „Tatsächlich? Oh, ich kann es kaum erwarten, morgen früh die Zeitung zu lesen.“ Nun zierte die Teleschnecke ein Grinsen, wie Zorro es mochte. „Einen Wermutstropfen habe ich allerdings doch“, murrte er nun und betrachtete seine geschundenen Unterarme seines noch geschundeneren Körpers. „Ich glaube, ich habe mich etwas überschätzt. Ich werde doch etwas länger brauchen, ehe ich dich besiegen kann.“ Er mochte nicht, dass der andere darauf nicht antwortete. Zorro wollte ihn nicht enttäuschen, keine Zeitverschwendung sein, aber der vergangene Kampf hatte ihm seine Schwächen aufgezeigt und Zorro wusste, dass er noch nicht bereit war, dass er noch mehr Zeit brauchte, mehr, als er zuvor erwartet hatte, jetzt, da er die Wahrheit gesehen hatte. „Und diese Erkenntnis zeigt mir, dass du mir langsam gefährlich nahekommst.“ Eine Gänsehaut glitt über seinen Rücken. „Was?“ „Oh ja, du weißt nun, wie wir Monster kämpfen und erkennst deine Verfehlungen. Du hast den Abgrund gesehen, nicht wahr? Oh, endlich! Endlich bist du in der Lage, dein eigenes Können auf höchstem Niveau abzuschätzen und mein Können zu erfassen.“ Der andere flüsterte beinahe und Zorro spürte, wie sein Körper bebte. „Du weißt wirklich immer, wie du mich aufmuntern kannst. Ach, ich bin ganz aufgeregt. Wie müde bist du? Hast du noch die Energie, mir von deinem Kampf zu erzählen?“ Die Frage überraschte Zorro, denn jegliche Müdigkeit und Erschöpfung, die bis vor Minuten noch in seinen Knochen gesteckt hatte, war verschwunden und bevor er überhaupt wusste, was geschah, stolperte er beinahe über seine eigenen Worte, als sie nur so aus ihm heraussprudelten. Dulacre war die eine Person, mit der er über diesen Kampf hatte reden wollen. Als hätte er nur darauf gehofft, dass der andere ihn fragen würde. Wie so oft schwieg Dulacre die meiste Zeit und hörte ihm zu, stellte interessierte Fragen und ermutigte Zorros Schilderung mit wortlosen Lauten der Zustimmung oder des Erstaunens. Dann unterbrach Zorro sich selbst. „Du wusstest es, oder?“ Doch dieses Mal war es eine Frage. „Dass ich es habe?“ „Du bist ein Lorenor, Thronfolger Alciels, und stellst mir ernsthaft diese Frage?“ Zorro würdigte diesen unnötigen Kommentar nicht mal einer Antwort, sondern zog nur eine Augenbraue hoch. „Natürlich wusste ich, dass du die Veranlagung des Königs in dir trägst.“ „Warum hast du es mir nicht gesagt?“, wiederholte er auch diese Frage. „Ich hatte dir doch gesagt, dass ich…“ „Du warst noch nicht bereit. Außerdem wollte ich dich nicht dieser Erfahrung berauben. Als Lehrmeister musste ich einen schmalen Grat gehen, dir das zu erklären, was du nicht wusstest, ohne dir die Möglichkeit zu nehmen, etwas selbst zu erfassen und zu begreifen. Je mehr ich dir erkläre, desto mehr nehme ich dir vorweg und desto geringer ist der Lerneffekt und dein Wachstum. Deshalb habe ich entschieden, dir nichts zu verraten, solange du es noch nicht aktiviert hattest.“ Leise schnaubend rieb Zorro sich den Nacken. „Das war also die eine Sache, die du mir nicht beibringen konntest.“ „Exakt.“ Tief aufatmend ließ er sich an der Reling hinabgleiten. „Du bist so ein Mistkerl, weißt du das?!“ „Nah, damit kann ich leben, schließlich bin ich dein Mistkerl.“ „Lass so einen kitschigen Mist“, murrte er. „Ach, das ist bereits kitschig für dich?“, entgegnete der andere mit einem herablassenden Unterton, während die kleine Teleschnecke leicht rosa wurde. „Sag mal“, murmelte Zorro dann und entschied, das Thema zu wechseln, „jetzt bist du dran mit erzählen.“ „Nein, warte“, widersprach der andere, „wir waren noch nicht fertig. Du…“ „Ich habe genug für heute geredet“, hakte Zorro direkt ein und konnte ein leises Gähnen nicht verhindern. „Den Rest kann ich dir später erzählen. Aber was ist mit dir? Du wurdest angegriffen.“ „Ach, dieses kleine Intermezzo kann man doch keinen Angriff nennen. Nicht mal den Strand haben sie erreicht“, seufzte der andere und klang so überheblich, wie Zorro ihn kannte. „Es war eine kurze Ablenkung, gewiss, aber überaus langweilig. Nicht genug, um…“ „Hey, Falkenauge! Wo bleibst du denn?!“ Eine laute, leicht lallende Stimme unterbrach den ehemaligen Samurai und fast zeitgleich stöhnte ebendieser entnervt auf. „Merkst du nicht, dass du störst? Ich telefoniere gerade“, fauchte Dulacre in einem so zickigen Unterton, wie Zorro ihn selten gehört hatte. „Oh! Sag bloß! Ist das etwa… ist das etwa Lorenor?!!!“ Zorro mochte gar nicht, in was für einem Singsang sein Name fiel und er entschied, für den Moment den Mund zu halten und diese Vermutung nicht zu bestätigen. „Du störst und bist betrunken. Verschwinde, Rothaar! Ich habe dir gesagt, du sollst es unterlassen, meine Privatsphäre zu stören.“ „Aber du warst heute total doof und hast viel zu früh aufgehört!“ „Lass mich los!“ Es hörte sich nach einem halbernsten Handgemenge an, wobei Dulacre schon ziemlich angepisst klang. „Ich habe dir gesagt, dass ich auf einen Anruf warte! Außerdem werde ich nicht mit dir kämpfen, solange dein Alkoholpegel Beckmans IQ übersteigt.“ „Ich habe meinen Namen gehört“, ertönte nun eine weitere, deutlich tiefere Stimme. „Beckman, endlich! Entferne deinen Kapitän aus meinen privaten Räumlichkeiten. Tze, Piratenpack.“ „Bist du nicht selbst ein Pirat, Mihawk?“ „Jetzt verschwindet einfach! Und Rothaar, denk dran, pünktlich bei Sonnenaufgang, komm nicht zu spät oder ich versenke dein Schiff.“ Die tiefe Stimme lachte leise, während der rote Shanks etwas Unverständliches vor sich hin nuschelte. „Ich denke nicht, dass er es pünktlich schaffen wird, und du warst doch eh nie der Frühaufsteher. Fangt nach dem Mittagessen an, dann wird er auch nicht mehr ganz so verkatert sein.“ „Was auch immer, nicht mein Problem, wenn dieser Narr seine eigenen Grenzen nicht kennt.“ „Gute Nacht!“ „Verschwindet! Argh!“ Laut stöhnte Dulacre auf und Zorro kämpfte immer noch damit, nicht laut loszulachen. „Du… du hast Besuch?“, fragte er und es kostete all seine Willenskraft, seine Stimme unter Kontrolle zu halten. „Und habe ich das richtig gehört? Ihr kämpft miteinander?“ Erneut seufzte Dulacre auf und Zorro konnte sich bildlich vorstellen, wie er sich die Haare raufte. „Was habe ich mir da nur ins Haus geholt?“, fluchte er leise. „Ich dachte ja, nach deiner Crew könnte ich so einiges aushalten, aber das… Ach, was tue ich mir hier nur an?“ Dulacre tat Zorro beinahe leid, aber er war viel zu neugierig, um auf das Klagen des anderen eingehen zu können. „Noch einmal, ihr kämpft miteinander?“ „Wenn er sich nicht gerade betrinkt oder seinen Kater ausschläft“, knurrte der andere offensichtlich entnervt. „Dieser Trunkenbold scheint auch gerne zu vergessen, dass selbst er älter wird. Aber er trinkt immer noch in rauen Mengen, könnte selbst dir Konkurrenz machen.“ „Du warst nie dabei, wenn ich ernst mache“, entgegnete Zorro mit einem leisen Grinsen, woraufhin der andere nur verächtlich schnaubte. „Sich betrinken ist kein Wettkampf, Lorenor.“ „Aber wenn, würde ich gewinnen.“ „Unverbesserlich.“ „Du weichst mir aus“, ließ er sich nicht ablenken. „Shanks ist auf Kuraigana? Seit wann? Warum? Was ist auf deiner Seite los?“ „Stur wie eh und je“, murrte Dulacre, aber er klang nicht mehr ganz so schroff wie vor wenigen Sekunden, sondern etwas versöhnlicher. „Es ist eigentlich deine Schuld.“ Zorro hob nur eine Augenbraue an und würde sich diesen Schuh ganz gewiss nicht anziehen. „Du hast mich inspiriert, meine Entscheidungen der Vergangenheit zu überdenken und daher habe ich entschieden, etwas zu verändern.“ Er klang überraschend sanft, nicht halb so hochmütig wie er normalerweise klang, wenn er Zorro von seinen verworrenen Gedanken erzählte. „Weißt du, ich war immer etwas neidisch auf dich, Lorenor.“ Diese Aussage überraschte Zorro nun deutlich mehr als der unerwartete Zwischenruf des roten Shanks. „Ich fand uns immer etwas gegensätzlich. Als Mihawk besitze ich nicht nur erstklassiges Talent, sondern wurde auch von den Besten der Besten unter bestmöglichen Bedingungen ausgebildet. Du hingegen, talentiert natürlich, aber vielleicht noch nicht mal das Ausnahmetalent schlechthin, unter zweitklassigen Lehrmeistern, drittklassigen Bedingungen, man sollte meinen, du würdest Jahrzehnte brauchen, um auch nur annähernd mein Niveau zu erreichen.“ Zorro rollte innerlich sein Auge, da war sie wieder, die Dulacre‘sche Selbstbeweihräucherung, die er für einen Moment beinahe vermisst hatte. „Dennoch hattest du immer etwas, was mir gefehlt hat. Diesen verbissenen Ehrgeiz konnte ich lange nicht nachvollziehen, weil ich mich nie dafür hatte einsetzen müssen, den Schwertkampf lernen zu dürfen, so wie du. Es wurde meiner Familie entsprechend sogar von mir erwartet und ich war gut, daher… Aber ich habe mich gefragt, wie gut könnte ich wohl sein, wenn ich auch nur einen Funken deines Ehrgeizes besitzen würde. Weder du noch ich werden je die Perfektion erreichen, die ich erstrebe, aber ich frage mich, wie nahe ich ihr kommen kann, wenn ich beginnen würde, Einsatz zu zeigen, so wie du es stets getan hast.“ „Du hast entschieden, zu trainieren?“ „Nun ja, Trockenübungen langweilen mich immer noch viel zu sehr, daran hat sich nichts geändert, aber ja, ich habe entschieden, dass ich meine Grenzen noch lange nicht erreicht habe, dass es mir nicht mehr reicht, einfach nur der beste Schwertkämpfer der Welt zu sein. Diesen Titel habe ich schon vor langer Zeit erlangt und es ist für mich an der Zeit, mir ein neues Ziel zu setzen, wonach ich mich strecken kann. An anderen messen war für mich seit jeher belanglos – weil ich so oder so besser bin – aber ich möchte sehen, wie weit ich kommen kann und das, mein lieber Sozius, motiviert mich tatsächlich sehr. Es ist lange her, dass ich meine letzten Grenzen überwunden habe und ich bin gespannt, ob ich das noch einmal kann.“ Erneut spürte Zorro eine Gänsehaut über seine einbandagierten Unterarme kribbeln. Der andere mochte es nicht einen Traum nennen, aber es war dem doch ganz ähnlich. Vielleicht konnte er wirklich nicht das erreichen, was er sich ersehnte, aber wer wusste das schon… „Du willst also stärker werden?“, fragte er. „Oder willst du noch mehr?“ „Ah, gut erkannt, Lorenor“, feixte der andere. „Ganz recht, Stärke allein wäre ein viel zu eintöniges Ziel für mich. Nein, ich habe damals nach einer langen Zeit des Versagens aufgegeben. Aber damals war ich jung und unerfahren, nicht gewohnt, Dinge nicht auf Anhieb zu können, und frustriert. Aber du hast mich inspiriert, Stunden voller sinnlosem Fleiß, fruchtlose Trainingseinheiten, wer weiß was ich schaffen kann, wenn ich bereit bin, mich diesen Herausforderungen stoisch zu stellen.“ „Du willst deine Kontrolle wiedererlangen“, flüsterte Zorro atemlos. „Du solltest dich wahrlich beeilen, Lorenor. Je länger du brauchst, desto mehr Zeit habe ich, dieser Perfektion nahe zu kommen und auch, wenn Rothaar ein Nagel zu meinem Sarg ist, so ist er doch der beste Trainingspartner, den ich derzeit haben kann. Er liebt den Kampf, ähnlich wie du, und er ist nervig penetrant wie dein Kapitän, und er war hocherfreut, als ich ihm sagte, dass er mir helfen muss, meine fehlende Motivation und mangelnde Disziplin zu überwinden. Also beeil dich, denn ich habe vor, besser zu werden, als ich je war.“ „Du Arsch“, murmelte Zorro und konnte ein Grinsen nicht verhindern, während sein noch erschöpfter Körper sich bereits wieder nach einem Kampf sehnte, nach diesem Kampf sehnte, seine Gier war erwacht, „du verdammter Mistkerl.“ Leise lachte der andere auf. „Du solltest dich geehrt fühlen, Lorenor. Ich habe mich noch nie auf einen Gegner vorbereitet und war noch nie gewillt, für einen Kampf zu trainieren. Aber Rothaar wird mir helfen, Grenzen zu überwinden, die noch nie jemand überwunden hat, also denk ja nicht, dass dein kleines Scharmützel gegen Kaido auch nur annähernd mit dem mithalten kann, was dich erwarten wird.“ „Ach, du Scheiße“, flüsterte Zorro, als ihm bewusst wurde, was das bedeutete und wie die Gier in ihm wuchs, während seine geschundenen Knochen sich beschwerten. Er wollte so sehr kämpfen. „Du machst es echt spannend.“ „Ich will dir ein würdiger Gegner sein, Lorenor, mehr als nur einmal. Auch ich will tausendmal gegen dich kämpfen, aber ich habe nicht vor, tausendmal zu verlieren, also muss ich einen Weg finden, dich zu besiegen, ohne dich zu töten.“ Zorro konnte ein gespielt entrüstetes Schnauben nicht verhindern. „Dabei hatte ich mich doch so sehr darauf gefreut, zu sehen, was passiert, wenn du deine Kontrolle verlierst und deine ganze, uneingeschränkte Macht zeigst.“ „Du missverstehst, Lorenor, wenn ich meine Kontrolle wiedererlangen sollte, müsste ich auch in der Lage sein, sie jederzeit aufgeben zu können, ohne Gefahr zu laufen, mich zu verlieren. Ich werde dir also jedes einzelne Mal meine ganze Kraft darbieten können.“ Da war wieder diese Spannung zwischen ihnen, die Zorro so mochte, auch wenn er wusste, dass er sie derzeit nicht würde lösen können – nicht, dass sein Körper das gerade mitmachen würde – aber er konnte es kaum erwarten. Er fragte sich, was genau im Kopf des anderen abging, dass er sich nach über 15 Jahren entschieden hatte, doch wieder mit Shanks zu kämpfen, zu trainieren, um sich auf Zorro vorzubereiten, um noch mehr zu werden, als er doch bereits schon war. „Du verstehst es jetzt“, flüsterte er, „du verstehst jetzt, warum ich nicht aufhören kann, zu trainieren.“ „Ja, das tue ich, Lorenor“, bestätigte Dulacre beinahe flüsternd. „Du hast es in mir erweckt, meinen Ehrgeiz, so wie du damals Jiroushins Kampfeslust erweckt hast. Also mach dich bereit; denn wer Wind sät, wird Sturm ernten.“ „Glaubst du wirklich, so ein schlechtes Sprichwort würde mich beeindrucken? Wenn überhaupt bin ich jetzt nur noch mehr motiviert, denn ich habe dir fünfzehn Jahre verbissenen Ehrgeiz voraus.“ Der andere lachte leise. „Wie dem auch sei, heute solltest du nicht mehr trainieren. Du solltest dich etwas ausruhen und danach würde ich mich über einen Anruf freuen, um den Rest deines Abenteuers zu hören.“ In der Sekunde, als Dulacre es erwähnte, merkte Zorro wieder, wie erschöpft er wirklich war. „In Ordnung“, murmelte er, „aber du kannst auch einfach anrufen, wenn du willst. Ich befürchte, dass ich sonst wieder Tage durchschlafen werde, so müde, wie ich gerade bin.“   Er betrachtete die Welt um sich herum im kalten Licht des Mondes. Obwohl Dulacre ihn aufgefordert hatte, endlich ins Bett zu gehen, hatten sie sich doch noch über dies und jenes unterhalten – und Zorro hatte sich bereits vorgenommen beim nächsten Gespräch noch mehr über das Training des anderen mit Shanks zu erfahren, er war wirklich neugierig – und nun konnte er seinen geschundenen Körper nicht überzeugen, sich aufzuraffen und ins Bett zu gehen. Vielleicht sollte er einfach hier schlafen, aber so müde er war, schlafen konnte er nicht. In ihm brodelten die Gefühle, die Erwartung, die Dulacre in ihm geweckt hatte, die Neugierde, aber auch das Wissen, dass er noch lange nicht da war, wo er sein musste, wo er sein wollte. Vielleicht war er naiv gewesen, aber er hatte schon gehofft, gegen Kaido doch etwas mehr ausrichten zu können, und Dulacre würde er sich ganz alleine stellen. Es war noch ein langer Weg und so sehr es Dulacre nach diesem Kampf gierte, so sehr gierte es auch Zorro danach, wenn nicht, dann sogar noch mehr. Sich durchs Gesicht reibend, lehnte er sich gegen das harte Holz in seinem Rücken, doch die Bilder des vergangenen Kampfes, Dulacres Stimme der vergangenen Stunden, all das füllte seine Gedanken und er konnte das Hamsterrad in seinem Kopf nicht anhalten. „Hey, war das Falki?“ Plötzlich blieb es stehen. „Mhm…“ „Cool, wie geht es ihm? Hab lange nichts mehr von ihm gehört.“ „Er trainiert“, bemerkte Zorro, während der andere sich neben ihn warf, aber etwas vorsichtiger als für gewöhnlich, „mit Shanks.“ „Oh, ist das gut oder schlecht?“ Grinsend zuckte Zorro mit den Schultern. „Ich werde noch mehr trainieren müssen, noch viel mehr.“ „Shishishi, das klingt doch sehr gut.“ „Mhm…“ Zorro seufzte. „Tut mir leid, dass ich die letzte Zeit so kompliziert gemacht habe, Käpt’n.“ „Wovon redest du?“, fragte Ruffy und sah ihn mit hochgezogener Augenbraue und unschuldigem Blick an. „Es war doch alles so wie immer.“ Schmunzelnd schüttelte Zorro den Kopf und genoss die körperliche Nähe Ruffys, der seinen Kopf auf Zorros Schulter ablegte. Eine ganze Weile saßen sie da und schwiegen einfach nur. Zorro mochte die angenehme Atmosphäre, mochte das Schweigen. Mit Ruffy war es genau andersherum als mit Dulacre. Während es ihm leichtfiel, mit Dulacre zu sprechen, und die Unterhaltungen auch mochte, brauchte er keine Worte mit seinem Kapitän und das fühlte sich ebenso richtig an. „Aber ich war wirklich erleichtert, als ich hörte, dass du Wa No Kuni erreicht hattest“, murmelte Ruffy und Zorro sah überrascht zu ihm hinab. „Ich wusste natürlich, dass du alles packen kannst und deinen Spaß haben wolltest, aber Robin hat ja gesagt, dass es nicht wirklich ums Kämpfen geht und… und ich hatte Sorge, dass du irgendwo hingehen würdest, wo ich dich nicht mehr finden kann.“ Zorro schwieg und sah einfach nur zum Himmel empor. Es war ungewöhnlich für Ruffy, so mit ihm zu reden, und Zorro wusste genau, weshalb er es tat. Anders als bei Dulacre, verstand er Ruffy genau, ohne, dass er dessen Gedanken auch nur ansatzweise in Worte fassen konnte oder musste. „Erinnerst du dich, als wir von den G6-Soldaten angegriffen wurden“, sprach Ruffy so selten ernst und Zorro nickte nur. „Da gab es einen Moment. Du hast mich so seltsam angesehen und ich… Für einen Moment dachte ich, ich würde dich verlieren.“ Zorro erinnerte sich an jenen Moment. Damals hatte er seine eigenen Kräfte noch nicht unter Kontrolle gehabt und war so verzweifelt gewesen, dass er überlegt hatte, sie einzusetzen, obwohl es ihn den Verstand hätte kosten können. Bei seinem Glück hatte Homura ihn jedoch vorher aufgehalten, aber das war der Moment gewesen, in dem Zorro sich verloren hatte, ohne es überhaupt zu wissen. Später hatte Zorro seine Crew und seinen Körper verloren, aber in jenem Moment hatte er einen Teil seiner Selbst verloren, ohne es überhaupt verstanden zu haben. „Aber du hast mich gefunden“, sagte Zorro. „Sowohl auf Sarue als auch auf Wa No Kuni hast du mich wiedergefunden.“ „Ja!“, strahlte Ruffy ihn plötzlich an. „Weil du mich so laut gerufen hast.“ Schweigend schloss Zorro sein Auge und lehnte sich gegen das harte Holz; er war so müde und es war ein schöner Abend. „Zorro?“ „Hmm?“ „Bitte geh nirgendwohin, wo ich dich nicht finden kann.“ Leise lachte er auf und stieß den anderen leicht mit seiner Schulter an. „Keine Sorge, mein Käpt’n, ich habe nicht vor irgendwohin zu gehen. Ich werde dir folgen, solange du willst.“ „Ach, das beruhigt mich, schließlich hast du echt einen schlechten Orientierungssinn.“ „Glashaus, Ruffy, Glashaus.“     Kapitel 50: Extrakapitel ------------------------ Extrakapitel – Zorro und Sanji im Kerker   Nach dem letzten Kapitel des 3. Teils   - Sanji – „Das hast du ja ganz toll hinbekommen! Hervorragend!“ „Gibst du jetzt etwa mir die Schuld?“, knurrte der Marimo nicht minder entnervt. „Du hast doch gesagt, dass ich nicht kämpfen soll!“ „Ja, weil wir mitten in der Stadt waren, du Vollidiot! Was meinst du, wie viele Verletzte es gegeben hätte, wenn du Vollhonk deine Schwerter gezogen hättest?“ „Und dank deines tollen Einfalls habe ich jetzt weder meine Schwerter noch sind wir am Strand, wo wir bei Sonnenaufgang sein müssen.“ Wütend wirbelte Sanji herum und wollte den anderen anschnauzen, dass er sich sehr wohl bewusst war, wo sie in ein paar Stunden zu sein hatten, doch dann sah er das Blut, welches durch die Bauchbinde des anderen sickerte, und entnervt verwarf er den Einwand. „Warum hast du das nicht verhindert?“, murrte er stattdessen nur und nickte zur Wunde. „Ich sagte, du sollst nicht kämpfen, nicht, dass du dich nicht verteidigen darfst.“ „Die Wache war so schwach, dass er sich beim Zustechen den Arm gebrochen hätte, wenn ich Haki angewandt hätte, und wäre ich ihm ausgewichen, hätte ich den Typen umgehauen, der mir die Handschellen anlegen wollte; so war es halt einfacher. Ist nichts zum drüber aufregen, nur ein kleiner Kratzer.“ „Tze.“ Leise vor sich hinfluchend, wandte Sanji sich um und begann durch den dunklen Kerker zu wandern. Die ganze Situation war verfahren und tatsächlich war die Fleischwunde des anderen keine seiner vorrangigen Sorgen, dafür hatte er schon zu viele deutlich schlimmere Verletzungen gesehen, die der andere unbeeindruckt überstanden hatte. Für Zorro war diese Wunde vermutlich wirklich nur ein kleiner Kratzer. Ein viel größeres Problem war, dass sie wohl aufgeflogen waren. Nein, das konnte nicht sein. Hätten die Wachen sie identifiziert, hätten sie Zorro und ihn nicht wie Kleinkriminelle ungefesselt in eine unbewachte Zelle geworfen. Nicht, dass Fesseln oder Ketten irgendeinen Unterschied machen würden, da sie beide sich problemlos befreien konnten. Das Problem war ein gänzlich anderes. „Weder die Mauern noch die Gitterstäbe wirken besonders robust“, murmelte der Marimo hinter ihm über Sanjis Flüche hinweg. „Denk ja nicht dran, Spinatschädel“, fauchte Sanji sofort. „Wir sind direkt unter der Stadt und die Wände sehen alles andere als stabil aus. Wenn wir nur einen Gitterstab zu sehr verbiegen, könnte die ganze Statik nachgeben und die Stadt über uns zusammenbrechen.“ „Meinst du, ich wüsste das nicht?“, entgegnete der andere grob. „Aber wir haben nicht mehr viel Zeit und sobald sie herausfinden, wer wir sind, haben wir ganz andere Probleme.“ Zorros Laune war noch schlechter als sonst und Sanji hatte eh schon das Gefühl, dass sie in seiner Anwesenheit immer ganz besonders schlecht war. Aber natürlich hatten sie beide Ruffys Befehl nicht widersprochen und nun mussten sie nur gucken, dass sie rechtzeitig zum vereinbarten Treffpunkt kommen würden, wo die anderen sie aufsammeln würden. Es war tatsächlich das erste Mal seit gefühlten Ewigkeiten, dass Zorro und er für längere Zeit unter sich waren. Früher war es anders gewesen, damals hatten sie oft mal Zeit für einen kleinen Plausch gehabt, früh am Morgen, nach Zorros Training, während Sanji das Frühstück vorbereitet hatte, oder spät am Abend, wenn Zorro Sanjis Nachtwache übernehmen würde, während er noch die Küche putzte, manchmal sogar, wenn sie zusammen einen Berg an schmutzigem Geschirr zu bewältigen hatten. Zu diesen Zeiten waren sie immer erstaunlich gut miteinander ausgekommen, über Sake, Kaffee oder Spülmittel, und Sanji hatte gedacht, dass sie einander doch ganz gut leiden konnten. Aber das war damals gewesen damals, bevor die Crew getrennt worden war. Seit sie alle wieder zusammengekommen waren, hatten Zorro und er sich oft in den Haaren gelegen und mittlerweile wusste Sanji auch warum, da Zorro irgendwann endlich reinen Tisch gemacht hatte. Danach hatten die Dinge sich etwas überschlagen. Während die anderen sich mit de Flamingo angelegt hatten, war Sanji beinahe zwangsverheiratet worden. Er hatte kaum mitbekommen, wie Zorro die Reverie und Eizens Putschversuch überstanden hatte, schließlich waren sie erst auf Wa No Kuni wieder aufeinandergetroffen und da hatte es wirklich keine Zeit für einen kurzen Plausch gegeben. Nicht, dass auch nur einer von ihnen nach einer Möglichkeit dafür gesucht hatte. Auch danach hatten sich die Ereignisse nicht deutlich beruhigt und so war es gekommen, dass sie nicht mehr wirklich miteinander gesprochen hatten, nicht so wie an jenem Morgen, als Falkenauge die Thousand Sunny verlassen hatte, und Sanji hatte das Gefühl, dass da noch Ungesagtes zwischen ihnen schwebte. Für ihn waren die Dinge zwischen ihnen noch nicht geklärt. Er nahm es Zorro immer noch übel, dass er ihnen damals nicht die Wahrheit gesagt hatte und Sanji für zwei lange Jahre davon hatte ausgehen müssen, dass der andere verstorben war. Auf der anderen Seite war Sanji sich auch sehr bewusst, dass er nicht viel besser gehandelt hatte mit seinen eigenen Geheimnissen und zumindest Zorro hatte ihm nicht einen Vorwurf deswegen gemacht, außer vielleicht die obligatorischen Bemerkungen, die gewohnheitsmäßig Pflicht zwischen ihnen waren. Dennoch war er Sanji gegenüber immer ganz besonders abweisend, deutlich feindlicher gestimmt als früher und das, obwohl Sanji das Recht hatte auf ihn sauer zu sein und nicht umgekehrt. Vielleicht irrte er sich aber auch nur und der Marimo hatte einfach beschissene Laune. Nicht, dass seine besser war. Sie mussten hier rauskommen – und zwar schnell – ohne direkt eine ganze Stadt plattzumachen und dass er gemeinsam mit dem Marimo in einem Kerker gefangen war, weckte bei ihm nicht die besten Erinnerungen. Misstrauisch wandte er sich halb um und bedachte die Wunde des anderen aus dem Augenwinkel, nur um sicherzugehen, dass sie nicht so schlimm sein konnte, wie die Verletzung damals. Er wusste immer noch nicht wirklich, wie es sein konnte, dass Zorro nach jener Verletzung und dem Feuer noch am Leben war, und er fragte sich, ob so etwas nochmal passieren konnte. Aber darauf ankommen lassen wollte er es nicht. Nein, egal wie er es drehte und wendete, sie mussten hier raus, aber Gewalt würde sie vermutlich nicht weit bringen. Sie mussten diese Zelle verlassen, ohne die wacklige Statik des Kerkers noch mehr zu gefährden. Sie brauchten einen Plan. Sanji brauchte einen… „Ich glaube, ich habe einen…“ „Nein!“, knurrte er direkt mit einer verwerfenden Handbewegung. „Koch, was soll der Scheiß? Wir müssen hier raus und ich habe…“ „Ist mir egal was du hast oder nicht. Wir machen es nicht auf deine Weise und damit Basta!“ Nun stieß der andere sich von der Wand ab und kam auf ihn zu. „Was ist dein verdammtes Problem?! Seit wir unterwegs sind, benimmst du dich noch mehr wie ein Arsch als sonst schon, und jetzt machst du hier grundlos so einen…“ „Grundlos?! Grundlos?!“ Er fingerte nach seinen Zigaretten, aber natürlich waren sie ihm abgenommen worden. „Sag bloß, dir kommt die gesamte Situation nicht auch beschissen bekannt vor?“ Die Miene des anderen verriet nichts. „Wovon redest du? Echt, manchmal weiß ich echt nicht, was in deinem Hirn vor sich geht.“ „Das sollte wohl eher ich sagen“, murrte Sanji und verschränkte die Arme in Ermangelung seines notwendigen Nikotins. „Ernsthaft, der Kerker, du und ich, ohne die anderen, du verletzt; klingelt da nichts bei dir?“ Nun rollte der andere mit dem Auge. „Koch, wie lange willst du mir das mit der G6 noch vorwerfen? Ich hab’s dir doch erklärt, es gab damals keine andere…“ „Es ist mir egal, und auch wenn du’s noch hundert Mal sagst. Wir machen es auf meine Art oder wir machen es gar nicht, verstanden?“ Knurrend wie ein wildes Tier, stieß der andere Luft durch die Nasenlöcher aus. „Und was ist dein Plan?“, fragte er dann zwischen zusammengebissenen Zähnen. Da lag das Problem. Sanji hatte keinen Plan. Er konnte sich keinerlei Manipulation ihres Gefängnisses vorstellen, durch die sie nicht die Statik gefährden würden und sie hatten sich nicht extra gefangen nehmen lassen, nur um die Stadt jetzt doch in Schutt und Asche zu legen, wenn sie alles einstürzen lassen würden. Schließlich waren sie nicht Franky, er hätte vielleicht abschätzen können, wie viel diese wackligen Mauern aushalten konnten; für Sanji jedoch grenzte es einfach nur an ein Wunder, dass man die Türen überhaupt öffnen und schließen konnte, ohne dass alles zusammenbrach. „Du hast keinen“, stellte Zorro somit zutreffend fest. Aber Sanji war sich der Verantwortung, die er trug, sehr bewusst. Sie waren auf sich allein gestellt, die ganzen letzten Tage schon waren sie nur auf sich gestellt gewesen, und dieses Mal würde Sanji verhindern, dass Zorro etwas passieren würde. Dieses Mal würde er Zorro beschützen, so wie er ihn die letzten Tage aus Argusaugen beobachtet hatte. Mochte sein, dass der andere sich entwickelt hatte, jetzt auch ab und an mal mit der Sprache rausrückte, wenn es sein musste, sich zumindest diesem verfluchten Falkenauge ab und an anvertraute, aber das alles änderte nichts daran, dass Sanji ihm letzten Endes nicht vertraute. Erst recht jetzt, wenn es nur sie beide waren; er hatte die Sorge, dass wenn er den anderen nur eine Sekunde aus den Augen verlieren würde, dass dann etwas passieren konnte, dass Zorro etwas passieren konnte. Und Sanji konnte es nicht noch einmal; er würde Ruffy nicht noch einmal sagen können, dass sie Zorro verloren hatten, dass sie ihn verloren hatten, nur weil Sanji ihn nicht hatte beschützen können. Er wollte Zorro vertrauen, so wie die anderen es spätestens seit dessen Eingeständnis wieder taten, aber er konnte es nicht und wahrscheinlich lag es daran, dass Zorro ihm auch nicht vertraute. „Okay“, sprach der Marimo nun und er klang ungewöhnlich gesittet, als wenn er ganz deutlich keinen Streit provozieren wollte, „was muss ich tun, damit du dir zumindest meinen Vorschlag anhörst?“ Einen Moment musterten sie einander nur. Das war der Zorro, den Sanji noch am wenigsten kannte, der erwachsene, diplomatische. Es war der Zorro, den Robin wohl schon immer in ihm gesehen und den Falkenauge vermutlich in mühsamer Kleinarbeit ausgegraben hatte. Er kam nur selten zum Vorschein und Sanji musste gestehen, dass es ihn immer etwas irritierte, wenn der andere nicht auf seine Provokation einging, sondern einen Schritt zurückmachte und nach pragmatischen Lösungen suchte. Es passte nicht zu der Art, wie sie sonst miteinander umgingen und es war ungewohnt für Sanji, wenn der andere ihm keine Gegenwehr bot. Gleichzeitig zwang dieses besonnene Verhalten des anderen ihn dazu, ähnlich rational zu agieren, weil sonst er wie der unreife Blödmann daherkommen würde, welcher der Marimo doch eigentlich war. „Ich weiß es nicht“, gestand er dann ein und raufte sich die Haare. „Mann, ich weiß doch auch, dass du nicht absichtlich so bist. Ich weiß doch, dass du auch nicht unbedingt vorhast draufzugehen, aber verdammt nochmal, manchmal würde ich echt gerne wissen, was in deinem verdammten Moosschädel vor sich geht. Ich verstehe dich einfach nicht.“ Der Marimo stöhnte leise auf und schritt zur Wand zurück, wo er sich niederließ und die Unterarme auf den aufgestellten Knien ablegte. „Tja, da kann ich dir auch nicht wirklich helfen, Koch. Ich denke, du musst halt einfach damit klarkommen, dass wir unterschiedlich sind und ich anders ticke als du.“ Er zuckte mit den Schultern und schenkte ihm ein halbes Grinsen. „Aber ich kann dir versichern, dass ich nicht vorhabe, hier draufzugehen.“ Doch Sanji wurde plötzlich bewusst, dass es ihm nicht darum ging, dass er den anderen generell nicht verstand, er wollte nur eine Sache verstehen. Vielleicht… vielleicht wenn er diese eine Sache verstand, vielleicht konnte er Zorro dann auch wieder etwas mehr vertrauen. „Sag mir, warum du damals nicht zurückgekommen bist, und ich höre mir deinen Plan an.“ Verwundert neigte Zorro den Kopf zur Seite, nach einer Sekunde schien er zu erfassen, wovon Sanji sprach. „Koch, jetzt ist echt nicht der richtige Zeitpunkt für sowas und wir haben das damals doch zur Genüge…“ „Haben wir nicht“, unterbrach er den anderen, allerdings sachlich, ohne jede Angriffslust. „Ich weiß, dass du damals nicht die ganze Wahrheit gesagt hast. Du hast zwar gesagt, dass es daran lag, weil du zu schwach warst und dich noch nicht in deinen echten Körper zurückverwandeln konntest, aber ich erinnere mich noch daran was Falkenauge gesagt hat - die Sache mit dem Stein und dem Fenster – und ich habe es zwar damals gut sein lassen, weil wir wirklich genug andere Probleme wegen dir an der Backe hatten, aber ich habe es nicht vergessen.“ Es machte ihm beinahe Angst, wie ausdruckslos Zorro ihn gerade anstarrte, von seinem halben Grinsen war nichts mehr geblieben. „Du hast zwar damals gesagt, dass du keinen guten Grund hattest, aber das glaube ich dir nicht; irgendeinen Grund muss es gegeben haben und den will ich wissen, selbst wenn er beschissen sein sollte. Also? Was ist der wahre Grund, warum du damals nicht zurückgekommen bist und uns noch nicht mal die Wahrheit gesagt hast?“ Eine Sekunde lang hallten diese Worte zwischen ihnen in dieser dreckigen Zelle, wie damals, vor so langer Zeit. „Es lag an dir.“ Eine Gänsehaut glitt Sanji über den Körper, als hätte er diese Antwort schon fast erwartet. „Du warst der Grund, warum ich damals weder zurückgekommen bin noch euch die Wahrheit gesagt habe.“ Unter anderen Umständen hätte Sanji mit einem giftigen Kommentar reagiert, um zu überspielen, wie sehr ihn diese Anschuldigung verletzte, aber so wie Zorro zu ihm aufsah, so wie er klang, wie er es gesagt hatte, war es ganz deutlich, dass er Sanji nicht einfach irgendetwas an den Kopf warf, sondern dass es die Wahrheit war; eine Wahrheit, die Zorro vielleicht sogar lieber verschwiegen hätte. Schwer schluckend wandte Sanji den Blick ab und nickte. Er hatte es ja auch unbedingt wissen wollen, selbst schuld. „Okay“, murmelte er und biss sich auf die Unterlippe, stemmte die Hände gegen die Hüfte und versuchte, diese Aussage erst einmal einfach zu akzeptieren. „Warum? Was habe ich getan? Weil ich Falkenauge angegriffen habe?“ „Was? Nein, das war zwar dumm, aber… was auch immer…“ Leise seufzte der andere und Sanji sah ihn wieder an. Zorro betrachtete seine gefalteten Hände und so wie er da saß, auf dem Boden, den Kopf gesenkt im dämmrigen Licht, ohne diesen genervten Gesichtsausdruck, ohne dieses kampfeslustige Grinsen, wirkte er nachdenklich und deutlich verletzlicher, als Sanji sich eingestehen wollte. Du denkst, ich hatte es leicht? Er musste an ihren Streit denken, damals im Ausguck und wie unglaublich wütend sie beide damals gewesen waren, wie unglaublich verletzend und unglaublich verletzt. Sanji hatte damals nur sehen können, was sie alle durchgemacht hatten, weil Zorro nicht dagewesen war, sie im Stich gelassen hatte, aber er hatte nie wirklich darüber nachgedacht, was es wohl für Zorro bedeutet haben musste, wie diese Zeit für ihn wohl gewesen war, wie es für ihn wohl gewesen war von ihrer Niederlage auf dem Sabaody Archipel in der Zeitung zu lesen, unwissend, ob sie überlebt haben könnten. Noch immer tat Sanji sich schwer zu akzeptieren, dass Zorro und Lady Loreen ein und dieselbe Person sein sollten – was auch daran lag, weil dieses Thema seitdem gerade vom Marimo selbst gemieden wurde und Sanji es deshalb nur zu gerne verdrängte – und vielleicht hatte er deshalb nie darüber nachgedacht, was Zorro in diesem einen Monat, nachdem er gerade irgendwie den traumatischen Sturz der G6 überlebt hatte und von ihnen allen getrennt gewesen war, auch noch in einen fremden Körper gefangen auf die Hilfe seines größten Rivalen angewiesen, wohl hatte durchmachen müssen. „Du hattest vor zurückzukommen, oder?“, fragte Sanji in die Stille. „Deshalb warst du damals auf Sarue, weil du zurückkommen wolltest.“ „Natürlich!“ Zorros tiefe Stimme bebte in den Wänden nach und er ballte seine Hände zu Fäusten. „Natürlich wollte ich zurück!“ Dann lehnte er mit geschlossenem Auge den Kopf in den Nacken und seufzte erneut. „Ach, was soll’s? Ja, ich wollte natürlich zurück, aber das ist nur die halbe Wahrheit.“ Erneut seufzte er und für einen Moment sagte er gar nichts, als würde er nach den Worten suchen, die Sanji von ihm erfragte, dann zuckte er leicht mit den Schultern. „Ich hatte zwar von Anfang an vor zurückzukehren, aber ich hatte auch echt Schiss davor, wie ihr reagieren würdet. Lady Loreen ist… ich habe mich nie wirklich mit diesem Körper angefreundet, und damals erst recht nicht. Dulacre mag irgendeinen Sinn darin sehen, für mich ist es nur nervig und ich habe auch keinen Bock nach einem tieferen Sinn zu graben. Aber deswegen… war es echt nicht einfach. Ich dachte, dass ihr… dass ihr mich so nicht mehr gebrauchen könntet, mich nicht mehr dabei haben wollen würdet, und ich…“ Ein kalter Schauer lief Sanji über den Rücken, während der andere abbrach und er erst jetzt auch nur annähernd erkannte, was Zorro wohl gedacht und gefühlt haben musste, damals auf Sarue, damals, als sie sich auf dem Sabaody Archipel wiedergesehen hatten und damals, als er entschieden hatte, sie endlich einzuweihen. „Aber natürlich wollte ich zurück und natürlich weiß ich, wie schwachsinnig diese Zweifel waren. Ich weiß doch, dass keiner von euch so tickt. Doch selbst wenn, nichts davon hätte mich davon abhalten können zurückzukommen.“ Nun klang er wieder mehr so wie Sanji ihn kannte. „Selbst das Risiko, dass ich vielleicht nie mehr meinen ursprünglichen Körper zurückerhalten würde, wenn ich zu euch zurückkehren würde, war mir egal gewesen.“ Sanji sah den anderen an. „Wa..was? Was meinst du damit?“ Zorro zuckte nur mit den Schultern. „Es ist etwas zu kompliziert, um es zu erklären – um ehrlich zu sein, verstehe ich es selbst nicht ganz – aber wäre ich damals auf Sarue wieder zurückgekommen, dann hätte ich mich vielleicht nie mehr zurückverwandeln können, weil ihr noch nicht stark genug wart, um mich zu beschützen.“ Kurz rieb Zorro sich den Nacken, aber bevor Sanji auch nur über diese Bombe nachdenken konnte, sprach er schon weiter: „Aber auch das war mir egal, das kannst du mir glauben. Ich… Ich wollte so sehr zurück, dass ich alles in Kauf genommen hätte, um wieder mit an Bord zu können.“ Dieses Geständnis machte es beinahe noch schwerer für Sanji. Selten sprach Zorro so… einfach so, wie er es gerade tat, benannte so schonungslos direkt seine Gedanken und Emotionen, wie er immer schonungslos direkt war. Sanji hätte nie gedacht, dass Zorro so deutlich sagen würde, wie wichtig ihm die Crew war und wie sehr er hatte zurückkommen wollen. Jetzt tat seine Anschuldigung von vorher, die nicht mal als Anschuldigung gemeint war, noch mehr weh. „Und… und dennoch bist du nicht zurückgekommen… wegen mir?“ Zorro nickte sachte. „Warum? Was habe ich getan?! Wenn… wenn du doch so entschlossen warst – sogar deinen eigenen Körper aufgegeben wolltest - wie konnte ich dann in der Lage sein… was habe ich getan?“ Und dann verstand er. „Warte! Du sagtest, weil wir nicht stark genug gewesen wären, um dich zu beschützen. Ist das der Grund? Weil ich damals zu langsam war? Weil du eingreifen musstest, um Ruffy zu retten? Weil ich versagt hatte?“ „Was? Nein.“ Der andere schüttelte den Kopf. „Hör mal, Koch. Das damals, dass ich dir den Schutz der Crew aufgebürdet und dir das im Nachhinein vorgehalten habe, das war nicht fair von mir. Ich hätte dir das nicht sagen…“ „Was war es dann?“, unterbrach Sanji ihn ungehalten. Es war ihm ziemlich egal, was der andere ihm gesagt und besser nicht gesagt hätte. Er wollte wissen was er getan hatte, was er getan haben könnte. Was könnte Sanji schon getan haben, um den unbeugsamen Willen ihres Schwertkämpfers zu beugen? Dazu war er doch gar nicht in der Lage. Dazu war niemand in der Lage. Für gefühlte Minuten starrte Zorro nur seine Fingerknöchel an, doch dann begegnete er endlich Sanjis Blick, so wie er ihm nie auswich. „Es lag daran, wie du mich angesehen hast.“ Verwirrt machte Sanji einen Schritt zurück. Damit hatte er nicht gerechnet, er hatte mit allem gerechnet, aber nicht damit. Er hatte mit einem weltbewegenden Geständnis gerechnet, mit einem Vorwurf, der seine Welt bis in die Tiefen erschüttert hätte, doch nicht mit so etwas… Lächerlichem. Er hatte keine Ahnung, wovon der andere sprach. Wann sollte er ihn wie angesehen haben? „Wa… was?“ Der andere musste ihn doch verarschen! Dennoch Zorro nickte nur und sein Blick war bitterernst, sein Mund nur eine dünne Linie und seine Schultern waren so angespannt wie selten, wenn sie miteinander stritten und gerade wollten sie ja noch nicht mal miteinander streiten. Er wirkte nicht so, als ob er Sanji zum Narren halten wollte. „Als ich deinen Angriff unterbrach und… du auf dem Boden lagst, da hast du…, ach verdammte Scheiße.“ Laut stöhnte der andere auf und rieb sich durchs Gesicht, schien sich zusammenzureißen. „Du hast mich angesehen, wie Ruffy ein Stück Fleisch ansieht und das… das war mehr als beschissen, Koch.“ Sanji erinnerte sich an jenen Moment. Er wusste noch genau, wie Lady Loreen – Zorro! - ihn zurückgeworfen hatte. Hart war er auf den Planken der Thousand Sunny aufgeschlagen, diese zierliche Person über sich, und dann hatte Sanji diesen wilden Blick und dieses wunderschöne Gesicht… „Was redest du da?“, murrte Sanji und verschränkte abwehrend die Arme. „Ich meine, ich wusste nicht, dass du es warst, aber ich war einfach nur überwältigt von ih… deiner Schönheit – Uah, dass ich so etwas mal sagen würde - und ich…“ „Aber das ist es doch, Koch“, entgegnete Zorro, klang dabei sowohl entnervt als auch leicht frustriert. „Du hast mich angegafft wie ein Stück Fleisch, wie irgendetwas – keine Ahnung – du hast mich angegafft, anstatt mich anzusehen.“ „Hä?“ Sanji verstand kein Wort. Zorro seufzte. „Als ich angriff, hast du nicht mich gesehen, einen Angreifer, einen Gegner, einen Menschen. Alles was du gesehen hast, war, dass ich… hübsch war, dass ich eine Frau war. Du hast nicht mich als Mensch gesehen, sondern nur als eine Frau, die du begehrenswert findest, so wie Ruffy ein Stück Fleisch begehrenswert findet.“ Sanji versuchte zu begreifen, aber er verstand kein Wort. „Also erstens“, murrte er auch dementsprechend unzufrieden, weil er sich nicht irgendwelche haltlosen Vorwürfe lassen machen würde. Er konnte hinnehmen, dass er vielleicht eine Mitschuld daran trug, dass Zorro ihnen nicht die Wahrheit gesagt hatte, weil er vielleicht auch nicht immer besonders sensibel reagiert hatte, aber er würde sich nicht für dumm verkaufen lassen. Sollte Zorro sich doch eine bessere Ausrede einfallen lassen, als dass Sanjis Blick ihn verunsichert hätte. „Ich wusste nicht, dass du das warst, sonst hätte ich nie so etwas gesagt. Zweitens, ich gaffe nicht wie Ruffy vor einem Stück Fleisch, ich erfreue mich lediglich an der Schönheit des zarten Geschlechts und…“ „Koch“, stöhnte der andere auf, „du magst es anders nennen, aber es ist das Gleiche und es ist mir egal wie du es nennst, ich fand es beschissen unangenehm und ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendwer es angenehm findet.“ Sanji wollte etwas erwidern, aber Zorro sprach weiter: „Echt mal, mir gingen an diesem Tag ein paar echt heftige Gedanken durch den Kopf und ich hatte wichtige Dinge mit euch zu besprechen. Ich habe dich in jenem Moment vor Dulacre gerettet und war gedanklich kurz davor, euch die Wahrheit zu sagen, musste euch überzeugen, dass ich nicht gestorben war, obwohl genau das passiert war und ihr das alles gesehen habt. All das ging in mir vor. Aber all das, worauf du geachtet hast, war mein Aussehen. Ich war an jenem Tag nicht da, damit du dich an der Schönheit des zarten Geschlechts erfreuen konntest, aber das war dir so wichtig, dass es dir egal war, warum ich an jenem Tag da war, warum ich dich aufgehalten habe. Dir war sogar egal, was ich dir gesagt habe. Du hast mich überhaupt nicht wahrgenommen, du hast nur meinen Körper gesehen, und ja, das hat mich irgendwie verunsichert. Nein, wenn ich ehrlich bin, nicht nur verunsichert; dieser Blick von dir hat mir richtig Schiss eingejagt.“ „Wa… was?“ Zorro war niemand, der sich verunsichern ließ, der vor irgendetwas Schiss bekam. Nein, das hier musste die dümmste Ausrede sein, die der andere sich je hatte einfallen lassen. Sanji hatte keine Ahnung, wovon Zorro redete, was es mit diesem Blick auf sich haben sollte, warum der andere da so viel hineininterpretierte, obwohl es nicht viel mehr als das gewesen war, ein Blick. Es war das Dümmste, das Lächerlichste, was Sanji je gehört hatte. Aber genau, weil es so lächerlich war, so dumm war, weil es überhaupt nicht zu Zorro passen wollte, genau deshalb hatte Sanji das Gefühl, dass er es ernst nehmen musste. Nur so konnten sie endlich aufarbeiten, was damals passiert war, was damals zwischen ihnen zerbrochen war. „Koch“, murrte der Marimo nun und seufzte erneut. „Denk doch mal einen Moment nach. Wenn ich dich angreifen würde, hier und jetzt, du würdest mir aber so was von deinen Absatz ins Gesicht drücken. Aber als ich dich als Lady Loreen angegriffen habe, warst du wie weggetreten. Selbst, wenn du wüsstest, dass ich es bin, würdest du dich wehren? Würdest du dich ablenken lassen, wenn mir aus Versehen die Brust aus dem Hemd rutscht?“ Sanji konnte nicht verhindern, dass er alleine bei der Vorstellung errötete. Die Vorstellung, dass Lady Loreen – Zorro! – ihn angriff und er zurücktreten würde, war… und dann würde der Bu… der Bu… der Busen! „Dachte ich mir“, bemerkte der andere trocken, während Sanjis Wangen heiß wurden. „Du hättest mich nicht mehr behandelt wie sonst auch, Koch, und auch wenn die anderen sich irgendwann damit arrangiert hätten, ich hätte mich nie damit abgefunden, dass du dich mir gegenüber anders verhältst. Ich weiß nicht, wie Nami und Robin es aushalten, wenn du sie so angaffst, aber ich bin nicht dafür da, dass du dich am Anblick meines Körpers erfreuen kannst. Die Vorstellung, dass du mir nicht zuhörst, wenn ich dir was sage, weil dich mein Busen ablenkt, oder dass du nicht mit mir kämpfst, weil mein Körper vom zarten Geschlecht ist… alleine die Vorstellung ist schon echt das Letzte.“ Zorro schnaubte leise. „Egal was ich tue, Lady Loreen werde ich nicht mehr los und das finde ich ziemlich beschissen. Aber damals wusste ich noch nicht mal, wann und ob ich meinen Körper wiederkriegen würde, und das war für mich echt noch viel beschissener. Du kannst dir nicht vorstellen, wie es sich anfühlt den eigenen Körper zu verlieren und plötzlich in einem komplett anderen Leben zu sein, in einem Körper, der nichts mit dem zu tun hat, was man erlebt hat, der den eigenen Erinnerungen komplett widerspricht, und als goldenes Krönchen wird man dann auch noch wie ein komplett anderer Mensch wahrgenommen." Schwer seufzte er auf und schüttelte den Kopf. „In all der Zeit hat Dulacre mich nie anders behandelt – selbst, nachdem ich mich verwandeln konnte – manchmal vergesse ich in seiner Gegenwart sogar, dass ich in jenem Körper bin. Ich vergesse, dass ich in einer Gestalt bin, die allem widerspricht, für das ich stehe. Aber du… du bist das genaue Gegenteil. So wie du mit Nami und Robin umgehst, so wie du manchen Frauen hinterhersabberst. Du gibst mir das unangenehme Gefühl jenes Körpers, selbst wenn ich in meinem bin.“ Obwohl Sanji nicht wirklich verstand, trafen ihn die Worte des anderen hart. Die Vorstellung, dass sein Verhalten, dass alleine sein Blick, ausreichen konnte, damit ein Crewmitglied sich nicht wohl in seiner Gegenwart fühlte, schockierte ihn zutiefst. Mehr noch, weil es Zorro war, der sich aus den Meinungen anderer eigentlich nie viel machte. Er selbst hatte seine kurze Zeit in Namis Körper trotz mancher Einschränkungen als absolut beglückend empfunden und es war ihm überhaupt nicht in den Sinn gekommen, dass dieser andere Körper Zorro so sehr belastete. Wenn Sanji ganz ehrlich war, tat er sich schwer zu erfassen, warum Zorro seinen Umgang mit dem weiblichen Geschlecht als so unangenehm empfand, aber das war ihm gerade eigentlich egal. Irgendwann später würden sie es ausdiskutieren können. Aber gerade musste er es akzeptieren, musste einfach versuchen zu akzeptieren, dass sein Verhalten – warum auch immer – für Zorro unangenehm war, gerade weil er es nicht verstand. Nachdenklich sah er zu dem anderen hinab, nicht sicher was er sagen sollte, aber Zorro sprach weiter: „Aber natürlich warst es nicht nur du. Ihr alle wart es. Nachdem du so beschissen reagiert hast, habt ihr alle mich plötzlich anders behandelt, so wie alle anderen Menschen mich als Loreen behandelt haben. Was ich sage, wird überhört. Wenn ich wütend werde, bin ich süß und niemand nimmt mich ernst. Niemand traut mir zu, ein guter Kämpfer sein zu können, man unterschätzt mich und sieht mich noch nicht mal als Gegner an.“ Erneut stöhnte Zorro auf. „Es ist so frustrierend Lady Loreen zu sein und ich fühle mich manchmal so hilflos in jenem Körper, weil niemand mich für voll nimmt und… ihr habt das auch nicht. Ihr habt nur noch Dulacre als Gegner wahrgenommen – obwohl ich dich doch problemlos umgehauen hatte – und mir habt ihr nicht zugehört, nicht ein Wort zugehört, habt einfach über mich hinweggesprochen und ich konnte mir kaum Gehör verschaffen. Ich war erstarrt und keiner von euch hat mich gesehen, ihr habt alle nur Lady Loreen gesehen, die kleine, hübsche Lady Loreen.“ Für einen Moment war es absolut still zwischen ihnen, während Zorro leise seufzte und seine Handfläche begutachtete. „Aber ich muss auch akzeptieren, dass Dulacre Recht hat. Ihr hattet noch nicht mal die Chance alles zu verarbeiten und mich so wie immer zu behandeln, weil ich euch ja nicht die Wahrheit gesagt habe. So wie ich, so musstet ihr euch natürlich erstmal dran gewöhnen. Aber du weißt die Wahrheit ja mittlerweile, und daher kannst du mir auch zeigen, dass ich mich geirrt habe.“ Laut ausatmend erhob Zorro sich, klang immer noch so ruhig und gefasst, obwohl es Sanji so schwer fiel, ihn zu verstehen. „Ich denke, ich war jetzt ausführlich genug, und so langsam rennt uns auch die Zeit weg, daher werde ich dir jetzt auch meinen Plan sagen, so wie wir es abgesprochen hatten.“ Langsam sah Sanji auf. Für einen Moment hatte er ganz vergessen, wo sie hier waren und weshalb Zorro ihm das alles gesagt hatte. „Okay“, murmelte er und nickte, „ich höre.“ „Um ehrlich zu sein, ist es kein besonders ausgefuchster Plan“, murrte Zorro und seine Stimme war wieder so rau und emotionslos wie sonst auch, als hätte er das vorherige Thema einfach abgeschlossen. „Ich quetsche mich durch die Gitterstäbe, überwältige die Wachen auf der anderen Seite der Türe, stehle den Schlüssel und hol dich dann auch raus.“ Verwirrt hob Sanji eine Augenbraue an und musterte den anderen. Wie wollte dieser Schrank von einem Kerl sich zwischen Gitterstäben hindurchzwängen, die selbst für… Oh! „Du willst dich verwandeln?“ Nun zeigte der andere ihm ein halbes Schmunzeln. „Naja, so passe ich nicht durch“, entgegnete er, „aber ja, ich denke, als Loreen müsste es klappen, schließlich habe ich deutlich weniger Oberweite als Nami. Zum Glück, das wäre so nervig beim Kämpfen.“ Noch eine Sekunde dachte Sanji nach. Es war nicht wie bei der G6, es war ein simpler Plan, ohne große Fallstricke, die Zorro vor ihm verbergen konnte, daher gab es nicht viel zu überlegen. „Okay, lass es uns so…“ „Warte, Koch, ich bin noch nicht fertig“, unterbrach der Spinatschädel ihn und zögerte dann jedoch, was Sanji gerade überhaupt nicht gebrauchen konnte. Er mochte nicht, wenn Zorro unsicher war, hatte es nie gemocht, aber ganz offensichtlich hatte selbst ein Lorenor Zorro Ängste. Sanji würde also auch damit klarkommen müssen, irgendwie. „Okay“, sagte er also nur und verschränkte die Arme. Zorro nickte und tat es ihm gleich. „Um es auf den Punkt zu bringen. Meine letzte Verwandlung liegt schon zu lange zurück, deshalb werde ich mich wahrscheinlich bis Sonnenaufgang nicht zurückverwandeln können.“ „Okay“, wiederholte Sanji achselzuckend. Er hatte keine Ahnung, wie die Verwandlung funktionierte und welch seltsamen Regeln sie unterlag, aber wenn Zorro es sagte, dann würde er ihm glauben; ihm blieb auch nicht viel anderes übrig. Nach einer Sekunde kapierte er, dass es das erste Mal seit Sarue sein würde, dass Zorro ihm als Lady Loreen gegenüberstehen würde. „Die Sache ist die“, sprach Zorro weiter und nickte zu seinem verfärbten Bauchwickel hinunter, „dieser Kratzer könnte für mich dann ein Problem darstellen. Ich denke, ich sollte es schaffen die paar Wachen zu überwältigen, aber um ehrlich zu sein, weiß ich nicht, ob ich dir danach noch eine große Hilfe sein werde. Als Loreen bin ich eh nicht so stark und diese Wunde wird mich wahrscheinlich doch etwas mehr zwicken, als ich wahrhaben möchte.“ Eine Gänsehaut glitt über Sanjis Rücken. Damals hatte Zorro ihm nichts gesagt, damals hatte er so getan, als wäre seine Verletzung nichts, was er nicht irgendwie händeln könnte. Aber für Emotionen war hier kein Platz, er musste pragmatisch denken. „Wird sie für dich lebensbedrohlich sein?“, fragte er ernst nach und entschied jedwede Gefühle auf später zu verschieben, jetzt musste er logisch handeln. Zorro zuckte nur mit den Achseln. „Ich sag jetzt erstmal nein. An sich ist sie nicht problematisch, aber ich kann in diesem Körper einfach nicht so viel Blut verlieren, wie normalerweise, ohne dass es nervig wird, daher wäre zu viel Bewegung wohl kontraproduktiv. Ich kann die Wunde mit Rüstungshaki etwas abdichten, aber das hilft auch nur bedingt; irgendwann könnte der Blutverlust ein Problem werden, falls ich mich doch länger nicht zurückverwandeln können sollte, beziehungsweise je nachdem ob die andere pünktlich sein werden oder nicht.“ Sanji nickte erneut. „In Ordnung, das heißt sobald du die Tür aufgeschlossen hast, übernehme ich und stelle sicher, dass wir deine Schwerter und meine Zigaretten einsammeln und dass wir rechtzeitig zum Strand kommen, damit du nicht eine Grenze überschreitest, die es doch gefährlich macht.“ Nun nickte Zorro und sah ihn überraschend eindrücklich an, eigentlich hatte Sanji mit lautstarkem Widerspruch gerechnet, wie er es von dem Marimo nun mal gewohnt war, aber es wäre nicht das erste Mal am heutigen Tag, dass der andere ihn überraschen würde. „Ich verlass mich auf dich. Wie gesagt, ich werde im Zweifel auf dich angewiesen sein.“ Für eine Sekunde sahen sie einander an und Sanji verstand, dass Zorro damit etwas anderes meinte, als er sagte. Er wollte etwas entgegnen, doch dann begann Zorro plötzlich die rote Scherpe abzuwickeln. „Ähm, was machst du da?“ „Na, wonach sieht es denn aus? Ich werde mich jetzt verwandeln, also dreh dich um, Koch.“ „Tze, ich hätte dich nicht für so prüde gehalten“, versuchte Sanji seine errötenden Wangen zu überspielen, was der andere nur mit einem Augenrollen quittierte. „Bin ich auch nicht. Aber so wie du jetzt schon wieder guckst, werde ich nicht riskieren, dass dieser Abklatsch eines Plans schiefgeht, weil du mir wegen Nasenblutens abkratzt. Also dreh dich um.“ „Ich denk ja nicht dran, mir hier…“ „Koch“, seufzte der Marimo und hielt in seiner Tätigkeit inne, um ihn anzusehen, „wir können meinetwegen nachher in aller Ausführlichkeit diskutieren, warum du ein Spanner bist, aber hier und jetzt läuft uns die Zeit davon, also lass uns einfach voran machen, okay?“ Da war er wieder, rationaler Zorro, Sanjis neuer Erzfeind. Schnaubend wandte er sich um und verschränkte die Arme. „Mir musst du das nicht sagen“, murrte er dann und begann leise mit dem Fuß zu einem unbestimmten Takt zu klopfen, „um ehrlich zu sein, habe ich die Hälfte von dem, was du eben gesagt hast, nicht kapiert. Ich weiß immer noch nicht, warum du aus einem einzigen Blick so eine große Sache machst. Aber weil es für dich anscheinend ein Problem ist und wir gerade wirklich nicht die Zeit haben das auszudiskutieren, akzeptiere ich das und streite jetzt eben nicht mit dir. Du brauchst also hier nicht so zu tun, als würde ich unsere Zeit vergeuden, nachdem du dich gefühlt eine halbe Ewigkeit über mich ausgelassen hast, und mir jetzt auch noch spannen zu unterstellen ist ziemlich unverschämt von dir. Außerdem hast du eine deutlich kleinere Oberweite als Namilein oder Robin-Schätzchen, also eh nicht viel zum Bewundern.“ Er erwartete einen schneidenden Kommentar und war überrascht, als nichts kam. „Was denn? So eine Aussage stört dich weniger, als wenn ich dich anschaue? Mann, ich weiß nicht, ob du dumm oder kompliziert bist. Keine Ahnung wie Falkenauge und Ruffy mit dir klarkommen.“ Wieder erhielt er keine Antwort und entnervt nahm er das als Zeichen, dass er schweigend warten sollte. Weiterhin klopfte er seinen Takt. „Wie lange brauchst du eigentlich für die Verwandlung?“, fragte er nach einigen langen Sekunden. Als er wiederum keine Antwort erhielt, wurde es ihm zu bunt. „Antworte oder ich dreh mich um, Marimo.“ Keine verdammte Antwort! Aufstöhnend, was er denn nun schon wieder angestellt haben sollte, dass der andere ihn mit Schweigen strafen wollte, wirbelte er herum. Und starrte eine Wand an. Zorro war weg. Direkt vor Sanji standen die Stiefel des anderen, bedeckt von Hose und Bauchwickel, aber Zorro war weg. Er schritt zu den Gitterstäben hinüber und sah zu der kleinen Türe am weit entfernten Ende des Flures die paar Treppenstufen hoch, durch die der andere wohl hindurch war. Dann fiel sein Blick auf einen der Stäbe, auf dem ein blutiger Handabdruck prangte. Worüber auch immer sie sich uneinig waren, all das änderte nichts daran, dass Zorro gerade als Lady Loreen da draußen verletzt einen Schlüssel suchte, um Sanji zu befreien. Sich die Haare raufend betrachtete er die zurückgelassenen Kleidungsstücke des anderen, ehe er hinüberging und die Hosenbeine an den Stiefeln festknotete, ehe er den vollgebluteten Bauchwickel sich überzog. Zu seiner Überraschung passte sich das hässliche Accessoire seinem Körper an und rutschte selbst nach ein paar Probehüpfern nicht herab. Dann hörte er das Knirschen einer Türe und im nächsten Moment eilte ein grüner Blitz an seiner Zelle vorbei und kam rutschend zum Stehen. Vor ihm stand Lady Loreen und genau wie damals auf Sarue sah sie ganz anders aus als auf den Bildern der Zeitung, während sie mehrere Schlüssel eines Schlüsselbundes ausprobierte und dabei leise vor sich hingrummelte. Es waren die Klamotten vom Marimo, aber sie sahen so anders aus. Die welligen, grünen Haare waren mit einem schwarzen Band gebändigt, der hässliche, grüne Mantel verdeckte wie ein übergroßes, langes Kleid den zierlichen Körper, bis hinunter zu den Füßen, die in schwarzen Schläppchen steckten, die Sanji von Tänzern kannte. Die rote Scherpe war eng um den kompletten Oberkörper gewickelt, hielt den viel zu großen Mantel an Ort und Stelle, und wäre es nicht für diese eine dunklere Stelle, hätte Sanji wohl die Verletzung ganz vergessen. Dann sah sie ihn mit diesen durchdringenden, grünen Augen an und plötzlich wurde Sanji bewusst, dass da vor ihm nicht Lady Loreen, sondern Zorro stand. Im nächsten Moment konzentrierte sich dieser einschüchternde Blick wieder auf das Schloss, welches Sanji von der Freiheit trennte und er bemerkte die kleine goldene Kette, die drei goldenen Ohrringe. „Genug gestarrt?“ Wie konnte eine so sanfte Stimme so hart und rau klingen? Glücklicherweise bewahrte ein leises Klicken Sanji davor, eine Antwort zu geben. Schnell beugte er sich hinab und warf sich die Hose des anderen samt Stiefeln über die Schultern, während die Tür aufging. Als er hinaustrat konnte er nicht verhindern zu bemerken, wie klein sie – er! – im Verhältnis war. Eigentlich waren der Marimo und er fast gleichgroß. Nun jedoch mussten diese stechenden grünen Augen zu ihm aufschauen und obwohl Sanji das eigentlich Genugtuung verschaffen sollte, tat es das nicht. Es war ein schönes Gesicht, aber wenn er ehrlich war, konnte er nun sehen, warum Lysop sie für Geschwister gehalten hatte. Ja, die Augenpartie war ganz anders, viel kindlicher, der Kiefer deutlich runder, die Haut heller, aber die gleiche gerade Nase, der gleiche schmale Mund, der gleiche durchdringende Blick, die gleichen Furchen auf der Stirn. Unbeeindruckt hielten ihm diese Augen stand, während Sanji nicht anders konnte, als dieses Gesicht nach Vertrautem und Fremdem zu mustern. Er wollte sich bemühen, wollte Zorro in diesem Körper sehen, aber es war schwierig. „Kannst du es sagen?“, fragte er. „Kannst du mir jetzt noch mal die Wahrheit sagen?“ Leicht wippte das Haar, als der andere den Kopf zur Seite neigte. „Was meinst du? Dass ich ich bin?“ Sanji nickte, woraufhin ein dreckiges Grinsen die Gesichtszüge verdunkelte und plötzlich war es eindeutig Zorro. „Tze, was auch immer. Ich bin Lorenor Zorro, zukünftiger bester Schwertkämpfer der Welt.“ Er klang so anders, diese sanfte Stimme, und dennoch war er es, musste er es sein. „Okay“, murmelte Sanji und holte tief Luft. „Du hast deinen Teil erfüllt, ab hier übernehme ich.“ Ihm entging nicht, wie der Marimo unauffällig den Unterarm gegen seinen Bauch gedrückt hatte, um den Schmerz durch Druck zu verdrängen und die Blutung zu verringern, und er bemerkte auch die feinen Schweißtropfen im Haaransatz. Sanji fällte eine Entscheidung. „Ich werde dich jetzt hochheben“, warnte er vor, anstatt es einfach zu tun und eine handfeste Auseinandersetzung zu riskieren, die dem anderen mit Sicherheit nicht guttun würde. „Was?“, knurrte der andere sogleich und klang deutlich mehr wie Zorro, als Sanji erwartet hatte. „Wag es nicht!“ „Wir haben keine Wahl“, entgegnete Sanji entschieden, „und um ehrlich zu sein, fehlt mir jetzt die Zeit, das mit dir durchzudiskutieren.“ Im nächsten Moment packte er dann doch den anderen, der sich natürlich lautstark wehrte, und hob ihn hoch. „Lass mich runter!“, befahl der andere in einer vertrauten herrischen Art, als Sanji diesen schmächtigen Körper an seine Brust drückte und losrannte. „So können wir doch nicht kämpfen.“ „Oh, unterschätz mich nicht, Marimo“, entgegnete er unbeeindruckt und dankbar darüber, dass der andere trotz dieser engelsgleichen Stimme so klang wie immer. „Außerdem sind wir so viel schneller, als wenn ich mich deinen hinkenden Schritten anpassen müsste. Also stell dich nicht so an und überlass den Rest mir; so hatten wir es doch abgemacht.“ Im nächsten Moment hatte er die nur angelehnte Türe erreicht und sprang hinaus in den Flur. Dort bot sich ihm ein Bild des Chaos. Ein paar Dutzend Soldaten lagen über den Boden verstreut, manche wimmerten leise vor Schmerz, die meisten waren jedoch bewusstlos oder Schlimmeres. Ohne innezuhalten, sprang Sanji über sie hinweg und jagte weiter, doch aus dem Augenwinkel lag sein Blick auf dem grünen Schopf des anderen, der sich nun zahm von ihm tragen ließ, auch wenn er leise vor sich hingrummelte. Dass Zorro selbst als Loreen nicht schwach sein würde, überraschte ihn nicht wirklich und diese Soldaten waren mit Sicherheit keine Elite, aber er hatte nicht damit gerechnet, dass der andere mit so vielen hätte kämpfen müssen. Zorro war zwar schnell gewesen, aber für seine Verletzung war es mit Sicherheit nicht gut. „Sag mal“, murrte Sanji und sprang eine Treppe nach oben. Bei ihrer Verhaftung hatte er gesehen, wo ihre Sachen hingebracht worden waren, und er meinte, dass es im Erdgeschoss gewesen war. „Kannst du jetzt besser abschätzen, wie gut du das aushalten wirst? Es scheint mehr zu bluten als eben, oder?“ Er wusste, dass der andere ihn wütend niederstierte, aber konnte darauf nicht reagieren, als sich ihm mehrere Feinde in den Weg stellten und Sanji sie in schnellen Bewegungen ausknockte, immer darauf bedacht, sein Crewmitglied nicht mehr durchzuschütteln als nötig. Es war eigenartig. Damals im Kampf mit Kaido, Big Mom und Konsorten hatte Sanji ihn auch in Sicherheit bringen müssen und damals war er schwer verletzt gewesen, deutlich schwerer als jetzt, aber damals hatte Sanji sich nicht so viele Sorgen gemacht wie gerade, lag es vielleicht am Körper des anderen? Konnte dieser Kratzer für Lady Loreen wirklich so viel gefährlicher sein als für Zorro? „Es wird schon gutgehen“, murmelte der andere seltsam zurückhaltend, als würde er über genau dasselbe nachdenken. „Wie gesagt, es ist nicht schlimm, blutet halt jetzt mehr als vorher, aber nichts, was ich nicht aushalten könnte.“ „Wirst du es bis zum Sonnenaufgang durchhalten? Bis Chopper da ist?“, fragte er direkt und ohne Umschweife. Er wollte keine Schonkost, wie damals auf der G6 und das wollte er Zorro auch ganz deutlich zeigen. Der andere schnalzte mit der Zunge: „Tze, so schwach bin ich dann auch wieder nicht, Koch“, knurrte er. „Ja, es ist nervig, aber vergiss nicht, wer mich ausgebildet hat. Dieser Kratzer wird mich nicht umbringen.“ Das war eine Aussage, mit der Sanji was anfangen konnte. Im nächsten Moment trat er eine Türe ein und fand wonach er gesucht hatte. Die Schwerter des anderen lagen offen zur Schau auf einem ansonsten leeren Tisch und ein zweiter Blick zeigte Sanji auch seine begehrten Zigaretten auf einer Ablage an der Wand. „Lass mich runter“, murrte der andere in seinen Armen, aber Sanji dachte gar nicht erst daran. „Nein“, widersprach er, „je mehr du dich bewegst, desto mehr Blut wirst du verlieren, oder nicht?“ „Tze.“ Auch das klang verdächtig deutlich nach seinem Liebglingsfeind. Vorsichtig manövrierte Sanji den anderen auf einen Arm, damit er sich die Schwerter, die der andere ihm widerstrebend reichte, in die Schlaufen des Bauchwickels stecken konnte. Dann packte er seine Zigaretten und war schon wieder halb auf dem Weg nach draußen. „Warte“, knurrte der andere und zog an seinem Kragen, „die Teleschnecke!“ Mitten im Laufen blieb Sanji stehen und sah erst zu dem anderen hinab und folgte dann dessen Blick. Dort, auf der gleichen Ablage, auf der seine Zigaretten gelegen hatte, hockte eine kleine weiße Teleschnecke und schlummerte vor sich hin, so zusammengekauert, als hätte sie kalt. Mit einem zweiten Seitenblick auf Zorro rannte Sanji zurück hinein und griff nach dem winzigen Tierchen, steckte es sich in die Hosentasche und eilte dann erneut davon. Es überraschte ihn, wie zahm Zorro in seinem Arm war. Er hatte eigentlich damit gerechnet, dass der andere sich deutlich mehr sträuben würde, und er fragte sich, ob es ein schlechtes Zeichen war, dass Zorro nichts dergleichen tat. Immer wieder warf er einen kurzen Blick auf den anderen hinab, der sich wiederstandlos von ihm tragen ließ, den Kopf gesenkt, sodass Sanji sein Gesicht nicht sehen konnte. Aber was auch immer in ihm vorging, Sanji hatte andere Dinge, auf die er sich konzentrieren musste. Immer wieder tauchten Soldaten und Wachen vor ihnen auf, aber keiner von ihnen stellte auch nur eine richtige Bedrohung dar. Das hier war keine Marinehochburg, erst recht kein Impel Down, die Frage war nicht, ob sie entkommen würden, sondern nur, ob sie es schafften, dabei möglichst wenig Schaden und Aufmerksamkeit zu verursachen. Irgendwann hatte er es zum großen Tor geschafft und in einem eleganten Sprung setzt er sich darüber hinweg, flüchtete in die Dunkelheit, sein Crewmitglied sicher in seinen Armen. Der Himmel war pechschwarz, erhellt von wenigen Sternen und einem abnehmenden Mond. Sanji hatte keine Ahnung wie spät oder früh es war. Er wusste nur, dass es Nacht war, während er durch den fremden Wald jagte, den Fluss entlang, von dem er wusste, dass er im Meer münden würde. Glücklicherweise hatte er sich die Karte vor ihrem Auftrag gut eingeprägt und wusste genau, wo er hinmusste. Am Anfang waren sie noch verfolgt worden, aber Sanji hatte die Verfolger schnell hinter sich gelassen. Es schien ausnahmsweise wirklich mal alles gut gegangen zu sein. „Ich denke, wir haben sie abgehängt“, murmelte er leise und verringerte sein Tempo, „und es sollte nicht mehr weit zum Strand sein. Wir sollten es rechtzeitig schaffen. Wie geht es dir?“ Als er keine Antwort erhielt, beäugte er den anderen argwöhnisch. Erst jetzt fiel ihm auf, dass Zorro seinen Kopf gegen Sanjis Brust gelegt hatte und nach einer Sekunde des Schreckens stellte Sanji aufatmend fest, dass er wohl nur schlief, wie er es immer tat, um sich von Wunden zu erholen. Die großen, kindlichen und dennoch so ernsten Augen waren geschlossen, gleichmäßig glitt der Atem über die schmalen Lippen. Sanji blieb stehen und betrachtete den anderen in seinem Arm. Dieses unschuldige Gesicht sollte Zorro sein? Schlafend sah er noch lieblicher und sanftmütiger aus als auf den Zeitungsbildern, vielleicht lag es nur am dürftigen Licht der Nacht. Der schmächtige Körper war federleicht in Sanjis Arm, während ein Arm weiterhin auf die Scherpe presste; der Fleck war mittlerweile deutlich größer als zuvor. Langsam ging Sanji weiter, den Blick weiterhin auf die junge Frau in seinem Arm, die in Wirklichkeit keine Frau war und friedvoll schlief. Dann rutschten seine Augen hinunter, auf die delikate Goldkette. Sanji war sie vorher nie aufgefallen, aber als er den anderen auf Wa No Kuni wiedergetroffen hatte, hatte er sie bemerkt, und Sanji brauchte nicht zu fragen, von wem sie war. Er hätte den Marimo nie für so kitschig gehalten, aber irgendwie fand er es auch süß, dass selbst ihr missmutiger Schwertkämpfer an Dingen festhielt. Dann glitt Sanjis Blick weiter nach unten. Die Scherpe war während der eiligen Flucht leicht verrutscht und sicherte den Ausschnitt des anderen nicht mehr ansatzweise so gut, wie wohl beabsichtigt. Wenn Sanji den Knopf nur ein bisschen neigen würde, könnte er… Aber ich bin nicht dafür da, dass du dich am Anblick meines Körpers erfreuen kannst. Was tat er da? Zorro war in seinem Arm vor Erschöpfung eingenickt, blutete und war verletzt, vertraute ihm ausnahmsweise mal genug, um sich von ihm helfen zu lassen, hatte ihm ausnahmsweise mal die ganze Wahrheit gesagt, und alles woran Sanji dachte, waren seine…? Seufzend sah er wieder auf den Weg vor sich. War es das, was Zorro gemeint hatte? War es so ein Blick gewesen? Ein Blick, währenddem Sanji alles andere vergessen hatte, nur um einen Blick auf einen Körper erhaschen zu können? Aber wem würde das schon wehtun? Es war nur ein Blick? So wie er sich an einem Gemälde erfreuen würde, es war in keinem Sinne herablassend gemeint und es war nicht so, als würde ein kleiner Blick ihre Sicherheit gefährden. Warum also hatte Zorro so ein riesiges Problem damit? Ausgerechnet Zorro, der schonmal gerne halbnackt übers Deck lief, wenn er vergessen hatte, Klamotten mit ins Bad zu nehmen? Er war verwirrt, mehr als verwirrt. Was war sein Anteil an der Geschichte, was Zorros? Was war nur ein dummes Missverständnis? Was war Zorros Problem und was war Sanjis? Plötzlich brach vor ihm der Wald ab und alles, was er sah, war das nachtschwarze Meer und dort, am Horizont, spendete ein sanfter Silberstreif etwas Licht in dieser dunklen Welt. Sanji entschied, dass all diese Dinge bis später warten konnten, nun zählte es erstmal, dass sie es sicher zum Strand schaffen würden und dass die anderen bald kommen würden, damit Chopper wie üblich Zorro verarzten konnte. Erneut blickte er zu dem anderen hinab, während er die letzten Bäume hinter sich ließ und über steinigen Boden bergab dem Meer entgegenschritt. Zorro schlief immer noch, als ob ihn nichts wecken könnte, gleichzeitig verunsicherte Sanji, dass der dunkle Fleck immer größer zu werden schien. Erneut verlagerte er das Fliegengewicht des anderen auf eine Hand, mit der anderen griff er nach dem dünnen und überraschend kühlen Handgelenk des anderen – streifte dabei kurz dessen Schwerter – und fühlte den Puls. Beruhigt verteilte er das Fliegengewicht wieder auf beide Arme; der Herzschlag des anderen war so ruhig und stark wie eh und je. Sanji brauchte sich keine Sorgen machen, Zorro war stark, ganz gleich des Körpers. Am Strand angekommen suchte er eine windgeschützte, trockene Stelle zwischen den mannshohen Steinen und legte den schlafenden Zorro dort ab, ehe er Bauchwinkel und Jackett auszog. Hose, Stiefel und Bauchwinkel samt Schwertern legte er neben den anderen ab – bemerkte mit einem leisen Seufzen, dass sich das Blut von der Innenseite des seltsamen Kleidungsstücks auf seine Hose und Hemd abgerieben hatte – und nach einer Sekunde des Nachdenkens entschied er, doch den anderen mit seinem Jackett zuzudecken. Ja, ihm war sehr bewusst, dass er das wohl nie getan hätte, wenn Zorro in seinem Körper gewesen wäre, aber er meinte auch Gänsehaut beim Pulsfühlen bemerkt zu haben und da er nicht wusste, ob Zorro in dieser Gestalt schneller fröstelte oder sich erkältete und da der andere nun mal verwundet war, war es Sanji egal, ob es ihm missfallen würde, oder nicht. Sich die Haare raufend kletterte er auf einen Stein hinauf, von wo er sowohl sein Crewmitglied als auch das Meer und die Umgebung gut im Blick hatte, und zündete sich eine wohl verdiente Zigarette an. Nicht alles war perfekt gelaufen, aber sie hatten den kleinen Jungen sicher zurück in seine Heimat gebracht, ohne als Piraten enttarnt zu werden, und hatten es rechtzeitig ans andere Ende der Insel geschafft – was beim Orientierungssinn des Marimos schon an ein mittelgroßes Wunder grenzte – sodass man durchaus sagen konnte, dass sie ihren Auftrag erfolgreich erfüllt hatten. Auf die kleine Komplikation am Ende hätte er verzichten können, aber wer wusste, wofür es gut war. Seufzend entschied er in den nächsten Tagen einen ruhigen Moment zu nutzen, um mit Robin über die Worte des Säbelrasslers zu reden. Vielleicht konnte sie ihm helfen, Zorro ein bisschen besser zu verstehen, so wie sie es schon manches Mal geschafft hatte, und vielleicht konnte sie ihm auch helfen nachzuvollziehen, ob der Marimo in manchen Dingen vielleicht auch Recht hatte oder ob er einfach nur überreagierte. Aber unabhängig davon, wer von ihnen im Recht lag, es hatte nun mal dazu geführt, dass Zorro deshalb – wenn auch nicht nur deshalb – nicht zurückgekommen war oder ihnen die Wahrheit gesagt hatte und Sanji hatte entschieden, dass er so etwas nicht noch einmal zulassen würde. Er und Zorro verstanden sich oft nicht, hatten viele unterschiedliche Ansichten und gingen sich ganz offen ausgesprochen einfach auch gerne mal auf die Nerven. Aber wenn ein Blick ausreichen konnte – egal ob berechtigt oder nicht – um ihr Vertrauen ineinander zu gefährden, dann musste er es ernst nehmen. Nur so konnte er verhindern, dass die Vergangenheit sich wiederholen würde. Plötzlich ließ ein leises Piepsen ihn aufhorchen. Überrascht sah er sich um. Sie waren immer noch alleine. Der Silberstreif am Horizont war etwas breiter und heller geworden, erleuchtete seine Umgebung etwas besser, ließ ihn die Umrisse seines Crewmitglieds etwas deutlicher erkennen. Aber ansonsten hatte sich nichts an der Ruhe geändert, nichts, bis auf das leise Piepsen. Nach einer Sekunde fand er den kleinen Störenfried in seiner eigenen Hosentasche. Er hatte fast vergessen, dass Zorro ihn aufgefordert hatte, die winzige Teleschnecke mitzunehmen und nun rief sie unermüdlich nach ihrem Besitzer, der kaum einen Fußtritt entfernt selig schlief. Neugierig betrachtete Sanji das kleine Ding, während er einen erneuten Zug seiner Zigarette nahm, und überlegte, ob er drangehen sollte. Er brauchte nicht zweimal nachzudenken, um zu wissen, wer wohl am anderen Ende der Leitung sein würde und er fragte sich, ob es klug wäre dranzugehen. Beide Optionen waren schlecht. Wenn er drangehen würde, würde Falkenauge sich aufregen, dass Zorro nicht dran war und wer wusste schon, was dieser Typ machen würde, wenn er erfahren würde, dass Zorro verletzt worden war, während er mit Sanji allein unterwegs gewesen war. Sanji glaubte schon, dass Falkenauge - im Gegensatz zum Marimo - eher ein rachsüchtiger Typ war, und er konnte sich echt Besseres vorstellen, als sich vor diesem Mistkerl zu rechtfertigen. Auf der anderen Seite wer wusste schon, was dieser Typ machen würde, wenn Sanji nicht drangehen würde. Er schien auch nicht der geduldigste Typ Mensch zu sein und Sanji meinte sich daran zu erinnern, dass Zorro ihn einen besessenen Kontrollfreak genannt hatte. Aufstöhnend raufte er sich erneut die Haare – musste aufpassen, sie mit seiner Zigarette nicht in Brand zu setzen – und versuchte zwischen Pest und Cholera zu wählen, wobei er ein bisschen die Hoffnung hatte, dass die kleine Teleschnecke ihm die Entscheidung abnehmen würde, aber das tat sie nicht. Dann fiel sein Blick hinab auf Zorro, der sich nun etwas rührte, und er entschied, dass er den anderen nicht aufwecken würde. Wenn Sanji eines wusste, dann wie wichtig Schlaf für einen verletzten Lorenor Zorro war, und vermutlich war es für ihn in dieser Gestalt nur umso wichtiger. Aber dafür würde der andere ihm was schulden! Entnervt nahm er ab. „Ja“, murrte er. Überraschenderweise grüßten ihn zwei Sekunden der Stille, ehe eine herablassende Stimme entgegnete: „Kannst du frei sprechen?“ Damit hatte er nicht gerechnet. „Ja“, antwortete er also misstrauisch. „Du bist also allein, Smutje?“ „Der Marimo ist hier, aber er schläft.“ „Mhm“, war alles was er an Antwort erhielt. „Dann frage ich dich, wie schwer sind seine Verletzungen?“ „Wa..was?“ Woher wusste der Mistkerl, dass Zorro verletzt war? „Tze, bitte vergeude doch nicht unser beider Zeit“, entgegnete der andere entnervt wie eh und je. „Warum sonst solltest bitte du abgehoben haben? Es ist ganz offensichtlich, dass Lorenor die Teleschnecke nicht unbeaufsichtigt lässt und du würdest nicht unbedarft einfach an fremder Leute Eigentum gehen. Ergo ist eine Situation eingetreten, in der Lorenor nicht in Besitz der Teleschnecke ist, und wenn du abhebst und niemand sonst aus deiner Crew, obwohl uns nur gegenseitige Abneigung verbindet, kann dies nur eines bedeuten: Du und Lorenor seid getrennt von eurer Crew unterwegs – vermutlich diesen Bengel zu seinen Eltern bringen - Lorenor wurde verletzt, aber weder schwebt er derzeit in Lebensgefahr noch werdet ihr aktuell verfolgt, sodass du in einem Moment der Ruhe, den Lorenor zum gesundschlafen nutzt, den Ruf der Teleschnecke gehörst hast und nach einer kurzen Debatte darüber, welche Möglichkeit für dich die unangenehmere darstellen würde, hast du entschieden, Lorenor nicht extra zu wecken aber auch nicht die Gefahr einzugehen, dass ich euch aufsuchen würde. Deshalb hast du diesen Anruf entgegengenommen, wohl wissend, dass du dich dann mit mir auseinandersetzten würdest.“ Erneut schnalzte der andere mit seiner Zunge und Sanji wusste nicht, ob er beeindruckt oder angepisst sein sollte. „Aber das bedeutet auch, dass du dir zumindest eine Mitschuld an Lorenors Verletzung gibst und dich nicht meinem Urteil aussetzen wolltest. Also frage ich dich erneut, wie schlimm sind seine Verletzungen?“ Was für ein Arsch! „Nicht schlimm“, presste Sanji zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Er mochte es gar nicht, dass dieser Mistkerl ihn lesen konnte, wie ein offenes Buch und gleichzeitig empfand er etwas Mitleid gegenüber Zorro, wenn er sich vorstellte, dass die meisten ihrer Unterhaltungen so ablaufen würden. „Er hat eine kleine Fleischwunde im Bauchbereich. Nichts Wichtiges wurde verletzt, aber blutet wie sau. Bei Sonnenaufgang wollen die anderen uns aufsammeln und er meinte, er würde problemlos bis dahin durchhalten.“ Bis auf eine wortlose Zustimmung erhielt Sanji keine Antwort und er fragte sich, was Falkenauge nun wieder alles an Informationen aus seinen Worten sammeln würde. Eine Sekunde war es still, bis auf das Rauschen der Wellen und den gleichmäßigen Atemzügen Zorros. „Nun gut, ich danke dir für deine Informationen, Smutje. Bitte richte Lorenor aus, er möge mich zurückrufen, sobald es ihm möglich ist. Ich habe langweilige Formalitäten mit ihm zu besprechen.“ Mit dieser Reaktion hatte Sanji nicht gerechnet und erst nicht mit dieser Wortwahl, bei der er sich vorkam wie ein zu schlecht bezahlter Sekretär. „Das… das ist alles, was von dir kommt?“, fragte er schlechtgelaunt nach. „Keine Nachfrage? Keine Anschuldigung? Zwingst mich noch nicht mal ihn aufzuwecken? Du…?“ „Smutje“, unterbrach Falkenauge ihn und klang dabei beinahe freundlich, „das ist alles nicht notwendig. Ich weiß alles, was ich wissen muss, ich gebe dir keine Schuld, weil Lorenor seine eigenen Entscheidungen fällt, und ihn aufzuwecken, während er sich gesundschläft, wäre wohl kontraproduktiv.“ Die winzige Teleschnecke zeigte ein gefährliches Schmunzeln. „Aber“, sprach der andere langgezogen weiter, „wenn es dich eher schockiert als erleichtert, dass ich unser Gespräch schnell beenden möchte, bedeutet dies, dass du etwas von mir wissen willst, oder irre ich mich da? Nicht, dass ich mich je irre.“ „Du bist ein arroganter Mistkerl, weißt du das?“, knurrte Sanji zurück. „Natürlich, wie dir sehr wohl bewusst ist, lässt Lorenor sich keine Möglichkeit entgehen, dies zu betonen.“ „Das war eine rhetorische Frage.“ „Oh, ich bin überrascht, dass du so etwas beherrschst.“ „Ach, leck mich doch!“ Der andere lachte leise auf. „So wenig unterhaltsam dieser kleine Schlagabtausch mit dir auch sein mag, Smutje, so hege ich doch kein Interesse daran, ein Gespräch mit dir zu führen. Also frag, was du zu fragen hast, oder lass uns diese ermüdende Unterhaltung beenden.“ Mittlerweile graute der Morgen und eine dicke Wolkenwand verbarg jedes Blau des Himmels, ließ selbst das Meer bedrückend trüb aussehen. Aber dafür konnte Sanji nun den Schwertkämpfer ausführlich begutachten und stellte fest, dass der besorgniserregend große Fleck der Scherpe mittlerweile nicht mehr größer geworden war. Immerhin etwas. „Warum hast du eigentlich angerufen?“, murmelte er, anstatt das zu fragen, was er wirklich fragen wollte. „Um diese Uhrzeit ist der Marimo doch eigentlich nie wach.“ „Au contraire“, widersprach der ehemalige Samurai, „wie du sehr wohl weißt, ist dies die Zeit, in der Lorenor für gewöhnlich sein Training beendet, bevor er sich hinlegt. Er hat gewiss einen ungewöhnlichen Tagesablauf bei euch an Bord. Aber die Beweggründe werde ich mit dir nicht teilen, nicht, dass es dich wirklich interessieren würde, du schindest nur Zeit.“ „Könntest du damit aufhören“, murrte Sanji. „Dein besserwisserisches Getue ist nervig.“ „Dann hör auf, mit unnötigen Fragen meine Zeit zu vergeuden, Smutje“, entgegnete der andere unbeeindruckt. Missmutig betrachtete Sanji erst seine Zigarette, dann wieder sein Crewmitglied. „Schläft er sich auch als Loreen wieder gesund?“, fragte er dann unumwunden. „Kann ihn wirklich ein solcher Kratzer als Loreen gefährden?“ Auf der anderen Seite war es für einen Moment ruhig, dann seufzte der andere. „Nun gut, meinetwegen“, sprach Falkenauge dann. „Ja, Lorenors Selbstheilungskräfte sind in beiden Körpern beeindruckend und werden unverschämt deutlich von Schlaf verstärkt. Als Loreen braucht seine Wundheilung grundsätzlich länger, dafür hinterlässt sie keine Spuren. Aber, auch ohne die Blessur gesehen zu haben, kann ich dir versichern, dass Lorenor ganz gleich seines Körpers sich nicht so einfach von einer Wunde umbringen lässt.“ Es sollte Sanji beruhigen, warum also verwirrte ihn diese Aussage umso mehr. „Du brauchst dir keine Sorgen machen, Smutje.“ Die überraschend freundlichen Worte machten ihm beinahe Angst. „Er hat sich nicht zurückgehalten, weil er seine letzten Kräfte aufsparen musste.“ „Warum dann?“, murmelte Sanji und fragte sich gar nicht mehr, woher Falkenauge das alles wusste. Der andere seufzte. „Das solltest du ihn fragen. Ich halte es nicht für klug, hinter seinem Rücken über ihn zu reden.“ „Ach komm“, rollte Sanji mit den Augen, „als ob du dich um so etwas scherrst. Außerdem weißt du, dass Zorro nicht gerade ein offenes Buch ist. Ich will keinen Streit vom Zaun brechen, ich will ihn nur besser verstehen.“ Falkenauge schwieg, dann seufzte er erneut. „Es sollte dir eigentlich offensichtlich sein“, sprach er ruhig. „Aber meinetwegen, ich werde dir diese Antwort geben, Lorenor zuliebe. Es ist nicht so, als ob Lorenor in seinem anderen Körper nicht ähnlich zäh ist, aber sein Körper ist schmächtiger, schwächer, Wunden sind größer, schmerzhafter und Blutverlust macht sich deutlicher bemerkbar. Ich habe ihm beigebracht in jenem Körper seine Grenzen nicht auszureizen, wenn er es vermeiden kann, und es beruhigt mich, wenn er ausnahmsweise meinen Anweisungen mal folgt.“ Eine Sekunde schien der andere nachzudenken. „Und deshalb solltest du dir keine Sorgen machen. Dass Lorenor entschieden hat, sich zurückzuhalten, bedeutet nur, dass er dir die Verantwortung gegeben hat, nicht, dass er sich in einem kritischen Zustand befindet. Dass er nun schläft, obwohl ihr noch in feindlichem Gebiet seid und er in seinem weiblichen Körper ist, spricht dafür, dass er dir vertraut – zumindest mehr als bisher – und deshalb gebe ich dir keine Schuld, ganz gleich was geschehen ist.“ Überrascht begutachtete Sanji die Teleschnecke. „Ich habe dir doch gesagt, dass eure Unstimmigkeiten nur durch Worte gelöst werden könnten, weil ihr aneinander vorbeiredet und unterschiedlichen Idealen folgt. Also sage mir, Smutje, was hat dich nun schlussendlich dazu bewegt, dieses Gespräch ausgerechnet jetzt zu suchen?“ Diese Frage verwirrte ihn – auf mehreren Ebenen, die freundliche Stimme des anderen ließ bei ihm sämtliche Alarmglocken schrillen – und dann wusste er auch warum. Erneut begutachtete er Zorro. „Es war der Marimo“, murmelte er. „Ich bin nur drauf eingegangen, weil er es angeboten hat. Er hat den ersten Schritt gemacht.“ „Ach, hat er das?“ Zum ersten Mal klang Falkenauge zumindest etwas überrascht, doch dann fing er sich wieder. „Nun gut, ich habe deine Frage beantwortet und gedenke nun mich mit wichtigeren Dingen als deinen Unsicherheiten zu befassen. Richte Lorenor bitte meine Nachricht aus und einen schönen Tag noch.“ Im nächsten Moment hatte der andere bereits aufgelegt. „Tze, arrogantes Arschloch“, knurrte Sanji und steckte die Teleschnecke weg. Doch wütend sein konnte er nicht. Er hätte nie gedacht, mal ein solches Gespräch mit Falkenauge zu führen; für einen Arsch konnte er nicht schlecht erklären. Aber im nächsten Moment vergaß er den ehemaligen Samurai, als er am fernen Horizont ein vertrautes Schiff erkennen konnte. Seufzend rutschte er von seinem Stein hinunter, streckte sich ausgiebig und drückte seinen Zigarettenstummel aus. Während er noch das ruhige Meer beobachtete, fragte er sich, ob er Zorro wecken sollte, da ließ ihn ein unerwartet tiefes Stöhnen sich umdrehen. Hinter ihm erhob sich Zorro, die strubbeligen kurzen Haare standen in alle Richtungen ab. Mantel und Scherpe lagen auf dem Boden, sodass Sanji die verkrustete Wunde problemlos sehen konnte, während der Marimo sich nach seinen Klamotten bückte. Ohne Mantel konnte Sanji jetzt sehen, dass er eine schwarze enganliegende Hose trug, über die er nun seine normale Hose zog, ehe er sich nach seinem Bauchwickel bückte und diesen samt Schwertern auch überzog. „Die anderen sind bald da, oder?“, fragte er, ohne Sanji überhaupt anzusehen und zog sich Mantel und Scherpe wieder an. „Ja, ich kann die Sunny schon sehen“, bemerkte er und beobachtete neugierig, wie Zorro die zwei schwarzen Schläppchen in die Stiefel drückte und dann mit den Füßen folgte. Es schien System zu haben. „Gut“, murrte der andere und streckte sich erneut, nun da er endlich wieder ganz angezogen war, „ich krieg langsam Hunger.“ Dann gesellte er sich zu Sanji und hielt ihm die leere Hand hin. „Du hast noch meine Teleschnecke“, meinte er und sah aufs Meer hinaus. Wortlos reichte Sanji sie ihm und tat es ihm dann gleich. Mit verschränkten Armen sahen sie beide ihrem Schiff entgegen. „Alles in allem ist es ganz gut gelaufen, oder?“, murmelte Zorro. „Aber nächstes Mal geh einfach nicht dran, wenn er anruft. Dieser besessene Kontrollfreak kann auch mal ein paar Stunden warten, bis ich zurückrufe.“ Schmunzelnd musste Sanji den Kopf schütteln. „Nah, schon gut. Ausnahmsweise war er mal nicht ganz so sehr ein Arsch.“ Der Marimo nahm das nur mit einem bösen Schmunzeln hin, während er aufs Meer sah. „Sag mal, Zorro“, murmelte Sanji, „warum hast du mir das eigentlich nie gesagt? Warum hast du mir nie vorgeworfen, dass du wegen mir nicht zurückgekommen bist? Wir haben uns so oft gestritten und ich hab dir einiges an den Kopf geworfen, aber du hast…“ „Ich glaube, ich habe schon ganz gut ausgeteilt“, unterbrach Zorro unzufrieden, „und ich glaube, ich habe dir auch genügend Vorwürfe gemacht.“ Sanji begutachtete ihn aus dem Augenwinkel, während Zorro stur aufs Meer starrte. „Mag schon sein, aber wenn du mir doch so viel vorwerfen wolltest, warum dann das nicht? Warum hast du genau das verschwiegen, was dich ja anscheinend am meisten belastet hat? Warum hast du es nicht gesagt, als Nami nachgefragt hat, obwohl du doch einen Grund hattest?“ Zorro schwieg. Sanji wartete. Er verstand es, um ehrlich zu sein, immer noch nicht. Verstand Zorros Argumentation nicht wirklich, seine Sorge nicht wirklich, aber es war ein Grund und es wäre so einfach gewesen, Sanji die Schuld in die Schuhe zu schieben, wenn er es hätte tun wollen. Warum also, hatte er es nicht? „Hast du Ruffy je von Thriller Bark erzählt?“ „Wa… was?“ Ungläubig starrte er den anderen an. Konnte es sein… Zorro sprach doch gerade nicht etwa… das an, was Sanji dachte? „Hast du ihm je gesagt, was damals passiert ist?“ Plötzlich sah Zorro ihn an, absolut ernst. „Während ich ohnmächtig war oder nach der G6? Hast du es je angesprochen?“ Fassungslos begegnete er diesem ruhigen Blick und nach einigen Sekunden der Stille wurde ihm bewusst, dass Zorro wohl wirklich eine Antwort von ihm erwartete. „Nein“, meinte er kopfschüttelnd, „natürlich nicht.“ „Warum?“ Immer noch sah Zorro ihn so ernst an. Aber Sanji wusste nicht, was er antworten soll. Er wäre nie auf die Idee gekommen, Ruffy von damals zu erzählen. Er wäre noch nicht mal auf die Idee gekommen, es irgendwann gegenüber Zorro zu erwähnen. Warum also? Warum fragte er das jetzt? „Genau“, sprach Zorro dann nach einigen Sekunden weiter. „Genau deshalb habe ich es nicht gesagt. Denn was bringt es? Schuldgefühle? Zweifel? Selbstvorwürfe? Wem bringt das was? Mir gewiss nicht, dir? Ruffy? Irgendwem? Nein. Ich kann es nicht ab, wie du mit Frauen umgehst, und diese Abneigung ist mit Sicherheit nicht besser geworden, seitdem Lady Loreen existiert. Aber es ist nicht meine Aufgabe, dich zu erziehen und da hab ich auch echt keinen Bock zu. Letzten Endes war es meine Entscheidung, nicht zurückzukommen und euch nicht die Wahrheit zusagen, die Gründe dahinter sind irrelevant.“ „Ganz ehrlich, das sehe ich anders“, murrte Sanji, nachdem er einen Moment über diese Worte nachgegrübelt hatte. „Du hast damals gesagt, dass du keinen guten Grund hattest, aber wenn schon ein…“ „Koch“, seufzte der andere auf und sah ihn mit hochgezogener Augenbraue an, „lass es bleiben. Die G6 ist vorbei und ich habe dir meine Gründe genannt. Was du damit jetzt machst, ist deine Sache. Ich für meinen Teil habe damit abgeschlossen und ich muss echt nicht alle Gefühle und Gedanken über diesen Mist aufarbeiten. Also bitte nerv du mich nicht auch noch damit, ist schon schlimm genug, dass Dulacre da nie die Klappe hält.“ Sanji begutachtete den anderen von der Seite. Ob Zorro wirklich so dachte? Ob er wirklich nicht darüber nachdachte, was er damals erlebt hatte? Ob er die Vergangenheit einfach hinter sich ließ und nur in der Gegenwart lebte? Dumm genug dafür war er, das stand außer Frage. Aber eigentlich zeigte dieser diplomatische Zorro, dass er es ja doch irgendwie tun musste. „Danke“, murmelte Sanji dann und entschied, nicht nachzubohren, nicht nachzuhaken, aber vor allem, dieses Gespräch nicht wieder eskalieren zu lassen, schließlich war das hier seit langer, langer Zeit, das erste Mal, dass sie sprachen wie früher, über Sake, Kaffee oder Spülmittel. „Danke, dass du mir heute den Grund genannt hast, und danke, dass du es nicht vorher gegen mich eingesetzt hast, obwohl ich mich wie ein Arsch aufgeführt habe.“ Er konnte den Blick des anderen auf sich fühlen, aber er wandte den Blick ab und fixierte bewusst die Sunny, die stetig näher kam. „Du bist nicht der Einzige, der sich ziemlich beschissen aufgeführt hat“, murrte Zorro dann, „und ich denke, auch wenn ich vielleicht diese eine Sache nicht erwähnt habe, so wollte ich dich dennoch auch ein bisschen provozieren. Hab so einiges gesagt, was nicht fair war, einfach weil ich wütend auf dich war.“ „Weil ich dich angegafft und nicht ernstgenommen habe?“ „Mhm.“ „Das tut mir leid. Ich hatte nicht beabsichtigt…“ „Schon okay, Koch.“ Hart schlug Zorro ihm auf die Schulter. „Manchmal muss man halt ein Arsch sein, um mit meinem Dickschädel klarzukommen.“ Nun sah Sanji ihn überrascht an. „Ach so“, stellte er fest, „deshalb Falkenauge? Der schlimmste Arsch für den schlimmsten Dickkopf?“ „Ach, halt doch die Klappe!“ Aber zum ersten Mal, seit die Crew wieder zusammengefunden hatte, zum ersten Mal lachten sie beide wieder, so wie sie es nur taten, wenn sie unter sich waren und Gespräche führten, die anderen glauben lassen könnten, dass sie einander vielleicht doch leiden könnten. Kapitel 51: Epilog ------------------ Epilog   Er faltete die Zeitung zusammen und sah zu den Baumwipfeln hinauf. „Du kannst aufhören; wir lassen es für heute gut sein.“ Den Staub von der Hose klopfend erhob er sich. „Was?“, kam zugleich die entsetzte, aber nicht unerwartete Antwort. „Es ist noch mitten am Tag und ich kann noch weitermachen.“ Mit den Augen rollend richtete er sich den Kragen und fuhr sich durchs Haar. „Ich scheine mich missverständlich ausgedrückt zu haben, also lass mich klarstellen, dass dies kein Vorschlag war.“ „Aber…“ „Kein Aber, Ray. Geh ins Schloss und sag Perona Bescheid, dass sie die Vorratskammern abschließen soll. Wir erwarten Besuch.“ Mit einem Male veränderte sich die ganze Körperhaltung seines Patenkindes und die trotzige Schnute wich einem breiten Strahlen, welches Dulacre eindeutig an Jiroushin erinnerte. „Sie kommen?“, fragte sein Mündel mit weit aufgerissenen Augen und Dulacre nickte. „Okay!“ Im nächsten Moment wirbelte Ray auf dem Absatz herum und jagte Richtung Schloss, ohne auch nur noch ein Wort des Widerspruches. „Und hilf ihr, die Gästezimmer herzurichten, hörst du?“ Schmunzelnd schüttelte Dulacre den Kopf und begab sich dann gemächlichen Schrittes Richtung Strand. Dort wartete er gegen einen Baum gelehnt, während das altvertraute Piratenschiff hinter den feinen Nebelschwaden allmählich näher kam. Obwohl er versuchte, es zu ignorieren, konnte er das flaue Gefühl im Magen nicht verhindern. Er war nervös, so richtig nervös wie ein kleiner Junge, so sehr freute er sich darauf, dass dieses Schiff endlich anlegen würde. Natürlich hatte er gewusst, dass sie schon vor längerem Kurs auf Kuraigana genommen hatten, aber er kannte diese verrückte Crew gut genug, um zu wissen, dass sie sich auf dem Weg noch in das ein oder andere Abenteuer hätte verstricken können. Also wartete er hier, in den warmen Sonnenstrahlen, die der sanfte Nebel gütiger Weise durchließ, und konnte seine Vorfreude kaum verbergen. Kuraigana würde so belebt sein wie selten und obwohl Dulacre wusste, dass er die Lautstärke bereits am Abend bereuen würde, so konnte er nicht leugnen, dass er die Gesellschaft auch ein bisschen genoss. Er hatte diese Crew schätzen gelernt, anderes war ihm auch nicht übrig geblieben. Außerdem würde Jiroushin in den kommenden Tagen ebenfalls hereinschneien und Dulacre hoffentlich die nervigeren Mitglieder der Crew abnehmen, so wie das letzte Mal, als die beiden dauergrinsenden Gutmenschen aufeinandergetroffen waren und sich natürlich hervorragend verstanden hatten. Dulacre wusste, dass es noch gar nicht so lange her war, seitdem er dieses Schiff das letzte Mal gesehen hatte, aber gefühlt lag es dennoch eine Ewigkeit zurück. Endlich war es nahe genug und wie zu erwarten, schoss ein roter Blitz über die Reling und landete nur wenige Meter neben Dulacre. „Hey, Falki! Wie geht’s? Ich geh schon mal vor!“, rief der viel zu gutgelaunte Strohhut ihm zu und rannte bereits weiter, immer noch so energetisch wie bei ihrem allerersten Aufeinandertreffen. „Dir auch einen schönen Tag, Strohhut, und nur zu. Die Speisekammer ist jedoch verschlossen.“ „Waaas?“, jammerte der andere und lief auf der Stelle bleibend weiter. „Warum?“ „Du weißt sehr wohl warum. Aber Perona hat gestern einen Kuchen gebacken. Du kannst ja nachgucken, ob sie dir etwas verwahrt hat.“ Bevor er den Satz auch nur beendet hatte, war der andere schon weitergerannt, ähnlich enthusiastisch wie Dulacres Patenkind. „Mensch, Ruffy! Jetzt warte doch!“ Nun hatte das Schiff der Strohhüte angelegt und der Smutje sprang ebenfalls von Bord. Er nickte Dulacre kurz zu und hob eine eingepackte Weinflasche hoch. „Château Margaux.“ Dulacre erwiderte sein knappes Nicken. „Seelamm ist in der Kühlkammer. Pass auf, dass dein Kapitän es nicht roh ist.“ „Seelamm?“, wiederholte der Smutje mit hochgezogener Augenbraue, während hinter ihm eine Strickleiter heruntergelassen wurde. „Von der Grand Line?“ „Bin ich ein Barbar? South Blue.“ „Oh, gute Wahl.“ „Gleichfalls.“ Einen Moment sahen sie einander abschätzig an, dann rief der Lockenkopf dem Smutje etwas zu, damit dieser mit ihm und den anderen zum Schloss ging. Schlusslicht bildeten Jinbei und Doktor Chopper, die ihn höflich grüßten. Und dann endlich schwang er sich über die Reling und landete mit einem dumpfen Aufprall auf dem Steg, ehe er sich aufrichtete und Dulacre sein schelmisches Grinsen schenkte. „Hey“, grüßte Lorenor ihn in seiner üblichen mürrischen Art, die zeigte, wie gutgelaunt er war, „du weißt aber schon, dass du nicht jedes Mal auf mich warten musst, oder? Den Weg zum Schloss finde ich schon noch allein.“ „Daran hege ich so meine Zweifel.“ Dulacre stieß sich von seinem Baum ab und ging seinem Wildfang ein paar Schritte entgegen. „Außerdem ist Perona in ihrem Putzwahn unerträglich, da genieße ich doch lieber die Ruhe des Meeres, ehe deine Crew von Chaoten anlegt.“ „Tze, stell dich doch nicht so an.“ Doch dann blieb Lorenor stehen und sah zum Schiff zurück. Dulacre beobachtete aufmerksam, wie das Lächeln des anderen schwand, und er folgte dem strengen Blick zur Reling, wo Nico Robin und die Navigatorin noch warteten, beide wachsam dreinblickend. „Jetzt komm schon“, bellte Lorenor grob zu ihnen hinauf und verschränkte die Arme. „Du lässt mich schlecht vor meinem ehemaligen Lehrmeister aussehen.“ „Zorro!“, keifte die Navigatorin direkt zurück, aber im nächsten Moment ergriffen zwei winzige Händchen die Strickleiter. Den winzigen Händchen folgten zwei dürre Ärmchen und ein feuerroter Strubbelkopf, dessen Haare mehr schlecht als recht in einem Zopf gebändigt waren, wobei einzelne Strähnen sich bereits befreit hatten und der Schwerkraft trotzten. Das gnomenhafte Etwas begann die Leiter hinabzusteigen, während die Navigatorin ihm ermutigende Worte zusprach und dann zusammen mit Nico Robin folgte. Selbst auf die Entfernung konnte Dulacre mit seinen scharfen Augen das Wesen begutachten. Auch die hochwertige und offensichtlich neue Kleidung konnte nicht über den abgemagerten und verhärmten Körper hinwegtäuschen, allerdings hatte es eine gesunde Hautfarbe und die vor Angst riesigen Augen schienen weder matt noch lethargisch. Dieses Kind schien bis vor kurzem großes Leid und noch größere Entbehrungen erlebt zu haben, die selbst einige Tage an guter körperlicher und seelischer Versorgung noch nicht hatten ausgleichen können. Dulacre warf Lorenor einen Seitenblick zu, während das bedauernswerte Geschöpf näherkam. Mit etwas Abstand folgten die beiden Damen. Bei ihnen angekommen glotzte es Dulacre mit weit aufgerissenen Augen an, ehe es hilfesuchend Lorenor anstarrte, woraufhin dieser nur sachte nickte. Im nächsten Moment warf das kleine Etwas sich beinahe zu Boden, so tief war seine Verbeugung, und quiekte hektisch: „Ich lege mein Leben in Eure Hände! Ich bitte Euch…“ „Falsch“, unterbrach Lorenor die piepsige Stimme mit seinem tiefen Brummen, woraufhin die großen Augen ihn noch panischer anstarrten, „versuch es nochmal. Denk daran, was ich dir gesagt habe.“ Dulacre entging nicht, wie Lorenor mit diesem dürren Wesen sprach, so wie er sich früher immer an Doktor Chopper gewandt hatte, als dieser noch unsicher und so verletzlich gewesen war. Es war eine Sanftheit, die Lorenor nicht jedem zu Teil werden ließ. Das Geschöpf mit dem haargewordenen Feuer nickte sachte und Dulacre konnte sehen, wie es mehrmals schluckte und sich dann auf die Unterlippe biss. Im Hintergrund standen Nico Robin und die Navigatorin und beobachteten sie mit Argusaugen, als wollten sie sichergehen, dass Dulacre es nicht mit Haut und Haaren verschlang oder einfach ins Meer warf. Erneut verbeugte sich das Etwas, dieses Mal jedoch nicht ansatzweise so tief wie zuvor, die Arme angelegt, eine Spannung im Körper, die wohl angemessen war. „Mihawk Dulacre, ich bitte Sie, bitte unterweisen Sie mich im Schwertkampf!“ Dieses Mal klang die Stimme nach dem ersten Zittern deutlich kräftiger und obwohl Dulacre natürlich vorhergesehen hatte, was passieren würde, überraschte diese Bitte ihn dennoch. Das Kind ignorierend begutachtete er Lorenor, welcher ihn nun so breit angrinste, dass er seinem Kapitän Konkurrenz machen konnte. „Gut gemacht“, lobte Lorenor dann das kleine Etwas, „du kannst dich wieder aufrichten.“ Es folgte seiner Aufforderung, die Augen immer noch weit aufgerissen. „Dulacre, darf ich dir vorstellen, Roshan.“ Dulacre ließ seinen Blick von Lorenor auf das kleine Etwas vor ihm gleiten, welches seinem Blick wie ein erstarrtes Rehkitz begegnete. „Roshan, dies ist Dulacre, mein ehemaliger Lehrmeister und nun mein Sozius. Also erweise ihm Respekt.“ Das Etwas wollte etwas erwidern, doch die Navigatorin war schneller. „Jetzt hör doch mit diesen geschwollenen Worten auf. Du machst ihr am Ende noch Angst, Zorro!“, keifte sie, kam nach vorne und legte dem kleinen Ding eine Hand auf die Schulter. „Komm, Roshan, lass uns schonmal vorgehen und die beiden Sturköpfe ein bisschen unter sich sein.“ „Hör auf sie zu bemuttern, Nami. Sie ist eine Kämpferin und…“ „Ab Morgen ist sie meinetwegen eine Schwertkämpferin, aber heute – zumindest für heute! – ist sie nur ein Kind. Also sei nicht so streng zu ihr.“ Dann warf sie ihm einen Blick zu, den Dulacre nur zu leicht als ein Du weißt doch, was sie durchgemacht hat deuten konnte. Nun gesellte sich auch Nico Robin dazu und zwinkerte Dulacre kurz zu, ehe sie sich Roshan zuwandte. „Ich weiß, du willst einen guten ersten Eindruck hinterlassen und am liebsten heute noch mit dem Training beginnen, aber wenn du es wirklich ernst meinst, dann musst du der Schwertkunst den nötigen Respekt erweisen und dich gut vorbereiten. Also wie wäre es mit etwas Leckerem zu essen und einer ordentlichen Mütze Schlaf? Während des Seegangs kamst du ja nicht gut zur Ruhe.“ Das kleine Ding sah zu Lorenor hinauf und auf dessen Nicken hin, ging sie mit den beiden Damen, wechselte leise Worte mit ihnen, während Dulacre ihnen nachsah. Er wartete, bis selbst Nico Robins Ohren außer Reichweite waren, dann wandte er sich Lorenor zu. „Was hast du mir denn da mitgebracht, Lorenor?“ Auch der andere sah noch einen Moment in den Wald hinein, ehe er sich Dulacre zuwandte und mit den Schultern zuckte. „Wonach sieht es denn aus? Eine Schülerin.“ Dulacre hob nur eine Augenbraue an. „Dieses unscheinbare Etwas? Bist du dir wirklich sicher, dass sie meinen Ansprüchen genügen kann?“ Nun zeigte der andere sein typisches Grinsen. „Habe ich dich je enttäuscht?“ Einen Moment sah Dulacre an dem anderen vorbei aufs weite Meer, welches im warmen Sonnenlicht glitzerte. „Du weckst hohe Erwartungen in mir. Ich hoffe, sie kann diese erfüllen.“ „Naja, es wäre nicht das erste Mal, dass du einen deiner Schüler unterschätzt hättest.“ Der andere nickte ihm zu und gemächlichen Schrittes folgte sie dann den anderen Richtung Schloss. Doch sie beide hatten es nicht eilig, genossen die angenehme Ruhe, ehe es lebhaft wild zugehen würde. „Wie lange habt ihr vor, zu bleiben?“, fragte Dulacre. „Ray ist zu Besuch und Jiroushin hat gestern Abend angerufen, dass er in den nächsten Tagen vorbeikommen wird, sobald seine Arbeit es erlaubt.“ Lorenor neben ihm rieb sich den Nacken. „Ray ist hier? Seit wann? Was hat dieses Gör denn jetzt wieder angestellt, um zu dir ins Straflager geschickt zu werden?“ Dulacre schnalzte mit der Zunge. „Dieses Gör, von dem du da sprichst, ist mein Patenkind. Seit gestern, ist von Zuhause abgehauen“, setzte er etwas ruhiger hinterher. Leise lachte Lorenor auf. „Du setzt diesem… deinem Patenkind eindeutig zu viele Flausen in den Kopf. Du wirst Jiroushin noch einen Herzinfarkt bescheren.“ „Ach, der Apfel fällt nicht weit vom Stamm. Aber lass uns nicht die Zeit mit Jiroushins Erziehungsversuchen vergeuden. Wie lange werdet ihr bleiben?“, wiederholte er seine Frage. Lorenor sah zu ihm auf. „So zehn Tage wirst du sie schon aushalten müssen. Danach wollte Ruffy glaube ich zur Fischmenscheninsel aufbrechen, wegen irgendeiner Hochzeit oder so, habe nicht genau zugehört.“ Schweigend nickte Dulacre. Zehn Tage waren sicherlich eine lange Zeit, um seine Geduld vom Strohhut und dessen Crewmitgliedern testen zu lassen, aber andererseits auch äußerst wenig. Er wusste, dass er dankbar sein sollte. Sie alle blieben nur Lorenor zuliebe so lange, aber dennoch fiel es ihm schwer. Er hätte nie gedacht, dass eine Fernbeziehung so schwierig sein konnte, und Lorenor war nun mal sehr schlecht darin, auch wenn er sich mit den Jahren deutlich verbessert hatte. „Robin und Chopper hatten mich übrigens gefragt, ob sie hier bleiben dürften. Wie du weißt, hat Robin keine Heimat mehr und Chopper hat entschieden, nicht auf Drumm zu bleiben“, sprach Lorenor weiter und sicherte sich Dulacres Aufmerksamkeit. „Sie werden dich natürlich noch fragen, aber ich habe ihnen gesagt, dass ich nicht davon ausgehe, dass du etwas dagegen haben wirst. Oder habe ich mich da geirrt?“ Nun erwiderte der Jüngere seinen Blick. Dulacre nahm sich den Moment, um ihn zu mustern. Ihr letztes Treffen lag noch gar nicht so lange zurück, aber er bildete sich ein, dass Lorenor sich seitdem schon wieder sehr verändert hatte; er hatte ihn wirklich vermisst. Dann seufzte er und nickte: „Dies ist auch dein Heim und wenn du die beiden zum Bleiben eingeladen hast, wäre es höchst unhöflich, wenn ich sie wieder ausladen würde.“ „Nicht, dass du ein Problem damit hättest, unhöflich zu sein“, grinste der andere ihn an. Dulacre strich sich durchs Haar. „Ich habe nichts dagegen einzuwenden, dass sie bleiben“, gestand er dann zu. „Sowohl Nico Robin als auch Doktor Chopper sind angenehme Zeitgenossen und das Schloss wird nach Rays Abreise wieder deutlich ruhiger werden.“ Leise seufzte er. „Aber was mutest du mir hier zu, Lorenor? Erst dieses unscheinbare Ding und nun auch noch deine Crewmitglieder? Ich bin kein Hotelier, das weißt du?“ Doch er musste selbst mit dem Kopf schütteln. „Aber vielleicht ist es so sogar besser, als wenn ich allein mit Perona und diesem Kind wäre. Es wirkt auf mich doch noch recht eingeschüchtert und Nico Robin scheint einen guten Zugang zu ihm zu haben.“ „Gib ihr etwas Zeit“, murmelte Lorenor neben ihm in Gedanken versunken. „Sie hat einiges durchgemacht, aber glaube mir, wenn ich dir sage, dass sie die eine sein könnte.“ Dulacre blieb stehen und sah den anderen an, der zwei Schritte später ebenfalls stehen blieb und sich zu ihm umwandte. „Bist du dir sicher?“ Lorenor zuckte mit den Schultern und zeigte ihm ein ehrliches Lächeln. „Nein, bin ich nicht, woher auch? Du weißt, dass sowas mich nicht wirklich interessiert und ich hatte auch nie vor, mir einen Schüler zu nehmen und es herauszufinden. Aber… aber ich konnte sie nicht zurücklassen.“ Für einen Moment wandte Lorenor den Blick ab, ehe er Dulacre ansah. „Du weißt, worum Menschen bitten, wenn sie dem Tod gegenüberstehen. Aber sie nicht, sie war stärker als all das, was sie brechen wollte; hat mich angefleht, ihr beizubringen so zu kämpfen, wie ich es tue.“ Dulacre schritt auf den anderen zu und legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Beeindruckend, das gebe ich zu, aber ein eiserner Wille ist nicht genug, Lorenor.“ „Ich weiß“, nickte der andere und sah zu ihm auf, „und ich sage dir, ich hätte sie nicht hergebracht, nicht aus Mitleid, nicht aus Güte. Ich kann es dir nicht genau beschreiben, aber da war etwas; ich musste sie mitnehmen, verstehst du? Aber ich habe noch nie jemanden unterrichtet, nicht auf dem Niveau, nicht im Schwertkampf, und ich bin nicht gut im Erklären. Du bist der beste Lehrer, den ich kenne und daher brauche ich deine Hilfe, dass sie die Ausbildung bekommt, die sie verdient.“ Klar und entschlossen lag Lorenors Blick auf ihm und Dulacre verstand. Anders als Lorenor zweifelte Dulacre nicht an dessen Fähigkeiten, insbesondere wenn er bedachte, wie gut dieser die Schwächeren seiner Crew unterwiesen hatte und in welch simple Worte er komplexe Vorgänge kleiden konnte. Aber es stimmte, dass Lorenor noch nie einen anderen Schwertkämpfer ausgebildet hatte und wenn dieses Kind wirklich von erlesener Qualität sein sollte – woran Dulacre noch berechtigte Zweifel hegte – dann hatte Lorenor wohl Recht, dass sie die beste Ausbildung verdiente, um dies herauszufinden. Außerdem schien sie in einem ähnlichen Alter wie Ray und könnte mit der Zeit vielleicht eine gute Trainingspartnerin darstellen. „In Ordnung. Ich werde meine Zweifel für den Moment zu ihren Gunsten auslegen. Ich vertraue auf dein Urteil, Lorenor.“ „Danke.“ „Aber es ist schon etwas dreist von dir, dich als ihr Lehrmeister aufzuspielen und sie dann bei mir abzuladen?“ Nun sah der andere ihn aus zusammengekniffenem Auge an. „Ich… ich habe nicht vor sie bei dir abzuladen. Warte? Hast du mir wieder nicht richtig zugehört?“ Dulacre hob nur eine Augenbraue an, konnte aber nicht verhindern, dass sie zuckte. Er mochte nicht, wenn Lorenor so etwas behauptete. Doch im nächsten Moment schüttelte der andere den Kopf und zeigte ihm ein schiefes Schmunzeln. „Du Vollidiot, du willst mich manchmal auch einfach missverstehen, oder?“ Unverhohlen sah Lorenor ihn an. „Ich habe nicht vor, irgendjemanden hier abzuladen, weder Roshan noch Robin oder Chopper. Ich habe sie mitgebracht. Auch ich werde bleiben.“ „Für zehn Tage, das habe ich gehört, und dann reist ihr zur Fischmenscheninsel weiter. Wie gesagt, Lorenor, ich höre dir stets zu.“ Der andere stöhnte leise auf und packte grob Dulacres Handgelenk an dessen Schulter. „Nein, du Mistkerl. Ruffy und der Rest der Crew reisen weiter. Aber Robin, Chopper und ich, wir drei bleiben.“ Einen Moment sahen sie einander nur an. Diese Worte ergaben keinen Sinn. Natürlich würde Lorenor immer seinem Kapitän folgen. „Wie lange?“ Dulacre schüttelte leicht den Kopf, als er versuchte, zu verstehen, was der andere sagte. „Bis Ruffy uns wieder ruft“, entgegnete Lorenor mit einem Schulterzucken. „Aber nach der Hochzeit werden auch die anderen heimkehren und Ruffy will zurück in den East Blue. Sie alle wollen nochmal was Zeit zuhause verbringen, wir waren lange unterwegs. Also könnte das schon ein Weilchen dauern.“ Nun grinste Lorenor ihn an, schien offensichtlich seinen Spaß daran zu haben zu beobachten, wie Dulacre diese Aussage verarbeitete. „Aber… aber möchtest du nicht auch in den East Blue?“ „Doch, natürlich.“ Der andere nickte. „Aber ich will, dass du mitkommst. Ich will, dass du Meister Koshiro kennenlernst.“ Dulacre zögerte für einen Moment, als er verstand, was dies alles bedeutete. „Das würde ich sehr gerne“, stimmte er zu. „Aber was ist mit den anderen? Was ist mit deinem Kapitän? Ist es für dich wirklich in Ordnung, nicht an seiner Seite zu sein? Ist es für ihn in Ordnung, wenn du nicht bei ihm bist?“ Eine Sekunde sah Lorenor ihn mit großer Überraschung an, dann zeigte er ein selten warmes Lächeln. „Du wirst schon wieder zu rücksichtsvoll, Dulacre“, meinte er, aber nichts an seiner Stimme klang tadelnd. „Du weißt doch, dass Ruffy… ich muss nicht neben ihm stehen, um bei ihm zu sein.“ Ja, Dulacre wusste das. Am Anfang war es nicht leicht für ihn gewesen, zu wissen, dass Lorenor nie nur ihm gehören würde – woraufhin Lorenor sehr deutlich gemacht hatte, dass er generell niemandem gehören würde, obwohl er hatte wissen müssen, wie Dulacre diese Worte gemeint hatte – und dass diese besondere Verbindung zu seinem Kapitän etwas war, was immer bestehen würde, ganz gleich, wie Dulacre zu Lorenor stand. Über die Jahre hatte er es akzeptiert und auch, dass Lorenor diesem Mann für immer folgen würde, daher schien ihm die neueste Entwicklung mehr als unwirklich. „Tja, und was die anderen angeht, ich denke, wir werden sie halt ab und an besuchen und sie werden umgekehrt auch mal hier vorbeischauen“, murmelte Lorenor und rieb sich nachdenklich den Nacken. „Wenn wir durch den Calm Belt reisen, wären die anderen zum Großteil gar nicht so weit entfernt, sodass wir vermutlich nicht oft unsere Ruhe haben werden.“ Nun konnte auch Dulacre ein Schmunzeln nicht verhindern, als er verstand, dass Lorenor es wohl wirklich ernst meinte. „Ich glaube, diesen Preis bin ich nur zu gerne bereit, zu zahlen.“ Erneut sahen sie einander für einige Sekunden einfach nur an. „Du wirst bleiben?“ „Ja, ich werde bleiben“, nickte Lorenor mit einem breiten Grinsen, ehe er drei Mal mit dem Zeigefinger gegen Dulacres Handgelenk tippte, ehe er seine Hand abstreifte und Richtung Schloss nickte. „Na komm, lass uns zu den anderen gehen.“ Noch eine Sekunde betrachtete Dulacre den anderen, streifte über sein Handgelenk mit dem goldenen Armband und dann folgte er ihm. Nebeneinander gingen sie den vertrauten Weg entlang und er konnte nicht anders, als den Mann an seiner Seite zu mustern, welcher wiederum die Umgebung begutachtete, die sich natürlich stetig weiterentwickelte, seitdem die Human Drills die Insel pflegten und bewirtschafteten. Ein Lächeln stahl sich auf Dulacres Lippen, als ihm bewusst wurde, wie glücklich er war. Er sah zum strahlendblauen Himmel auf, als sich der letzte Nebel verzogen hatte. „Ich weiß, dass du trotz allem, was geschehen ist, davon ausgehst, dass alles nur aufgrund unserer Entscheidungen so gekommen sein mag“, sprach er klar. „Es ist alles so gekommen aufgrund unserer Entscheidungen“, bemerkte Lorenor direkt. „Mhm“, stimmte Dulacre nachdenklich zu und sah wieder auf den Weg vor ihnen, „und dennoch. Nach allem, was passiert ist, all diese fast zu perfekten Zufälle, die kleinen und großen Wunder und Katastrophen, und alles hat dazu geführt, dass wir beide jetzt hier sind, zuhause, mit deiner Crew, meinem Patenkind und jetzt sogar noch einer Schülerin. Nenn mich einen sentimentalen alten Mann, aber manchmal frage ich mich doch, ob es nicht Schicksal war, dass wir einander begegnet sind.“ Er merkte Lorenors Blick auf sich, doch entschied, weiter geradeaus zu sehen und dem hämischen Schalk in diesem grünen Auge zu entgehen. „Ja, du bist sentimental und alt und echt nervig“, murmelte Lorenor neben ihm, aber aus dem Augenwinkel konnte Dulacre sehen, wie der andere nach seinen Ohrringen griff, überraschenderweise ganz ohne den erwarteten Schalk, „und ja, es ist unglaublich viel passiert. Also, wer weiß.“ Der Jüngere machte ein paar schnelle Schritte nach vorne und wandte sich ihm zu, so dass er rückwärts vor Dulacre vorweg ging. „Tja, vielleicht hast du Recht, vielleicht war es wirklich Schicksal.“ Er zuckte mit den Schultern und grinste breit. „Vielleicht hatten wir aber auch einfach nur Pech.“ Im Rücken des anderen erwuchs das Schloss Kuraiganas, ihr gemeinsames Heim und Dulacre konnte sehen, wie Lorenor es über seine Schulter hinweg begutachtete, weiterhin rückwärts vor Dulacre herlaufend. „Willkommen zuhause, Lorenor.“ Überrascht blieb er stehen und sah Dulacre mit großem Auge an, ehe er lächelnd den Blick senkte. „Ich bin wieder da.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)