Ein letztes Geheimnis von Sharry ================================================================================ Kapitel 35: Kapitel 35 - Abreise -------------------------------- Kapitel 35 – Abreise   ~ einige Tage später ~   - Zorro – „Lorenor“, grüßte ihn die wie üblich leicht entnervte Stimme seines ehemaligen Lehrmeisters, „wo bist du, wenn ich fragen darf?“ Scheiße! „Ähm…“ „Wo bist du?“ Verdammte Scheiße! „Auf… auf dem Weg nach Zou?“ „Interessant, denn ich erinnere mich, mit Jiroushin abgesprochen zu haben, dass er dich in irgendeiner Hütte auf Dress Rosa vorfinden würde, wie du mir während unseres letzten Telefonats aufgetragen hattest.“ Oh, verdammte Scheiße! „Und rate mal, wer mich eben anrief und dich nicht finden konnte? Leicht besorgt, nachdem deine Crew wohl Reißaus vor der Marine genommen hatte.“ Er entgegnete gar nichts. „Hast du irgendetwas zu deiner Verteidigung vorzubringen?“ „Es gab Sake?“ „Lorenor!“ Verdammt! Er hatte doch glatt vergessen, dass es da noch ein anderes Problem gab. Er hatte wirklich einfach vergessen, dass er sich heute mit Jiroushin treffen und nach Mary Joa reisen wollte. Nachdem er den anderen endlich die Wahrheit gestanden hatte und sie sich danach wie üblich ins Chaos gestürzt hatten, ohne dass auch nur einer Zorro gegenüber misstrauisch gehandelt hatte, war er endlich angekommen, hatte endlich für einen Moment diesen Klumpen Angst in seiner Magengegend vergessen, und damit auch, was er eigentlich zu tun hatte. „Du bringst mich wirklich an den Rand der Verzweiflung!“, knurrte der andere und Zorro konnte laute Schritte hören, als der andere wohl begonnen hatte, auf und ab zu tigern. „Unverbesserlich, wie eh und je.“ Laut stöhnte Dulacre auf und die kleine weiße Teleschnecke spiegelte seinen entnervten Gesichtsausdruck perfekt wider. Er hörte sich besser an seit seinem letzten Gespräch mit Zorro, aber darüber dachte Zorro gerade nicht wirklich nach, als er die Wut des anderen auf sich zog. „Nun gut, sei es so. Ich kann ja nicht behaupten, dass ich das nicht erwartet hätte.“ „Nicht?“, murrte Zorro, obwohl er sich bewusst war, dass er vielleicht besser schweigen sollte. „Natürlich nicht. Es scheint mir, als würdest du in Gegenwart deines Kapitäns zu einem einfältigen Tölpel degenerieren. Zum Glück habe ich ein solches Szenario bereits vorausgesehen und Jiroushin während seines Aufenthaltes auf Kuraigana einen Teil deiner Vivre Card gegeben.“ „Du hast was?“ Die Teleschnecke rollte mit den Augen. „Sei nicht so überrascht, Lorenor, ein solches Verhalten meinerseits war doch absolut vorhersehbar. Allerdings wird Jirou sich nicht direkt aufmachen können, um euch zu folgen – verfluchte Marinetätigkeiten, ihr habt ein ganz schönes Chaos auf Dress Rosa hinterlassen – aber er wird euch nachreisen und einen Konflikt provozieren.“ „Warum?“ „Tze, bitte denk doch mit. Während des Tumults eines Kampfes kannst du dich ungesehen in seine Kajüte begeben. Daraufhin wird er zum Rückzug auffordern, unter irgendeiner fadenscheinigen Ausrede. Es ist kein guter Plan, aber der Einzige, der uns bleibt, wenn du es noch rechtzeitig zur Reverie schaffen möchtest. Stelle du nur sicher, dass du deine Crew einweihst; ich würde es nicht willkommen heißen, wenn ihr auch noch diesen Plan mit eurer Einfältigkeit vermasselt. Außerdem würde es sich gewiss nicht gut in Jiroushins Akte machen, ein Kriegsschiff zu verlieren. Also haltet euch zurück.“ „Glaubst du wirklich, dass dieser Plan funktionieren wird? Hört sich für mich alles andere als durchdacht an.“ „Wessen Schuld denkst du ist das, Lorenor?“, grummelte der andere. „Mir gefiel unser Ursprungsplan auch deutlich besser, aber du hast ihn ja vergessen! Also wenn du keinen…“ „Wenn ich mich einmischen dürfte? Ich hätte vielleicht einen Vorschlag, der etwas weniger Risiko beinhaltet.“ Zorro sah überrascht auf. „Nico Robin“, entgegnete Dulacre mit schroffer Stimme, „auch wenn es mir missfällt, dass du private Gespräche mithörst, so wäre ich doch sehr beruhigt, wenn zumindest ein Mitglied dieser Crew mitdenken würde.“ Mit einem Lächeln schloss sie die Türe hinter sich und schritt zu Zorro in den Aufenthaltsraum der Going Ruffy, in den Zorro sich zum Telefonieren zurückgezogen hatte. „Ich bin mir ziemlich sicher, dass sich deine Meinung ändern wird, wenn du von meinen Gedanken hörst.“   ~ wieder einige Tage später ~   In angespannter Stille saßen sie da, Zorro direkt hinter der Tür, Lysop mit geladener Schleuder genau gegenüber, während draußen die Planken knarzten. Nun würde sich zeigen, ob Robins Plan aufgehen oder ihnen noch viel größere Probleme bescheren würde. Sein Blick glitt über die Anwesenden, die alle mehr oder weniger aufmerksam den Neuankömmling erwarteten. Zorro konnte nicht ganz vermeiden, ein schlechtes Gewissen zu haben. Sie hatten derzeit genug Probleme am Hals – ein Vollidiot von Koch zum Beispiel, der einen verdammten Alleingang gestartet hatte, auch wenn Zorro vielleicht nicht derjenige war, der darüber urteilen sollte – außerdem missfiel es ihm, nun, da die Crew getrennt war, sich von den anderen abzuseilen. Natürlich traute er den anderen zu, auf sich selbst Acht zu geben, so wie sie es die vergangenen zwei Jahre getan hatten. Aber sie waren in Begriff sich mit Kaido anzulegen, auf dem Weg in ein fremdes Land mit neuen Gefahren und ausgerechnet jetzt musste Zorro für einige Tage Lady Loreen spielen. Vor der Türe verstummten die Schritte und leise quietschend bewegte sich die Klinke. „Einen schönen guten Abend.“ „Uah! Ein Marinesoldat!“ „Reg dich ab, Lysop, das ist Jiroushin.“ Schwerfällig erhob Zorro sich, während der Vizeadmiral die Türe hinter sich ins Schloss fallen ließ. „Mann, Zorro!“, grüßte der Neuankömmling ihn mit einem breiten Grinsen und schlug ihm kräftig auf die Schulter. „Gut dich zu sehen – endlich – du bereitest einem ganz schönes Kopfzerbrechen, weißt du das?“ „Sorry“, murmelte er. „Also… also der Typ ist nicht unser Feind?“, fragte Lysop kleinlaut nach. „Oh doch, natürlich“, lachte Jirioushin. „Ich bin schließlich Marinesoldat und ihr seid gesuchte Schwerverbrecher.“ „Zorro!“ „Aber Dulacre ist mein bester Freund und ich würde nie zulassen, dass seinem Wildfang etwas zustößt.“ „Bitte sag mir, dass er sich ein beschissenes Pferd zugelegt hat“, stöhnte Zorro leise auf und rieb sich die Schläfen. „Aber ich muss sagen, ich bin etwas enttäuscht. Ich hätte zu gerne deinen Kapitän kennen gelernt – Hawky scheint ihn ja überhaupt nicht leiden zu können, daher bin ich mir sicher, dass er ein fröhlicher Zeitgenosse ist – aber er ist ja gar nicht da und gefühlt die Hälfte deiner Crew fehlt“, schmollte Jiroushin beinahe und warf einen Blick in die Runde, um die einzelnen Crewmitglieder zu begutachten. Auf Robins klugen Einwand hin, waren nur sie und Trafo anwesend. Die übrigen Mitstreiter sollten das Geschehen mit sicherem Abstand aus dem U-Boot der Heart-Piraten beobachten und Zorro war das nur Recht; er bevorzugte, wenn die kleine Sache mit Lady Loreen nicht direkt jeder wusste. „Ja, das stimmt, aber ich denke, je weniger ich dir sage, desto besser für uns alle“, murrte er. Mit einem tiefen Seufzen nickte der Vizeadmiral. „Sag mal, ist Comil an Bord?“, fragte Zorro und hielt seinen Blick bewusst auf Jiroushin, dieser schüttelte jedoch nur mit dem Kopf. „Tut mir leid, er wurde nicht nach Dress Rosa berufen. Aber ich habe einen Termin für dich auf Mary Joa mit ihm vereinbart.“ „Okay, danke dir.“ Zorro ließ sich nichts anmerken. Er hatte entschieden, erst mit Comil selbst über seine erlangten Informationen zu sprechen, ehe er irgendwem unnötige Hoffnungen machen würde, aber er hätte sich gewünscht, schon mal eines der nervigen Themen abhaken zu können. „Nun gut, die Idee mit dem verlassenen Handelsschiff war sehr gut, aber ich denke, wir sollten allmählich zur Tat schreiten, wenn ich zu lange brauche, wird mit Sicherheit jemand nach mir gucken kommen und dann werden wir doch noch miteinander kämpfen müssen“, erklärt Jiroushin mit einem breiten Grinsen, welches Ruffys Konkurrenz machen konnte. Dann zog er einen kleinen Stempel hervor. „Dulacre hat mir gesagt, dass es für deine Fähigkeit von Vorteil ist, wenn du genau weißt, wie der Gegenstand aussieht, wenn du ihn nicht mit eigenen Augen sehen kannst. Ein Stempel, der genauso aussieht, wie dieser hier, liegt auf dem Boden inmitten meiner Kajüte. Wird das für dich funktionieren?“ Trafo, der bisher gegen einen Balken gelehnt und sie alle nur beobachtet hatte, stieß sich nun vom Holz ab und schritt auf Jiroushin zu. „Room“, murmelte er leise und nahm dann den Stempel entgegen. „Ja, das sollte gehen“, murrte er. Im Hinterkopf konnte Zorro Dulacres leises Fluchen hören, als würde er direkt hinter ihm stehen und sich darüber ereifern, dass er den Erfolg dieses Plans nicht diesem Bengel anvertrauen würde, aber Robins Vorschlag war nun mal gut, deutlich besser als einen Konflikt zu riskieren. „Okay.“ Zorro lockerte seine Muskeln und sah jeden Einzelnen der Anwesenden an. „Wir sehen uns dann in ein paar Tagen. Passt auf euch auf.“ „Musst du gerade sagen“, meinte Lysop mit deutlich zu lauter Stimme, „pass du bloß auf dich auf!“ „Ach Langnase, mach dir doch nicht so einen Kopf“, lachte Franky und schlug dem Lügenbaron kräftig auf den Rücken, aber über seine Sonnenbrille hinweg sah er Zorro ernst an, „schließlich hat Zorro einen Plan.“ Also wie schaut’s aus? Was ist der Plan? Er sah ihn genauso an, wie damals. Nein, nicht genauso, damals in den Kerkern der G6 hatte Franky ihn nicht hinterfragt und sie alle hatten dafür bezahlen müssen, jetzt forderte er diesen Vertrauensvorschuss von Zorro wieder zurück. Zorro nickte. „Keine Sorge, ich werde auf Wa No Kuni zu euch stoßen.“ Franky nickte ebenfalls. Dann fiel Zorros Blick auf Robin, doch sie neigte nur leicht den Kopf und lächelte. „Bis dann, Zorro.“ Er mochte es nicht, er mochte es absolut nicht. Er konnte spüren, wie sie ihm alle versichern wollten, dass er sich keine Sorgen machen brauchte, so wie er ihnen versicherte, dass sie sich keine Sorgen machen brauchten. Aber so, wie es ihm nichts brachte, machten sie sich wahrscheinlich auch trotzdem Sorgen. Vielleicht sogar zu Recht. „Okay“, murmelte Zorro, griff den Seesack neben sich und sah kurz Jiroushin an, „bis gleich.“ Dann nickte er Trafo zu, der ebenfalls nur nickte und bevor Zorro auch nur wusste, was passierte, befand er sich plötzlich mitten in einem recht großen Raum mit protzigen Gemälden und einem Schreibtisch, groß genug, um eine Konferenz abhalten zu können. Es war ein kluger Plan gewesen, das gestand Zorro Robin neidlos zu. Dank Laws Fähigkeit konnte Zorro an Bord dieses Kriegsschiffes gelangen, ohne dass jemand ihn sehen würde und Jiroushin würde einfach so tun, als wäre das vermeintliche Handelsschiff, auf dem die anderen sich versteckt hielten, verlassen gewesen. Wie sowohl Robin als auch Dulacre erwartet hatten, hatte ihre Route nach Wa No Kuni sich genau mit der Route Jiroushins von Dress Rosa zurück nach Mary Joa gekreuzt, sodass es nun noch nicht mal auffallen würde. Es war ein guter Plan, dennoch war Zorro alles andere als zufrieden. Die ganze Situation ärgerte ihn, verdammter Koch, verdammte Big Mom, verdammte Reverie, verdammter Eizen. Es war wirklich, wie er gesagt hatte, die Dinge waren nicht mehr einfach, nichts war mehr einfach und er war mitten drin. Aber wenn er das hier packen würde, dann würde ein ganz elementarer Teil seines Lebens wieder einfacher und wenn er es nicht packen würde, dann… dann würde er zumindest ein Spektakel erleben, welches er sich kaum ausmalen konnte. Vor der großen doppelseitigen Tür konnte Zorro Stimmen hören und er entschied, in Deckung zu gehen. Die Kajüte des Kommandeurs des Schiffes war groß, allerdings nicht so groß, wie die Räumlichkeiten in denen er als Lady Loreen normalerweise untergebracht war. Es gab kein abgetrenntes Schlafzimmer, in das man sich zurückziehen konnte, aber das war auch gar nicht nötig, denn als die Tür aufging, war es nur Jiroushin, der hineinkam, kurz noch ein paar Worte wohl mit einem Soldaten auf der anderen Seite der Türe wechselte, ehe er sie wieder hinter sich schloss, zu seinem Schreibtisch hinüber ging und beide Stempel dort abstellte. „Mann, du bist wirklich gut geworden“, urteilte er, „obwohl ich weiß, dass du da bist, kann ich deine Präsenz überhaupt nicht wahrnehmen. Aber die Mauern deines Verstandes waren ja immer schon sehr solide und in deiner anderen Gestalt bist du ja selbst im Kampf nicht wahrnehmbar.“ Zorro trat aus dem Bad heraus. „Danke für deine Hilfe, Jiroushin, und entschuldige die Umstände. Ich habe unser Gespräch von Kuraigana nicht vergessen und hätte dich lieber nicht mithineingezogen.“ Mit einem breiten Schmunzeln schüttelte der Vizeadmiral den Kopf und hängte seinen Marinemantel neben der Türe auf. „Nicht doch. Es stimmt natürlich, durch unsere Positionen sind wir Feinde, aber das ändert nichts daran, dass ich dir als meinem Freund helfen möchte. Außerdem, wenn Dulacre mit dem, was er gesagt hat, Recht behalten sollte, werde ich auf diese Weise sogar die Weltregierung schützen, nicht wahr?“ „Was hat er dir erzählt?“ Zorro mochte die Situation immer noch nicht, aber ihm war auch bewusst, dass dieses Gefühl nicht vergehen würde, bis er wieder bei seiner Crew sein würde. „Nicht wirklich viel, nur, dass die Weltregierung in Gefahr wäre und dass ihr meine Hilfe braucht, um diese Gefahr aufhalten zu können.“ Jiroushin nickte den ausladenden Stühlen an dem weitläufigen Konferenztisch zu und Zorro folgte seiner Aufforderung. „Ich vermute natürlich, dass es etwas mit Eizen und der Reverie zu tun hat; es muss etwas Dramatisches sein, wenn selbst Hawky versucht, die Weltregierung zu schützen, wobei es ihm vermutlich nur um dich geht.“ Zorro entgegnete nichts, sondern setzte sich hin. Er fragte sich, was der Samurai seinem Kindheitsfreund noch so erzählt hatte. „Im Übrigen muss ich mich entschuldigen, du bist vermutlich andere Räumlichkeiten gewohnt, aber ich bin ja nur ein einfacher Soldat der Marine und keine einflussreiche Persönlichkeit.“ „Ach, lass den Mist“, murrte Zorro abwinkend, während der andere schallend auflachte und sich ebenfalls auf einen Stuhl Zorro gegenüber fallen ließ. Doch im nächsten Moment wurde der Blondschopf wieder todernst und lehnte sich so weit vor, dass Zorro das Bedürfnis hatte sich zurückzulehnen. „Und jetzt will ich wissen, was wirklich los ist.“ Seine ganze Ausstrahlung hatte sich geändert, von dem lustigen, gutmütigen Dauergrinsen war nichts geblieben. Zorro zuckte nur mit den Achseln. „Ganz ehrlich, ich denke nicht, dass ich dir mehr erzählen sollte als nötig. Je mehr du weißt, desto mehr könntest du in die Schusslinie geraten. Allerdings…“, sprach er sofort weiter, als der andere ihn unterbrechen wollte, „… würde ich dir raten Mary Joa so schnell wie möglich zu verlassen. Lass dich notfalls krankschreiben oder so, aber ich denke – nur für den Fall, dass etwas schief geht – solltest du nicht dort sein.“ „Ach, davon rede ich doch gar nicht“, winkte Jiroushin ab und schüttelte den Kopf, „aber glaube nicht, dass mich eine ominöse Warnung deinerseits so leicht ins Bockshorn jagen würde. Selbst Hawky kann mich nicht dazu bringen, meinen Posten zu vernachlässigen, und er hat mich fast darum gebeten, euch nicht zu helfen.“ Das wiederum überraschte Zorro. Dulacre hatte deutlich gemacht, dass er nur seinem Kindheitsfreund genug vertrauen würde, Zorro zu helfen, und jetzt sollte er ihm sogar davon abgeraten haben? Es fiel Zorro etwas schwer, das zu glauben, aber letzten Endes war es nun mal Jiroushins eigene Entscheidung. „Nein, ich will, glaube ich, gar nicht wissen, in was für einen Mist ihr euch wieder manövriert habt, aber was ich wissen will, ist, warum war Hawky bei euch zu Besuch?“ Absolut ernst starrte der andere ihn an. „Ich weiß natürlich, dass er aufgrund der Reverie ein Reiseverbot erteilt bekommen hatte und auch wenn Hawky es sich nicht nehmen lässt, seine Abneigung der Weltregierung gegenüber bei jeder sich bietenden Gelegenheit deutlich zu machen, so würde er seinen Titel nicht leichtfertig aufs Spiel setzen, nicht ohne Grund.“ „Nun ja“, murmelte Zorro abwehrend. „Auch das liegt an…“ „Aber es braucht ja kein Genie, um zu vermuten, dass du irgendetwas angestellt hast und er – besessener Kontrollfreak der er nun mal ist – dir hinterher reiste, um dich vor Schlimmerem zu bewahren. Das hat mich, um ehrlich zu sein, nicht wirklich überrascht, was mich jedoch überrascht hat, war nicht nur, dass er geklungen hat, als hätte er mit deiner Crew mehrere Flaschen hochprozentigen Alkohol gekippt – was, wie wir beide wissen, er nie tun würde, weil er deine Crew nicht leiden kann – sondern insbesondere, dass er viel zu nett zu mir war.“ Oh, verdammt! Manchmal vergaß er, dass hinter dem fröhlichen Grinsen ein scharfsinniger Stratege steckte, der mit Leichtigkeit selbst mit Dulacre oder Robin mithalten konnte. Natürlich hatte Jiroushin bemerkt, dass etwas vorgefallen war. Er kannte den verdammten Samurai schon fast sein ganzes Leben, hatte dessen Höhen und Tiefen alle miterlebt und kannte ihn vermutlich besser als jeder andere. „Irgendwas muss während seiner unerlaubten Reise vorgefallen sein; ich war kurz davor, ihn für einen viel zu schlechten Doppelgänger zu halten. Also, was ist passiert?“ Abwehrend verschränkte Zorro die Arme. „Solltest du das nicht lieber mit ihm besprechen? Er ist doch dein Kindheitsfreund, lad das nicht bei mir ab.“ „Du bist aber jetzt hier, auf meinem Schiff, und ich frage dich.“ „Ich habe dir nichts zu sagen. Am Ende bin ich es dann wieder schuld, darauf kann ich gut verzichten“, murrte Zorro und zuckte nur mit den Achseln. „Ich denke, du missverstehst deine Position“, entgegnete Jiroushin mit einem freundlichen Lächeln. „Bis zu unserer Ankunft wirst du in diesem Raum hier festsitzen – mit mir – und wenn ich dich erinnern darf, kräftetechnisch magst du mir mittlerweile zwar überlegen sein, aber meine stärkste Waffe war nie mein Degen.“ Er sprach nicht weiter, doch das musste er auch gar nicht. Zorro war sich sehr bewusst, dass er dem friedvollen Krieger rhetorisch nicht das Wasser reichen konnte und jemand, der einem Sturkopf wie Dulacre jahrelang den Rücken freigehalten und die Stirn geboten hatte, ließ sich natürlich so schnell von nichts beeindrucken. Auf der anderen Seite war Zorro auch nicht irgendwer und er glaubte schon, dass er hier den stärkeren Willen an den Tag legen konnte. Außerdem war auch er sehr gut darin, diesem Mistkerl eines Samurais die Stirn zu bieten. „Ich verstehe deinen Widerwillen“, sprach Jiroushin nun weiter und lehnte sich wieder zurück. „Du willst nicht zwischen die Fronten geraten, indem du mir Dinge erzählst, von denen du ausgehst, dass Dulacre sie mir vielleicht aus gutem Grund nicht gesagt hat und nicht sagen will. Ich erinnere mich daran, dass du vermeiden wolltest, dass deine reine Anwesenheit unsere Freundschaft gefährdet, und es scheint, als würdest du diesen Worten immer noch viel Bedeutung zumessen, was ich natürlich sehr schätze.“ Der Vizeadmiral schenkte ihm wieder sein warmes Lächeln. „Allerdings unterschätzt du Hawkys und meine Freundschaft. Glaub mir, wir haben in den letzten Jahrzehnten schon deutlich mehr erlebt, als dass du nun in der Lage wärest, unsere Freundschaft zu zerstören. Im Gegenteil, vermutlich erwartet er sogar, dass ich auf meine Art herausfinde, was passiert ist, damit er mir nicht zu sagen braucht, was auch immer es ist, vermutlich um einer Belehrung meinerseits zu entgehen, was ihm natürlich nicht gelingen wird. Du kannst dir mit Sicherheit vorstellen, dass wir beiden – auch wenn wir nicht immer regelmäßig miteinander kommunizieren – trotzdem uns stets über den anderen informieren. Ich meine, wenn ich darauf warten würde, dass dieser Kerl von sich aus mal anruft, bräuchte ich keine Teleschnecke.“ Zorro schwieg immer noch, während sein Gegenüber leise lachte. Wenn er ganz ehrlich war, hatte er keine Lust auf all das hier. Die letzten Tage waren anstrengend gewesen und die kommenden würden gewiss nicht leichter. Er wollte diesen ruhigen Moment nutzen, um einfach ein wohl verdientes Nickerchen zu halten, und dann die nächsten Tage planen. Aber trotz des warmen Lächelns waren die ernsten Augen des Vizeadmirals weiterhin auf ihn gerichtet. „Ach so“, bemerkte Jiroushin dann und neigte leicht den Kopf. „Es geht nicht darum, was passiert ist, sondern was ihm passiert ist.“ Eine Gänsehaut glitt über Zorros Unterarme, doch sein Gegenüber nickte nur sachte, als er mit Leichtigkeit erriet, was doch eigentlich unvorstellbar sein sollte. „Natürlich, ich verstehe, deswegen bist du so defensiv. Es muss dich recht erschüttert haben, schließlich hast du ihn noch nie hilfsbedürftig gesehen, noch nie in Not oder gar verletzt.“ Der Vizeadmiral erhob sich und ging zu einem kleinen Tresen hinüber, auf dem eine Karaffe mit Wasser und zwei vereinzelte Falschen gefüllt mit goldenen Flüssigkeiten standen. „Es muss schwierig für dich gewesen sein, den Mann, den du doch so anhimmelst, in einer Notlage erlebt zu haben.“ Zorro schnaubte auf. „Anhimmeln?“, wiederholte er mit hochgezogener Augenbraue. Jiroushin schenkte ihm sein übliches Grinsen und stellte ein Glas mit einem Fingerbreit Whiskey vor ihm ab, ehe er sich wieder hinsetzte. „Oh ja, dir mag es vielleicht nicht bewusst sein, aber auf deine ganz besondere Art und Weise hast du den lieben Hawky regelrecht verfolgt. So besessen, wie er von dir ist, so warst du es auch von Falkenauge, wenn wir ehrlich sind.“ „Sicher“, grummelte Zorro, erinnerte sich jedoch an ganz ähnliche Worte des Samurais und eine leise Stimme in seinem Hinterkopf fragte ihn, ob vielleicht etwas Wahres da dran war. „Aber ja doch“, betonte der Blondschopf. „Mir ist das schon früh aufgefallen. Du hattest immer eine Art Urvertrauen in ihn, dass alles irgendwie gut gehen würde, solange er da ist.“ „Was?“ Kopfschüttelnd lehnte Zorro sich zurück und griff nach dem Glas. „Erzähl doch keinen Mist. Ich hatte keine Wahl, als irgendwie mit ihm klar zu kommen, aber das war’s dann auch schon.“ „Ja sicher“, lachte der andere. „red‘ dir das ruhig ein, Zorro. Aber vergiss nicht, ich war von Anfang an dabei. Ich habe euch auf dem Ball gesehen und du tust zwar immer so, als würde es dich total nerven, wenn er irgendeine seltsame Trainingsmethode vorschlägt, aber im Endeffekt tust du es dann doch immer, selbst wenn du keine Ahnung hast, warum er es machen will.“ „Ja, weil er mich unterrichtet hat. Ich habe auch dir zugehört, als du mich unterrichtet hast, das ist nichts Besonderes.“ „Aber erst nachdem Hawky dir gesagt hat, dass du mir zuhören sollst, wenn ich dich erinnern darf. Du hast auch versucht, mich zu töten, nachdem er es dir vorgeschlagen hat“, rief Jiroushin ihre erste gemeinsame Trainingseinheit ihnen wieder ins Gedächtnis. „Weil du nicht ernst gemacht hast.“ Er kippte sich den Alkohol in den Rachen. „Oder weil du Hawky vertraut hast, dass er wusste, was das Beste für dein Training ist.“ Schmunzelnd hielt der Blondschopf seinem Blick stand. „Schau nicht so genervt. Du weißt, dass ich Recht habe. Gib es doch zu, du konntest dir nicht im Traum vorstellen, dass irgendjemand in der Lage sein könnte, ihm tatsächlich ein Leid zuzufügen, nicht wahr? Du warst so daran gewöhnt, dass er dich mit Leichtigkeit besiegen könnte, ganz egal wie sehr du dich bemüht hast; hast dich wahrscheinlich gefragt, ob er überhaupt bluten kann. Aber jetzt hast du mit eigenen Augen gesehen, dass er es kann, und das hat dich erschüttert, nicht wahr?“ War er so einfach zu durchschauen? Waren seine Gedanken wirklich so offensichtlich? Zorro selbst hatte über diesen Mist nie nachgedacht – nie! – bis zu diesem einen Moment, als Dulacre vor ihm zusammengebrochen war. Natürlich war ihm immer bewusst gewesen, dass selbst Dulacre nur ein Mensch war, aber dennoch hatte er immer so überlegen gewirkt, nahm jemanden wie Homura, der Zorro innerhalb weniger Minuten vernichtend geschlagen hatte, noch nicht mal als Gegner wahr. Irgendwie hatte Dulacre immer wie jemand gewirkt, für den nichts unmöglich schien, den man durch nichts aufhalten konnte, den selbst Zorros ureigenes Monster nicht mal beeindrucken konnte. Ja, es hatte Zorro erschüttert, als er so unerwartet um das Leben des einen Menschen bangen musste, um dessen Leben er sich sonst nie Sorgen machen musste. „Aber du brauchst dir keine zu großen Sorgen um ihn zu machen“, meinte Jiroushin gutmütig und nahm ebenfalls einen Schluck seines Getränks, als würde er Zorros Gedanken einfach lesen. „So schnell haut Hawky nichts um. Er ist nicht umsonst der beste Schwertkämpfer der Welt.“ „Tze, du hast leicht reden“, murrte Zorro und verschränkte die Arme, „dich hat er ja nicht vollgeblutet.“ Überrascht bemerkte er, wie der andere nur die Augenbrauen hochhob. „Echt jetzt? Du denkst, ich habe nie miterlebt, wie er gebrochen wurde? Denkst du, ich hätte nie um sein Leben fürchten müssen?“ Zorro wandte den Blick ab. „Sorry“, murmelte er, sich natürlich bewusst, was die Position eines ersten Maats bedeutete. „Du brauchst dich nicht entschuldigen. Wie gesagt, du bist noch jung, dein ganzes Leben lang war Hawky dieser unbezwingbare Mann, wie du und die Welt ihn heute kennen. Aber das war nicht immer so und dank seines besonderen Charakters hat er sich schon früh sehr starke Feinde gemacht, also ja, ich weiß genau, wie es sich anfühlt.“ Für einen Moment schwiegen sie beide. „Seine Speiseröhre ist gerissen oder so“, erklärte Zorro tonlos. „Keine Ahnung genau warum, hat irgendwie allergisch auf diesen einen Wein reagiert, und hat einfach… hat einfach Blut gespuckt. Chopper und Trafo waren zum Glück in der Nähe und konnten ihn operieren.“ „Trafo? Trafalgar Law? Da wird Hawky ja nicht besonders begeistert gewesen sein.“ Doch Jiroushin lächelte nicht, er betrachtete seine eigenen Hände, wie sie sein Glas hielten. „Deswegen klang er also so heiser.“ Zorro nickte nur. „Und du warst da?“ Erneut nickte Zorro. „Na, da hat er ja ziemliches Glück gehabt, dass du und deine fähigen Freunde da waren. So etwas könnte wohl selbst für ihn unangenehm werden“, lachte Jiroushin leichtfertig. „Unangenehm?“, wiederholte Zorro verdrießlich. „Chopper sagte, er wäre gestorben, wenn wir nur wenige Minuten später angekommen wären. Hätte…“ Er brach ab und schüttelte den Kopf. „Wäre es auf Kuraigana passiert, wäre er verblutet und wir wüssten es noch nicht mal, wir hätten nichts tun können.“ Auf ein Schnauben des anderen schaute er auf und sah, wie der Blondschopf schmunzelte. „Du findest das lustig? Er wäre beinahe gestorben“, knurrte er, konnte nicht verstehen, wie der andere das einfach so locker akzeptierte, gerade weil der Vizeadmiral doch jemand war, der sich immer um alles und jeden Sorgen machte. Jiroushin sah ihn an, nach einigen langen Sekunden verschränkte er seine Arme, stützte sie auf den Tisch und lehnte sich nach vorne. „Das hier war das erste Mal, dass du ihn verwundbar erlebt hast, dass deine Crew ihn verwundbar erlebt hat. Natürlich geht ihr davon aus, dass so etwas ihn umbringen könnte, so wie ich damals davon ausging, dass du unmöglich einen von Natakus Angriffen überlebt haben könntest.“ Die grünen Augen sahen ihn ernst an. „Aber wenn du erlebt hast, wie er unversehrt durch ein Flammenmeer geht, einfach weil er es kann, eine halbe Stunde gegen einen Fischmenschen unter Wasser kämpft, weil dies eine angemessenere Herausforderung darstellt, dann siehst du die Dinge anders.“ „Aber…“ „Zorro, muss ich dir wirklich erklären, was es bedeutet, die Grenzen der Menschlichkeit hinter sich zu lassen? Hatte er Schmerzen? Mit Sicherheit. War es für ihn gefährlich? Vermutlich auch. Hätte ihn so etwas getötet? Nein, ich denke nicht.“ Entnervt erhob Zorro sich. „Was redest du da? Es war kein Kampf oder so, okay? Sein Körper hat schlapp gemacht, dass kann man nicht einfach mit Zähne Zusammenbeißen wegmachen“, murrte er. „Du warst nicht dabei und behauptest jetzt einfach, dass ihn so etwas wie ein kaputter Magen nicht umbringen kann? Er wäre verblutet, verdammt nochmal! Weißt du, ich lasse mich nicht schnell von Verletzungen unterkriegen, aber ob ich so etwas…“ Er verstummte. Jiroushin sah ihn überlegen an und erst jetzt verstand Zorro, dass er dem Soldaten auf dem Leim gegangen war und sich wohl verraten hatte, nicht mal wissend, ob es überhaupt etwas zu verraten gab. „Hast du es ihm gesagt?“, fragte der Blondschopf nun mit einem breiten Grinsen und Zorro wusste genau, was er meinte, der Blick des anderen sagte alles. War er wirklich so leicht zu durchschauen? War es wirklich so offensichtlich, was er fühlte, für alle außer ihn selbst? „Ich habe keine Ahnung, wovon du redest“, log er griesgrämig und verschränkte die Arme. „Ich hau mich jetzt eine Runde aufs Ohr. Danke für die Mitfahrgelegenheit.“ „Zorro.“ Der andere war ebenfalls aufgestanden und hatte ihn an der Schulter gefasst. „Hawky ist mir sehr wichtig. Ein gerissener Magen macht mir Sorgen, aber nicht ansatzweise so viel wie…“ „Es gibt nichts, um das du dir Sorgen machen müsstest“, unterbrach er den anderen kühl. Jiroushin holte tief Luft. „Also, das bedeutet… das heißt…?“ „Das da vorne ist dein Bett? Ich borg mir das mal gerade, okay? Du musst wahrscheinlich eh noch arbeiten.“ „Warte mal, Zorro. Heißt das etwa…?“ „Ruf deinen Hawky an, wenn du Details wissen willst, und geh mir damit nicht auf die Nerven. Ich muss einen verdammten Putsch verhindern und will jetzt einfach nur eine Runde pennen.“ „In Ordnung“, gab der andere nach, „ich habe eh erfahren, was ich erfahren wollte.“ Überrascht sah Zorro den anderen an, der ihn weiterhin angrinste. „Glaubst du wirklich, du könntest mich in meinem Spiel besiegen, Zorro? Du hattest von Anfang an keine Chance.“ Hosted by Animexx e.V. 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