Ein letztes Geheimnis von Sharry ================================================================================ Kapitel 12: Kapitel 12 - Konfrontation -------------------------------------- Kapitel 12 – Konfrontation   -Mihawk- „Ich weiß nicht, ob ich ihnen vertraue.“ Ach, da war es endlich. Nach so langer Zeit schien Lorenor endlich die richtigen Zweifel zu hegen. Dieses Gespräch war aber auch bereits lange überfällig, Dulacre hätte Lorenor schon vor Monaten sagen können, dass dort der Hase begraben lag, aber damals hätte Lorenor es noch nicht verstanden, wäre wahrscheinlich erzürnt aus dem Zimmer geflohen, so wie er es sonst immer tat. Hätte Dulacre vielleicht sogar angebrüllt, wie er sich hätte erdreisten können, Lorenors Vertrauen in dessen Crew anzuzweifeln, nachdem er sogar bereit gewesen war, für sie zu sterben. Lorenor hatte nie so ganz begriffen, dass bedingungslose Loyalität und zweifelsloses Vertrauen nicht das Gleiche waren. Nun jedoch schien es, als wäre Lorenor endlich bereit und auch wenn Dulacre wirklich einen anderen Plan für dieses Gespräch gehabt hatte, so würde diese erfreuliche Entwicklung ihm vielleicht zugutekommen. Wenn Lorenor seine bisherige Wahrnehmung hinterfragen würde, könnte es sein, dass er von sich aus entscheiden würde, Dulacre die Wahrheit zu sagen, ohne dass er überhaupt einen Streit riskieren brauchte. Dafür musste er nur die richtigen Weichen stellen und das Gespräch in die richtigen Wege lenken. So würde der Tag doch noch interessant werden. „Nachdem wir also jetzt erörtert haben, was Vertrauen überhaupt bedeutet, zu welchem Schluss bist du gekommen?“, fragte er den Jüngeren. Lorenor hatte seinen Blick auf das Schachfeld konzentriert, während Dulacre ihnen wieder nachgoss. Die Mengen an Alkohol sollten bedenklich sein, aber Lorenor vertrug bekanntermaßen Unmengen und Dulacre schlug sich auch nicht so schlecht. „Ich weiß es nicht“, murmelte er dann schließlich, „ich weiß nicht, was ich denken soll.“ Für einen Moment beobachtete er den Jüngeren, der sich durch Gesicht und Haare rieb, offensichtlich unzufrieden – vielleicht auch überfordert – mit dieser Situation und seinen eigenen Gefühlen. Es tat Dulacre beinahe leid, ihn so zu sehen. Lorenor hatte sich schon immer schwer mit Emotionen getan, wenn auch aus ganz anderen Gründen als Dulacre. Während er selbst sich schlichtweg nicht für die Gefühle anderer interessierte, sie aber stets analysierte, um sie gegen den anderen verwenden zu können, hatte Lorenor eine recht schlichte, direkte Ansicht und schien seine Schwierigkeiten zu haben, zu verstehen, dass die meisten Menschen mehr als eine Emotion auf einmal fühlen konnten, dass selbst er mehr als eine Emotion auf einmal fühlen konnte. Er war eher das Gegenteil von Dulacre; obwohl er die Gefühle anderer und wohl auch seiner selbst wahrnahm, ignorierte er deren Existenz schlichtweg. „Dann lass mich dir helfen“, bot Dulacre an und stellte die fast leere Weinflasche weg. Er hatte nicht mehr viele dieser Sorte, würde also bald nachbestellen müssen. „Erzähl mir deine Gedanken und ich helfe dir, sie zu sortieren.“ Lorenor holte tief Luft, nickte und sah ihn dann an, sein Blick deutlich klarer als zuvor. Er war offensichtlich frustriert, aber es schien Dulacre, als wäre Lorenor endlich bereit, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen, und wie Lorenor nun mal war, wann immer er einem Problem gegenüberstand, würde er auch hier nicht weichen, sondern sich durchbeißen. „Ich weiß nicht, womit ich anfangen soll“, gestand er ein. „Mit irgendetwas, mit dem ersten, was dir in den Sinn kommt.“ Erneut seufzte der andere, dann schüttelte er den Kopf und lehnte sich im Sessel zurück. „Sie sagte, ich würde diese zweite Chance erhalten, um aus meinen Fehlern zu lernen. Ich dachte, ich hätte diesen anderen, schwachen Körper erhalten, damit ich lerne, mich nicht nur auf meine eigene Stärke zu verlassen, sondern auch auf die anderen. Ich dachte, das wäre der Grund, warum ich auf Sasaki gelandet war, weil du der einzige Mensch wärest, dem ich zumindest damals erlauben hätte, mich zu beschützen.“ Dulacre konzentrierte sich etwas zu sehr auf das Glas in seiner Hand. Manchmal vergaß er, wie verdammt direkt Lorenor sein konnte, wenn er denn dann sprach. Diese unverblümte Ehrlichkeit ohne falsche Scham, ohne falschen Stolz, war ihm beinahe unangenehm, aber es machte ihn auch ein bisschen stolz. „Aber was ist, wenn ich falsch liege?“, meinte Lorenor dann. „Was ist, wenn mein Fehler etwas ganz anderes ist?“ „Wenn du sie meinst, dann redest du von diesem Wesen, welches dir im Totenreich begegnet ist?“ Erst ganz wenige Male hatte der Jüngere ihm erzählt, wie er den Krallen des Todes wieder entkommen war. Meist hatte Lorenor ihm nur erklärt, dass er eben nicht mit ihm darüber sprechen würde. Daher war Dulacre nun vorsichtig, denn er wusste, dass jedes falsche Wort Lorenor dazu bringen könnte, dieses Gespräch zu beenden und vielleicht würde Dulacre dieses Mal endlich die ganze Wahrheit erfahren. „Ja“, murmelte der andere ruhig, „sie sagte, ich hätte etwas in meinem Leben verlernt, hätte deshalb etwas falsch gemacht, und das hätte dann meinen Tod verursacht. Dieser neue Körper und der Ort, an den ich kommen würde, sollten mir dabei helfen, es wieder zu erlernen.“ Lorenor lehnte sich wieder nach vorne und sah Dulacre unverhohlen an, hatte offensichtlich entschieden, dass dieses Gespräch für ihn wichtiger war, als seine Geheimnisse weiterhin vor Dulacre zu bewahren. „Und du hast gedacht, dass dein Fehler war, nur auf deine eigene Stärke und nicht auch auf die Stärke deiner Freunde zu vertrauen?“, fragte er nach, obwohl er die Antwort bereits kannte. Vor über einem Jahr hatten sie sich schon mal darüber unterhalten, wobei es eher laut ausgesprochene Gedanken Lorenors während Dulacres zufälliger Anwesenheit gewesen waren. Schon damals hatte er diesen Gedankengang des anderen angezweifelt. Schon damals hatte Dulacre seine Zweifel gehabt, dass Lady Loreen nur dafür existierte, damit Lorenor auch mal physische Unterlegenheit erlebte, hatte er doch in seinem ‚starken‘ Körper bereits gegenüber Dulacre Unterlegenheit erlebt. Er glaubte auch nicht, dass Lorenor ihm vor die Füße gelegt worden war, nur weil er jemand war, vor dem Lorenor Respekt hatte, weil er stärker war. Dulacre war sich sicher, dass das Schicksal seine Hände im Spiel hatte. „Ja“, stimmte der Jüngere ihm zu, „und ich war mir auch ziemlich sicher, dass dies die Wahrheit ist, es passte halt.“ Endlich wandten sie sich wieder dem Schachspiel zu. „Der Koch hat mir vorgeworfen, dass ich zu stolz wäre, um mir von anderen helfen zu lassen, und er hatte Recht. Früher wollte ich nicht, dass andere mir helfen, hab es als Schwäche angesehen und wollte nicht, dass andere die Konsequenzen meiner Entscheidungen tragen müssen.“ Lorenor seufzte. „Letzten Endes habe ich den anderen auch nicht vertraut. Ich habe ihnen nicht vertraut, dass sie stark genug sein könnten, um mir zu helfen, wenn ich nicht mehr in der Lage sein sollte, mir selbst zu helfen.“ „Und jetzt glaubst du nicht mehr, dass dies das Problem ist?“ Dulacre schlug Lorenors Dame. „Ich weiß es nicht. Dieser falsche Stolz, den der Koch mir vorgeworfen hat, den habe ich in den letzten zwei Jahren abgelegt, da bin ich mir sicher. Ich vertraue ihnen, dass sie mich beschützen könnten. Sie sind stark, sie sind alle so stark geworden. Du solltest Chopper sehen, Lysop, du solltest Ruffy sehen. Sie alle haben ihre Fähigkeiten so sehr verbessert. Ich vertraue ihnen, Dulacre, ich vertraue ihnen.“ Dieser Blick war eindeutig, Lorenor glaubte wirklich, was er sagte. „Wenn ich aber doch weiß, dass ich ihnen vertraue, warum zur Hölle machen mich die Vorwürfe des Kochs so wütend? Warum macht es mich wütend, dass er mir sagt, dass er mir nicht vertraut? Warum macht es mich so wütend, dass sie mich alle hinterfragen, dass niemand von ihnen einfach meine Entscheidung akzeptiert, nicht über alles reden zu wollen?“ Lorenor versetzte einen Bauer, offensichtlich kaum mehr darauf bedacht, überhaupt zu spielen. „Ich weiß, dass ich ihnen vertraue, warum also habe ich das verdammte Gefühl, dass der Koch Recht hat?“ Immer noch sah sein Wildfang ihn so direkt an, zeigte ihm ganz offen seine Schwäche, und als wäre er ein verdammter Therapeut lag es also nun an Dulacre, dem anderen zu helfen. Dies waren die Momente, in denen er sich wünschte, dass Jiroushin anwesend wäre, der mit solchen Situationen so viel feinfühliger umgehen konnte als Dulacre. „Was genau hat der Smutje dir vorgeworfen, Lorenor? Dass du zu stolz bist oder dass du ihnen nicht vertraust?“ „Beides.“  Er war wirklich versucht, Lorenor einfach die Wahrheit zu sagen, aber er war so nah dran, also übte Dulacre sich wieder einmal in Geduld. „Und sein Vorwurf bezüglich deines falschen Stolzes deckt sich mit deiner Vermutung, dass du dieses zweite Leben erhalten hast, um aus eben diesem Fehler zu lernen?“ „Ja, aber…“ „Warum also zweifelst du plötzlich an dieser Vermutung? Sie scheint doch zumindest recht schlüssig.“ Nun sah der andere aufs Schachfeld. „Keine… keine Ahnung. Ich dachte nur… nur, dass…“ „Wieso hat dich der Begriff des Vertrauens so aufgewühlt, Lorenor?“ Dulacre verschob seinen Springer. „Wieso war es dir so wichtig herauszufinden, was es bedeutet zu vertrauen – oder zumindest was mein Verständnis dieses Begriffs ist – und wieso war das Erste, was dir einfiel, nachdem ich die Konflikte mit deiner Crew ansprach, was dieses Wesen aus der Totenwelt dir gesagt hat?“ Mit großem Auge sah der andere auf, heute schien der Berry aber nur ganz langsam fallen zu wollen. „Ich bin mir sicher, dass du die Antwort schon längst weißt, sie dir aber nicht eingestehen willst, aus welchen Gründen auch immer.“ „Willst du etwa sagen, ich wäre…?“ „Lorenor“, unterbrach er den anderen und hob beruhigend eine Hand, „ich bin nicht dein Feind. Ich versuche, dir zu helfen, auf deinen Wunsch hin.“ Schnaubend ließ Lorenor sich zurückfallen, ehe er sich wieder nach vorne lehnte und Dulacre einen seiner Bauern nahm, offensichtlich aus Frust und offensichtlich ein Fehler. „Aber ich vertraue ihnen“, beharrte Lorenor auf seinen Standpunkt, wie der sture Bengel, der er manchmal nun mal auch sein konnte. „Du hast selbst gesagt, dass es kein vollkommenes Vertrauen gibt, also ist es nur logisch, dass ich den anderen nicht in allen Dingen vertraue, ohne dass es was Schlechtes ist.“ „Dennoch bist du wütend darauf, dass der Smutje dir nicht mehr vertraut.“ „Das ist etwas anderes.“ Lorenor verschränkte die Arme. „Ist es das?“, hakte Dulacre nach und nahm noch einen Schluck seines Weines. Wenn Lorenor sich weiter so schwertat, würde das noch ein sehr langes Gespräch werden. „Warum? Warum ist es etwas anderes?“ „Du weißt, warum“, knurrte der Jüngere und setzte seinen Springer nach vorne. „Ich habe mein verdammtes Leben für sie riskiert, immer und immer wieder, und ich bin verdammt noch mal jedes Mal zurückgekommen. Es gibt für ihn keinen Grund, mir nicht zu vertrauen!“ „In Bezug worauf?“ „Was?“ Für einen Moment sahen sie einander an und er erkannte, dass Lorenor es immer noch nicht begriffen hatte, sich selbst im Weg stand, es vielleicht noch nicht mal begreifen wollte. „Ach Lorenor, wir haben doch eben erörtert, dass Vertrauen komplex ist, es hat verschiedene Farben und Formen, so wie das Grün des Waldes, manche Blätter sind leuchtend Grün, manches Gras hingegen nur ganz blass und der Stamm ist andererseits braun.“ „Hör mir mit deinen verdammten Vergleichen auf. Das hilft mir nicht.“ „Dann lass es mich dir noch mal ganz direkt sagen: Vertrauen ist situationsabhängig, charakterabhängig, beziehungsabhängig. Wenn du also sagst, dass der Smutje dir vertrauen müsste, dann frage ich dich, in was von dir er vertrauen soll, denn – wie eben erklärt - ein absolutes Vertrauen gibt es nicht.“ „Naja, in alles halt. Also nicht in alles – keine Ahnung, er sollte mir vielleicht nicht das Weinregal nachts offenstehen lassen – aber in allem Relevanten kann er mir vertrauen.“ „Dass du die Crew beschützt?“ „Genau das!“ „Dass du deine Kämpfe gewinnst?“ „Natürlich!“ Klackend stellte Dulacre seinen Turm vor Lorenors König ab. „Dass du aus deinen Kämpfen unverletzt zurückkommen wirst?“ „Naja, bei ein paar Kratzern soll der sich mal nicht so anstellen. Geht den ja nichts an.“ „Dass du deinen Wunden nicht erliegst?“ „Was hat das denn jetzt damit zu…?“ „Dass du nicht stirbst? Dass die Crew dich nie verlieren wird? Dass du immer da sein wirst, wenn sie dich brauchen?“ Lorenor hielt seinem Blick stand. „Was soll das? Willst du mir jetzt auch noch einen Vortrag halten?“ Dulacre neigte leicht den Kopf, so leicht konnte Lorenor ihn nicht bezwingen. „Du warst derjenige, der behauptet hat, dass der Smutje keinen Grund habe, dir nicht zu vertrauen, und obwohl ich ihn noch nicht mal wirklich kenne, konnte ich soeben zumindest ein paar Beweggründe nennen und glaube mir, ich weiß noch mehr.“ „Was soll der Scheiß?!“ Lorenor stand auf und schritt durch den Raum, offensichtlich erbost. „Was auf der G6 passiert ist, dafür brauche ich mich nicht zu rechtfertigen! Ich habe getan, was ich tun musste, und ich werde mich nicht dafür entschuldigen, dass ich…“ „Ich weiß, Lorenor.“ Unbeeindruckt nahm er noch einen Schluck, das Schachspiel war vorbei, obwohl er den anderen noch nicht schachmatt gesetzt hatte, zumindest auf dem Spielfeld. „Ich weiß alles, was du über die G6 denkst, Lorenor, und zwar weil du mir das alles erzählt hast. Deshalb zweifle ich deine Entscheidungen auch nicht an.“ Der andere blieb stehen. „Aber weißt du, wer davon nichts weiß? Wer nicht weiß, warum du gehandelt hast, wie du nun mal hast? Der Smutje. Und was füllt die Leeren, die Unwissen hinterlässt? Vertrauen und Hoffnung oder aber Zweifel und Misstrauen. Der Smutje hat dir vertraut, aber warum glaubst du, kann er das jetzt nicht mehr? Warum glaubst du, kann er das seit der G6 nicht mehr?“ Lorenor sah ihn nur noch an, sein Gesicht eine harte Maske, und Dulacre wusste, dass der andere jederzeit explodieren konnte. Nicht, dass er sich davon beeindrucken ließ. „Wenn du es nicht sagst, spreche ich es aus. Auf der G6 ist genau das eingetreten, wovon der Smutje dachte, dass es nie eintreten würde, weil er dir immer vertraut hat. Ja, du hast die Crew beschützt. Ja, du hast wohl deinen Plan erfolgreich in die Tat umgesetzt. Aber du hast nicht gewonnen, bist nicht unversehrt zurückgekehrt. Er hat darauf vertraut, dass du immer für die Crew da sein würdest, auch für ihn immer da sein würdest, und egal aus welchen Gründen, egal ob absolut gerechtfertigt oder nicht, du warst es einfach nicht! Du warst nicht da, Lorenor, und er weiß noch nicht mal warum und deswegen hast du sein Vertrauen verloren.“ Der andere rührte sich keinen Millimeter, aber eine seltene Blässe kroch über seine harten Züge, als er, wie sein König auf dem Spielfeld, sich immer umstellter vorkommen musste. „Der Koch vertraut dir nicht mehr, weil du das letzte Mal, als er dir vertraut hat, gestorben bist und du ihm jetzt noch nicht mal erklärst, was passiert ist, und wenn du mich fragst, dann ist das ein verdammt guter Grund, nicht mehr zu vertrauen.“ Dulacre nahm erneut einen Schluck. „Also Lorenor, du bist wütend auf den Smutje, weil du denkst, dass er dir grundlos nicht mehr vertraut, und er ist wütend auf dich, weil er denkt, dass du ihm nicht vertraust. Wie wir gerade festgestellt haben, hat der Smutje sehr wohl einen Grund, dir nicht mehr zu vertrauen, einen guten sogar. Also lass uns über seine Anschuldigung sprechen. Hat er Recht? Lorenor, vertraust du deiner Crew?“ Der andere regte sich nicht. „Nein, eigentlich wissen wir beide die Antwort darauf schon. Eigentlich sollte die Frage wohl eher lauten, ob du nicht ebenfalls wie der Smutje einen Grund hast ihnen nicht mehr zu vertrauen, nicht wahr?“ „Was?“ Es war eine Schande, dass ihm etwas an Lorenor lag, andernfalls würde Dulacre Gefallen daran finden, wie er ihn nun zerstören könnte, so jedoch musste er sich bemühen, auf dem schmalen Grat zwischen brutaler Ehrlichkeit und ehrlicher Brutalität zu balancieren. „Ist das nicht der wahre Grund, warum du so wütend auf den Smutje bist? Nicht, weil er dir vorwirft, ihm und den andere nicht zu vertrauen, sondern weil er der Grund ist, warum du es nicht mehr kannst, obwohl du es unbedingt möchtest, obwohl du es so sehr möchtest, dass du dir so beflissentlich einredest, du würdest ihnen vertrauen.“ Lorenor holte mehrmals tief Luft und setzte zum Sprechen an, aber kein Laut kam über seine Lippen. Er schüttelte den Kopf. „Nein“, sagte er dann schließlich, „das stimmt nicht! Du hast Unrecht. Ich vertraue ihnen, ich vertraue meiner Crew, ich vertraue Ruffy. Du liegst falsch.“ Dulacre, stützte seine Ellenbogen auf dem Tisch ab und legte sein Kinn auf die gefalteten Hände, rieb sich mit dem Daumen über den Bart. „Wenn ich also so falsch liege, Lorenor, warum bist du dann hier und besprichst diese Dinge mit mir und nicht mir ihnen? Warum sprichst du mit mir über die Konflikte innerhalb deiner Crew anstatt mit ihnen selbst?“ Dieser intensive Blick des anderen war gefährlich, gefährlich für Dulacre. „Soll ich dir wieder die Antwort vorgeben oder warum schweigst du? Das Problem ist, du denkst, du hast dich verändert, aber die Wahrheit ist, das hast du nicht.“ Dass Lorenor ihn nicht unterbrach, zeigte ihm, wie riskant dieses Gespräch war. „Du sagst, du hättest deinen falschen Stolz überwunden und würdest dich jetzt von deinen Freunden beschützen lassen, so wie du dich von mir beschützen lässt. Du denkst, du würdest ihnen vertrauen, so wie du mir vertraust. Aber in deiner Gleichung unterläuft dir ein grober Fehler, Lorenor.“ Er erhob sich und goss den letzten Rest Wein in sein Glas. Dieses Gespräch lag ihm wie ein kalter Klumpen in der Magengegend, trieb ihm die Magensäure in die Speiseröhre, aber jetzt konnte er nicht mehr zurück. „Sie sind nicht wie ich!“ Lorenor schüttelte nur seinen Kopf und sagte gar nichts, verweigerte sich dem Gespräch, seine typische Trotzreaktion, wenn Dulacre ihm zu nahekam. „Und dir unterläuft noch ein Fehler.“ Er stellte die leere Flasche etwas zu hart ab. „Du denkst, dass du mir freiwillig vertraust.“ „Was?“ Er konnte also doch sprechen. „Man kann Vertrauen nicht erzwingen.“ „Da du ja so genau weißt, was Vertrauen bedeutet, nicht wahr?“, lachte Dulacre kühl. „Aber doch, genau deshalb vertraust du mir, hörst mir sogar jetzt zu, obwohl du so unglaublich wütend bist, weil ich dein Vertrauen erzwinge.“ „Red‘ doch keinen Scheiß, als könntest du…“ „Lorenor, du bist heute so schweigsam, ich bin daran nicht gewöhnt, erzähl mir von deinem Tag“, unterbrach er den anderen mit affektierter Stimme, „Lorenor, du bist so furchtbar gelaunt, hast du schlecht geträumt oder was ist dein Problem? Lorenor, warum willst du kein Rüstungshaki lernen? Was ist in deiner Kindheit passiert? Lorenor, zieh das Kleid aus und zeig mir die Wunden, die du vor mir versuchst zu verbergen! Lorenor, ich werde dich nicht weitertrainieren, ehe du nicht entschieden hast, ob du dich deinen Ängsten stellen willst! Soll ich weitermachen? Soll ich die vergangenen zwei Jahre aufarbeiten und jedes einzelne Mal aufzählen, als ich dich dazu gedrängt habe, dich mir zu öffnen? Soll ich chronologisch oder nach Priorität vorgehen?“ „Hör auf“, knurrte der andere. „Oh nein, du bist zu mir gekommen, Lorenor. Weil du genau wusstest, dass ich der einzige Mensch bin, mit dem du über diese Dinge reden kannst, und ich sage dir auch, warum, und zwar, weil ich der einzige Mensch bin, dem du dich auch nur ansatzweise öffnest, dem du genug vertraust, um dich wirklich zu öffnen. Aber nicht, weil ich einen so tollen Charakter habe, wir wissen beide, dass das nicht stimmt. Sondern weil ich ein – wie nennst du es immer so passend? – besessener Kontrollfreak bin und dich zwinge, dich mir zu öffnen, mir deine Gedanken und Geheimnisse zu verraten. Du weißt anscheinend noch nicht mal, wie man lernt, jemand anderem zu vertrauen und deswegen kannst du nur mir vertrauen, weil ich dich dazu gezwungen habe.“ Kopfschüttelnd setzte Dulacre sich wieder hin. „Du bist so wütend auf deine Crew, weil du ihnen vertrauen willst, aber nicht weißt, wie du das tun sollst, und von ihnen erwartest, dass sie dich dazu bringen, wie ich es stets tue. Du bist wütend auf den Smutje, weil er dir zwar genau sagt, was dein Problem ist, dich aber nicht dazu zwingt, es zu lösen, so wie ich es tue, gerade hier in diesem Moment.“ Der letzte Schluck des Weines schmeckte unangenehm bitter, wie der fahle Geschmack von Blut; er hätte nie gedacht, dass so etwas Simples wie eine Unterhaltung in der Lage wäre, dass er sogar Gefallen an seinem geliebten Wein verlieren würde. „Tze, es ist fast beleidigend, dass du glaubst, der Smutje könne dich zu so etwas zwingen, wenn er es doch noch nicht mal schafft, dich zu den Mahlzeiten zu rufen. Ich hingegen habe dich bereits bei unserem ersten Gespräch auf Sasaki direkt dazu gebracht, meine Fragen zu beantworten.“ Für eine Sekunde betrachtete er sein leeres Glas. „Auf der anderen Seite sollte ich mir vielleicht auch nicht zu viel einbilden, schließlich öffnest du dich mir wirklich nur, wenn ich dich zwinge, ansonsten lässt du mich genauso unwissend wie deine Freunde und ist das nicht ironisch? Schließlich hast du doch stets behauptet, dass Geheimnisse nichts Schlimmes seien, solange wir einander vertrauen würden. Hast du mir nicht wieder und wieder gesagt, dass ich dir doch nun endlich vertrauen solle, und dennoch bist du derjenige, der niemandem vertraut.“ „Was?“ Oh, verdammt! Hatte da der Wein oder die Frustration aus ihm gesprochen? Er sah nicht auf und tat so, als wäre es nichts Besonderes gewesen, aber er konnte Lorenors kalten Blick auf sich fühlen. Die Frage war nun also, hatte Lorenor es bemerkt oder war er emotional so überfordert durch dieses Gespräch, dass solche Finessen ihm entgehen würden? Dulacres Kehle fühlte sich trocken an, als der Raum für eine Sekunde still wurde. „Was für einen Auftrag hatten die fünf Weisen dir gegeben?“ Innerlich fluchend räusperte er sich. Lorenor mochte ein tumber Holzklotz sein, solange sie über Gefühle und Beziehungen sprachen, aber sobald es um Kampf und Strategie ging, wurde er sofort das schärfste Schwert, welches Dulacre je geschliffen hatte. „Was soll dieser Themenwechsel, Lorenor? Versuche nicht, mir auszuweichen. Wir führen dieses Gespräch nicht, weil ich es möchte – ich hatte mich nur auf eine ruhige Partie Schach gefreut – sondern weil du meinen Rat wolltest, weil du zu mir gekommen bist.“ „Nein“, murmelte Lorenor und trat einen Schritt nach vorne, „du bist zu mir gekommen, du hast dieses Treffen hier vorgeschlagen.“ Oh, er war wirklich gut geworden. Wäre dies nicht ein so heikles Thema, könnte Dulacre an dieser verbalen Auseinandersetzung Gefallen finden. „Was für einen Unsinn willst du mir vorwerfen, Lorenor? Ich sagte dir doch, ich hatte einen Auftrag, deshalb war ich hier in der…“ „Eizen hat gesagt, dass für die Reverie ein erhöhter Sicherheitsstandard benötigt wird und aufgrund deines Wohnortes wärest wohl du der Samurai, der sich in Bereitschaft halten sollte.“ „Na und? Das heißt doch nicht, dass ich nicht…“ „Wie lautete dein Auftrag, Dulacre?!“ Lange sah er den anderen an. Aus genau diesem Grund hatte er Lorenor doch aufgesucht, um genau dieses Gespräch zu führen, welches der andere nun von ihm verlangte. Dulacre hatte den anderen aufsuchen wollen, um herauszufinden, warum dieser ihm vorenthalten hatte, dass Eizen die Wahrheit wusste, um herauszufinden, ob Lorenor wirklich über alles Bescheid wusste oder nur eine weitere Spielfigur des Politikers war. Dulacre war sich von Anfang an bewusst gewesen, dass dieser Tag in einem Streit enden würde, eigentlich sollte ihn daher die angespannte Stimmung nicht überraschen. Aber die bisherige Unterhaltung hatte einen anderen Verlauf genommen, als er beabsichtigt hatte, und nun war der falsche Moment, um auch noch diese Wunde aufzureißen. Doch es war wohl zu spät, er hatte den Verband bereits abgerissen und Lorenor war nie jemand, der vor Schmerzen zurückschrecken würde. „Der Auftrag der fünf Weisen lautet mich für die bevorstehende Reverie in Bereitschaft zu halten und Kuraigana unter keinen Umständen zu verlassen.“ „…“ Lorenor sagte gar nichts, schüttelte nur den Kopf und sah im Raum umher, als wäre er auf der Suche nach einer Erklärung. „Und du… und du…?“ „Und ich hatte nicht vor, diesem Befehl nicht Folge zu leisten“, sprach er kühl weiter, doch jedes Wort schmeckte bitter, „aber dann schrieb Eizen mir, dass Lady Loreen bis zur Weltkonferenz nicht nach Kuraigana zurückkehren würde, weil sie ihn tatkräftig bei den Vorbereitungen unterstützten würde. Dieser Brief erreichte mich nur wenige Minuten, nachdem du mich aus den Kerkern des Ryuuguu-Palastes anriefst, um mir von den Abenteuern deiner Crew zu berichten. Also Lorenor, gibt es etwas, das du mir erzählen willst?“ Er schluckte schwer, trotz des Weines war seine Kehle rau und ausgetrocknet. Es gierte ihn nach etwas zu trinken, aber Schwäche konnte er sich in diesem Moment nicht erlauben. „Willst du mich verarschen?!“ Nun wurde der andere also doch noch laut. „Willst du mich eigentlich komplett verarschen?!“ „Lorenor, ich…“ „Hör auf mit deinem Lorenor verdammt noch mal! Lorenor hier, Lorenor da! Ich heiße nicht Lorenor! Mein Name ist Zorro! Zorro! Einfach nur Zorro!“ Hart schlug der andere auf die Rückenlehne seines Stuhles und die Federn ächzten schmerzerfüllt. „Du arroganter Mistkerl! Schon immer waren dir irgendwelche beschissenen Titel und Ahnen wichtiger, als was ich sage oder tue, und jetzt behandelst du mich auch noch wie einen Vollidioten, der zu blöd ist, ohne fremde Hilfe zu überleben, wie ein kleines Kind, das keine eigenen Entscheidungen treffen kann, dem du um die Welt folgen musst, nur weil…“ „Lor… hör mir zu.“ Beschwichtigend hob er beide Hände und erhob sich, aber er konnte nicht verhindern, dass es schmerzte, sein Magen schien sich zusammenzuziehen vor Pein. Noch nie hatte der andere auch nur irgendwelche Andeutungen gemacht, dass er nicht mochte, wenn Dulacre ihn so nannte, und Dulacre hatte Gefallen daran gefunden, dass er der eine war, der den Jüngeren so nannte. „Ich habe nie gesagt, dass…“ „Halt die Klappe! Hältst mir hier einen großen Vortrag darüber, dass ich zu blöd bin, jemandem zu vertrauen und dass ich meine Crew verraten habe, und dabei bist du doch keinen Deut besser!“ Der Jüngere machte einen Schritt auf ihn zu. „Du sagst, ich vertraue dir nicht? Aber ich bin hier und rede über meine beschissenen Gefühle mit dir! Habe dir jeden Scheiß erzählt und du?! Du bist nur hier, um mich zu kontrollieren, weil du mir kein bisschen vertraust! Nicht mal genug, um zu glauben, dass ich zwei Wochen ohne dich überstehen würde.“ „Bitte, du verzehrst…“ „Vertrauen ist wie Alkohol, sagst du? Hier hast du deinen verdammten Alkohol!“ Der andere packte die Sakeflasche und warf sie zu Boden, wo sie zerbarst, Scherben und Spritzer flogen in alle Richtungen. „Anstatt mich einfach zu fragen – so wie du es ja anscheinend sonst immer getan hast, um dir mein Vertrauen zu erzwingen – verfolgst du mich, missachtest einen Befehl der fünf Weisen und riskierst deinen Titel? Und du willst mir etwas über Vertrauen beibringen?!“ Er hatte nicht erwartet, dass der andere so blindwütig reagieren würde. Nicht, nachdem er die anderen Dinge bisher eher ruhig und vielleicht etwas geschockt aufgenommen hatte. Dies hier war keine drohende Gefahr mehr, dies war ein Waldbrand. Dulacre konnte die unangenehme Hitze fühlen, die sich im Raum ausbreitete und das Atmen erschwerte. Sie hatten schon oft gestritten, schlimmer als ihm manches Mal lieb gewesen war, aber das hier würde wohl ihre traurige Bestleistung werden. „Bitte, ich habe dir schon mehrfach gesagt, dass es mir egal ist, ob ich meinen Titel verliere oder nicht. Er ist mittlerweile doch eh nichts mehr wert. Außerdem…“ „Aber mir ist es nicht egal, verdammt nochmal! Meinst du, ich will die Verantwortung dafür tragen, dass du deinen verdammten Titel verlierst?! Meinst du, ich will die Verantwortung dafür tragen, dass du und Jiroushin dann wieder Feinde seid, dass Kanan und die fünf Inseln nicht mehr von deinem Titel beschützt werden? Dass Ray’s Patenonkel wieder ein gesuchter Verbrecher sein wird? Meinst du, ich will die Verantwortung dafür tragen, dass du dein ruhiges, beschauliches, beschissen langweiliges Leben wegen mir verlierst?!“ Seine Brust zog sich zusammen, als der andere all diese Dinge sagte, all diese Kleinigkeiten, die so groß waren. „Wie kannst du nur so arrogant sein und glauben, dass nur du derjenige bist, der die Konsequenzen deiner Entscheidungen zu tragen hat?“ „Oh, du willst über Entscheidungen und deren Konsequenzen reden?“, entgegnete Dulacre unbeeindruckt. „Du meinst, wie deine Entscheidung mir nichts von Eizen zu sagen? Du meinst, wie deine Entscheidung Geheimnisse vor mir zu haben oder meinst du, wie deine Entscheidung mich anzulügen?“ Der andere trat auf ihn zu. „Das ist etwas anderes!“, knurrte er und sah Dulacre direkt an. „Ist es das? Wieso solltest du Entscheidungen treffen dürfen, ungeachtet der Konsequenzen, ich aber nicht? Wenn du entscheiden darfst, mich aus deinem Vertrag mit Eizen auszuschließen, dann darf ich entscheiden, dich aus meinem Vertrag mit den fünf Weisen auszuschließen.“ „Aber deine Entscheidung ist einfach nur dumm und bringt dich in Gefahr! Mit meiner Entscheidung versuche ich, dich zu beschützen!“ „Und du glaubst, deine Entscheidung würde dich nicht in Gefahr bringen? Und du glaubst, ich hätte diese Entscheidung nicht getroffen, um dich zu beschützen?“ „Ich brauche deinen Schutz nicht! Ich habe alles unter Kontrolle! Ich weiß genau, was ich tue! Dir geht es nicht darum, mich zu beschützen, es geht dir darum, mich zu kontrollieren, so wie du alles kontrollieren willst, so wie Homura gesagt hat, so wie du deine Schwester kontrollieren wolltest! Du bist nicht hier, um mich vor Eizen zu beschützen, du hast nur ein Problem damit, dass du mal nicht alles wusstest, mal nicht derjenige am längeren Hebel bist, und darum bist du hierhin gekommen, um mich wieder unter Kontrolle zu kriegen, jetzt wo ich nicht mehr in deiner Reichweite bin.“ Wie bittere Galle stießen ihm die Worte des anderen auf. „Und dann hast du noch nicht mal den Mut, es einfach direkt anzusprechen, sondern lockst mich mit einem Schachspiel her, tust so, als würdest du mir dein offenes Ohr leihen und ziehst dann über meine Crew und mich her. Du willst mir etwas über Vertrauen erzählen? Dabei hast du noch nicht mal zwei Wochen gebraucht, um unser Versprechen zu brechen.“ Dies war bei weitem nicht ihr erster Streit, aber es war das erste Mal, dass es Dulacre beinahe schmerzte, so sehr tat es weh, so sehr verletzte ihn der andere. Als sie das letzte Mal einander gegenübergestanden hatten, hatte der andere ihn angefleht, ihm nicht seine Gefühle zu offenbaren, da er dann auf Dulacre Rücksicht nehmen müsse. Nun setzt er sie als Waffe gegen Dulacre ein. Es gierte ihn nach etwas zu trinken, um seine kratzige Kehle zu besänftigen. Kopfschüttelnd wandte er sich dem Sekretär zu. „Du sprichst über gebrochene Versprechen?“, meinte er rau und goss sich Whisky ein, dies war kein Gespräch mehr für Wein. „Ich sage nicht, dass du Unrecht hast. Aber glaube nicht, dass du nur einen Deut besser seist als ich.“ „Ich verfolge meine Freunde nicht wie ein Wahnsinniger, nur weil ich nicht alles über sie weiß.“ „Nein – tze, das ist wohl wahr, eher im Gegenteil - du willst gar nicht alles über sie wissen, scheinst dich kaum für sie und ihre Freuden, ihre Interessen, ihre Probleme, ihr Leid zu interessieren. Aber mehr noch, du willst auch nicht, dass sie etwas über dich wissen.“ Dulacre konnte sich nicht umdrehen und den anderen wieder ansehen, konzentrierte sich auf den Alkohol in seiner Hand. „Du bist nicht gewillt, dich auch nur irgendwem freiwillig zu öffnen. Du bist nicht gewillt, auch nur eine Kleinigkeit über dich preiszugeben – sei sie auch noch so lächerlich unwichtig - zeigst keine Schwäche, nichts, was dich angreifbar machen könnte, erzählst so gut wie nie von dir aus über dich, deine Freuden, deine Interessen, deine Probleme, dein Leid. Dir ist es am liebsten, wenn niemand dich kennt, dich wirklich kennt. Wie sollen deine Freunde dir dann einfach vertrauen? Wie soll ich dir dann einfach vertrauen? Ich hatte dich um eine Sache gebeten, als du dein Training unter meiner Hand begonnen hast. Ich habe dich darum gebeten, ehrlich zu sein, wir hatten keine Lügen vereinbart, und du hattest von Anfang an nicht vorgehabt, dich dran zu halten, du hast von Anfang an mein Vertrauen missbraucht.“ Traurig starrte Dulacre in sein Glas. Er hatte befürchtet, dass dieser Disput so hatte enden können, aber er hatte sich so gewünscht, dass er sich wieder mal irren würde, dass er den anderen wie so oft unterschätzt hätte, aber dieses eine Mal hatte er es wohl nicht. Resigniert kippte er den Whisky hinunter, doch dieses Mal war das Brennen des Alkohols nicht angenehm, es brannte einfach nur. „Ich wollte deine Hilfe um ein besserer Schwertkämpfer zu werden“, sagte der andere hinter ihm kühl, „ob du mir vertraust oder nicht, ist mir egal, ich habe nicht darum gebeten, weder darum, noch um irgendwelche anderen Gefühle deinerseits.“ Dulacre verschluckte sich an seinem Getränk und beugte sich hustend nach vorne, als ein ungekannter Schmerz sich in seiner Brust ausbreitete. „Ich denke, es ist nun alles gesagt.“ Der andere klang schroff. „Wir sehen uns in einem Jahr, dann werde ich dich besiegen. Komm mir bis dahin nicht mehr in die Quere.“ „Lo... warte!“ Erneut musste er husten und dann sah er die roten Tropfen auf seinem Hemdärmel, der Schmerz in seinem Hals wurde immer stärker und stahl ihm den Atem. Fast schon erstaunt wandte er sich dem Jüngeren zu, sah wie die unleserliche, harte Maske in etwas zerfiel, was er vorher noch nie gesehen hatte, und es erfüllte ihn beinahe mit Angst, dass der andere ihn so ansah. „Ich glaube…“ Dulacres Stimme brach und ein kehliger Laut ersetze seinen Atemzug. „… etwas stimmt… nicht mit mir.“ Dann gaben seine Beine nach. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)