Ein letztes Geheimnis von Sharry ================================================================================ Kapitel 10: Kapitel 10 - Vertrauen ---------------------------------- Kapitel 10 – Vertrauen   -Mihawk- „Gut, denk daran, keine offensichtlichen Waffen. Lass die Schwerter an Bord, sie sind zu auffällig.“ Mit einem widerwilligen Grummeln stimmte der andere ihm nur zu, verabschiedete sich noch nicht mal, als er auflegte und das leise Gotcha durch den fremden Raum hallte. Missmutig sah Dulacre sich um, ehe er einen tiefen Schluck seines Weins nahm und das Glas auf den Tisch neben dem Schachbrett absetzte. Dann stand er auf und streckte sich. Glücklicherweise hatte er Lorenors Forderung vorausgesehen und eine Flasche Sake von seinem Sargboot mitgenommen, denn er zweifelte, dass der durchschnittliche Alkohol dieses durchschnittlichen Hotels ihn befriedigen konnte. Das hatte Dulacre schon der Weinkarte angesehen und war daher dankbar, dass er auch ein paar Flaschen seines Lieblingsweines mitgebracht hatte, der natürlich vorzüglich schmeckte. Aber selbst dieser konnte den fahlen Geschmack seines Unmuts nicht überdecken. Ganz gleich ob Lorenor die Finte gerochen hatte oder nicht, er hatte zugestanden, Dulacre zu besuchen, schon am kommenden Tag würden sie sich wiedersehen. Eine kleine Stimme in seinem Kopf wollte sich freuen; er hatte gedacht, noch über ein Jahr auf ein Wiedersehen warten zu müssen, auf diesen schalkhaften Blick, dieses spielerische Grinsen warten zu müssen. Nein, Dulacre konnte nicht leugnen, dass er seinen Wildfang bereits jetzt überraschend deutlich vermisste und dass er es kaum erwarten konnte, ihn wiederzusehen, sich dieser einseitigen Gefühle sehr wohl bewusst. Dennoch freute er sich nicht auf dieses Treffen. Erst vor wenigen Sekunden hatten sie ihr Gespräch beendet, nachdem er dem Jungspund genau erklärt hatte, wie dieser Dulacre auf dieser fremden Insel würde finden können – trotzdem zweifelte er daran, dass der andere bei seinem mangelnden Orientierungssinn Erfolg haben würde – und sich ungesehen in sein Zimmer schleichen konnte. Schließlich wollten sie derzeit noch verhindern, dass die Welt eine Verbindung zwischen Lorenor Zorro und Falkenauge und somit auch Lady Loreen ziehen würde. Lorenor hatte dem zugestimmt und Dulacres Befürchtungen bestätigt. Hätte Dulacre sich über Lorenors Wissen bezüglich Eizen geirrt, wäre es dem Jüngeren egal gewesen, wenn die Welt ihre Schlüsse ziehen sollte, aber nein, auch er wollte immer noch mit aller Kraft die Wahrheit verbergen, nicht nur vor der Welt, sondern auch vor seinen Freunden und der Grund dafür war offensichtlich. Seufzend trank er sein Glas leer. Er wusste, dass er Lorenor zur Rede stellen musste, und er wusste, dass dies zu einem lauten Streit führen würde, und nach diesem Gespräch gerade, wollte er das absolut nicht. Diese eine Unterhaltung hatte ihn wieder bemerken lassen, wie gerne er sich mit dem anderen unterhielt und wie ungern er mit ihm stritt. Er hatte beinahe vergessen, wie rührend naiv Lorenor sein konnte, und er hatte beinahe vergessen, wie schlecht Lorenor darin war, Dinge zu verheimlichen. Es war ganz offensichtlich gewesen, dass Lorenor ihn nicht das gefragt hatte, was er wirklich hatte fragen wollen, nicht angesprochen hatte, was ihn wirklich beschäftigte. Aber Dulacre hatte entschieden, dieser tumben Ablenkung zu folgen, da selbst diese ein interessantes Gespräch ermöglicht hatte und die Crew des Strohhuts sich wohl wirklich neuen Gegnern stellen würde. Also würde Lorenor es vermutlich morgen ansprechen, hatte vermutlich deshalb so schnell einem Treffen zugestimmt, und was auch immer es war, es schien Lorenor wirklich zu beschäftigen, schien ihm wirklich wichtig zu sein. Lorenor hatte diesem Treffen zugestimmt, weil er Rat suchte, Dulacre hatte dieses Treffen inszeniert, damit er den anderen konfrontieren konnte. Kopfschüttelnd entschied er, duschen zu gehen und den nichtvorhandenen Dreck von seiner Haut zu waschen. Er hatte Lorenor angelogen – natürlich, und wahrscheinlich hatte dieser gutgläubige Bengel es noch nicht mal hinterfragt – und so getan, als wären sie rein zufällig in den gleichen Breitengraden unterwegs, aber das war selbstredend Unsinn. Von Jiroushin hatte Dulacre grob von den Geschehnissen auf Punk Hazard erfahren, hatte erfahren, dass der Chirurg des Todes Trafalgar Law seinen Titel als Samurai verloren hatte – nicht, dass Dulacre sich darum scherte – und auch, dass dieser verrückte Wissenschaftler Caesar von den Strohhüten entführt worden war. Der Flurfunk der Marinebasen war überraschend schnell, wenn man bedachte, wie behäbig dieser Verwaltungsapparat sich in allem anderen bewegte. Danach hatte Dulacre nur noch eins und eins zusammenzählen müssen und ein Blick auf die Vivre Card hatte seine Vermutung bestätigt, ehe Lorenor auch nur angerufen hatte. Er hatte gewusst, dass die Strohhüte vorhatten de Flamingo zu stürzen. Er vermutete, dass diese Eingebung Trafalgar zu verdanken war; Dulacre meinte sich zu erinnern, dass zwischen ihm und de Flamingo eine Verknüpfung bestanden hatte, aber da keiner der beiden ihn je interessiert hatte, hatte er solch unnützes Wissen schnell verworfen. Aber Lorenor hatte er dies natürlich nicht gesagt, tat so, als wäre er auf Geheiß der fünf Weisen unterwegs – deren ausdrücklichen Befehl, Kuraigana unter keinen Umständen zu verlassen, Dulacre in diesem Moment bewusst ignorierte – während er sich doch in Wahrheit auf Applenine bereits eingenistet hatte, um Lorenor abfangen zu können. Laut seufzte er auf und legte den Kopf in den Nacken, erlaubte sich unter dem prasselnden Wasser zu entspannen. Ganz gleich, wie er die Situation drehte und wendete, sie würde zum Streit führen und Lorenor würde vermutlich sehr wütend auf ihn werden. Dulacre war sich bewusst, dass er mit dieser Intrige das Vertrauen des anderen riskierte und vielleicht sogar noch mehr, und doch konnte selbst das ihn nicht aufhalten. Sollte Lorenor dieses zerbrechliche Vertrauen in Dulacre verlieren, sollte er ihn hassen, verachten. Dulacre nahm dies in Kauf, aber er würde nicht zulassen, dass Lorenor zu Eizens Spielball wurde, so wie er selbst Schoßhund der fünf Weisen war. Lorenor mochte seine Gründe haben, warum er Dulacre nicht die Wahrheit gesagt hatte, aber das war ihm gleich. Nichts, was der andere sagen konnte, würde sein Verhalten rechtfertigen, so wie nichts Dulacres Verhalten gerade rechtfertigen konnte. Er fuhr sich durchs Gesicht, rieb die nassen Strähnen nach hinten, strich sich über die Schulter, über fünf längst verblasste Narben. Seine Intuition sagte ihm, was auch immer Eizen geplant hatte, es würde seinen Höhepunkt in der Reverie in wenigen Tagen finden und wenn er nicht irrte – was er so gut wie nie tat – dann würde auch dann Eizens Falle für Lorenor zuschnappen. Dulacre musste dies hier tun, denn ansonsten fürchtete er, Lorenor zu verlieren, und das konnte er nicht riskieren. Er erinnerte sich noch gut an den Abend, nachdem Lorenor den Vertrag mit Eizen eingegangen war, als Lorenor sich in seinem Badezimmer verkrochen hatte und Dulacre aus dem Weg gegangen war, ihn angelogen hatte, ihm die Wahrheit vorenthalten hatte; einen solchen Abend würde er nicht noch mal hinnehmen. Dann trat er aus der Dusche und betrachtete sein Spiegelbild, erinnerte sich an die Wunde, die einst seine Schulter geziert hatte und nun nicht mehr als diese blasse Erinnerung war. Es gab Dinge, von denen er Lorenor bewusst nie erzählt hatte, zu dessen eigenem Schutz. Vielleicht wäre es klüger, auch hier nicht die Konfrontation zu suchen, schließlich brauchte Dulacre nicht Lorenors Kenntnis – oder gar dessen Zustimmung – um ihn beschützen zu können. Aber er wusste genau, dass es nicht nur darum ging. Nein, das Wasser hatte seinen Kopf geklärt. Schöne, angenehme und vertrauliche Gespräche hin oder her, er wollte diese Diskussion, denn er wollte es aus Lorenors Mund hören, wollte hören, warum Lorenor ihm nicht die Wahrheit gesagt hatte, ihm nicht genug vertraut hatte, um ihm die Wahrheit zu sagen. Dies war der wahre Grund für das Spektakel, welches er gerade vorführte. Lorenor war niemand, der sich leicht öffnete, niemand der leicht vertraute und mittlerweile wusste Mihawk, warum er derjenige war, bei dem Lorenor es tat. Er hatte sich lange darüber Gedanken gemacht - ganze zwei Jahre, um genau zu sein – und mittlerweile kannte er den simplen Grund. Lorenor öffnete sich ihm, weil Dulacre es erwartete, weil Dulacre es einforderte, es erzwang, und daher würde er genau das wieder tun. Er würde Lorenor dazu zwingen, ihm zu vertrauen, vielleicht ein letztes Mal. Zurück im Aufenthaltsraum fiel sein Blick auf die alte Teleschnecke, mit der er Kontakt zu Jiroushin aufgenommen hatte. Er wusste ganz genau, was sein bester Freund ihm dazu sagen würde, aber er ignorierte es, griff die Flasche Wein und schenkte sich nach, genoss das leichte Knistern im Abgang. Jiroushin würde ihm genau die gleiche Warnung geben, die auch der dunkle König ihm gegeben hatte, sich erdreistet hatte, ihm zu geben. Aber es war ihm egal, was sie alle sagten, er wusste genau, warum er tat, was er tat. Sag, Mihawk, ist dir bewusst, dass Zorro ein Wanderer ist? Es sollte ihn nicht überraschen, dass Rayleigh selbst darüber Bescheid wusste, so wie der dunkle König alles zu wissen schien. Er hatte es erwähnt, während sie sich zum Sargboot aufgemacht hatten, hatte Dulacre einfach direkt gefragt. Dulacre hatte es vermutet, nachdem Lorenor wochenlang immer wieder ohnmächtig geworden war und einen unsichtbaren Prozess verarbeitet hatte, unwissend, und sich nur an das Wort Wanderer erinnernd. Er hatte es vermutet, nachdem Lorenor widerwillig die ein oder andere Information über dessen Auferstehung mit Dulacre geteilt hatte, aber erst Rayleighs Worte waren die Bestätigung seiner Vermutung. Es sollte ihn auch nicht überraschen, dass Rayleigh die Existenz der Wanderer nicht anzweifelte, ganz anders als Dulacre selbst. Unbeachtet seiner Zweifel jedoch schien es ihm nicht abwegig, dass Lorenor ein Wanderer sein könnte, eine Sagengestalt, kaum realistischer als der Klabautermann, dessen Existenz kein erfahrener Seemann leugnen würde, und doch untrennbar mit vergessenem Wissen und verlorener Geschichte verbunden. Seufzend betrachtete er das leere Glas. Schon damals im East Blue hatte er es für möglich gehalten, dass dieses seltsame Gespann aus kindischem Strohhut und naivem Schwertkämpfer noch Relevanz für die Geschichte haben könnte. Je mehr er über diese zwei herausgefunden hatte und je bekannter sie geworden waren, desto sicherer war Dulacre sich geworden, dass das Schicksal da am Werke war. Aber wenn Rayleigh Recht haben sollte, wenn Lorenor wirklich ein Wanderer sein sollte, dann war es fast ausgeschlossen, dass diese Dinge nicht auch den Strohhut betrafen, aber das würde ja bedeuten… Kopfschüttelnd stellte er das Glas ab und unterbrach diesen Gedankengang erneut, wie schon so oft die vergangenen Stunden. Um solche Hypothesen aufzustellen, fehlten ihm notwendige Informationen, sowohl über Lorenors als auch über Monkey D. Ruffys Vergangenheit und Vorfahren. Er würde nicht irgendeine Theorie aus Hirngespinsten, Fabelwesen und Zufällen aufbauen, nur weil die einzelnen Puzzleteile ineinanderpassten; vermutlich gehörten sie zu ganz unterschiedlichen Bildern. Außerdem hatte er derzeit ganz andere Probleme und ob nun das Schicksal oder das Universum sich einmischten, all dies änderte nichts an dem, was ihm bevorstand. Schließlich war Eizen alles andere als nur ein Fabelwesen; die Gefahr, die er ausstrahlte, war real und drohend. Was machte es schon, wenn Lorenor wirklich ein Wanderer sein sollte, aber von Eizen kontrolliert wurde? Nein, Dulacre wusste, worauf er seine Aufmerksamkeit konzentrieren musste. Rayleigh mochte ein Träumer voller Fantasie und Ideologie sein, aber in der realen Welt brachten einen diese Dinge nur bedingt weiter. Deshalb war Dulacre ein Mann der Strategie und der Tat. Für Träume hatte er keine Zeit, nicht wenn Lorenors Leben in Gefahr schwebte. Er sollte früh zu Bett gehen, der nächste Tag versprach anstrengend zu werden, und er konnte es kaum erwarten, Lorenor wiederzusehen. Gleichzeitig jedoch wünschte er sich, er wäre in der Lage, sich zu überreden, die Lügen für einen Tag einfach Lügen sein zu lassen und einfach nur ein Schachspiel mit Lorenor zu genießen. Aber das konnte er nicht, konnte die Dinge nicht einfach so auf sich beruhen lassen, Dulacre musste die Wahrheit herausfinden.   -Sanji- Er musste die verdammte Wahrheit herausfinden. Misstrauisch beobachtete er den Schwertkämpfer ihrer Crew, der gerade ausgiebig gähnte und sich an keinerlei Gesprächen am Frühstückstisch beteiligte, sondern die Arme hinterm Hinterkopf verschränkt hatte und beinahe so aussah, als würde er noch schlafen. Erst vor wenigen Minuten hatten sie an der Insel Applenine angelegt und Nami nutzte das Frühstück, um sich zu erkundigen, wer vorhatte, von Bord zu gehen, ehe sie am Abend Kurs auf Dress Rosa nehmen wollten. Zu Sanjis großer Überraschung – und seinem noch größeren Missfallen – hatte die Moosbirne in einem halben Nebensatz, also eigentlich einer einsilbigen Antwort, fallen lassen, dass er vorhatte, an Land zu gehen. Den anderen mochte es nicht aufgefallen sein, da Ruffy ihn problemlos übertönt hatte, Franky darauf bestanden hatte, mit Brook und Lysop Caeser zu bewachen, Robin währenddessen sich über ganz grausige Operationen mit Chopper und Law unterhalten und Kinemon Momonosuke belehrt hatte, aber Sanji war es nicht entgangen und sogleich war er misstrauisch geworden. Aber ansprechen würde Sanji es nicht. Oh, nein, seit dem vergangenen Abend vermied er es tunlichst, den Blick des anderen zu kreuzen, vermied es tunlichst, dessen Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, dafür waren die Wunden noch zu frisch. Sanji kabbelte sich regelmäßig mit dem anderen – natürlich, das war das einzige Gute an diesem Mistkerl, dass Sanji manchmal einfach Dampf an ihm ablassen konnte, wenn die Welt ihn nervte, ohne dass der andere es persönlich nahm – so war nun mal ihre Beziehung, ihre Freundschaft. Sie konnten nicht gut miteinander, aber das bedeutete nicht, dass sie einander nicht schätzten. Zumindest war es wohl so gewesen, bis gestern. Der vergangene Abend, das war kein Scharmützel gewesen, keine gehaltlosen Beleidigungen oder Seitenhiebe, Zorro war es verdammt ernst gewesen und hatte vermutlich jedes seiner Worte genau so gemeint, wie er es gesagt hatte, und Sanji hatte auch jedes Wort verstanden, hatte den anderen ganz genau gehört und konnte dessen Vorwürfen noch nicht einmal widersprechen. Zorro hatte Recht gehabt. Sanji hatte versagt, hatte in der einen Sache versagt, die Zorro von ihm erwartet hatte, in der Zorro ihm ausnahmsweise mal vertraut hatte. Zorro machte ihm genau die gleichen Vorwürfe, die Sanji sich selbst die vergangenen zwei Jahre gemacht hatte und immer noch machte. Nachdem sie alle wieder vereint gewesen waren, hatte Sanji sich für einen kurzen Moment der Illusion hingegeben, dass er diese Dinge vergessen könnte, dass alles wieder wie früher werden würde, dass die Leichtigkeit seines Kapitäns die Last der Vergangenheit verdrängen würde. Aber er hatte sich geirrt, ganz gleich wie fröhlich und aufregend die Gegenwart auch sein mochte, die Schuld der Vergangenheit konnte sie nicht verändern. Auch Sanji hatte am vergangenen Tag ausgeteilt – und hielt ebenfalls an seinen Worten fest, und sei es auch nur aus Prinzip – aber er hatte nicht vor, sich seiner Verantwortung zu entziehen. Es mochte sein, dass Zorro ihm nicht vertraute, nun auch keinen Respekt mehr vor ihm hatte, das alles mochte sein, aber es änderte nichts daran, dass der andere ihm am vergangenen Tag nach Strich und Faden verarscht hatte und trotz Sanjis Schuldgefühlen, trotz seiner Wut und trotz allem, was er gerne dem anderen an dem Kopf schmeißen wollte, trotz all der Last auf seinen Schultern, die ihn zu zerquetschen drohte, war er nicht gewillt, einfach aufzugeben. Schließlich war der Marimo immer noch sein Crewmitglied, immer noch ein verdammtes Crewmitglied. Wenn es irgendjemand anderes gewesen wäre, hätte Sanji vermutet, dass der andere diese Dinge nur gesagt hätte, um Sanji zum Schweigen zu bringen, er hätte es nicht mal persönlich genommen. Aber für solche Gedankenspielereien war der Marimo zu schlicht und geradeaus und gerade das hatte Sanji angestachelt, hatte ihn Dinge sagen lassen, die er dem anderen nicht so an den Kopf hatte werfen wollen, nicht so zumindest. Aber das konnte er jetzt nicht mehr ändern, konnte nicht ändern, was vergangen war, also konzentrierte er sich auf die Gegenwart, während er Nami erläuterte, dass er einkaufen gehen würde müssen, was auch ganz der Wahrheit entsprach. Doch er hatte auch etwas Anderes vor. Er würde Zorro beschatten, würde herausfinden, was der andere vor ihm verbarg, würde herausfinden, was Zorro auf dieser unbedeutenden Insel vorhaben könnte. Sanji war sich bewusst, dass dieses Verhalten absolut nicht angebracht war unter Crewmitgliedern, ein eindeutiger Beweis von fehlendem Vertrauen, was unter Freunden nicht der Fall sein sollte, die Bestätigung seiner Worte vom vergangenen Tag. Aber es war nun mal auch die Wahrheit. Er vertraute Zorro nicht mehr, vertraute nicht mehr darauf, dass der andere von Bord gehen und unbeschadet zurückkommen würde, solange nicht jemand bei ihm sein würde, der auf seinen Rücken acht gab – und der ihn zum Schiff zurückführen würde, in dem wahrscheinlicheren Fall, dass dieser Schwachmat sich verlaufen würde – und er vertraute nicht mehr darauf, dass sie überhaupt erfahren würden, wenn der andere in Schwierigkeiten stecken würde, denn im Zweifel würde Zorro es ihnen wohl nicht erzählen. So wie Zorro niemandem erzählte, wie er die G6 überlebt hatte. So wie Zorro Sanji gegenüber nicht erwähnt hatte, wie schlimm seine Wunde gewesen war. So wie Zorro seinen Geburtstag nicht erwähnt hatte und für sich behalten hatte, was im Kampf gegen Bär passiert war. So wie Zorro ihnen so gut wie nichts über seine Kindheit und Vergangenheit erzählt hatte. So wie Zorro ihnen schlichtweg nichts von sich selbst erzählt hatte. Obwohl Sanji der Koch der Crew war, wusste er noch nicht mal, ob der andere irgendwelche Lieblingsspeisen hatte, hatte zwar seine Vermutungen, aber wirklich wissen tat er es nicht. Der Marimo hatte keine Allergien – soweit Sanji dank Chopper wusste – und er aß gefühlt alles, solange ein Krug Bier oder Sake danebenstand, aber Sanji wusste nicht, was der andere mochte oder nicht. Sanji wusste generell so gut wie nichts über den anderen. Nicht viel mehr als dessen Traum und dessen beinahe besessene Faszination für den Schwertkampf. Alles andere was er über dessen Vergangenheit wusste – dass er in einem Dojo im East Blue aufgewachsen war und sich nie selbst als Piratenjäger bezeichnet hatte, sondern nur zufällig zu einem geworden war, da er Geld gebraucht hatte – wusste er von Yusako und Johnny. Verdammt noch mal, Sanji wusste noch nicht mal, was die beschissene Lieblingsfarbe des anderen war – grün, vermutete er einfach mal – oder ob er sonst irgendwelche Vorlieben oder Abneigungen hatte. Er wusste noch nicht mal, welche der Crewmitglieder Zorro eigentlich mochte oder ob er sie nicht wirklich einfach nur alle tolerierte, weil Ruffy sie ausgewählt hatte und er Ruffy gegenüber loyal war. Nein, Sanji wusste eigentlich gar nichts über die Gedanken des anderen, er hatte noch nicht mal gewusst, ob Zorro ihn im Endeffekt all die Zeit respektiert oder nur geduldet hatte. Das Einzige, was er gewusst hatte, immer noch mit absoluter Sicherheit wusste, nicht eine Sekunde anzweifelte, war Zorros unerschütterliche Loyalität gegenüber Ruffy, die selbst für Sanji fast nicht nachvollziehbar war. Er hatte nie verstanden, warum ein Mann wie Zorro entschieden hatte, Ruffy zu folgen, hatte nie verstanden, wieso diese beiden Vollidioten einander so unumstößlich vertrauten, meist ohne auch nur ein Wort miteinander zu wechseln. Es kotzte Sanji an, dass Ruffy dem Marimo anscheinend so problemlos vertrauen konnte, während Sanji hier stand und an diesen Zweifeln wahnsinnig zu werden drohte, und noch mehr kotzte es Sanji an, dass Zorro anscheinend auch Ruffy so sehr vertraute wie niemandem sonst. Ruffy konnte kaum mehr wissen, als der Rest der Crew, vielleicht sogar noch weniger, trotzdem hatte er nicht einen Tag daran gezweifelt, dass Zorro überlebt hatte, zurückkommen würde, hatte nicht eine Sekunde an Zorro gezweifelt und stellte nicht eine Frage, sagte kein Wort über das Geschehene. Auf der anderen Seite hatte Ruffy die wichtigen Momente immer verpasst, hatte verpasst, als Zorro sich Bär gestellt hatte, als er seinen Kopf für Ruffy dargeboten hatte, als Zorro im Kerker sich von den Soldaten zusammenschlagen ließ, um Informationen zu erhalten, als er tonlos den Soldaten einen gnädigen Gott gewünscht hatte, ehe er sie hatte verbrennen lassen, als er Sanji so wissend angesehen hatte. Ruffy hatte nichts davon mitgekommen, war nie dagewesen, hatte nie Zorros Blick in einem solchen Moment gesehen, nie seine Stimme gehört, wenn er entschieden hatte, sich selbst zu verraten. Was wusste Ruffy schon? Je länger Sanji darüber nachdachte, desto unlogischer kam ihm diese seltsame Beziehung dieser beiden Vollidioten vor und desto logischer erschien ihm sein eigenes Misstrauen. Nie hatte er angezweifelt, dass Zorro alles tun würde, um diese Crew zu beschützen, aber langsam fragte er sich, wie er dem anderen je hatte vertrauen können, obwohl Zorro nie etwas von sich preisgegeben hatte. Nun sah er den anderen für einen Moment direkt an, als dieser aufstand und reckend seinem Kapitän folgte, der sich lauthals mit Law unterhielt, und hatte das Gefühl ihn zum ersten Mal zu sehen, zum ersten Mal wirklich zu sehen, und Sanji musste feststellen, dass er keine Ahnung hatte, wer der andere wirklich war. Plötzlich verstand er, warum ihr Schwertkämpfer an neuen Orten meist so argwöhnisch beäugt wurde. Er wusste, dass Zorro sie wohl alle beschützen würde, wusste, dass dessen Loyalität für die Crew nie brechen würde, aber ansonsten war der andere ein Fremder für ihn und wie sollte er einem Fremden einfach so vertrauen können? Sein Herz wurde schwer und tief holte er Luft, hatte keine Ahnung, wie er diese Kluft, die sich plötzlich vor ihm aufgetan hatte, überbrücken sollte, insbesondere jetzt, nachdem er einen solchen Streit mit dem anderen vom Zaun gebrochen hatte, dass er ihm an liebsten für Wochen aus dem Weg gehen würde. Doch dann sah er, wie Zorro von Bord ging und Sanji entschied, sich mit einem Problem auf einmal zu beschäftigen. Erst musste er sicherstellen, dass dieser Vollidiot sich nicht in irgendwelche Gefahren begab, dann musste er herausfinden, was dieser verdammte Vollidiot vor ihnen verheimlichte und wenn er dann noch Zeit und Lust hatte, konnte Sanji sich mit dem Vertrauensproblem des anderen beschäftigen. Also nahm er seinen Geldbeutel, seinen Einkaufskorb, sprach noch ein paar Details mit Nami ab und verließ dann ebenfalls die Thousand Sunny, mit genug Abstand, um nicht verdächtig zu wirken, aber nahe genug, um den anderen ihm Auge zu behalten. Schon früher hatte der Schwertkämpfer Alleingänge gemacht, wenn sie irgendwelche Inseln erreicht hatten, und daher sollte Sanji eigentlich nicht erwarten, dass dies irgendetwas Ungewöhnliches war, und mit jedem Schritt schien sich diese Vermutung zu bestätigen, als der Mooskopf scheinbar ziellos durch das kleine Städtchen nahe des Hafens strich, einzelne Schaufenster näher begutachtete und mit enttäuschten Seufzern feststellte, dass die Kneipen erst im Mittag öffnen würden – alter Säufer – und langsam fragte Sanji sich, ob er nicht vielleicht doch überreagiert hatte. Doch dann fiel es ihm auf, dieses kleine Detail, welches ihn schon die ganze Zeit gestört hatte, aber was er nicht hatte zuordnen können. Zorro trug keine Schwerter! Zorro ging nie von Bord, ohne seine Schwerter, hatte sie immer direkt neben der Koje stehen, nahm sie manchmal sogar mit ins Bad! Warum zur Hölle war dieser Vollidiot auf einer fremden Insel mit ungekannten Gefahren ohne seine Waffen unterwegs? Etwas stank hier bis zum Himmel! Sanji bog um die nächste Ecke, doch der andere war weg, wie vom Erdboden verschluckt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)