Ein letztes Geheimnis von Sharry ================================================================================ Kapitel 9: Kapitel 9 - Anruf ---------------------------- Kapitel 9 – Anruf   -Zorro- Was bedeutete es, zu vertrauen? Diese Frage verwarf er, als er die kleine Teleschnecke aus der Hosentasche hervorzog, die leise nach ihm rief. Erst vor wenigen Tagen hatte er mit dem Samurai telefoniert, nachdem Zorro im Ryuuguu-Palast ein Nickerchen gemacht hatte, es gab also keinen Grund für den anderen ihn jetzt anzurufen; er verstieß sogar gegen ihre Abmachung, dass nur Zorro sich einmal wöchentlich melden würde. Eigentlich sollte Zorro die Schnecke jetzt ignorieren und den anderen ignorieren, aber… Was bedeutete es, zu vertrauen? Was bedeutete der Begriff Vertrauen wirklich, wenn man es nicht nur als simple Floskel meinte? Nach einer weiteren Sekunde des Zögerns nahm er schließlich ab. Für zwei Sekunden war der Ausguck furchtbar still. „Kannst du frei sprechen?“ Warum verspürte er plötzlich so eine starke Welle des Heimwehs? Vor wenigen Tagen erst hatte er mit dem anderen gesprochen. Er sollte eher entnervt sein, warum also war er dankbar diese zu ruhige, beinahe gelangweilte, blasierte Stimme zu hören? „Ja“, antwortete er schließlich und betrachtete sein eigenes Spiegelbild im Fenster, erkannte sich selbst kaum wieder, erkannte sein eigenes Spiegelbild kaum wieder, als würde ihn ein Fremder anstarren, obwohl er doch in seinem Körper war. „Du fragst dich mit Sicherheit, warum ich dich entgegen unserer Vereinbarung anrufe, Lorenor“, sprach der Samurai auf seine nervige sachliche Art und Weise, „aber ich möchte dir sogleich versichern, dass dies… Lorenor, stimmt etwas nicht?“ Überrascht sah er auf die Teleschnecke hinab. Woher zur Hölle…? „Was soll dieser Schwachsinn denn? Warum sollte etwas nicht stimmen?“, entgegnete er barsch und entschied, die vergangenen Gespräche zu ignorieren. Er konnte sich nur mit einem Problem auf einmal befassen und wenn der verdammte Samurai anrief, hatte er stets mit einem zu rechnen. „Das frage ich dich“, meinte der Ältere nur, „du bist derjenige, der sich ungewöhnlich verhält. Nicht nur, dass du überhaupt drangegangen bist, nein, weder hast du mir eine Standpauke gehalten noch mich unterbrochen und dich darüber aufgeregt, dass ich mich nicht an unsere Absprache halte. Außerdem hast du auf meine Frage hin überaus borstig reagiert; wenn dich nichts Dringendes beschäftigen würde, hättest du mich mit einem frechen Kommentar abgespeist.“ Oh, er hatte ganz vergessen, wie sehr er es hasste, wenn der andere ihn las wie ein offenes Buch. Trotzdem konnte er nicht leugnen, dass der andere mit seiner Beobachtung absolut ins Schwarze getroffen hatte. Aber das würde er ihm natürlich nicht auf die Nase binden. „Also, Lorenor, gibt es etwas, das dich bedrückt?“ Nun klang Dulacre wieder wie während der ruhigen Abende im Kaminzimmer, wenn er von seiner Zeitung aufgesehen und ihn fragend begutachtet hatte. Für einen Moment wollte Zorro von den vergangenen Minuten erzählen, aber dann besann er sich eines Besseren und entschied, dieses unerwartete Gespräch für etwas Sinnvolles zu nutzen und nicht für eine unnötige Philosophiestunde. Ausgerechnet heute würde er nicht auch noch brauchen, dass Dulacre ihm das Gleiche sagen würde, was die anderen von ihm einforderten. „Wie stark ist de Flamingo?“, fragte Zorro also, anstatt sich mit den Unruhen in seiner Crew zu beschäftigen, und konzentrierte sich auf die Herausforderung, die sie in wenigen Tagen erwarten würde. Früher hätte er das nicht getan, hätte sich der Überraschung und des Spaßes nicht berauben lassen wollen, aber heute wusste er, dass gute Vorbereitung der Schlüssel zum Erfolg war, und einen Misserfolg konnten sie sich in ihrer derzeitigen Situation nicht mehr leisten. „Wie bitte?“ Der Samurai schien wohl ebenfalls mit einer anderen Frage gerechnet zu haben. „Glaubst du, ich wäre stark genug de Flamingo zu besiegen?“, hakte er nach und wusste, dass er eine ehrliche Antwort erhalten würde. Beinahe ungewollt fragte er sich, ob sie seiner eigenen Einschätzung entsprechen würde. „Ich verstehe.“ Mihawk seufzte tief auf und die kleine Teleschnecke spiegelte seine Sorgenfalten viel zu gut. „Es ist nicht seine Kraft, die ihn gefährlich macht, sondern seine Fähigkeit. Durch die Fadenfrucht hat er insbesondere auf Distanz einen Vorteil, aber glaube nicht, dass er deshalb schwächer im Nahkampf wäre.“ „Kann er mit dir mithalten?“ Leise lachte der andere sein überhebliches Lachen: „Ich bitte dich, Lorenor. In keinster Weise.“ „Ist das überhaupt ein richtiges Wort?“, murrte Zorro genervt von der Arroganz des anderen, konzentrierte sich jedoch auf das eigentliche Thema. „Und kann ich mit ihm mithalten?“ „Das kommt drauf an“, entgegnete Mihawk wie erwartet, jedoch immer noch recht entspannt. „Das Unberechenbare für dich wird seine Teufelskraft sein, allerdings liebt dieser Geisteskranke es, mit seinem Gegner zu spielen und tötet selten beim ersten Angriff, zumindest nicht, soweit ich es je beobachtet habe. Nicht, dass ich je viel auf ihn geachtet hätte, seine Kämpfe haben mich nie sonderlich interessiert. Wenn du die Zeit, die er verschwendet, also nutzt, um dir eine passende Strategie zurecht zu legen, sehe ich keinen Grund, warum du ihn nicht besiegen sollen könntest.“ „Ich hatte nicht mit einer so eindeutigen Antwort gerechnet“, gestand er ein. „Oh, unterschätze ihn nicht, Lorenor. Er ist ein schlechterzogener Großschwätzer und eingebildeter Dramatiker. Sein Weltbild hat nichts mit der Realität zu tun und er glaubt etwas Besseres zu sein, nur weil er ein ehemaliger Weltaristokrat ist.“ Wieder mal fragte Zorro sich, ob die fünf Weisen ihre Samurai nicht doch nach bestimmten Kriterien auswählten, aber das sagte er natürlich nicht laut, zumindest jetzt noch nicht, da er sich noch hilfreiche Antworten von seinem Lehrmeister erhoffte. „Aber er ist auch gnadenlos und wahllos brutal – und das möchte schon etwas bedeuten, wenn ich das sage – und weder seine Toleranzschwelle noch sein Geduldsfaden sind belastbar.“ „Im Klartext also“, murmelte Zorro und versuchte, ernst zu bleiben, „ich sollte ihn seine aufgeblasenen Reden schwingen lassen, um mir genug Zeit zu verschaffen, eine sinnvolle Strategie aufzubauen, und ihn währenddessen nicht bis zur Weißglut reizen, damit er nicht plötzlich doch ernst macht.“ „Genau“, stimmte der Samurai zu, „wenn du derjenige sein solltest, der gegen ihn kämpft, versteht sich.“ Misstrauisch starrte Zorro die Schnecke an, woher zur verdammten Hölle…? „Warum wolltest du meine Einschätzung, Lorenor? Möchte dein Kapitän nach und nach alle Samurai entweder besiegen oder auf seine Seite holen?“ Die Teleschnecke hatte ihre Augenbrauen hochgezogen und Mihawk klang nur noch halbernst. „Glaube ja nicht, dass dich das vor deiner Niederlage verschonen würde“, entgegnete Zorro mit einem breiten Grinsen und für einen Moment waren sie wieder bei den Ruinen. Für einen Moment war die Unruhe der vergangenen Gespräche vergessen, als es wieder nur sein überheblicher Lehrmeister und er selbst waren. „Wer sagt denn, dass ich auf seiner Seite stehen würde?“, neckte nun der Ältere. „Und wer sagt, dass wir nur hinter den Samurai her sind?“ „Wie bitte?“ Innerhalb einer Sekunde zerbrach die entspannte Stimmung, welche Zorro das erste Mal an diesem Tag ein Lächeln beschert hatte. „Was habt ihr getan, Lorenor? Ihr seid doch kaum ein paar Tage unterwegs, so viel Unheil könnt ihr doch noch gar nicht angestellt haben.“ Nun war es Zorro der leise lachte. „Kennst du uns wirklich so schlecht?“ „Das ist nicht lustig, Lorenor! Wen habt ihr euch noch zum Feind erklärt?“ „Big Mom.“ „Oh, Grund…“ „Und bald auch noch Kaido.“ „…“ Die Stille beunruhigte Zorro. Ein Donnerwetter des anderen hatte er erwartet. Dulacre wurde schnell mal laut, wenn er sich unnötige Sorgen um Zorro machte und vermutlich war diese Neuigkeit für ihn besorgniserregend. Aber dass er nun schwieg, verunsicherte Zorro beinahe. „Du hast nichts zu sagen?“, fragte er deshalb nach einigen Sekunden der vernichtenden Stille. „Willst du mir noch nicht mal an den Kopf werfen, wie töricht wir sind?“ „Also nicht nur die Samurai“, stellte der andere schließlich fest, „ihr wollt euch auch den vier Kaisern stellen, euch die ganze Welt zum Feind machen.“ Dann lachte der andere leise auf. „Tze, ich wünschte ich wäre derjenige, der dem Roten die Nachricht überbringen könnte, dass sein kleiner Schützling auf seinen Kopf aus ist. Ich würde so einiges geben, um das perplexe Gesicht dieses Dummkopfs zu sehen.“ Mit dieser Reaktion hatte Zorro nun wirklich nicht gerechnet. „Was denn, Lorenor, du scheinst überrascht.“ „Naja, ich hatte eher erwartet, dass du durch die Teleschnecke springst und mir den Kopf abreist, aber du hörst dich ja ganz begeistert an.“ Erneut lachte Dulacre leise. „Soll ich dir ein kleines Geheimnis verraten, Lorenor?“ Nicht wirklich überzeugt, ob er dieses Geheimnis wirklich erfahren wollte, nickte er schließlich. „Wenn dies von Anfang an die Absicht deines Kapitäns war, dann tut er gut daran sich erst diesen anderen Gegnern zu stellen.“ „Was?“ „Ich hätte es dir natürlich nie so direkt gesagt, aber nun da auch dein Kapitän sich einer solchen Prüfung stellen will, brauche ich es ja nicht mehr für mich zu behalten.“ „Wovon zur Hölle redest du bitte?“ „Lorenor, ich habe dir gesagt, dass es nur eine Handvoll Menschen wie dich und mich gibt, und es wird dich mit Sicherheit nicht überraschen zu hören, dass der rote Shanks einer dieser Menschen ist.“ Nein, das tat es tatsächlich nicht. „Aber weder du noch dein Kapitän hat je einen wahren Kampf gegen Gegner wie uns bestritten. Glaube mir, wenn ich dir sage, dass all eure bisherigen Schlachten mit uns nicht ansatzweise vergleichbar sind.“ Er konnte ein Knarzen hören, welches ihn an den Holzthron des Sargbootes erinnerte, Dulacre schien aufgestanden zu sein. „Wie du weißt, haben Shanks und ich einst regelmäßig die Klingen gekreuzt. Es gibt kaum jemanden auf dieser Welt, der mit uns mithalten kann.“ Gerade jedoch hörte sich der Ältere alles andere als überheblich an. „Im Gegensatz zu de Flamingo sind Kaido und Big Mom Gegner, die selbst ich an deiner Stelle sehr ernst nehmen würde, Lorenor.“ Es überraschte Zorro nicht, dass die zwei Kaiser gefährlich zu sein schienen, aber es überraschte ihn schon, dass sie anscheinend so gefährlich waren. Auf der anderen Seite, wenn man an die Spitze wollte, musste man sich auch irgendwann den Stärksten stellen. „Aber solange ihr diese Gegner nicht besiegen könnt, solltet ihr noch nicht mal daran denken euch Shanks oder mir in den Weg zu stellen.“ Da war es endlich! Endlich wusste Zorro, wie weit entfernt der andere noch war, und an dessen Stimme konnte er genau das hören, was er gerade auch gedacht hatte. Es war nicht mehr weit. „Warum hast du mir das nicht vorher gesagt?“, fragte er neugierig, als er spürte wie die Lust nach einem Kampf in ihm wuchs. „Was hätte dir ein hypothetischer Vergleich gebracht, Lorenor? Auch wenn ich natürlich nicht ausgeschlossen hatte, dass ihr solche Schritte gehen würdet, so hatte ich doch erwartet, dass es noch etwas länger dauern würde. Ich wusste nicht, ob du nicht zuerst mir gegenüberstehen würdest.“ „Hättest du das gewollt, dass du mein erster Gegner dieser Art sein würdest?“ „Oh, keineswegs.“ Die Teleschnecke grinste breit. „Denn das würde bedeuten, dass du noch nicht alles gelernt hast, was du lernen solltest, und ich will, dass du perfekt vorbereitet bist, wenn wir endlich gegeneinander kämpfen.“ Eine Gänsehaut glitt über Zorros Körper. „Nein, es ist perfekt“, sprach Dulacre weiter, seine Stimme fast ein Flüstern. „Ich selbst habe weder gegen Big Mom noch gegen Kaido gekämpft, aber ich kann dir versichern, dass beide ihre Menschlichkeit lange hinter sich gelassen haben und zumindest bei ihm weiß ich auch, dass er wie du und ich sein eigenes Monster geworden ist. Er wird die perfekte Vorbereitung für dich sein.“ Zorro grinste. Er wusste, dass es nicht viele Menschen gab, die bereit waren, sich ihrem eigenen Monster zu stellen. Nur eine Handvoll von ihnen war jedoch bereit, dieses Monster nicht zu besiegen, sondern sich einzuverleiben. Noch weniger Menschen gab es, die ihre eigene Menschlichkeit überwunden hatte, damit ihr Körper das Unmenschliche aushalten konnte, und bis auf Mihawk und sich selbst hatte Zorro bisher noch von niemandem gehört, der beides getan hatte. Kaido also, er würde mit Ruffy reden müssen, Kaido musste ihm gehören. „Du kannst es fühlen, nicht wahr?“, fragte Dulacre und Zorro wusste genau, was der andere meinte. Obwohl er erst vor einigen Stunden gekämpft hatte, sich heute mehrfach gestritten hatte, einige prekäre Situationen gehabt hatte, konnte er es ganz deutlich spüren. Es gierte ihm nach einem Kampf, nach einem echten Kampf, und nicht nach diesem langweiligen Geplänkel. Er wollte einen richtigen, ästhetischen, anspruchsvollen Kampf. „Auf Kuraigana ist es mir nie so aufgefallen“, meinte er schließlich und betrachtete seine rechte Hand. „Ich hätte nicht gedacht, dass ich es jetzt so plötzlich spüren würde.“ „Keine Sorge, es wird irgendwann besser werden“, besänftigte der andere ihn. „Auf Kuraigana konntest du fast täglich deine Fähigkeiten schärfen und ausreizen, musstest dich so gut wie nie zurückhalten und mir gegenüber natürlich keine Rücksicht walten lassen. Jetzt kannst du das nicht mehr, du musst dich zurücknehmen. Es ist ganz normal, dass du es jetzt viel deutlicher spürst. Gib dir noch ein paar Wochen Zeit, dann wird es leichter werden.“ Ein paar Wochen also, warum fühlte sich das nach einer halben Ewigkeit an? Ernüchternd dachte Zorro an die vergangenen Tage zurück. „Werden die Kämpfe dann auch wieder besser?“, fragte er nachdenklich. „Wie meinst du das?“ Die Augen der Schnecke wippten leicht zur Seite und Zorro konnte regelrecht sehen, wie Dulacre den Kopf neigte, um ihn genauer beobachten zu können, wie er es sonst immer getan hätte. „Hattest du Probleme beim Kämpfen?“ „Nein“, widersprach er direkt, setzte die Teleschnecke auf dem Sofa ab und ließ sich dann neben ihr auf den Boden sinken, lehnte die Arme auf dem Polster ab, legte den Kopf in den Nacken und schloss sein Auge, „das ist es nicht.“ „Was ist es dann, Lorenor?“ Einen Moment noch atmete er tief ein, ehe er schließlich aufseufzte. „Sie waren langweilig, so furchtbar langweilig.“ Für einen Moment schwieg er, doch der andere entgegnete nichts. „Ich habe mich so sehr auf die Neue Welt gefreut, auf die Abenteuer und auf die Kämpfe. Mir war natürlich bewusst, dass nicht jeder Gegner in der Lage sein würde mit mir mithalten zu können – du hast mich ja auch davor gewarnt, dass die meisten schwächer sein würden – aber ich dachte… ich hätte nie gedacht, dass es ein Problem werden könnte.“ Kopfschüttelnd betrachtete er Hantel und Gewicht, die er einfach mitten im Raum hatte liegen lassen. „Ich dachte, egal wie stark oder schwach meine Gegner sein würden, ich könnte dennoch meinen Spaß haben. Aber ich konnte es nicht, weder vorgestern noch gestern. Ja, wir sind um unser Leben gerannt und waren das ein oder andere Mal in einer etwas kniffligeren Situation, aber die Kämpfe… sie waren so furchtbar langweilig.“ Nun sah Zorro zur Teleschnecke neben sich. „Werden von nun an alle meine Kämpfe gegen Schwächere so aussehen?“ Für ein paar lange Atemzüge war der andere still, dann seufzte er auf. „Oh, Lorenor“, bemerkte er fast schon sanft, „ach, mein unschuldiger, naiver Lorenor. Es ist fast schon herzerwärmend, dir zuzuhören.“ „Was?“ Zorro konnte spüren, wie eine Zornesader gefährlich über seinem rechten Auge pochte und seine Wangen warm wurden, während der andere sich über ihn lustig zu machen schien. „Versteh mich nicht falsch“, ruderte der Ältere sofort zurück, der Zorros schlechte Laune wohl bemerkt hatte, „ich wollte dich damit natürlich nicht beleidigen. Aber deine Art vom Kampf zu reden - so romantisierend, so kindlich, so simple und schlicht - berührt mich zutiefst, und ich wünschte dir, dass jeder Kampf so erfüllend wäre, wie du es dir erhoffst.“ „Hör auf, so einen Stuss zu reden. Du weißt, dass ich das nicht leiden kann“, murmelte Zorro, obwohl es ihn eher störte, dass der anderen seine Sorge so ernst nahm. Das sprach nicht dafür, dass sie unbegründet war. „Und du weißt, dass ich nicht beabsichtige, dich zu verspotten“, entgegnete Dulacre ruhig. „Es ist nur so, dass du nach zwei Jahren es immer noch schaffst, mich zu überraschen, Lorenor, und dann reagiere ich eben auch überrascht.“ Er grummelte nur leise etwas, was weder Zustimmung noch Ablehnung war, und betrachtete den öden Trainingsraum. Da Dulacre ihm nicht widersprochen hatte, schien dies also nun wirklich seine Zukunft zu sein. „Sprich, Lorenor, streitest du dich immer noch regelmäßig mit dem Smutje?“ Er brummte nur zustimmend und zuckte mit den Schultern, erinnerte sich wenige Stunden zurück. „Und empfindest du diese Konflikte ebenfalls als langweilig?“ „Tze“, schnaubte er auf, „eher als nervig.“ „Ja, das mag schon sein“, entgegnete der andere beharrlich, „aber empfindest du sie auch als langweilig?“ Für eine Sekunde ließ Zorro die vergangenen Tage Revue passieren. „Nein“, urteilte er dann schließlich. „Dann brauchst du dir keine Gedanken machen.“ „Was, aber…?“ „Lorenor“, unterbrach Dulacre ihn sachte, seine Stimme immer noch so sanft und wohlwollend wie während der stillen Abende am Feuer, „hör mir zu. Dass diese Kämpfe dich gelangweilt haben, lag weder an deinen Fertigkeiten als Schwertkämpfer noch an deinem Monster oder an dieser Gier nach mehr. Es liegt einfach nur daran, dass du mittlerweile ein fähiger Stratege bist.“ „Was?“ „Natürlich. Warum denkst du, halte ich dich für naiv? Obwohl du so einen scharfen Verstand hast und die meisten Menschen so schnell durchschaust, erwartest du immer noch, dass dich eine Horde dahergelaufener Fußsoldaten mit strategischen Winkelzügen überraschen kann? Du überschätzt die Intelligenz deiner Gegner, Lorenor, oder mehr noch, du unterschätzt deine eigene.“ „Wenn ich unnötige Komplimente haben wollen würde, würde ich Kanan anrufen.“ Der andere lachte leise. „Du brauchst dir keine Sorgen machen, Lorenor, diese Kämpfe waren nicht langweilig, weil deine Gegner schwach waren, sondern weil sie einfach nur schlichtweg dumm waren.“ Die Teleschnecke nickte wissend. „Glaube mir, spannende Kämpfe werden wiederkommen, selbst gegen schwache Gegner, solange sie keine Idioten sind. Nicht nur dein Körper braucht mittlerweile Auslastung, auch dein Geist muss gefordert werden und das konnten diese Kleingeister offensichtlich nicht. Setzt dich doch mal mit dem Smutje auseinander – er scheint ja immer noch in der Lage zu sein, dich unterhalten zu können – oder suche dir jemanden aus deiner Crew zum Schach spielen, oder Mah-Jongg, das bevorzugst du ja.“ „Ist das dein Ernst?“ Ungläubig sah er die Teleschnecke an. „Natürlich, Lorenor, du weißt, dass ich äußerst selten scherze und erst recht nicht, wenn es um den Schwertkampf geht. Suche dir intelligente Gegner und du wirst wieder interessante Kämpfe führen können, auf dem Schlachtfeld und abseits davon.“ Er wusste noch nicht einmal genau warum, aber Zorro fühlte sich erleichtert. Er hatte wirklich befürchtet, dass nur noch die wenigsten Kämpfe ihm Freude bereiten würden, und er war froh, dass dem nicht so war. Allerdings konnte er sich derzeit nicht vorstellen, sich an den Koch zu wenden. Zorro fand ihn derzeit alles andere als unterhaltsam, eher nervig und anmaßend, darauf konnte er verzichten. Gegen Robin Schach zu spielen, kam ihm auf der anderen Seite wie eine noch viel schlechtere Idee vor, schließlich war sie diejenige, die ihn eben erst wie ein dummes Kind vorgeführt hatte. „Wenn ich so darüber nachdenke“, murmelte er leise, „würde ich am liebsten noch mal gegen dich spielen.“ Und das war nicht gelogen, obwohl Zorro bisher noch nicht einmal gegen den anderen gewonnen hatte. Nach den vergangenen Tagen, an denen er die ganze Zeit von seinen eigenen Crewmitgliedern herausgefordert worden war, fühlte sich dieses Gespräch mit dem anderen Schwertkämpfer so vertraut an, dass Zorro sich wünschte, es wäre so einfach. „Das ließe sich vielleicht arrangieren“, bemerkte der andere einen Ton zu gelassen und Zorro wurde misstrauisch. „Was?“ „Nun ja, du sagtest doch, dass ihr vorhabt de Flamingo herauszufordern. Ich gehe also davon aus, dass ihr auf dem Weg nach Dress Rosa seid?“ „Sind wir.“ „Dann trifft es sich ja ganz ausgezeichnet, dass die fünf Weisen mich für einen Auftrag zur Insel Applenine geschickt haben. Sagt sie dir etwas? Sie liegt nur wenige Tage per Schiff von Dress Rosa entfernt.“ Überrascht sah Zorro auf. War das nicht die Insel, von der Nami am vergangenen Mittag gesprochen hatte? „Wir werden morgen früh dort einen Zwischenstopp einlegen“, sprach er schneller, als er den Gedanken gedacht hatte. „Was für ein Zufall. Ich werde heute Abend dort ankommen.“ Die Teleschnecke zeigte das leichte Schmunzeln des anderen. „Wenn du möchtest, könnten wir uns treffen. Ich verstehe natürlich, wenn du wichtigere Dinge zu tun hast, aber…“ „Warte mal“, unterbrach Zorro ihn. „Hast du mich deswegen angerufen? Um dich mit mir zu treffen?“ „Keine zwei Wochen nachdem du aufgebrochen bist? Lorenor, du kannst mir schon etwas mehr Selbstdisziplin zutrauen. Ich habe bemerkt, dass sich die Vivre Card plötzlich in eine andere Richtung bewegt hat, und mir Sorgen gemacht. Die Neue Welt hat ganz eigene Naturphänomene und ich wollte eigentlich nur herausfinden in welchen Breitengraden ihr euch in etwa derzeit aufhaltet. Ich hatte nicht erwartet, dass wir in der Nähe voneinander sein würden.“ „Immer noch ein Kontrollfreak.“ „So unhöflich“, entgegnete der andere kühl. „Wäre ich ein Kontrollfreak, würde ich dich bereits verfolgen.“ „Würdest du nicht, weil du dann deinen Titel aufs Spiel setzen würdest, und so einen Schwachsinn würdest du nicht tun.“ „Ich gebe mich geschlagen“, seufzte der andere, „aber zurück zum Thema, Lorenor, ich habe gleich noch einen wichtigen Termin – mein Auftrag, wie du weißt – also, möchtest du auf eine Runde Schach vorbeikommen?“ Er zögerte. Eigentlich hatte er vorgehabt Dulacre erst wieder gegenüberzutreten, wenn er ihn auch würde besiegen können, außerdem waren kaum zwei Wochen vergangen, seitdem sie getrennte Wege gegangen waren, und Zorro wollte nicht, dass der andere sich irgendetwas einbildete, das nicht da war. Auf der anderen Seite konnte Zorro nicht abstreiten, dass er den anderen vermisste, diese Gespräche vermisste und gerade, da so viel Unruhe in der Crew herrschte - er so viel Unruhe verursachte - und das Schiff voll fremder Leute war, fand er die Möglichkeit, diesem Trubel zu entfliehen und für ein paar wenige Stunden die Ruhe Kuraiganas zurückzuerlangen, sehr verlockend. Natürlich war er nicht so blauäugig, Mihawk dessen Geschichte einfach so abzukaufen, auf der anderen Seite klang sie plausibel genug und vielleicht war dieser Auftrag ja auch wieder von Eizen eingefädelt, um den Samurai abzulenken, da Eizen dachte, dass Dulacre nicht wusste, dass Zorro und Loreen ein und dieselbe Person waren, und daher dem Samurai vorgaukeln wollte, dass Loreen derzeit an Eizens Seite die Reverie in wenigen Tagen vorbereiten würde. Nein, der Samurai mochte zwar ein überfürsorglicher Kontrollfreak sein, aber letzten Endes vertraute… „In Ordnung“, murmelte er leise und betrachtete die Hantel erneut, „aber wehe, du hast nur Wein da. Wie wäre es mal mit einem anständigen Sake?“ Vielleicht… vielleicht sollte er doch den anderen um Rat fragen. Wenn ihn einer verstehen konnte, dann vielleicht doch Dulacre, der ihn so viel besser verstand als selbst Zorro sich selbst. „Ganz wie du wünschst.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)