Als die Dunkelheit das Licht verschlang von Seelendieb (Buch I: Hohepriester Chaths) ================================================================================ Kapitel 11: Kapitel XI ---------------------- Chaths musste hier raus! Schnell huschte er durch die dunklen Gänge. Duckte sich immer wieder in den Schatten oder hielt kurz inne, um zu lauschen. Ihm fiel die Decke auf den Kopf und er wollte wissen, wie es Amsu ging und ganz nebenbei auch mal wieder einfach nur... Mensch sein! Er wusste, dass Apophis nicht da war und das musste er ausnutzen. Kurz raus, nach Amsu sehen, was trinken und wieder zurück. Apophis würde es gar nicht merken... Nach einer gefühlten Ewigkeit erreichte er den Ausgang dieser riesigen Anlage und er atmete die frische Luft tief ein. Es war Vollmond. Perfekt. Schnell blickte er sich um und huschte los. Amsu musste hier weg! Dieses ganze Lernen und Unterweisen und das Getue von seinem Vater und Ausar und die ganzen Priester. Er sollte an jemanden gebunden... quasi zwangsverheiratet werden und dennoch musste er still halten! Es erdrückte ihn und ihm drohte die Decke auf den Kopf zu fallen. Er musste einfach raus, frische Luft schnappen und seinen Kopf freibekommen! Geschickt und routiniert verließ er die Palastmauern, Apophis um seinen Hals gelegt. Er rannte im Schatten weg, huschte durch die Gassen und schließlich erreichte er die Stadt. Mit einem Grinsen mischte er sich unter das feiernde Volk. Ach, wie liebte er diese Volksfeste! Schnell huschten Chaths Augen über die Menge. Oh das war perfekt! Hier in der Stadt wurde gefeiert! So lief er zu dem ersten Stand und ließ sich einen vergorenen Saft geben. Oh ja, er würde seine Freiheit genießen! Er schlenderte von einem Stand zum nächsten, naschte hier und trank da und dann stockte er. Bei dem Feuerschlucker meinte er in der Menge eine Gestalt erkannt zu haben. Langsam näherte er sich ihr, bis er direkt hinter ihr stand und ihr in den Nacken atmen konnte. „Du hast etwas, was mir gehört...“ raunte er leise. Amsu schlenderte entspannt durch die Menschenmenge. Mal naschte er hier und mal trank er da und schließlich blieb er bei der Vorführung eines Feuerschluckers stehen und war einfach fasziniert von dem Können. Plötzlich spürte er, wie sich jemand ganz dicht hinter ihn stellte und er wurde blass. Hatten die Palastwachen ihn etwa bemerkt? Als er jedoch die Frage hörte, weiteten sich seine Augen ungläubig und er drehte sich um. „Wenn du mehr trinkst, als ich, bekommst du es.“ erwiderte der Kronprinz grinsend und Chaths lachte warm auf. Fest und innig umarmten sich die beiden Freunde. „Du siehst gut aus, Chaths. Die Tätowierungen stehen dir.“ meinte dann Amsu, als sie sich gelöst hatten und zu einem Stand für berauschende Getränke gegangen waren. „Danke. Du hingegen siehst sehr schlecht aus, Amsu.“ meinte Chaths ernst, während er an seiner Trinkschale nippte. Amsu senkte müde den Blick. „Es ist der Horror. Von Früh bis Spät muss ich lernen, wenn ich die falschen Antworten gebe und wenn ich Antworten gebe, die ihnen nicht gefallen, bekomme ich die Rute. Sie nennen es reinigen und Austreiben böser Geister.“ erklärte er leise. Chaths runzelte die Stirn. „Geh zu deinem Pa oder zu Ausar. Sie werden das unterbinden, denn...“ setzte er an und stockte, als Amsu leicht mit den Kopf schüttelte. „Es kommt von ihnen. Der Pharao führt persönlich die Rute und der Hohepriester... Er hat mich schon mehrere Male in der Sonne an den Pfahl gehängt.“ erklärte der Kronprinz leise. „Ich darf den Namen des Atons nicht mehr in den Mund nehmen. Auch du sollst mich nicht mehr weihen. Sobald der Priester da ist, der mich weihen wird, werde ich ihm zugeführt. Er wird Sieben Sonnenläufen lang mich in wirklich alles einweisen und dann erhalte ich die Weihe von ihm.“ Chaths blinzelte verwirrt und legte den Kopf schief. „Was ist daran so schlimm? Also, ich meine, dass er dich in alles einweisen soll. Weil, ob es deinem Papa gefällt oder nicht, du erhältst die Weihe von mir!“ erklärte er naiv und fest. Amsu biss sich auf die Lippen und ging langsam von den Feiernden weg. Chaths folgte etwas verwirrt und erschrak, als der Kronprinz ihn mit leeren und tränenverhangenen Augen anblickte. „Chaths... Also es ist Praxis, dass wenn ein Thronerbe noch nicht soweit ist... oder nicht den Vorstellungen und Wünschen des amtierenden Pharaos entspricht, dann wird der Thronerbe einen entsprechenden Priester zugeführt, der ihn... nun ja... bei den Sklaven nennt man das abrichten. Der Thronerbe ist dann quasi nur noch die Hülle für das Volk und der Priester ist der eigentliche Throninhaber.“, erklärte Amsu ruhig und dennoch zitterte seine Stimme. Chaths brauchte einen Moment, bis er begriff, was die Worte bedeuteten. „Du sollst zu einem Sexsklaven für irgendeinen daher gelaufenen Priester werden?!“ entfuhr es ihm ganz vulgär und der Kronprinz nickte nur. Tief atmete Chaths durch und schwieg eine Weile. „Wann soll er kommen?“, fragte er schließlich. „Er wird zwischen den jetzigen und nächsten Vollmond erwartet.“ erklärte Amsu nur leise. Chaths nickte und zog den Kronprinz in eine tröstende Umarmung. „Ich lasse nicht zu, dass das passieren wird. Lerne, lass dich in alles einweisen und ausbilden. Ich kann dir das nicht bieten, da ich selber noch ein Schüler bin. Aber vertrau mir. Du erhältst die Weihe von mir rechtzeitig und nun lass uns Spaß haben und alles vergessen!“ meinte er und Amsu lachte warm auf. „Wer wohl mehr verträgt?“, spottete er und ging wieder zu dem feiernden Volk. Der Morgen graute bereits, als Anubis sich den zwei jungen Männern näherte, die in einem komatösen Schlaf eng ineinandergeschlungen kreuz und quer auf der Handelsroute lagen. „Sie hatten Spaß...“, stellte er amüsiert fest. „Sie sollten nicht mehr so leichtsinnig sein!“, trat die Sonne neben Anubis und nahm Amsu auf die Arme. „Und sie sollten sich nicht erwischen lassen!“, grollte die Finsternis neben den Schakal und nahm Chaths auf die Arme. Und nur einen Augenblick später, waren sie verschwunden. Anubis konnte nicht umhin und hatte Mitleid mit Chaths. Allerdings war er auch froh, dass sie ihn und den Kronprinzen noch rechtzeitig gefunden hatten. Stöhnend schlug Chaths die Auge auf. Oh man... Sein Schädel. Was hatten sie alles getrunken?! Mühsam setzte er sich auf und stockte. Ganz vorsichtig tastete er den Untergrund ab, auf dem er bis jetzt gelegen hatte. Nein... bitte nicht... Das war sein Bett... Langsam drehte er den Kopf zur Zimmertür und stockte, als er die glühenden Augen von Apophis sah. „Habe ich verschlafen?“ fragte er bemüht unschuldig mit krächzender Stimme. „Auch...“, kam es gefährlich ruhig von dem Schlangengott. Chaths schluckte trocken. „Ich nehme an, dass ich nicht von alleine in mein Bett gekommen bin?“, tastete der Jüngling sich vorsichtig vor. „Du nimmst richtig an.“, erwiderte Apophis noch immer so unnatürlich ruhig und näherte sich nun langsam der Schlafstätte von Chaths. Dieser machte sich ganz klein und duckte sich regelrecht weg. „Ich denke, dir wird etwas Schwimmen ganz gut tun. Da kannst du dir mal überlegen, was du falsch gemacht hast. Was für Fehler du gemacht hast!“, meinte da Apophis plötzlich, als er Chaths auf die Arme nahm und im nächsten Moment fallen ließ. Mit einem lauten Schrei fiel Chaths in tiefes, dunkles Wasser. Als er prustend wieder an die Oberfläche kam, fing er direkt an zu schwimmen, weil er spürte, dass irgendwas ihn immer wieder unter die Wasseroberfläche zog. Chaths keuchte und wimmerte vor Schmerzen. Das war so brutal. Ihm war schlecht, sein Kopf drohte zu platzen und er hatte kaum Kraft. Mal davon abgesehen, dass ihm so speiübel war! „Ich habe mich deiner Anweisung widersetzt und bin einfach abgehauen!“, rief er flehend, denn er wusste, dass er nicht lange durchhalten würde. „Versuchs noch einmal.“, kam es nur trocken von Apophis, der Chaths mit kühlem Blick beobachtete. „Was?!“ rief Chaths verblüfft und wurde direkt in die Tiefe gezogen. Es dauerte lange, doch schließlich schaffte er es sich wieder an die Oberfläche zu kämpfen und er spuckte und keuchte und war so am Ende. Mal davon abgesehen, dass er zu keinem klaren Gedanken fähig war! „Apophis... Vielleicht ein Hinweis? Ich weiß nicht, was du meinst.“ rief er nach einer Weile nach oben und seine Arme wurden immer schwerer. Ein spöttisches Schnauben war die Antwort. Langsam liefen Chaths die Tränen der Verzweiflung, weil ihm nichts einfiel und er immer öfter und immer länger in den Tiefen dieses komischen Wassers verschwand. Als er nicht mehr die Kraft hatte aufzutauchen, wurde er am Arm gepackt und im nächsten Moment lag er zitternd in seinem Bett. Apophis setzte sich nun zu den Jüngling und fuhr beruhigend über dessen Haare. „Chaths, du bist so eben im Meer der Verdammnis geschwommen.“ erklärte er ruhig und Chaths wurde schneeweiß. „Dein Fehler war: Du hast dich erwischen lassen. Merk dir für die Zukunft: Egal was du oder dein Freund Amsu tut – lasst euch niemals erwischen, denn eure Strafen werden nichts im Vergleich zu dem Meer der Verdammnis sein. Hast du mich verstanden? Wenn du deinen Freund helfen willst, dann musst du dir das verinnerlichen!“ meinte der Schlangengott ruhig und Verständnis tauchte in Chaths Augen auf. „Wir haben wieder mitten auf der Straße geschlafen?“, fragte er. „Eng ineinander verschlungen. Inniger als ein Liebespaar“, antwortete Apophis schmunzelnd. „Nein...“ stöhnte Chaths auf und wurde Puterrot. Oh man, wenn man sie so gefunden hätte... Apophis hatte Recht – das Meer der Verdammnis wäre der Himmel auf Erden im Vergleich zu dem was sie beide erwartet hätte. Apophis nickte leicht vor sich hin, als er sah, dass Chaths begriffen hatte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)