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Schlaf Kindchen, schlaf

von

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Der Tod lauert in der Provinz

Mit jedem Schritt knackte das morsche Unterholz, während mehrere Laternen den Wald erleuchteten.
 

"Luise!" Immer wieder riefen mehrere Personen jenen Namen und durchkämmten den düsteren Wald auf der Suche nach dem verschwundenen Mädchen.
 

Die Mutter hatte sich Hilfe suchend am Nachmittag an die Nachbarn gewandt, nachdem ihr kleines Mädchen nicht vom Spielen zurückgekehrt war.
 

"Luise bist du hier irgendwo? Melde dich doch!", rief eine Männerstimme erneut nach dem Mädchen, doch nichts kam zurück, nur sein Echo, welches gespenstisch klang.
 

Immer tiefer drangen die furchtlosen Dorfbewohner in den Wald, durchkämmten jeden Winkel und drehten jeden noch so kleinen Stein herum. Luise aber blieb verschwunden und die Sorge der Erwachsenen wuchs mit jeder weiteren Sekunde.
 

"Wir müssen sie ..." Ein Schrei hallte so plötzlich durch den Wald, dass die gestandenen Mannsbilder zusammenzuckten. "Was war das?"
 

Suchend hob einer der älteren Herren seine Laterne hoch, konnte aber nichts entdecken und senkte sie. "Was auch immer das war, es klang beängstigend."
 

"Und jetzt? Suchen wir die kleine Luise weiter?"
 

"Nein, es ist zu dunkel. Wir brechen ab und suchen morgen weiter." Schweren Herzens zogen die Männer ab und schritten zurück in das kleine Dorf Lentondre am Rande des Waldes. Hoffnung hatten sie nicht, doch sie wollten Luise finden, Gewissheit haben.
 

Einer der Männer drehte sich um und stutzte. Ihm fiel etwas ein und schwer musste er schlucken. "Habt ihr die Vorfälle von Gevaudan gehört?"
 

"Das ist Aberglaube. Kein Tier reißt Frauen und Kinder und schon gar kein sogenannter Wolfsmensch", erklärte der Älteste in der Gruppe, wurde aber von einem anderen Mann unterbrochen, der Näheres wusste. "Ein Tier war es sicher nicht. Tiere vergehen sich nicht sexuell an Menschen."
 

"Da hast du es und nun schlag dir den Gedanken an einen Werwolf aus dem Kopf." Gelächter ertönte, doch der junge Mann mit den blonden lockigen Haaren glaubte fest daran, dass es sich um eine Bestie handelte. Kinder und Frauen wurden zerfleischt vorgefunden, mit zerfetzter Kehle und das konnte unmöglich ein Mensch gewesen sein. Teils fehlten sogar ganze Gliedmaßen, wurden gefressen und das sollte ein Mensch gewesen sein? Johann glaubte kein Wort davon und betet innerlich zu Gott, dass Luise nicht Opfer dieser Kreatur geworden war.
 

Er hatte die restliche Nacht kaum geschlafen, hatte immer wieder das Mädchen vor Augen und dann kam die Bestie, zerriss ihren Körper vor seinen Augen und schleuderte den abgetrennten Kopf vor seine Füße. Zu viel für den jungen Mann, der schweißgebadet aus diesem Alptraum erwachte. "Heilige Mutter Gottes", murmelte er, richtete sich auf und fuhr sich durch die blonden Locken.
 

Sein Herz schlug noch immer rasant gegen seinen Brustkorb, wollte sich kaum beruhigen und beschleunigte noch einmal, als es an der Tür klopfte und von draußen jemand rief, sie hätten Luise gefunden. Johann schluckte, zog sich hastig an und trat hinaus auf die Straße.
 

Von Weitem erkannte er die Mutter des Mädchens, aufgelöst und am Weinen. Der Vater geschockt und blass um die Nase. Johann wagte es kaum näherzukommen, doch wollte auch er Gewissheit haben und riskierte einen Blick auf das tote Mädchen.
 

Ihre Kehle war zerfetzt, die Kleider zerrissen und die Augen starr vor Angst weit aufgerissen. Johann presste die Hand vor den Mund. "Auf ein Wort", murmelte er dem alten Mann von gestern Abend zu, der ihm sofort folgte und ihn eingehend ansah. "Denken Sie noch immer an einen Menschen? Gucken Sie Luise an! Sie ist tot, ihr Körper zerrissen, ihre Kehle zerfressen. Ihr rechter Arm fehlt. Er wurde ihr regelrecht abgerissen und das war sicher kein Mensch!"
 

"Johann beruhige dich. Ich weiß, dass du sie sehr gerne hattest, aber es gibt keine Bestie und schon gar keinen Werwolf", versuchte es der Alte im ruhigen Ton und wurde jedoch vom Arzt des Dorfes unterbrochen. "Ich muss Sie enttäuschen. Eine solche Kraft besitzt kein Mensch. Es muss etwas Gewaltiges und nicht Menschliches gewesen sein."
 

"Ja, aber..." Der alte Mann verstummte und überlegte. Wölfe griffen Menschen nicht an und wenn, dann nur im Rudel wenn sie ausgehungert waren. "Johann?", wandte er sich schließlich erneut an diesen. "Wir sollten die Vorfälle von Gevaudan durchgehen. Vielleicht gibt es einen Zusammenhang."
 

Johann nickte, folgte seinem Nachbarn ins Haus und setzte sich an den hölzernen Küchentisch. "Ich mach uns einen Tee und dann erzähl ich dir etwas."
 

"Machen Sie sich meinetwegen bitte keine Umstände", lehnte der junge Mann dankend ab und sah sich mit Blicken um. Spärlich eingerichtet, fast so, als würde hier gar keiner wohnen. Schon seltsam, dabei wohne der Alte seit Jahren im Dorf.
 

"Ich habe nicht immer hier gelebt. Früher hatte ich Frau und Kinder und wir lebten ganz in der Nähe von Gevauda. Ich kenne also die Geschichten um diese Bestie und, dass sie 100 Menschen getötet hatte. Sie griff immer nur Frauen und Kinder an, tötete sie und einige von ihnen wurden grausam zugerichtet und missbraucht."
 

Johann hörte zu, dennoch runzelte er die Stirn. "Ein Tier vergeht sich aber doch nicht an Frauen. Nicht sexuell."
 

"Das ist richtig und wir dachten damals auch an einen Wolfsmenschen. An jemanden der sich in ein Tier verwandelt und doch erlegte der Jäger des Dorfes die Bestie und es war ein Tier. Die Vorfälle hörten auf und niemand kam mehr zu Schaden." Der Alte goss zittrig den Tee in zwei kleine Tassen und reichte eine davon Johann. "Ich denke, nein, ich weiß es, dass es kein Tier aus dieser Gegend war."
 

"Haben Sie es denn gesehen?", wollte Johann wissen.
 

"Nicht direkt, aber es war struppig und kein Wolf. Ein Junge, der überlebte, meinte sogar, dass es lachen würde wie ein Mensch."
 

"Doch ein Wolfsmensch? Tiere lachen nicht, das kann unmöglich stimmen", murmelte er nachdenklich und griff zu seinem Tee. "Und es griff nur nachts an oder auch am Tag?", fragte er weiter.
 

"Nur in der Nacht oder in der Dämmerung. Es tötete erst meine Frau und zwei Tage später holte es sich meine Tochter."
 

"Das tut mir leid." Johann sah den alten Mann vor sich an. Er wirkte gebrochen, einsam und hatte das Liebste in seinem Leben verloren. An ein Tier, welches Menschen angriff, abgerichtet und dressiert wurde und das von dem Jäger, der die Hyäne am Ende selbst mit einer Silberkugel erlegt hatte.
 

Warum ist bis heute unklar, ebenso, wie das Tier nach Frankreich kam und noch heute erzählen sich die Leute von der Bestie aus der französischen Provinz Gevauda.



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