Schlaf Kindchen, schlaf von Pragoma ================================================================================ Kapitel 4: Produkt der Fantasie ------------------------------- "Bring mir noch etwas Wein", wies der dicklich wirkende Mann hinter seinem wuchtigen Schreibtisch das Hausmädchen an. "Und bring ihm auch gleich einen Geistlichen", ertönte es kichernd aus einer dunklen Ecke des Zimmers. "Nun rechnen wir ab, werter Herr Stadtrat." Leichtfüßig kam die Gestalt näher, kletterte auf den Schreibtisch und wischte mit einer Handbewegung sämtliches Pergament zu Boden. "Hast du mich vermisst, Fettsack?" "W – w – w..." Dem Stadtrat blieben die Worte im Hals stecken, er wirkte bleich und fächelte sich selbst panisch Luft zu. "Ach jetzt fehlen die Worte? Das ist typisch. Erst groß die Rede schwingen und jetzt hier sitzen wie das Opfer." Eric seufzte, dann fegte er ihm die hässliche Perücke vom Kopf und funkelte ihn zornig an. "Ich war das Opfer! Ein Opfer von vielen und alle waren wir unschuldig und nicht einer Hexe oder Ketzer." "D – du bist tot. Ich hab dich brennen sehen", stammelte der dicke Mann und rang hektisch nach Atem. "Das mag sein, dass ich gebrannt habe. Nun bin ich aber hier und rede für uns alle. Für all jene, die DU unschuldig hast verurteilen lassen. Unter Folter gesteht man alles, was andere hören wollen und weißt du was, Fettsack? Auch du wirst noch den Tod finden." Erics Lächeln wurde noch breiter, seine Fangzähne stachen hervor und versetzten sein Gegenüber in Panik. "U-unmöglich. Du kannst kein Untoter sein, du hast gebrannt", wiederholte sich der Stadtrat, während er mit seinem Stuhl ein Stück wich. "Untoter?", wiederholte Eric und musste laut auflachen. "Untote sind langweilig und reine Erfindung von Menschen, die nicht aufgeklärt sind." "Was bist du dann?" "Ein Vampir, der sich vom Blut der Lebenden ernährt und sie aussaugt bis zum letzten Tropfen." Eric schnellte vor und packte den Mann vor sich am Kragen. "Du hast jedoch Glück, dass auch Vampire nur Mythos sind und ich nur ein Produkt deiner Fantasie bin." Ganz folgen konnte der verängstigte Mann ihm nicht und das spürte auch Eric. "Das Brot. Es ist das Brot, das du isst. Das Korn ist nicht rein." "Was meinst du mit nicht rein?" "Das Korn ist von einem Pils befallen und zu den toxischen Effekten von Mutterkornalkaloiden zählen unter anderem Halluzinationen", erklärte Eric wissend. "Man stirbt auch mit der Zeit daran." Blass wie eine Wand wurde er angestarrt. Eine Genugtuung für Eric und gerne wäre er bei seinem Ableben dabei. Doch Eric war nur ein Produkt seiner Fantasie, vielleicht auch des schlechten Gewissens, welches durch den regelmäßigen Verzehr von Mutterkorn ausgelöst wurde. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)