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Schlaf Kindchen, schlaf

von

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Sorbischer Buback

"Wir sollten langsam zurück. Es wird schon dunkel", merkte Marie an, als sie gen Himmel blickte und über eine weitere Baumwurzel stieg. Ihr war der Wald ohnehin nicht geheuer und irgendwas sagte ihr, dass sie umdrehen und ihre Herberge aufsuchen sollten. Aber nein, die Jungs hatten sich in den Kopf gesetzt etwas zu suchen, was ihrer Meinung nach schon längst schon verfallen war. Vermutlich gab es nicht einmal Überreste, geschweige denn Hinweise auf die damaligen Opfer. Marie war nur mitgekommen, weil ihr Bruder sie überredet hatte und ihr den Ausflug mitfinanzierte.
 

"Komm schon, es ist nicht mehr weit und ich will nur ein paar Fotos machen. Danach gehen wir, versprochen", redete der großgewachsene Blondschopf auf seine kleine Schwester ein und zog sie mit einem Ruck in seine kräftigen Arme. "Ich bin nur deswegen hier und du weißt, wie sehr ich auf diesen altmodischen Kram abfahre."
 

"Also schön, aber nur ein paar Fotos", lenkte sie schließlich ein, löste sich von ihm und rannte schon wieder lachend ein Stück voraus in den dichten Wald.
 

Kopfschüttelnd folgte ihr Bruder, ebenso dessen zwei Freunde, die genauso auf Mythen und Legenden abfuhren, etwas erleben und sehen wollten. "Denkst du, da spukt es?"
 

Hendrik überlegte, schüttelte aber den Kopf. "Ich denke nicht. Immerhin wissen wir, dass es ruhelose Seelen nicht gibt."
 

"Sicher? Überleg mal, was in Frankreich vor etlichen Jahren passiert ist oder denke an Nessi", plapperte der dunkelblonde Junge mit der Brille emsig weiter, ehe er stehenblieb und diese zurechtrückte. "Wo kommt die alte Frau da vorne plötzlich her?"
 

Alte Frau? Hendrik blieb skeptisch stehen und betrachte das Mütterchen eine Weile. Sie sah hilflos aus, trug eine viel zu schwere Last auf dem Rücken und ging am Stock.
 

"Wir sollten ihr helfen." Sein zweiter Freund schritt zielstrebig auf die Alte zu und bot ihr direkt seine Hilfe an. Lächelnd hob sich der Blick, die schmalen und mit Falten überzogenen Lippen verzogen sich zu einer hässlichen Fratze und ehe der junge Mann wusste, wie ihm geschah, wuchs das Mütterchen um mehrere Zentimeter. Mit einem Mal überragte sie ihn, sprang auf seinen Rücken und ein irres Lachen klang durch den finsteren Wald.
 

"Verdammt", entwich es Hendrik, der genau wusste, womit sie es zu tun hatten. "Ein Aufhocker."
 

"Ein was?", fiepte sein Freund mit unnatürlicher hoher Stimme neben ihm.
 

"Aufhocker sind lebende Tote, die sich an die Lebenden heften und im Gegensatz zu einem Nachzehrer kann er aus seinem Grab heraus."
 

Marie war geschockt, sah zu der Alten, die mehr einem Troll glich und Thomas mehr und mehr zu Boden drückte. "Sie tauchen an Bächen, Brücken, Seen, Wäldern, Gräben, Wegkreuzungen, Kirchhöfe und Mord- oder Richtstätten auf. Sie wird ihn umbringen", murmelte sie leise aber durchaus verzweifelt.
 

"Wer wird wen umbringen?", fragte Hendrik, wedelte mit der Hand vor dem Gesicht seiner Schwester herum und sah sie besorgt an.
 

Marie schüttelte sich, sah an ihrem Bruder vorbei zu Tommy, der seine Brille putzte und sie verwirrt ansah. "Marie geht es dir nicht gut? Du wirkst ein wenig blass."
 

"Das Mütterchen? Wo ist sie hin?"
 

"Mütterchen? Was für ein Mütterchen? Wir sind alleine. Hier ist weit und breit keine Menschenseele." Marie nickte schwach, sah sich kurz im Vollmondlicht um und entdeckte oben auf dem Baum eine Gestalt.
 

Sie schüttelte sich ein letztes Mal, schob es auf die Müdigkeit und verdrängte die Angst vor dem hinterlistigen Aufhocker, der nicht nur Krankheiten bringen konnte, sondern auch den Tod. Doch war er nur eine von vielen Mythen und Legenden, die sich rund um Richtstätten rankten.



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