Apnoe von Ixtli ================================================================================ Kapitel 19: Gabriel -------------------     Die dichten Wolken, die unaufhörlich aus der Nebelmaschine quollen, erreichten jetzt fast die Brücke. Das rote Licht, das von unten im Takt der Musik durch den Dunst zuckte, ließ das Ganze wie das glühende Höllenfeuer eines brodelnden Geysirs kurz vor dem Ausbruch aussehen. Der Tank war bereits völlig von dem dichten Dampf eingehüllt und die Wasserfläche nicht mehr von dessen Außenseiten zu unterscheiden, als Gabe schließlich das Geländer losließ und sich fallen ließ. Der Luftstrom, den sein Körper im Fall verursachte, ließ die Nebeldecke aufwirbeln und Gabe fühlte den kurzen Schmerz auf seiner Haut, als er die Wasseroberfläche durchbrach, in den Tank eintauchte und die Geschwindigkeit augenblicklich abgebremst wurde, mit der er gerade noch nach unten gerast war. Das Wasser schäumte wild und schwappte in Wellen über den Rand des Tanks hinweg. Das aufbrandende Lachen der Leute, die in direkter Nähe des Wassertanks getanzt hatten, als die Tropfen auf sie hinab regneten, klang gedämpft und verzerrt durch das Wasser zu ihm. Das grelle Licht der Laser schnitt wie Klingen aus Licht durch den Nebel, der sich langsam senkte, und Gabe versuchte, jeden Gedanken an den Vertrag auszublenden. Wenigstens für die nächste halbe Stunde.     Auf alles gefasst betrat Gabe Liams Büro, das abseits des ganzen Betriebs in einem ruhigeren Teil des Abyss lag. Thomas hatte ihm einmal erzählt, was das Abyss vor Liams Übernahme war, aber Gabe hatte es vergessen. Jedenfalls war es im Vergleich zu Thomas' Büro, das hauptsächlich aus Glas und Metall und nur wenigen Holzelementen bestanden hatte, eher altbacken und trist. Holzverkleidete Wände dominierten hier und verstärkten den Eindruck, man würde das Büro eines Holzfällers betreten, anstatt den Arbeitsplatz eines Nachtclubbesitzers. Liam schien es nicht zu stören. Der einzige Versuch, sein Büro zu modernisieren, hatte darin bestanden, die schrecklich dunklen Wände hell zu überstreichen und einen neuen, glänzend schwarzen Boden verlegen zu lassen. Nicht ohne Genugtuung wusste Gabe um die nassen Flecken, die er gerade auf dem auf Hochglanz schimmernden Boden hinterließ. Er war gleich nach seinem Auftritt aus dem Wassertank gestiegen und hatte sich ohne sich abzutrocknen oder erst mal die Farbe vom Körper zu waschen, wie er es sonst tat, auf direktem Weg zu Liams Büro aufgemacht. Liam, der an seinem Schreibtisch saß, sah kurz auf, sagte aber nichts zu den nassen Fußspuren, die Gabe von der Tür her kommend bis zu seinem Schreibtisch hinterließ, obwohl er jede einzelne davon registrierte. Stumm schob er die Papiere, die er sich gerade ein letztes Mal durchgelesen hatte, über die Tischplatte nach vorne, wo zwei Besucherstühle standen. Gabe ignorierte die beiden Stühle, von denen Liam wohl erwartete, dass er in einem davon Platz nahm. Er war hier kein Bittsteller, dachte Gabe verächtlich und stellte sich genau zwischen Liam und dessen Schreibtisch. "Hat dir die Show gefallen?" "Wie immer", erwiderte Liam ruhig und schob die Papiere nun zu Gabes selbstgewähltem Platz hin. "Du warst unten und hast zugesehen." Gabe ließ es absichtlich nicht wie eine Frage klingen. Er kannte die Antwort darauf und Liam durfte es gerne wissen. Er blätterte durch die Seiten und las sich alles durch, während das Wasser aus seinen Haaren die Arme hinab direkt auf das Papier rann und dort eine kleine Pfütze unter seiner Hand bildete. Liam hatte nicht gelogen. Es war alles wortgleich mit seinem alten Vertrag. Kein Haken, was ihn wunderte. Er nahm Liam den Stift aus der Hand und unterschrieb. Flink glitt der Kugelschreiber über das Papier und zog eine Tropfenspur aus Wasser und Farbe hinter sich her. Liam hatte sich in seinem Bürosessel etwas nach hinten gelehnt. Einen Ellenbogen auf der Armlehne abgestützt ruhte sein Kopf auf dieser Hand. Still sah er dem Wasser nach, das an Gabes Arm hinabrann und auf die Tischplatte tropfte. An manchen Stellen war das Bodypainting verwischt. Die sich sonst klar voneinander abgrenzenden weißen und roten Streifen des Feuerfisch-Musters hatten sich untereinander vermischt, so dass alles irgendwie verschwommen wirkte. "Der ganze Aufwand für ein paar Stunden", murmelte Liam. Er sah hoch zu Gabe, der kurz innegehalten hatte und den Chef des Abyss aus dem Augenwinkel ansah. "Stört dich das nicht?" "Kein bisschen", verneinte Gabe amüsiert und setzte den letzten Punkt bei seinem Namen. "Es gehört halt zur Vorbereitung." Er drehte sich etwas zu Liam, der sich wieder die Farbe betrachtete. "Außerdem ist es mir lieber, wenn ich im Wasser so wenig Stoff tragen muss, wie möglich. Und die Leute schauen bei einem Körper genauer hin, wenn er auch wie ein Körper aussieht, anders als bei Stoff. Richtig?" Er betonte das Richtig und wartete dann geduldig, bis sich Liams Blicke wieder von seinen Armen lösten und nach oben wanderten, wo sie auf Gabes belustigt blitzende Augen trafen. "Oder gefällt dir das Bodypainting nicht?" "Doch schon." "Dann schau doch beim nächsten Mal in der Garderobe vorbei, wenn es aufgetragen wird, dann weißt du, dass es auch Spaß machen kann. Und wenn du willst, kannst du helfen. Ich komme überall hin, außer an den Rücken." Gabes offensichtliche Provokation ließ Liam nur müde lächeln. "Ich habe kein Talent im Malen." "Das brauchst du auch nicht", entgegnete Gabe prompt. "Du musst noch nicht mal wissen, wie man einen Pinsel hält. Die Hände reichen." Er schob den Vertrag zu Liam, der seine Hand darauf legte, um ihn entgegen zu nehmen, doch Gabe ließ noch nicht los. "Oder hast du Angst, dass dich die Leinwand zu sehr ablenkt? Das wäre das erste Mal, dass du keine Kontrolle hast, stimmt's?" "Ja, genau das ist der Grund." Liam lachte kurz auf, aber es klang nicht sonderlich ehrlich, sondern eher entlarvt, was Gabe sofort auffiel. Die Pause zwischen dem letzten Wort und dem Lachen war ein bisschen zu lang. Kommentarlos ließ Gabe den Vertrag los und sah zu, wie Liam ihn zu sich herumdrehte. Als der bei der Zeile mit Gabes Unterschrift ankam, neben der ein Wasserfleck samt roter Farbe prangte, fuhr sein Kopf hoch. "Ist das dein richtiger Name?" Liams Augen suchten in Gabes Gesicht nach irgendeiner Regung, die seine Frage bestätigte. "Ja, warum?" Liam sah wieder auf die Unterschrift. "Ich kannte nur den Namen, unter dem du hier auftrittst." "Wirklich?" Gabe war kurz davor, loszulachen. In manchen Dingen war Liam scheinbar ziemlich gutgläubig, auch wenn er sonst seine unnahbare Chef-Rolle perfekt spielte. "Der ist doch so offensichtlich absichtlich gewählt, dass es einem förmlich ins Gesicht springt." Liams Lächeln wirkte wie eingebrannt. LaRue war gar nicht mal so dumm gewesen. "Gabriel?" Gabes Blicke, aus denen jetzt das Erheiterte verschwunden war, schossen wie Pfeile auf Liam zu.     "Und du kannst wirklich so lange unter Wasser bleiben, ohne dazwischen aufzutauchen?" Thomas LaRue sah ungläubig zwischen dem jungen Mann und dem Schwimmbecken hin und her. "Musst du dabei an einer Stelle bleiben oder schwimmst du auch hin und her?" "Das spielt keine Rolle", antwortete Gabe amüsiert auf die ihn einprasselnden Fragen. "Du kannst mich gerne testen, wenn du mir nicht glaubst." LaRue dachte einen Moment nach, dann erhellte sich sein konzentrierter Blick. "Warte, ich bin gleich wieder zurück!", rief er Gabe zu und verschwand dann eilig in Richtung Umkleiden.   "Geht das?" Gabe sah auf die glänzenden Münzen, die ihm sein Gegenüber in der Handfläche präsentierte. "Sicher." "Die hatte ich noch-", begann Thomas LaRue zu erklären, doch Gabe unterbrach ihn direkt. "Wegen des Parkscheinautomaten, der Scheine frisst", lachte er. "Meine Schwester verflucht mich jedes Mal, wenn ich hier trainieren will und ihr erst im Parkhaus wieder einfällt, dass sie ihr ganzes Kleingeld in die Snackautomaten gesteckt hat." "Komisch, dass wir uns dann nicht schon früher am Automaten gesehen haben." LaRues Lachen hallte durch den Raum. "Bereit?" Gabe nickte und sah zu, wie Thomas LaRue die Münzen ein letztes Mal durchzählte und dann eine davon zwei Meter vom Beckenrand entfernt ins Wasser warf. "Willst du dich über mich lustig machen?", lachte Gabe auf. "Wirf sie weiter weg! Ins tiefe Wasser!" "Schön." LaRue holte aus und warf die restlichen Münzen in großem Bogen so weit er konnte. Das Wasser spritzte auf, wo sie eintauchten und einen kurzen Moment zweifelte Thomas LaRue an dieser Entscheidung. "Wenn du die nicht alle einsammelst, komme ich nachher nicht aus dem Parkhaus, und mein Fahrer hat heute seinen freien Tag und ist sonst wo unterwegs..." "Keine Sorge", Gabe ließ sich am Beckenrand nieder. Die Beine im Wasser hängend saß er eine Weile schweigend mit geschlossenen Augen da. Auf seiner Körpervorderseite spiegelten sich die Lichter des Wassers auf seiner Haut, unter der die Muskulatur beim Ein- und Ausatmen auftauchte und verschwand wie sanfte Wellen, die ans Ufer eines ruhigen Sees rollten. Kurz bevor Thomas LaRue ihm sagen konnte, dass er das nicht tun müsse und er sich schon irgendwo Kleingeld besorgen würde, glitt Gabe ins Wasser und tauchte sofort unter. Gebannt sah LaRue dem Schatten unter Wasser nach, der flink von einem Flecken zum anderen huschte, bis er irgendwann wieder dort an der Oberfläche auftauchte, wo er die erste Münze ins Wasser geworfen hatte.   Beeindruckt, aber auch erleichtert wartete LaRue auf den jungen Mann, der grinsend auf ihn zugeschwommen kam und ihm die Geldstücke in die Hand drückte. "Zähl nach", forderte Gabe sein Gegenüber auf. "Alle da", bestätigte LaRue fasziniert, während sich Gabe aus dem Becken zog und am Rand sitzen blieb. "Dann kannst du nachher ja beruhigt nach Hause fahren." LaRue sah auf die Münzen in seiner Hand hinab. "Ich glaube, ich bleibe heute nicht so lange." Dann gab er die Hälfte der Geldstücke dem jungen Mann. "Hier, für's nächste Mal." LaRue wartete, bis der andere ihn ansah. In seinen langen Wimpern hingen Wassertropfen, die nach und nach auf seine Wangen fielen. "Thomas", stellte er sich vor. "Gabe", antworte ihm sein Gegenüber lächelnd. "Nur Gabe, nicht Gabriel." Thomas sah verblüfft auf Gabe hinab, der ihn fröhlich angrinste. "Und warum nicht Gabriel?" "Weil mich meine Mutter so nennt, wenn ich etwas angestellt habe." "Schön, dann eben nur Gabe." LaRue hob die Hand zum Abschied und ging zum Ausgang des Beckenbereichs. Kurz vor der Tür drehte er sich noch einmal zu Gabe um, der ihm nachgesehen hatte. "Ich will ja nicht, dass du mich mal mit deiner schimpfenden Mutter verwechselst."     Gabe lächelte bei dieser Erinnerung an das erste Treffen mit Thomas. Aus Reflex wollte er Liam ebenfalls 'Nur Gabe' sagen, aber er merkte, dass es ihn im Grunde gar nicht interessierte, wie der ihn nannte. "War's das?", fragte Gabe, dem langsam die Mundwinkel wegen des Lächelns schmerzten, das sich falsch platziert anfühlte. Er steckte Liam den nassen Kugelschreiber in die Brusttasche seines teuren Hemdes, wo sich augenblicklich ein dunkler Fleck in dem Stoff bildete. Abwartend sah er zu Liam, der keine Anstalten machte, irgendwas gegen das nasse Hemd oder das andere Chaos zu unternehmen, dass Gabe hier bisher veranstaltet hatte. Äußerlich gelassen wartete Liam darauf, dass Gabe noch das loswurde, was ihm offensichtlich noch auf der Zunge brannte. Und er musste nicht lange warten. "Ich habe eine Idee für die nächste Show", presste Gabe mühsam hervor. Es schnürte ihm den Hals zu, weil es die letzte Idee war, die er und Thomas miteinander entwickelt hatten. Aber er musste sie endlich loswerden, selbst wenn es nur für einen einzigen Auftritt war. Hellhörig geworden setzte sich Liam etwas auf. "Komm bei Gelegenheit vorbei und wir reden darüber. Wie wär's mit morgen?" "Nein", war die unerwartete Antwort, die Liam ein kurzes, verärgertes Aufflackern in seinen Augen entlockte. Lächelnd schob sich Gabe zwischen Liam und seinen Schreibtisch, so dass er den Mann genau im Blick hatte, der noch immer unbeeindruckt wirkte. Er fühlte wie das Wasser weiter aus seinen Haaren rann, spürte jeden einzelnen Tropfen auf seiner Haut, die seine Brust, seinen Rücken und seine Beine hinab ein Wettrennen veranstalteten, und er sah Liams Blicke, die den Wasserperlen folgten, die im Licht der Schreibtischlampe funkelten, auch wenn er von Zeit zu Zeit aufschaute, als wäre ihm sein gewecktes Interesse daran schlussendlich doch unangenehm. Aber vielleicht war er auch nur wegen seines Bodens besorgt, dachte Gabe. "Reden wir jetzt darüber!" Gabe lächelte ihn treuherzig an, was Liam kurz irritierte. Seine Finger schoben nervös den Vertrag vor sich auf der Tischplatte hin und her. "Ich kenne ja dein Faible für giftige Tiere", begann Gabe möglichst bedächtig. Er wusste, dass er schon längst Liams vollste Aufmerksamkeit hatte, auch wenn der sich gab, als säße er hier in der langweiligsten Konferenz, die man sich nur vorstellen konnte. "Was hältst du von Seeschlangen? Die sind auch giftig." Gabes Zeigefinger strich über Liams Handrücken und drückte bei giftig kurz in die Haut. Liam zuckte zusammen und schaute dann auf seine Hand, als erwarte er, einen Biss dort zu sehen. Gabes Berührung, die nur wenige Sekundenbruchteile gedauert hatte, war eiskalt gewesen. Ob es am Wassertank lag, dachte Liam. Vielleicht sollten sie die Temperatur darin ein bisschen erhöhen. "Ja, warum nicht." Liam, der gerade nicht wusste, wohin mit seinen Händen, nahm den unterschriebenen Vertrag und legte ihn auf einen Papierstapel am Rand des Tisches. "Es müssen ja nicht immer Tiefseebewohner sein." Als Liams Hand unvorsichtigerweise wieder in seine Nähe kam, griff Gabe zu. Dieses Mal hatte Liam keine Chance, sie ihm zu entziehen. Gabe machte einen Schritt zur Seite, bis er auch die andere Hand erreichen konnte, ehe Liam auf die Idee kommen konnte, diese auch noch wegzuziehen. Liam, der aus seinem Bürosessel zu Gabe aufschauen musste, was ihm ganz und gar nicht passte, rutschte nervös auf seinem Platz herum. Das weiche Lederpolster des Sessels seufzte, als er sein Gewicht etwas von Gabe weg nach hinten verlagerte. Er kam hier nicht weg, dachte er. Direkt hinter ihm war nichts als die Wand und vor ihm blockierten Gabes Füße den Rollen den Weg nach vorne.   "Wusstest du, dass Seeschlangen an Land ziemlich träge und langsam sind?" Gabe machte einen Schritt auf Liam zu. Ihre Finger glitten ineinander. Liam hatte schöne gepflegte Hände, dachte Gabe nicht ohne Anerkennung und lächelte leicht. Zarte Handflächen und schmale, langgliedrige Finger. Dafür, dass er sie hauptsächlich dazu benutzte, um anderen ein Messer in den Rücken zu stoßen, waren sie unglaublich grazil, ohne aber etwas von ihrer Kraft einzubüßen, wie Gabe an dem sich nun verstärkenden Druck merkte, mit dem er sich halbherzig aus der unerwarteten Situation zu winden versuchte. Er hatte sich wohl noch nicht entschieden, ob er flüchten oder kapitulieren sollte. "Allerdings sind diese Biester im Wasser verteufelt schnell", fuhr Gabe in seiner Erklärung fort. "Kann sein", murmelte Liam betont beherrscht. Er sah zwischen Gabes überlegenem Lächeln und ihren Händen hin und her. Was auch immer Gabes Ziel war, er ließ sich nicht davon abbringen. "Ich kenne mich nicht mit Schlangen aus. Weder mit denen an Land, noch mit denen im Wasser." "Das musst du auch nicht. Ich habe schon eine Hübsche ausgewählt. Ihre Färbung ist wirklich eindrucksvoll." Gabe platzierte Liams Hände auf seiner Kehle und fühlte den kurzen, aber nur minimalen Widerstand in den fremden Fingerspitzen, als sie seine Haut berührten - als täte er etwas Verbotenes, bei dem die Bestrafung gleich folgen würde, dachte Gabe erheitert. "Die Unterseite ihres Körpers ist strahlend Gelb." Im Zeitlupentempo dirigierte er Liams Hände seinen Hals hinab zur Brust. Die rot-weißen Farbstreifen, die jemand erst heute Abend sorgsam aufgemalt hatte und deren Versiegelung langsam nachließ, verwischten unter Liams Handflächen, die weiter von Gabe geführt über dessen Oberkörper hinab strichen, jede Erhebung und Vertiefung darauf abtastend, bis sie auf Bauchnabelhöhe ankamen und dort kurz stoppten. Gabe musste Liams Finger bremsen, die unbewusst wie von einer unsichtbaren Strömung getrieben weiter über den bemalten Körper glitten, was Liam offensichtlich nicht direkt bewusst wurde, sondern erst, als er die Blicke hob und Gabes triumphierendes Lächeln sah. "Und ihre Oberseite ist vollkommen schwarz", erklärte Gabe und schob Liams Hände über seine Taille nach hinten zum Rücken hin, wo er wieder einen Moment inne hielt. Als er sich sicher war, dass Liam sie auch dort ließ, gab er sie frei. "Danke für die Lehrstunde über Schlangen." Liams Stimme klang rau und lange nicht mehr so distanziert, wie er es gerne gehabt hätte. Das unsichere Schwanken darin, das seine Gelassenheit überlagerte, ärgerte ihn kurz, aber Gabe sorgte dafür, dass er nicht besonders lange darüber nachdenken konnte. "Die Stunde ist noch nicht zu Ende", fuhr ihn Gabe augenblicklich in ungewohnt scharfem Tonfall an, der Liam sofort zum Schweigen brachte. Wie zum Trost strichen Gabes Hände nun über Liams Kopf, durch seine Haare und an den Schläfen hinab bis zu den glattrasierten Wangen, wo sie in ihrer Bewegung anhielten und ihren Griff wieder verstärkten, so dass er die Knochen unter dem nachgebenden Fleisch spüren konnte. "Weißt du, wie Seeschlangen jagen?" Liam blinzelte schnell und unterdrückte das Gefühl, mit der Zunge seine trockenen Lippen zu befeuchten. Wie Seeschlangen jagten, wusste er definitiv nicht, aber wie Gabe es tat, ahnte er gerade. "Keine Ahnung." Liam schüttelte langsam den Kopf, so weit es ihm Gabes fester Griff überhaupt ermöglichte. Sein Hals fühlte sich so ausgedörrt an als hätte er eine Tonne Sand verschluckt. Nur seine Hände, die still auf Gabes Rücken ausgeharrt hatten, wussten mittlerweile sehr gut, was sie wollten. Vorsichtig tastete er sich von Muskel zu Muskel, spürte die Wassertropfen unter seinen Fingerspitzen und den leichten gummiartigen Widerstand der Farbe darunter, die Gabes Haut bedeckte. "Sie lauern an der Wasseroberfläche und warten geduldig auf eine Bewegung im Wasser." Mit Genugtuung registrierte Gabe, wie sich Liams Hände über seinen Rücken bewegten, so langsam und vorsichtig, als rechneten sie noch mit etwas Unvorhergesehenem, das ihre neugierige Erkundung beenden könnte. "Und wenn sich ihnen ein ahnungsloses Beutetier nähert-" Er zog Liams Kopf etwas näher, der ihn aus seinen aufgerissenen dunkelgrauen Augen ansah und sich nicht mehr zu trauen schien, die paralysierten Blicke von Gabe abzuwenden. "Dann schlagen sie blitzschnell zu!", mit einem letzten heftigen Ruck zog er Liam so weit zu sich, dass sich ihre Münder fast berührten und er dessen Atem auf seinen Lippen spüren konnte, der bei dem letzten Satz eine überraschte Pause gemacht hatte, ehe er etwas verhalten wieder einsetzte. "Ihr Gift wirkt unglaublich schnell", Gabes Stimme war kaum lauter als sein Atem, "dass ihre Beute innerhalb weniger Sekunden vollkommen gelähmt ist." Er war versucht, den Mund mit den leicht geöffneten Lippen vor sich zu küssen, der sich ausnahmsweise seiner eigenen Machtlosigkeit bewusst war und schwieg, und er wollte sehen, wie sich die Lider mit den dichten Wimpern über den unruhig hin und her wandernden Augen ergeben schlossen, weil er akzeptiert hatte, dass er hier nicht mehr so einfach weg kam. Und er wollte endlich spüren, wie der Schwelbrand unter Liams disziplinierter Selbstbeherrschung, an der er sich so beharrlich festklammerte, letztlich in einem ungezügelten Flammensturm aufloderte, in dessen Feuer sie Beide zu Asche zerfielen - doch ein kleines Detail fehlte noch.   "Aber manchmal", flüsterte Gabe und beugte seinen Kopf zu Liam hinab, der jede Bewegung aus halbgeschlossenen Augen beobachtete. Schonungslos hielt er Liam, der ihn weiter an sich zu ziehen versuchte, noch auf Abstand. Diese Lektion war exklusiv für Liam gedacht und er bekam sie nicht so schnell, wie er es sich erhoffte. Gabes Mund strich quälend langsam über Liams Kinn, auf dem er das leichte Kratzen der nachwachsenden Bartstoppeln fühlen konnte, während dessen Hände stetig weiter seinen Rücken hinab glitten und sein Griff dabei immer ungeduldiger wurde. "Manchmal verspeisen sie ihre Beute auch direkt im Ganzen." Gabes Zähne gruben sich nun tief in Liams Unterlippe, der Gabe jetzt packte und auf seinen Schoß zog. Liam zuckte vor Schmerz kurz zusammen, als er spürte, wie seine Lippe unter Gabes erbarmungslosem Biss an einer Stelle aufplatzte, aber kein Laut entwich seinem Mund. Seine Hände suchten fiebrig nach dem Bund von Gabes Hose und schoben sich hektisch darunter, als sie ihn endlich erreicht hatten. Gabes Zähne ließen Liams Lippe los, der frustriert aufkeuchte. Der erste Ton überhaupt, den er seit langem von sich gegeben hatte. In aller Ruhe löste sich Gabe aus Liams Umarmung, dem das abrupte Ausbremsen alles andere als gefiel, und erhob sich von dessen Schoß - nicht zu weit, so dass dessen Hände nicht den Kontakt zu Gabes Körper verlieren konnten, stand er vor ihm und wartete, bis die aufgeregten Finger den Stoff seiner Hose über seine Hüften hinabgeschoben hatten und darunter die einzigen Hautstellen entblößten, die nicht mit Farbe bedeckt waren. Gabe lächelte stumm und ließ sich wieder in die Umarmung zurückziehen. Ein winziger Bluttropfen glänzte auf Liams Unterlippe und Gabe lehnte sich vor. Seine Zungenspitze glitt sachte über den Rubinroten Tropfen, der metallisch süß schmeckte, und sank dann zwischen die angespannt bebenden Lippen, die den Kuss begierig erwiderten. Niemand nannte ihn grundlos Gabriel.   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)