Apnoe von Ixtli ================================================================================ Kapitel 18: Abyss -----------------   "Verdammter Dreck!" Zum dritten Mal schon schlug Nate gegen den Lichtschalter im Treppenhaus, ohne dass sich etwas tat. Die Lampen an der hohen Decke über ihm blieben dunkel. Neben seiner beschissenen Schicht im The Gorge, bei der einfach niemand nach Hause gehen wollte, war das hier das zweitnervigste des Tages, und der hatte genaugenommen gerade erst angefangen. Natürlich passierte so etwas in stockdunkler Nacht und natürlich erst dann, nachdem die Hausverwaltung bereits zehn immer noch ungelesene E-Mails dazu erhalten hatte. Fluchend kramte Nate sein Handy aus der Jacke und tappte im lächerlichen Schein der winzigen Taschenlampe, die sich nach einigen Augenblicken immer wieder selbst deaktivierte, die Treppen zu seiner Wohnung hinauf, von deren Stufen ein halbes Dutzend gefährlich morsch krachten. Dass er sich hier noch den Hals brach wäre dann das große, aber immerhin passende Finale dieses beschissenen Tages.   Mühsam beleuchtete Nate das Türschloss mit seinem Display, weil es ihm langsam auf die Nerven ging, die Taschenlampe alle paar Sekunden erneut zu aktivieren. In nahezu völliger Dunkelheit stocherte er so lange mit dem Schlüssel im Türschloss, bis der endlich ins Schloss glitt und die kleinen Stifte im Zylinder nacheinander an ihrem Platz einrasteten. "Nate?" Der Angesprochene zuckte erschrocken zusammen und ließ sein Smartphone fallen, das natürlich mit dem Display voraus auf dem Boden aufschlug. Dafür erwachte die Taschenlampe wieder zu neuem Leben und in deren nun ununterbrochenem Schein, der sich wie eine Säule vor ihm aufbaute und die Decke bestrahlte, sah Nate atemlos zu, wie sich neben ihm aus dem Schatten im Flur ein Schemen löste und sich langsam erhob. Wie ein Geist kam die dunkle Gestalt auf ihn zu und Nate wich unbewusst einen Schritt zurück, bis seine Schulter die noch geschlossene Wohnungstür berührte. Die Augen in dem bleichen Gesicht schienen in den dunklen Höhlen zu versinken und der Mund, der sich nun einen Spalt breit öffnete, wirkte wie das groteske Grinsen eines Halloween-Kürbis. Der Geist bückte sich in aller Ruhe und hob das Handy auf, bei dem sich die Taschenlampe passenderweise wieder deaktiviert hatte. "Kauf dir endlich mal ein neues Telefon", raunte ihm der Geist belustigt zu und schlang seine Arme um Nates Brustkorb, in dem dessen Herz ängstlicher hämmerte, als er es zugeben mochte. "Gott, Gabe, geht’s auch ein bisschen weniger gruselig?" Erleichtert atmete Nate aus und zog Gabe näher an sich heran. "Was kann ich dafür, wenn du keine normalen Leute kennst, die dich besuchen könnten?" "Und du bist einer davon, das ist dir ja hoffentlich bewusst." Nates freie Hand tastete nach dem Türgriff und mitsamt Gabe im anderen Arm, betrat er seine Wohnung.   "Mann, ich habe mir fast in die Hose gemacht", murmelte Nate vorwurfsvoll und erntete ein heiseres Lachen dafür, bei dem kein bisschen Mitleid erkennbar war. "Sicher nicht zum ersten Mal - und garantiert nicht zum letzten Mal." Die Deckenlampe flammte auf und in ihrem warmen Schein kehrte prompt das Leben in den bleichen Geist zurück. Äußerlich zumindest, wie Nate mit schnellem Blick besorgt feststellte. Gabe sah aus, als existiere nur noch eine Hülle seines früheren Ichs. Eine todmüde Hülle, die wie ein Zombie nachts durch die Welt spazierte und Leute zu Tode erschreckte. Nate blieb mitten im Flur stehen. Seine Hand ergriff Gabes Hand, der wie ein Schlafwandler an ihm vorbei wankte, und zog ihn wieder zurück in seine Arme. "Was ist los? Warum hast du im Treppenhaus gesessen und bist nicht reingegangen?" Weil er unter allen Dingen, die er absichtlich zuhause gelassen hatte, auch Nates Wohnungsschlüssel war... Gabes Kopf sank erschöpft gegen Nates Schlüsselbein. "Hab den Schlüssel vergessen", klang seine Stimme dumpf zu Nate herauf. "Ist das mit den vergessenen Schlüsseln irgendein Trend, den ich verpasst habe?" Die Antwort darauf brannte Gabe wie Säure auf der Zunge, aber anstatt dem Drang nachzugeben, sich davon zu befreien, würde er lieber warten, bis sich auch der letzte Rest von ihm darin aufgelöst hatte. Unter den tausend Memos, die Nate verpasst hatte, waren die Schlüssel das kleinste Problem. Und von dem Auslöser, der das alles ins Rollen gebracht hatte, wusste Nate auch nach fast zwei Jahren nichts - und so blieb es am besten auch. "Warum hast du nichts gesagt? Ich hätte dich nach der Arbeit mitnehmen können." Gabe hing kraftlos wie eine Stoffpuppe in seinem Arm und nur sein Atem, der schwach über Nates Schlüsselbein kroch, bewies ihm, dass das hier keine Illusion war und Gabe tatsächlich anwesend war. "Was ist überhaupt los?" Gabes Hände schoben sich unter Nates T-Shirt zu dessen Rücken hin. Dort hielten sie still und ließen die Wärme aus dem Körper unter sich in sich hineinfließen, bis das kalte Kribbeln darin verschwunden war. "Ich musste mal kurz was menschliches spüren", murmelte Gabe so leise, dass Nate es selbst in der herrschenden Stille seines schmalen Flurs beinahe überhört hätte. "Lieb von dir, dass du dabei an mich gedacht hast." Nate schob eine Hand unter Gabes Kinn, bis der endlich den Kopf anhob und sein Gegenüber ansah. In jedem anderen Zeitstrang dieses offensichtlichen Multiversums hätte Gabe ihm für diesen Satz die Hölle heiß gemacht, aber der lächelte nur stumm vor sich hin, als täte er einfach nur das, was man gerade von ihm erwarte. Nates Mund berührte Gabes starres, wie eingefrorenes Lächeln. Es dauerte eine Weile, bis er unter seinen Lippen fühlte, wie es sich langsam löste und den Kuss endlich erwiderte. "Welche Schicht hast du morgen?", fragte Gabe, ohne den Kuss zu lange zu unterbrechen. "Spät." So gut es ging blendete Nate die Hände aus, die die ganze Zeit still auf seinem Rücken geruht hatten, und die sich nun in seine Haut krallten, als würde sich Nate in Luft auflösen, wenn sie es nicht taten. "Ich habe mein Telefon ausgeschaltet und Jules gesagt, sie soll bei dir anrufen, wenn was ist." "Das klingt ja ernst", witzelte Nate. Er traute dem Frieden noch nicht ganz, aber alles war besser als dieser gruselige Auftritt, den Gabe heute Abend hier hingelegt hatte. Und wie ernst es war, dachte Gabe und schluckte den letzten Rest der Säure runter, die weiter auf seiner Zunge gebrannt und sich in ihn hineingefressen hatte. Er hob den Kopf und betrachtete sich Nate stumm, dem man ansehen konnte, wie froh er war, dass Gabe einen Augenblick lang wieder der Alte war. Dann zog er Nate wieder zu sich und küsste ihn, bis er sicher war, dass sich Nates Aufmerksamkeit auf alles andere als Gabes vermeintliches Problem konzentrierte. Egal, wie dunkel der Abgrund vor ihm lag, er war nicht tief genug um alles zu fassen, was weiterhin unaufhörlich in ihm an die Oberfläche kroch, so dass es ihm selbst langsam Angst zu machen begann. "Nate, es ist mir egal wie du es machst, aber ich will die nächsten paar Stunden an nichts denken müssen - an absolut gar nichts." "Kein Problem", erwiderte Nate lächelnd.     Alvaro schrak aus seinem ungewohnt tiefen Schlaf auf und das erste, an das er sich wieder erinnerte, war Gabes letzter Satz. Hektisch suchte er das Bett nach seinem Telefon ab, bis ihm wieder einfiel, dass es auf dem Nachtschrank lag. Kein verpasster Anruf. Nichts. Nur die Nachricht mit dem Foto, die er noch nicht geöffnet hatte. Mit bis zum Hals klopfendem Herzen wählte er Gabes Nummer und lauschte atemlos der Ansage der Mailbox, bis der Anruf automatisch beendet wurde. Ohne lange nachzudenken wählte er die nächste Nummer. "Alvaro, wie geht’s?" Lidias fröhliche Begrüßung versickerte in seinen gerade auf Autopilot laufenden Gedanken, die schon weit voraus gesprintet waren. "Was macht Moreno gerade?" "Schlafen, schätze ich. Es ist erst halb Sechs." Lidia goss sich einen Kaffee ein und überlegte, ob sie jetzt schon frühstücken sollte oder erst später im Büro. Das Croissant, das sie sich gestern nach der Arbeit noch gekauft und das sie danach völlig vergessen hatte, sah noch ganz essbar aus. Und dann fiel ihr ein, dass Alvaro sonst nie so früh anrief und sich erst Recht nicht nach Moreno erkundigte. "Soll ich nachfragen?" "Ja, bitte." Alvaro hoffte, dass er sich nicht so verzweifelt anhörte, wie er sich gerade fühlte und dass Lidia keinen Verdacht schöpfte. Aber das war utopisch. "Er ist noch zuhause", antwortete Lidia nach einigen Minuten. Der Kaffee und das Croissant waren vergessen. "Was ist passiert?" Alvaro schluckte die Panik runter, die Lidia erst alarmiert hatte, und atmete ein paar Mal möglichst still durch. "Nur so", antwortete er mit bis zum Zerreißen angespannten Nerven. "Ich habe überlegt, ob ich sein Angebot, mir zu helfen, annehme." "Dann musst du dich aber beeilen, wenn du noch mit ihm zusammenarbeiten möchtest." Lidia lachte ungewohnt verächtlich. Sie nahm einen Schluck ihres abgekühlten Kaffees und wischte dann mit dem Finger über das Display des Tablets vor sich. "Laut den aktuellen Fotos sieht es nicht aus, als ob er es noch lange macht, dieser dämliche Idiot", überbrachte sie Alvaro auch den Rest der guten Nachricht, für die sie ihn eigentlich gerne persönlich getroffen hätte, nur um sein Gesicht dabei sehen zu können. "Danke", antwortete Alvaro knapp und legte auf. Erstaunt sah Lidia auf ihr Telefon. Wenn sie Alvaro nicht so gut kennen würde, hätte sie einen Moment denken können, er bedauere es, dass es Moreno so schlecht ging. "Was für ein verrückter Tagesanfang", murmelte sie belustigt und biss in ihr Croissant, das in ihrer Hand in tausend Teile zerfiel.   Auf der Bettkante sitzend sah Alvaro auf sein Telefon hinab und dachte nach. Moreno war also noch nicht gesund genug, um irgendwas zu tun. Soweit er Lidia verstanden hatte, war sein Gesundheitszustand wohl eher irgendwo kurz vorm Verrecken angesiedelt. Was besseres könnte ihm gerade nicht passieren, dachte Alvaro und entsperrte das Display seines Telefons zum fünften Mal. Er öffnete den Chat mit Gabe und sah das Foto, von dem Gabe behauptet hatte, es wäre nicht so schlimm. Und das war es auch nicht. Das Foto war wirklich schön und nicht das, was Alvaro zuerst befürchtet hatte. Es war wohl ein Promo-Foto von einem seiner Auftritte und laut Hintergrund hatte man es im Wassertank des Hydra aufgenommen. Gabe trug ein Kostüm. Oder ein halbes, denn sein Oberkörper war bis auf ein bisschen Bodypaint unbekleidet. Die untere Hälfte seines Körpers bedeckte ein glänzender Fischschwanz, der aussah, als wäre Gabe einem Film über Meerjungfrauen und Meermännern entsprungen. Mit geschlossenen Augen schwebte er umgeben von den echten Fischen, an die sich Alvaro noch gut erinnern konnte, durch das Wasser. Die Schuppen an dem künstlichen Fischkörper glitzerten in den Lichtstrahlen, die von allen Seiten in das Becken fielen, und die Schwanzflosse zog mehrere schleierartige Bahnen aus halbtransparentem Stoff hinter sich her, die sich wie Wolken um Gabe ausbreiteten. Er sah so friedlich aus, wie er da wie ein Fisch unter zig anderen Fischen im Wasser trieb, weit weg von allem, was außerhalb lauerte, und nur von perlenden Luftblasenströmen umgeben, dass Alvaro ein schlechtes Gewissen bekam, wegen den ganzen Hiobsbotschaften, die er ihm bisher überbracht hatte. Vielleicht wäre es von Anfang an besser gewesen, wenn er ihn in nichts davon hineingezogen hätte, denn der offensichtlich glückliche Gabe auf dem Foto war das totale Gegenteil von dem, den er bisher kennengelernt hatte. Melde dich bitte, tippte Alvaro in das kleine Feld über der Tastatur und schickte die Nachricht ab, auch wenn ihm klar war, dass sie wahrscheinlich nicht dort ankommen würde, wo sie sollte.     Gabe stand auf der schmalen Brücke, welche die völlig überfüllte Tanzfläche unter ihm überquerte, ohne dass ihn jemand von dort aus sehen konnte. Die Leute waren sowieso viel zu sehr mit sich selbst und der Frage beschäftigt, wen sie hier alles beeindrucken konnten, als dass es auch nur einem einzigen in den Sinn kam, dass sich nicht alles nur auf der Tanzfläche abspielte. Bis er sprang, jedenfalls. Der zylindrische Wassertank, der wie eine riesige Glasvase auf einem Podest mitten auf der Tanzfläche thronte, war bis auf das Wasser darin vollkommen leer. Keine Pflanzen, keine Fische, nicht mal Sand gab es. Dafür war er rundherum einsehbar und besaß eine doppelte Wand, die ebenfalls mit Wasser befüllt war und das in der jeweils passenden Farbe beleuchtet wurde, die, je höher es kam, immer schwächer wurde. Heute war das Wasser in der Zwischenwand Korallenrot und sprudelte so heftig, als würde es kochen. Sein Kostüm hier war auch nicht so aufwändig, wie die, die er üblicherweise im Hydra anhatte. Der einzige Stoff, den er trug, war eine knappe Hose, der Rest seines Körpers war mit Bodypaint überzogen, das dem Meerestier nachempfunden war, das gerade im Rampenlicht stand. Pterois radiata - Strahlenfeuerfisch, stand in diesem Quartal auf dem verzierten Metallschild, das am Fuß des Wassertanks angebracht war. Die Idee, hier auch mit Kostümen zu arbeiten, hatten Thomas und er gleich nach der ersten Probe wieder verworfen, weil seine Beweglichkeit in dem relativ schmalen Tank darunter gelitten hatte, und so hatten sie es bei der Farbe belassen, wegen der er zwar eine Stunde früher anfangen und später aufhören musste, aber dafür waren sie auch flexibler, was das Tauschen der Tiere anging. Und das Publikum kam auch nicht ins Abyss, um sich künstliche Fischschwänze anzusehen. Dafür war das Hydra gedacht, wo sich der Teil mit den Kostümen eher als Deko im Hintergrund abspielte. Hier im Abyss ging es nur darum, möglichst viele Leute mit möglichst spektakulären Aktionen in den Nachtclub zu locken und drin zu behalten, und die Idee mit dem Wassertank war scheinbar noch nicht allzu abgenutzt. Selbst Alvaro dürfte sich hier einigermaßen wohlfühlen. Verklemmt war er ja nicht gerade, das wusste Gabe seit ihrem Telefonat. Hätten sie das Thema nicht gewechselt, hätte er auch ein Foto bekommen, jede Wette. Vielleicht schaffte er es, sich bei Alvaro zu entschuldigen. Er konnte ja nicht wissen, welche Angst Gabe seit seiner Bemerkung hatte, dass er ihn und Jules in Sicherheit bringen sollte. Er hatte keine Ahnung, dass er damit eigentlich nur Gabes innere Unruhe, die er seit Thomas' Tod fühlte, noch mehr in Aufruhr versetzt hatte. Genaugenommen hatte Alvaro ihm nur unbewusst bestätigt, dass sein Instinkt ihn nicht getäuscht hatte. Irgendetwas stimmte nicht. Am leichten Schwanken der Konstruktion, auf der er stand, merkte Gabe, dass noch jemand die Brücke betreten hatte.   Ohne hinzusehen wusste Gabe, dass es Liam, der Besitzer des Abyss, war, der sich ihm gerade über die schmale Brücke näherte. Er roch das teure Aftershave, das den Mann umgab, und kannte die Art, wie er ging. Bedächtig, aber selbstherrlich bis in die Haarspitzen kam er über die Brücke auf Gabe zu. Wie ein Großgrundbesitzer, der sein Eigentum abschritt - was er im Grunde auch tat. "Entschuldige die Verspätung. Ich habe versucht, dich zu erreichen, aber etwas stimmt nicht mit deinem Telefon." Liams Stimme klang sanft wie immer. Nicht unbedingt, weil es ein Teil seines in seinen Augen sicher edlen Charakters war, sondern weil er wusste, dass er sich damit nahezu alles erlauben konnte. Selbst seine Entschuldigung klang wie eine in rosa Watte gepackte Lektion, dachte Gabe und lachte innerlich. Im Grunde war es Gabes Schuld, dass er nicht erreichbar war, war das, was er damit eigentlich sagen wollte. Schade, dass Liam nicht wusste, wie recht er damit hatte... Würde er Liam nicht kennen, wäre er sicher beeindruckt von dessen Gehabe. Er hatte seine Rolle, in die er irgendwann mal gepresst worden war, zur Perfektion ausgebaut. Liam war ein Hund, der bellte, auch wenn er es auf die indirekte, nicht ganz so aggressive Art tat. Er biss erst zu, wenn man ihm das Theater abkaufte. Direkt neben Gabe blieb Liam stehen und folgte dessen Blicken nach unten, wo die feiernde Menge wie im Rausch die Nacht durchtanzen würde. "Ganz schöner Betrieb", sagte er zu Gabe, der ihn nicht weiter beachtete und auf das Ende dieser Ein-Mann-Show wartete. "Dass es so gut läuft habe ich hauptsächlich dir zu verdanken." "Worum ging es denn?" Gabe, der mit dem Kopf schon längst bei seinem Auftritt war, warf dem Mann neben sich nun doch einen schnellen Blick zu, worauf der nur gewartet zu haben schien. "Um deinen Vertrag", antwortete Liam prompt. Er wartete kurz Gabes Reaktion ab, der sich aber unbeeindruckt wieder von ihm abwandte und damit fortfuhr, seine Muskulatur zu dehnen. "Ich würde ihn gerne auf deinen Namen ändern, nicht dass es Stress mit Behörden gibt, jetzt wo Thomas-" Liam stoppte kurz, als ihn Gabes entsetzte Blicke trafen. "Jetzt wo Thomas tot ist", fuhr Liam nicht ohne Genugtuung über Gabes doch noch erfolgte Reaktion fort. "Die Bedingungen bleiben alle gleich, keine Sorge", versicherte er Gabe großzügig, der am liebsten zuerst die Brücke und dann das Abyss verlassen hätte, wenn ihm Liam dabei nicht im Weg stehen würde. "Im Grunde ändert sich nur, dass du selbst drinstehst, statt Thomas." Stück für Stück warf Liam seine Giftköder aus. Einen davon würde Gabe schon fressen. "Du hättest am Ende sogar mehr Geld, weil der Aufwand wegen Thomas als Mittelsmann wegfällt." Liam ließ ihm bewusst etwas Zeit, um zu antworten, damit er sich in der besseren Position sah, aber darauf würde er heute verzichten müssen. "Ok, ich unterschreibe." Selbst wenn er Liam überrascht hatte, ließ der sich nichts anmerken. "Freut mich. Komm nachher ins Büro."   Gabe öffnete das Türchen am Brückengeländer und betrat die kleine Plattform davor, die gerade groß genug war, dass er darauf stehen konnte. Vorsichtig beugte er sich ein Stück weit vor und sah auf die Öffnung des Wassertanks hinab. Winzige Wellen zogen über das Wasser, in dem eine konstante künstliche Strömung erzeugt wurde, damit die Oberfläche weicher wurde und beim Eintauchen nicht zu viel Wasser aus dem Tank spritzte. Er hatte wirklich darüber nachgedacht, hier aufzuhören, aber damit würde wieder ein Teil von Thomas und ihrem gemeinsamen Projekt verschwinden. Etwas, das sie zusammen erarbeitet hatten und von dem eigentlich nur noch Liam profitierte. Gabe schloss die Augen und wartete auf seinen Einsatz, den Wechsel der Musik und das Zischen der Nebelmaschine, die den Zylinder von unten nach oben hin vollständig in einen dichten Schleier hüllen würde. Und in dem Moment, wenn nichts mehr von dem Wassertank zu sehen war, würde er das Geländer loslassen und sich nach unten fallen lassen. Ein Stück zu weit links oder rechts und er brach sich das Genick.   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)