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New World

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Tief in der Karibik

Die lange, beschwerliche Reise von der Grand Line zurück in das Dreiinselreich machte Kiara bewusst, wie angenehm und komfortabel sie es auf der Red Force hatte, im Vergleich zur winzigen Karavelle, welche sie zu zweit um den halben Erdball manövrieren mussten.

Der Voodoozauber hatte sie zumindest unbeschadet über den Calm Belt gebracht, doch es lag noch ein weiter Weg durch den South Blue vor dem Vater-Tochter Gespann, bis sie die heimatlichen Inseln erreichten.

Wochen ohne fließend Wasser, geschweige denn einem richtigen Badezimmer oder einer Möglichkeit um Lebensmittel kühl zu lagern, erwiesen sich als durchaus zehrend. Plötzlich kam ihr die See viel rauer vor. Und trotzdem hatte sie Spaß daran. Landgänge und Pausen waren durchaus willkommen, trotzdem bereute sie keinen Tag auf dem Meer. Besonders, da es ihr an Gelegenheiten nicht mangelte, Zeit mit Guybrush zu verbringen. Sie waren sich beide einig, dass sie viele Jahre aufzuholen hatten. Und so segelten sie das Schiff gemeinsam durch Wind und Wetter und erzählten sich abends gegenseitig von ihren Abenteuern. Guybrush brachte ihr das Angeln bei und sie zeigte ihm Schwertkampftechniken, welche sie von den Rothaarpiraten gelernt hatte.

In einer windstillen, sternenklaren Nacht hatten es sich Guybrush und Kiara im Krähennest gemütlich gemacht. Mit den Rücken an die Streben des Geländers gelehnt und die Beine angewinkelt herangezogen, da der Ausguck nicht viel mehr Platz hergab. Aber die Aussicht war es wert. Es gab Kiara ein beruhigendes Gefühl, endlich wieder vertraute Konstellationen im Nachthimmel erkennen zu können.

„Wer hätte gedacht, dass ein sprechender Schädel so nützlich sein konnte“, beendete Guybrush eine ausführliche Erzählung eines Schwanks aus seiner Jugend.

Kiara verschränkte die Arme auf ihrem zur Brust angezogenen Knie und betete schläfrig ihren Kopf darauf. Sie schmunzelte leise. Es war eine weitere Geschichte, die sie in ihrer Kindheit schon ein Dutzend Mal gehört hatte und sich trotzdem nie daran satthören konnte. „Du hattest einen ganz schön schlechten Einfluss auf mich, weißt du das?“, murmelte sie belustigt in ihren Ärmel und beäugte ihren Vater von der Seite.

Dieser blinzelte sie überrascht an. Wie konnte er ein schlechter Einfluss für sie gewesen sein? Er kannte sie nur als liebes, braves Kind. Ihm war jedes Mal sein Herz aufgegangen, wenn er am heimatlichen Hafen anlegte und sein kleiner Honigkeks erwartungsvoll am Pier stand, um ihm mit einem lauten „Daddy!“ zur Begrüßung in die Arme zu springen. Er hatte sich in ihrer Gegenwart immer vorbildlich benommen. Okay, vielleicht hatte er ihr mal ohne Elaines Erlaubnis seinen Säbel in die Hand gegeben – aber nie unbeaufsichtigt! „Wie das?“, fragte er daher verwundert nach.

„Zum Beispiel durch deine Idee mit einem falschen Alter auf einem Büchereiausweis an Alkohol zu kommen.“

Guybrush rechnete in Gedanken einige Zahlen hin und her, zog dann ebenfalls seine Finger zu Rate und kam schließlich zu einer Übereinstimmung. „Du bist erst vor kurzem einundzwanzig geworden.“ Er lachte amüsiert auf. „Stimmt. Dafür kanntest du dich schon ein bisschen zu gut mit dem Fusel aus.“

Etwas wehmütig presste Kiara ihre Lippen zu einer schmalen Linie.

„Hey. Was ist los?“ Sorgsam, wenn auch etwas unbeholfen, legte Guybrush den Arm um ihre Schultern. „Mach dir darum keinen Kopf. Als ob sich irgendjemand an dieses Gesetz hält.“

Kiara schüttelte matt den Kopf. „Das ist es nicht.“

„Nicht? Oh.“ Guybrush neigte überfragt den Kopf zur Seite, in der Hoffnung irgendetwas aus ihrem Gesicht lesen zu können. „W-was ist es dann? Habe ich etwas Falsches gesagt? – Ah! Du hattest Geburtstag, richtig! Alles Gute nachträglich, natürlich!“

„Es war nicht wirklich mein Geburtstag“, nuschelte sie missmutig.

Langsam dämmerte es Guybrush, worauf sie hinauswollte. „Nur weil es nicht der eigentliche Tag war, heißt das doch nicht, dass du nicht älter wirst. Du darfst dich doch trotzdem feiern lassen!“

„Es ist aber ein besonderer Tag!“, fuhr Kiara nun lauter, als sie eigentlich wollte, hervor. Sie schluckte und die Stimme wurde ihr rau. „Jedenfalls war er das mal. Weil du da warst.“

Für einen Moment harrte Guybrush völlig verstummt aus. Ihm war nie in den Sinn gekommen, dass sie ihn vermissen könnte. Dass er ihr so wichtig war. Schließlich war er viel unterwegs gewesen, hatte die Weltmeere bereist und Abenteuer erlebt, von denen er dann stolz berichten konnte. Aber alle vier Jahre, hatte er sich für ein bestimmtes Datum immer auf die Heimreise begeben. Um den Geburtstag seiner Tochter zu feiern. Und dann war er nach Libertalia gesegelt und nie wieder zurückgekommen. Guybrush biss sich schuldbewusst auf die Unterlippe und zog Kiara wortlos an sich heran. Er umarmte sie so fest er konnte.

„Ich hab auf dich gewartet“, warf Kiara ihm mit zittriger Stimme vor und krallte sich in den Besatz seines Mantels. „Ich hab versucht dir irgendwie eine Nachricht zukommen zu lassen, falls du mich vergessen hast.“

„Wie könnte ich dich jemals vergessen?“, entgegnete Guybrush sofort. Er versuchte beständig zu atmen und Ruhe auszustrahlen, in der Hoffnung, dass es auf sie überging. Doch das Beben ihres Körpers in seinen Armen und das Schluchzen an seiner Brust bescherten ihm ebenfalls einen Kloß in seinem Hals.

„Ich hab einen verdammten Vulkanausbruch heraufbeschworen, damit du dich daran erinnerst, dass du nach Hause kommen sollst!“

Guybrush lockerte seinen Klammergriff um sie anzusehen. „Du hast was?“ Das kam ihm bekannt vor. Nicht nur, dass er sich bildlich an ein derartiges Vorgehen erinnerte; ein Zeitungsartikel kam ihm ebenfalls in den Sinn. Vor einigen Jahren hatte der Vulkan auf Blood Island für mehrere Tage Lava gespuckt. Glücklicherweise kam niemand zu schaden, aber die Aschewolke, welche sich bildete, verhing wochenlang den South Blue. „Das warst du?“

Kiara nickte schwach. Nicht, dass es ihr jemals jemand geglaubt hätte. Es hatte sie selbst überrascht, dass die Erzählung ihres Vaters, wie er mithilfe von Käse einen angeblich laktoseintoleranten Vulkangott den Magen verstimmt haben soll, nachweislich die Wahrheit beinhaltete. Sie konnte von Glück reden, dass niemand ihrer Beichte Glauben schenkte. Sie wollte das ihr Name in allen Zeitungen der Welt geschrieben stand. An die Strafen, die ihr für diese Tat drohten, hatte sie nie auch nur einen Gedanken verschwendet gehabt. Es war absolut dumm und egoistisch gewesen. Doch eine andere Möglichkeit ihren Vater, wo immer er auch sein mochte, zu erreichen, hatte sie nicht gesehen.

Augenblicklich drückte Guybrush seine Tochter wieder fest an sich. „Ich wusste nicht, dass du- … es tut mir leid.“ Sie hatte einfach nur einen Vater gewollt und er war nicht da gewesen. „Es tut mir leid“, wiederholte er, das Gesicht an ihren Schopf gepresst. Sie hatte recht. Wenn es so ein Kinderspiel gewesen wäre, nach Hause zu kommen, warum hatte er es dann nie getan? Warum hatte er ständig an seine Familie gedacht, aber sich doch nie auf den Weg gemacht? Beinahe hätte er seine letzte Chance vertan, wäre er in jeder Nacht auf Libertalia gestorben. Dass er jetzt noch lebte, hatte er nur ihr zu verdanken. Kiara kam ganz nach ihrer Mutter. Ohne Elaine hätte er bereits viel früher das Zeitliche gesegnet. „Ich bin stolz auf dich“, nuschelte Guybrush in ihr Haar.

Mit einem letzten Schniefen löste sich Kiara von ihm und wischte sich mit dem Ärmel über die feuchten Wangen. Er konnte sich nicht vorstellen, wie glücklich diese paar Worte sie machten. Auch wenn es ihr dumm vorkam, aber so etwas zu hören, ließ ihr Herz einen Sprung machen. Sie lachte wackelig. „Dabei habe ich dir noch gar nicht erzählt, wie ich drei Männer zugleich besiegte.“

Guybrush strahlte sie aufmunternd an. „Damit musst du mich auch gar nicht langweilen. Erzähl mir lieber direkt davon, wie du es mit zehn Leuten gleichzeitig aufgenommen hast!“

„Oha“, machte Kiara und lachte noch mehr. „Soweit bin ich noch nicht.“ Dann hielt sie inne. Ihre Gedanken wanderten zurück zu ihrer schicksalhaften Begegnung in der Taverne auf Libertalia. „Wann hast du bemerkt, wer ich bin?“, fragte sie interessiert.

Guybrush rieb sich nachdenklich über den blonden Vollbart. „Deine erste Beleidigung. Mit der hast du damals immer angefangen. Es war eine von Carlas, die ich dir beigebracht habe.“

Kiara hob verblüfft die Augenbrauen. „Das weißt du noch? Nicht einmal ich weiß das mehr.“

Er lächelte warmherzig. „Natürlich weiß ich das noch. Für mich vergingen die letzten zwanzig Jahre auch viel schneller, als für dich.“ Schüchtern legte sich Guybrush eine Hand in den Nacken und massierte seine viel zu angespannten Muskeln. „Um ehrlich zu sein, fällt es mir immer noch schwer zu realisieren, wie erwachsen mein kleiner Honigkeks geworden ist… Als ob es gar nicht so lange her sein könnte, dass ich dich auf dem Arm in den Schlaf gewogen hab.“

„Du musst dir diesen Spitznamen wirklich abgewöhnen“, bat sie gerümpfter Nase.

„Entschuldige“, lenkte er eilig ein und korrigierte sich anschließend: „Kiara.“

„Threepwood.“

„Hm?“, machte Guybrush fragend.

„Kiara Threepwood“, wiederholte sie langsam und wog jede Silbe auf ihrer Zunge. „Hört sich richtig an, oder? Ich glaube, den Namen könnte ich mal wieder benutzen.“



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