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Whiskey

Zur guten Gepflogenheit zwischen Piraten gehörte es, als Zeichen des Friedens und guten Willens Alkohol zu bringen und gemeinsam zu trinken. Als Gouverneurin diverser Pirateninseln war sich Elaine Marley diesen Traditionen bewusst. Einer ihrer Unterstellten brachte eilig eine edle Holzschachtel zur mächtigen Galeone im Hafen. So schnell ihn seine Beine trugen hatte er diese, wie beordert, aus dem Anwesen geholt. Dabei schaffte er es auch noch möglichst würdevoll auszusehen. Die Feierliche Überreichung übernahm die Gouverneurin selbst.

Zu diesem besonderen Anlass hatte der Piratenkaiser die Aristokratin zu seinem Lieblingsplatz auf dem Poopdeck eingeladen. Nur wenigen war es vergönnt dieses Deck und den dazugehörigen Ausblick mit ihm zu teilen. Zufrieden ließ sich Shanks in seinen weichen Sessel nieder und lehnte sich erwartungsvoll hervor.

Geschickt öffneten filigrane Finger den Verschluss der Schachtel. Das Holz war dick und hatte eine einzigartige Walnussbraune Maserung. Im Inneren verbarg sich, passgenau eingefasst, eine ebenso hochwertig angefertigte Flasche, deren Flüssigkeit die Farbe von leuchtendem Bernstein hatte. Die Aufmachung alleine bezeugte, dass es sich um einen exquisiten, teuren Whiskey handelte.

„Ich hoffe, das glättet die Wogen zwischen uns wieder“, verkündete Gouverneurin Marley und schenkte ihnen großzügig in zwei Kristallgläser ein.

„Dabei ist doch gegen etwas Wellengang nichts einzuwenden“, erwiderte der Rothaarige amüsiert, sein allgegenwärtiges Lächeln an seinen Mundwinkeln ziehend.

Er fand es beeindruckend, wie schnell die Gouverneurin bereit gewesen war, ihre gesamte Existenz in den Wind zu schießen, bei dem bloßen Gedanken, er hätte sich an ihrer Tochter vergriffen. Manch anderer vermochte es als töricht anzusehen, doch Shanks verstand, dass man für seine Liebsten Himmel und Hölle in Bewegung setzte, wenn jemand ihnen etwas antat.

„Solange wir uns auf eine leichte Brise einigen können, wäre ich froh, wenn wir damit einen Sturm abwenden.“ Elaine überreichte ihm den luxuriösen Alkohol im ebenso wertvollen Glas.

Shanks lachte erheitert auf. „Einverstanden. Man erzählte mir schon, dass es unklug sei, es sich mit Gouverneurin Marley zu verscherzen.“

Elaine nahm ihr eigenes Getränk in die Hand und hielt für einen Moment überrascht inne. „Von wem stammt denn dieser Rat?“ Vorsichtig ließ sie sich auf den für sie bereitstehenden Ottomanen nieder. Er war weicher, als sie es für möglich gehalten hätte.

„Einem alten Freund.“ Der Kapitän beäugte sie musternd, gespannt auf ihre Reaktion. „Silvers Rayleigh.“

Die Gouverneurin blies den Atem aus. „Den Namen habe ich seit Ewigkeiten nicht mehr gehört.“ Ihr Kopf neigte sich neugierig zur Seite. „Wie geht es dem werten Lustmolch?“

„Fit wie eh und je.“

Ein Schmunzeln kräuselte sich in ihren Mundwinkeln. „Schön zu hören. Na dann“ Sie hob ihr Glas zum Prosten. „Auf die Gesundheit.“

„Zum Wohl.“

In genussvoller Stille tranken sie den edlen Tropfen, welcher sanft im Abgang eine bittere Note hinterließ. Er war kräftig und herb, doch nicht einmal die Gouverneurin verzog ihre Mine. Sie ließ das nun halbleere Glas sinken und betrachtete den Piratenkaiser andächtig. Erwartungsvoll hob der Rothaarige eine Augenbraue.

„Du wirst sie mitnehmen, oder? Endgültig“, sagte Elaine langsam. Gedankenverloren strich ihr Finger über die geschliffene Verzierung.

„Kiara ist diejenige, die das entscheidet.“

„Ich kenne doch meine Tochter.“ Nach einem kurzen Seufzer stürzte Elaine die restliche Flüssigkeit mit einem herzhaften Schluck hinunter und stellte das kostbare Kristallglas mit einem untypischen harten Knall auf das Fass neben sich ab. „Irgendwann musste der Tag kommen.“

Der Kapitän nickte behutsam und schwenkte den bernsteinfarbenen Whiskey in kleinen Kreisen umher. „Er wäre noch viel früher gekommen“, gab er zu bedenken und erinnerte sich, wie Kiara ohne Umschweife von ihm verlangt hatte, sie anheuern zu lassen. Sie hatte keinen Zweifel durchscheinen lassen, monatelang keinerlei Bedenken darüber gezeigt, ihr bisheriges Leben einfach mir-nichts-dir-nichts zurückgelassen zu haben. Dann schweiften seine Gedanken zum Abend in Sabaody, als Shakky ihm erzählte, wie die Kleine sich bei ihr ausgeweint hatte. „Aber ihr war es wichtig, sich zu verabschieden.“

„Das hat sie nie gemacht.“ Schwach hob Elaine die Schultern. „Beinahe dachte ich, sie hätte ihren Platz gefunden. Einerseits ihre Position hier und andererseits die Kaperfahrten mit Guybrush. Es wäre ein guter Kompromiss gewesen – auch wenn ich nicht viel von diesem Diebesmeer halte.“

Shanks runzelte die Stirn. „Ein Diebesmeer?“, hakte er nicht uninteressiert nach, doch Elaine erwiderte seine Nachfrage mit einem Augenrollen.

„Südlich von hier liegen dutzende kleine Inseln. Seitdem die Marine alle Piraten von den Tri-Islands verscheucht hat, tummelt sich der Großteil dort. Auf den größeren Inseln haben sie Außenposten errichtet, Häfen mit Tavernen und Handelskompanien. Es ist wie ein Blick in die Vergangenheit.“

„Und wie kommt ihr damit klar? Das waren doch mal Piratennester, richtig?“

„Oh. Ach, das wird schon. Booty Island lebt vom Faschingstourismus und Plunder…“ Sie hielt inne, um sich die nächsten Worte ordentlich zurecht zu legen „ist und bleibt ein Paradies für gut betuchte Rentner.“

„Und Mêlée?“

„Man ließ durchsickern, dass darauf eine Marinebasis entstehen soll.“ Die Gouverneurin nahm einen tiefen Atemzug. „Naja. Seitdem dieser Immobilienhai alle Häuser aufkauft, lebt da zurzeit sowieso kaum noch jemand.“

„Klingt, als ginge eine Ära zu ende.“

„Wenn sich eine Tür schließt, öffnet sich irgendwo eine andere, nicht wahr? Ein bisschen werde ich den Wandel noch begleiten und dann wahrscheinlich ebenfalls zu neuen Horizonten aufbrechen.“

Shanks schmunzelte. „In das Diebesmeer?“

Elaine fuhr sich mit einer Hand durch die roten Locken und warf sie anschließend nach hinten über die Schulter. „Oh, nein. Da bin ich schon gewesen.“

„Hey – das ist nicht fair! Du erzählst ihm von deinen Abenteuern, aber mir nicht?“, meldete sich plötzlich die junge Piratin zu Wort, welche mit glühendem Teint die Treppen zum Poopdeck erklomm. Die noch leicht feuchten brünetten Haare wellten und lockten sich an allen möglichen Stellen.

„Weil es nichts zu erzählen gibt“, entgegnete die Gouverneurin entschieden.

„Hörst du das? Dreiste Lügen!“, empörte sich Kiara an Shanks gewandt. „Ihr eigenes Kind so anzuschwindeln! Als hätten wir es nicht von Rayleigh gehört.“ Kiara verschränkte ihre Arme besserwisserisch und feixte ihre Mutter unverhohlen an. Diese stöhnte verärgert auf.

„Natürlich musst du von allen Piraten auf den Weltmeeren ausgerechnet auf die treffen, die diese alten Kamellen kennen.“

„Die junge Dame verkehrt halt nur in bester Gesellschaft“, grinste der Kapitän.

„Dame? Ich? Oh, bitte.“ Kiara verzog argwöhnisch das Gesicht und winkte ab.

„Piraten mit fragwürdiger Moralvorstellung sind also die beste Gesellschaft?“

„Besser als korrupte Politiker, die ständig tönen nur das Wohl ihrer Bürger im Sinn zu haben und sich dabei die Taschen vollstopfen.“

Für einen Moment hielt Elaine inne, straffte ihre Schultern und sah ihre Tochter argwöhnisch an. Mit einem Seufzen gab sie sich dann jedoch geschlagen. „Touché.“

Kiaras Blick fiel von dem Glas in der Hand des Kapitäns auf die dazugehörige Flasche und ihrer hölzernen Verpackung. „Holla. Apropos, sich die Taschen vollstopfen.“ Ehrfürchtig wog sie den schweren Behälter in den Händen. „Von dem Whiskey kann man sich doch eine Villa kaufen.“

„Vielmehr eine ganze Insel.“

Kiara stellte die Whiskeyflasche mäßig überrascht zurück auf das Fass. „Quod Erat Demonstrandum“, schloss sie genugtuend.

„Möchtest du auch einen Schluck?“, bot der Piratenkaiser ihr an und hielt ihr sein noch zu einem Drittel gefülltes Glas entgegen.

„Es ist nichtmal Mittag!“, entrüstete sich diese.

Shanks lachte heiter auf. Allmählich bemühten sich auch die Offiziere auf das obere Deck. „Dabei hätte ich gedacht, ein Katerfrühstück wäre angebracht“, bemerkte Beckman und nahm neben der Gouverneurin Platz. Dieser war sich Kiaras Toleranzgrenze noch von früher bewusst, selbst wenn diese verhältnismäßig hoch lag. Sie musste am gestrigen Abend mindestens so viel gebechert haben, wie bei ihrem eigens angezettelten Trinkwettbewerb.

„Nein, Danke. Mir geht es blendend“, log Kiara. Es war eine andere Art Kater, welcher an diesem Vormittag an ihr zehrte. Das heiße Bad sollte jedoch bereits gute Dienste erwiesen haben.

Der Kapitän leerte das Glas in einem Zug und stellte es zu seinem Zwilling. „Gut. Verschieben wir die weitere Verköstigung lieber auf heute Abend.“ Mit seinem charmantesten Lächeln wandte er sich zur Aristokratin. „Die Gouverneurin ist natürlich ebenfalls herzlich eingeladen uns jederzeit bei Feierlichkeiten Gesellschaft zu leisten.“

„Oh, ich weiß nicht.“ Druckste sie herum und kratzte sich verlegen an der Wange. „Schließlich habe ich noch einen Ruf zu verlieren.“

„Hey! Ich etwa nicht?“, kam es empört von ihrer Tochter.

„Man ließ mich wissen, dass du letzte Woche wieder im Gefängnis von Phatt Island gelandet bist.“

„Völlig zu Unrecht!“, erwiderte Kiara prompt. „Gouverneur Phatt hegt einfach eine persönliche Vendetta gegen mich, seitdem Dad keinen Fuß mehr auf seine Insel setzt. Er faselt ständig etwas davon, dass ich seine Schuld zu begleichen hätte. Ich kapier‘ nicht, was er vorhat – will er mich an LeChuck verkaufen? Wobei…“

„Im Gefängnis, soso“, gab der Vize zu bedenken.

„Musste jemand kommen und deine Kaution bezahlen?“, feixte Yasopp ungeniert.

„Quatsch. Ich konnte mich durch die Gitterstäbe quetschen. Man sollte meinen, nach dem dritten Mal lernen sie dazu.“

Elaine rollte abermals mit den Augen. „Mir wäre lieber, es wäre bei einem Mal geblieben.“



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