Ganz tief drin von Maginisha ================================================================================ Kapitel 11: Auf der Suche ------------------------- Als ich den U-Bahnhof verließ, empfing mich leichter Nieselregen. Perfekt für das, was ich vorhatte. Nicht. Die Autos rasten zischend an mir vorbei und hätte ich nicht gewusst, dass ich hier richtig war, ich hätte es nicht geglaubt.   Fröstelnd schlug ich die Kapuze hoch und machte mich auf den Weg über die vielspurige Kreuzung. Auf der anderen Seite erwartete mich nicht nur der Eingang zur „sündigsten Meile der Welt“, sondern zudem auch noch die hell erleuchtete Glasfront eines großen Restaurants. An unzähligen Tischen saßen die Gäste über ihren gut gefüllten Tellern, während Kellner zwischen ihnen hindurch flitzten, um für Nachschub an Essen und Getränken zu sorgen. Aushänge warben mit Steaks und Cocktails. Mein Magen knurrte.   Hab mich wohl schon zu sehr an regelmäßige Mahlzeiten gewöhnt.   Mit einem letzten Blick auf das riesige Stück Fleisch mit dem Fitzelchen Petersilie daneben zog ich den Kopf ein und ging weiter. Leif hätte mich sicherlich ausgelacht, wenn er es mitgekriegt hätte. Mister „nur ein Salat am Tag ohne Dressing“. Wobei er im Heim ja schon mehr aß. Zumindest, wenn ich neben ihm saß. Was ich heute Abend nicht getan hatte. Wie spät es wohl war? Die anderen waren bestimmt schon mit dem Essen fertig und sahen sich irgendwelchen Mist im Fernsehen an. Ob wohl einer von ihnen an mich dachte?   Und wenn schon. Es ist mir egal.   Ich setzte weiter einen Fuß vor den anderen. Die Leuchtreklamen der Bars und Clubs, Spielotheken und Erotikshops warfen abwechselnd rote, grüne, blaue und orangefarbene Lichter auf mich und die anderen Passanten. Immer auf der Suche nach Kunden, die sich für das jeweilige Angebot interessierten. Wobei es ruhig war. Zu ruhig für meinen Geschmack. Doch zum einen war es noch früh und zum anderen Montag. Einen schlechteren Tag hätte ich mir kaum aussuchen können. Maximal noch Dienstag oder Mittwoch.   Das nächste Mal laufe ich an einem Freitag weg, nahm ich mir vor und grinste bei dem Gedanken. Irgendwie war die ganze Sache eine ziemliche Schnapsidee gewesen.   Der Regen nahm zu und mein Sweatshirt begann an den Schultern durchzuweichen. Ich merkte die Kühle, die aus dem feuchten Stoff bis auf die Haut durchdrang. Auch meine Schuhe würden nicht lange durchhalten bei dem Wetter. Ich brauchte einen Unterschlupf.   Als ich auf der Suche nach einem passenden Platz den Kopf hob, sah ich auf der anderen Straßenseite die Fassade der berühmten Davidwache. Ein rotes Haus mit weißen Fenstern. Streifenwagen standen davor und drinnen saßen bestimmt jede Menge Beamte. Die Polizei, dein Freund und Helfer. Wenn ich da jetzt reinging und sagte, dass ich abgehauen war, was würde wohl passieren? Würden sie meine Eltern anrufen? Oder das Heim? Immerhin lebte ich jetzt ja eigentlich da.   Um mich herum sammelten sich die Leute an der Ampel und als sich der Pulk in Bewegung setzte, lief ich einfach mit. Immer auf das Haus zu, das meine Rückfahrkarte hätte sein können. Eine, für die ich nicht mal Geld brauchte. Ich musste nur meinem Mund aufmachen und irgendwer würde mich abholen kommen. Oder?   Nein, ich geb noch nicht auf. Ich krieg das auch alleine hin!   Schnell wandte ich mich ab und zog die Kapuze ein bisschen tiefer ins Gesicht. Die Gefahr, dass mich jemand erkannte, war zwar nicht besonders groß, aber man konnte nie wissen. Vielleicht wusste ja auch die Polizei, wie man das Internet benutzte.   Ganz automatisch überquerte ich auch hier wieder die Straße und stand plötzlich vor einem der vielen Fast-Food-Tempel. Das weiße Eckhaus, das wohl irgendwann mal ziemlich reichen Pinkeln gehört hatte, war im Untergeschoss zu einer Burgerbude umgebaut worden. Auch hier warben wieder große, bunte Plakate für saftiges Fleisch, knackigen Salat und krosse Pommes frites. Ich wusste zwar, dass das „Restaurant“ im Inneren ein ziemlicher Saftladen war, in dem Personal ebenso rar war wie saubere Toiletten, aber in diesem Moment stellte das Ding für mich vor allem eines dar: eine Möglichkeit, meinen leeren Magen zu füllen.   Ich betrat den Fresstempel mit dem amerikanischen Touch und bewegte mich in Richtung Tresen. Im Vorbeigehen griff ich mir dabei einen Kaffeebecher aus dem Wagen für die benutzten Tabletts. In dem Ding war sogar noch ein Rest drin, aber ich hatte nicht vor, ihn zu trinken. Er war nur mein Alibi, mit dem ich mich an einer Säule ganz in der Nähe postierte und so tat, als würde ich auf einen freien Tisch oder einen Freund oder was auch immer warten. Dabei beobachtete ich die Leute, die ihren Müll wegbrachten, und versuchte abzuschätzen, auf welchem Tablett sich wohl noch einigermaßen essbare Reste befanden. Zum meinem Unglück schienen die Ärsche hier heute Abend mit einem ziemlichen Appetit gesegnet zu sein. Fast nichts Verwertbares fand seinen Weg in den Abfall und ich stand somit immer noch mit knurrendem Magen da. Als ich schon überlegte, ob ich mich doch noch einmal woanders hinbegeben sollte, kamen doch glatt zwei Frauen auf mich zu. Sie waren zurechtgemacht und im Grunde viel zu aufgetakelt für einen Burgerschuppen wie den hier. Viel wichtiger war jedoch, dass sie bestimmt die Hälfte ihrer Bestellung hatten liegenlassen.   „Ich weiß wirklich nicht, was alle an dem Zeug finden“, sagte die eine gerade und rümpfte die Nase. „Das kann doch keiner essen.“   „Ja, wirklich ekelhaft“, fiel die andere mit ein. „Mein Burger war noch halb roh. Das nächste Mal gehen wir wieder zum Chinesen.“   Ich verfolgte das Gespräch und obendrein, wie die beiden unter weiterem Genöle und Gezeter ihre Tabletts in die Halterungen schoben. Als sie davonstöckelten, wollte ich mir gerade ihre Reste schnappen, als eine Gestalt in meinem Sichtfeld erschien. Sie trug eine Uniform der Burgerkette und machte sich daran, die Verriegelung der Wagenräder zu lösen.   Scheiße! Der Idiot will hier abräumen.   „Hey, Moment, ich bin doch noch nicht fertig“, rief ich und griff nach dem Tablett, dass die beiden Schnalzen gerade weggestellt hatten. Der Typ, eine dünne Pickelfresse, bestimmt nicht viel älter als ich, sah mich zweifelnd an. „Du hast aber gar nichts bestellt.“ „Was?“ Er wirkte plötzlich nervös. Seine Hände zappelten herum und er trat von einem Fuß auf den anderen. „Na ja, ich … ich hab dich beobachtet. Du hast hier nur rumgestanden und …“   Er brach ab und bekam rote Ohren. Ach, okay, alles klar. Beobachtet also. Ich setzte ein Grinsen auf. „So so, ich bin dir also aufgefallen.“   Er schluckte und seine Ohren glühten mit der Leuchtreklame an der Wand um die Wette.   „Ja, ich … ich hatte die Kasse. Und ich muss gleich weiterarbeiten. Meine Chefin guckt schon.“   Ich riskierte einen Blick über seine Schulter und sah eine ziemlich grantig aussehende Matrone hinter dem Tresen stehen. Sie hatte ihr Handy am Ohr, statt zu bedienen, und sah genervt in Pickelfresses Richtung. „Tja, also … ich bring das hier mal kurz weg.“   Für einen Moment war ich in Versuchung, mein Ausweichquartier gleich hier und jetzt klarzumachen. Wenn ich ein bisschen nett zu Pickelfresse war, spendierte er mir vielleicht einen Burger und was zu trinken. Eine Möglichkeit, die sich ausbauen ließ, indem ich ihm versprach, bis nach seinem Schichtende auf ihn zu warten. Problem war nur, dass Pickelchen vermutlich noch bei seiner Mami zu Hause wohnte und sich das bestimmt nicht traute. Außerdem hatte seine Chefin bereits ein Auge auf die Sache geworfen. Vermutlich würde es da nicht lange dauern, bis sie einen der Sicherheitsleute auf mich hetzte. Die waren zwar nicht die Polizei, aber auffallen wollte ich trotzdem keinem von ihnen. Sicher war sicher. „Na schön, dann arbeite mal weiter. Vielleicht sieht man sich ja noch.“   Ich klaute mir eine einzelne Pommes und zwinkerte ihm zu, während ich sie mir in den Mund steckte und dann möglichst lässig von dannen schlenderte. Dass sein Blick dabei auf meinen Arsch gerichtet war, war mir dabei vollkommen klar. Als ich wieder draußen stand, atmete ich tief durch. Das war ja mal ein Reinfall gewesen. Und zu essen hatte ich auch immer noch nichts.   Ich schlug die Kapuze hoch, obwohl es inzwischen nicht mehr regnete, und machte mich wieder auf den Weg. Irgendwie würde ich die nächsten zwei Stunden schon rumbringen. Dann war es vermutlich sicher genug, um mich an den eigentlichen Ort des Geschehens zu begeben und mir dort ein passendes Nachtlager zu suchen.     Die Straße, in der ich an einer dreckigen Hauswand lehnte, war anders als die breite, bunte Amüsiermeile, auf der sich die Touristen tummelten. Hier gab es keine Anwerber, keine Security, keine blinkenden Leuchtreklamen. Nur einfache, beleuchtete Schilder, mehr oder weniger schmuddelige Kneipen und jede Menge Sexkinos. Dass die Dinger in Zeiten von Internetporno noch nicht zugemacht hatten, wunderte mich zwar, aber vielleicht war es der Kick hierherzukommen, den die Leute suchten. Vielleicht standen sie aber auch auf den Pissegestank, der ihnen von allen Ecken entgegenwehte. Möglich war’s immerhin.   Mein Interesse galt auch weniger der Filmbude in meinem Rücken, sondern vielmehr der Location auf der anderen Straßenseite. Davor hatten sich so langsam Träubchen von Gästen gebildet, die mit Flaschen in der Hand herumstanden und sich über Gott und die Welt unterhielten. Das Publikum war jung, alternativ und vermutlich wegen der billigen Preise hier. Studenten und solche, die es werden wollten, mischten sich mit denen, die dazu zu blöd, zu schlau oder zu pleite waren. Aus der geöffneten Tür dröhnte Indie-Rock, zwischen den der DJ immer mal die eine oder andere Hitnummer schmiss, um noch mehr Leute auf die ohnehin schon recht eng bemessene Tanzfläche zu locken. Im Inneren hatte der Laden maximal die Ausmaße eines großzügigen Wohnzimmers mit Oma-Tapeten an der Wand und einem dazu passenden Hirschgeweih über der Theke. Voll war es hier eigentlich trotzdem immer. Am Wochenende, weil die Leute Zeit hatten zum Feiern, unter der Woche, weil andere Schuppen nicht offen waren. Als das Gedränge endlich groß genug geworden war, stieß ich mich von der Wand ab und machte mich auf den Weg. Hier gab es zwar so was wie Türsteher, aber wenn man ins Bild passte und keinen Ärger machte, kam man eigentlich immer rein. Und da ich nicht vorhatte, irgendwelche Shots zu bestellen und nicht zu bezahlen …     Feuchte Wärme umfing mich gemischt mit dem Geruch nach Diskonebel, Zigaretten, Bier und dem was man erhielt, wenn man zu viele Körper in einen Raum presste. Es war dunkel hier drinnen. Kaum Beleuchtung sorgte für eine eigenartige Atmosphäre in der man aufpassen musste, dass man nicht dauernd wem auf die Füße trat.   Ich schlängelte mich durch die Menge. Beobachtete. Tat so, als würde ich irgendwo hinwollen, während ich die Lage checkte. Im schummrigen Licht war es schlecht, etwas zu erkennen. Dafür hätte ich an die Bar gemusst, was aus ersichtlichen Gründen ausfiel.   Wenigstens kann ich hier mal pissen gehen.   Die Beleuchtung bei den Toiletten war etwas besser, aber nichts, was sich wirklich in Richtung „hell“ bewegte. Auf dem Weg fiel ich daher fast über ein Pärchen, das sich offenbar auf der Couch direkt gegenüber die Wartezeit vertrieb. Warum auch in eine enge Kabine gehen, wenn es hier draußen viel gemütlicher war. Die beiden kriegten zumindest nicht viel von den Kommentaren mit, mit denen sie bedacht wurden. Oder es war ihnen egal.   Ich tat, weswegen ich gekommen war, aber unter den Typen rechts und links war nichts Passendes dabei. Ich wusch mir also die Hände und verzog mich wieder nach draußen. Das Pärchen war ebenfalls weg und auf der Tanzfläche wogte die Menge zu „Zombie“ von den Cranberries. Ich schnappte mir eine stehengelassene Bierflasche, die noch halb voll war, und bezog damit Posten in der Nähe der Sofaecke im vorderen Teil des Ladens. Hier saßen ebenfalls Gruppen zusammen, tranken, philosophierten und taten so, als würden sie allein in dieser Nacht die dringendsten Probleme der Welt lösen. Mit einem müden Lächeln wandte ich mich ab. Die meisten von denen hatten ja keine Ahnung. So gar keine.   Ich ließ meinen Blick erneut über die Menge schweifen. Die getragene Musik mit den eindringlichen Lyrics sorgte bei einigen für wilde Kopfschüttelattacken, bei anderen für eher langsame Tanzbewegungen. Ich sah mir das Ganze an, bis ich auf einmal mit den Augen an einem Typen hängenblieb. Er trug Schwarz, jede Menge davon. Nieten, kariertes Hemd und dazu die Haare machten mir schnell klar, dass ich da ein Emoschätzchen auf dem Radar hatte. Die Sache war die, dass er sich irgendwie … sexy bewegte. Die fließenden Bewegungen und die enge Jeans, von der ich weniger zu sehen bekam, als mir lieb war, ließen auf was Nettes unter der Verpackung schließen. Er tanzte allerdings mit geschlossenen Augen wie in Trance. Keine Möglichkeit zur Kontaktaufnahme. Ich würde mich also näher ranwagen müssen, wenn ich wissen wollte, ob ich eine Chance hatte. Mit einem letzten Schluck vernichtete ich den Rest des geklauten Biers und stellte die Flasche einfach irgendwo ab. Danach stürzte ich mich ins Getümmel.   Die Enge und die sich aneinander drängenden Leiber machten es einfach, sich mitten in seine Komfortzone hineinzubewegen. Ich ging also ran. So nah, dass er mich vor sich spüren musste. Und tatsächlich öffnete er die Augen. Welche Farbe sie hatten, konnte ich nicht erkennen. Nur, dass sie dunkel waren. Er lächelte. Wir bewegten uns miteinander, die Blicke nicht vom anderen lassend. Ich hatte nicht erwartet, dass es so schnell gehen würde, doch ich beschwerte mich nicht. Stattdessen kam ich noch ein Stück näher, als ich plötzlich jemanden hinter mir spürte. „Gefällt er dir?“, raunte jemand in mein Ohr. Ich fuhr herum und stand vor dem weiblichen Gegenstück meines Emos. Sie war in das gleiche Schwarz gekleidet, nur mit mehr Haut und weniger Nieten. Dafür zierten ihre Unterlippe zwei Snakebites. Ebenfalls schwarz genau wie ihre Haare, die in dünnen Dreads nach unten hingen. Auf dem Arm hatte sie ein halbkreisförmiges Tattoo. Sie grinste mich an. „Und?“, fragte sie noch einmal. „Gefällt er dir nun?“ „Wer?“, fragte ich dämlicherweise nach.   Sie lachte.   „Na Tom hier. Kannst auch Tomtom zu ihm sagen. Ich nenn ihn immer mein kleines Navi. Mein Name ist übrigens Kiki.“   Kiki und Tomtom also. Die beiden schienen sich zu kennen. Nicht gut. „Ich glaube, ich lasse euch mal wieder alleine“, sagte ich und wollte schon gehen, als Kiki mich aufhielt, indem sie mir einfach die Arme um den Hals legte. „Warum denn, mein Hübscher? Wir haben uns doch gerade erst kennengelernt. Da willst du schon wieder gehen?“   „Sorry, ich hab noch ne Verabredung“, sagte ich und wollte ihre Arme wegschieben, als sich jemand von hinten an mich lehnte. „Bist du wirklich verabredet oder ist das nur ne Ausrede, weil du uns gruselig findest?“   Tomtoms Stimme war warm und dunkler, als ich gedacht hatte. Ich drehte mich wieder zu ihm herum. Kikis Arme lagen immer noch auf meinen Schultern. Tom lächelte leicht. „Sorry, falls das eigenartig rüberkam, aber du bist uns vorhin schon aufgefallen.“   „Aufgefallen?“ Ich runzelte die Stirn. „Wo denn?“   „Als du über meine Füße gestolpert bist.“   Wieder lächelte er. Es war ein angenehmes, offenes Lächeln und ich verstand. Das Pärchen bei den Toiletten. Das mussten die beiden gewesen sein. Dem leicht süßlichen Geruch, der ihn umgab, nach zu urteilen, wusste ich auch, warum die beiden nichts aus der Ruhe gebracht hatte.   „Rauchst du?“ „Hab aufgehört.“ „Lust wieder anzufangen?“   Ich schluckte. Der Drang, gerade jetzt eine zu rauchen, war stark und wurde mit jedem Moment stärker. Das Bier hatte Lust auf mehr gemacht. Und die Aussicht, mir von Tom eine schnorren zu können, ohne dass es billig wirkte, klang ebenfalls nicht übel. Ich wusste zwar noch nicht, wo das Ganze hinführen würde, aber eine Kippe war schon mal ein Anfang.   Als ich draußen den ersten Zug tat, brannte mein Mund, mein Hals, meine Lunge. Trotzdem sog ich den Rauch tief ein, während ich genießend die Augen schloss. Tom, der mir gerade Feuer gegeben hatte, lächelte schon wieder. Das gefiel mir. „Gut?“, fragte er. „Oder brauchst du was Stärkeres?“ Er ließ kurz den Joint sehen, den er in seinem Tabakpäckchen versteckt hatte. Seine kurzen Fingernägel waren schwarz lackiert. Ich schüttelte den Kopf. „Später vielleicht.“ „Okay, dann später.“   Er kam näher auf eine Weise, die ich nicht falsch verstehen konnte. Ich hatte zwar immer noch die Zigarette in der Hand, aber die Vibes, die er aussandte, waren eindeutig. Zu eindeutig dafür, dass seine Freundin doch offenbar neben ihm stand. „Seid ihr beide … ein Paar?“   Er sah mich an und nicht etwa Kiki, die hinter ihm stand und uns beobachtete. „Könnte man so sagen. Wobei wir das nicht so genau definieren. Wenn einer von uns mal Lust auf was anderes hat, ist das vollkommen in Ordnung. Du verstehst, was ich meine?“   Ich verstand. Ich verstand sogar ziemlich gut. Er war jetzt so nahe, dass ich aufpassen musste, ihn nicht mit der heißen Asche zu verbrennen. Seine Gürtelschnalle streifte meinen Schritt. Es war wie ein Stromschlag, der die Lampen angehen ließ.   „Hier auf der Straße ist vielleicht ungünstig“, gab ich zu bedenken. Er lachte leise. „Stimmt. Wollen wir reingehen?“ „Sofa?“ „Gern.“   Ich beendete noch schnell die Zigarette und merkte, wie das Nikotin sich zu dem Alkohol mischte, der bereits durch meine Adern kreiste. Die lange Auszeit machte sich bei beidem bemerkbar. Anders war es wohl nicht zu erklären, dass ich kurz darauf auf dem abgeranzten Sofa vor den Bartoiletten saß, mit Tom auf meinem Schoß und seiner Zunge in meinem Hals. Immerhin hatte ich so ziemlich schnell herausgefunden, dass er ebenfalls ein Piercing hatte und zwar in der Zunge. Es klickte gegen meine Zähne beim Küssen. „Stimmt es eigentlich, was man sagt?“, fragte ich und biss ihm leicht in die Unterlippe, während meine Hände über seinen Hintern wanderten. Er war fest und klein.   „Was meinst du?“   Sein Atem vermischte sich mit meinem und sein Gewicht lag genau auf den richtigen Stellen. „Dass es sich geil anfühlt, wenn man mit einem Zungenpiercing einen geblasen bekommt.“ Er grinste und beugte sich vor, um mir ins Ohr zu flüstern.   „Möchtest du es ausprobieren?“ „Jederzeit.“   An diesem Punkt beschlossen wir, die Party zu Tom und Kiki nach Hause zu verlegen. Die zwei wohnten einen Fußmarsch vom Kiez entfernt in einer ziemlichen Bruchbude, soweit ich das mit meinem benebelten Kopf noch erkennen konnte. Kiki hatte dafür gesorgt, dass wir während der Couchaktion nicht auf dem Trockenen saßen, während sie sich ansonsten diskret zurückgehalten hatte. Mir war das recht gewesen, denn ich hatte nicht unbedingt Bock auf ihre Möpse in meinem Gesicht gehabt. Auch wenn sie nur klein waren. Ich stand nun mal nicht drauf. Auf Toms Hintern dafür umso mehr.   Wir rauchten, wir tranken, wir kifften. Irgendwann war ich so weit, dass es mir nicht mal mehr was ausmachte, dass Kiki sich zu uns legte, während Tom es mir mit dem Mund besorgte. Das Piercing fühlte sich wirklich interessant an und beanspruchte fast meine gesamte Aufmerksamkeit. Ich fand es sogar praktisch, dass sie ihn vorbereitete, damit ich ihn kurz darauf ficken konnte. Ich hatte keine Arbeit, aber ich hatte Sex. Guten Sex. Und wenn ihm dabei einer abging, seine Freundin zu lecken, während mein Schwanz in seinem Arsch steckte, dann sollte mir das doch egal sein. Ich machte einfach die Augen zu und ignorierte die fiependen Laute, die sie dabei machte. Lieber konzentrierte ich mich auf das Stöhnen, das Tom von sich gab, während ich ihn immer stärker stieß. Er schien drauf zu stehen, dass ich ihn so richtig durchnahm. Also griff ich mir seine schmalen Hüften und verdrängte, an wen sie mich erinnerten. Nur nicht darüber nachdenken.   Irgendwann kam ich. Mit pfeifender Lunge und Schweiß auf der Stirn zog ich mich aus ihm zurück und entsorgte das Kondom, nur um gleich darauf Zeuge zu werden, wie Kiki ihn auf den Rücken rollte und ihn bestieg. Sie ritt ihn, während sein Kopf auf meinem Schoß lag, die sorgfältig geglätteten Haare ein unordentlicher, klebriger Mob. Als die beiden fertig waren, schliefen wir ein, wo wir gerade lagen. Unsere Körper ein wirrer, befriedigter Haufen.     Ich erwachte mit Kopfschmerzen. Zu viel Rauch, Gras und Alkohol befanden sich in meinem Kopf und auch im Rest von mir, der sich in einer innigen Umarmung mit Toms Rücken befand. Kiki war von der anderen Seite gegen ihn gekuschelt. Dass wir so hatten schlafen können, grenzte an ein Wunder.   Vollkommen breit, schoss es mir durch den Kopf und hinterließ auf seinem Weg schmerzhafte Striemen. Alles an mir war roh und wund, obwohl ich doch gar nicht derjenige gewesen war, der … oder doch?   Ich überlegte kurz, doch eigentlich war ich mir sicher, dass ich nicht der passive Part gewesen war. Immerhin so weit war ich mir im Klaren über den Ablauf. Was den Rest anging, waren es mehr so Bruchstücke, die sich sicherlich zu einer ziemlich schrägen Nacht hätten zusammensetzen lassen, wenn ich denn gewollt hätte. Ich wollte aber nicht. Ich wollte pissen. Und kotzen. Je nachdem was auf dem Weg zur Kloschüssel dringlicher wurde.   Mein Körper entschied sich fürs Kotzen.   Als mein Mageninhalt in der Schüssel gelandet war und mir die saure Spucke vom Mund tropfte, hörte ich die Badtür gehen. Verdammt, ich hatte nicht abgeschlossen. „Oha, rückwärts gefrühstückt?“   Es war Tom. Tom, der ziemlich gute Laune hatte. „Arschloch“, maulte ich ihn an und bereute es im gleichen Augenblick, in dem er mir einen nassen Lappen reichte und die unrühmlichen Überreste meines Anfalls ohne Kommentar runterspülte. Ich wischte mir über den Mund und das Gesicht, bevor ich mich kurzerhand neben dem Porzellanaltar zu Boden sinken ließ. Das Pinkeln musste warten, bis ich wieder stehen konnte. „Ich dachte, du verträgst mehr“, meinte er und lächelte mich zaghaft an. „Alles gut?“ „Jaja, ich … ich bin nur ne Weile nicht drauf gewesen. Das ist alles.“ „Mhm, verstehe. Auch duschen? Wir könnten zusammen, wenn du willst.“   Er zwinkerte mir zu und ließ dann die Shorts fallen, die er sich offenbar ohnehin nur alibilhalber übergestreift hatte. Erst jetzt sah ich das Tattoo, dass er ein Stück neben seinem Hüftknochen hatte. Eine schwarze Rose. „Nett“, sagte ich und ließ offen, ob ich das Tattoo oder das Ding ein Stück weiter links meinte. Er nahm es trotzdem als Kompliment. „Danke. Bist auch nicht übel gebaut. Hat sich gut angefühlt.“ Er stieg in die Badewanne und zog den weißen Vorhang zu. Für einen Moment war ich versucht, mich tatsächlich dazuzugesellen, aber mein Körper signalisierte mir deutlich, dass er eine Pause brauchte. Zwischen meinen Beinen regte sich nichts. Ob das am Gras lag?   Bevor ich zu einem Schluss kam, ging schon wieder die Tür auf und Kiki kam rein. Sie grinste, als sie mich am Boden sitzen sah. Auch sie war bis auf ihre Unterwäsche nackt. „Hey, unser kleiner Loverboy! Hast Tomtom ja ordentlich zum Stöhnen gebracht. Respekt.“   Immer noch grinsend kam sie zu mir rüber und machte Anstalten, ihr Höschen runterzuziehen. „Woah, mach mal halblang. Ich steh nicht so auf … das da.“   Ich wedelte mit der Hand ungefähr in Richtung ihres Unterleibs. „Autsch, so schlimm?“, fragte sie mit echter Sorge im Gesicht. „Könntest du dann bitte rausgehen? Ich muss dringend pinkeln.“   Ich tat ihr den Gefallen und verließ das Bad, während Tom immer noch duschte. Das Wasserrauschen riss nicht ab und kurz darauf kamen meine beiden Bettgefährten mit feuchten Haaren aus der Dusche. Offenbar hatte Kiki Toms Angebot mehr zugesagt als mir. Ich nutzte das leere Badezimmer, um nun endlich pissen zu gehen. „So, ihr, Süßen, ich muss dann mal. Die Uni ruft“, verkündete Kiki kurz darauf, verschwand im Schlafzimmer und kam zehn Minuten später komplett angezogen und geschminkt wieder heraus. Möglicherweise hatte sie die Tunke vom Abend zuvor aber auch einfach nur nicht richtig runtergewaschen. So genau hatte ich nicht hingesehen.   „War nett mit dir, äh … Manuel?“   Meinen Namen hatte ich offenbar irgendwann genannt. Und sie hatte ihn behalten. „Wäre schön, wenn wir uns mal wiedersehen. Bis dann.“ Sie küsste Tom noch auf die Wange, dann war sie fort und wir beide blieben allein zurück. „Kaffee?“, fragte Tom und ich konnte nur noch nicken. Ich folgte ihm in die winzige Küche, wo er eine uralte Kaffeemaschine zum Röcheln brachte, bevor er sich gegen die Arbeitsfläche lehnte und mich ansah. Sein Körper steckte inzwischen immerhin in einem schwarzen T-Shirt mit passender Hose. Ich hatte derweil an dem wackeligen Küchentisch Platz genommen, der gerade mal Platz für zwei Leute bot. Zwei wohlgemerkt, nicht drei.   „Und? Was machst du heute so? Für die erste Stunde bist du wohl ein bisschen spät dran.“ „Wohl wahr.“   Ich lachte, bis mir auffiel, dass ich gerade indirekt zugegeben hatte, dass ich noch zur Schule ging. Als ich dabei offenbar ein ertapptest Gesicht machte, lachte nun Tom. „Keine Bange, ich verrat keinem, dass du schwänzt. Auf welcher Schule bist du?“   Ich nuschelte irgendwas Unverständliches und das Lächeln auf Toms Gesicht wurde etwas weniger hell. „Verstehe. Keine Fragen, keine Verpflichtungen. Ist okay für mich. Ich hab die Nacht trotzdem genossen.“   Ich blickte zu Boden und kam mir mit einem Mal furchtbar schäbig vor. Mochte ja sein, dass es eigentlich Tom und Kiki gewesen waren, die mich aufgegabelt hatten, aber immerhin hatte mein ursprünglicher Plan vorgesehen, Sex gegen eine Unterkunft für die Nacht einzutauschen. Im Nachhinein fühlte sich das ein bisschen an wie auf den Strich gehen. Ob das wohl als Nächstes kam? Ich hörte Tom mit den Tassen klappern und kurz darauf stellte er eine dampfende Tasse vor meine Nase.   „Milch oder Zucker?“ „Nein danke. Ich trinke schwarz wie meine Seele.“   Ich nahm einen ersten Schluck des heißen Gebräus und merkte, wie mein Magen schon gleich wieder dagegen rebellierte. Aber die Tasse war heiß und mir irgendwie kalt, sodass sich sie in der Hand behielt, aber Tom immer noch nicht ansah. „Deine Seele ist also schwarz?“, wollte Tom wissen. Er griff sich den zweiten Stuhl, der nicht zu meinem passte, und setzte sich zu mir. Eine Kippe rollte in meine Richtung und ich griff danach, bevor sie zu Boden fiel. Toms Feuerzeug schnickte und ich hob notgedrungen den Kopf, um mir Feuer geben zu lassen. Tom musterte mich aufmerksam. Ich sah, dass seine Haare sich leicht kräuselten. Sie so glatt zu kriegen wie gestern Abend, musste ne Menge Arbeit sein. Ich sog den Rauch ein und blies ihn durch die Nase wieder aus. Die Wirkung setzte fast sofort ein. „Ja“, gab ich endlich zur Antwort. „Ist sie. Rabenschwarz sogar.“   „Warum?“ „Weil …“   Ich biss mir gerade noch rechtzeitig auf die Zunge, bevor ich was Dummes sagte. Stattdessen nahm ich noch einen Zug aus der Zigarette. Ein Tabakkrümel blieb zwischen meinen Lippen hängen. Ich pulte ihn heraus und ließ ihn fallen. In dem Moment knurrte mein Magen.   „Oh“, rief Tom und sprang auf, bevor ich reagieren konnte. „Fuck! Scheiße! Ich bin so ein furchtbarer Gastgeber. Hast du Hunger? Ich hab nicht dran gedacht, dass nicht alle Leute morgens nichts essen.“   Er wuselte zum Kühlschrank und steckte den Kopf hinein. An der Tür klebten Zettel. Ein Fotostreifen von Tom und Kiki, Rechnungen, ein Zahnarzttermin. Irgendwie verrückt. „Oh man, hier ist nur Mist drin. Ich muss echt wieder einkaufen. Kiki köpft mich, wenn sie das sieht. Bis dahin hast du die Auswahl zwischen Frühlingszwiebeln, eingelegten Oliven und Erdbeerjoghurt. Ist auch nur ne Woche abgelaufen.“   Er hielt den Becher hoch und sah dabei so herzzerreißend verzweifelt aus, dass ich lachen musste. „Kein Problem. Ich hol mir unterwegs was.“ „Unterwegs? Unterwegs wohin?“   Wieder hätte ich beinahe geantwortet, dass ich das noch nicht wusste. Argwöhnisch nahm ich Tom ins Visier. „Du stellst ganz schön viele Fragen“, knurrte ich und zog an der Kippe. Das Ding war schon fast ausgebrannt und ich spürte die Hitze an meinen Fingerknöcheln. „Oh, sorry. Berufskrankheit.“ „Wieso, was bist du denn?“ „Ich studiere noch. Oder hab ich zumindest. Jetzt fehlt mir gerade das Geld. Hab meinen Bafög-Antrag versemmelt. Derzeit jobbe ich mal hier mal da.“   Er setzte sich wieder zu mir an den Tisch und ich stellte mir zum ersten Mal die Frage, wie alt Tom eigentlich war. Älter als ich, so viel stand fest. Aber wie viel, konnte ich einfach nicht einschätzen.   Tom lächelte jetzt wieder, wurde dann aber ernster. „Ich will später mal was mit Menschen machen. Ihnen helfen und so. Ich mag Menschen, weißt du.“   „Mhm“, machte ich und wusste nicht recht, was ich dazu sagen sollte. An mir gab es nicht viel zu mögen. „Deswegen bist du mir aufgefallen. Du sahst aus, als wenn du auf der Suche wärst. Verrätst du mir, auf der Suche wonach?“   Ich drückte meine Kippe in den gläsernen Aschenbecher auf dem Tisch und starrte in meine Kaffeetasse. Sie war inzwischen nur noch lauwarm. „Eigentlich hab ich nur ne Unterkunft für die Nacht gesucht“, gab ich ehrlich zu. Es würde den Abschied sicherlich unangenehmer, aber auch schneller machen. „Dann würde ich sagen, du bist fündig geworden. Aber glücklich scheinst du nicht zu sein.“   Ich zog die Nase hoch und stellte die Tasse ab. „Ich glaube, ich sollte gehen“, verkündete ich und stand auf. „Ich … war nett mit euch, ja wirklich. Aber ich muss dann mal.“   Tom sagte nichts dazu. Er begleitete mich nur zum Schlafzimmer, wo er in der Tür stand, während ich in dem muffigen, nach Sex und Gras riechenden Raum meine Sachen zusammensuchte. Als ich fertig war, verstellte er mir auf einmal den Weg. „Was soll das? Ich muss los.“ „Und wohin?“ Wieder stellte er diese Frage. Die Frage, auf die ich keine Antwort hatte. „Kann dir doch egal sein“, fauchte ich ihn an. „Ich hab dich gefickt. Ich hatte nicht vor, dich zu heiraten.“   Tom zuckte nicht einmal mit der Wimper, als ich ihn so anschrie. Er lächelte bloß ein bisschen traurig. „Weil ich mir Sorgen um dich mache“, erklärte er ruhig. „Ich bin mir zwar ziemlich sicher, dass ich mich letzte Nacht nicht strafbar gemacht habe, aber ich bin mir nicht sicher, ob du schon alt genug für FSK18 bist. Also, Manuel, lass mich dir helfen.“ „Warum?“, grollte ich. „Damit du deinen beschissenen Helferkomplex an mir ausleben kannst?“ „Nein. Damit ich nachts ruhig schlafen kann, weil ich weiß, dass es dir gutgeht. Du bedeutest mir was.“   Ich starrte ihn an. Hatte ich mich gerade verhört? Da stand dieser dürre, zungengepiercte Emo-Kiffer vor mir und erklärte mir allen Ernstes, dass ich ihm was bedeutete? Das konnte doch nur ein Scherz sein.   „Ich brauch dein Mitleid nicht.“ „Es ist kein Mitleid. Das sagte ich doch gerade. Ich will dir helfen. Du musst mir nur sagen, was ich machen soll.“   Ich wandte den Blick ab. „Du kannst da nichts machen. Niemand kann das. Nicht mal ich.“ „Bist du sicher?“   Ich hörte, wie er etwas aus seiner Tasche kramte. Als ich aufsah, war es sein Handy, das er mir hinhielt. „Wenn du dir von mir nicht helfen lassen willst, dann ruf jemanden an, der es kann. Bitte, Manuel. Geh da nicht raus, nur weil dein Stolz dir sagt, dass es schwach wäre, Hilfe anzunehmen. Niemand muss die Welt allein auf seinen Schultern tragen. Einiges schafft man nur zusammen.“   Ich blickte Tom an und sah, dass seine Augen blau waren. Blau wie die von Tobias. Nicht braun wie Leifs. Er lächelte wieder. „Ruf ihn an!“, wiederholte er. Ich konnte nur ahnen, was für eine Geschichte er sich gerade in seinem Kopf zusammenspann. Vermutlich irgendwas über einen Streit mit meinem Lover, vor dem ich davongelaufen war oder was auch immer. Dabei war es das nicht. Es war doch ganz anders. Aber vielleicht … vielleicht hatte Tom mit dieser einen Sache recht. Dass ich jemanden anrufen sollte. Ob er kommen würde?   „Okay“, sagte ich schließlich. „Ich … ich muss da aber mal was googeln. Darf ich?“ „Mi casa es su casa. Tob dich nur aus.“   Ich bedankte mich, drehte mich von ihm weg und rief die Suchmaschine auf. Langsam tippte ich Buchstabe für Buchstabe ein, bis ich schließlich „Thielensee“ zu Ende geschrieben hatte. Als die Ergebnisse erschienen, prangte gleich unter der Adresse ein blauer Hörer. Ich schluckte. Wenn ich da draufdrückte, würde ich zurückkommen. Oder sie würden mich rausschmeißen. Würden sie? Bekam ich noch eine Chance? Hatte ich die überhaupt verdient?   „Na los, gib dir einen Ruck. Du schaffst das. Ich bin da.“   Tom trat einen Schritt näher und legte leicht den Arm um mich. Es war eine tröstende Geste, aber sie kam von der falschen Person. Von der völlig falschen.   Ich schloss die Augen, atmete tief durch und schickte einen stummen Wunsch irgendwo nach draußen in den Äther, bevor ich sie wieder öffnete und endlich die Nummer wählte. Am anderen Ende begann es zu klingeln.   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)