Anubis von Hypsilon ================================================================================ Prolog: -------- Kul Elna. Aknadin, Bruder des großen Pharao Aknamkanon reitet in das Dorf der Grabräuber ein. Ein schwarzes Magieritual soll die Welt verändern, zumindest die der Hoheiten im Palast. Opfer werden bereitet. Opfer, die für den Priester keine Bedeutung haben. Wertlose Geschöpfe, Sünder, Abfall unter den Menschen. Ein Sturm zieht auf, der Boden beginnt zu beben. Straßen reißen auf, Häuser werden dem Erdboden gleichgemacht. Geschrei erfüllt die Nacht, bis schließlich Totenstille eintritt. Nur der Wind ist zu hören. Drückende Stille beherrscht die Nacht. Plötzlich erklingt Donner, Blitze ziehen sich über den pechschwarzen Nachthimmel, schüttender Regen prasselt auf das zerstörte Dorf hernieder und spült das Blut des Massakers hinweg. Aknadin und seine Gefolgschaft verlassen den unheilvollen Ort. Fliehen vor der Traurigkeit, dem Zorn, der Ausichtslosigkeit der verlorenen Seelen. Ein Donner jagd den nächsten. Blitze erhellen wiederholt die Szenerie. Eine Gestalt erscheint. Hochgewachsen, aufrecht auf zwei Beinen gehend. Für einen Augenblick verstummt das Gewitter. Der Totengott ist herabgestiegen die Opfer dieses Verbrechens zu holen, sie zum Totengericht in die Unterwelt zu Osiris zu holen. Wachsam betrachtet er die Situation, seine scharfen Augen huschen über die Ruinen, seine Schakalsnase erkennt einen unerwarteten Geruch. Überlebende? Zielstrebig folgt der Gott der Spur. Anubis steigt über Trümmer, überwindet Risse im Boden und kommt schließlich an einer Erdspalte an. Gerade noch dringt Wimmern an seine spitzen Ohren und er bleibt stehen. Langsam senkt er den Blick, kniet sich hernieder um besser sehen zu können, was sich vor ihm offenbarte. Seine goldenen Augen treffen auf grüne. So strahlend grüne Augen, der Gott wagte nicht, sich abzuwenden. Vor ihm saß ein kleiner Junge, vielleich fünf Jahre alt, maximal sechs, zusammengekauert in der Erdspalte, einer Grube, zitternd, weinend, wimmernd. Das pechschwarze Haar hing ihm zerzaust ins Gesicht, stand teilweise vom Kopf ab und Matsch und Dreck zierten seine Haut. Die Luft zwischen ihnen ist geladen. Anubis spürt sofort eine gewisse Verbindung zu dem erbärmlichen Geschöpf. Er reicht ihm vorsichtig die Hand. "Es ist noch nicht deine Zeit", sagt er leise und der zierliche Junge greift langsam nach ihm. Er ist nicht eingeschüchtert durch die Erscheinung des Gottes. Für ihn scheint es ganz normal, dass ihm in dieser finsteren Stunde die Gottheit in Schakalsgestalt erscheint. Behutsam ertastet der Junge die kalte Hand, lässt sich aus der Grube ziehen und fällt dem Gott schließlich in die Arme. Bitterliches Weinen erfüllt die Nacht. Seine Eltern sind tot, sind nicht einmal nach Hause gekommen. Das Zuhause? Verschwunden. Mit einem Mal verändert sich die Welt für den kleinen Jungen auf einen Schlag. Jeder, den er kannte, ist nun fort. Niemand, der ihn kennt, mehr da. Anubis legt die Hand auf den Rücken des Kindes, senkt den Kopf und legt sein Kinn am Haaransatz des Kindes ab. Diese Welt kann so erbarmungslos sein, so ungerecht wirken und hoffnungslos. Vorsichtig löst er sich nach einem Moment der Stille von dem zarten Geschöpf, sieht ihm in die verweinten Augen. "Wie ist dein Name?", fragt er ihn mit rauer aber gutmütiger Stimme. Der Junge vor ihm schluchzt. "Rhu...", kommt es über seine Lippen. Anubis hebt die Hand, legt sie dem Kind auf die Wange und wischt ihm die Tränen weg. Rhu rührt sich kaum, zittert nur. Aus Kälte und Ehrfurcht. "Willst du leben?", fragt Anubis. Rhu antwortet nicht, er sieht dem Gott tief in die Augen. Unsicherheit breitet sich in dem Jungen aus. "Ich will nicht sterben", sagt er leise, ohne zu wissen, was es von nun an bedeutet zu leben. "Dann will ich, dass du für mich lebst, Rhu", sagt der Gott ehe er sich wieder aufrichtet. Er schenkt dem Jungen noch einen sanften Blick und geht als er nickt. Er ist nicht wegen ihm hier, sondern wegen allen anderen, die in dieser Nacht nicht so viel Glück hatten wie Rhu. Aber hatte Rhu Glück? War es ein Glück, dass der Junge nun mutterseelenalleine hier zurück bleibt und um sein Überleben kämpfen muss? Die Gedanken des Totengottes blieben noch eine Weile bei Rhu, bis ihm eine weitere zerstörte Seele über den Weg läuft. Rote Augen starren dem Totengott eindringlich ins Gesicht. Anders als bei Rhu erkennt er in diesem Blick keinerlei Ehrfurcht, kein bisschen Angst, sondern Wut. Ein Junge mit weißen Haaren steht vor ihm und verachtet ihn mit seinem Blick. "Du hättest das aufhalten müssen", sagt der Bursche mit seinen gerade mal acht Jahren und stampft auf den Boden um Anubis mit Staub zu beschmutzen, doch es prallt von ihm ab. "Du hättest was tun müssen", schreit ihn der Junge an und wendet sich augenblicklich von ihm ab. Noch einmal tritt er in den Dreck, wirbelt dadurch Staub auf und läuft abrupt weg. Anubis bleibt stehen, sieht der geplagten Seele nach und seufzt. Die Menschen sind allesamt unterschiedlich, selbst Kinder können so verschieden sein. So sah Anubis erst noch in Rhus Augen Dankbarkeit darüber, überlebt zu haben und direkt darauf sah in den roten Augen dieses zweiten Jungen nichts als Wut und Rachegelüste. So jung und schon so verloren... Doch die Lebenden sind nicht seine Aufgabe. Dies wieder verinnerlicht wendet sich der Gott dem Horizont ab, in dessen Weiten der Achtjährige verschwindet und gibt sich seiner Verflichtung hin. Wir alle sind Besucher dieser Zeit, an diesem Ort. Wir sind nur auf der Durchreise. Unser Ziel ist es, hier zu beobachten, zu lernen, zu wachsen, zu lieben und dann nach Hause zurückzukehren. - Weisheit der Aborigines Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)