DEATH IN PARADISE - 01 von ulimann644 (Doppelfehler) ================================================================================ Kapitel 3: Offenbarungen ------------------------ Derrick Faulkner hatte zuvor versucht, sich auszumalen, wie sein zukünftiges Zuhause aussehen würde, doch mit dieser geradezu paradiesisch wirkenden Aussicht auf das Meer, von der Veranda seiner Hütte aus - damit hatte er nicht gerechnet. Den Anblick in sich aufnehmend sah Faulkner schließlich zu seiner Untergebenen und sagte ergriffen: „Das ist unglaublich. So schön hatte ich es mir nicht vorgestellt.“ „Vielleicht sollten Sie sich zuerst einmal im Innern der Hütte umsehen“, schlug die Frau vor, während sie ihm die Tüte mit Lebensmittel, die sie auf dem Weg hierher eingekauft hatten, abnahm. „Es ist zwar ordentlich und alles, was Sie brauchen werden, ist da, doch vermutlich werden Sie es etwas einfach und ländlich finden.“ „Riskieren wir einen Blick“, erwiderte Faulkner und wartete, bis Florence für ihn die Hütte aufgeschlossen hatte. Seine Reisetasche und den Rucksack aufnehmend betrat er, durch den Seiteneingang, hinter der Frau das Innere der Hütte. Neben einem riesigen Metallbett mit Moskitonetz, im Zentrum des großen Hauptraumes, stellte er das Gepäck ab und sah sich um. Zu seiner maßlosen Verblüffung wuchs wirklich ein Baum aus dem Boden des Zimmers durch die Decke der Hütte. So etwas gab es wohl nur hier, in der Karibik. In den Regalen der dunklen Holzschränke entdeckte er einige Bücher, die seine Vorgänger hiergelassen hatten. Auf einem der kleineren Tische an der Wand stand ein Telefon mit Anrufbeantworter. Zu seiner gelinden Verwunderung entdeckte er auch einen modernen WLAN-Router, unter dem ein User-Manual herausragte. Einen kleinen Fernseher, einen alten Plattenspieler und einen CD-Radio-Kassettenrecorder gab es ebenfalls. Nach dem ersten Rundblick sah er zu Florence, die in der Zwischenzeit für ihn die Lebensmittel eingeräumt und danach beiden Türen zur Veranda geöffnet hatte. Ihr anerkennend zunickend meinte er: „Gar nicht schlecht, was diese Hütte zu bieten hat. Meeresrauschen zum Einschlafen inklusive. Hier hat man nachts bestimmt seine Ruhe.“ „Keine Sorge, Sir“, gab Florence Cassell beruhigend zurück. „Mit der Hütte ist es dasselbe, wie mit dem Revier. Niemand würde das Sakrileg begehen, Sie hier zu belästigen oder hier einzudringen, wenn Sie nicht da sind. Selbst die kriminelle Fraktion will es sich nicht mit der Polizei von Honoré verscherzen.“ „Sehr beruhigend“, erwiderte Faulkner und schritt durch die linke Tür hinaus auf die umlaufende Veranda. Sich mit den Händen auf dem Holzgeländer abstützend sah er hinaus auf das Meer und sagte in Gedanken. „Alles ist so anders hier. Die Umgebung. Das Licht. Die Geräusche. Selbst die Luft riecht anders.“ „Sie werden sich daran gewöhnen, Sir“, versicherte Florence Cassell mit weicher Stimme. „Haben Sie es eilig, Ihre Sachen auszupacken, oder hat das noch etwas Zeit? Sie und ich haben seit einigen Stunden nichts mehr gegessen und in Catherines Bar gibt es ein hervorragendes, scharfes Gulasch. Mit Kartoffeln, Gemüse und…“ „Bei Gulasch hatten Sie mich bereits“, grinste der Mann. „Ich könnte wirklich etwas zu essen vertragen. Wie ist das Bier dort? Gibt es in dieser Bar auch deutsches Bier?“ „Seit fünfundzwanzig Jahren gibt es eine deutsche Brauerei auf Dominica. Das dort gebraute KUBULI-Bier wird auch hierher exportiert. Hier wird es jedoch, aus irgendwelchen rechtlichen Gründen, unter dem Namen ETENSEL verkauft. Schmeckt sehr gut.“ Mit echter Erleichterung in der Stimme meinte der Inspector: „Dem Himmel sei Dank. Was Bier angeht, bin ich nämlich ein verwöhnter Snob. Worauf warten wir noch?“ „Dann lassen Sie uns fahren, Sir.“ Sie brauchten nicht lange, um wieder nach Honoré zu gelangen. Derrick Faulkner schätzte, dass sie zu Fuß weniger als eine halbe Stunde gebraucht hätten, selbst wenn sie gemütlich gegangen wären. Kurze Wege waren ein weiterer Vorteil dieser kleinen Insel. Florence parkte den Rover in Sichtweite der Bar und deutete nach vorne. „Die Besitzerin der Bar ist gleichzeitig die Bürgermeisterin von Honoré.“ „Vermutlich sollte ich mir hier das Wundern abgewöhnen“, meinte Faulkner und öffnete die Beifahrertür. Nachdem auch Florence den Rover verlassen hatte schritten sie langsam die Straße hinunter. Gegenüber der eigentlichen Bar, auf der anderen Seite der Straße, erkannte der Brite einen überdachten Bereich, der offensichtlich zur Bar gehörte. Dort, unmittelbar am Strand, standen Tische und Stühle auf dem unterbauten Holzboden. An den Pfeilern und unter der Decke hingen faustgroße Lampen, die jetzt, bei Einsetzen der Dämmerung, bereits eingeschaltet waren und für eine angenehme Beleuchtung sorgten. „Wir haben Glück, Sir“, meinte Florence zu ihrem Begleiter. Der große Tisch ist noch frei. Am besten setzen wir uns an den, denn unsere Kollegen sehen bestimmt auch nachher noch herein. Das LA KAZ ist ein beliebter Treff.“ „Nach Ihnen, Florence.“ Noch bevor sie den Tisch erreicht hatten, steuerte eine bereits etwas ältere Frau auf sie zu. Sie hatte ein Tuch um ihr braunes Haar gewickelt, das an einigen Stellen bereits erste graue Strähnen aufwies. Sie trug ein weit wallendes langes Kleid, wie es auf der Insel nicht unüblich war. Ihre braunen Augen leuchteten, als sie Florence ansah und der Inspector ahnte, das die Frau den Detective-Sergeant kannte. Die ersten Worte der hageren Frau bestätigten Faulkners Vermutung. Sie kam auf Florence zu und die beiden Frauen nahmen sich zur Begrüßung in die Arme. „Florence, es ist schön dich wiederzusehen. Seit wann bist du wieder auf der Insel?“ Florence löste sich lächelnd aus der Umarmung der Frau. „Seit heute Mittag, Catherine. Es ist auch schön wieder hier zu sein.“ An der Polizistin zu Derrick Faulkner sehend kam die Frau, die Florence mit Catherine angesprochen hatte sofort auf den Punkt, indem sie fragte: „Wer ist dieser gutaussehende Mann in deiner Begleitung, Florence?“ Der Inspector wartete höflich, dass Florence ihn der Frau vorstellte. Erst danach reichte er der Frau die Hand und sagte: „Es freut mich Sie kennenzulernen, Madame.“ „Sagen Sie einfach Catherine zu mir, Inspector. Sie sind also der neue Chief der Royal Saint-Marie Police. Willkommen auf Saint-Marie. Was darf ich Ihnen bringen, Derrick? Einen Tee vielleicht?“ „Bloß das nicht!“, wehrte Faulkner ab, dem die offene Art der Frau gefiel. „Was ich jetzt vertragen könnte, wäre ein deutsches Bier. Florence versicherte mir, Sie haben welches.“ „Sehr gerne.“ „Zwei Bier“, warf Florence schmunzelnd ein. „Und zweimal das scharfe Gulasch.“ Die Hagere lächelte verbindlich. „Das Bier kommt sofort, das Gulasch dauert etwas.“ Damit entfernte sich die Besitzerin der Bar. Nachdem sie an dem Tisch Platz genommen hatten, sah Derrick Faulkner seine Kollegin an und meinte: „Eine erstaunliche Bürgermeisterin. Sie ist mir sympathisch.“ „Catherine scheint Sie auch zu mögen, Sir, sonst hätte sie Ihnen bestimmt nicht so schnell angeboten, sie beim Vornamen zu nennen.“ Nachdem Catherine persönlich das Bier zum Tisch gebracht hatte, prostete der Inspector Florence zu. Nach einem langen genießerischen Schluck stellte Faulkner seine Flasche auf den Tisch und nickte anerkennend. „Das ist wirklich gut.“ Eine kurze Pause entstand, bevor Florence auf die linke Hand ihres Vorgesetzten deutete. „Ich sehe an Ihrem Ringfinger einen hellen Streifen, Sir. Sie waren verheiratet?“ Der Mann nickte und erwiderte: „Ja, bis vor zwei Jahren. Das ist ein Teil der langen Geschichte, die ich vorhin erwähnt habe.“ „Eine schmerzliche Trennung, Sir?“ Derrick Faulkner sah an der linken Schulter der Frau vorbei, hinaus auf die See. Erst nach einem Moment antwortete er: „Ja, aber anders, als Sie vielleicht denken, Florence. Sie starb vor zwei Jahren.“ „Tut mir leid, Sir. Ich hätte nicht gefragt, wenn…“ „Ja, das glaube ich Ihnen“, wehrte Faulkner eilig ab. „Jetzt wissen Sie, wie ich meine Worte auf der Fähre gemeint habe. Es war ganz sicher keine schräge Anmache, Florence.“ Unangenehm berührt nickte die Frau und nahm schnell einen weiteren Schluck Bier. Schließlich sagte sie leise: „Meine Worte auf der Fähre bedaure ich, Sir.“ „Reden wir nicht mehr davon“, schlug Faulkner vor. Er sah auf den Ring, den die Polizistin an einer Kette um den Hals trug und meinte: „Ich vermute, dass Sie auch einen geliebten Menschen verloren haben. Sonst hätten Sie wohl weniger heftig reagiert.“ Florence sah ihren Vorgesetzten erstaunt an und der Inspector erklärte mit einem angedeuteten Lächeln: „In der Zusammenfassung Ihrer Dienstakte, die ich von meinem Superintendant bekam, stand lediglich, dass sie den Dienst in Honoré aus persönlichen Gründen quittiert haben. Sonst nichts weiter. Die Dienstakten von heute sind wohl auch nicht mehr das, was sie mal waren. Sie müssen nicht darüber sprechen.“ „Vielleicht wäre das gar nicht so verkehrt, Sir. Mit einem Unbeteiligten darüber zu reden hilft vielleicht.“ Sie wurden abgelenkt, als Sarah Dechiles und Wellesley Karr, jetzt in Zivil, an den Tisch traten und die Frau fragte: „Dürfen wir uns zu Ihnen beiden gesellen.“ „Na, nehmen Sie schon Platz“, gab der Inspector betont fröhlich zurück und fing dabei den etwas bedauernden Blick von Florence auf. Unbestimmt sagte er zu ihr: „Darüber können wir bestimmt ein anderes Mal reden.“ Sarah, die nicht ahnte, was ihr Vorgesetzter damit gemeint hatte, wandte sich in Richtung der Bar um und rief der jungen Bedienung zu, ihnen auch ein Bier zu bringen. Danach wandte sie sich wieder ihren beiden Vorgesetzten zu und meinte: „Dafür, dass wir vier ein bunt zusammengewürfelter Haufen sind, hat die Zusammenarbeit heute gut funktioniert. War zumindest mein Eindruck, nicht wahr, Sir?“ Der Inspector schmunzelte unterdrückt und trat etwas auf die Bremse, indem er erwiderte „Es hat ganz passabel funktioniert, Sergeant. Nicht sehr gut, aber immerhin.“ Florence Cassell verbiss sich ein Grinsen, bei den Worten ihres Vorgesetzten. Sie hatte die humorige Note seines Tonfalls bemerkt. Sarah Dechiles ihrerseits sah den Inspector etwas ernüchtert an. Doch sie war nicht so schnell bereit aufzustecken, weshalb sie nachlegte: „Wir können uns noch steigern, Sir. Das war ja auch erst der erste Tag. Eigentlich nur ein halber, wenn man es genau nimmt.“ „Sie sagen es, Sergeant.“ Schon etwas zufriedener wirkend nahm Sarah Dechiles das Bier in Empfang, wodurch ihr der entsagungsvolle Blick entging, den Falkner Florence zuwarf. Sich ihm wieder zuwendend hielt sie ihm ihre Bierflasche entgegen und sagte: Na, dann prost!“ Sie stießen zu viert an. Im Verlauf des Abends war es zum großen Teil Sarah Dechiles, die redete. Hauptsächlich pries sie dabei dem Inspector die Vorzüge der Insel an. Unbemerkt von den anderen am Tisch hatte sich Florence in der Zeit einen ziemlichen Rausch angetrunken. Erst, nachdem sich Sarah und Wellesley verabschiedet hatten und er wieder allein mit Florence am Tisch saß, bekam Derrick Faulkner, der es bei zwei Flaschen Bier belassen hatte, den Zustand seiner Kollegin mit. Florence schwankte leicht, als sie die Bar verließen und Derrick Faulkner überlegte, ob er es verantworten konnte, noch Auto zu fahren. Noch dazu so ein Ungetüm, wie den Defender-110. Er entschied sich, ob des Zustandes seiner Kollegin dafür, wobei er sich fragte, ob die meisten Leute, die angetrunken fuhren, dies nur deshalb taten, weil sie nicht mehr dazu imstande waren geradeaus zu laufen? Na, wenigstens werden wir nicht in eine Verkehrskontrolle geraten, dachte der Brite amüsiert. Das wäre auch zu komisch. Es dauerte eine geraume Weile, bis Derrick Faulkner seiner Kollegin den Autoschlüssel abnehmen und auf den Beifahrersitz verfrachten konnte. Aufatmend, nachdem er es endlich geschafft hatte, begab er sich zur Fahrerseite und stieg in den Rover ein. „So, jetzt müssen Sie mir nur noch sagen, wohin ich sie bringen soll, Florence.“ Die Polizistin war bereits auf dem Beifahrersitz zusammengesunken und gab leise Schnarchgeräusche von sich. Der Inspector versuchte, sie wieder wach zu bekommen. Nach einer Weile gab er es auf und beschloss, sie mit zu sich zu nehmen. Die Nacht war lauwarm und so würde es ihm nichts ausmachen, auf der Veranda, oder notfalls im Land-Rover zu schlafen. Er schüttelte seufzend den Kopf, bevor er den Motor startete und in Richtung seiner Hütte losfuhr. * * * Die Sonne stand bereits halb über dem Horizont, als Florence Cassell die Augen aufschlug. Nur noch dunkel konnte sich die Polizistin daran erinnern, in Catherines Bar gewesen zu sein. Noch dunkler daran, sie verlassen zu haben. Sie sah sich um und stellte fest, dass sie sich nicht Zuhause im Bett befand. Der Commissioner hatte ihre Dienstunterkunft ein Jahr lang nicht neu vergeben. Bei einem weiteren Rundblick erkannte Florence endlich, wo sie sich befand. Sie war oft hier gewesen, nur hatte sie die Hütte des jeweiligen Detective-Inspectors noch nie aus dieser Perspektive gesehen. Etwas schepperte leise und jemand pfiff leise ein ihr unbekanntes Lied. Offensichtlich hatte der Chief sie gestern Nacht hierher mitgenommen. An diesem Punkt der Überlegungen angekommen sah Florence rasch unter die leichte Bettdecke und erschrak. Sie hatte nichts an. Erst nach einem neuen Umherschauen entdeckte sie ihre Sachen auf einem der Stühle, die an der Wand links von ihr standen. „Wie konnte das passieren?“, entfuhr es ihr und sie richtete sich halb im Bett auf. „Sie haben gebechert, wie zehn Mann“, kam die prompte Antwort von Derrick Faulkner aus Richtung der Küche. Gleich darauf schritt er mit einer Kanne in der Hand zu ihr in den Raum und die Polizistin zerrte rasch die Bettdecke vor ihren Körper. Als der Inspector in das panische Gesicht der Frau sah, verschwand die Heiterkeit aus seinem Gesicht und er meinte unwillig: „Verderben Sie es sich nicht gleich am Morgen wieder mit mir, Florence. Das, was sie vielleicht befürchten, ist nie passiert. Das würde ich keiner Frau antun. Erst recht nicht meiner Kollegin und in diesem Fall Schutzbefohlenen.“ Florence Cassell sah ihren Vorgesetzten an, halb peinlich berührt, halb ungläubig. „Warum liege ich dann splitternackt in Ihrem Bett, Sir?“ Der Mann grinste schief. „Dafür bin nicht ich verantwortlich. Sie waren es, im Raum herumtanzte und irgendwann damit begannen, sich zu entkleiden. An dem Punkt bin ich aus dem Raum verschwunden. Zumal man Ihren lauten Gesang nicht wirklich schön nennen konnte. Nur gut, dass die Hütte so weit draußen liegt.“ Ungläubig fragte die Polizistin: „Ich habe gesungen, Sir?“ „Laut und falsch!“ „Oh, je.“ Erst nach einem Moment kam ihr eine andere Frage in den Sinn. „Wo haben Sie denn geschlafen, Sir?“ „Der hintere Bereich des Land-Rovers ist geräumiger, als ich dachte“, gab der Inspector vielsagend zurück. „Ich erwarte Sie auf der Veranda, wenn Sie geduscht haben.“ Damit verließ der Mann den Raum durch eine der beiden Türen, die zum Strand hin auf die Veranda hinaus führten. Offensichtlich hatte er Kaffee gemacht und sich um das Frühstück gekümmert. Es dauerte mehr als zehn Minuten, bis Florence Cassell, jetzt angekleidet, zu Derrick Faulkner auf die Terrasse kam. Dabei schloss sie geblendet die Augen und gab ein leises Seufzen von sich. „Feiern könnte so schön sein, wenn der Morgen danach nicht wäre“, spöttelte der Mann gutmütig. „Ich habe Rührei mit Speck gemacht und einen starken Kaffee. Ersteres wird den Restalkohol aus Ihrem Körper ziehen. Letzteres macht Sie in Sekunden munter.“ Florence nahm gegenüber ihres Vorgesetzten Platz und beobachtete ihn dabei, wie er ihr eine ordentliche Portion Rührei auf den Teller häufte. Danach goss er für sie einen Kaffee ein, bevor er sich selbst bediente. Dabei meinte er entschuldigend: „Gestern habe ich ganz vergessen, dass es auch Leute gibt, die ihren Kaffee nicht schwarz trinken.“ „Schwarz ist in Ordnung, Sir.“ Der Chief lächelte verbindlich. „Leider habe ich nur Herren-Duschgel im Haus, wie sie sicherlich festgestellt haben.“ Die Frau sah auf bei den Worten ihres Vorgesetzten und erwiderte, grimmig zustimmend: „Allerdings, Sir. Axe, der Duft der Frauen provoziert. Echt jetzt?“ Derrick Faulkner erlaubte sich ein amüsiertes Grinsen: „Passen Sie heute lieber auf, Florence, sonst gehen Sie am Abend mit einer festen Freundin nach Hause.“ „Eine ehemalige Klassenkameradin wollte mich haben, als ich sechzehn war. Ungeachtet dessen ist Céline eine tolle Kameradin gewesen. „Ach“, machte der Inspector. „Ist diese Céline zufällig schlank, eher sehnig? Kurzes Haar? Lockere, ungezwungene Art?“ „So habe ich sie in Erinnerung. Aber woher…“ „Sie fährt Taxi auf Saint-Marie.“ Etwas ungläubig sah Florence ihren Vorgesetzten an. „Sie war in dem zweiten Taxi, am Hafen? Mir ist sie gar nicht aufgefallen.“ „Sie hatten vielleicht zu viel damit zu tun, sauer auf mich zu sein?“ „Also war es Ihre Schuld, Sir“, konterte Florence trocken. Sie genoss das Frühstück und den Kaffee sichtlich. Danach sagte sie, auf das Thema vom vergangenen Abend zurückkommend: „Als Sie gestern den Verlust eines geliebten Menschen erwähnten, da wollte ich Ihnen von meinem verstorbenen Verlobten Patrice erzählen. Wissen Sie, sein bester Freund ermordete das Mädchen, mit dem er zusammen war. Patrice wollte es nicht wahrhaben. Als er versuchte, auf eigene Faust die Hintergründe der Tat aufzuklären, da folgte ich ihm. Ohne meine Kollegen. Bevor ich ihn finden konnte wurde ich niedergeschossen. Mein Verlobter wurde von der Schützin, die glaubte, ich sei tot, anschließend ermordet.“ Derrick Faulkner hatte mit versteinerter Miene zugehört. Nach einem langen Moment rang er sich dazu durch Florence zu erzählen: „Meine Frau und meine Tochter wurden, vor zwei Jahren, von den Handlangern der bulgarischen Mafia getötet. Ich war damals für die NCA tätig und hatte einen Schlag gegen einen Zweig dieser Verbrecherorganisation gelandet. Es gab jedoch einen Maulwurf, der Tage zuvor die Identität von mir und meinem Team weitergeleitet hatte. In der Nacht kamen sie und nahmen das Haus mit Raketenwerfern unter Feuer. Meine Frau und meine achtjährige Tochter starben, bei dieser Attacke. Dass ich überlebte war nichts weiter, als ein Zufall. Ich konnte in dieser Nacht nicht schlafen. Ich stand also auf und ging in den Keller um mir ein Glas eingemachter Pfirsiche zu holen, als der Angriff erfolgte. Drei Tage lang lag ich verschüttet unter den Trümmern des Hauses. Nachdem man mich, gerade noch lebend, gefunden hatte, wurde ich in eine geheime, medizinische Anlage der NCA gebracht, wo ich zunächst, schwer verletzt, zehn Monate im Koma lag. Danach musste ich ganz neu lernen zu laufen. Erst nach knapp zwei Jahren war ich körperlich wieder so fit, wie vor der Attacke. Einer meiner Kollegen brachte mir damals die Uhr meiner Tochter ins Krankenhaus. Sie war, wie durch ein Wunder, heil geblieben. Seitdem trage ich sie.“ Erschüttert hauchte die Polizistin: „Das ist ja schrecklich, Sir.“ Die Augen des Mannes schienen aus ferner Vergangenheit zurückzukommen, als er den erschütterten Blick der Frau erwiderte. „Ich möchte damit ganz bestimmt nicht kleinreden, was Ihnen selbst widerfahren ist, Florence. Was ich sagen will ist, dass es Dinge gibt, die wir niemals vergessen werden. Doch wir leben dennoch weiter, so gut wir können und das sollten wir auch. Vielleicht hilft es Ihnen darüber hinaus, zu wissen, dass Sie mit jemanden reden können, der Ihre Situation versteht. Was mich im Moment primär interessiert ist: Haben Sie aktuell ein Problem mit Alkohol?“ Florence Cassell sah für einen Moment lang durch ihr Gegenüber hindurch. Sie erinnerte sich daran, wie sie vor drei Tagen weinend unter der Dusche gesessen hatte. Unsicher, ob sie es schaffen würde, sich ihren Dämonen auf Saint-Marie zu stellen. Nach einem langen Moment klärte sich ihr Blick und sie antwortete mit fester Stimme: „Nein, es gibt kein Alkoholproblem, Sir.“ „Dann ist dieser Punkt geklärt“, gab sich der Inspector mit dieser Antwort zufrieden. Als Florence Cassell endlich die Gabel zur Seite legte und Faulkner ihr eine zweite Tasse Kaffee eingoss, erkundigte sich die Frau: „Wurden die Mörder Ihrer Familie gefasst?“ Der Inspector nickte. „Ja, noch während ich im Koma lag. Irgendwie war es bedrückend für mich, sie nicht selbst stellen zu können. Der Maulwurf wurde ebenfalls entlarvt. Er erschoss sich, als meine Kollegen ihn verhaften wollten. Wie war es bei Ihnen?“ „Mein damaliger Chief konnte die Mörderin ausfindig machen und überführen. Ich selbst habe ihr damals die Handschellen angelegt.“ „Haben Sie sich danach besser gefühlt?“ Florence schüttelte den Kopf. „Nein, Sir. Die Genugtuung wegen der Festnahme dauerte nur kurze Zeit an. Die schreckliche Leere in mir blieb. Was mir aber half, war der Rat von DI Mooney, der mir sagte, ich solle mich daran erinnern, wofür der Ring steht, den ich seit damals an einer Kette um den Hals trage. Er sagte mir, dass Patrice sicherlich wollen würde, dass ich irgendwann wieder glücklich werde. Irgendwie.“ „Sie hatten Glück, einen so weisen Mann als Chief zu haben, Florence. Etwas ganz ähnliches sagte mir meine Schwester, kurz vor meiner Abreise hierher. Sie und ihre Familie sind die einzigen Angehörigen, die ich noch habe. Wir stehen uns zum Glück sehr nahe.“ Die Antwort der Frau bestand aus einem zuversichtlichen Lächeln. Nach einem Blick auf die Armbanduhr sagte sie: „Ich muss los, wenn ich mich noch bei mir umziehen und rechtzeitig auf dem Revier sein will.“ Derrick Faulkner kramte den Autoschlüssel aus der Hosentasche seiner Jeans und reichte ihn seiner Kollegin. „Nehmen Sie den Wagen, ich gehe zu Fuß. Wir sehen uns dann auf dem Revier.“ Florence nahm den Schlüssel an sich und machte sich auf den Weg zum Rover. Dabei sah der Inspector seiner nachdenklich hinterher und er spürte dabei, dass ihm die Unterhaltung mit ihr seelisch gutgetan hatte. Vielleicht konnten sie sich gegenseitig dabei helfen, die persönlichen Verluste zu überwinden. Der Gedanke gefiel ihm. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)