Zum Inhalt der Seite

About Clowns and Heroes

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Relationship crises


 

1
 

Die schmerzvolle Nacht mit Batman ist mittlerweile drei Wochen her. Inzwischen ist es Anfang September, und dieser Monat scheint sich dazu entschieden zu haben, perfekt Jokers aufgewühlte Gefühle widerzuspiegeln, denn es regnet praktisch seit Tagen fast ununterbrochen. Die Arbeiten in den Narrows gehen daher nur sehr schleppend voran. Das neue Krankenhaus steht in seinen Grundmauern da, doch seit der stetige Regen eingesetzt hat, ist es nahezu verlassen und wirkt damit wie eine der unzähligen anderen Ruinen des verwahrlosten Bezirks. Edward hofft daher inständig, dass sich das Wetter bald bessert, damit die Arbeiten bis zum Wintereinbruch erledigt sind. Immerhin wird das Krankenhaus in der kalten Jahreszeit besonders dringend gebraucht werden. Seine Arbeiter wollen auch unbedingt weitermachen und ärgern sich über jeden Tag, an dem dies nicht geschehen kann und sie gezwungen sind, untätig zu Hause herumzusitzen oder sich weit weniger wichtigen Dingen widmen zu müssen.
 

Dem Rätselmeister geht es da nicht viel besser. Auch er fühlt sich in der eigenen Bleibe nahezu eingesperrt, obwohl er immer noch genauso viel wie vorher zu tun hat. Seine Arbeit wird vom Regen nicht nennenswert beeinträchtigt, sie verlagert sich nur in ihren Prioritäten, da die Arbeiter ihm keinen Input mehr über den Fortschritt auf den verschiedenen Baustellen liefern können. Einen Vorteil hat das Ganze zumindest, denn er kann sich so immerhin damit beschäftigen, Joker bei Laune zu halten oder ihn zumindest so sehr ablenken, dass er nicht ununterbrochen an die herrische Fledermaus denken muss. Das ist eine erstaunlich anspruchsvolle Aufgabe, die er dennoch sehr ernst nimmt, doch auch seine hingebungsvolle Hartnäckigkeit in diesem Fall kann nicht verhindern, dass der kleine Clown weiterhin unglaublich traurig ist und nicht selten einfach ohne ein Wort verschwindet, wenn man ihm einmal unbedacht den Rücken zudreht. Was er dann macht, bleibt Nigma verborgen. Allerdings scheint es nicht so, als würde er die Nähe des Dunklen Ritters suchen. Vielleicht geht er einfach nur stundenlang im warmen Sommerregen spazieren, um einen klaren Kopf zu bekommen? Wer weiß... Der Brünette hat leider auch nicht die Zeit, um nach ihm zu suchen. Doch solange der Junge in einem Stück wiederkommt, überhaupt wiederkommt, ist Ed schon sehr dankbar dafür.
 


 

2
 

Der Grünhaarige geht tatsächlich spazieren, aber ganz sicher nicht, um einen klaren Kopf zu bekommen. Dafür sind seine Gedanken einfach zu aufgewühlt und sein geistiger Zustand lässt gar nichts anderes zu. Während ihn der Regen Stunde um Stunde, Nacht für Nacht bis auf die Knochen durchweicht, denkt er ununterbrochen an Batman. Doch diese Gedanken haben sich seit dem letzten, so unglaublich schmerzhaften Treffen mit dem Dunklen Ritter sehr verändert. Seit seine roten Augen den maskierten Rächer vor über fünf Jahren das erste Mal erblickt haben, war Joker der festen Überzeugung, unendlichen Hass in seiner zartesten Form für ihn zu empfinden. Einen Hass, so rein, sanft und unerschütterlich, dass ihn kein anderes menschliches Wesen jemals so hätte verspüren können.
 

Lass mich nicht in all diesen Schmerzen baden

Lass mich nicht allein im Regen stehen

Komm wieder her und bring mein Lächeln zurück

Komm und nimm meine Tränen hinfort

Ich brauche deine Arme, die mich jetzt halten

Die Nächte ohne dich sind so düster

Bring die Nächte zurück, in denen wir glücklich zusammen waren
 

Doch als sich der Mitternachtsdetektiv so grausam an ihm vergangen hat, ist Joker etwas sehr Entscheidendes klargeworden: Er hasst Batman gar nicht! Oh, nein, es ist ein viel qualvolleres Gefühl, das ihn wie kochendes Wasser durchströmt. Ihn von innen heraus immer wieder verbrennt. Liebe! Der kleine Clown ist in den selbsternannten Ritter verliebt, und dass stürzt seine bescheidene Welt in einen Abgrund aus Verzweiflung und Wahnsinn, der bodenlos in die Unendlichkeit führt und von dem es kein Entkommen gibt...
 

Repariere mein Herz

Sag, du wirst mich wieder gernhaben

Mach diesen schrecklichen Schmerz in mir wieder rückgängig

Als du gegangen

Und aus meinem Leben getreten bist

Schrie ich meine Tränen hinaus

Ich habe so viele Nächte wegen dir geweint

Repariere mein Herz

Mein Herz
 

Doch es besteht Hoffnung auf Rettung. Ja, wirklich! Und das ist das eigentliche Problem an der ganzen Sache. Die Rettung kann nur dadurch zu Stande kommen, wenn sein Angebeteter seine Gefühle akzeptiert und im besten Fall sogar erwidert, dann, ja dann besteht womöglich auch Hoffnung auf Heilung! Etwas, wovon der Verrückte nur träumen kann...
 


 

3
 

Ziellos wandert er weiter durch die Nacht, während der Regen seine Tränen hinfort wäscht. Das hat irgendwie etwas unheimlich Tröstliches an sich. Niemand kann ihn weinen sehen. Seine Tränen sind stumm, ungesehen, vereinigt in einer Million warmer Tropfen, die vom Himmel fallen, sein Antlitz und sein schmerzendes Herz gleichermaßen mit ihrer ungeahnten Zärtlichkeit berühren. Verständnisvoll, heilsam, verschwiegen und doch alles wissen und alles sehen, in ihm lesen, wie in einem offenen Buch. Warum kann Batman nicht auch so sein? Wenigstens ein kleines bisschen...
 

Nimm die traurigen Worte Auf nimmer Wiedersehen zurück

Bring mir die Freude in mein Leben wieder

Lass mich nicht mit meinen Tränen hier allein

Komm und küss den Schmerz weg

Ich kann den Tag nicht vergessen, an dem du gegangen bist

Die Zeit ist so erbarmungslos

Und das Leben ist so grausam ohne dich hier neben mir
 

Langsam bleibt er stehen und wendet das Gesicht gen Himmel. Das dunkle Grau der undurchdringlichen Wolkenmassen ist so allumfassend, dass es wirkt, als könnte man die Hand ausstrecken und sie würde in all der feuchten Finsternis dort oben verschwinden. Einer unbekannten Eingebung folgend tut er genau das. Joker streckt die Hand nach oben zu den Wolken aus. Sie trifft jedoch auf nichts. Schmerzlich verkrampft sich daraufhin sein Herz und weitere Tränen bahnen sich ungesehen ihren Weg seine bunt bemalten Wangen hinab. Als er die Hand wieder sinken lässt und seinen Weg fortsetzen will, taucht plötzlich ein Schatten am dunklen Himmel auf, genau an der Stelle, nach der seine Finger bis eben noch so hoffnungsvoll-verzweifelt gegriffen haben. Der Schatten ist unverkennbar für Gotham und somit besteht auch kein Zweifel: Es ist Batman! Ungläubig weiten sich die roten Augen des kleinen Clowns.
 

Repariere mein Herz

Sag, du wirst mich wieder gernhaben

Mach diesen schrecklichen Schmerz in mir wieder rückgängig

Als du gegangen

Und aus meinem Leben getreten bist

Schrie ich meine Tränen hinaus

Ich habe so viele Nächte wegen dir geweint

Repariere mein Herz

Mein Herz
 

Seit Bruce ihn so furchtbar bestraft hatte, hat der Grünhaarige ihn nicht mehr wiedergesehen. Hatte sich zur Abwechslung einmal brav an dessen Warnung gehalten, nichts Böses mehr anzustellen, da ihm sonst unzweifelhaft wieder das Gleiche blühen würde. Doch seit diesem Tag hat sich so viel verändert. Seine Gefühle für den Rächer sind nun andere und das könnte alles zwischen ihnen ändern. Nein, nicht könnte, es muss alles zwischen ihnen ändern! Daher gibt es nur eine einzige Sache, die er jetzt tun kann: Batman seine Liebe gestehen, damit all der Schmerz, all das Leid endlich ein Ende finden kann! Hastig suchen seine Augen den Himmel ab und entdecken den Rächer dann wieder. Eilig setzt sich Joker in Bewegung, um ihn einzuholen.
 


 

4
 

Wasser spritzt zu allen Seiten auf. Seine völlig durchnässten Turnschuhe geben bei jedem Schritt ein widerlich squatschendes Geräusch von sich. Drohen, ihn auf dem glitschigen Untergrund immer wieder aus der Bahn zu werfen, damit er im besten Fall zu Boden fällt und mit dem Gesicht in der nächsten Pfütze landet. Darin ertrinkt, wie er es schon so lange in seinen wirren Gefühlen für diesen Mann ist.
 

Lass mich nicht in all diesen Schmerzen baden

Lass mich nicht allein im Regen stehen

Bring die Nächte zurück, in denen wir glücklich zusammen waren
 

Doch es scheint unvermeidlich. Sein Blick ist stur in den verhangenen Himmel gerichtet und nicht auf seinen Weg. Schließlich stößt die Spitze seines Schuhs hart gegen einen Bordstein und er geht mit einem unterdrückten Fluchen auf die Knie. „Scheiße...“, kommt es schniefend von dem Grünhaarigen, als er sich schwerlich zurück auf die Füße begibt. Seine Hose ist zerrissen, seine Handflächen blutig zerschrammt, doch es kümmert ihn nicht. Stattdessen wendet er den verzweifelten Blick wieder in den Himmel. Doch egal, wie er es auch anstellt, Batman bleibt verschwunden...
 

Repariere mein Herz

Sag, du wirst mich wieder gernhaben

Mach diesen schrecklichen Schmerz in mir wieder rückgängig

Als du gegangen

Und aus meinem Leben getreten bist

Schrie ich meine Tränen hinaus

Ich habe so viele Nächte wegen dir geweint

Repariere mein Herz

Mein Herz, oh, Baby
 

„Scheiße...“, wimmert er nun wieder in Tränen ertrunken. Er kann spüren, wie seine Knie erneut nachgeben wollen und er ist nur zu gern bereit, es ihnen zu gestatten. Bevor er dem allerdings nachgeben kann, ertönt hinter ihm eine forsche Stimme. „Ich dachte, ich hätte es deutlich genug ausgedrückt, als ich sagte, du sollt in dem Loch bleiben, aus dem du gekrochen bist, Joker!“ Erschrocken dreht sich der Angesprochene herum. Dort steht er, der Mann all seiner schlaflosen Nächte! „Darling...“, flüstert der kleine Clown schon fast. Von dem Maskierten kommt nur ein verstimmtes Knurren, weil ihm diese ganzen Spitznamen – insbesondere dieser – so dermaßen auf die Nerven gehen.
 

Bitte komm zurück

Repariere mein Herz

Oh, Darling

Ohne dich kann ich einfach nicht weitermachen

Sag, dass du mich willst

Sag mir, dass du mich noch immer willst

Ohne dich kann es nicht weitergehen

Sag, dass du mich willst

Sag mir, dass du mich noch immer willst

Repariere mein gebrochenes Herz!
 

„Was treibst du hier, Joker?“, fragt er dann scharf. Der Grünhaarige wirkt untypisch scheu, richtiggehend geknickt, was Bruce leicht stutzig macht. „Ich – hab nach dir gesucht...“, meint der Kleinere schüchtern und vermeidet sogar den Augenkontakt mit ihm. „Ach ja? Weswegen?“ Die Stimme des Schwarzgekleideten ist streng, duldet keinen Unsinn. Angestrengt beißt sich der Clown auf die Unterlippe. „Ich wollte dir etwas sagen. – Nein, ich muss dir etwas sagen...“, weiterhin sieht er sein Gegenüber nicht an. Unter seiner Schminke glühen seine Wangen ungesehen wie die eines schüchternen Mädchens auf. Mahnend tritt der Dunkle Ritter einen Schritt näher. „Was hast du jetzt wieder angestellt?“
 

Nun blickt der Junge erschrocken auf. „Gar nichts, ehrlich! – Es ist nur – ich...“ „Spuck es endlich aus oder ich finde einen Weg, dich zum Reden zu bringen!“, droht der Ältere und ballt sichtbar die Fäuste. Der Joker wirkt wie ein verschrecktes Kind, das von seinem Lehrer gemaßregelt wird. Noch nie hat er sich so klein und hilflos gefühlt. Er schluckt schwer und räuspert sich anschließend angestrengt, nur um wieder hart zu schlucken. „Weißt du, ein Musiker hat es ganz treffend ausgedrückt. – Er sagte: Dein ist mein ganzes Herz, du bist mein Reim auf Schmerz. – Verstehst du?“, hoffnungsvoll sieht er den Größeren an. Irritiert schüttelt Bruce den Kopf. „Nein, was soll das heißen?“
 

Der kleine Clown schweigt so lange, dass Batman schon drauf und dran ist, die Antwort wohl doch aus ihm herausprügeln zu müssen. Als er einen weiteren Schritt nähertritt, öffnet der Bengel dann doch endlich den Mund. „Ich – liebe dich...“ Mit großen, feuchten Augen sieht er den Rächer an, doch dieser kann die Tränen, die unaufhaltsam seine Wangen hinabrinnen, nicht sehen. Nicht, bei dem immer noch fallenden Regen. Zähneknirschend erwidert Batman seinen Blick streng. „Willst du mich jetzt langsam verarschen, oder was? Erst hasst du mich angeblich, obwohl es sich beim besten Willen nicht so anhört, und jetzt liebst du mich auf einmal? Du bist doch völlig verrückt geworden!“
 

„ICH BIN NICHT VERRÜCKT!“, platzt es ungehalten weinend aus dem Grünhaarigen heraus. „Ach, hör doch endlich auf mit diesem Mist! Du hörst dich genauso an, von deinem Benehmen mal ganz zu schweigen. Außerdem haben es die unterschiedlichsten Ärzte mehrfach diagnostiziert, sodass nun wirklich kein Zweifel besteht. Also was soll das hier eigentlich?“ „Das hab ich doch gerade gesagt!“, blafft Joker zurück. „Das kaufe ich dir aber nicht ab! Du versuchst dich nur bei mir einzuschmeicheln, damit du nicht wieder dafür bestraft wirst, dass du irgendwelchen Mist angestellt hast, das ist alles! Und jetzt geh mir aus den Augen, ehe ich wirklich böse werde!“, genervt wendet er sich zum Gehen um.
 

„Jetzt renn doch nicht gleich wieder weg!“, ruft ihm der Grünhaarige hinterher. „Warum sollte ich hierbleiben und mir deine lächerlichen Kindereien weiterhin anhören wollen? Das bringt mir überhaupt nichts! Außerdem habe ich weit wichtigere Dinge zu erledigen. Diese Stadt schläft schließlich nicht, also verwinde jetzt endlich!“ „Nein, ich kann nicht gehen! Du musst mir zuhören! Ich...“ „Jetzt halt mal die Luft an! Ich muss gar nichts! Halt den Mund, ehe ich ihn dir stopfe!“, unterbricht ihn der Dunkle Ritter zornig. „Aber ich hab dir doch gesagt, was ich fühle! Kannst du denn nicht wenigstens etwas dazu sagen? Lass mich hier nicht so zurück, bitte!“, verloren greift er nach dem Cape des Größeren und hält ihn fest. Grob reißt sich Batman von ihm los.
 

„Fass mich nicht an!“, knurrt Bruce aufgebracht und wendet sich mit geballter Faust um. Sie trifft den kleinen Clown mitten auf dem linken Auge, sodass dieser unbeholfen ein paar Schritte zurücktaumelt. Joker hat sich noch gar nicht von dem Schlag erholt, da packt ihn der Maskierte auch schon am Kragen und drückt ihm schmerzhaft gegen die Backsteinwand in seinem Rücken. Drohend hebt er wieder die Faust. „Es reicht! Es interessiert mich nicht, was du dir in deinem verschrobenen Schädel zusammenspinnst! Das Einzige, was du jemals wieder von mir bekommst, ist das hier!“, tönt er zähneknirschend und schlägt wieder zu. Immer und immer wieder...
 

Joker kommen die Tränen und wieder kann man sie dank des Regens nicht sehen. Doch selbst wenn keine warmen Tropfen auf sie niedergehen würden, würde es Batman auch nicht mehr kümmern. Dass wird dem Grünhaarigen jetzt bewusst. Den Mitternachtsdetektiven interessiert es nicht, was mit ihm los ist, wie es ihm geht und schon gar nicht, was er fühlt. Sie teilen nicht die gleichen Empfindungen und werden es wohl auch nie. Der Hass, der Bruce antreibt, ist nicht derselbe, wie Joker ihn für den Schwarzhaarigen verspürt hat. Und jetzt könnten ihre Gefühle wohl kaum mehr voneinander entfernt sein...
 

Diese überaus schmerzliche Erkenntnis trifft den kleinen Clown weit heftiger, als es die Fäuste des Rächers jemals könnten. Sein Verstand ist jetzt sehr kalt, und er begrüßt diese Kälte wie einen alten Freund – den er so nie wirklich hatte –, der ihn in eine seltsam tröstliche Umarmung schließt. Er ergibt sich diesem Gedanken genauso hilflos wie den Schlägen des Älteren. Er kann einfach nicht mehr. Vielleicht ist er schlichtweg dazu bestimmt, allein und traurig zu sein? Vielleicht ist es sein Schicksal zu leiden? Ungeliebt und verstoßen durch diese Welt zu streifen und Chaos anzurichten, damit er überhaupt noch etwas fühlen kann? Und seien es auch nur die Schläge, die ihn strafen sollen.
 

Langsam schließt er die Augen und will sich in die tröstliche Schwärze fallenlassen, die seinen Verstand zu überfluten droht. Doch soweit kommt es nicht. Batman lässt vorher von ihm ab, lässt ihn einfach achtlos zu Boden fallen, als wäre er nichts weiter als ein benutztes Taschentuch im Rinnstein. Unsanft landet der Junge auf dem rissigen, feuchten Beton. Sein Blut mischt sich mit dem stetigen Regen und verschwindet als zartrosa Flüsschen im nächsten Gully.
 

„Hast du jetzt endlich genug und hörst auf, so einen Mist von dir zu geben?“, fragt der Rächer streng und ballt dabei weiterhin mahnend die Fäuste. Der Angesprochene sitzt nur schweigend auf dem nassen Grund und hält den Blick gesenkt. Beißt sich verzweifelt auf die gesprungene Unterlippe, um das heftige Schluchzen zu unterdrücken, das sich seinen Hals hinaufdrängt. „Gut, dass will ich dir auch geraten haben! Und jetzt mach, dass du verschwindest, und lass dich ja nicht wieder bei mir blicken!“, knurrt der Mitternachtsdetektiv nachdrücklich, ehe er sich endgültig abwendet und in der Nacht verschwindet. Joker bleibt allein und gebrochen zurück...
 


 

5
 

Von alledem ahnt Edward nichts. Er sehnt sich nach dieser langen und doch ziemlich anstrengenden Nacht jetzt nur noch nach etwas Entspannung, bevor er todmüde ins Bett fallen wird. Daher gibt er ein überaus seliges Seufzen von sich, als er sich in die warme Badewanne sinken lässt. Wohlig umspült ihn das schaumige Wasser, hüllt ihn wie eine sanfte Decke ein. Mit einem Gähnen streckt er sich aus, legt den Kopf nach hinten gegen die kühlen Kacheln und schließt dann die Augen. Eigentlich könnte er auch gleich hier einschlafen, es ist so endlos entspannend. Ein wenig gibt er sich sogar dem Gedanken hin, driftet allmählich ab. Merkt gar nicht, wie sich die Wohnungstür öffnet und jemand einen Moment lang unschlüssig vor dem Bad steht. Dann wird auch diese Tür ganz aufgestoßen – Nigma hatte sie nur angelehnt, immerhin ist er ja allein gewesen und sah daher keinen Grund, sie ganz zu schließen – und jemand bestritt den kleinen Raum.
 

„Ed...?“, ertönt eine bedrückte Stimme. Der Brünette bekommt das gar nicht richtig mit. „Ja...?“, gibt er verschlafen zurück, ohne die Augen zu öffnen – es wäre gerade einfach viel zu anstrengend. Als dann keine Antwort kommt, beginnt sich der Rätselmeister zu fragen, ob er sich die Stimme nur eingebildet hat. Andererseits kommt er sich aber auch gerade ziemlich beobachtet vor. Überaus unwillig öffnet er nun doch die Augen und wendet den Kopf Richtung Tür. Auch ohne Brille merkt er ziemlich schnell, dass dort wirklich jemand steht, genauer gesagt, dass es Joker ist. Geistesgegenwertig zieht er die Knie an, als wolle er versuchen, seine Blöße zu verbergen, obwohl die Wanne so voller Schaum ist, dass man eh nichts sehen kann, und greift dann zum Waschbecken hinüber, um nach seiner Sehhilfe zu angeln.
 

Als er nun im fahlen Licht einiger Kerzen den kleinen Clown vor sich stehen sieht, klappt ihm augenblicklich ungläubig der Mund auf. „Joker...?“, fragt er vorsichtig. Hilflos gleiten seine geweiteten Augen an dem schmächtigen Körper auf und ab. Registrieren dabei jede Verletzung, die der arme Junge schon wieder vorzuweisen hat. Es bricht ihm das Herz, ihn so zu sehen. Noch schlimmer ist der Anblick, weil der Grünhaarige auch noch nass bis auf die Knochen zu sein scheint. Er sieht so unglaublich mitleiderregend aus, dass es kaum in Worte zu fassen ist.
 

„Hey, mein Hübscher...“, bringt der Grünhaare mit brüchiger Stimme hervor und versucht sich schwerlich an einem Lächeln. Es gelingt ihm allerdings so gar nicht. Stattdessen sacken seine Mundwinkel kraftlos wieder herab, und dann bricht er ohne Vorwarnung haltlos in Tränen aus. Wie ein kleines Kind steht er da, legt den Kopf in den Nacken und weint bitterlich zur Decke des Raums hinauf. Er zittert dabei so heftig am ganzen Körper, dass es für Nigma völlig unverständlich ist, warum der Bengel nicht auf die Knie fällt. Sichtlich zuckt Edward in der Wanne zusammen und ein schmerzlicher Stich gleitet über sein Herz hinweg. Reflexartig will er aufstehen und den Jungen tröstend in die Arme schließen. Er ist schon dabei, sich zu erheben, als ihm bewusstwird, dass er ja nackt in der Wanne sitzt, und so lässt er sich deprimiert wieder ins Wasser zurücksinken, denkt darüber nach, wie er es irgendwie anders hinbekommen kann.
 

Hilflos betrachtet er den Jüngeren einen Moment lang, während ihm schon selbst nach weinen zu mute ist. „Oh, bitte nicht weinen! Was ist denn passiert?“, fragt er sorgenvoll und streckt die Hand nach seinem Gegenüber aus, kommt aber nicht an ihn heran. ‚Was soll denn jetzt diese dämliche Frage, Idiot? Schick ihm sofort weg, bevor er noch auf dumme Gedanken kommt!‘, tönt der Riddler plötzlich in seinem Kopf. ‚Was soll das denn jetzt? Siehst du nicht, dass er verletzt ist und leidet?‘, hält Ed zornig dagegen. ‚Nun fang nicht wieder mit deinem sentimentalen Mist an! Das könnte auch alles nur ein Trick sein, um dir zu nahekommen zu können. Denk doch mal nach! Du sitzt hier nackt in der Wanne, völlig wehrlos, sollte dieser Irre auch nur irgendwas versuchen...‘ Innerlich schüttelt Nigma nur den Kopf. ‚Dieses Gespräch ist vollkommen sinnlos und hiermit beendet! Also sei still!‘ ‚Ich denk ja nicht dran!‘, erwidert seine schlechtere Hälfte wütend.
 

Doch ehe noch etwas folgen kann, gibt Joker ein ersticktes Schniefen von sich und fängt sich langsam wieder. Er ist müde, verletzt, mit Kummer überladen, und es gibt zu viele Dinge, an die er immer wieder denken muss, bei Weitem zu viele. Sein Verstand kommt gerade einfach nicht mehr mit. Daher sagt er das Erste, was ihm einfällt, anstatt die Frage des Rätselmeisters zu beantworten. „Darf ich auch mit in die Wanne?“ Überrascht zuckt der Angesprochene zusammen, und das nicht nur, weil Riddler augenblicklich lautstarken Protest dagegen ankündigt. Der kleine Clown scheint es aber nicht zu bemerken oder es zu ignorieren, betrachtet ihn stattdessen nur mit großen, flehenden Augen.
 

Es mag irgendwie pervers klingen, aber Jokers misshandelter und zutiefst trauriger Anblick macht Edward auf seltsame Weise ruhiger. So als würde etwas in ihm wissen, dass der bemitleidenswerte Junge nun all seine Zuwendung braucht, und die kann er ihm nur geben, wenn er sich über seine eigenen Bedenken hinwegsetzt, ruhig bleibt und ihm seinen Wunsch erfüllt. „Okay, komm rein.“, seufzt der Rätselmeister schließlich und rückt etwas weiter ans hintere Ende der Wanne heran. Jokers lärmende Ausgelassenheit kann unglaublich anstrengend sein, doch ihr plötzliches Verschwinden ist geradezu unheimlich und macht Ed daher klar, wie ernst es daher sein muss.
 

‚Hast du jetzt völlig den Verstand verloren? Wie kannst du dieser elenden SCHWUCHTEL nur gestatten, zu dir in die Wanne zu steigen? Wenn du es so nötig hast, kannst du ihm doch gleich deinen Arsch unter die Nase halten! Müsstest dich dafür ja noch nicht mal anstrengen, bist ja schon splitternackt!‘, knurrt der Riddler aufgebracht. ‚Sag mal, was stimmt eigentlich nicht mit dir, Herr Gott noch mal? Erstens: Werde ich ihm garantiert nicht meinen Hintern oder irgendetwas anderes irgendwo hinhalten! Zweitens: Erscheint mir Joker nicht gerade wie der dominante Typ. Sieh dir die halbe Portion doch nur mal an! Und Drittens: Selbst wenn Erstens und Zweitens doch eintreten sollten, bist es ja nicht DU, der irgendetwas in den Hintern geschoben bekommt! Also halt die Luft an und lass mich endlich in Ruhe, sonst werde ich absichtlich dafür sorgen, dass ich noch heute vom nächstbesten Kerl von der Straße flachgelegt werde! Und du kannst dir sicher sein, dass meine Jungs und bestimmt auch Joker ohne lange Erklärungen dafür bereit wären, von allerhand Bewohnern der Narrows sicher ganz zu schweigen! Und wo wir gerade schon so schöne Pläne für meine Entjungferung machen, warum lasse ich mich nicht gleich von allen flachlegen, am besten auch noch alle gleichzeitig!‘, platzt es wutschnaubend aus dem Brünetten heraus. Er hat endgültig so dermaßen genug davon.
 

Riddler lauscht dem Ganzen mit wachsendem Entsetzen. Die bereitwillige Ernsthaftigkeit in der Stimme seines Wirts ist für ihn schlichtweg unbegreiflich. ‚Du – du bist doch völlig irre...!‘ ‚Ach wirklich? Das fällt dir jetzt erst auf? Und wessen Schuld ist das? Meine sicher nicht! Du allein hast mich über all diese Jahre hinweg geisteskrank gemacht, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken oder auf irgendwelche Einwände meinerseits einzugehen, und nun musst du halt mit dem Ergebnis leben! Dein kleines Spielchen ist endgültig nach hinten losgegangen, also gib endlich auf und sei STILL!‘
 


 

6
 

Während ihrer sinnlosen Diskussion hat sich Joker herumgedreht und streift sich jetzt mühevoll die völlig durchnässten, blutverschmierten und zerrissenen Sachen von seinem geschundenen Leib. Mit einem angewiderten Ausdruck lässt er sie in den Wäschekorb neben sich fallen, obwohl sie später wohl eher in der Mülltonne landen werden.
 

In diesem stolzen Land bin ich stark aufgewachsen

Ich wurde die ganze Zeit gesucht

Mir wurde beigebracht zu kämpfen, zu gewinnen

Ich hätte nie gedacht, dass ich scheitern könnte
 

Als Riddler endlich den Mund hält, wendet Ed unbewusst den Blick zu ihm. Mitleidig registriert er die Verletzungen, die nun alle zum Vorschein kommen. Und da ist noch etwas, das ihm bis jetzt nicht aufgefallen ist. „Du liebe Güte! Seit wann hast du denn das Tattoo?“, fragt er überfordert, während seine Augen wie festgewachsen auf dem herzförmigen Bat-Logo kleben. Verwundert schaut Joker über die Schulter und betrachtet einen Augenblick das Bild auf seinem Steiß. Ein wehmütiges Lächeln gleitet über seine Züge hinweg. Dann entledigt er sich seiner Shorts, steht nun völlig nackt im Raum.
 

Kein Kampf mehr, oder so scheint es

Ich bin ein Mann, dessen Träume ihn alle verlassen haben

Ich habe mich geändert, ich habe mich geändert

Aber niemand will dich, wenn du verlierst
 

Peinlich berührt wendet Ed nun den Blick ab, auch wenn es ja nicht das erste Mal ist, dass er den Bengel im Adamskostüm vor sich stehen hat. Es ihn eh schon erstaunt, dass ihm der Grünhaarige beim Ausziehen so rücksichtsvoll den Rücken zugewendet hat. Joker spart sich die Antwort auch erst einmal auf, nähert sich nun der Wanne und steigt ganz langsam und vorsichtig hinein. Mit einem wohligen Seufzen lässt er sich ins warme Wasser gleiten, verzieht dabei aber dennoch leicht schmerzlich das Gesicht.
 

Gib nicht auf,

Weil du einen Freund hast

Gib nicht auf,

Du bist noch nicht geschlagen

Gib nicht auf,

Ich weiß, dass du es gut machen kannst
 

Langsam wendet Edward ihm wieder den Blick zu. Es ist ein sehr komisches Gefühl, hier mit einem anderen Mann in der Wanne zu sitzen, doch bei Weitem nicht so schlimm, wie er es sich anfänglich vorgestellt hat. Es ist auch gar nicht so beengt, da Joker so klein und zierlich ist. Ed könnte noch recht bequem neben ihm die Beine ausstrecken, ohne dass sich sein Gegenüber belästigt fühlen müsste, doch er tut es nicht, weil er dem Grünhaarigen jetzt nicht zu nahetreten will. Stattdessen wartet er geduldig darauf, dass ihm der Jüngere vielleicht doch noch antwortet.
 

Obwohl ich es überall gesehen habe

Ich hätte nie gedacht, dass ich betroffen sein könnte

Ich dachte, ich wäre der Letzte, der an dir zerbricht

Es ist so seltsam, wie sich die Dinge drehen
 

„Es erstaunt mich, dass du es bisher nicht bemerkt hast.“, gluckst der kleine Clown leicht, woraufhin Nigma nur verlegen mit den Schultern zuckt. „Ich hab es schon ziemlich lange. – Eigentlich war es sogar mein aller erstes Tattoo. Damals, als Batsy gerade erst auf der Bildfläche aufgetaucht war...“ Jokers Gesicht versucht Gleichgültigkeit auszudrücken, aber Edward kann die beinahe schon hervorspringende Begierde in der Stimme des Jungen hören, die diese jedes Mal unbewusst annimmt, sobald das Thema auch nur ansatzweise auf Batman fällt. Selbst jetzt ist seine Obsession für den Dunklen Ritter deutlich spürbar, obwohl dieser ihm schon wieder wehgetan hat. Er kann einfach nichts dagegen tun, es ist wie ein Fluch, der sie beide auf ewig bindet, und den womöglich nur ihr gemeinsamer Tod brechen könnte...
 

Gib nicht auf,

Du hast noch mich

Gib nicht auf,

Wir brauchen nicht viel gemeinsam

Gib nicht auf,

Denn irgendwo gibt es einen Ort, an den wir gehören
 

„Warte! So lange schon? Batman streift immerhin schon seit gut fünf Jahren durch Gotham! Himmel, da warst du doch gerade mal fünfzehn! Wer, in aller Welt, tätowiert einen Fünfzehnjährigen?“, kommt er erschrocken von dem Rätselmeister. Nun ist es an Joker mit den Schultern zu zucken. „Irgend so ein Typ, der das wohl hauptsächlich für Ex-Häftlinge und Kriminelle macht. Nennt sich Snake. Es war ihm egal, wie alt ich war, solange ich bezahlen konnte, und das konnte ich. Also hat er keine Fragen gestellt, sondern nur gemacht. Er hat aber auch all meine anderen Tattoos gestochen, von daher kennen wir uns inzwischen schon ganz gut.“, berichtet der Junge und betrachtet dabei die schwarzen und roten Muster auf seinen Armen, während seine linke Hand unbewusst in seinen Nacken greift und dort den Smiley betastet.
 

Lass deinen Kopf ruhen

Du sorgst dich zu viel

Alles wird gut

Wenn die Zeiten rau werden,

Kannst du auf mich vertrauen

Gib nicht auf

Bitte gib nicht auf!
 

Verstehend nickt der Brünette. „Magst du mir jetzt vielleicht auch sagen, was passiert ist?“, fragt er nun wieder vorsichtig. Traurig schlägt Joker die Augen nieder und schweigt eine ganze Weile. „Es – war Batsy. – Es ist immer Batsy...“, erwidert er schließlich. Innerlich knurrt Nigma aufgewühlt in sich hinein. „Er – hat dich doch nicht etwa wieder vergewaltigt, oder?“, versucht sich der Ältere Klarheit zu verschaffen, obwohl sein Mitbewohner jetzt noch nicht einmal ansatzweise so mitgenommen wie damals aussieht. Mehr als überrascht sieht Joker ihn daraufhin an. „Was heißt denn hier wieder?“, will er nun skeptisch wissen, hatte er Ed doch nie erzählt, was damals vorgefallen war, lediglich dass er mit Batman aneinandergeraten sei. Schlagartig wird diese Tatsache auch Nigma bewusst und er hebt beschwichtigend die Hände, ehe er sie resignierend wieder ins Wasser sinken lässt.
 

Gib nicht auf,

Weil du einen Freund hast

Gib nicht auf,

Du bist nicht der Einzige

Gib nicht auf,

Kein Grund, sich zu schämen
 

„Tut mir leid, ich – Ach, jetzt ist es sowieso raus, also warum sage ich es dann nicht einfach? – Ich habe gesehen, wie er dich vor drei Wochen misshandelt hat! – Ich war gerade auf dem Rückweg von dem Deal mit Oswald und habe euch beide über die Straße rennen sehen. Ich bin euch nach und habe mich hinter einem Müllcontainer versteckt. – Ich war einfach neugierig, was alles passiert, wenn ihr euch trefft und du dann so zerpflückt nach Hause kommst. Und dann – dann habe ich es gesehen. – Ich war fassungslos, wollte dir helfen, doch der Riddler hat mich nicht gelassen. Er hat sich daran aufgegeilt, wie du leiden musstest. Es war schrecklich! Seiner Meinung nach hattest du gar nichts anderes verdient. – Und als ich ihn endlich niedergerungen hatte, war zwischen euch schon alles vorbei. – Ich hatte angst und bin in meinem Versteck geblieben, bis du dann vorbeigefahren bist. – Es tut mir so unendlich leid!“, flehend mustert er den Grünhaarigen, der ihm nur mit offenem Mund ungläubig zuhört.
 

Gib nicht auf,

Du hast noch mich

Gib jetzt nicht auf,

Ich bin stolz darauf, wer du bist

Gib nicht auf,

Wir wissen, dass es nie einfach sein wird

Gib nicht auf,

Weil ich glaube, dass es einen Platz gibt

Es gibt einen Ort, an den wir gehören – gemeinsam
 

Einen Moment lang ist der kleine Clown einfach nur sprachlos. Dann kommt blanke Wut dazu. Sie hält sich aber nur eine Sekunde, dann lässt er wieder die Schultern hängen und lächelt Ed dann ehrlich entgegen. Er wird immer nur zu Boden gestoßen, getreten, verletzt, und doch steht er immer wieder mit diesem süßen Lächeln auf und macht weiter, als wäre nichts gewesen. „Ist schon gut. Ist nicht deine Schuld. Ich kann verstehen, dass du angst hattest, die hatte ich auch und wie, du kannst es dir gar nicht vorstellen. Nie hatte ich so viel angst, wie in diesem Augenblick, und doch liebe ich ihn...“ Hilflos entgleiten Edward sämtliche Gesichtszüge. „Was?!“
 

Gib bitte nicht auf!
 

Wieder dieses kleine Lächeln, so voller Traurigkeit. „Du hast gefragt, was heute Nacht passiert ist und das ist die Antwort. Ich hab ihm gesagt, dass ich in ihn verliebt bin. – Er – war damit allerdings nicht sonderlich einverstanden, wie man wohl sehen kann...“ Und das ist der Punkt, an dem Joker völlig zusammenbricht. Das Schluchzen ergreift ihn heftig und trägt ihn, wohin es will. Er hat schlichtweg nicht mehr die Kraft, ihm Einhalt zu gebieten. Er kann seinen Kummer nicht mäßigen, und jetzt hat er endlich mit tiefer und völlig unlogischer Erleichterung festgestellt, dass es ihm auch überhaupt nicht mehr danach verlangt.
 

Stattdessen überbrückt er den kurzen Abstand zu Edward und fällt ihm haltlos weinend in die Arme. Der Rätselmeister ist anfangs sehr überfordert damit – so viel nackte Nähe und heftige Emotionen zu verkraften, gehört nun wirklich nicht zu seinen Stärken. Erst recht nicht mit dem fluchenden Riddler in seinem pochenden Kopf. Doch nach einem Moment gibt er sich einen Ruck, schlingt die Arme um den bebenden Körper und drückt ihn tröstend an sich.
 

So sitzen sie eine ganze Weile in der Wanne, und als sich Joker endlich wieder fängt, ist das Wasser bereits empfindlich kalt geworden. Allerdings will keiner von beiden die fast schon tröstende Enge verlassen, also dreht Ed einfach den Hahn auf, hofft, dass noch etwas Warmwasser übrig ist, und erzeugt eine neue Wohligkeit, obwohl ihm so etwas sonst nie in den Sinn kommen würde. Aber ihm ist irgendwie bewusst, dass Joker gerade nicht der Einzige ist, der das jetzt mehr als alles andere braucht...
 


 

7
 

Seufzend sitzen die beiden zusammen in der Wanne und hängen ihren Gedanken nach. Ed kann noch nicht so recht begreifen, dass Joker tatsächlich in Batman verliebt sein soll, doch es ist einfach nicht zu übersehen, dass es stimmt. Aber warum geht ihm das selbst so nahe? Es schmerzt ihn, dieses Geständnis von dem Jungen ihm gegenüber zu hören. Und da ist sie wieder, diese unbegreifliche Eifersucht, die er schon vor drei Wochen verspürt hat, als er mitansehen musste, wie sich der Dunkle Ritter so grausam an dem kleinen Clown vergriffen hat. Joker hat in jedem Fall etwas Besseres als diesen brutalen Trottel verdient, etwas viel Besseres!
 

‚Oh, wag es ja nicht erst, auch nur daran zu denken!‘, faucht ihm seine schlechtere Hälfte entgegen. ‚Du sollst doch still sein!‘, giftet Ed zurück. ‚Ich denk ja gar nicht dran! Oder glaubst du etwa, ich bin scharf drauf, dabei zu sein, wenn ihr euch gleich gegenseitig das bisschen Hirn rausvögelt, das ihr zusammen habt?‘ ‚Dann verschwinde doch einfach, dann musst du es nicht ertragen!‘, hält Ed dagegen. ‚Das hättest du wohl gern, was? Doch dann kannst du auch gleich von der nächsten Brücke springen! Du brauchst mich! Bist ja gar nicht in der Lage, ein eigenständiges Leben zu führen!‘ ‚Und da liegt dein Fehler! Ich brauche dich nämlich nicht, schon lange nicht mehr, falls überhaupt jemals, doch du brauchst mich! Du bist nur eine körperlose Zecke, die mich immer weiter aussaugt und mich immer wieder daran hindert, glücklich zu sein!‘ ‚Ha! Red dir das nur weiterhin ein! Aber komm nicht angekrochen, wenn dir dieser dämliche Clown den Arsch aufgerissen hat! Ich helfe dir dann nämlich auf keinem Fall!‘
 

Verstimmt beginnt Edward zu knurren und hält sich den inzwischen schon ziemlich pochenden Kopf. Nun ist es an Joker ihn besorgt anzusehen. „Stimmt was nicht?“ Gepeinigt wendet ihm der Ältere das Gesicht zu. „Riddler...“, flüstert der Brünette einfach nur, ehe er sich wieder dem Schmerz in seinem Schädel ergibt. Verärgert verzieht der Grünhaarige das Gesicht und verdreht genervt die Augen. Es ist doch immer das Gleiche. Kein vermeintlich schöner Moment hält lange an, ohne dass dieses Ass seinen Senf dazugeben muss! Joker fackelt daher auch nicht lange, weiß er doch nur zu gut, was in solchen Momenten hilft. Geschwind überbrückt er den kurzen Abstand zum Rätselmeister, und ehe dieser fragen kann, was jetzt wieder los ist, presst der Verrückte seine Lippen auch schon auf die seinen. Harsch verstärkt er den Druck, sodass Edward ein überfordertes Wimmern von sich gibt. Doch er entzieht sich dem Jüngeren nicht, und dass nicht nur, weil er dafür keinen wirklichen Platz hat.
 

Zornig hört er den Riddler in seinem Kopf noch einen Moment besonders doll wüten, dann schlagen die Türen seines Gefängnisses lautstark krachend zu und sperren ihn weg, sodass Nigma seine Gedanken endlich wieder für sich allein hat. Dieses Gefühl ist so befreiend, dass sich der Brünette langsam in den Kuss hineinfallen lässt. Ganz vorsichtig und hauchzart erwidert er schließlich sogar die Bemühungen des Kleineren. Hilflos ergeben schließt er die Augen und lässt all diese Gefühle auf sich herniedergehen.
 

Der junge Clown zögert allerdings keinen Moment, als er spürt, dass Ed ihm wohlwollend entgegenkommt. Angetan verstärkt er den Kuss noch etwas mehr, gleitet fahrig mit der Zunge über die Lippen des Rätselmeisters. Fordert Einlass von ihm. Dabei schleicht sich seine Hand auf den Oberschenkel seines Gegenübers und wandert zielstrebig daran hinauf. Nigma platzt fast der Kopf und doch wird ihm plötzlich bewusst, dass das hier nicht richtig ist. Doch nicht, weil Joker ebenfalls ein Mann ist oder er das angetrocknete Blut auf dessen Lippen nur allzu deutlich schmecken kann, sondern weil der Grünhaarige verletzt ist und sein Herz doch eigentlich einem anderen gehört. Würde er dem Drängen des Jüngeren jetzt nachgeben, würde es nur dazu dienen, dass Joker damit zu kompensieren versucht, dass Batman nichts von seinen Gefühlen wissen will. Edward wäre somit nichts weiter als ein Notnagel, und das will er nicht.
 

Die Gefühle des Rätselmeisters für Joker haben anfänglich nicht selten zwischen Vorsicht, nackter Panik und sogar einer Art seltsamer Verachtung geschwankt. Respekt war langsam dazugekommen. Dann die zarte Knospe von Freundschaft, Brüderlichkeit, geistige wie auch emotionale Verbundenheit. Und jetzt? Unerklärliche Eifersucht dem Dunklen Ritter gegenüber und womöglich der Beginn einer Liebe, die er nicht dachte, jemals zu empfinden – nicht mit dieser penetranten Stimme in seinem Kopf. Das will er jetzt nicht kaputtmachen, wenn er sich dem Jüngeren nun womöglich hingibt. Zumal er sich seiner Gefühle noch nicht einmal ganz im Klaren ist, nicht, solange Riddler immer wieder alles infrage stellt.
 

Schweren Herzens drückt er den Irren daher nun vorsichtig von sich weg, bevor dieser ihn berühren kann. „Warte...“, keucht er. „Was ist?“, fragt Joker verwundert. „Der Riddler – er ist weg. Und – mir ist ganz schwindlig...“ „Mir auch...“, erwidert der Kleinere und lässt von ihm ab. Alarmiert betrachtet ihn der Brünette. „Wirklich? Vielleicht ist das Wasser zu warm? Du bist schließlich verletzt und...“ „Willst du etwa, dass ich gehe?“, fragt der Clown in einem seltsamen Tonfall, den Ed nicht recht deuten kann. „Nein, so war das nicht gemeint...“ „Gut. Ich will nämlich nicht raus aus der Wanne.“ „Okay, dann bleib hier, solange du willst.“
 


 

8
 

Eine Weile sitzen sie einfach nur zusammen im Schaum und mustern den anderen vor sich. „Ich – würde mich gern unterhalten, wenn du nichts dagegen hast. Ich mag so eine erdrückende Stille nicht...“, kommt es schließlich von Edward. Schüchtern betrachtet er den anderen Jungen. „Klar, warum nicht. Worüber willst du denn reden?“ „Hm, eine gute Frage. – Vielleicht – also du musst nicht antworten, wenn es dir zu nahe geht oder so, aber – magst du mir vielleicht von deinem ersten – nennen wir es Liebhaber – erzählen? Ich kenne den Typen zwar nicht, bin aber trotzdem irgendwie neugierig, wie er so war und was euch womöglich entfremdet hat...“ Der Gedanken ist Nigma sichtlich unangenehm, dennoch wüsste er gern mehr über diesen Teil im Gefühlsleben des Verrückten – allein schon seiner eigenen Emotionen wegen.
 

Irritiert sieht er nun mit an, wie sein Gegenüber in ausgelassenes Gelächter ausbricht, das all den Schmerz wegzufegen scheint, der ihn erst zu ihm in die Wanne gebracht hat. „Was ist so lustig?“ „Naja, du kennst ihn, dass ist das Lustige daran. Es ist nämlich Batsy!“ „Du veralberst mich doch, oder?“ „Nee, so was mache ich in dem Fall nicht. Aber wie heißt es so schön? Er ist mein One and Only. Außer Batsy gab es bisher niemanden in meinem Leben und das macht es ja so abgefuckt, weil ich alles mit ihm zum ersten Mal habe und es ihn kein bisschen kümmert...“, niedergeschlagen lässt er wieder die Schultern hängen. Das wollte Ed nun wirklich nicht, hatte er doch gehofft, dass die Antwort eine andere ist. Doch der Grünhaarige erinnert sich einfach nicht mehr an sein Alter Ego Jack Napier und an Sam – den zurückgebliebenen Jungen, der den Joker erst wirklich in ihm erwachen ließ –, den er damals im Heim geliebt hatte, bevor der Wahnsinn jegliches vernünftige Denken in ihm zu zerfressen begann. Zumal er auch mit Sam nicht die Gelegenheit zu haben schien, Zärtlichkeiten auszutauschen, wenn sich Ed recht an das erinnert, was ihm der ausgelöste Clown damals erzählt hatte.
 

Langsam ergreift Nigma den Waschlappen am Wannenrand, taucht ihn ins warme Wasser und rückt dann etwas näher an seinen Mitbewohner heran. „Tut mir leid. Ich wollte dich nicht wieder an ihn denken lassen...“, meint er mitfühlend und reibt dann ganz sanft mit dem Lappen über das Gesicht des Jokers. Dabei beginnt sich die verschmierte Schminke des Jungen allmählich zu lösen. Mit großen Augen betrachtet ihn der Grünhaarige. Dann wird ihm klar, was der Rätselmeister versucht und er weicht vor ihm zurück. „Nicht! Sonst kannst du doch mein Gesicht sehen...“, setzt er sich halbherzig zur Wehr. „Ich weiß doch, wie du ohne Make-up aussiehst, schon vergessen?“ Resignierend lässt der Jüngere die Hände sinken und schlägt die Augen nieder, woraufhin Nigma seine Arbeit wieder aufnimmt.
 

Ed denkt nicht zum ersten Mal, dass Joker ein Gesicht hat, in das er sich vielleicht wirklich verlieben könnte, und dass erfüllt ihn irgendwie doch mit ganz leichtem Unbehagen. Langsam wischt er ihm den Rest der Schminke ab und verdrängt dabei den Gedanken vehement. Solche irrwitzigen Annahmen sind im Moment absolut nicht das, was der aufgelöste Clown gebrauchen kann. Und er selbst schon mal gar nicht. Nein, jetzt braucht Joker erst einmal einen Freund, der ihn vergessen lässt, was Batman doch eigentlich für ein gefühlloses und egoistisches Arschloch ist.
 

„Weißt du, du solltest nicht mehr an Batman denken. Er ist nicht gut für dich, und dass wird sich vermutlich auch nicht so bald ändern.“ „Du hast sicher recht...“, kommt es den Tränen nahe von dem kleinen Clown, während Ed den Lappen wieder zur Seite legt. Vorsichtig hebt er nun die Hand und streicht damit ganz sanft über die Narbe auf Jokers linker Wange. Merklich zuckt der Grünhaarige zusammen, weicht diesmal aber nicht wieder vor ihm zurück. „Gib nicht auf, Törtchen! Eines Tages wirst du sicher den Richtigen finden und sehr glücklich werden!“, meint Ed liebevoll und lächelt ganz sanft, fast wie eine Mutter, die ihr unglückliches Kind zu trösten versucht.
 

Überrascht weiten sich die unnatürlich roten Augen. „Törtchen?“, fragt er verwirrt. „Oh...“, entkommt es dem Brünetten, während er knallrot anläuft, war ihm dieses Wort doch so unbedacht herausgerutscht. Unweigerlich fängt der Kleinere an zu grinsen. „Wie kommst du denn bitte auf Törtchen?“ Peinlich berührt versucht Edward seinem Blick auszuweichen, wobei sich seine Wangen nur noch dunkler färben. „Naja, ich dachte, weil du mir einen Spitznamen gegeben hast, könnte ich das vielleicht auch?“ „Klar, sehr gern sogar, mein Hübscher! Aber warum ausgerechnet den?“ „Warum nennst du mich denn so?“, stellt Ed die Gegenfrage, die ihm eigentlich schon von Anfang an im Kopf herumschwirrt. „Ganz einfach, weil ich dich halt unglaublich niedlich finde!“, grinst Joker ausgelassen. So hat er schon seit Tagen nicht mehr gestrahlt, was das Herz des Rätselmeisters merklich höherschlagen lässt.
 

„O-kay. – Und ich finde eben, dass du wie ein Törtchen aussiehst.“ „Wie bitte?“, fragt der Clown lachend. „Naja, ich habe nach einem passenden Spitznamen für dich gesucht und dachte, da du Süßigkeiten so gern magst, wäre es eine gute Idee, dich nach etwas Süßem zu benennen. – Zuerst kam ich ja auf Muffin, weil meine Tante eine Katze hatte, die so hieß. Das fand ich dann aber doch zu farblos, zumal diese Katze ein echtes Mistvieh war und mich ständig nur gekratzt hat, obwohl ich ihr nie was getan habe. – Daraufhin fiel mir dann Cup Cake ein, aber das sagt sich irgendwie nicht so gut. Also habe ich mich gefragt, was ist sonst noch bunt und süß. Ich kam auf eine Torte. In der Straße, in der ich aufgewachsen bin, gab es einen ganz fantastischen Konditor, der immer unglaublich aufwendige Torten im Schaufenster stehen hatte, und daran habe ich gedacht. Aber Torte klingt irgendwie abwertend, als wärst du ein Mädchen, das von seinem machohaften Freund so genannt wird. Das bin ich nun wirklich nicht und du schon mal gar nicht. – Schließlich kam ich dann zu Törtchen, weil du ja auch so klein bist. Klein und süß, wie ein Törtchen eben...“, entschuldigend blickt ihn der Brünette an.
 

„Oh, Ed...“, schnieft Joker nun wieder in Tränen aufgelöst. Leicht erschrocken sieht Nigma ihn an. „Bitte nicht wieder weinen! Ich sage es nie wieder, wenn es dich so stört...“ Hastig schüttelt der kleine Clown den Kopf. „Nein, es gefällt mir sehr gut! Noch nie hat mir jemand einen so netten Namen verpasst! Ich war immer nur die dumme Schwuchtel, der elende Mistkerl, der verrückte Irre und so einen Mist. Doch Törtchen ist einfach wunderschön! Danke!“, räuspert er sich und beruhigt sich allmählich wieder. „Okay. Dann bist du ab jetzt mein Törtchen!“, lächelt Edward glücklich, wobei ihm das Herz bis zum Hals hinauf schlägt und er schwerlich ein paar Tränen zurückdrängen muss. Doch in diesem Moment hat er unbewusst den Grundstein für ihre weitere Zukunft gelegt...
 


 

9
 

Nach einer Weile des Schweigens lächelt Joker wieder und ergreift das Wort. „So, meinen Stecher kennst du ja nun und viel gibt es da auch nicht zu sagen, wie du selbst ziemlich gut weißt. Du warst ja praktisch von Anfang an mit dabei, auch wenn ich dir die Einzelheiten unserer anderen Treffen dennoch erspare, du hast immerhin genug gesehen, dass es dir noch Jahre reichen wird.“, grinst der Grünhaarige, während Edward sichtlich unwohl dreinschaut. „Doch was ist mit dir, mein Hübscher? Wie hat sich dein Liebesleben bisher so gestaltet?“, will der Clown nun wissen. Sichtlich läuft der Brünette rot an, weicht seinem Blick aus und denkt nach. Schließlich seufzt er schwer. Warum es verheimlichen wollen, dass er bis jetzt nicht sonderlich viel Glück mit seiner Partnerwahl hatte? Es ist wohl eher ersichtlich, sonst wäre ja wohl auch eine Frau an seiner Seite, trotz seiner kriminellen Vorgeschichte – oder gerade deswegen vielleicht sogar. Seinem Gegenüber geht es mit Batman ja auch nicht viel besser. Und er ist sich zudem sicher, dass er bei Joker weitaus eher auf Verständnis stoßen wird als beim Riddler, der ihn noch heute mit all dem liebend gern aufzieht, weil er ihn eben für einen jämmerlichen Versager auf ganzer Linie hält...
 

„Naja, sonderlich glücklich war ich wohl auch nie. – Ich habe es ebenfalls immer wieder geschafft, an die falschen Frauen zu geraten, habe diese Tatsache aber jedes Mal viel zu spät bemerkt und sah mich dann mit meinem gebrochenen Herzen konfrontiert oder wurde sogar zum Gespött meiner Mitmenschen...“, beginnt er unwohl. Mit einem traurigen Blick gefangen in seinen Erinnerungen zieht er die Knie an und lässt sich so weit wir möglich in den Schaum hinabgleiten, sodass ihm das tröstlich warme Wasser über die Schultern fließt. Nachdenklich wendet er den Blick Richtung Decke und sortiert die Ereignisse, die sein Leben nachhaltig geprägt haben. Mitfühlend wird er dabei von dem Jüngeren beobachtet. Nach einer Pause beginnt Nigma schließlich zu erzählen.
 

„Meine erste Freundin hatte ich mit vierzehn. Sie war damals ein Jahr älter als ich und wir gingen in dieselbe Klasse. Eine richtige Freundin war sie allerdings nicht. Sie war das hübscheste Mädchen der ganzen Schule und dementsprechend beliebt und umschwärmt. Ich war hilflos in sie verschossen, anders kann man es wohl kaum ausdrücken. Das hat mich gleichzeitig aber auch völlig blind gemacht, sonst hätte ich vermutlich mitbekommen, welcher Ruf ihr anhaftete. Riddler hat ebenfalls nichts bemerkt. Ich könnte mir ja einreden, dass wir beide in der Pubertät gefangen waren und seine Hormone vermutlich weit mehr mit ihm durchgingen, als es bei mir jemals der Fall war, aber egal. Es erschien mir unmöglich einzuschätzen, wie alt er überhaupt ist. Er scheint sich seit seinem Auftauchen gar nicht verändert zu haben, als würde ich ständig in einen Spiegel blicken, der mir zeigt, was irgendwann einmal aus mir werden wird, solange, bis wir jetzt gleich alt zu seien scheinen. – Egal. Er war damals jedenfalls auf praktisch jedes weibliche Wesen aus, doch sein Einfluss auf mich war bei Weitem geringer als heute, sodass es ihm noch nicht gelang, Führung über meinen Körper zu bekommen und so einen Schuss zu landen. Glücklicherweise ist ihm das auch sonst nie gelungen, wenn ich mal Sex hatte, sonst hätte ich mich wohl augenblicklich von dem entsprechenden Mädchen trennen müssen, da sie den Unterschied in jeden Fall gemerkt hätte, so herrisch und grob wie der Riddler doch sein kann. Führung übernehmen konnte er erst, nachdem ich völlig am Boden war und in den Wahnsinn abzurutschen begann. Also praktisch mit dem Auftauchen von Batman.“, seufzend holt er Luft und versucht dabei den Gedanken an seine schlechtere Hälfte zu verdrängen.
 

„Ich schweife ab, fürchte ich...“ „Nicht so schlimm. Sag mir nur eben schnell, wie lange ist der Riddler eigentlich schon bei dir?“, wirft der kleine Clown ein. „Oh, eine gute Frage. Meine Kindheit war ziemlich zerrüttet und lieblos. Irgendwann ist mein Vater abgehauen und hat sich eine Jüngere gesucht. Meine Mutter hat das nicht gut verkraftet, verfiel dem Alkohol und hat mich ab dann praktisch völlig ignoriert. Irgendwann hat man sie dann stockbetrunken auf der Straße aufgegriffen und ich kam zu meiner Tante. Sie war nicht sonderlich begeistert davon, also war es dasselbe Spielchen in einem anderen Haus und mit einer streitlustigen Katze. Ich war daher schrecklich einsam, hatte keine Freunde und niemanden, der sich auch nur einen Deut um mich geschert hat. Ein paar Monate ging das so weiter und dann tauchte der Riddler plötzlich auf. Ich vermute, dass er schlichtweg aus meiner Verzweiflung heraus geboren wurde und aus dem ewigen Drang nach Rätseln, der da auch immer stärker wurde und für mich den einzigen Trost darstellte. Damals war ich gerade zwölf geworden. Am Anfang war er sehr verständnisvoll und ich habe gar nicht recht registriert, dass er nicht wie der übliche unsichtbare Freund eines Kindes ist, sondern tatsächlich in meinen Gedanken wohnt und mich manipuliert. Doch das habe ich schnell begriffen. Er war aber noch längst nicht so penetrant wie heute, weil er mich damals auch noch viel leichter zu irgendetwas überreden konnte. Doch mein eigener Willen und ein gewisser Sinn für Logik und Gerechtigkeit wurden im Laufe der Jahre stärker und das hat ihn immer mehr verärgert, bis er dann die Kraft hatte, mich völlig zu unterdrücken. Aber das kam erst viele Jahre später mit Batman...“
 

„Oh man, das war sicher alles nicht gerade leicht für dich. Erst recht, wo du sicher dachtest, dass du jetzt endlich einen Freund gefunden hast, der dich versteht...“ „Ja, er wurde einfach immer mehr zum unsichtbaren Feind in mir. Das war sehr beängstigend und doch habe ich es so sehr genossen, wenn er sich Batman gegenübergestellt hat und die Fledermaus an einem meiner Rätsel zu verzweifeln drohte. Dann habe ich mich richtig gutgefühlt. Aber auch nur dann. Alles andere war und ist wie die Hölle mit ihm als Teufel darin...“ „Das glaub ich gern, also reden wir jetzt lieber nicht mehr von diesem Scheißkerl. Erzähl mir was von deinen Tussies!“, grinst der Kleinere keck, was auch Ed ganz leicht schmunzeln lässt, ehe er den Faden wiederfindet und trübsinnig weiterspricht.
 

„Okay, ihr Ruf war also nicht der beste und beschrieb sich darin, dass sie es praktisch mit jedem getrieben hat. Es war für sie wie eine Art Sport, indem es galt, möglichst viele Punkte oder eben Typen zu sammeln. Ich war der letzte Junge unseres Jahrgangs, mit dem sie noch nicht im Bett war, was vermutlich auch nicht verwunderlich war, ich war schließlich der Inbegriff eines Strebers und solche Mädchen fangen immer bei den Sportlern an und arbeiten sich nur im besten Fall irgendwann nach unten vor. Wobei jemand wie ich wohl eher als eine Art Wette angesehen wird, die man mit seinen Freundinnen abhält. Im Grunde war es auch nichts anderes, wie ich später erfahren habe. Doch das ist unwichtig...“, wieder ein Seufzen, diesmal deutlich schwerer.
 

„Ich war in jedem Fall hin und weg, als sie mich ansprach und wir uns zu einem Treffen verabredet haben. Wir waren ganz klassisch zusammen im Kino, wo wir sogar in der letzten Reihe ein bisschen geknutscht haben...“, Ed wird wieder sichtlich rot um die Nase, räuspert sich jedoch und erzählt dann ungerührt weiter.
 

„Anschließend kamen wir auf dem Heimweg am Schrottplatz vorbei und sie meinte, sie will von dort aus die Sterne beobachten. Also haben wir uns ein altes Auto gesucht und es uns da gemütlich gemacht. – Mit Sterne gucken war jedoch nicht viel, da es sich mittlerweile ganz schön zugezogen hatte und daher haben wir da weiter gemacht, wo es mir im Kino mit all den anderen Leuten um uns herum zu viel wurde...“, schwer schluckend stockt er und starrt nur den Schaum vor sich an. „Was ist?“, fragt der Grünhaarige irritiert. „Es – ist mir furchtbar peinlich, was dann passiert ist...“, gesteht der Rätselmeister, ohne den Blick zu heben.
 

„Ach, Quatsch! Vor mir muss dir doch nichts peinlich sein. Ich bin auch nur ein Kerl und versteh das. Also raus damit!“ Die Röte im Gesicht des Brünetten wird nur noch deutlicher. „Nun sag schon! Du warst aufgeregt. Es war dein erstes Mal, schon klar. Was kann da im schlimmsten Fall passieren?“, fragt Joker keck grinsend, doch von Ed kommt immer noch keine Antwort. „Schön, dann rate ich eben. Aber du darfst dich dann nicht beschweren, wenn ich einen Volltreffer lande! – Hm, okay, grenzen wir das mal etwas auf die üblichen Verdächtigen ein. – Entweder du hast keinen hochgekriegt oder es ist gleich in die Hose gegangen.“, amüsiert sich der Clown. „Oh, Gott...“, gibt Edward nur von sich und möchte vor Scham am liebsten im Boden versinken.
 

„Was jetzt? Ging’s etwa in die Hose?“, bohrt der Verrückte nun nach, setzt dabei aber einen erstaunlich mitfühlenden Blick auf. Stumm nickt der Rätselmeister und vergräbt sein glühendes Gesicht unter seinen Händen. Tröstend streicht Joker ihm ein paar feuchte Strähnen aus der Stirn. „Schon gut, mein Hübscher, dass ist nichts Schlimmes. Das passiert vielen Jungs beim ersten Mal. Und du glaubst ja gar nicht, wie oft es mir schon in die Hose gegangen ist, wenn ich nur an Batsy gedacht habe! So was ist echt scheiße, lässt sich aber nicht ändern. Also, Kopf hoch, mein Hübscher! Ist doch alles schon lange her...“, versucht ihn der Jüngere etwas aufzumuntern. „Ja, dass mag sein, aber sie hat mich ausgelacht und ist dann abgehauen. Am nächsten Tag wusste es bereits die ganze Schule! Wer vorher noch keinen Grund hatte, mich zu hänseln, hatte dann in jedem Fall einen, und bis ich auf eine höhere Schule kam, durfte ich mir die tollsten Sprüche gefallen lassen, und dass war noch das Netteste. Außerdem hat mich auch noch der Riddler ausgelacht, obwohl er ja dadurch auch nicht besser dran war als ich...“
 

„Ach, du mein Armer...“, kommt es traurig von dem Kleineren. Ergriffen beugt er sich vor und zieht Ed in seine Arme. Überrascht zuckt der Brünette zusammen, lässt es sich aber gefallen. Irgendwie kommt er sich dabei aber dennoch ein bisschen dumm vor. Denn immerhin wollte er doch Joker trösten und jetzt ist es der durchgeknallte Clown, der ihn tröstet. Naja, wenn man es mal von der guten Seite betrachtet, denkt der Bengel somit zumindest nicht an Batman...
 


 

10
 

„Das war dann also nicht wirklich dein erstes Mal.“, stellt der Kleinere in den Raum, als er sich wieder in der Wanne zurücklehnt und Ed sich etwas beruhigt hat. „Nein, nicht wirklich. Obwohl ich es immerhin unter ihre Bluse geschafft hatte, als es passiert ist. Wäre ich also der Typ Mann, der mit so etwas vor seinen Freunden angibt, könnte man das immerhin als kleinen Sieg betrachten, doch so bin ich nun mal nicht. – Mein erstes Mal hatte ich dann erst mit siebzehn, als ich die Schule beendet hatte und auf der Suche nach einer Ausbildung war. Wir haben uns in einem Café kennengelernt und dann verlief erstaunlicherweise alles ganz normal. Daher ist es auch nicht der Rede wert. Der Sex war toll und wir liebten uns sehr, hatte ich zumindest das Gefühl. Aber nach nur drei Monaten hatte sie die Nase voll von mir und insbesondere von meinen Rätseln, die mich da schon ziemlich eingenommen hatten. Es verging praktisch kein Tag, an dem ich sie damit nicht genervt habe. Doch ich habe es einfach nicht wahrgenommen, bis sie gesagt hat, dass Schluss ist...“
 

„Das ist nicht deine Schuld, mein Hübscher. Wenn sie dich wirklich geliebt hätte, dann hätte sie dafür Verständnis gehabt und dich nicht wegen so etwas Albernem sitzen lassen. Es gehört einfach zu deiner Persönlichkeit, und dass muss sie doch gewusst haben...“ „Sicher hat sie das gewusst, immerhin habe ich ihr beim Kennenlernen auch ein paar Rätsel gestellt. Sie kam zwar nie auf die Lösung, was ich auch gar nicht erwartet habe, sie tat aber stets so, als fände sie das ganz klasse. Daher war ich mehr als nur vor den Kopf gestoßen, als sie das als Grund für die Trennung genannt hatte. Vielleicht war es auch etwas Anderes und sie wollte mir nur eins auswischen, indem sie auf meinen Rätseln herumhackt, aber was spielt das schon für eine Rolle?“
 

„Da hast du recht. Es spielt überhaupt keine Rolle, was der Grund war. Sie ist abgehauen und das war’s dann. Aber keine Sorge, mein Hübscher. Ich werd nicht einfach verschwinden, wenn ich keine Lust mehr auf deine Rätsel hab, auch wenn es mich oft genug ärgert, dir dann zuzuhören. Was aber vielleicht auch nur daran liegt, dass ich nicht die Geduld hab, nach einer Lösung zu suchen.“ „Halb so wild. Du gibst dir zumindest Mühe und sagst mir ja auch ab und an, dass es dich jetzt langsam nervt, und dass finde ich schon mal sehr gut. Sag es mir einfach weiterhin, wenn es dir zu viel wird, dann versuche ich aufzuhören.“ Lässig winkt der junge Clown ab. „Mach ruhig weiter, sonst platzt dir womöglich noch der Kopf. Ich geh im schlimmsten Fall einfach mal vor die Tür, wenn’s mir zu anstrengend wird.“
 


 

11
 

Langsam fangen die beiden an sich zu waschen, doch Nigma wirkt weiterhin nachdenklich, sodass Joker ihn fragt, ob es da vielleicht noch ein Mädel gab, das ihm das Herz schwergemacht hat. „Ja, das gab es tatsächlich. – Eigentlich dachte ich, dass sie meine große Liebe wäre, doch – ich war so blind! – Ich war zwanzig und hatte gerade meine Ausbildung zum IT-Techniker beendet, als ich sie kennenlernte. Sie ging auf die Schwesternschule ganz in der Nähe, weshalb wir uns oft in der Bahn gesehen haben, und hat mir förmlich von Anfang an den Kopf verdreht. Sie schien so perfekt zu sein und hatte sogar sichtlichen Spaß an meinen Rätseln! Sie war überaus klug und entsprach damit ganz und gar nicht der allgemeinen Meinung von Blondinen, sodass sogar der Riddler mehr als nur angetan von ihr war. Wir waren praktisch beider der Ansicht, dass sie die Frau ist, mit der wir den Rest unserer Tage verbringen könnten. Sie vielleicht sogar heiraten und eine Familie gründen...“, verständnislos lächelnd schüttelt der Brünette über diese naiven Gedanken den Kopf.
 

„Wir waren ein Jahr zusammen und haben seit vier Monaten zusammengewohnt, ehe ich bemerkt habe, wie der Hase wirklich läuft. Inzwischen hatte ich eine Stelle bei einem großen Softwareunternehmen bekommen und stieg dort schnell die Leiter nach oben. Alles war so wunderbar, dass es kaum zu fassen war. Das allein hätte mich schon stutzig machen sollen, war mein bisheriges Leben doch nicht gerade von solchem Glück gepflastert. Doch ich ging so in meiner Arbeit, meinen Rätseln und der Beziehung zu ihr auf, dass alles andere unwichtig schien.“, tief holt er Luft und setzt dann zum Schlussakt seiner Geschichte an.
 

„Eines Tages kam ich früher von der Arbeit nach Hause, weil ein paar Umbauarbeiten durchgeführt wurden. Bis heute weiß ich nicht, warum ich nicht einfach in ein Café oder dergleichen gegangen bin, um dort weiterzuarbeiten. Hätte ich es getan, hätte unsere Beziehung sicher noch etwas länger gehalten. Ich wusste allerdings, dass sie an diesem Tag frei hatte und dachte daher, dass es vielleicht nett wäre, wenn wir zusammen Zeit verbringen könnten, vielleicht essen gehen oder so, bevor ich weitermachen würde.“, ein tiefes Seufzen.
 

„Naja, das Ende vom Lied war, dass ich sie mit einem anderen Kerl im Bett erwischt habe und dabei förmlich meine ganze Welt vor meinen Augen zerbrochen ist. Es war der letzte Stoß, den ich noch brauchte, um völlig in meinem Wahn zu versinken und Riddler damit alle Türen zu öffnen, die ihm bis dahin verschlossen geblieben waren. Was sich auch praktisch auf der Stelle gezeigt hat, weil ich eine Pistole auf diesen Mistkerl gerichtet habe...“ Beim Gedanken an diesen leichtsinnigen Irrsinn ballt Ed zornig die Fäuste. Er entspannt sie erst wieder, als er die Stimme seines Mitbewohners hört. „Du hattest echt ´ne Knarre? Warum das denn?“ Überrascht sieht ihn der Brünette an und wird dabei ganz rot um die Nase.
 

„Ähm, das kam daher, dass ich immer mit dem Zug fahren musste und die Strecke durch einige ziemlich miese Gegenden verlief. Ich habe oft bis spät abends gearbeitet und musste immer im Dunkeln nach Hause. – Ich habe mich mit der Waffe einfach sicherer gefühlt. Allerdings hatte ich sie nie vorher auf ein lebendes Wesen gerichtet. Doch in diesem Augenblick hätte ich vermutlich abgedrückt, oder sogar bereitwillig Riddler die Führung überlassen, der in jedem Fall abgedrückt hätte, wenn der Kerl nicht so eine Panik bekommen und angefangen hätte zu heulen. – Gott, der Typ war ein ganzes Stück größer als ich und mit Muskeln bepackt wie Bane! Ich glaube, er war sogar Türsteher in einer Oben-ohne-Bar. Aber als er in den Lauf meiner Magnum geblickt hat, war er auf einmal wie ein verschrecktes Kind und hat splitternackt die Flucht ergriffen...“, ein überaus befriedigtes Lächeln huscht über sein Gesicht, das so gar nicht zu ihm passen will.
 

„Nachdem der Kerl also weg war, stellte ich sie mit vorgehaltener Waffe zur Rede. Allerdings kam nichts außer einer verzweifelten Entschuldigung. Anschließend habe ich sie vor die Tür gesetzt. Doch damit war es noch nicht erledigt. Ich kann wahrscheinlich von Glück reden, dass keiner der beiden auf die Idee gekommen ist, die Polizei zu rufen. Das war mir in dem Moment aber nicht bewusst. Ich hatte ein gebrochenes Herz, war vollkommen durcheinander und wollte sie einfach nur aus meinem Leben streichen. – In unserer gesamten Beziehung hatte ich sie stets mit teuren Geschenken überhäuft, weil ich wollte, dass sie sich wie eine Prinzessin fühlt, und weil ich immer der Ansicht war, dass ich nicht gut genug für sie bin und sie so vielleicht an mich binden kann. Total verrückt, nicht wahr?“ „Nein, dass finde ich nicht. Diesen Fehler machen sehr viele Männer, auch wenn es ihnen nicht alle Frauen oder Männer auf diese Weise danken. – Wenn man verliebt ist, macht man halt die seltsamsten Sachen...“
 

„Das stimmt wohl. Naja, ich wollte zumindest neu anfangen und daher habe ich all die teuren Schmuckstücke und weiß nicht noch alles, was sie von mir bekommen hatte, genommen und bei einem Pfandleiher gegen meinen Bel Air eingetauscht. Damals war er allerdings noch hellblau. – Am nächsten Tag rief sie mich ganz kleinlaut an, und fragte, ob sie vorbeikommen und ihre Sachen holen könnte. Ich war einverstanden, doch in meinem Kopf war es vollkommen wüst und der Riddler war mindestens genauso außer sich wie ich, was nicht gerade förderlich war, aber ausschlaggebend für das, was dann passiert ist.“, tief holt er wieder Luft.
 

„Während ich darauf gewartet habe, dass sie auftaucht, habe ich all ihre Sachen vor das Gebäude auf die Straße geräumt. Es klingt, wie in einem billigen Film, wenn ich das jetzt so bedenke, doch damals hielt ich es für eine Wahnsinnsidee, um mich für ihren Fehltritt zu rächen. Als sie schließlich da war, habe ich vor ihren Augen Benzin über ihre Sachen gegossen und dann alles angezündet. Das war total irre, doch ich habe mich selten so gut wie in diesem Augenblick gefühlt, als alles in Flammen stand und sie nur noch gekreischt hat.“ „Oh, dass kann ich mir lebhaft vorstellen! Es gibt doch nichts Schöneres als ein ordentliches Feuerchen, um all seinen Gefühlen Luft zu machen!“, gluckst Joker vergnügt.
 

„Dem kann ich nur zustimmen. – Ich bin dann einfach in meinen Wagen gesprungen und davongefahren. Meine Habseligkeiten hatte ich schon vorher eingeladen, damit ich schnell verschwinden konnte. Soweit konnte ich immerhin noch denken. Und wieder war ich erstaunt, dass keine Polizei nach mir gesucht hat, sonst wäre ich heute vielleicht nicht hier. – Stundenlang bin ich durch die Stadt gefahren und habe mich schließlich in einer alten Lagerhalle versteckt. Dort sind meine Gefühle dann mit mir durchgegangen und ich habe mir die Augen aus dem Kopf geweint. Das war gefühlt der einzige Moment, indem der Riddler mich tatsächlich einmal getröstet hat. Vermutlich, weil sie ihm genauso viel bedeutet hat wie mir...“ Langsam tastet der Rätselmeister nach dem Stöpsel, um das schon wieder ziemlich kalte Wasser abzulassen. Anschließend verlassen die zwei die Wanne und beginnen sich anzuziehen.
 


 

12
 

„Und wie ging’s dann weiter?“, fragt der kleine Clown beim Abtrocknen, wobei sie sich beiden den Rücken zukehren. „Zuerst wusste ich nicht viel mit mir anzufangen und habe immer gehofft, dass die Polizei mich nicht findet, falls sie nach mir suchen sollten. Ich habe mich eine ganze Weile dort in der Lagerhalle versteckt und nachgedacht, was ich ab jetzt mit mir anfangen soll. Ich wusste immerhin, dass ich nicht zurückkonnte, weder in meine alte Wohnung noch in meinen Job, der mir eigentlich sehr am Herzen lag. Irgendwann bin ich dann weitergezogen und habe mir ein anderes Versteck gesucht. Dabei handelte es sich um eine aufgegebene Lackiererei, doch das hat mich am Anfang nicht interessiert.“
 

Inzwischen stehen die zwei in Unterwäsche da und Edward betrachtet sich noch einmal die Verletzungen seines Gegenübers. Diesmal ist es aber glücklicherweise nicht so schlimm. Die Lippen den Clowns sind aufgeplatzt und sein linkes Auge ist ein farbenfrohes Veilchen. Hier und da ein paar Kratzer und blaue Flecken, doch zum Glück ist nichts gebrochen oder dergleichen.
 

„Im Internet habe ich dann nach etwas gesucht, dass mir einen neuen Sinn im Leben geben kann. Ich hatte sogar mit den Gedanken gespielt, Gotham zu verlassen und irgendwo neu anzufangen. – Daraus wurde aber nichts, da ich im Netz auf allerhand Berichte zu Batman gestoßen bin. Der Dunkle Ritter, wie ihn die Leute nannten, hatte seine Arbeit erst vor ein paar Wochen begonnen, etwa zu der Zeit, als ich meine Freundin beim Fremdgehen erwischt hatte. Ich war sofort von ihm fasziniert und Riddler ebenfalls. Gemeinsam fassten wir den Plan, dass jetzt Schluss damit sei, dass mich die Welt immer wieder herumschubst und wie Dreck behandelt. Ich verlor völlig den Bezug zur Wirklichkeit...“ Neugierig beobachtet Ed nun, wie Joker nach seinem Make-up greift und sich damit das Veilchen überschminkt. Eine Schicht Heilsalbe glänzt bereits auf seinen geschundenen Lippen.
 

„In einer schicksalhaften Nacht begann ich damit, den Bel Air umzulackieren, so wie er jetzt ist. Danach dauerte es nicht mehr lange, bis ich auf die Suche nach Batman ging, um herauszufinden, ob er wirklich so intelligent ist, wie man sich erzählte. Ich wollte ihn mit meinen Rätseln herausfordern, in der Hoffnung, endlich jemanden zu finden, der mir geistig ebenbürtig ist. Die Vorstellung, dass Batman mit meinem Geist konkurrieren könnte, hat mich mehr in Wallung gebracht, als es je eine Frau geschafft hat. Ich war regelrecht besessenen von ihm, ganz ähnlich wie du...“ „Hat dich der Riddler deswegen auch schon als Schwuchtel beschimpft?“, will Joker erstaunlich ernst wissen. „Nein, weil er dasselbe empfunden hat, wenn nicht gar mehr noch als ich. Wir hatten ja auch beide kein körperliches Interesse an Batman, auch wenn es deswegen nicht weniger erregend war...“
 

Der Grünhaarige erwidert dem nichts, blickt nur weiterhin in den Spiegel über dem Waschbecken. Sein Gesicht ziert aber ein verträumtes Lächeln, das unglaublich traurig wirkt, da er das bestens nachempfinden kann. Ed kann sich nur zu gut vorstellen, dass der Junge nun auch an die Fledermaus denken muss. Erstaunt registriert der Brünette allerdings, dass sein Gegenüber darauf verzichtet, sich das Gesicht zu dieser bunten Maske zu schminken. Vermutlich eine gute Idee. Die Sonne wird gleich aufgehen, was bedeutet, dass sie sich ins Bett zurückziehen sollten. Joker wird sich heute Nacht ganz sicher wieder schminken, doch zum Schlafen muss das nun nicht wirklich sein, erst recht, wenn sie allein sind – auch wenn er sonst grundsätzlich immer geschminkt ins Bett geht.
 

„Somit wurde ich also kriminell, um die Aufmerksamkeit des Rächers zu bekommen. Befriedigung darin zu finden, dass er sich meinetwegen den Kopf zermartert. Das ging eine Weile so, dann stellte er mich und ich landete zum ersten Mal in Arkham. Lange blieb ich jedoch nicht dort, sondern brach aus, um ihm erneut entgegenzutreten. Das Spielchen wiederholte sich die nächsten fünf Jahre immer wieder. Dabei lernte ich nach und nach die anderen geisteskranken Kriminellen kennen, entweder in Arkham oder auf Gothams nächtlichen Straßen. Sie schossen praktisch wie Pilze aus dem Boden, obwohl nur ein gutes Dutzend wirklich ernstzunehmend war und es bis heute sind.“ Inzwischen sitzen die zwei im Schlafzimmer in ihren Betten.
 

„Den Ersten, den ich kennenlernte, war Oswald. Er saß bereits sein ein paar Tagen in Arkham, als ich dort landete. Wir waren uns sofort sympathisch, und dass ist auch heute noch so. Und das war mehr oder weniger meine Geschichte. Den Rest kennst du ja. Es wurden immer mehr Superschurken und wir kamen uns dadurch unweigerlich immer wieder in die Quere, sodass sich Oswald schließlich gezwungen sah, dieses Treffen zu organisieren, bei dem du dann aufgetaucht bist.“
 

„Oh, man. Du hast es wirklich nicht leicht gehabt. Aber immerhin ist es jetzt besser.“ „Ja, jetzt ist es besser, aber nur, weil ich inzwischen entschieden habe, dass alles keinen Sinn mehr hat. Batman hat sich mir gegenüber oft genug bewiesen und ich sehe keine Möglichkeit mehr, dass noch zu steigern, ohne dass irgendjemand zu Schaden kommt. Dem Riddler ist das selbstredend egal. Er liebt das Chaos und will sich an der Spitze Gothams sehen, ich aber nicht. Daher habe ich die Konfrontation mit Batman aufgegeben und versucht jetzt, meine schlechtere Hälfte in den Griff zu bekommen, um ein friedliches Leben führen zu können, was mich letztendlich ja auch hierhergebracht hat.“
 

Langsam erhebt sich der kleine Clown und tritt am Edwards Bett heran. „Das war eine gute Idee und manchmal wünschte ich, ich könnte das auch. Aber ich fürchte, dass ist nicht so einfach, auch wenn ich keinen irren Spinner im Kopf hab, der mir nur scheiße erzählt...“, traurig lässt er die Schultern hängen. „Das glaube ich dir gern. Aber ich bin sicher, dass du das schaffst! Ich helfe dir dabei, wenn du mich lässt. Du brauchst Batman nicht und Arkham schon gar nicht! Dort können sie uns nicht helfen, dass können wir nur gegenseitig, habe ich manchmal so das Gefühl. Doch es ist ein langer und beschwerlicher Weg, der einen immer wieder zweifeln und verzweifeln lässt. Aber du darfst dem nicht nachgeben, nicht wieder ins Chaos abgleiten und anderen schaden, auch nicht ausversehen. Du musst dein Ziel vor Augen haben und dann funktioniert es irgendwann.“, aufmunternd lächelt Nigma ihm entgegen.
 

Der Grünhaarige lächelt ebenfalls, doch es wirkt noch immer sehr traurig. Seine Gefühle für Batman sind einfach noch zu tiefgreifend, um sie verdrängen oder gar überwinden zu können, und das ist dem Rätselmeister nur all zu klar.
 

„Ed?“, fragt der Junge schließlich sichtlich bedrückt. „Ja?“ „Kann ich – vielleicht bei dir schlafen?“ Überrascht weiten sich die Augen des Angesprochenen und er zuckt leicht zusammen. „Ähm – also...“, setzt er hilflos mit roten Wangen an. „Du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Ich will nichts von dir. Ich will nur nicht allein sein. – Ich möchte etwas Warmes neben mir spüren, dass ist alles...“, bringt der Clown hervor, wobei seine unnatürlich roten Augen verdächtig zu glänzen beginnen. Noch während Edward versucht seine Bedenken beiseite zu schieben, kullert dem Jungen eine einzelne Träne über die Wangen. Der ach so stolze Prinz des Verbrechens wirkt völlig gebrochen, was auch dem Älteren unweigerlich das Herz schwermacht.
 

„Okay, komm rein.“, meint Nigma schließlich und rückt an die Wand heran. „Danke...“, schnieft der Verrückte und legt sich neben ihn. Rücken an Rücken verweilen sie zusammen. „Nacht, Ed.“ „Gute Nacht, Joker.“, erwidert der Brünette, doch es dauert eine ganze Weile, bis er schließlich wegdämmert. Es ist einfach ein zu komisches Gefühl, nach so langer Zeit wieder einmal das Bett mit jemandem zu teilen, erst recht mit einem anderen Mann...
 


 

13
 

Irgendwann wird Edward dann wach. Dem Licht, das sich am Rand des Vorhangs vorbeischleicht, nach zu urteilen, dürfte es etwa Mittag sein und es scheint doch tatsächlich aufgehört zu regen zu haben. Somit haben sie noch ein paar Stunden, bis es Zeit wird, aufzustehen und wieder an die Arbeit zu gehen. Müde blickt der Rätselmeister zur Decke empor. Als er sich umdrehen und weiterschlafen will, gelingt ihm das nicht, weil ihm irgendetwas schwer auf der Brust lastet. Murrend blickt er an sich herab und zuckt leicht zusammen, als er dort den kleinen Clown erblickt, der sich ungefragt an ihn gekuschelt hat. Das an sich ist schon merkwürdig, wenn auch nicht wirklich verwunderlich. Das Seltsamste an der Sache ist aber, dass Ed einen Arm um die Schultern der Kleineren gelegt hat und ihn schützend an sich drückt, ganz so, als wären sie tatsächlich ein Liebespaar.
 

Bei diesem Gedanken färben sich seine Wangen augenblicklich knallrot und er ist heilfroh, dass der Riddler noch in seinem Gefängnis hocken muss und das hier nicht kommentieren kann. Später wird er sich aber sicher noch etwas diesbezüglich anhören dürfen. „Oh, Joker...“, flüstert er leise, doch anstatt sich zu überlegen, wie er den Bengel vielleicht von sich schieben kann, ohne ihn aufzuwecken, schließt er ihn nun noch fester in die Arme. Das erwidert der Grünhaarige mit einem seligen Seufzen. Dieses Geräusch und die ungewohnte Nähe des anderen Jungen geben Nigma ein seltsam gutes Gefühl. Ist es vielleicht nur, weil er schon so lange allein ist, dass er sich unbewusst daran klammert, die Nähe eines anderen spüren zu können, oder steckt da etwa mehr dahinter?
 

Diese Frage hat er sich in der letzten Zeit erstaunlich oft gestellt. Praktisch ununterbrochen, seid er den kleinen Clown bei sich aufgenommen hat. In den vergangenen Tagen aber besonders oft. Sein Herz beginnt schneller zu schlagen, wenn er auch nur entfernt an diesen durchgeknallten Bengel denkt. Er sorgt sich um ihn, will ihn immer in seiner Nähe wissen, ihn irgendwie beschützen, vor Batman, vor sich selbst, vor der ganzen Welt...
 

Heißt das womöglich, dass der Riddler mit all seinen bösen Anschuldigungen recht haben könnte? Empfindet Ed etwas für Joker? Selbstverständlich tut er das, immerhin sind sie inzwischen Freunde, ganz unzweifelhaft. Doch ist das wirklich alles? Nein, irgendwie nicht. Da ist noch mehr. Da ist diese seltsame Eifersucht, die er immer wieder im Zusammenhang mit Batman verspürt. Da ist der Zwang gewesen, einen hübschen Spitznamen für den Kleinen zu finden. Da ist das nagende Gefühl der Ungewissheit, jedes Mal, wenn Joker das Haus verlässt und Ed nicht weiß, wo er hingeht und was er macht. Da ist – noch so viel mehr...
 

Joker hat eine etwas schiefe Nasenscheidewand – was wohl auch kein Wunder ist, sooft wie Batman ihm diese wahrscheinlich schon gebrochen hat – und beginnt jetzt ganz leicht zu schnarchen. Für Edward hört sich das Geräusch allerdings eher wie das Schnurren einer etwas verschnupften Katze an. Er empfindet es irgendwie sogar als angenehm. Zudem ist es so leise, dass es ihm vorher nie aufgefallen ist und er es auch jetzt nur hört, weil es hier gerade einmal völlig still ist und sie so dicht beieinander. Es ist gut, das Bett mit einem anderen Menschen zu teilen, der wirkliche Geräusche von sich gibt und ihm vielleicht sogar die Decke wegziehen könnte, wenn es kühler wird – auch wenn das bei der noch vorherrschenden Sommerhitze wohl nicht so bald der Fall sein dürfte. Es ist schon sehr lange her, seit er so ein Gefühl das letzte Mal hatte – auch wenn es sehr komisch ist, das Bett mit einem anderen Mann zu teilen. Doch manchmal kommt ihm Joker fast wie ein kleiner Bruder vor, den er nie hatte.
 

Ein Bruder, ja. Doch das stimmt nicht. Ganz und gar nicht. Das rührt nur von dem kindlichen Verhalten des Clowns her. Was Nigma wirklich fühlt, ist die zarte Knospe von etwas, das er nie dachte, einem anderen Mann gegenüber empfinden zu können, ja, überhaupt empfinden zu dürfen, wenn es nach seiner schlechteren Hälfte geht! Liebe...
 

Unweigerlich muss er bei diesem Gedanken in dem abgedunkelten Zimmer lächeln. Langsam fallen ihm dann wieder die Augen zu und er hält den Joker für den Rest des Tages fest in seinen Armen.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Lied: Toni Braxton – Unbreak my heart – Übersetzung – leicht verändert
Lied: Peter Gabriel – Don´t give up – Übersetzung – leicht verändert
Textausschnitt von Joker: Heinz Rudolf Kunze: Dein ist mein ganzes Herz Komplett anzeigen

Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück