Kigan von QueenLuna (– The crime scene of Gotamo City –) ================================================================================ Kapitel 2: ----------- Kapitel 2 Murrend drehte ich mich auf die Seite und kniff die Augen zusammen. Ein ohrenbetäubendes Donnergrollen ließ die alten Fensterscheiben klappern und riss mich endgültig aus dem Schlaf. Schwerfällig hob ich die Lider, blinzelte durch die geöffneten Vorhänge nach draußen. Viel zu erkennen war nicht. Der Regen trommelte laut gegen die Scheiben, erweckte den Eindruck, als würde jeden Moment die Sintflut über die Stadt hereinbrechen. Na, meinetwegen. Ein greller Blitz erhellte kurzzeitig den dunkelgrauen Himmel, der Donner folgte Sekundenbruchteile später. Bei der Geräuschkulisse brauchte ich gar nicht mehr ans Weiterschlafen zu denken. Doch anscheinend war ich der Einzige, den das Spektakel dort draußen zu stören schien, denn Rina lag seelenruhig schnarchend in ihrem Korb neben meinem Bett und bekam nichts mit. Toller Wachhund. Vermutlich hätte sie momentan selbst den miesesten Einbrecher überhört. Laut schnaubend richtete ich mich auf und setzte mich auf die Bettkante. Was für ein beschissener Start in den Tag. Mein Wecker verkündete, es wäre bereits kurz nach sechs, wobei es eher so wirkte, als sei es finsterste Nacht. Müde langte ich nach meinen Zigaretten auf dem Nachttisch und stellte mich an das leicht geöffnete Fenster. Einige Regentropfen färbten den Holzfußboden dunkel, doch es störte mich wenig. Gedankenverloren verfolgte ich ihren Weg in meine Wohnung, ehe ich mein Feuerzeug zückte. Mein Nikotinkonsum war inzwischen besorgniserregend hoch, aber anders brachte ich die Zeit nicht rum. Kaffee und Zigaretten – mein Lebenselixier. Während ich genussvoll den ersten Zug des Tages inhalierte, wanderte mein Blick zum Innenhof, der sich unterhalb des Fensters erstreckte. Eine einzelne Laterne tauchte ihn in diffuses Licht, die anderen waren schon seit Jahren defekt. Trotz der spärlichen Beleuchtung ließ sich die Hässlichkeit dieses Ortes nicht verstecken. Zwischen den Mülltonnen türmte sich der Schrott, der Putz bröckelte von den umliegenden Häusern. Die Fenster waren blind, teils eingeschlagen. Wann die Dächer einstürzen würden, war bloß eine Frage der Zeit. Die Gegend wirkte selbst am Tage heruntergekommen und verlassen und zum wiederholten Male fragte ich mich, warum ich gerade hierher gezogen war. Gut, die Miete war günstig, die Wohnung unter dem Dach praktisch, denn da fast das gesamte Haus leer stand, hatte ich genügend Raum für ein eigenes Büro eine Etage tiefer. Bis auf mich und den Vermieter, dem das Erdgeschoss gehörte, wohnte nur noch eine Oma den Flur runter. Der Rest der Wohnungen blieb ungenutzt, so wie beinahe jedes Haus der Gegend das gleiche Schicksal teilte. Einfach trostlos. Und auch wenn hier jeder sein eigenes Leben lebte, verstanden die alte Dame und ich uns wenigstens soweit, dass ich ab und zu für sie einkaufte und sie im Gegenzug auf meine Bulldogge aufpasste. Seufzend drückte ich die Zigarette auf dem Fensterbrett aus und schmiss sie in den Innenhof. Gähnend hob Rina den Kopf und beobachtete mich aus müden Augen. Das erneute Donnern schien sie wenig zu beeindrucken. Schmunzelnd sank ich vor ihr in die Hocke, kraulte kurz über die graumelierte Schnauze. „Gibt gleich Frühstück, altes Mädchen.“ Sie war wirklich durch nichts aus der Ruhe zu bringen. Außer vielleicht kurzzeitig durch überraschend hereinstürmende Cops. Schnell schob ich die Erinnerung an den gestrigen Tag beiseite und erhob mich. Erstmal duschen, dann frühstücken, bevor womöglich der Strom ausfiel und nur noch kaltes Wasser übrig blieb. Überrascht hätte es mich bei meinem Glück nicht. * Der Regen schlug mir ins Gesicht, fluchend zog ich die Kapuze tiefer. Ein Schirm hätte bei diesem Wind nichts genützt. Was für ein Mistwetter. Warum war ich nochmal rausgegangen? Richtig, Rina wollte ihre tägliche Spazierrunde, das Wetter und mein Leid interessierten sie dabei herzlich wenig. Gemächlich trabte sie neben mir her, markierte hin und wieder ihr Revier und schien sonst recht zufrieden mit sich und der Welt zu sein. Von der Einstellung konnte sie mir gern etwas abgeben. Als wäre heute alles gegen mich, war mir vorhin auch noch der Kaffee ausgegangen. Schlecht gelaunt blickte ich die Straße hinunter, während ich darauf wartete, dass mein Hund sein Geschäft erledigte. Obwohl es mittlerweile schon nach neun war, war ich beinahe allein unterwegs. Mal abgesehen von der Frau auf der anderen Straßenseite, die krampfhaft ihren Schirm umklammerte, der wegzufliegen drohte. Es lag nicht nur am Wetter, dass die Gegend derart verwaist wirkte. Der Großteil der Geschäfte hatte vor Jahren dicht gemacht, nur noch vereinzelte hielten sich gegenüber der Banden, die hier das Sagen hatten, und der Konkurrenz aus der Innenstadt. Wer wollte schon in einem Viertel einkaufen, wo man Angst haben musste, jeden Moment überfallen zu werden, wenn das Stadtzentrum dagegen geradezu paradiesisch wirkte? Und dass sich überhaupt jemand in mein Büro wagte und meine Dienste beanspruchte, grenzte schon beinahe an ein Wunder. Aber meine Klienten stammten mehrheitlich aus dieser Gegend und für manche war ich die einzige Hilfe, die sie bekommen konnten. Ohne nach rechts und links zu schauen, überquerte ich die leere Straße und steuerte auf die leuchtend blau gestrichene Tür eines kleinen Cafés zu. Das helle Klingeln über der Eingangstür kündigte meinen Besuch an und sogleich erschien Frau Sumidas Kopf im Durchgang zur Küche. „Oh, guten Morgen, Kaoru. Schon so früh auf den Beinen?“ Brummend ließ ich mich auf meinen Stammplatz in der Ecke fallen, zog die nasse Jacke aus und warf sie über den benachbarten Stuhl. Eine Regenjacke sah anders aus. Meine langen Haare waren nass und hingen mir in wirren Strähnen ins Gesicht. Notdürftig trocknete ich sie mit dem Handtuch, das mir Frau Sumida reichte, ehe ich mich daran machte, Rinas kurzes Fell großzügig abzureiben, damit sie nicht den ganzen Laden voll tropfte. Frau Sumida lächelte nachsichtig. „Der Kaffee war alle“, beantwortete ich etwas verzögert ihre Frage. „Herrje.“ Sie machte ein übertrieben bestürztes Gesicht und nahm mir das Handtuch wieder ab. „Das ist natürlich eine Katastrophe. Ich schau gleich, wie ich dir Abhilfe verschaffen kann.“ Und schon war sie hinter der Theke verschwunden. Ich konnte nicht anders, als ihr schmunzelnd hinterherzuschauen. Sie war wirklich der Sonnenschein der Gegend, fing regelmäßig verlorene Gestalten auf und war generell nicht mehr von hier wegzudenken. Seit über 10 Jahren gehörte ihr das Café, alle achteten sie und selbst die Gangs ließen sie in Ruhe. Vielleicht hatte sie auch einige besondere Verbindungen, die sie schützten, aber das interessierte mich nicht. Hauptsache, sie und ihr köstlicher Kaffee waren da. Irgendwann würde man sie im Sarg hier raustragen, scherzte sie in regelmäßigen Abständen. Allerdings vermutete ich, dass das ihr Ernst war. Umso stärker hoffte ich, dass sie mindestens noch zwanzig Jahre hier verbringen würde, auch wenn sie dann bereits die Neunzig deutlich überschritt. Zu dieser Uhrzeit war außer mir nur noch Herr Hirokawa im Café, ein älterer Mann, der direkt gegenüber wohnte. Schweigend nickte er mir zu, bevor er sich wieder in seine Zeitung vertiefte. Man kannte sich. „So, die Rettung naht.“ Eine dampfende Tasse dunklen Golds wurde vor mir auf dem Tisch abgestellt, daneben eine Packung mit Kaffeebohnen. Ich schenkte Frau Sumida ein dankbares Lächeln, drückte ihr im Gegenzug ein paar Geldscheine in die Hand. So wurde der Tag wenigstens einen Hauch erträglicher. Vorsichtig pustete ich in die Tasse, ehe ich mir den ersten Schluck genehmigte. Währenddessen schlabberte Rina geräuschvoll aus dem immer bereitstehenden Wassernapf. „Und? Gibt’s etwas Neues, Kaoru?“ „Nein, und selbst?“ Frau Sumida lachte leise auf und fing an mit einem Lappen über die Theke zu wischen. „Ich könnte jetzt über meine Rückenschmerzen oder meine geschwollenen Füße klagen, aber das interessiert euch junge Leute sicher nicht.“ Belustigt zog ich eine Augenbraue hoch. Mit Mitte 30 fühlte ich mich nicht mehr sonderlich jung, aber wenn sie meinte. „Seien Sie sich meines Mitgefühls bewusst.“ Sie lachte und während sie weiterwischte, schnappte ich mir eine der bereitliegenden Zeitungen und vertiefte mich in die neuesten Schlagzeilen, um mich auf den aktuellsten Stand zu bringen. Für einige Minuten herrschte angenehmes Schweigen, nur untermalt vom Rascheln der Seiten und vom steten Geräusch des Regens, der gegen die Scheiben trommelte. Mit einem Mal stutzte ich und las den Text erneut. Seltsam. Ich schaute kurz prüfend auf das Datum. Zwei Tage alt, das passte. Nur eben der Name nicht. „Sagen Sie, Frau Sumida, was wissen Sie über diesen Brand?“ Um zu verdeutlichen, was ich meinte, zeigte ich ihr den entsprechenden Artikel. Neugierig trat sie um die Theke herum und überflog die Zeilen. „Ach, der bei den Hanedas. Schlimme Sache. Hat fast eine komplette Etage zerstört und noch einen Teil vom Nachbarhaus.“ Das wusste ich schon. Der Reporter hatte sich ausführlich darüber ausgelassen, da die Hanedas eine der einflussreichsten Familien der Stadt zu sein schienen, wie in dem Bericht stand. Wieder etwas, das an mir vorbeigegangen war. „Gab es die Woche mehrere Brände?“ „Nein. Nicht, dass ich wüsste. Warum fragst du?“ Nachdenklich strich ich über meinen Kinnbart, starrte dabei auf den Text. Darin hatte nichts von einer verschwundenen Person gestanden, aber dennoch… „Ich hatte gestern Besuch von zwei Cops, die nach jemandem gefragt haben, der bei einem Brand verschwunden sei. Nur hieß der anders. Haben die Hanedas überhaupt Kinder?" Wenn jemand wusste, was bei den Besserbetuchten der Stadt los war, dann Frau Sumida, denn sie hatte ihre Augen und Ohren überall. Ich war seit Jahren diesbezüglich komplett uninformiert, wollte damit auch aus gutem Grund nichts zu tun haben. Als nach einigen Sekunden immer noch keine Antwort kam, sah ich auf. Frau Sumidas Dauerlächeln war verschwunden, ihre Augen hafteten ebenfalls auf den Zeilen, gleichzeitig schien sie durch sie hindurch zu sehen. „Frau Sumida?“ Sie zuckte zusammen und blickte augenblicklich auf. „Verzeih, ich war kurz in Gedanken.“ Ihr entschuldigendes Lächeln wirkte recht dünn. „Also soweit ich mich erinnere, brachte Haneda-Sans zweite Frau einen Sohn mit in die Ehe. Aber wie der hieß, kann ich beim besten Willen nicht mehr sagen.“ Ich konnte es mir denken. Wenn der Junge von dem Foto wirklich zu dieser Familie gehörte, erklärte es wenigstens, warum sich die Polizei überhaupt die Mühe machte, nach ihm zu suchen – in einer Stadt, wo tagtäglich Menschen verschwanden und es keinen interessierte. „Vielleicht ist der Junge entführt wurden“, durchdrang Herr Hirokawas kratzige Stimme meine Gedanken. Grübelnd sah ich Richtung Theke, lauschte mit halbem Ohr der nun entbrannten Diskussion zwischen ihm und Frau Sumida, was mögliche Lösegeldsummen anging und was sonst noch dahinterstecken könnte. Entführung? Wäre möglich. Das wäre auch ein Grund, warum die beiden Cops gestern auf meiner Matte gestanden hatten. Aber – Nein! Ich merkte, wie die unterschwellige Wut erneut in mir aufzusteigen drohte. Wegen einer blöden Visitenkarte verdächtigen die mich? Als ob ein Entführer seinen Namen mit dem Hinweis am Tatort hinterlassen würde, ihn dringend anzurufen! Wobei die Frage war, ob es sich wirklich um eine Entführung handelte, schließlich hatten sie nur vom Verschwinden gesprochen, der Rest war Mutmaßung. Wenn dem aber so war, würde ich es vermutlich schneller erfahren, als mir lieb war. * Selbe Zeit, Polizeipräsidium „Warum habt ihr diesen gottverdammten Mistkerl nicht hergebracht?! Ihr seid zu nichts zu gebrauchen!“ So ging das jetzt schon seit einer geraumen Weile. Ich musste mich arg zusammenreißen, nicht aus der Haut zu fahren. Ging‘s noch? Was bildete der sich ein? Wir machten den Job schließlich nicht erst seit gestern. „Takayama-San“, nutzte mein Partner eine kurze Atempause und schaltete sich ein. „Wir haben nicht genügend Beweise, Niikura-San einfach hierher mitzunehmen.“ Dais Stimme klang erzwungen ruhig, vermutlich fiel nur mir das leichte Zittern darin auf. Er war genauso sauer wie ich, allerdings hatte er sich eindeutig besser im Griff. Ich war kurz davor etwas zu zerschlagen. Entweder die Kaffeetasse auf meinem Schreibtisch oder etwas anderes. Stattdessen ballte ich meine Hände zu Fäusten, um das unterdrückte Zittern zu verbergen. Es war ja nicht so, dass wir die Tatsache mangelnder Beweise nicht schon unzählige Male wiederholt hatten, aber der Chief wollte es einfach nicht hören. „Schwachsinn! Der Typ ist doch nicht ganz sauber! Detektiv. Pah, dass ich nicht lache! So wie der sich damals hier aufgeführt hat, ist der jetzt alles andere, aber definitiv kein Detektiv.“ Gegen meinen Willen schlich sich ein kleines Schmunzeln auf meine Lippen, allerdings weniger wegen der Beleidigung, sondern wegen der Erinnerung an diesen denkwürdigen Tag vor fünf Jahren, die vor meinem geistigen Auge aufblitzte. Ja, das war ein guter Abgang gewesen. Nichts, was man so schnell vergaß. Und mittlerweile konnte ich es sogar nachvollziehen. Am liebsten hätte ich dem Chief etwas Dementsprechendes an den Kopf geworfen, doch die Stimme meines Kollegen brachte mich in die Realität zurück. „... das sind nicht genug Beweise.“ Dais Geduld schien mittlerweile arg an ihre Grenzen gekommen zu sein, so wie er unseren Vorgesetzten anfunkelte. Der starrte schnaubend zurück. Es war kein Geheimnis, dass Takayama unser Zweier-Team auf dem Kieker hatte, seit wir ihm vor einiger Zeit ordentlich die Meinung gegeigt hatten und uns seither auch selten von ihm etwas befehlen ließen. Dafür putzte er uns bei jeder sich bietenden Gelegenheit runter, ganz zur Schadenfreude unserer übrigen Kollegen. Im Hintergrund bemerkte ich Shiroyamas gehässiges Grinsen, der die ganze Szene interessiert verfolgte. Mein Puls legte gleich noch ein paar Schläge zu. Doch anscheinend hatte Dai gewonnen, denn in diesem Moment wandte sich der Chief wutschnaubend ab, bellte irgendetwas von „Bringt mir Ergebnisse!“, ehe die Tür zu seinem Büro lautstark ins Schloss knallte. Erst nach etlichen Sekunden wagte ich es durchzuatmen und lehnte mich im Stuhl zurück. Mein Partner brauchte einige Augenblicke länger, um sich zu entspannen. Dann ließ er sich stöhnend auf seinen Stuhl fallen und fuhr sich mit der Hand durch die braunen Haare. „Was für ein Arsch“, knurrte er so leise, dass nur ich es verstand. Ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen. „Hast dich gut geschlagen. Ich hätte ihm fast den Hals umgedreht.“ „Hm… aber nächstes Mal bist du wieder dran, gegen den Drachen zu kämpfen, Toshiya. Und meinetwegen brauchst du keine Rücksicht zu nehmen.“ Wider Erwarten entschlüpfte mir ein Lachen, während Dai mir ein Grinsen schenkte. Der nächste Kampf würde vermutlich nicht lange auf sich warten lassen, denn wir waren gestern schon übereingekommen, dass wir Niikura definitiv nicht wegen irgendwelcher fadenscheiniger Begründungen, wie beispielsweise Visitenkarten, herbringen würden. Oder etwas anderem, nur damit Takayama einen Sündenbock hatte, den er vorführen und an dem er seine Laune auslassen konnte. Nachwort: So... dies ist nun Kapitel 2 ^^ So viel passiert ist ja jetzt nicht, oder? Aber ich brauchte es, um nach und nach die Story aufzubauen. Ich merke mal wieder, warum ich sonst eigentlich nur One-Shots schreibe, da muss man nicht so viel aufbauen *lach* hab immer Angst etwas zu vergessen oder irgendwelche Logikfehler einzubauen. Ich hoffe, man sagt es mir, sollte das passieren ^^ Feedback wäre super. Anmerkung: Einfach aufgrund des Leseflusses habe ich „Die“ in „Dai“ geändert. Ich hoffe, das ist in Ordnung für euch :) Liebe Grüße Luna Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)