Bird of Paradise von Dudisliebling ================================================================================ Kapitel 1: Entschluss --------------------- 1Entschluss Ein jung aussehender Mann mit hellblondem Haar, welches in bernsteinfarbenen, hellbraunen Spitzen endete und grellgelben Augen kommt in sein Wohnzimmer, das bunter nicht sein könnte. Überall steht farbenfroher Nippes, Figuren, groß und klein und auch Pflanzen mit üppigen Blüten, verteilt. Dennoch findet hier und da auch ein Möbelstück aus dunklem Mahagoniholz seinen Platz, welches mit roten, edel aussehenden Polstern bezogen war. Der Mann mochte diese Art Prunk und Kitsch gern, hatte zu jedem eine eigene Geschichte. Doch er ahnte von unserem Besuch heute anscheinend nichts, setze seinen in einem Türkisfarbenden Bademantel gekleideten Körper auf die Couch und schlug die Füße an denen rosafarbene Federpuschen sie warm hielten über die Lehne. „Sia?!“, nuschelt die Autorin und blickt zu ihrer Beta. „Meinst du er hat uns vergessen?“ „Normalerweise vergisst er sowas nicht.“, beantwortete sie die Frage. Der Mann regte sich, als hätte er das Fiepen einer Maus gehört und lauschte für einige Sekunden weiter. Dachte er, er habe sich verhört? „Siakoh!“, setze die Beta nach und der Körper zuckte erschrocken auf, setze sich, fast theatralisch wirkend auf die Sitzfläche und stemmte die Handfläche auf seine flache dunkel gebräunte Brust. „Was wollt ihr denn hier?!“, fragte er. „Hast du es vergessen?“, fragte die Autorin, die Augenbrauen zusammenziehend und blickte dann zu ihrer fleißigen Gehilfin der Inspiration. „Er hat es vergessen. Ich hab’s doch gewusst!“ „Sia!“, rügte die Inspirationsgeberin und stemmte die Hände in die Hüfte. „Ich habe dir doch die letzten Wochen immer wieder gesagt, dass wir heute deine Geschichte erzählen wollen!“ „Ach, war das heute?“, tat die Hauptperson der neuesten kleinen Geschichte der beiden Schreiberinnen unschuldig. „Hab ich wohl vergessen.“ „Tze. Kusuri ist da wenigstens zuverlässiger.“ stellte die Autorin einen Vergleich an, der dem Mann nicht gefiel. Seine kurzen Haare stellten sich auf, wie der Kamm eines Hahnes. „Vergleich mich nicht mit dem Eber! Sonst könnt ihr eure Geschichte vergessen!“, drohte er und strich seine Strähnen glatt. „So war das doch nicht gemeint.“, vermittelte das Betalein mit einem Seitenblick zur Autorin und fixierte dann die sonnengelben Augen des Mannes, welche von einem dicken schwarzen Lidstrich umspielt waren. „Nun sei nicht eingeschnappt.“, bat sie liebevoll. „Du magst es doch, wenn du im Rampenlicht stehst.“ „Da hast du recht!“, bedachte der Mann und verschränkte seine Arme nun vor der Brust, warf das eine Bein über das andere und seufzte lächelnd. „Ihr wollt also meine Geschichte hören und aufschreiben?“ „Dafür sind wir hier.“, bestätigte die Autorin und zückte ihr Tablett, klappte dieses auf und setze sich an einen Tisch. In wenigen Handgriffen war sie startklar. „Okay. Leg los!“ „Ich erzähle, wann ICH will.“, schnappte Sia schnippisch und grinste dann frech als er zur Beta sah, in deren Kopf er ab und zu einen Abstecher machte, um sie in den Wahnsinn zu treiben. Er räusperte sich, wippte mit dem Fuß in der Luft und begann zu erzählen: “Mein Name ist Siakoh Diallo und ich bin der Prinz des Paradisvogelstammes der Yokai auf den Aru-Inseln Neuguineas. Wir lebten dort sehr zurückgezogen, als ich in meiner Jugend gelehrt wurde, einmal den Thron zu besteigen. Nun könnte man dies als wahre Ehre bezeichnen, einmal ein ganzes Dorf leiten zu dürfen. Aber ich sah das anders. In vielen Dingen bin ich anders, aber das werdet ihr im Laufe dieser Geschichte hier und da schon bemerken. Unser Dorf war ein wahres Paradies. Nicht umsonst, trägt unsere Gattung diesen Namen. Denn nebst riesigen, dichten Bäumen, die sich in alle Himmelsrichtungen erstreckten und hier und da ihre Wurzeln und Äste miteinander verschlangen und riesige Blüte oder bunte Blätter zur Schau trugen, gab es auch Tiere, die in aller Farbenpracht erstrahlten. So auch mein Stamm. Wir waren in diesem Dschungel die vorherrschende Spezies, konnten sowohl am Boden als auch in den Bäumen leben, die wir natürlich bevorzugten und somit den anderen Wesen eine gewisse Aufgabe zu überwinden gedachten, sollten sie ein Anliegen haben. Wir grenzten uns als höchste und prächtigste Klasse ab und hatten ein Dorf über den Köpfen der anderen errichtet. Unsere Farbpracht äußerte sich durch das strahlend gelbe Gefieder, mit den bronzeartigen Zwischenfedern, den gelben Augen und einem grünen bis türkisenen Kragen. Auch wenn wir gelernt hatten eine „menschenähnliche“ Körperform anzunehmen, blieb immer eine Sache übrig. Bei mir die hellgelbe Farbe meines Haares mit den bronzefarbenen Spitzen und die gelben Augen. Das türkisene Gefieder war mir nur in Form meiner Male geblieben, doch ich griff, mich nach dieser Farbe sehnend, oft zu danach bei meiner Kleiderwahl. Das nächste, was uns auszeichnete war unsere Gabe. Welche das ist? Na was denkt ihr denn? Das Singen natürlich. Klar, wir sind Vögel und die singen... bla bla bla… aber was wirklich unser Steckenpferd war und noch immer ist, ist das Tanzen. Unsere tierischen Vorbilder zeigten es uns. Der Balztanz war einer der wichtigsten in unserem Leben. Jetzt denkt ihr an Liebe und so weiter, nicht? Richtig! Und diese Liebe gab es in unserem Dorf zwischen allen. Egal ob Männlein oder Weiblein. Es war sehr tolerant. Nur bei einem nicht. Na könnt ihr es euch denken? Genau. ICH durfte nur ein Weibchen zur Frau nehmen, war ich doch dafür verantwortlich den Bestand der Königsfamilie zu gewährleisten. Nun was soll ich sagen? Ich war nicht immer der Meinung meines Vaters und dies war unser größter Disput. Ich wollte ihm gerecht werden, sicher. Aber da gab es jemandem, dem ich mich mehr verpflichtet fühlte. Scrootoh. Er war der fleischgewordene Mann meiner dreckigen und sehnsüchtigen Träume. Ein stetiger Begleiter in meiner Kindheit, der mich beschützen sollte. Und wie er das tat. Mit dem Alter hatte er sich dafür den ein oder anderen Muskel zugelegt, der mir mitunter den Atem nahm. Heimlich hatte ich mich um die Mauern aus Ästen geschlichen und ihn beobachtet. Gott, wenn ihr ihn nur hättet sehen können. Wie sein Schweiß in der Sonne glitzerte, aus den Strähnen seiner türkisenen Haare abwärts tropfte, nur um dann über seine glatte Brust zu perlen...” “Sia... Nicht abschweifen!”, rügte die Beta und ergriff den Bademantelkragen des Erzählenden. “Oh Mann. Ich glaube wir geben ihm ein paar Minuten oder?” “Nein, nein! Es geht schon wieder.”, räusperte sich der Paradiesvogel, streifte liebevoll die Hände der Beta ab, um sie in seine zu nehmen. “Aber da werde ich immer nostalgisch.” “Wie wäre es dann mit der Erzählersicht? Vielleicht hilft das?”, schlug die Autorin vor. “Nein, ich erzähle weiter. Wenn ihr wollt, tanze ich es euch in Buchstaben!” “Nicht nötig!”, lehnten die Damen im Chor ab. “Okay, dann weiter, Ladys!”, verkündete der Yokai grinsend, schob die Beta von sich und streckte sich elegant in eine tänzerische Anfangspose, um seinen Blick lasziv in die der Leser zu werfen. “Als ich Scrootoh wieder einmal so beobachtete. Immer wieder. Da fing er irgendwann meinen Blick auf. Mein Herz schlug augenblicklich schneller und ich beobachtete, wie er sein Trainingsgerät zur Seite legte, aufstand und zu mir kam. “Kann ich euch helfen, Prinz?”, fragte er und ging vor mir in die Knie. Es gab einen gewissen Codex, der dies von ihm verlangte. Egal wie lange wir uns bereits kannten, egal wie viel er von mir wusste. Er musste es tun. “Ich habe dir nur zugesehen, Scroo.”, antwortete ich und hob meine Hand in seine Richtung, um ihm aufzuhelfen. Er ergriff sie und stellte sich zu seiner vollen Größe auf. Er war gut einen Kopf größer als ich und doppelt so breit. An seine Schulter wollte ich mich zu gerne klammern. “Gefiel euch mein Training?”, lächelte er und entfernte seine Hand von der meinen, die ich instinktiv gehalten hatte. “DU hast mir gefallen.”, rutschte es mir heraus. Doch Scrootoh begann zu grinsen, hob seine Hand an meine Wange und streichelte mit dem Daumen einmal über meine Lippen. Meine Augen weiteten sich, denn ich spürte, dass dies ein Beweis dafür war, dass ich ihm mehr bedeutete, als nur das Objekt seines Schutzauftrages zu sein. “Ihr verpasst Eure Verlobungsanwärterin.”, erinnerte er mich an den Teil dieses Tages, den ich am liebsten hätte sausen lassen. Vater dachte, dass er mich damit herumkriegen würde. Doch ich würde heute nicht Tanzen. Für niemanden würde ich je tanzen, wenn es nicht Scrootoh war. Das hatte ich mir fest vorgenommen. “Ich würde die Zeit lieber mit dir verbringen.”, grinste ich verschwörerisch und brachte nun mein Gegenüber dazu seine Augen zu weiten. “Kommst du heute in mein Zimmer?” “Prinz, es wäre nicht gut sich die Hände zu verbrennen.”, riet er und nahm einen Schritt Abstand. Mein Blick glitt über seine nackte Brust und den Bund seiner Haremshose. “Dafür würde ich durchs Feuer gehen.”, antwortete ich süffisant grinsend und drehte mich zum Gehen. “Du weißt, dass du derjenige bist, für den mein Herz schlägt.” “Das weiß ich, Prinz. Dennoch wird diese Gewissheit nichts daran ändern. Ihr seid der Prinz und ich ein Nichts.”, antwortete er und zerschlug mit diesen wenigen Sätzen meine Hoffnungen. “Das lässt sich ändern.”, wisperte ich. “Nein.”, erwiderte Scrootoh niedergeschlagen, aber bestimmt. “Bitte vergiss es. Nur für diesen Augenblick und zeig mir, was du tätest, wenn wir auch in deinen Augen gleich wären. Denn in meinen sind wir es!” Wie immer verfehlten meine Worte ihre Wirkung nicht, denn sofort spürte ich Scrootohs Hand an der meinen und wie er mich mit sich riss. Er zog mich über den Weg aus Holz, der diesen Teil des Hauses mit dem nächsten verband und sprang dann einfach zwischen den Ästen hinab. Wir hatten dort eine Art Versteck zu dem man nur fliegend gelangte. Im freien Fall breiteten wir unsere Flügel aus, die wir nur durch eine Verwandlung erlangten und setzen sanft auf einem kleinen Ast auf, der zu einer Baumhöhle führte. Da die Bäume in diesem Teil des Dschungels riesig waren, besonders der Königsbaum, gab diese Höhle uns genug Platz um aufrecht stehen zu können. Noch ehe ich mich’s versah schob Scrootoh mich in das Dunkle, ergriff mit beiden Händen meinen Kopf und presste seine Lippen auf die meinen. Meine Augen schlossen sich und ich klammerte mich an seine Unterarme. Während ich völlig in dem Kuss versank, dachte ich daran, wie oft wir uns hier schon geküsst hatten. Das erste Mal, nachdem ich ihm sagte, dass ich ihn wollte. Er hatte nicht komisch reagiert, sondern nur wegen unserer Stellung gehadert. So wie er es immer tat, bis ich ihn herumkriegte und er mit mir hierher flüchtete. Doch mehr als diese heißen Küsse und einigen Berührungen gestand er mir dann doch nicht zu. Er würde keine weitere Regel des Könighauses, also meines Vaters, brechen. Er war schlicht mein Untergebener, ich sein Prinz. “Lass uns fliehen.”, keuchte ich auf seine heißen Lippen. “Das kannst du nicht. Du bist der einzige Erbe.”, antwortete er und hob seine bronzenen Augen. “Nur weil mein Alter keine weiteren Kinder gezeugt hat.”, schimpfte ich und sah gespielt gen Himmel. “Ich will dieses Leben nicht.” “Du kannst das nicht entscheiden.”, zerschlug er wieder all meine Hoffnung. Wollte er mich überhaupt so sehr wie ich ihn? Genervt schob ich ihn von mir und schritt aus der Baumhöhle, ließ meine Schwingen erscheinen und hob sie empor. “Sia!”, hörte ich seine Stimme und hielt inne. Nur in seltenen, ernsten Situationen nannte er mich beim Namen. “Ich will dir nicht dein Leben nehmen.” “Ist es denn ein Leben, wenn ich gefangen bin, wie ein Vogel im Käfig?” fragte ich zurück, sah ihn an und schlug meine Schwinge. Es verletzte mich, dass er erst handelte, wenn ich im Begriff war zu gehen. Doch es kräftigte auch meinen Entschluss. Den Entschluss dieses Dorf und somit meinen Posten als Prinzen zu verlassen. Ich würde mit Scrootoh gehen, weit weg! Kapitel 2: Neue Wege -------------------- 2 Im Thronsaal meines Vaters, traf ich sowohl auf ihn, als auch auf eine junge, kurvige Frau mit langem, grünlich-braun schimmerndem Haar. Ihr Blick flog zu mir, als ich zum König ging und dieser die Arme ausbreitete. Er wollte so tun, als würde er sich über meine Ankunft freuen, was er sicherlich tat, weil er gefürchtet hatte, ich würde es gar nicht erst tun. Ach, wie richtig Vater damit doch gelegen war. Und ich war auch nicht wegen dieses Mädchens hier, dass er mir augenscheinlich als Gemahlin ausgesucht hatte und vorstellen wollte. Ich war hier, um ihm zu sagen, dass ich nicht heiraten und das Dorf verlassen würde. Ich hatte mich entschieden. Scrootoh und ich würden gehen. Weit weg und dort ein gemeinsames Leben haben. So wie wir es wollten. Wir. Uns. Gemeinsam.“ „Moment.“, ging die Autorin fragend dazwischen und ließ die Finger kurz ruhen, die zuvor über die Tastatur des Tabletts geflogen waren. „Du wolltest mit Scrootoh fliehen, hast aber vorher nicht mit ihm gesprochen?“ „Wenn die Dame mich mal ausreden lassen würde, dann wüsstest du wie ich mir das gedacht hatte.“, rügte der Vogelyokai und stand von seiner Couch auf. Eine unheimliche Stille legte sich in den Raum und auch die Beta spürte, dass der Mann diese Pause auskostete. Sei es, weil er es dramatisch gestalten wollte, oder er sich genau entsinnen mochte. Vielleicht war es aber auch seinen Gefühlen zuzuschreiben. „Bereit?“, fragte er am Ende seiner Pause und die Autorin nickte ihm zu. „Schön dich zu sehen.“, sagte mein Vater und schlang seinen kräftigen Arm um meine Schultern, um mich an sich zu ziehen. „Ist das nicht eine wundervolle junge Frau? Ich habe mit ihr geredet und sie ist außerordentlich gescheit. Sie freut sich dich kennenzulernen.“, plapperte er aufgeregt. „Kann sie das nicht selbst sagen oder warum bewirbst du sie so sehr?“ „Siakoh, mein lieber Sohn und Prinz dieses Volkes,“, betonte er diese Wortwahl besonders, um mir meinen Stellenwert aufzuzeigen. „sei doch nicht gleich so kritisch. Sieh sie dir doch erst einmal an“ schlug er vor und schob mich näher zu der Frau. „Vater, ich will dir etwas anderes mitteilen.“, ging ich dazwischen. Doch mein Vater hatte einen eigenen, strengen Willen, den er gedachte mir aufzuzwingen. „Nun...“, brummte er, presste seine krallenbesetzte Finger leicht zwischen meine Schulterblätter, da er wusste, dass diese Stelle heftige Schmerzen verursachte. „... dies ist Kaliah, die Tochter meines Beraters.“ „Es freut mich sehr, Siakoh.“, neigte sie ihr Haupt und breitete ihren goldschimmernden Rock aus, während sie knickste, wie es sich gehörte. „Ja, ja, Schätzchen. Jetzt nicht!“, wies ich sie ab und wedelte mit der Hand, während ich mich aus dem Griff meines Vaters wandte. „Vater, ich werde gehen!“ „Was?!“, fragte er überrascht und weitete seine gelben Augen. „Du bist der Prinz und morgen soll deine Hochzeit stattfinden!“ „Na schön!“, jauchzte ich ironisch auf und hob die Hände, die ich schlussendlich verschlungen in meinen Armen vor der Brust verschränkte. „Wie nett, mir das heute zu verkünden! Aber du bist zu spät!“ „Siakoh!“, spuckte Vater meinen Namen. „Wenn es an mir liegt...“, begann das Mädchen neben mir und ich warf ihr einen genervten Blick zu. „Mädchen! Es liegt nicht an dir. Aber so wie du dich gibst und wie du aussiehst, kann ich mich tausendmal besser kleiden und verhalten. Deine Erscheinung ist hübsch, du magst schlau sein, aber dafür hege ich kein Interesse.“, erklärte ich und hob die Hand in Höhe meiner Brust und signalisierte, dass sie mir als Frau zuwider war. „Was erlaubst du dir, du Bengel!?“, schrie Vater hell wie eine Glocke. Obwohl er erbost war, so klang seine Stimme herrlicher als jeder Vogelgesang. „Ich breche aus, Vater!“, stellte ich klar und richtete mich zur vollen Größe auf. Mein Kopf kribbelte, da sich die braunen Enden meiner Haare aufstellten. „Ich werde mit Scrootoh von hier fortgehen!“ „Tze! Was willst du woanders?! Du hast hier eine Aufgabe, wirst das Dorf mit deinem königlichen Blut und deinem Wissen begleiten und Kaliah wird dir ein paar kräftige Söhne gebären, die dann deinen Platz einnehmen werden!“ „Dann heirate du sie doch und bekomme andere Söhne!“, antwortete ich darauf und drehte mich weg. „Ich werde hier nicht bleiben!“ „Siakoh!“, rief Vater erzürnt, so dass die Blätter der Bäume begannen zu rauschen. „Wenn du jetzt gehst, darfst du nie mehr ins Dorf zurückkommen!“, erklang die höchste Regel unseres Volkes. Wer einmal ging, der durfte auch nie mehr zurück. Mit diesem Wissen, schloss ich meine Augen und ging aus dem Raum. Ich lauschte noch dem Schrei meines Namens, doch ich hatte meinen Plan im kopf. Scrootoh finden, ihn mitnehmen und nie wiederkommen. „Du hast was?“, fragte er so laut, dass es in unserer Höhle schallte. „Bist du von Sinnen?“ „Ich habe es für unsere Zukunft getan!“, stellte ich sicher. „Damit du endlich vergisst, wer ich bin und mich endlich nimmst.“, schnurrte ich und legte die Arme um ihn. Doch Scrootoh schob seine Hände zwischen uns und drückte mich an der Brust von sich. „Du gibst zu viel auf. Wenn du das tust, dann kannst du nie mehr zurück.“, erklärte er mir dieselben Worte wie mein Vater. „Das ist mir egal!“, bekräftigte ich und zog ihn zu mir. „Ich will es, damit wir glücklich werden!“ „Siakoh!“, wollte er eingreifen und wehrte sich nicht, als ich ihm meine Lippen aufdrückte und ihn küsste. Wir küssten uns inniger und inniger, es war berauschend. Am Ende gab er nach und wir verabredeten uns auf einem der niederen Äste. Er wollte es als Zeichen meines Willens erst sehen. Ob ich mich traute das Dorf hinter mir zu lassen. Auf den niederen Ästen wäre dies der Fall und dann würde er nachkommen. „Ich ahne es...“, murmelte die Beta und schloss, Lippen schürzend, die Augen. „Was, Schätzchen?“, lächelte der Mann, der sich langsam wieder auf die Couch sinken ließ. Man sah seinen Augen an, wie sehr ihn dieser Teil seiner Geschichte schmerzte. „Er ist nicht gekommen?“, fragte die Autorin und Sia schloss seine Augen. „So ist es. Ich wartete einen ganzen Tag auf ihn, aber er kam nicht. Schmerzlich und voller Liebe zu ihm, hatte ich schlussendlich das Dorf verlassen. Hatte auf ihn gewartet und er war nicht gekommen. Ich hatte ihm nicht genug bedeutet.“ „Was hast du danach getan? Du konntest ja nicht zurück.“, fragte die dunkelblonde Frau im Raum und schaffte es den Mann aufblicken zu lassen. „Ich ging in die Welt hinaus und war geschockt wie hässlich sie war. Nachdem ich den Dschungel und all meine Träume und Wünsche hinter mir gelassen hatte, erkannte ich, dass es nicht nur Yokai und Tiere gab. Ich hatte zwar einmal von en Menschen gehört, doch sie hatten sich uns nie gezeigt. Wir trugen zwar dasselbe Aussehen, doch als ich zum ersten Mal einen Menschen sah, war ich überrascht. Er schrie wie ein Schwein und rannte aufgeregt hin und her, bis ich meine Flügel verschwinden gelassen hatte und auf den wimmernden, am Boden knienden Mann sah. Er schob mir einen Korb mit Obst vor die Füße und zitterte am ganzen Leib. Erstaunt hob er den Blick, als ich ihn ansprach und er mich verstand. Eine Gabe, die viele unserer Gattung besaß war diese, die Stimmen und Sprachen imitieren und unglaublich schnell lernen zu können. Wir mussten nur wenige Worte hören und konnten diese erfassen. Er führte mich in sein Dorf und lud mich ein bei ihm zu leben. Ich hatte eigentlich anderes im Sinn, aber es gefiel mir, wie sie an mir interessiert waren. Nicht an meinem Posten oder meinem Stand. Sondern an meiner Kleidung, meinem Aussehen und meiner Stimme. Ich blieb einige Monate und die Frauen und Kinder lauschten am Abend einigen Liedern, die ich zu singen begonnen hatte. Zudem brachten sie mir Lieder bei und an so manchen Abend tanzten wir um ein Feuer herum, sangen und lachten. Es war ein schönes Leben.“ „Bis?“ „Gott, du bist wirklich unverschämt ungeduldig, liebes Schreiberlein!“ „Ich spüre nur das Drama nahen.“ „Dafür hat sie ein Gespür.“, stimmte die Beta zu, welche selbst schon spürte, dass sich dieses Blatt wendete. „Ihr seid wirklich gut, Ladys.“, musste der Yokai zugeben und lehnte sich auf die rechte Armlehne, schlug die Beine auf die Sitzfläche und lag nun dort wie bei einer Therapiesitzung. „Eines Abends wurde das Dorf überfallen. Die „zivilisierten Menschen“, wie sie sich nannten, brannten alles nieder. Ich hatte eines der Mädchen retten können und war mit ihr fortgelaufen. Leider war sie beim Angriff verletzt worden und blutete stark aus dem linken Bein. „Ich werde dir helfen.“, versprach ich und trug sie weiter. Wir brachen durch den Wald, ich verlor den Halt und stolperte einen kleinen Abhang hinab. Mein Körper umfasste das Mädchen und ich versuchte sie vor weiteren Wunden zu schützen. Als wir liegen blieben beugte ich mich über sie. Ihr Blick war glasig. „Sia, du schönster aller Paradiesvögel.“, säuselte sie. Ich spürte ihre Aura schwinden, hörte ihr Herz langsamer schlagen. „Ich bin hier. Halte noch etwas durch. Ich suche einen Arzt.“, bat ich sie und zog sie auf meine Arme, lief wieder los. „Ich werde sterben.“, wusste sie und ich riss die Augen auf. „Bitte lass mich sie nur einmal sehen.“ „Was?“, fragte ich atemlos und hielt an. Vorsichtig ging ich in die Knie und legte sie auf meinen Beinen ab. Ihre braunen Augen hoben sich zu meinen und ihre Erwartung war förmlich zu spüren. „Alle erzählten sich, dass du Flügel besitzt. Ich habe mir immer gewünscht diese zu sehen.“ „Du willst meine Flügel sehen?“, erfasste ich, sah ihr schwaches Nicken. Sie konnte schon nicht mehr antworten. Ihre Seele schwand aus ihren Augen und so gab ich ihrer Bitte nach. Leuchtend wie die Sonne, stachen die federn aus meinem Rücken empor und bildeten die kräftigen Schwingen, die mein Yokaidasein mit sich brachte. Sie verliefen von einem satten Gelb, über eine Art goldigen Schein ins Bronzefarbene, ebenso, wie es bei meiner Haarfarbe war. Ich schob die Flügel um uns herum, als würde ich sie damit halten wollen. Ihre Augen betrachteten den Schein, bis sie plötzlich starr blieben und ihr Geist den Körper verließ. Sie war gestorben und ich hatte mein Versprechen nicht halten können. Die Schuld schlug sich ins Unermessliche. Es war ein unerträgliches Gefühl, welches ich bis dahin nie verspürt hatte. Es war anders als die Wut, die ich mittlerweile auf Scrootohs Verrat hegte. Es war ein Hass auf mich selbst. Dass ich als Prinz und zukünftiger König meines Volkes zwar das Sagen gehabt hätte, aber nicht einmal die Kraft und das Wissen hatte, dieses Menschenmädchen zu retten. Ich wusste nichts, konnte nichts außer tanzen und herrschen. Beides Dinge, die ich nicht wollte. Nie mehr. Ich wollte nicht zur Balz tanzen, weil dies mich nur geschmerzt hatte. Ich wollte nicht mehr tanzen, weil diese Menschen, denen es so gefallen hatte, nun alle tot waren. Aber mein Geist formte einen anderen, neuen Gedanken. Eine Aufgabe, der ich mich annehmen wollte. Ich wollte dieses Geschehen als Warnung nehmen. Auch wenn ich nun nichts hatte tun können, so würde ich alles daran ändern. Ich würde die Medizin erlernen, die dafür nötig war und würde so schützen, wen es zu schützen galt. Wenn ich schon solche Schmerzen in mir besitzen musste, so wollte ich jeden anderen davor schützen. Es war eine naive Denkweise, ich weiß. Und mir wurde dies ziemlich schnell klar, als ich mithilfe meiner letzten Schmuckstücke den Kontinent wechselte. Am Festland war ich über die Veränderungen der Gegend weniger überrascht als von den Menschen. Es war als würde man von Dorf zu Dorf und von Stadt zu Stadt andere Sitten und Gebräuche haben. Mir wurde schmerzlich, ja fast krankhaft bewusst, was ich alles nicht wusste und wie wenig es war, das ich wusste. Zu meinem Glück, wenn man das so nennen darf, war es die Zeit eines nahenden Krieges, welche mir in die Karten spielte. Ein jeder Streuner wurde gerne für die Armee genommen und recht gut ausgebildet. Mein wahres Sein verbarg ich natürlich ausdrücklich. Doch ich spürte dennoch hier und da die Präsenz eines anderen Yokai, dessen Blick dann zu mir flog. Wissend, dass ich ebenso ein dämonisches Wesen war. Selten kam es dazu, dass man mit mir darüber sprach. Denn es gab den Kodex, dass man sich zu verstecken gedachte, um so wenig Aufmerksamkeit wie möglich zu erregen. Einmal erklärte mir einer der Yokai, warum dies so war. Die Yokai gehörten zur Minderheit. Es war unsere Aufgabe uns geheim zu halten. Unsere Kräfte und Gaben, wenn möglich das Aussehen. Ich war damit einverstanden, meine Schwingen zu bedecken und nicht auszubreiten. Aber mein Aussehen würde ich nie ändern. Ich war stolz auf mein Äußeres, pflegte es, so gut ich konnte. Damit kamen wir zu dem zweiten, was mich in der neuen Welt am härtesten traf. Die Erkenntnis darüber, dass Toleranz wohl nur in dem Dorf meiner Geburt geherrscht hatte. Ich hatte diese Tatsache damals als normal empfunden, sie nicht einmal richtig angenommen. War eingeschnappt und kindisch gewesen, weil Vater es mir nicht erlaubt hatte. Dass er mir das Privileg auf Toleranz der Liebe genommen hatte. Aber in dieser Welt, außerhalb meines Dorfes hatte ich erkannt, dass dies genau das war, was überall war. Niemand tolerierte die Liebe zwischen zwei Männern. Eine Sache, die ich nun ebenfalls zu lernen wusste. Aber glaubt mir, Ladys. Deshalb war dies nicht gänzlich aus der Welt. Gerade in der Kriegszeit gab es die ein oder andere körperliche Liebe zwischen Kameraden. Wenn der Druck und die Sehnsucht zu der Frau zu groß wurden, verguckte sich der ein oder andere in einen seiner vertrauten Kameraden. Auch ich hatte mich das ein oder andere Mal den Liebesuchenden hingegeben. Meine Erscheinung wirkte auf die anderen. Ich wusste mich einzusetzen. Aber am Ende machte mich das alles nicht glücklich. Der Krieg zog ins Land. Ich sah so viele Tote, wie ich es in meinen Alpträumen nie erahnt hatte. Auch wenn ich half, mich gut als rettender Mediziner tat, so war der Tod doch allgegenwärtig. Er vergiftete meine Gedanken und zog sie in einen Sog des Vergessens. Ich war dabei, mich selbst zu verlieren. Zu vergessen, wer ich war. Das Leben, der Kampf, die blutenden Wunden, die sterbenden Körper ließen mich vergessen. Als der Krieg zu Ende war, wurden wir wie Hunde fortgejagt. Ich wandelte durch die Städte, hungerte ab und zu und fand doch keine Bestimmung. Mein medizinisches Wissen half mir nun nichts, denn man stellte keine Pfleger ein, nur Schwestern. Auch wenn ich manchem Weib näher war, als den Männern, so bezog man sich eben auf das Geschlecht, welches ich besaß. Doch eines tat dies nicht. Durch einen Zufall geriet ich entkräftet vor solch eine Tür. Es war Winter und es hatte geschneit. Schnee war etwas, was mich überrascht hatte und an das ich mich nie gewöhnen würde. Niemals! Es war einfach zu kalt. Genauso wie Eis. Die Tür bot etwas Schutz vor der Kälte und ich presste mich an das Holz. Leider gab dieses nach und ich fiel wie ein gefrorener Stein in das Innere und damit auf ein paar Schuhe. „Oh, wer bist denn du?“, fragte eine tiefe Stimme und als ich meinen Blick hob, erkannte ich zwar einen Mann, der doch keiner zu sein schien. Er trug ein elegantes langes Kleid und einige Federn um seine Schultern geschlungen wie ein schal. „Bist du ein Penner?“ „Nei...”. antwortete ich und begann zu husten. Ich hatte mich wohl erkältet. „Oh Darling. Komm doch erstmal rein! Ein heißer Tee wird dir helfen!“, bot der Mann an und zog mich am Arm auf die Beine. „Du bist ja eiskalt.“, hörte ich ihn wispern und spürte die Schwäche meiner Beine. Es wäre, als würde ich am Ende eines langen, harten Kampfes endlich zu meinem Frieden finden. War der Gedanke verwerflich, darauf zu hoffen in den sicheren Hafen einzukehren? Kapitel 3: Tanzen ----------------- 3. Als ich erwachte fühlte ich mich schwer wie ein Stein und spürte die Last der Decken, die auf mir lagen, meinen Körper wärmten. Meine Augen hoben sich durch den Raum und sahen Buntes, hier und da. Ich war alleine, dort war eine Tür. Ob ich einfach verschwinden sollte? Was würden diese Menschen von mir wollen? Der Mann mit dem Kleid kam mir in den Sinn. Wie schön er gewesen war. Nach außen hin betörend und verführerisch. Doch was war da innerlich? Verkleidete er sich, so wie ich es tat, um nicht aufzufallen? Nein, das konnte nicht sein. Die Farbe des Kleides war rot, die Federn weiß wie der Schnee, der vom Himmel geschwebt war. Dieser Mensch wollte auffallen. Ob es dafür einen Grund gab? Ich erkannte ein altes Gefühl wieder, die Neugierde. Was war das für eine Welt, in die ich hier gestolpert und ohnmächtig hineingeglitten war. Es fühlte sich an, als würde ich an einem Wendepunkt stehen. Auch wenn ich noch nicht viel gesehen hatte, außer diesem verkleideten Mann. So stellten sich meine Haare vor Neugierde und Aufregung auf. Die Tür sprang auf und ich hörte das Klappern eines Löffels, welcher auf der Untertasse schwang und dabei die Tasse im stetigen Rhythmus berührte. „Oh, du bist wach? Sehr gut. Ich dachte, ich muss heute noch eine Leiche verschwinden lassen.“, plapperte die reife Stimme, die ich als den Mann wiedererkannte. Sein Gesicht tauchte vor meinem auf, als sich seine Hand auf meine Stirn platziere. „Wie geht es dir?“ „Wo bin ich?“, fragte ich und musterte die blaugrauen Augen des Mannes. Sie waren von einer rötlichen Farbe umgeben, die auf sein Lied aufgetragen worden war. Er sah ein wenig aus wie ein Yokai aus alten Zeiten, dachte ich kurz. „Du bist bei mir Zuhause. Ich habe gerade Feierabend gemacht.“ „Du arbeitest hier?“ „Ja. Aber sei unbesorgt. Dich hat hier niemand gesehen.“, lächelte er und wog mich in Sicherheit. „Sag, wie heißt du?“ „Wie heißt du?“, gab ich eine Gegenfrage als Antwort. „Uh... Du tust geheimnisvoll. Na gut. Mein Name ist Manolo und ich bin der Besitzer dieser Bar.“, erklärte er sich mit einem Lächeln. „Ich habe dir einen Tee mitgebracht. Du warst völlig ausgekühlt, als ich heute Abend aufsperrte und dich auf meinen Schuhen wiederfand. Verträgst du die Kälte nicht?“ „Ich bin sie nicht gewohnt.“ „Kein Wunder!“, rügte er halb. „Du trugst lediglich eine Uniform eines Sanitäters einer Einheit, die seit zwei Jahren nicht mehr im Krieg ist.“ Die Vergangenheitsform, als er mir erklärte, dass ich seit zwei Jahren ziellos auf der Straße umherwanderte, ließ mich meine Haut ergründen. Die dicken Decken hatten es mich nicht fühlen lassen, aber ich war splitterfasernackt darunter. „Wo ist meine Kleidung?“ „Entschuldige. Aber die habe ich entsorgt.“, gestand er. „Was fällt dir ein?“, brummte ich mich aufsetzend und fiel halb zurück. Manolo schob blitzschnell seinen Arm um meinen Rücken und stütze mich. „Langsam. Du hast eine starke Erkältung. Ruh dich aus!“, flüsterte er beruhigend auf mich ein. Die Kraft in seiner halben Umarmung ließ meine Haut kribbeln. Mein Herz schlug pochend. „Ich habe Kleidung für dich vorbereitet. Die kannst du geschenkt haben.“ „Warum tust du das?“, wollte ich wissen. Es war mir unbegreiflich. „Ich war einmal in einer ähnlichen Situation. Es tut mir einfach weh, jemand anderen leiden zu sehen. Ich hab ein weiches Herz.“, erklärte er lächelnd und nahm die Tasse Tee zur Hand. „Trink etwas. Danach schlafe noch.“ Vorsichtig nippte ich an der Tasse, spürte die heiße, kräutergetünchte Flüssigkeit. Der Tee schmeckte und wärmte mich von innen. Manolo nahm die Tasse von meinen Lippen und stellte sie auf dem Tisch ab, bevor er mich langsam auf das Kissen zurücklegte. Mit einem beherzten Griff schob er die Decke bis unter meine Nase. „Schlaf gut, Namenloser!“, lächelte er. Sein dunkelbraunes Haar, war auf einer Seite kurz geschoren, auf der anderen Scheitelseite länger bis zum Kinn gehalten. Er erhob sich und drehte sich zur Tür. Einem Impuls folgend schnappte ich mir seine Hand. Sein Blick wanderte noch einmal zu mir, fragend und geduldig wartend. „Siakoh. Ich heiße Siakoh Diallo.“ Sein Lächeln, als er sich abwandte und den Raum verließ, verfolgte mich noch in meinen Träumen, die mich heimsuchten, als ich tief und fest schlief. Die Erkältung knockte mich komplett aus. Außer der kurzen Besuche von Manolo, der ein komischer Kauz zu sein schien, schlief ich drei Tage durch, bis ich endlich aufstand. Als ich meine Beine aus der Decke befreite und über die Kante des Bettes schob, hörte ich Manolos Schritte auf den Dielen vor der Zimmertür. Kurzerhand schob ich die Decke über meine nackten Lenden und erfasste schon den überraschten Blick meines netten Pflegers. „Oh! Willst du aufstehen?! Ich hab doch gesagt, du sollst nach mir rufen, wenn du dich sicher genug dazu fühlst. Heute habe ich frei!“, plapperte er, kam auf mich zu und reichte mir seine Hände zur Stütze. Ich musterte diese und sah in seine freundlichen, graublauen Augen. „Ich wollte mich erst anziehen.“, machte ich auf meine Nacktheit aufmerksam. „Ach so?“, fragte er und hob die rechte Hand vor seine Lippen und zwinkerte mir einmal zu. Er schien wie eine Frau, die eine Show verführte. „Schämst du dich? Wie süß!“ „Das... äh...“, ich war kurz sprachlos. Was war mit diesem Kerl nur los, fragte ich mich. „Du musst dich nicht schämen. Ich habe schon viele Männer nackt gesehen und bin doch selber einer. Nur keine falsche Bescheidenheit.“, erklärte er und ging dann zu einem Stuhl, auf dessen Lehne einige Kleidungsstücke hingen. „Das habe ich dir herausgesucht. Du bist ja sehr schlank und androgyn. Zum Glück!“ „Danke?!“, nuschelte ich, als er mir die Kleidung gab. Sie bestand aus einem Slip, Socken, ein paar schwarzen Schuhen, schmalen, schwarzen Hosen, einem Hemd und Hosenträgern. Ich begann sofort damit mich zu kleiden und kam nicht umhin, die musternden Blicke Manolos zu erkennen. „Na, doch zu neugierig?“ „Ach, manchmal kann ich einfach nicht wegsehen!“, gestand er und holte einen Standspiegel aus einer der Ecken, um ihn vor mich zu schieben. „Dein Hautton ist so exotisch.“ „Da wo ich herkomme haben diesen Ton alle.“, erklärte ich, dass ich nichts Besonderes war, was eine reine Lüge war. Aber dieser Fremde musste ja nicht alles von mir wissen. „Wirklich toll!“, freute er sich. „Die Kleidung steht dir!“ Musternd hob ich den Blick in den Spiegel und rückte die Hosenträger über meinen Schultern zurecht. Ich war wirklich sehr schmal geworden. „Hast du Hunger?“, fragte Manolo und sah zur Uhr. „Lass uns ausgehen!“ „Aber ich...“, griff ich ein und wurde schon am Ellenbogen gepackt. „Mach dir darum keine Gedanken! Lass uns etwas Spaß haben. Morgen muss ich wieder arbeiten!“, plapperte Manolo weiter und schob mich zur Tür hinaus. Mich erwartete ein greller Korridor in einem satten Rot an dessen Wände bunte Bilder von Blumen aufgehängt war. Es war fast schrecklich für meine Augen, aber sie regten eine Erinnerung in meinem Inneren. Dieses Bunte, Knallige. Es war wie im Dschungel. „Es ist etwas kitschig.“, entschuldigte sich der junge Mann und schob seine Haarsträhnen hinters Ohr, die sofort zurück nach vorne fielen. „Es ist wundervoll!“, wisperte ich und Manolo lächelte. Wir gingen weiter und kamen durch eine kleine Küche in einen Raum, aus dem ich schon einige Meter zuvor laute Musik gehört hatte. Ein Grammophon schmetterte einen melancholischen Song. Der Raum war verrucht, es wurde geraucht und der Qualm zog überall dicke Schwaden. Auf dem Boden erkannte ich eine dunkle Plattform, die einen halben Meter hoch war und in einem roten Samtvorhang endete. Ich hatte solche Etablissements selten besucht, seit ich aus der Armee entlassen worden war. „Gefällt es dir?“, hörte ich Manolo neben mir, der bemerkt hatte, dass ich stehen geblieben war. „Catarina müsste gleich auftreten.“ „Catarina? Ist dies ein Freudenhaus?“, sprach ich meine erste Vermutung aus. Manolo neigte überlegend den Kopf und nahm meine Hand, um mich aus dem Raum zu ziehen. „Willst du nicht antworten? Das lässt mich nur die Wahrheit sehen.“, hielt ich ihm das Offensichtliche vor. „Du hast recht.“, gab er zu und ließ meine Hand los, als er einen gigantischen Mantel aus Bärenfell zu sich zog. „Hm. Wolf steht dir sicher besser.“, brummte er überlegend und nahm einen weiteren Mantel aus einem Schrank der sich unter der Treppe verbarg. „Hier!“ „Danke.“, brummte ich und zog das grauweiße Kleidungsstück an. „Dann bist du ein Stricher?“ Manolo seufzte schwer, warf sich den schwarzen Bären um und schlüpfte in die Ärmel, bevor er antwortete: „Auch da hast du recht.“ „Dann kommen auch Frauen hierher?“ „Na, wo denkst du denn hin?“, grinste er und öffnete die Tür nach draußen. Die kühle Luft umspielte augenblicklich meine Füße an denen ich meine schwarzen Halbschuhe trug. „Hierher kommen nur Männer.“ Überrascht riss ich meine Augen auf und folgte seiner Körperhaltung, die mich hinaus bat. Wie sollte ich mich nun verhalten? Manolo sprach so offen von seiner Tätigkeit. War es für ihn in Ordnung dieses Detail jedem auf die Nase zu binden? „Bist du überrascht? Ich dachte in dir auch einen guten Liebhaber erkannt zu haben.“, schmunzelte er und ging durch den knöchelhohen Schnee. Ich folgte ihm und schürzte die Lippen. Meine vorlaute Art wollte ausbrechen. Sollte ich es wagen? „Sicher, bin ich das!“, gab ich meiner Sehnsucht nach. Wann hatte ich nur vergessen so zu sein, wie ich es wollte. „Oh, du scheinst sehr von dir überzeugt zu sein. Das gefällt mir!“, freute sich Manolo und meine Schritte blieben aus. Ihm gefiel wie ich war? „Hm?“, fragte er und blieb einige Meter von mir stehen. „Na komm!“ Von diesem Tag an waren Manolo und ich immer zusammen. Er vermittelte mir einen Arbeitsplatz in der Bar, die zu meinem Zuhause wurde. Er teilte sein Schafzimmer mit mir und manchmal, wenn der Tag lang gewesen und seine Kunden nicht nett waren, kroch er sogar in mein Bett. Manolo war größer als ich, umschlang meistens mich, anstatt meine Arme ihn. Doch das gab ihm Halt und etwas, was ihm fehlte. Und auch ich hatte durch ihn etwas zurückgewonnen, was mir gefehlt hatte. Mein eigenes Ich. Manolo hatte anfangs darauf bestanden, dass ich hinter der Bar die Drinks ausschenkte. Er wollte nicht, dass ich mich wie er und die anderen zur Schau stellte. Er war der einzige Mann hier, aber von einer Gabe der Verwandlung gesegnet, sodass er vollkommen zu einer Frau wurde. Er hatte eine Art kleine Show einstudiert und sang eines der Lieder mit, die das Grammophon oder auch das Radio schmetterte. Weibliche Stimmen untermalten nun seine, kräftige aber melodische Stimme. Ich interessierte mich immer mehr dafür, hatte meine Stimme immer für mich behalten. Niemand wusste, dass ich ein guter Sänger und Tänzer war. Aber an einem Abend, als wir dran waren, den Raum zu säubern, da allesamt Kunden bedienten und ansonsten Feierabend gemacht wurde, schlich ich mich auf die Bühne. Manolo rückte gerade die Stühle zurecht und fegte vor dem anderen Ende der kleinen Bühne. Meine Finger glitten an den roten Vorhang, hoben den schweren Stoff an, bevor ich ihn fallen ließ und mich umdrehte. Mit einem intensiven Blick schob ich meine Füße über den glatten Boden und schwang dabei die Hüften. Meine Arme hoben sich elegant hinauf, wandten sich in einer schnellen Drehung um meinen Kopf und ich schob die Hände abwärts über mein Gesicht. Manolos Blick war mir sofort aufgefallen, als er meine Bewegungen bemerkte und dann mit einem Schmunzeln beobachtete. Ich drehte mich erneut, ging auf die Knie und ließ auch her noch einmal die Hüfte kreise. Lasziv, als würde ich Manolo verführen wollen, beugte ich mich vor und kam seinem grinsenden Gesicht näher. Er wich nicht zurück, hob seine Hand an meine Wange und damit beendete ich meine kleine Tanzeinlage. Er beugte sich zu mir, küsste meine Stirn, die ein wenig von Schweiß bedeckt war. „Das sah toll aus. Du hast Talent!“, lobte er. „Du hast doch nicht gedacht, dass du der Einzige bist, der so gut tanzen kann?!“, warf ich ihm vor. „Jetzt wo ich dich beobachten durfte, denke ich, dass du dem schon sehr nahekommst.“, tat er überheblich und umgriff den Besenstiel, um sich darauf zu stützen. „Ich denke, ich bin besser als du.“ „Oh hooo...“, lachte er auf. „Kleiner Überflieger!“, lächelte er und strubbelte mit seiner Hand durch mein Haar. „Meinst du, ich könnte das nicht tun?“, fragte ich etwas eingeschnappt und sprang von der Bühne. „So wie du?!“ „Das willst du nicht, Siakoh.“, wehrte er meinen kleinen Vorstoß sofort ab. „Woher willst du wissen, was ich will?“ „Ich kenne dich mittlerweile!“, stellte er klar und hielt den Besen still. „Du suchst nach etwas anderem.“ „Ach und was wäre das?“, fragte ich ironisch, rollte mit den Augen und verschränkte die Arme, bevor ich grinsen musste. „Du hast sicher Angst, dass ich besser ankomme.“ „Glaube mir. Ich wäre froh, wenn es jemand anderen gäbe, der dies teilen könnte.“ „Dann lass mich doch tanzen!“ „Nein, Siakoh!“, schrie er auf und erfasste mich mit einem strengen Blick. „Wer hier tanzt, wird zur Ware! Ein jeder der dafür zahlt, dem wirst du deinen Körper anvertrauen. Und glaube mir, dieses Vertrauen wird zu oft verletzt! Das will ich nicht für dich!“ „Manolo, ich werde nur tanzen!“ „Und wie willst du dein Leben hier bezahlen, wenn du nichts einnimmst?“, fragte er grimmig. Seine Stimmung war am Limit. Er war ein wenig wie Vater, dem ich als Kind zu oft aufbegehrt hatte. Doch ich wusste hier, dass er nur aus Sorge zu mir erbost war. „Ich werde auch an der Bar weiterarbeiten!“, versprach ich. „Dann kann ich hierbleiben und dir weiterhin zusehen.“ „Oh, Siakoh, warum musst du das nur wollen?!“, stöhnte er und trat auf mich zu. „Ich finde es schön, so wie es jetzt ist.“ „Und ich werde nicht anders werden, nur weil ich ein- oder zweimal in der Woche hier für andere Tanze.“, versprach ich und neigte meinen Kopf an seine Schulter. Manolo hob seine Arme und umfing meinen Körper. „Ich will dir auch MEINE Gabe zeigen.“ „Du willst nur aufbegehren, weil du eine Rampensau bist.“, erfasste er mit einem amüsierten Ton. Wir lösten uns und sahen einander an. „Okay. Sprich mit Catarina wegen des Tanzplans.“ „Danke, Manolo.“, grinste ich breit und spürte dann das Holz des Besens an meiner Brust. „Dafür kehrst du nun fertig. Ich gehe schonmal schlafen!“, drückte er die restliche Arbeit auf mich ab. „Was? Ich soll das alles nun allein machen?“ „Na wer tanzen will, muss auch aufräumen können.“, grinste er frech und ging in die Richtung der Privaträume, wo unser Zimmer lag. „Das schafft du schon!“, rief er mir langtönig zu. Diese unverschämte Diva!“ „Du nennst wirklich Manolo eine Diva?“, grinste die Beta mit einem stechenden, amüsierten Blick zum Vogelyokai, der ganz vertieft in diese Erinnerung zur Decke sah. „Hast du in Manolo deine wahre Liebe gefunden?“, fragte die Autorin neugierig und lehnte sich kurz im Stuhl zurück. „Er war ein Mensch oder?“ „Ja, er war ein Mensch.“, erinnerte sich der hellblonde Mann und setze sich auf. „Aber wir haben uns nie körperlich geliebt. Wir waren wie Brüder in der Einsamkeit.“ „Oh, wie poetisch.“, spottet die Autorin und bekam einen bösen Blick geschenkt. „Warum kam es nie zu mehr? Es klingt nach einer Liebesgeschichte.“, erkannte die Beta und rieb sich überlegend das Kinn. „Ein anderer kam dazwischen.“, grinste Siakoh und rieb sich die Hände. „Jemand, der euch sehr bekannt sein sollte.“ „Jemand, den wir kennen? Einen Yokai also?“, fragte die Autorin überlegend. „So ist es!“, spielte Siakoh, lehnte sich in die Couch zurück und breitete seine Arme über der Rückenlehne aus. „Beschreibe ihn mal.“, bat die Beta. „Gerne!“, schnurrte der Mann und schloss fast genüsslich die Augen. „Groß, helle Haut, alt aber nicht optisch. Da dürfte er einem Dreißigjährigen ähneln. Rotbraunes Haar, Krallen, muskulös. Noch keine Ahnung?“, fragte er spielend. Den beiden Frauen erschien ein Bild im Kopf und doch warteten sie auf das entscheidende Detail am Körper des erdachten Wesens, auf das diese Beschreibung passen könnte. „Jeweils zwei lange schwarze Streifen auf den Unterarmen.“, beschrieb der Yokai weiter und raunte seine Stimme. „Schokoladenbraune Augen mit einem Silberstreif.“ Dies war das Erkennungszeichen, auf das die beiden Schreiberinnen gewartet hatten. Nun wussten sie genau, wen Siakoh gemeint hatte. Es war…. Kapitel 4: Kennenlernen ----------------------- 4 „Wer ist DAS?“, fragte ich Manolo, nachdem zwei weitere Jahre vergangen waren. Ich hatte mein Wort gehalten und war zum festen Showplan geworden. Jedoch blockten wir jegliche Anfrage ab, die sich auf mich bezog. Manolo wollte, dass ich nur meinen Traum ausleben konnte, aber nicht, dass mir dieser verdorben wurde. Er wollte mich weiterhin so tanzen sehen, wie ich es an jenem Abend getan hatte. Ohne die Angst und das ungewisse Behagen, dass sich ein armer Reisender oder heimlicher Schwuler an mir austobte. „Der Rothaarige dort?“, fragte Manolo nochmal genau nach. Wir hatten uns gerade zurechtgemacht, wobei er diesmal tanzen würde, also eine komplett weibliche Form angenommen hatte und ich meine typische, normale Kleidung trug, die ich mit einer violetten, breiten Schleife um meinen Hals aufgepeppt hatte. „Ja!“ „Das ist ein Gast, der seit ein paar Wochen öfters vorbeikommt.“, erklärte Manolo und sah mich dann rügend an. „Solltest du dich als Barkeeper nicht an deine Kundschaft erinnern?“ „Du kannst dich doch nicht mal an gestern Abend erinnern. Ich habe die Flasche Schnaps gesehen!“, schimpfte ich. Manolo hatte ein zu gutes Herz für dieses Leben und flüchtete sich immer öfter in die sanfte Umarmung des Alkohols, der ihn fester schlafen ließ. Ich hatte mit ihm geredet, aber er wollte es nicht ändern. „Sei nicht so, Mama!“, spielte Manolo. Wir gingen hinter der Bühne durch den Korridor und blieben zum Abschied kurz stehen. „Na? Wirst du ihn mal ansprechen?“ „Wenn sich die Gelegenheit bietet, warum nicht?“ „Viel Erfolg!“, lächelte er und beugte sich für einen Wangenkuss zu mir. Ich lächelte zurück und sah zu, wie er sich vor dem Vorhang aufstellte. Eine der Damen kündigte ihn an und der Vorhang öffnete sich geteilt zu beiden Seiten. Ich glitt in den Schatten und musterte seinen Ausdruck, den er immer auflegte, wenn er sich auf die Bühne begab. Hier war er ein anderer Mensch. Ausdrucksstark, mutig und schön. So als hätte er keine einzige Sorge in sich. Ich wendete den Blick ab und ging zu meinem Posten. Es gab sicher einige Gläser, die es zu befüllen galt und als ich meinen Arbeitsbereich kurz erkundet hatte, bot sich auch genau dadurch die Gelegenheit den Rothaarigen anzusprechen. Ich hatte ihn nun länger beobachtet und bemerkt, dass er ein Yokai war. Sein Blick hob sich selten, doch ich hatte die braune Farbe seiner Augen, welche von einem silbrigen Streifen durchzogen war, erkannt. Außergewöhnlich, dachte ich und spürte jedes Mal mein Herz in der Hoffnung höherschlagen, dass er mir einmal in die Augen sehen würde. „Noch Eins!“, bat der Mann und schob sein Glas zu mir, ohne den Blick zu heben. Ich spürte, dass er niedergeschlagen war. Meine Gelegenheit. „Das Ertränken der Sorgen in Alkohol hat den Wenigsten zum Erfolg verholfen.“, riet ich und nahm ihm das Glas weg. Dabei sah ich, wie seine Hand zuckte und er den Kopf hob. Seine Augenbrauen waren zusammengezogen und seine braunen Augen erstachen mich. „Was?“ „Oh... äh...“, stottere ich und räusperte mich dann kurz: „Mein Hübscher. Ich sehe doch, dass dich was beschäftigt.“ Mit solcher Wortwahl hatte ich hier eine Art eines Auftritts aufgestellt. Ich sprach so, wie mir der Schnabel gewachsen war und geriet nur selten aus dieser Rolle. „Ach ja?“, brummte er und als ich sein Glas gefüllt hatte, stellte ich es vor ihm wieder ab. „Kein Danke?“, fragte ich auffordernd. „Kannst du bitte weggehen?“, kam anstatt des Dankes die Aufforderung und ein Geldschein über den Tresen geschoben. „Ganz schön unhöflich!“, schimpfte ich, riss den Schein weg und wechselte ihm das Kleingeld heraus. „Da! Du unverschämter Kerl!“ „Ich bin nicht unverschämt, Teuerste!“, bedachte er mich und hob die Hand an seine Nase. „Aber Ihr Parfum ist bissig und stinkt!“ Vor Schock riss ich die Augen auf und presste die Lippen aufeinander. Was zur Hölle erzählte er denn da nun? Wollte er mich ärgern?! Ich hatte dieses Parfum zu meinem ersten Auftritt von Manolo bekommen und setze es nur spärlich ein.“ „Spärlich. Der war gut.“, lachte die Autorin und fiel fast vom Stuhl. „Willst du dich nun auch noch beschweren, du junges DING!“, spie Siakoh und stellte sich auf. „Bleib ruhig und erzähl weiter, Siakoh. Du weißt doch, dass sie ihre Klappe nicht halten kann.“, rügte die Beta, welche sehr interessiert daran war, wie die Geschichte weiter ging. „Wie hältst du die Zusammenarbeit mit der nur aus?!“ „Genauso, wie ich deine Besuche bei mir ertrage. Ich hab euch gern und das lässt einen über Vieles hinwegsehen. Aber jetzt erzähl weiter!“, bat die Beta streng und der Yokai verschränkte die Arme und ließ sich auf die Couch fallen. „Ich war geschockt, dass dieser Mann mich so von sich abwies, weil ich offensichtlich übelriechend war. „Ich bin ein Wolfsyokai.“, flüsterte er so, dass nur ich es hören konnte. Außer ihm saß niemand mehr an der Bar, weil sie alle Catarina beim Tanzen verfolgten. „Meine Nase ist empfindlich!“ „Kein Grund so beleidigend zu sein!“, verurteilte ich seine Wortwahl. „Ich muss mich beim Geruch auf andere verlassen! Also entschuldige, dass deine Nase so empfindliche Reize nicht duldet.“ „Selbst wenn ich ein Mensch wäre, wäre das, was du da aufgetragen hast, eine Nummer zu viel!“, beleidigte er weiter und nahm die Hand von seiner Nase. Er wollte zu seinem Bier greifen, doch ich nahm es ihm weg. „Hey!“ „Unfreundliche Wesen bekommen hier nichts!“ „Ich habe dafür bezahlt, sogar mit Trinkgeld, solltest du mir mein Wechselgeld weiter vorenthalten.“, bemerkte er und ich sah zu den Münzen auf den Tresen. Ein spürbares Funkeln trat in meine Augen. „Hol sie dir doch!“, setze ich zum Spiel an und zog die Münzen ganz nah zu mir. „Wenn deine Nase das aushält.“ „Mir ist nicht nach solch Spielen!“, wies der Wolf ab und sah auf seine Hände deren Finger aneinander herumspielten. Er versank in Gedanken und ich kam mir wie ein Kind vor, so mit ihm umzugehen. Seufzend stellte ich das Glas Bier wieder vor ihm ab und lehnte mich, einen Schritt weiter weg, an den Unterschrank in dem die Flaschen mit Schnaps standen. „Warum bist du so niedergeschlagen?“, fragte ich vorsichtig nach. Es schien als sei der Raum um uns herum ausgelöscht und dass er sich mir nun anvertrauen könnte. „Ich habe etwas getan auf das ich nicht stolz bin.“, antwortete der Rothaarige, nahm das Glas zur Hand und trank einen tiefen Zug. Sein Kehlkopf hüpfte dabei und ich lauschte seinem kehligen Atem, als er das Glas wieder absetzte. „Und wahrscheinlich gehöre ich nun in die Hölle.“ „Oh weia. Was hast du getan?“, fragte ich grinsend, verschränkte die Arme vor der Brust und ließ meinen Blick nicht von ihm abweichen. „Jemanden getötet?“ „Tze. Nein. Nicht bewusst zumindest.“ „Uhhh, das klingt düster, mein Hübscher.“ „Musst du mich so nennen?“, hielt er mit Unverschämtheit vor. „Ich nenne die Leute so, wie ich will!“, hielt ich dagegen. „Also. Was hast du getan?“ „Ich bin fremdgegangen...“, nuschelte er herb und verzog dabei das ganze Gesicht zu einer ernsten Miene. Mir schien, dass er im Grunde keiner derjenigen war, der je ernst sein würde. Nicht wenn es nicht von ihm verlangt und unumgänglich war. Ein netter, höflicher und eher verspielter Typ. So wie ein Hund im Wolfspelz. „Was ist daran so verwerflich?!“, fragte ich irritiert und hob die rechte Hand in den Raum. „Ein jeder, der hierherkommt betrügt seine Frau.“ „Ich habe keine Frau!“, stellte er klar und sah mir dabei in die Augen. Soso, dachte ich. Er stand auf männlichere Züge. „Du kommst also wegen Manolo hierher?“, fragte ich nach, hatte irgendwie dem Drang dies zu verhindern. Wer wusste, was der Wolf schon alles angestellt hatte. „Nein. Ich komme her, um zu trinken, damit ich alles vergessen kann.“, stellte der Wolf richtig und trank sein Bier in einem Zug leer, knallte das Glas auf den Tresen und schob es zu mir. „Noch Eines. Geld hast du ja.“ „Wow. Also hatte ich wirklich recht.“, murmelte ich siegessicher, nahm das Glas an mich und schenkte es voll. Wieder wechselte ich das Geld. Ein weiteres würde nicht mehr dabei rausspringen. „Irgendwie schon...“, nuschelte der muskulöse Mann und streckte seine Arme neben sich aus. Dabei glitzerte das Dienstwappen auf seinem Hemd. „Du bist bei der Luftwaffe?“ „Oh. Ja, als Pilot. Komplette Kriegszeit als erster Einsatz und hoffentlich nicht so bald wieder.“, erklärte er und nahm das Glas erneut an. „Warst du auch bei der Armee?“ „Ja. Komplette Kriegszeit. Als Rettungssanitäter.“ „Du bist Arzt?“, fragte er überrascht. „Wohl eher eine gute Krankenschwester.“, stellte ich richtig und stützte mich auf dem Tresen auf, um ihm näher zu sein. „Nun, sag schon...“, bat ich und sah in seine Augen. Seine Lippen nahmen gerade den nächsten Schluck malzhaltige Flüssigkeit auf. „... warum bist du so niedergeschlagen wegen einer Bettgeschichte, wenn du keine Frau hast.“ Seine Augen wurden größer und er stellte das Glas ab. Er schien kurz zu hadern, zu überlegen, ob er mir sein Geheimnis anvertrauen sollte. War es so eine große Sache? Wenn er niemandem verpflichtet war, wieso nahm ihm diese kleine Spaßerei dann so mit? Er zog eine Schachtel Zigaretten aus seiner Hosentasche, entnahm eine, reichte sie mir, die ich stumm aber dankend ablehnte und entzündete den Tabak. Zum Glück roch ich nichts und wusste somit nicht, wie verraucht dieser Raum an sich schon war. Komisch, dass er sich über mein Parfum so aufregte, aber dann rauchen konnte. Komischer Wolfsmann. „Ich liebe jemanden.“, gab er dann Antwort auf meine Frage und blies den Qualm seiner Zigarette in die Luft. „War es der andere und er liebt dich nicht?“, fragte ich, weil er nicht weitersprach und sah zu, wie er genüsslich an dem Glimmstängel zog, tief inhalierte und dann langsam den Qualm ausstieß. „Nein. Mit dem habe ich diese Liebe betrogen.“ „Moment mal.“, bat ich und kam nicht mehr mit. „Du hast keine Frau, bist verliebt in jemanden, aber das war nicht der Kerl mit dem du gevögelt hast?“ „Genau.“, bestätigte er meine Aufzählung. Doch eben das machte mich stutzig. „Wieso bedrückt dich das dann so? Weiß der andere von deiner Liebe?“, ging ich ins Verhör über. Da musste es doch noch etwas geben, um dies plausibel zu erklären. „Ja.“ „Und was ist dann sein Problem? Will er sich nicht outen und heimlich mit dir treffen bis dieser Spuk zu Ende ist? Ist er ein Mensch oder Yokai? Hat er eine Familie, die er nicht verlassen kann?“ So viele Fragen lagen mir auf der Zunge, doch sein Blick gebot mir Einhalt. „Du bist ganz schön aufgeregt, dafür, dass dies eine armselige Geschichte ist.“ „Du hast angefangen zu erzählen, nun muss ich auch das Ende kennen! Also?“ „Es wird wohl das Outing sein. Er ist verloren in einer seiner Verdrängungen.“ „Oh, der Klassiker, Hübscher! Der wird sich schon noch einkriegen!“, wedelte ich ab. Es war ja fast normal, dass es so ablief, dass das Männlein etwas brauchte, um zu verstehen, was genau es wollte. „Vielleicht findest du bis dahin jemand anderen.“ „Ich glaube nicht. Es ist wirklich hoffnungslos.“, erklärte er absolut sicher und zupfte ein gelbliches Band unter seiner Manschette hervor, in das er seinen Finger wickelte und damit herumspielte. „Ist das von ihm?“ „Ja.“ „Wie lange hast du es schon?“ „Ein Jahrtausend und ein paar Jahrhunderte.“, antworte er und mir stockte der Atem. „Wie alt bist du verdammt?“, rutschte es mir entsetzt raus. Er drückte seine Zigarette aus und sah mich verwundert an. Ich wusste ja, dass Yokai alt werden konnten, war selbst schon 350 Jahre alt, aber dies hörte sich nach einem ganz anderen Kaliber an. „Genau hab ich das nie nachgerechnet, aber es müssten so ca. um 3450 Jahre rum sein.“ „Dreiiiiiii…tausend…“, zog ich die Worte stotternd auseinander, nur um dann um so schneller nachzusetzen: „Das sieht man dir echt nicht an!“ „Danke!“, grinste er kurz und schien etwas erleichterter. Vielleicht hatte mein Gespräch ihm ja doch etwas geholfen und ihn vom Alkohol ferngehalten, auch wenn es eigentlich mein Job war, diesen AN und nicht VOM Mann zu bringen. „Aber...“, fiel mir nun wispernd auf. „... wenn du dieses Band schon so lange hast, wartest du dann schon so lange auf ihn?“ Mein Herz schlug fest an meine Rippen. Dieser hübsche Kerl wollte mir doch nicht weißmachen, dass er so lange auf seine Liebe wartete. Das klang zu sehr nach Groschenroman, die man in geheimen Ecken erwerben und des nachts im Bett lesen konnte, was zu meinen heimlichen Leidenschaften zählte. „Ja. So lange habe ich es ausgehalten.“, sagte er kurz stolz und die Trauer kehrte in seine Augen zurück, die er zum Glas senkte und seine Finger an die glatte Fläche drückte. „Bis gestern, als ich schwach wurde.“ „Hallo?!“, empörte ich mich und klatschte meine Hand neben seinem Glas auf den Tresen. „Dafür schämst du dich?! Dieser Typ sollte sich gefälligst dafür schämen, dich so lange zappeln zu lassen! Er hat dich nicht verdient, mein Hübscher! Am besten vergisst du diesen Idioten!“ Ich hatte so laut geschimpft, dass sich einige Blicke, der hinteren Reihen zu mir wandten und kurz zischten. Sie wollten nicht meiner Unterhaltung, sondern dem lieblichen Gesang lauschen. Entschuldigend sah ich zur Bühne, auf der Manolo nun saß und seine Federboa über die Schultern spielen ließ. Ich wusste wie flauschig dieser Schal war und kuschelte mich manchmal daran, um Erinnerungen an meine Kindheit aufleben zu lassen. „Da magst du recht haben.“, gestand der Wolf und schob sich dann vom Barhocker. „Danke, für das Gespräch.“ „Du gehst jetzt?“, fragte ich überrascht über seine ruhige Art zu meinem Ausbruch. „Ich habe dich hoffentlich nicht gekränkt, mein Hübscher?!“ „Yosuke.“, gab er Antwort auf meine Frage. „Nenn mich bitte Yosuke!“ „Yosuke...“, wiederholte ich seinen Namen und sah zu, wie er einen Hut und seinen Mantel entgegennahm, kurz bevor er die Bar verließ. Er sah wirklich adrett und maskulin aus. Sein Blick flog aus dem Augenwinkel zu mir, als er seinen Hut richtete und sich mit einem Nicken von mir verabschiedete. In diesem Moment hätte mein Herz nicht heftiger schlagen können und ich spürte wie meine Schulterblätter prickelnd kitzelten. Mein Instinkt war geweckt. Ich verspürte den Drang zu tanzen. Für ihn. Für Yosuke. Aber wäre ich jemals das Mittel, was ihn von seiner so lange andauernden Liebe befreien würde? Kapitel 5: Parfum ----------------- 5. Von diesem Abend an konnte ich Yosuke nicht mehr vergessen. Leider kam er nicht mehr und ich wurde von Tag zu Tag gefrusteter. Manolo fiel das natürlich auf, sprach mich an, doch ich wandte mich einfach ab. Ich wollte auch nicht mehr tanzen, beziehungsweise kam es nicht mehr so leidenschaftlich aus meiner Haltung, meinen Schritten, meiner Armbewegung hervor, wie ich es mir wünschte. Es fühlte sich alles leerer an, seit er aus diesem Raum verschwunden war. Es war zum Kotzen. „Das kleine Vögelchen hat sich verliebt.“, zog mich Manolo in unsrer Umkleide auf, als ich mich nun schminken wollte. Ein dickes Tuch war mein Stirnband und bändigte meine Haare, deren Spitzen sich seit dem Abend vor vier Wochen nicht mehr aufgestellt hatten. „Ach, halt doch den Mund.“, brummte ich und rückte den Stuhl näher an den Spiegel, bevor ich das Puderdöschen nahm und den flauschigen Quast daraus befreite. Mit einem feinen Staub, der sich in die Luft erhob, tupfte ich den Puder auf mein Gesicht und das Dekolleté. Manolo kam grinsend zu mir, befreite mein Haar vom Band und nahm eine Bürste zur Hand. Wir halfen uns oft gegenseitig. Die zärtlichen und kunstvollen Handgriffe taten ebenso gut, wie sie ein Werk erschufen, das seines gleichen suchte. Noch immer war Manolo von meinem Aussehen begeistert und ließ sich immer mal wieder eine Neuerung einfallen. „Sei nicht beleidigt.“, sprach er weiter als ich die Puderdose ablegte und mich im Spiegel betrachtete. Mein Blick glitt zu seinem im Spiegel, der den meinen freundlich empfing. „Ich freue mich für dich. Es war mir immer klar, dass du zu denen zählst, die sich Hals über Kopf verlieben und dann nicht mehr davon loskommen.“ „Du sprichst, als wäre ich so ein Junkie vom Schiffsanleger.“ „Übertreib mal nicht!“, schollt er und schlug mir liebevoll auf die Schulter. Mit ein paar Haarklemmen hantierte er nun herum und brachte meine blonden Haare in eine Form. „Aber es fühlt sich doch gut an, oder nicht?“ „Natürlich!“, erklärte ich sofort und sackte dann doch leicht zusammen. „Aber es ist ebenso auch eine Qual. Er war seit 26 Tagen nicht mehr hier. Ob er je zurückkommt?“ „Das erinnert mich an einen Song.“, nuschelte Manolo mit der Klammer zwischen den Lippen. Er entnahm sie und setze sie an meine Kopfhaut an. „Aber vielleicht kommt er ja bald wieder her. Er wird ja sicher auch arbeiten müssen. Hattest du nicht gesagt, dass er bei der Armee ist?“ „Ja.“, erwiderte ich auf seine Frage und wusste worauf er nun anspielen wollte. Es hatte das Gerücht gegeben, dass die Armee wieder Leute anheuerte. Unser Landesnachbar wollte den nächsten Weltkrieg anzetteln. Erst hatte ich an eine Lüge und ein Gerücht geglaubt, aber als mein eigener Bescheid vor zwei Tagen ins Haus kam, wusste ich, dass es nicht mehr lange dauern konnte. Vielleicht war auch er wieder eingezogen worden. Ich hätte ihn fragen sollen, für welches Land er geflogen war. Aber ich Idiot hatte das vergessen. „Vielleicht bekam er einen Brief zur Wiederaufnahme seiner Wehrpflicht.“, nuschelte Manolo und unterstrich damit meine Vermutung. Ich versuchte mich auf den Spiegel zu konzentrieren, bekam aber nichts hin. „Lass mich mal.“, bat mein engster Freund und Bruder und schob sich neben mich auf einen weiteren Stuhl. Ich wandte mich seinem Gesicht zu und schloss die Augen. „Hast du Angst, wieder in den Krieg zu ziehen?“ „Ja. Ich hatte gedacht, dass mir der Anblick von damals an erspart bliebe.“, murmelte ich und spürte den pieksigen Pinsel mit dem Manolo den Lippenstift auftrug. „Ich kann mir das kaum vorstellen.“, wisperte er gedankenverloren und konzentrierte sich auf sein Werk. „Versprichst du mir, dass du wiederkommst, wenn es vorbei ist?“ „Wenn du mir versprichst, dass du noch hier sein wirst. Du weißt das unseresgleichen schon jetzt gejagt wird. Diese Bar werden sie sicher gleich als Erstes bombardieren.“ „Dann werde ich halt immer wieder hierherkommen und auf dich warten.“, erklärte er, dass ihm Nichts geschehen würde. Ich hoffe dies sehr, würde es nicht verkraften, wenn er stürbe. Ich spürte den Pinsel auf meinen Augenlidern und öffnete sie danach, um ihm meinen Blick zu schenken. „Du siehst wundervoll aus!“ „Danke!“, seufzte ich. „Der hübscheste kleine Sanitäter da draußen. Oh hoffentlich lassen sie dich ganz, wenn sie die Lust überkommt.“, gackerte er und hielt sich verstohlen die Hand vor die Lippen. Ich verdrehte meine Augen und stand auf, um in mein langes, schwarzes Pailletten-Kleid zu steigen. Es hatte einen enganliegenden Kragen und war recht figurbetont geschnitten. Die Ärmel gingen bis über die Hand und wurden an meinen Mittelfingern fixiert. Auf meinen Schultern prangten die Federn eines Rebhuhnes in braun und grün. Es erinnerte mich an die Farbe der Hennen meiner Gattung und dadurch passte es auch zu mir. Das Einzige, was mich nun noch an einen Mann meiner Spezies erinnerte waren meine Haare. Ein perfekter Kontrast. „Bist du bereit?“, fragte Manolo und zog den Reißverschluss am Rücken zu. „Es wird wie immer sein.“, lächelte ich und spürte seine Hände an meinem Hintern, bevor sie zu einem sanften, aber bestimmenden Schlag ausholten und ich so nach vorne trippelte. Manolos Verabschiedung, als kleine Erinnerung, dass niemand auf mich bieten durfte, wenn er nicht seinen Segen gab. „Na dann, bis später!“, winkte er mir als ich auf die Bühne trat, die im direkten Anschluss zum Visagisten-Atelier stand. Bevor sich der Vorhang teilte und mein Name erklang, schloss ich immerzu meine Augen. Ich wusste, dass ich stark und schön wäre, dass ich dort draußen zeigen konnte, was tief in mir schlummerte. Aber auch, dass mein Herz nun so verloren war. Es schlug nicht mehr in meiner Brust, sondern in seiner. Er hatte es einfach mitgenommen. Mein Name erklang, ich öffnete die Augen und wappnete mich für den blendenden Lichtstrahl, den man auf mich richten würde. Der Vorhang raschelte und zog sich dann zu beiden Seiten auf. Ich trat, in meinen Pumps auf die Bühne und erstarrte für einen kurzen Moment. Das Grinsen meines lieben Freundes strahlte mich an, als ich den Mann vor ihm erkannte, auf dessen Schultern er seine Hände abgelegt hatte. Da war er. Da war es. Mein Herz war zurückgekehrt. Völlig perplex versuchte ich mich an meine Schritte zu erinnern und begann mit ein paar Sekunden Verzögerung mit meinem Gesang und dem begleitenden, heute langsamen, erotischen Tanz. Ich wand mich auf der Bühne wie ein Pfau, machte aufreizende, lang gestreckte Bewegungen und warf immer wieder ihm, einen direkten Blick zu. Manolo, der hinter Yosukes Rücken Faxen machte, bis er selbst zum Dienst gerufen wurde, interessiert mich nicht. Ich hatte nur Augen für ihn. Ich bot ihm meine beste Show und räkelte mich zum Schluss über dem Boden, sang einen herzzerreißenden Song über Sehnsucht und als ich geendet hatte applaudierten die paar wenigen Gesichter, die heute anwesend waren. Der nahende Krieg ließ die Umsätze schon jetzt in den Keller gehen. Doch das alles interessierte mich nicht. Ich stand auf, machte einen Knicks und lächelte Yosuke zu, der zweimal in die Hand klatschte und mir somit seine Aufwartung machte. Freudig schlug mein Herz in der Brust und ich verschwand hinter die Bühne. Vor lauter Aufregung warf ich die Pumps von meinen Füßen und als ich zur Tür lief, um zu ihm zu kommen. Überrascht erblickte ich ihn am Ende des Korridors und ging auf ihn zu. „Wo warst du die letzten Wochen?!“, fragte ich aufgeregt und blieb vor ihm stehen. Ein uniformähnlicher Anzug kleidete ihn. Seinen Hut hielt er in der Hand. „Ich wurde einberufen.“, dämpfte er meine Freude. „Deshalb bin ich heute hier.“ „Du willst dich verabschieden?“ „Ja und einen kleinen Ausflug machen, zum Dank für das Gespräch vor wenigen Wochen. Es hat mir sehr geholfen.“, erklärte er und neigte sein Haupt. „Das habe ich doch gerne getan. Du sahst so niedergeschlagen aus.“, bemerkte ich. „Meinst du, du kannst dich schnell wieder zurückverwandeln?“ bat er und sah mich nochmal genau an. „Hübsche Lady.“ Meine Wange wurde rot und doch nickte ich schnell und antwortete: „Gib mir einige Minuten. Ich muss Manolo nur Bescheid geben.“ „Er weiß Bescheid und wünscht dir viel Spaß.“ „Du hast mit ihm geredet?“, fragte ich und war kurz nervös. Was hatte mein Bruder ihm gesagt? „Ja. Ich musste mich ja erkundigen, ob ich dich entführen darf.“, erklärte er. Wieder nahm mein Herzschlag zu. Was löste er nur in mir aus? Das war viel mehr, als das, was Scrootoh damals in mir erweckt hatte. Es war intensiv, pulsierend, belebend. „Dann beeile ich mich wohl lieber.“, verabschiedete ich mich und riss mich förmlich aus meinem Kleid, als ich in Manolos und meinem Zimmer war. Über dem Waschtopf wusch ich mein Gesicht mit einem Tuch und versuchte auch das Parfum von meiner Brust, meinem Hals und den Armen zu bekommen. Ich wollte nicht, dass er sich ekelte. Wollte eher das Gegenteil. Nachdem ich fertig war, trat ich in einem Hemd, schwarzen Hose mit Hosenträger und Jackett aus dem Raum. Schnell hatte ich noch meine Schuhe mit Spucke und einem Tuch bearbeitet, damit sie glänzten. Er sah so schneidig und elegant in seiner Uniform aus, da wollte ich nicht hintenanstehen. „Hallo, Siakoh!“, begrüßte er mich und ich wunderte mich. „Hat dir Manolo meinen Namen verraten?“, fragte ich lächelnd. „Ja. Ich hatte bei meinem letzten Besuch vergessen dich zu fragen.“ „Das stimmt.“ „Wollen wir?“, fragte er und hob seinen Ellenbogen an, damit ich mich einhaken konnte. Ich ergriff seinen Unterarm und wurde von ihm geführt. An der Treppe holte ich einen meiner Mäntel heraus, der aus schwarzer Wolle gefertigt war. Die Tiermäntel wollte ich ihm nicht antun, da diese sicher auch einen gewissen Geruch trugen. Noch nie war ich so irritiert gewesen, nichts zu riechen, wie jetzt, wo ich jemanden an meiner Seite hatte, der besser als viele andere riechen konnte. An der Tür ließ ich von ihm ab, nahm Abstand und gemeinsam verließen wir das Haus. Die kühle Luft glitt über mein frisch gewaschenes Gesicht und ich schob meinen Kopf schützend in den Mantel. Mein Hut schütze meinen Kopf und nur meine Augen sahen aus den Stoffschichten hervor. „Es ist ganz schön kalt geworden. Das wird ein harter Beginn für den Krieg.“, seufzte er und sah zum Himmel auf. Es war schon dunkel und die ersten Sterne leuchteten am Himmel. „Es wird wohl bald schneien.“, murmelte ich erkennend, da der Himmel so klar war. „Für wen startest du diesmal?“, fragte ich und versenkte meine Hände in meinen Manteltaschen und folgte seinen Schritten. Ich wusste ja nicht wohin er wollte. Ob es was Schönes war? „Für die Amerikaner. Aus Frankreich.“, beantwortete er und sah zu mir. „Und du?“ „Sanitätsdienst fürs Lazarett direkt an der deutschen Grenze.“ „Also direkt im Gefechtsgebiet.“, erkannte er mit ernster Stimme. „Ja. Aber ich werde es schon schaffen. Dort kann ich wenigstens Vielen helfen.“, lächelte ich und sah seinen suchenden Blick auf mir. „Wohin bringst du mich eigentlich?“, wechselte ich das Thema. „Wir gehen dir ein Parfum holen, was nicht so grässlich stinkt.“, grinste er und nahm den Rand seines Hutes zur Hand, da wir vor einem Laden ankamen. „Ein Parfum?“, fragte ich und riss die Augen auf. Das Schaufenster präsentierte kostbare Flakons, in bunten Farben. So kurz vorm Krieg war dies ein absolutes Luxusobjekt. Warum wollte er mir dies also zeigen? „Komms du?“, riss er mich vom Schaufenster weg und trat in den Laden. Ich folgte ihn hastig, damit es nicht aussah, als ob ich seinen Einfall überraschend fände. Wir wurden begrüßt und der nette Verkäufer wollte uns zur Hand gehen. Yosukes Blick hatte sich gewandelt. Seine Augenbrauen zogen sich leicht zusammen, als hätte er Kopfschmerzen, wollte diese aber nicht zeigen. Ob das für seine Nase hier nicht gerade die falsche Umgebung war? „Wie wäre es mit diesem hier?“, fragte der grauhaarige alte Mann und hob mir ein grünliches Flakon auf einem blütenweißen Taschentuch entgegen. „Es sieht schön aus.“, bekundete ich und musterte die schöne Flasche. Bis jetzt hatte ich mich immer auf das Aussehen der Flakons oder dessen Namen verlassen, oder eben das genommen was Manolo nahm. Ich erkannte ja keinerlei Unterschied. „Das hier ist besser.“, schaltete sich Yosuke ein und zeigte auf einen dunkelrot gefärbten Flakon, der an die Körperform einer Frau erinnerte. „Gute Wahl, Monsieur.“, lobte der Verkäufer und zu gerne hätte ich es nun gerochen. Der Greis träufelte einen winzigen Tropfen auf das Taschentuch und wedelte damit vor unseren Nasen herum. Ich beugte mich heuchlerisch vor und tat als würde ich schnüffeln. Yosuke jedoch blieb standhaft stehen, doch ich sah seine Nasenflügel zittern. „Das nehmen wir.“, antwortete ich und der Mann strahlte vor Freude. „Sehr schön. Ist es für Ihre Frau gedacht?“, fragte er mich und ich blinzelte kurz. „Für meine.“, antwortete Yosuke für mich und das ließ erneut mein Herz pochen. Hatte er das gerade wirklich gesagt? Das kam einem Geständnis gleich! Wollte er mich? Wollte er das damit sagen? Der Verkäufer packte den Flakon ein und wickelte ihn in ein dickes Zeitungspapier. Yosuke bezahlte, damit es keine Missverständnisse gab, doch ich war dagegen und bot ihm das Geld vor der Tür direkt an. „Nein. Es ist ein Geschenk für das Gespräch.“ „Aber es war viel zu teuer. Das geht nicht.“, schimpfte ich. Der Flakon wog leicht in meiner Hand und hatte doch so viel Gewicht für mich. „Nimm es. Du hast mich geerdet und seitdem gab es keinen Tropfen Alkohol mehr für mich.“, lächelte er. „Ich habe das Geld sozusagen gespart.“ „Und warst dafür nicht bei uns zu Besuch.“ „So ist es. Ich hatte die ganze Zeit überlegt, was dir eine Freude machen könnte und da fiel mir dein beißender Geruch wieder ein.“, erklärte er und steckte sich eine Zigarette an, nachdem er seinen Hut zurechtgerückt hatte. Der Rauch zog in einem langen Faden zum Himmel empor. „Schmeicheln kannst du nicht sonderlich, mein Hübscher.“, rollte ich die Augen und hob das Päckchen vor meine Brust, neigte meinen Kopf vor. „Danke dafür!“ „Ich habe dir zu danken!“, lächelte er, zog an seiner Zigarette und schritt weiter. „In dem Laden wäre ich fast betrunken geworden.“ „Betrunken?“, fragte ich unwissend. „Parfum wird auf Alkoholbasis hergestellt.“ erklärte Yosuke und steckte dafür nicht mal die Zigarette aus dem Mund. Somit wippte diese als er mit ihr im Mundwinkel sprach. „Für meine Nase ist das wie eine Droge und wenn ich länger in solch einem Raum bleibe, falle ich um.“ „Das muss ich mir mal merken.“, grinste ich schamlos und bemerkte seinen Blick. „Falls du zum bösen Wolf wirst.“ „Zum bösen Wolf?“, grinste er zurück und schlug dabei einen raunenden Ton an. „Ich bin nur ein hübscher Vogelyokai! Ich muss die Schwächen meiner Gegner kennen.“, erläuterte ich und zuckte mit den Schultern. „Bin ich denn dein Gegner?“, fragte er spitzbübisch und bleckte seine Zähne. „Ich hoffe nicht, mein Hübscher.“ Kapitel 6: Freund ----------------- 6. Freund Der Krieg begann mit einer unglaublichen Härte. Nachdem ich meine Uniform, Waffe und Materialien bekommen hatte, machte sich meine Division auf den Weg, um das Lazarett aufzubauen. Manolos letzten Worte kamen mir immer wieder in den Sinn. Ebenso sein Blick, als sich die Tränen lösten. Er hatte sich schon Abende vorher so hart betrunken, weil ihn die Angst mich zu verlieren zerstörte. Ich bat ihn am letzten Abend nichts zu trinken und sich mit mir zu verwandeln. Wir tanzten den ganzen Abend und krochen des nachts zusammen in sein Bett. Wir umschlangen uns einfach nur und auch wenn unsere Körper überwiegend nackt waren, passierte nichts zwischen uns, als der Liebe zwischen den innigsten Freunden, die es gab. Er war mein großer Bruder, mein Freund und mein Wegweiser. Die wichtigste Person in meinem Leben, neben Yosuke. Diesen hatte ich von dem Abend des Parfumkaufs an nicht mehr gesehen. Gerüchten zufolge war die Fliegerstaffel frühzeitiger aufgebrochen um Hilfsgüter und Waffen vorab in die Kriegsgegend zu bringen. Man wollte vorbereitet sein. Die ersten Wochen zogen an mir vorbei, nachdem das Lazarett stand und ich wusste nicht mehr wohin. Überall gab es Verletzte, halb Tote und Leichen zu bergen. Schweiß und Dreck zierte nun mein Gesicht. Puder und Rouge war nur noch eine fade Erinnerung. Meine Tanzschritte waren unlängst der strengen und kreativen Abfolge der Wundbehandlung gewichen. Blut bedeckte meinen ganzen Körper und bald fühlte ich mich mehr für den Tod verantwortlich als die Munition, die ich aus den Körpern holte. So viele Menschen starben. Ab und zu verlief sich auch ein Yokai hier her, den ich dann gesondert unterbrachte und die Geschichten erfand, wenn dieser schneller als andere das Lazarett verlassen konnten. So vergingen die Jahre mit der Erinnerung an das ruhige Leben, welches ich mit Manolo geführt hatte. Das, was er mir gezeigt hatte und worin ich glücklich gewesen war. Mein Herz hatte meine Brust nun noch schmerzlicher verlassen, als damals, als Yosuke diese lächerlichen 26 Tage fortgeblieben war. Ich hatte nun niemanden mehr. Manolo, geht es dir gut? Dies fragte ich oft in die Nacht hinaus, wenn man die Bomben nur aus der Ferne aufschlagen hörte, wir aber verschont blieben.” “Das klingt wirklich schrecklich!”, kommentierte die Autorin bitter und spürte den Schweiß auf ihren Fingern, als sie diese Szene bildlich zu beschreiben versuchte. “Das war es.”, gab der Mann zu und trat zwischen die Frauen, um ihnen die Arme, um die Schultern zu legen. “Aber es geht noch weiter. Das ist nur einer meiner Tiefpunkte.” “Puuhh...Gut, dass da noch nicht Schluss ist. Das wäre schon sehr deprimierend. Aber auch traurig, dass es noch tiefer geht...” seufze die Beta und hielt sich die Hand auf das Brustbein. “Ich habe schon Einiges erlebt, was mich zu dem machte, der ich nun bin, Ladys. Ruhig Blut also! Ich lasse mich nicht unterkriegen.” “Dann weiter! Wir wollen ALLES hören.”, warf die blonde Frau ein und brachte die Dunkelhaarige zum Grinsen. “Dann erzähl uns nun mal, wie du Yosuke wiedergefunden hast.”, bat die Autorin und rieb die Finger trocken. “Ja, DAS wollt ihr wissen, nicht wahr?” “Natürlich!”, erklang es im Chor. “Mein Brigadegeneral kam eines Morgens zu mir und teilte mir mit, dass ich zum Außenposten ziehen sollte, um dort mitzuhelfen die Dienstgüter zu beschaffen. Unsere Vorräte gingen langsam zur Neige und wir bedienten uns langsam sogar unserer Uniformen, um weniger drastische Verletzungen zu schienen und zu verbinden. Ich stimmte also zu und begab mich mit einer kleinen Gruppe einige Kilometer westlich zum Fliegerstützpunkt unserer Einheit. Immerzu flog mein Blick über die Landebahnen, die von unendlich vielen Soldaten durchwuselt wurde. Es hatte gerade die ersten Hilfsgüterlieferung aus dem Westen gegeben und das veranlasste mein Herz nur noch schneller zu schlagen. War er hier? Hatte er diesen Flieger gesteuert? “Fass mal mit an, Seb!” rief mich einer der Kameraden bei meinem hier offiziellen Namen und ich eilte zu ihm, griff ihm bei einem riesigen Paket unter die Arme. “Da rüber.”, bat er und hatte Probleme, das Gewicht auszugleichen. Ich erkannte, dass er ein geschientes Bein hatte. “Du bist verletzt!”, sprach ich ihn an und versuchte das Gewicht etwas mehr auf mich zu nehmen. Zu viel durfte es natürlich nicht sein, damit ich nicht als kurios galt. “Wer ist das nicht?!”, keuchte er. “Aber es werden noch mehr, wenn wir nicht schleunigst diese Kiste leer räumen damit Yosuke landen kann.” “Yosuke!?”, schrie ich sofort auf und der Mann verzog die Augenbraue. “Stammst du nicht aus dem Lazarett an der Grenze?” “Ja.”, gab ich Antwort. “Yosuke kommt hier her?!” “Woher kennst du ihn? Seid ihr Freunde?”, fragte der Mann weiter und wir setzen die Kiste an einer Wand der Lagerhalle ab. “Ja! Ich kenne ihn. Er kommt wirklich HIER her?”, fragte ich noch einmal und musste meine Aufregung unterdrücken. Wenn man nur mein Herz schlagen gehört hätte, könnte man gemeint haben eine Trommel schlüge in meiner Brust. “Er kreist seit einer Stunde dort oben und versucht nicht bombardiert zu werden, bis hier unten wieder Platz ist.”, bemerkte der Mann und sah hinauf. “Das ist seine Maschine.” Sofort folgten meine Augen dem Fingerzeug und wenn ich nur gedurft hätte, wäre ich hinaufgeflogen und hätte ihn begrüßt.” “Dann wäre er erst recht abgestürzt!”, wandte die Beta ein und erntete einen bösen Blick. “Okay, ich bin ja schon ruhig!” “Ich wartete also geduldig, lud die Flieger aus so schnell ich es unter Unterdrückung meines Youkis tun konnte und ignorierte das Kribbeln an meinem Rücken. Alles in mir war in heller Aufregung und ich wollte ihn endlich wiedersehen. Sein rotes Haar und den silbernen Schweif in seinen braunen Augen. Meine Sehnsucht wuchs in unermessliche und als endlich der erste Flieger Platz machen konnte, setze das Flugzeug von Yosuke zur Landung an. Quietschend setzen die Reifen auf und meine Hände begannen zu zittern. Je mehr Minuten verstrichen, desto heftiger wurde die Aufregung in mir. Als sich endlich die Ladefläche öffnete, lief ich als Erster los. Die anderen folgten, wodurch es nicht direkt auffiel. Doch sie taten es wegen der Güter, ich wegen ihm. Hoffentlich war er unbeschadet und gesund! Einige Soldaten sprangen von der Ladefläche und übergaben die ersten Güter. Ich schob die Kartons und Pakete weiter, suchte mit den Augen nach den seinen und mir stockte das Herz, als ich sie endlich sah. Er hatte seine Haare zu einem Zopf gebunden, da sie gewachsen waren. Ich erkannte das gelbe Band und ignorierte dessen Bedeutung. Alles was nun für mich zählte, war, dass er hier war. Er erkannte mich, was ich durch das Blinzeln seiner Augen bemerkte. Ebenso musste er es gerochen haben, wenn seine Nase unter diesen ganzen Männern dies herausfiltern konnte, würde er riechen, dass ich das Parfum minimal an meinem Hals aufgetragen hatte. “Sia!”, rief er mir zu und mein Herz begann wieder zu rasen. Ich gab den Karton, den man mir monoton gereicht hatte, weiter und entfernte mich aus der Schlange, was lautstark kommentiert wurde. Doch ich wollte zu ihm, hob meine Arme und schritt auf ihn zu. Er tat es ebenso und endlich spürte ich ihn wieder. Er umarmte mich, presste mich fest an sich. “Ein Glück! Dir geht es gut!” “Mir geht es gut! Keine Sorge! Und dir?”, plapperte ich sofort los und spürte wie er mich, zum Schutz der anderen Blicke von sich schob und die Hände auf meinen Schultern platzierte. Er betrachtete mich. “Mir geht es auch gut. Keine Abstürze bis jetzt!”, lachte er. “Immer wenn die Meldung im Radio kam, hatte ich gehofft, dass es nicht deine Schwadron ist.”, gab ich zu und er wuschelte mir durchs Haar, welches sich vor lauter Aufregung in alle Himmelsrichtungen ausstreckte. “Mich holt so schnell niemand vom Himmel, Vögelchen!”, grinste er und sah zu den anderen. “Schaffen wir die Kiste leer! Heute Abend soll es eine Ruhepause geben!” “Eine Art Gelage etwa?”, fragte ich und ging mit ihm auf die anderen zu. Wir bildeten Teile einer kürzeren Schlange und begannen mit dem auspacken. “So etwas in der Art. Um die Gemüter wieder in die Höhe zu kriegen. Der Krieg dauert schon viel zu lange!”, erklärte er und meinte sicher einen der Großteil seiner Besatzung. Auch bei uns im Lager war die Stimmung immer schwieriger geworden. “Meine Stimmung ist mit dir in den Himmel geflogen!”, lächelte ich und sah seine überraschten Augen. Doch er antwortete nichts mehr darauf, packte ordentlich mit an und gemeinsam schafften wir die Güter hinaus, sortierten sie nach Divisionen und würden am nächsten Morgen den Rückweg antreten. Die Schwere dieser Information brachte mir nun die Dummheit über meine Freude vor Augen. Natürlich freute ich mich unendlich, Yosuke wieder zu sehen, ihn zu sprechen, mit ihm zu essen. Aber ab morgen würde ich das alles wieder in Sehnsucht, Hoffnung und Gebete umwandeln müssen, die allesamt nur ihn einschlossen. Mein freudiges Gemüt jedoch kämpfte sich heraus und gedachte, wenigstens diesen Abend zu genießen. So kamen die Soldaten an diesem Abend zu einem großen Essen zusammen, beteten gemeinsam, egal welcher Religion man angehörte und wer man war. Das Mahl war eine nette Abwechslung zu dem, was es im Lazarett gab und von dem ich meistens nur wenig aß, um den Menschen neben mir mehr Kraft zu vergönnen. “Du musst mehr essen!”, hörte ich Yosuke plötzlich neben mir sprechen und sah zu ihm. Wir hatten den Schluss an einer langen Bank eingenommen und waren etwas die Außenseiter. Ich hatte gemerkt, dass Yosuke eines der beliebtesten Besatzungsmitglieder hier war und auch, dass der Mann, der ihn heute Morgen gekannt hatte nicht mehr humpelte, seit Yosuke gelandet war. Ob er eine geheime Gabe besaß? Dennoch hatte er sich komplett von allen abgekapselt und saß bei mir, der immer als der Schmächtige und Ruhige unter allen galt. “Ich esse doch.”, gab ich zurück und schöpfte mit dem Löffel den dicken Erbseneintopf. “Ich meine nicht nur jetzt.”, stellte er klar und legte seinen Löffel in die Schale zurück. “Du bist richtig dürr geworden.”, erkannte er, nahm mein Handgelenk und legte seinen Daumen, sowie den Ringfinger aneinander. “Das ist dünner als ein Frauenhandgelenk!” “Ich passe schon auf!”, versprach ich und entzog ihm meinen Arm. Doch er packte ihn wieder und führte ihn unter den Tisch, wo sich unsere Finger verhakten. Mein Herz klopfte auf. Wir hielten Händchen, in einem Raum voller Männer, die vorgaben, dies zu verurteilen, auch wenn ich von einigen wusste, dass sie schwach geworden waren. “Versprochen?!”, drückte Yosuke meine Hand und entließ sie dann wieder um sie in seine Hosentasche zu führen. “Das wird nicht gebrochen, klar, Siakoh?” “Hast du deshalb meine Hand genommen?”, zischte ich leise, zu ihm gebeugt. Er steckte sich eine Zigarette an und musterte mich. “Ja.”, antwortete er und ich drehte gekränkt den Kopf weg. Ich hatte zu viel hineininterpretiert. Doch bevor wir noch irgendwas sagen konnten, hörten wir die Klänge eines Radios, in dem “C'était un jour de fête” von Edith Piaf lief. Die anderen begannen zu grölen, auch wenn nicht alle Franzosen waren. “Oh je, es geht jetzt schon los.”, schnaubte Yosuke und ich musterte seinen beobachtenden Blick, während er genüsslich rauchte. “Dauert sicher nicht lang bis sie Tanzen.” “Tanzen?!”, erfasste ich und schob meine Hand von meinem Bein auf seines. “Das würde ich gerne mal wieder. Für dich!” Yosukes Augen sahen zu mir, waren mit Überraschung versehen. An seiner Zigarette brach die Asche ab und brachte ihn wieder in Bewegung. Er drückte seine Zigarette aus, beugte sich zu mir und begann zu flüstern: “Dann tue es!” und stand auf, um aus der Halle zu gehen. Die Röte schoss mir ins Gesicht und ich sah ihm über der Schulter hinweg nach. Sollte ich es wirklich tun? Wir waren hier nicht allein. Das Kribbeln in meinem Rücken und mein heftiger Herzschlag gaben mir allerdings die Antwort auf diese Frage. Wenn nicht jetzt, wann dann?! Ich wollte mehr als alles andere für ihn tanzen. Ihm die Aufwartung machen. Ihn zu meinem Mann haben. Also stand ich wenige Minuten später auf und folgte ihm. Die Dunkelheit der Landebahn ließ mich überlegen, wohin er gegangen sein könnte, als mich das kurze Aufleuchten eines Feuerzeuges zu sich zog, das auf einer der Ladeflächen der Flugzeuge erschienen war. Ich schlich mich ihm nach und als ich in das Innere der Maschine stieg, sah ich mich kurz in der Dunkelheit um. Kurz vor dem Pilotenbereich, stand Yosuke und hielt sein Feuerzeug in die Höhe. “Tanz für mich!”, bat er und setze sich auf einen der Sitze. “Siehst du denn etwas in der Dunkelheit?”, fragte ich und machte darauf aufmerksam, dass es stockfinster war und nur wenig Licht des Vollmondes durch das Cockpitfenster drang. Yosuke steckte sich eine Zigarette an und entzündete dann eine winzige Kerze. “Ich würde genug sehen, meine Augen sind gut.” sagte er und ließ sie aufleuchten. “Du hast eine Gabe?” “Ja. Ich kann Knochen sehen und kleine Dinge beheben.”, erklärte er und sah mich mit diesen leuchtenden Augen an. “Dann hast du dem Mann geholfen der Probleme mit seinem Bein hatte?”, erkannte ich die Gewissheit hinter meiner Vermutung. “Nicht viele wissen davon, aber George ist ein alter Veteranenfreund. Ihn zu sehen, wie er unter Schmerzen seinen Dienst durchzieht, bricht mir das Herz und meine Ehre im Leib verbietet mir, ihm die Heilung zu verwehren, die ich ihm vermag.” “Du klingst wie ein alter Arzt.”, kicherte ich hinter vorgehaltener Hand. “Das bin ich ja auch. Ich habe früher das getan, was du heute tust. In alten Yokaikriegen die Verletzten versorgt.”, erklärte er und senkte den Blick. Er schien einigen Gedanken nachzuhängen und verfiel in den Blick, den ich ihm damals aus dem Gesicht gequasselt hatte. “So nicht!”, sprach ich ihn an, trat ganz nah an ihn heran und hob meine Hand an sein Kinn. “So will ich dich nie mehr sehen!”, raunte ich und schob meine zweite Hand durch seinen Pony hindurch über seinen Kopf. Meine Hüfte begannen zu kreisen und ich beugte mich zu ihm. Mein Tanz begann, führte meine Hände über seine Wangen zu seinem Hals, auf dem ich meine Fingerspitzen hauchzart gleiten ließ und meine Handfläche dann auf seiner Brust ablegte, um mich abzudrücken. Ich drehte mich zum Gehen und tat dies in einem schwungvollen Gang. Zirka drei Meter entfernt fuhr nun mir mit den Händen über die Brust. Langsam, über meinen Bauch, seitlich zu meiner Hüfte. Daran hinab, sodass ich ihm meinen Hintern entgegenstreckte, nur um mich dann seitlich umzudrehen und wieder auf ihn zuzugehen. Dabei kribbelten meine Schulterblätter so stark, dass es begann zu glimmen. “Lass es raus!”, bat er und sah mir tief in die Augen. Ich schloss diese, ging meine Schritte weiter und ließ es zu. So lange hatte ich meine Flügel nicht mehr ausgebreitet, sie immer versteckt gehalten, seit damals dieses Dorf abgebrannt war und ich zu dem Trugbild geworden war, dass im Krieg die Totgeweihten zusammenflickte. Meine Flügel brachen aus meinem Rücken und zerrissen mein Hemd. Zum Glück hatte ich meine Jacke in der Halle abgelegt. Einige Federn flogen durch den Raum, als ich sie ausstreckte und bemerkte, dass der Raum viel zu klein war. Ich stieß an die Ränder und verlor das Gleichgewicht, fiel nach vorn und landete in Yosukes Schoß. Hochrot stemmte ich mich neben seinen Beinen auf und sah zu ihm empor. Doch er schien diese Unachtsamkeit gar nicht richtig war genommen zu haben und musterte die Pracht meines Federkleides. “Hübsch!”, betitelte er und sah dann zu mir. “Ich liebe dich!”, rutschte es mir heraus, ohne dass ich mir vorher diese Worte zurechtgelegt hatte. Erschrocken darüber fächerte ich meine Federn zusammen und setze mich zurück. “Was?”, fragte Yosuke kurz und die Zigarette fiel in seine Hand, die er zu Faust ballte und ausdrückte. “Ich... äh...”, stotterte ich. Warum hatte ich das nur gesagt? Ich musste völlig bekloppt sein! Wieso hatte mich seine Äußerung zu diesen Worten getrieben, über die ich nicht mal nachgedacht hatte. Mein Herz schlug für die Wahrheit in diesem Sinnbild der Buchstabenreihe. “Vergiss, was ich sagte!”, bat ich schlussendlich und drängte mein Youki zurück. Die Flügel verschwanden und ich stand auf um zu gehen. Seine Hand jedoch hielt mich auf und ich sah in den silbernen Schein. “Verzeih mir!”, bat Yosuke und zerriss mir den Entschluss wegzugehen und ihm nicht mehr unter die Augen zu treten. “Bleib mein Freund!”, bat er. “Dein Freund?” “Ich kann dir diese Gefühle nicht geben! Entschuldige, wenn ich dir etwas anderes vermittelt haben sollte. Aber er besitzt immer noch mein Herz! Das wird sich nicht ändern!”, redete er los und zog mich zu sich. “Aber du bist der Einzige, der mich aus diesem Sumpf herausholen kann, der mir einen Grund zum Lächeln gibt und mir hilft das Warten zu überstehen.” Sein Blick wendete sich tiefer in den meinen und sein Griff wurde stärker. “Auch wenn es dich schmerzt! Bitte verlasse mich nicht und bleib mein Freund! Ich weiß es ist hässlich von mir, dich darum zu bitten, weil ich dich abweise. Aber ich kann auch nicht mehr ohne dich sein!” “Yosuke!”, wisperte ich und spürte wie sein Griff nachließ. Sein Kopf sank hinab, das Leuchten erstarb und die Dunkelheit zog in den Raum. Er brauchte mich also. Außer Manolo hatte dies noch niemand so zu mir gesagt, nie so vermittelt. Doch konnte ich damit leben, dass er mich nie begehren würde? Weil es diesen Idioten gab, der sein Herz mit sich genommen hatte? Ob Yosuke mir je die ganze Wahrheit darüber sagen würde? Und als ich das dachte, wusste ich, auch wenn es schmerzte, ihn nie als Liebenden an meiner Seite zu wissen, wäre es besser, als ohne ihn zurückzugehen. Er war am Ende ein besserer Freund als die Einsamkeit. “Okay, Yosuke. Ich bleibe bei dir!” Kapitel 7: Zukunft ------------------ 7. Nachdem ich ihm das Versprechen gegeben hatte, kehrten wir zu den anderen zurück und wurden in die Tänze und Saufereien hineingezogen. Yosuke schien erleichtert und auch wenn mein Herz blutete, so war ich auch froh. Wir hatten uns Freundschaft versprochen. War dies nicht das höchste Gut von allen? Es vergingen drei Jahre bis ich Yosuke wiedersehen sollte. Wir hatten uns bei unserem Abschied versprochen zurück zu Manolo zu gehen und dort auf den anderen zu warten. Als dieser Tag endlich gekommen war, löste sich unsere Division auf, wie das Nest einer Ameisenkolonie. Es wimmelte in alle Himmelsrichtungen und meine Beine trugen mich so schnell es ging nach Hause. Völlig außer Atem und voller Dreck kam ich drei Tage später an der Bar an. Freudig schlug mein Herz, als ich sah, dass das Gebäude noch stand. Gleich würde ich ihn wiedersehen, so dachte ich und stürzte die einzelne Stufe hinauf, riss die Tür fast aus dem Schloss und erkannte eine Person direkt vor mir. Wie damals schon schneite es gerade, was ungewöhnlich für diese Jahreszeit war und erinnerte mich an den Abend, an dem ich Manolo kennenlernte. Doch es erwarteten mich nicht die blaugrauen Augen meines Bruders, direkt vor mir. Sondern die braunen mit dem Silberstreif. “Siakoh!”, erfasste mein Gegenüber und zog mich sofort in seine Arme. “Du lebst!” “Yosuke!”, erwiderte ich und presste mich an ihn. Seine Nähe war die Gewissheit, dass er es geschafft hatte. Wir hatten unser Versprechen gehalten. “Wie lange bist du schon hier?!” “Ich kam vor zwei Tagen an.”, erklärte er und schob sich aus meinen Armen um mein Gesicht zu erfassen. “Gott, bin ich froh!” “Ich auch.”, gab ich zu und spürte das Kribbeln der Tränen in meinen Augen. Doch ich unterdrückte es und sah an ihm vorbei. “Ich muss zu Manolo und ihm zeigen, dass ich zurück bin!” “Warte!”, hielt Yosuke mich auf, als ich loslaufen wollte. Dies ließ mein Herz kurz stehenbleiben. Wieso hielt er mich auf... “Er ist nicht hier.” “O-Okay... ist er einkaufen?”, fragte ich vorsichtig nach. Das ungute Gefühl ließ sich nicht so leicht abschütteln und breitete sich noch immer wie Nebel um mein Herz. “Siakoh.”, wisperte er und nahm meine Hand in seine. Das Gefühl schlang sich blitzartig um mein Herz und drückte zu. Wie eine Schlange, die ihr Opfer ergriff und zu ersticken versuchte. “Er ist gestorben.” Der Boden gab nach, ich fiel. Es fühlte sich an als wäre ich so hoch hinaufgeflogen, wie ich es vermochte und dann hätte man mir die Flügel genommen. Von jetzt auf gleich, stürzte ich in die Tiefe, ohne jemals zu landen. Der Schrei, der sich aus meinem Hals löste, war laut, doch nur dumpf in meinen eigenen Ohren. Ich ging in die Knie und wurde sofort umarmt. Yosuke zog mich in seinen Arm, klammerte sich um mich, als wollte er mich mit seinem Körper vor dem schützen, was aus meinem Inneren zu platzen drohte. Wie ein Parasit, der in meinem Herzen gereift war und mich nun verlassen würde, vergiftete mich das Gefühl, die Liebe zu meinem Bruder und drohte mich zu ersticken. “Ruhig.”, flüsterte Yosuke an meinem Ohr und endlich begann ich wieder zu atmen. Dies war die Erlösung aus dieser lähmenden Gewissheit. Ich würde Manolo nie mehr wiedersehen. Tränen schossen augenblicklich in meine Augen und ich vergrub mein Gesicht an Yosukes Brust. Lautstark wie ein Kind, weinte ich und das über Stunden. Ich bemerkte nicht mal, wann er mich auf seine Arme nahm und in mein Bett getragen hatte. Es war noch alles so wie damals, als ich einberufen wurde. Als ich die Kissen im Rücken spürte und Yosuke zusah, wie er sich auf die Bettkante setze, erwiderte ich seinen Blick. “Willst du wissen was geschah?”, fragte er vorsichtig. Es schien ja so, dass keine Bombe für seinen Tod verantwortlich gewesen war. Also nickte ich. “Er starb durch einen Infekt, sagte mir Catarina.”, begann er zu erzählen. “Sie ist noch hier?”, fragte ich zitternd. “Nein, sie ging, als ich ankam. Sie hat hier nur auf dich gewartet, weil Manolo es ihr am Sterbebett als Versprechen abgenommen hatte. Er hatte es dir versprochen und wollte dies nicht brechen.” “So ein Penner!”, schluchzte ich und drehte mein Gesicht ins Kissen. “Er ist so ein Arschloch!” “Catarina zeigte mir sein Grab.”, begann Yosuke weiter zu reden und streichelte mir über den Rücken. “Wollen wir es besuchen gehen?” “Ich weiß nicht.”, zitterte meine Stimme. Doch eigentlich spürte ich, dass ich es wollte und setze gleich hinterher. “Ja, ich will ihn besuchen.” “Okay. Ich warte unten auf dich.”, erklärte Yosuke und stand auf. “Ach und diese Kleidung hat er wohl für dich herlegen lassen. Catarina sagte mir, dass sie nichts aus diesem Zimmer angerührt hätte. Es wäre nun alles deins.” “Ist gut.”, nuschelte ich und lauschte seinen Schritten, als er den Raum verließ. Einige Minuten blieb ich liegen und fühlte mein blutendes Herz, bis ich mich aufraffte und zum Stuhl sah. Dort lagen meine einstigen Kleidungsstücke, wie an dem Tag, als er mir diese Bar gezeigt hatte. Diese wunderbare Welt, in die er mich aufnahm und einbrachte. Die Welt, in der ich mich wohlfühlte. Ich stand auf und zog mich um. Die Uniform landete sofort in der Mülltonne und ich würde mich sputen diese loszuwerden. Auch wenn es hieße sie im Kamin zu verbrennen. Diese dumme Pflicht, der ich mich selbst verschrieben hatte, hatte mir meinen Manolo weggenommen. Ich hätte an seinem Krankenbett sein sollen und ihn pflegen, so wie er es damals getan hatte. Niemand anderes. Er hätte mir alles sagen können, was gesagt gehörte und ich hätte bei ihm gelegen, als er seinen letzten Atemzug getan hatte. Als ich das Hemd vom Stuhl zog, flog mir ein Stück Papier entgegen, welches ich noch im Flug auffing und starr betrachtete. Auf dem gefalteten Blatt stand das Wort Bruder. Es schien ein Brief zu sein und meine Finger begannen zu zittern. Vor einigen Minuten hatte ich mir noch gewünscht seine letzten Worte gehört zu haben, nun lagen sie in meiner Hand und ich traute mich nicht sie zu lesen. Was war ich doch für ein Feigling. “Öffne ihn. Es wird dir einiges leichter machen.”, hörte ich Yosukes Stimme und musterte ihn in der Tür lehnend und rauchend. “Hat er dir damals einen Brief gegeben?”, antwortete ich mit einer Gegenfrage. “Wer?”, fragte er verwirrt und schien doch auf eine Idee zu kommen. “Du meinst Kusuri?” “Wenn das der Name deiner Liebe ist.”, antwortete ich. “Gab er dir einen Brief zum Abschied?” “Nein!”, wies Yosuke ab, sah zum Boden und dann wieder in meine Augen. “Deshalb ist es so wichtig, dass du diesen Brief liest. Du hast wenigstens ein paar Worte. Und ich denke Manolo wird dir keine Vorwürfe hinterlassen haben.” “Dieser Kusuri ist echt ein Arsch!” “Lies den Brief, Siakoh!”, befahl er nun und lenkte das Thema zurück. “Ist ja gut...”, antwortete ich und zog zuerst das Hemd über, knöpfte es zu und nahm dann den Brief zur Hand, als ich mich auf den Stuhl sinken ließ. “Was stand in dem Brief?” “Du willst wirklich eine wortwörtliche Erklärung einer so intimen, an mich adressierten Nachricht, liebe Autorin? Du bist ja schlimmer als jeder Paparazzo!” “Wenn du nicht willst, musst du nichts erzählen...”, hielt die Beta dem bösen Blick zur Autorin, die auf der rechten Seite des Vogelmannes saß, stand. “Es ist, wie du sagst, ein Brief von Manolo an dich. Das geht uns nichts an!” “Auch wenn es dir in der Seele brennt es zu erfahren, nicht?”, kitzelte er ihre Neugierde heraus. Die Beta tat nur kurz ertappt und lehnte sich dann an seiner Schulter an. “Es liegt an dir.” “Dann würde ich es gerne für mich behalten.”, machte er klar. “Was?!”, griff die Autorin ein. “Seine Geschichte, seine Sache, wie weit er ausholt!” “Niemand lässt mir hier meinen Drama-Spaß!” “Hallo? Schätzchen! Ich biete dir hier DAS Drama schlechthin, also halt dich mal etwas zurück.” “Ist ja gut...”, schnappte die Autorin und machte sich ganz klein. “Manolo hatte mir seinen gesamten Besitz hinterlassen. An seinem Grab verabschiedete ich mich noch einmal richtig von ihm und legte ihm eine meiner Federn auf die Erde. Das tue ich noch heute, jedes Jahr. Yosuke half mir damals alles aufzulösen und hatte den Vorschlag gemacht zu reisen. Zunächst taten wir dies mit dem Zug und erkundeten alle Länder Europas, welches sich nur langsam von den Strapazen des Krieges erholte. Hier und da gingen wir unserem Beruf als Arzt und Pfleger nach, erwirtschafteten uns etwas Geld und lebten in kleinen Wohnungen. Yosuke hatte sich etwas Geld aus alten Zeiten angespart und überraschte mich Anfang der 50er Jahre mit einer Cessna 172 Skyhawk in Rot. Er war so begeistert davon, dass wir ohne lange darüber nachzudenken, alles abbrachen und losflogen. Wir landeten, wo es uns gerade passte, reisten so um die ganze Welt. Nur in Ländern, die zu warm waren, die ich allerdings bevorzugte, hielt er es nie lange aus. Sein “dickes Fell” mit dem ich ihn hier und da ärgerte, machte ihm die Hitze unerträglich. Dafür ging er aber auch meine Bedingung ein, nicht in Länder zu reisen, die Schnee hatten. Die Erinnerungen an Manolo krochen mit dem Schnee zurück in meine Erinnerungen und das brachte noch immer zu viel schmerzhafte Kälte in mein Herz. Als wir jedoch eines Tages in New York hielten, rutschte mir Manolos Brief seit langem das erste Mal wieder in die Hände. Ich las seine liebevollen Worte und das all seine Dinge nun mein waren. Sein Vermächtnis. Und als ich sah, wie offen die Menschen hier ihre Bars besuchten und der neuen Rock’n’Roll-Musik lauschten, kam mir, bei einem Bier an einer ihrer Theken, der Gedanke: “Lass uns eine Bar eröffnen!” “Hm?”, fragte Yosuke und setze seine Coca Cola ab. Er trug heute eine schwarze Lederjacke, dazu eine Skinny Jeans und rote Lederschuhe. Er hatte einen Faibel für Schuhe und kaufte sie gerne in außergewöhnlichen Farben. “Eine Bar?” “Ja, warum nicht?”, fragte ich und war sofort Feuer und Flamme. “So wie damals. Mit Kostümierung, singen und tanzen” “Meinst du denn, das würde besucht werden?”, fragte Yosuke weiter und nahm eine Pommes Frites, um sie in seinen Mund zu schieben. Die Gefühle für ihn hatten sich nicht gemindert, seit wir so gemeinsam reisten und jeden Tag miteinander verbrachten. Nie nahm er einen der Männer ernst, die bei so mancher Gelegenheit versuchten, sich an ihn ran zu machen. Seit er sein Haar wieder kürzer trug, war er noch begehrter und schickte seine Verehrer und Verehrerinnen vor allen, immer mit einem Seitenblick zu mir fort. Ich war sein Schutzschild geworden und war es gerne. Denn in den letzten Jahren, egal wie viel wir reisten und was wir sahen, erkannte ich seinen Schmerz. Seit Manolo fort war, konnte ich es nachvollziehen, wie es in seinem Herzen aussah. Vielleicht auch erst seitdem erkennen, wie allein Yosuke doch war, weil seine große Liebe nicht bei ihm war. Es schmerzte mich zu wissen, dass es so war. Dass er so dachte und mich nie wirklich in Betracht zog. Doch ich hatte ihm meine Freundschaft versprochen und würde dieses Versprechen halten, so wie ich es bei Manolo getan hatte und zurückgekehrt war. “Warum sollte es nicht besucht werden. Schwule gibt es auch heute wie Sand am Meer.”, wedelte ich mit der Hand und biss von meinem Burger ab. Er schmeckte unglaublich gut und war nirgendwo zu finden außer hier in Amerika. “Aber sie zeigen sich noch immer nicht direkt. Der Krieg greift doch noch weiter, als wir das gedacht haben.” “Mal nicht alles so schwarz und lass es uns versuchen. Wenn es nicht klappt, verhökern wir alles wieder und fliegen los.”, versuchte ich es ihm schmackhaft zu machen. Sein Blick ruhte auf mir und als er seufzte wusste ich, dass ich seinen Willen gebrochen hatte. Er würde mit mir diese Bar eröffnen. Wir flogen wenige Tage später zurück nach Europa, da ich mir wünschte die Bar in Frankreich zu gründen. Dort wo Manolo es getan hatte, sogar dieselbe Stadt. Das Haus, in dem die Bar damals gewesen war, existierte nicht mehr, aber wir fanden ein Objekt einige Straßen weiter. Direkt neben der Parfümerie, in der Yosuke damals das Parfum kaufte, welches ich noch immer besaß. Eines Nachts hatte er mir erzählt, dass es ihn an eine Blume aus seiner Kindheit erinnerte. Er hatte sie damals gefunden, nachdem man ihm aus dem Rudel geworfen und er als kleiner Junge umhergewandelt war. Nachdem er die Blume gepflückt hatte, erlag er einer Krankheit und wurde von seinem Ziehvater gefunden, der ihn gesundpflegte und dann zum Mediziner ausbildete, weil er selbst erkrankte. Der Geruch dieser Blume hatte damals sein Leben verändert, so wie ich es ebenso verändert hatte. Diese Worte hatten mich glücklich gemacht, doch es änderte dennoch nichts an dem, was zwischen uns stand. Wie gerne hätte ich ihm endlich gezeigt, dass ich ihm Liebe geben konnte, anders wie dieser Mann, der einfach über Nacht verschwunden war. Aber Yosuke hielt an ihm fest. Er würde irgendwann zurückkommen. Auch wenn ich nie verstand, was ihn dabei so sicher machte, schenkte ich ihm meinen Glauben und hielt mich zurück. Nachdem wir die Bar eingerichtet hatten, zwei Damen eingestellt hatten begann unser Etablissement den Dienst. Jeden Abend verwandelte ich mich in eine wunderschöne Frau, sang die neuesten Lieder und tanzte dazu. Immer galt mein Blick nur Yosuke, der den Barbetrieb tätigte und recht geschickt darin war, den Leuten das Geld aus der Tasche zu ziehen. Er war ein guter Verkäufer und lockte auch so manche Dame an besonderen Abenden hierher. Wir wollten unsere Kundschaft nicht aufteilen und gaben auch den Damen die Möglichkeit sich zu amüsieren. Yosuke tanzte zwar selten, hatte sich aber breitschlagen lassen und verwandelte sich ab und an auch mal in eine Frau. Ich vergötterte ihn immer mehr und konnte es bald nicht mehr unterdrücken ihm dies zu zeigen. Besonders als ich die Abende bemerkte, an denen er vermehrt trank, weil ihn der Liebeskummer wieder gepackt hatte, wollte ich, dass er diesen anderen Mann vergaß, zog ihn zum Tanzen durch sein Zimmer und munterte ihn auf. Eines Abends jedoch überraschte er mich. Es war weit nach Mitternacht und die Kunden seit einigen Stunden fort, als er wieder zur Flasche greifen wollte und ich seine Hand packte. “Tanz mit mir!”, hatte ich ihn gebeten und er stellte sich wie ein Mann vor mir auf, nahm meine Hände zum Walzer und begann. Lächelnd ließ ich diesen ruhigen Schritt zu und genoss, dass ich es schaffte ihn aus dem Sumpf des Kummers zu ziehen. Ohne ein Wort wirbelte er mich herum und wir nutzen die gesamte Größe des Raumes aus, bis das Lied endete und er mich in die Arme zog. “Kannst du mir verzeihen?”, hörte ich plötzlich seine flüsternden Worte und wusste nicht, was er meinte, als ich schon seine Hände an meinen Wangen spürte und kurze Sekunden später seine Lippen auf den meinen. Ich riss die Augen auf und wusste vor lauter Schrecken nicht, was ich tun sollte. Doch mein Körper reagierte sofort und natürlich auf diese Berührung. Meine Haare stellten sich in pochenden Zügen auf und ich legte meine Hände an seine Brust, während unsere Zungen sich trafen. Sein Atem war heiß und ich schmeckte seinen Speichel im Mund. Sein Körper setzte sich in Bewegung und er presste mich gegen die Bühne die gut einen Meter höher war als der restliche Boden. Er beugte sich immer weiter über mich, sodass ich mich ablegen musste und ihm zwischen meinen Beinen platz bot. Mein Herz schlug immer wilder und ich wusste nicht, wie mir geschah als sein Kuss immer drängender wurde und seine Hände sich neben meinem Kopf zu Faust ballten. Ich hörte das Knirschen in seinen Fingern, als er sich urplötzlich von mir wegriss und aufstellte. “Das...”, keuchte er und geriet in Panik. Er schob sich von mir weg und drehte sich um. “Yosuke!”, bat ich ihn zum Anhalten und ergriff in einem kleinen Vorstoß meiner Hand sein Handgelenk. “Bleib hier!” “Das ist ein Fehler!” knurrte er mich an und sah ebenso ernst aus. “Ich benutze dich nur und das ist nicht richtig!” “Yosuke ich habe nichts gegen diesen Kuss.”, gab ich ihm Gewissheit, dass ich es auch wollte. “Ich kann dir viel mehr geben, wenn du das willst. Ich liebe dich noch immer!” “Ich liebe dich auch... und wäre die Situation eine andere, wer weiß...Aber es ist, wie es ist.”, blockte er ab und zog seinen Arm aus meinem Griff. “Es tut mir leid Sia, aber ich kann ihn einfach nicht vergessen! Er besitzt mein Herz!” “Dieser KERL?!”, schrie ich ihn nun an, weil es mir reichte. Seit Jahren sah ich wie Yosuke immer wieder im Kummer versank und zur Flasche griff um dem Herr zu werden. Nichts machte ihn glücklich, außer mir und nun hielt er dennoch zu diesem Arschloch, weil er ihn angeblich liebte und hoffte er würde wiederkommen?! “Dieses Arschloch hat dich nicht verdient! Wie lange wartest du nun schon auf ihn und niemals hat er sich gemeldet! Niemals nur einen Brief gesendet oder sonstiges. Vergiss diesen Bastard endlich!” “Das kann ich nicht, Sia!”, brüllte Yosuke mich an und griff sich sogleich an die Stirn, vor Verzweiflung. “Ich könnte dich glücklich machen, Yosuke!”, hielt ich ihm die Lösung vor Augen. “Wenn du mich nur lässt, zeige ich dir meine Liebe und du wirst sicher glücklich damit!” “Das wäre dir gegenüber nicht fair!”, blockte er erneut ab, löste die Hand aus seinem Gesicht und sah mich erschöpft an. “Es tut mir leid, Siakoh.”, bat er und lief einfach aus dem Raum. Er ging nach oben, zu seinem Raum und ich blieb einsam zurück, lehnte an der Bühne und spürte die heiße Flüssigkeit auf meinen Wangen. Was sollte ich noch machen auf dieser Welt, um endlich geliebt zu werden? Aus Verzweiflung und Zorn packte ich die Tageseinnahmen in meine Hosentasche und verließ das Haus. Es war eine milde Nacht im Sommer und mein Hirn zu durchwühlt von den Emotionen. Ich konnte an nichts mehr denken, als mein gebrochenes Herz, das dennoch, so starrsinnig wie es ging, versuchte an Yosuke festzuhalten. Wieso tat es das? Warum er? Ich lief einige Straßen weit und an außerhalb der Stadt in den Wald. Ich brauchte absolute Ruhe und keine nervenden Autos, die hier und da herumfuhren. Ich wollte weg und meinen Gefühlen auf den Grund gehen. Mein Herz wusste nicht weiter und so ließ ich mich auf einem alten und hohen Baum nieder, lehnte mich an den stamm und zog die Beine zu mir. Der Mond schien hell wie damals als ich in dem Flieger für ihn getanzt hatte. Dort hatte er mich das erste Mal abgewiesen und gebeten sein Freund zu bleiben. Damals hätte ich verneinen sollen, dachte ich. Dann würde es jetzt nicht so sehr schmerzen. Voller Reue zog ich diesen Gedanken zurück. Es war falsch, alles was geschehen war, als Fehler abzustempeln. Aber die Gefühle taten es. Yosuke war bei allen, schlimmen und traurigen Momenten der letzten Jahrzehnte dabei gewesen, war mein Freund, mein engster Vertrauter. Sollte ich dafür nicht dankbar sein? Warum wollte mein Herz noch mehr? Und warum so unerbittlich? Was würde geschehen, wenn an diesen Gefühlen unsere Freundschaft zerbrach? Ich wusste es nicht und versank immer weiter in diesen Gedanken über ihn. Über uns. Wie sollte es jetzt nur weiter gehen? Kapitel 8: Hoffnung ------------------- 8. (Yosuke) Ich hatte einen Fehler gemacht. Schon wieder. Hatte ich denn durch Kusuri gar nichts gelernt? Das ich behutsamer mit meinen Freunden sein sollte? Sie nicht verschreckte, wenn mich die Lust überkam? Es hörte sich an, als wäre ich ein unbezwingbarer Teenie, der sich nicht im Zaum zu halten wusste. Ich war erwachsen, alt genug, wenn man es so bemerken konnte. Warum machte ich dann immer noch alles falsch? Siakoh, glitt sein Name durch meine Gedanken, als ich nun oben in meinem Bett lag, den Ellenbogen über meine Augen gelegt hatte und mich in Dummheit und Selbsthass suhlte. Wieso hatte ich ihn nur küssen müssen?, rügte ich mich und dachte an den Geschmack seiner weichen Lippen, die ich zum ersten Mal gekostet hatte. Seine warme, leicht raue Zunge, die sich um meine schlang und mehr wollte. Unachtsam und voller Gier auf die Liebe, nach der ich mich von anderer Seite aus sehnte, hatte ich ihn auf die Bühne gedrückt, mich fast auf ihn gelegt und gezeigt, zu was ich im Stande wäre. Was ich ihm geben könnte. Wenn er nicht wäre. Kusuri. Bei diesen Worten schmerzte mir mein Herz. Er war alles für mich und würde es immer sein. Mein ganzes Sein hatte sich auf meinen einstigen Freund geprägt. Ich wollte nur ihn, mit Haut und Haar. Die Hexe der Zeit, Byorigaku, hatte mir auch noch ins Ohr geflüstert, dass ich nur auf den richtigen Moment zu warten hatte, um ihn zurückzugewinnen. Ich setze alle meine Hoffnung und Geduld dafür ein. Gab einfach alles und verletzte die, die mir mittlerweile sehr lieb und teuer geworden waren. Ich wusste von Siakohs Gefühlen für mich und nutze diese ab und an schamlos aus. Deshalb hatte es heute wohl auch geknallt. Endlich konnte man sagen, denn es wurde Zeit. Wir mussten diese Sache klären und ich sagte ihm, wie ich fühlte. Dabei schnitt ich verbale Wunden in sein Herz und konnte förmlich zusehen wie es brach. Warum hatte ich das nur getan? Warum hatte ich mich an ihn geklammert wie ein Baby an seine Mutter? Weil er mir die Last nahm. Er war für mich da, wenn der Kummer und die Einsamkeit mich übermannten. Siakoh war der Einzige gewesen, der so lange Zeit bei mir geblieben war, obwohl wir uns zuvor kaum kannten. Natürlich, der Krieg verband so manche Männer zu Lebensfreunden. Aber bei uns war es doch ganz anders. Es schien, als würde er wissen, wie ich mich fühlte. Ich hatte ihn nie danach gefragt, aber ich glaube, auch er wurde einmal verlassen. Nicht nur von Manolo, als dieser gestorben war und ich zwei Tage mit dieser Gewissheit kämpfte und nicht gewusst hatte, wie ich es Sia beibringen sollte. Es musste jemand anders gewesen sein. „Egal!“, seufzte ich meine Überlegungen beendend. „Ich muss mich entschuldigen!“, nahm ich mir vor und schwang mich aus dem Bett. Sicher wäre er noch unten und würde die Wut beim Aufräumen rauslassen. Wenn Sia schlecht gelaunt war, putze er wie eine Furie. Doch diesmal nicht. Ich kam in den leeren Saal unserer Bar und sah mich einmal komplett um. Meine Nase war schlecht zu gebrauchen, da hier alles nach ihm roch. Er legte das Parfum noch immer auf, welches ich ihm vor so langer Zeit einmal empfohlen und aus Dank geschenkt hatte. Als er auch in den sanitären Räumen nirgends zu finden war, auch nicht auf mein Rufen reagierte, kroch in mir eine ungeahnte Panik hinauf. Es war dieselbe Panik, die ich damals verspürt hatte, als ich Kusuri nicht mehr neben mir fand. Damals hatte ich zwar geahnt, dass dies passieren könnte, dass er vielleicht einige Tage oder Wochen brauchte um sich seiner Gedanken klar zu werden. Aber nun, da ich wusste, dass aus diesen Tagen und Wochen, Jahrzehnte und sogar Jahrhunderte werden konnten, konnte ich nicht ruhig bleiben. Meine Beine trugen mich durch das ganze Haus und suchten nach einer frischen Fährte. Doch nirgends fand ich etwas. Also lief ich zur Tür und als ich den Griff packte, erkannte ich seinen Geruch am Frischesten. Er war gemischt mit Salz. Das gab mir Gewissheit, dass er fort, hinaus gegangen war und auch das er weinte. Wegen mir. Ich hatte ihn also so sehr verletzt? Nach meinem kurzen Zögern lief ich los und verlor seinen Geruch recht schnell aus der Nase. Die Umgebung war von einem Festival verseucht, das an diesem Abend zusammen mit einem Zirkus aufgestellt worden war. Überall roch es nach Benzin und Motoren die noch für Wärme sorgten, wenn die Menschen in ihren Wagons schliefen. „Siakoh!“, rief ich laut in die Dunkelheit, doch er hörte mich nicht. Etwas in mir brach und ich begann zu hecheln und zu keuchen. Mein Herz raste plötzlich und ich drohte umzukippen. Ein heftiger Schock schüttelte mich durch und mühsam schaffte ich es nach Hause zurück. Ich sperrte alles ab, verbarrikadierte mich in seinem Raum und roch an einem Kissen, das ihm gehörte. Ob es Heuchelei war? Sicherlich. Denn ich hatte ihn von mir weggestoßen. Ich hatte ihm Hoffnungen gemacht, wo es keine gab. Und nun? Nun war ich wieder allein. Drei Tage betrank ich mich hoffnungslos, machte fast die ganze Bar leer. Wartete auf Siakohs Rückkehr und gab am Ende auf. Er hatte mich verlassen, das musste ich akzeptieren. Warum ich dies nicht auch bei Kusuri gekonnt hatte, war mir ein Rätsel seit mein Kopf im Nebel des Alkohols versank. Als ich am vierten Tag, verkatert, aber nüchtern aufwachte, stopfte ich alle meine Kleidung, etwas Geld und meine Erinnerungsstücke in einen Rucksack und verließ das Manolos. Ich brach alles ab, weil ich mich auf das konzentrieren wollte, was mir nach alledem geblieben war. Die Hoffnung und Sehnsucht auf Kusuri, der mein Herz bei sich hatte. Mit der Cessna flog ich in mehreren Etappen nach Japan zurück und kehrte bei einer alten Bekannten ein. „Musstest du mit diesem Ding meinen ganzen Garten so verwüsten?“, schimpfte sie, als ich aus meinem kleinen Flieger ausstieg und sie grimmig musterte. „Gibt es eine Eingrenzung der Wartezeit?“ „Oh, heute kommst du ja direkt auf den Punkt, Yosuke.“, bemerkte sie, als ich an ihr vorbeistampfte und in ihr traditionelles Anwesen ging. „Ich habe genug Scheiße durch und brauche endlich ein Datum. Ein Ende aus diesem ewigen Kreis, der sich immer und immer wiederholt.“ „Liebeskummer? Armer kleiner Wolf.“, maulte die Frau mit dem violetten Haar und kam mir ganz nah. Ihre Hände schlangen sich um meine Hüften und sie schob ihren vollen Busen an meine Brust. „Ich kann dir helfen!“, bot sie an. „Lass das!“, befahl ich und schob ihre Arme von mir. „Ich will nur einen! Also schau endlich nach ob ich ihn bald wiedersehen kann!“ „Tze. Sowas Langweiliges.“, jaulte sie auf und rollte die schneeweißen Augen. „Na los, Byorigaku.“, knurrte ich sie an und sie geriet in Bewegung. „Is ja gut!“, schimpfte sie und ging in einen Raum, in dem sie immer verschwand, wenn sie eine größere Frage mit der Zeit zu klären hatte. Ich ließ mich an der Wand dieses Raumes niedersinken und verschloss die Augen. Wann würde ich endlich am Ende ankommen? Mein Glück finden? Es vergingen einige Tage, in denen ich mit Byorigaku trank. Sie musste auf ein Zeichen warten und ich wurde immer ungehaltener. Ich hielt es nicht mehr aus. War zwischen meiner Schuld und der Erlösung hin und her gerissen. Wieso musste ich so leiden und ließ auch die anderen leiden? Vielleicht hätte ich diese Erde nie betreten sollen, dachte ich nun so oft am Tage, das ich mich fast dazu entschloss, es einfach zu beenden. Ich brachte nicht nur mir Unglück, sondern auch so vielen anderen. Kusuri, Siakoh… ich hatte die Liebe gar nicht verdient. So dachte ich und setze die Schnapsflasche ein weiteres Mal an die Lippen. Ich würde mich besinnungslos trinken. Vielleicht würde mich das endlich erlösen. Doch bevor ich einen weiteren Schluck nehmen konnte, schob Byorigaku ihre Hand auf die Flasche und drückte sie hinab. „Dass du einmal so tief sinken würdest, hätte ich nie geglaubt.“, wisperte sie und ich ergriff ihr Kinn. Grob presste ich meine Finger auf ihren Kiefer und blickte in ihre ruhigen und gelassenen Augen. Diese Ruhe und die Gewissheit, dass sie die Einzige auf der Welt war, die noch einsamer war als ich es je sein könnte, ließen mich brechen. Meine Augen brannten, meine Finger zitterten und ich wendete den Blick ab. „Verzeih mir die Grobheit.“, brachen sich die Worte aus meinem Mund, als ich die Reue so tief in mir spürte, wie nie zuvor. „Noch 50 Jahre, Yosuke.“, hörte ich sie sagen und riss die Augen auf. Ich hob meinen Kopf und erfasste ihr lächelndes Gesicht. „Dann wirst du Kusuri wiedersehen können und ihr werdet euch nie mehr trennen.“ „Bist du dir da sicher?“, fragte ich atemlos. Konnte es wirklich wahr sein, dass sie mir nun endlich das Ende voraussagte, auf das ich so lange gewartet hatte? Welches ich so herbeisehnte? „Ja.“ Lächelte sie. Nun packte ich sie bei den Armen und zog sie in meine. Ich drückte ihren Kopf an meine Schulter und begann wie ein Kind zu weinen. Die Tränen rannten wie Bäche über meine Wangen und ich spürte wie der Felsen in meiner Brust zu bröckeln begann. Ich schämte mich in diesem Moment keine Stärke zeigen zu können. Aber ich war am Ende. „Gott, Yosuke!“, schollt mich die Hexe und umarmte mich doch liebevoll, gab mir Halt. Es vergingen 50 Jahre, drei Monate und 24 Tage, als endlich der Moment gekommen war. Ein nachtblauer Anzug war erwählt worden, dazu ein weißes Hemd. Das gelbe Band zog ich doppelt um mein Handgelenk. So viele Jahre hatte es mich begleitet, durch diese Hölle meines Lebens. Oft hatte ich auch an Siakoh gedacht, hoffte, dass er nun endlich jemanden gefunden hatte, der ihn so liebte, wie er es verdiente. Die Welt war offener geworden, hatte sich auch unseresgleichen geöffnet und uns akzeptiert. Jeder durfte lieben, wen er zu lieben gedachte. Als ich meine Krawatte band dachte ich darüber nach, wo er nun wohl war? Sicher in einem warmen Land, indem es viel Wald und Bäume gab. Er hatte die ruhigen Plätze der Erde immer genossen. Das war mir aufgefallen als wir seinerzeit an den Stränden oder Flüssen gesessen hatten und es genossen hatten, frei zu sein. Oh, Siakoh. Ich hoffe dich irgendwann einmal wiederzusehen und mich dafür zu entschuldigen, was ich dir angetan hatte. Und ebenso wollte ich ihm zeigen, dass die Liebe immer einen Weg fand, egal wie lange es dauern mag. Kapitel 9: Epilog ----------------- 9. Epilog Nachdem ich in die Bar zurückgekehrt war und mit Yosuke sprechen wollte, fand ich ihn nicht mehr. Der ganze Alkohol war leer getrunken worden, die Flaschen in Scherben geschlagen und im ganzen Raum verteilt worden. In meinem Zimmer fand ich das Bett zerwühlt vor. Hatte er sich im Suff etwa darin gewälzt? Hatte ich ihm wirklich etwas bedeutet. Reue stieg in mir auf, weil ich wusste, dass dieser Kusuri ihn damals genauso verlassen hatte wie ich vor einigen Wochen. Ich war erbärmlich gewesen. Hatte dasselbe abgezogen wie dieser Mann, den ich als Bastard beschimpft hatte. Ich hasste diesen Mann dafür, dass er zwischen Yosuke und mir stand, doch am Ende war ich nicht anders wie er. Nicht einmal anders wie Scrootoh, der mich damals verlassen hatte. Sicher hatte Yosuke noch auf mich gewartet, denn er wusste von meinen Gefühlen. Aber ich hatte es zu weit getrieben. Hatte ihn zu lange warten lassen. Ich war schuld, dass er fort war. Woher ich wusste, dass er fort war? Die Cessna war nicht mehr dort, wo wir sie immer zurückgelassen hatten. Er war davongeflogen ohne ein Vogel zu sein. Ich hielt die Bar noch einige Jahrzehnte am Leben. Durch meine Schminke, die ich jetzt den ganzen Tag trug, fiel es nie auf, dass ich nicht alterte. Wenn mich Emanuel danach fragte, scherzte ich und tat es damit ab, dass ich mich eben richtig zu pflegen wusste. So verbrachte ich wieder viele schöne, aber auch einsame Jahre mit dem Trugbild, welches Manolo und ich einst geschaffen hatten. Ich schützte mich vor allem, wurde frech und ungehobelt, machte Scherze und spielte mit den Männern. Doch am Ende all dieses, blieb ich einsam. „SIA, Schätzchen! Mein hübsches Täubchen!“, hörte ich die rauchige Stimme meines liebsten und treuesten Gastes. „Norbert! Du hier?“, fragte ich verzückt und streckte die Arme weit auf. „Ich habe dich ja schon Monate nicht mehr gesehen, mein Guter!“ „Ich hatte im Ausland zu tun!“, erklärte er und umfing mich mit seinen kräftigen Armen. „Wow, du hast ja wieder ganz schön abgenommen, Täubchen!“ „Wenn mein bester Kunde nicht mehr kommt, bleibt am Ende eben nichts mehr übrig.“, tat ich es ab und schob meinen Arm um ihn. „Als ob du hier so schlechte Einnahmen hättest, dass es an einem alten, klapprigen Mann hängen würde!“ „Da magst du mich durchschauen, mein Lieber!“, kicherte ich und führte ihn zum Tresen. „Deshalb lasse ich dir mal ein kühles Blondes einschenken.“, verkündete ich und meine Angestellte setze sich sogleich in Bewegung. „Das höre ich doch gerne!“, lobte Norbert und ließ sich auf den Hocker sinken, legte seine Aktentasche beiseite. „Na, dann erzähl mal.“, bat ich und warf meine Federboa elegant um meine Oberarme. „Wo warst du genau?“ „Ich war in Japan. Tokio genauer gesagt.“ „Oh, so weit weg.“, erkannte ich und dachte an den einzigen Japaner, der mir je mehr war als nur eine flüchtige Bekanntschaft. „Ich hatte leider einen kleinen Unfall, muss ich gestehen.“, erzählte er weiter und ich blinzelte. „Was hast du angestellt? Warst du wieder einem zu schnellen Rock hinterher?“, rügte ich den alten Yokai, welchen ich vor einigen Jahren kennengelernt hatte. Er war deutscher Herkunft und ungefähr in meinem Alter. „Du denkst immer so falsch von mir.“, maulte er verlegen und nahm einen Schluck seines Bieres. „Aber du hast recht!!“ „Hab ich es doch gewusst.“, grinste ich und stellte meinen Kopf auf den Handballen auf. „Hast du dich schwer verletzt?“ „Nur einen Knochenbruch.“, gab er zu. „Ein sehr fähiger Yokai betreibt eine Praxis, in der mir geholfen wurde. Es sind wirklich ausgezeichnete Yokaiärzte, mit unheimlichen Gaben.“ „Gaben?“, fragte ich und zog die Augenbrauen zusammen. Ich wollte es nicht glauben, dieses eigenartige Gefühl, etwas Vertrautes zu hören. Norbert hatte einen Knochenbruch erlitten, ihm war geholfen worden von einem Yokai, der Arzt war. Das war doch zu viel des Zufalls. „Ja, Gaben. Der Leiter dieser Klinik, könnte man es eigentlich nennen, kann alles heilen. Ich hörte von fast Toten, die er wieder zum Leben erweckte. Doch es ist recht schwer an ihn heranzukommen. Er behandelt nur die, die er auch behandeln will.“, erklärte mein alter Freund und mir stockte immer mehr der Atem. Ich presste meine linke Handfläche auf den Tresen und ballte die andere Hand zur Faust. „Wie heißt dieser Arzt?“, fragte ich, die Fassung haltend. „Der Arzt? Kusuri Isha ist sein Name. Er ist auf der ganzen Welt bekannt.“ Ich riss die Augen auf und spürte wie meine Faust zu zittern begann. „Aber er behandelte mich nicht. Es war sein Partner, sein Gefährte.“, erzählte Norbert weiter und schien nichts von dem Orkan in meinem Innern zu spüren, der sich unaufhaltsam gegen die Felswand zubewegte, die ihn zu zerschellen drohte. „Er hat meinen Knochen einfach so mit seinen Augen geröntgt und mit seinen Händen meinen Knochen geheilt. Es war unglaublich!“ „Yosuke...“, wisperte ich seinen Namen, seit so langer Zeit das erste Mal wieder. „Oh, du kennst ihn?“, fragte mein Gast und Freund. „Er hat rotbraunes Haar und braune Augen mit einem...“ „Silberstreif darin.“, beendete ich den Satz, bevor er es tun konnte. „Jaa genau! Wir reden wohl vom selben Mann!“, freute er sich und klatschte auf den Tresen. „Noch ein Bier, Mädchen!“, bestellte er sich ein Getränk nach und wandte sich dann wieder zu mir. „Seit wann kennt ihr euch? Hätte ich das nur gewusst hätte ich ihm einen Gruß ausgerichtet!“ „Wir KANNTEN uns. Nach einem Streit habe ich ihn nie mehr gesehen.“, nahm ich ihm den Wind aus den Segeln. „Ihn von mir zu grüßen, hätte nichts daran geändert“ Ich schob mich am Tresen vorbei und wollte gehen, doch Norberts Worte hielten mich auf. „So wie du reagierst, wäre es wohl genau der richtige Zeitpunkt gewesen, mein schönes Täubchen!“ säuselte er und verharrte seine Finger in meinen. Ich konnte kein Wort erwidern, war zu geschockt davon, dass er meine Maskerade durchschaut hatte. Ich sah in seine alten, weisen Augen, die ein so helles Blau hatten, dass es unecht wirkte. „Versprichst du mir, nicht wegzulaufen, wenn ich deine Hand loslasse?“ „Wieso sollte ich weglaufen?“, fragte ich mit zitternden Lippen. „Vögel sind Fluchttiere!“, grinste er frech und ich seufzte. „Na? Siakoh, mein schönes Täubchen?“ „Ich verspreche es!“, gab ich nach und er nahm seine Finger von meinen. Nur um damit seine Aktentasche auf seinen Schoß zu ziehen und sie zu öffnen. „Ich habe da eine Visitenkarte mitgehen lassen. Falls noch mal etwas mit meinem Kniegelenk wäre, sagte der freundliche Arzt.“, erklärte er sein Tun und holte eine kleine handflächengroße Visitenkarte hervor. „Hier. Damit solltest du Kontakt aufnehmen können.“ „Danke, Norbert, aber ich will...“, wandte ich ein, spürte jedoch wieder seine Hand an der meinen und wie er die Karte in meine Handfläche drückte. „Keine Wiederrede!“ brummte er und schloss mit seiner Hand meine Finger um die Karte. „Du rufst ihn an und verträgst dich wieder mit ihm, hast du verstanden, mein Täubchen?“ „Ja, Norbert.“, gab ich kleinlaut nach. „Sonst komme ich nie mehr hier in deine Bar!“, schwor er. „Und was ist, wenn ich nun nach Japan gehe und dort eine Bar eröffne?“, fragte ich für den Fall der Fälle. „Dann folge ich dir dort hin, meine Hübsche.“, lächelte er und streichelte meine geschminkte Wange. „Ich danke dir, Norbert.“, lächelte ich zurück und schloss dankbar die Augen. Fertig!“ „Wie?“, fragten die Frauen. „Was?“, fragte der Mann namens Siakoh. „Das kann nicht das Ende sein!“, schimpfte die Autorin. „Nichts fertig!“ „Wenn ich es euch doch sage. Mehr passierte bis hierhin nicht!“ „Du verascht uns doch!“, schaltete sich die zunächst sprachlose Beta nun ein. „Nein! Es war erst vor ein paar Tagen, als ich Norbert traf und er mir die Karte gab. Seitdem habe ich sie nicht mal angesehen.“ „Her damit!“, hob die Beta die Hand und setze dem Yokai die Pistole auf die Brust. „Ich hab sie nicht bei mir!“, erklärte der Mann nun in Panik und wurde von den beiden Frauen eingekesselt. „Rück sie raus!“, befahl die Autorin und schob ihre Hand ebenfalls vor. Eine unheimliche und dämonische Aura zog sich um die Körper der beiden Frauen. Als würde sich die Umwelt verändern, einen dunklen Sud der Hölle bilden, verschafften sie dem Vogelyokai das gewisse Unbehagen, was es brauchte, um das zu bekommen, was sie wollten. „Na schön, ihr Ungeheuer!“, schnappte Siakoh beleidigt ein und griff dann in die Tasche seines Bademantels. „Aha!? Nicht bei dir?!“, fragte die Beta. „Los, rausholen, du feiges Huhn von einem Dämon!“ „So wie ich dich nun einschätze, schaust du dir das Ding schon seit Tagen an und traust dich nicht Kontakt aufzunehmen.“, zog nun die dunkelhaarige Autorin über ihn her. „Ihr seid ganz schön unverschämt, dafür dass ich euch nun meine Lebensgeschichte erzählt habe!“, schimpfte der Mann und klatschte die Karte der blonden Betaautorin in die Handfläche. Sofort schauten beide auf die Visitenkarte und beäugten den sauber geschriebenen Namen und die darunter befindliche Handynummer. Der Blick der beiden hob sich im selben Moment zum Yokai im Raum, der sich weiter in die Couch drückte, um sich vor dem was nun kommen würde zu verstecken. „Handy her!“, befahl die Autorin und streckte erneut die Hand aus. „Niemals!“, weigerte er sich und spürte wieder die unheimliche Aura über sich. Sein abgewendeter, beleidigter Blick wandte sich wieder zu dem der Frauen, die nun liebevoll dreinschauten. „Du musst ihn kontaktieren!“, bat die Dunkelblonde und legte ihre Hand auf sein Knie. „Das denke ich auch, Siakoh!“ „Ich kann das nicht tun!“, weigerte er sich weiter und verschränkte die Arme vor der Brust. „Er wird mich hassen, dafür dass ich ihn damals einfach zurückließ.“ „Er war nun auch nicht so der netteste in eurem Streit!“, gestand die Autorin. „Er hat dich wirklich ausgenutzt und wollte dies nicht mehr.“ „Es war ein unsinniger Streit!“, bestätigte auch die Beta. „Das muss aus der Welt!“ „Aber er ist nun bei ihm! Ich würde ihn doch nur in seinem Glück stören!“, setze er mit einer Sorge nach und die Autorin begann in ihre Faust zu husten. „Nun ja. Er könnte eventuell einen Freund gebrauchen.“ „Was?“, wurde der Mann aufmerksam. Die bronzenen Spitzen seiner Haare zuckten. „Wieso?“ „Das tut hier nichts zur Sache.“, wank die Autorin ab und zeigte auf die Visitenkarte. „Los ruf ihn an oder schreib ihm wenigstens!“ „Den Rest überlässt du uns!“, versprach die Beta und reichte Siakoh die Visitenkarte zurück. „Wir schreiben dir auch noch ein Happy End!„ „Ihr seid echt zwei, verrückte Hühner!“, bemerkte er und die beiden Frauen begannen zu grinsen. „Da könnest du recht haben!“, verkündeten sie im Chor. Ende. „Hallöchen liebe Leser! Hier endet nun der Auftritt dieser beiden verrückten, aber ich möchte euch natürlich nicht vorenthalten, ob ich Yosuke nun schrieb oder nicht. Ich muss zugeben, dass es mir wirklich schwerfiel, aber mein Herz gab mir Zeichen genug es zu tun. Auch wenn so viele Jahre vergangen sind, so liebe ich Yosuke noch immer. Aber das wisst ihr ja nun schon zu genüge! Was ich also nun erzählen will, ist Folgendes: Ich schrieb ihm, als die beiden Frauen ihre Taschen genommen hatten und hinausgegangen waren. Einige lange Minuten hatte ich die Karte noch angesehen, so wie ich es die letzten Tage getan hatte. Danach hatte ich mein Smartphone herangezogen, welches ich immer in einer der kleinen Schubladen meines Beistellschränkchens verstaute. Ich entsperrte das kleine Gerät und speicherte die Nummer zunächst ein. Danach ging ich in die Chatfunktion einer App und suchte seine Nummer um einen neuen Chat zu eröffnen. Sollte ich es wagen? Jetzt oder nie! Wenn er mich wirklich brauchen konnte, was bei dieser Autorin sicher Schreckliches bedeutete, dann musste ich es tun. Mein Herz verlangte es. Meine Freundschaft verlangte es. Also schrieb ich folgende Nachricht: „Mein Hübscher, ich würde dich gerne wiedersehen und komme morgen zum Tokio Dome. Wenn du mich auch sehen willst, antworte mir und wir machen eine Uhrzeit aus.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)