🎁Twenty four days before christmas 🎄 von Helier ================================================================================ Kapitel 3: Die Nadel im Finger ------------------------------ „Dad, willst du das Haus aus „Christmas Vacation“ nachahmen?“ , fragte ich und stellte den zehnten Karton mit Lichterketten vor die Garage. Mein Vater kämpfte gerade mit dem riesigen Schneemann, der wie jedes Jahr seinen Platz im Vorgarten fand. Mum hatte ihn dazu verdonnert, endlich das Haus zu schmücken. Es war schließlich schon der dritte Dezember und lediglich die Eingangstür und die Innenseiten der Fenster waren geschmückt. Das war das Werk meiner Mutter, nun musste Dad seinen Teil erledigen. Ich half ihm dabei. Alleine auf das Dach zu steigen, war keine gute Idee. Mein Großvater, der mit meiner Großmutter nebenan wohnte, sollte keinen Fuß mehr rauf setzten. Somit musste ich herhalten. Beide Häuser standen heute auf dem Plan. Ob es deswegen so viele Lichterkette waren, da wir sie auf beide Dächer aufteilten? Die beiden Männer würden mir schon Anweisungen geben. Ja, mein Großvater war natürlich auch dabei, selbst wenn er nicht auf das Dach steigen würde. Man konnte schließlich immer noch von unten Kommandos hoch brüllen. Mit einem Kaffee in der Hand stand er neben mir und schaute dabei zu, wie ich die Kartons aus der Garage schleppte. Mum, Granny und meine kleine Hexe, wie ich Lizzy eigentlich nannte, waren im Haus und quatschten bei Tee und Weihnachtskeksen, während ich hier draußen ackern durfte. „Endlich!“ Dad hatte den Kampf mit dem Schneemann gewonnen und trabte freudestrahlend zu uns. „Ist es nicht etwas weird, einen Schneemann aufzustellen, wenn draußen muckelige Temperaturen herrschen?“, fragte ich und betrachtete das riesige Ding. Es war so groß wie ich, also gute zwei Meter. Den Arm gehoben, als würde es jeden begrüßen der am Haus vorbei ging. „Dann müssen wir auch ab sofort Palmen schmücken, statt Tannenbäume“, warf Grand ein. „Wäre Mal was Anderes.“ „Ich glaub, da hätten die Frauen was gegen“, meinte Dad, während er sich dem ersten Karton widmete. „Auch wieder wahr!“ Ich wusste, meine kleine Weihnachtshexe würde mir bestimmt die Hölle heiß machen, würde ich eine Palme statt einen Tannenbaum zu Hause anschleppen. „Verdammter Dreck hier…“ „Arthur, ich hab gesagt, du sollst sie ordentlich einpacken.“ Dad schaute Grand genervt an. Das konnte Mann beim Entwirren der Lichterketten gebrauchen: Seinen Schwiegervater, der der ihn belehrte. „Los Flynn, nimm dir eine Kiste und schau, dass du die Ketten flott bekommst. Ich möchte fertig werden, bevor es dunkel wird.“ Wie befohlen, schnappte ich mir den nächsten Karton. Ich versuchte, den Anfang zu finden. Das konnte Stunden dauern. Nach einer gefühlten Ewigkeit hatten wir die Lichterketten entknotet. Zum Glück hatte mein Großvater einen Teil der Kartons gepackt. Die mussten wir nicht entwirren, zum Leidwesen meines Dads, da er sich deswegen noch mehr anhören durfte. Mit den ausgebreiteten Lichterketten standen wir nun im Garten. Sie sollten am Dach und an allen Dachrinnen befestigt werden. Ob wir beide Häuser heute schafften? Ich bezweifelte es. „Ich hol die Leiter“, sagte mein Vater und ging zurück zur Garage. Ich für meinen Teil begab mich schon mal auf das Dach. Gekonnt stellte ich mich auf den Verandazaun. Durch meine Größe schaute ich direkt aufs Vordach. Die Hände an den Rand gelegt, nutze ich meine Muskelkraft, um mich hochzuziehen. Training zahlte sich aus. „Flynn!“, hörte ich meinen Großvater entsetzt rufen. „Ich wette, das machst du nicht zum ersten Mal“, bemerkte mein Vater, der sich mit der Leiter neben Grand stellte. Ich saß auf dem Vordach. Die Beine runterbaumelnd, grinste ich verlegen. Wie recht mein Dad hatte. Als Teenie war ich regelmäßig über das Dach ein- und ausgestiegen. Ein Hoch auf die amerikanische Baukunst, die dies ermöglichte. „Kommst du nun hoch damit wir anfangen können? Ich wäre an Weihnachten gerne fertig!“ Damit stand ich auf und ging ein paar Schritte aufrecht auf dem Dach. „Junge, sei vorsichtig. Geh lieber gebückter, dann kommst du nicht so leicht aus dem Gleichgewicht.“ „Ja, Grand“, sagte ich genervt und wandte meinen Blick nach unten. In dem Moment verlor ich das Gleichgewicht und kam ins Straucheln. Die beiden Männer zogen scharf die Luft ein, während ich mich fing und gebückt zum Stehen kam. Das war knapp. „Mensch Flynn, sei vorsichtig. Ich möchte Liz nicht erklären müssen, dass du vom Dach gefallen bist.“ „Ja, Dad.“ Sie hatten ja beide Recht, aber es nervte, wenn man mit 25 noch so belehrt wurde. Mit dem Anfang der Lichterketten kam Dad aufs Dach gestiegen. Wie die meisten tackerten wir die Kabel fest. Meter für Meter. Grand kümmerte sich unten um die Dachrinne der Veranda. Dafür musste er nur auf der Leiter stehen. Mum, Granny und Lizzy waren zum Einkaufen gefahren. Wer wusste, wie lange dies dauern würde, aber so hatten wir wenigstens genug Zeit, um in Ruhe zu schmücken. „Ah, verdammt.“ Ich blickte über meine Schulter. Dad hatte seinen Finger im Mund. Uhhh… hatte er sich etwa in den Finger getackert? Schmerzhaft verzog sich mein Gesicht. „Alles okay, Dad?“ Er nickte, doch als er den Finger aus dem Mund nahm, sah ich die Tackernadel, die immer noch im Finger steckte. Ich wusste, dass mein Vater zimperlich war. Meine Mutter musste ihm immer die Splitter ziehen, wenn er sich welche einfing. Er konnte es nicht. „Warte, ich helfe dir.“ Langsam bewegte ich mich über das Dach auf ihn zu. „Ist okay.“ Man sah an seiner Haltung, dass es nicht okay war. „Alles in Ordnung bei euch da oben?“ Man hörte, wie Grand weiter die Leiter erklomm, um über die Dachkante schauen zu können. „Alles Gut, Elliot. Bleib unten.“ Zu spät. Da lugte schon der Kopf meines Großvaters hervor. Ich saß mittlerweile neben meinem Dad. Die Nadel saß echt tief. Er hatte ganze Arbeit geleistet. Ich versuchte, die Hand meines Dads zu nehmen, um einen besseren Blick auf seinen Finger zu bekommen, doch er zog sie immer hektisch weg. „Dad, lass mich mal sehen. Stell dich nicht so an.“ Misstrauisch sah mein Dad mich an. Sein Zögern gab meinen Großvater genug Zeit, aufs Dach zu kommen. „Lass mich mal sehen.“ „Nein Elliot, alles gut“, zischte mein Vater und wollte Grand vom Dach schicken, was dieser nicht zuließ. Grand gestikulierte wild. Er ermahnte Dad, ihm den Finger zu zeigen. Einer seiner Arme traf die Leiter. Von der Wucht angetrieben, kippte sie langsam nach hinten. Wie gebannt schauten wir drei Männer auf das Metallgestell. Einen kurzen Augenblick stand sie ganz gerade. Hielt inne, wie unser Atem. Dann fiel die Leiter um. Grand versuchte, sie zu erwischen. Auch Dad und ich setzten uns in Bewegung. Vergebens. Mit einem metallischen Scheppern landete sie auf der Erde. Bedröppelt schauten wir vom Dach. „Shit“, durchbrach ich das Schweigen. „Das kannst du laut sagen“, antwortete mein Dad und sah meinen Großvater nun vorwurfsvoll an. „Was? Stellt euch nicht so an. Die Frauen kommen bestimmt gleich vom Einkaufen zurück.“ „Solange sollen wir hier warten, oder was?“ Mein Vater war hörbar genervt, was immer noch an der Nadel liegen konnte, die in seinem Finger steckte. Grand schielte zu mir. „Flynn, runter mit dir und stell die Leiter wieder auf.“ „Das geht nicht.“ Nun schauten mich beide Männer an. „Warum, kannst du nur hoch aber nicht runter klettern? Das bezweifle ich sehr.“ Ui, Dad war wirklich fuchsig. „Nein, das habe ich nicht gesagt.“ „Und warum geht es dann nicht?“ „Ihr habt mir gesagt ich soll nicht auf dem Dach herumturnen. Und ich soll doch auf euch beide hören!“ Mit einem breiten Grinsen landete ich auf dem Rasen, neben der Leiter. Ich hatte mich schnell vom Dach begeben, bevor Dad mir auch noch eine Tackernadel in die Haut jagte. Ich wollte gerade die Leiter aufheben, als mich jemand rief. Es waren nicht Grand und Dad. Es war meine kleine Hexe. Die Frauen waren vom Einkaufen zurück und brauchten Hilfe beim Tragen. Impulsiv gesteuert, folgte ich Lizzys Ruf und überhörte dabei die Rufe der beiden Männer, die ich auf dem Dach zurückließ. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)