Urisen von MAC01 ================================================================================ Kapitel 23: Verloren -------------------- Kaiba legte das Telefon weg und blickte aus dem Fenster seines Heimbüros über die Stadt hinweg. Es war bereits dunkel und die Stadt erstrahlte in zahlreichen Lichtern und Farben. Warum hatte er keinen Personenschützer vor das Zimmer des Blonden gestellt? Vielleicht wäre dieser dann nicht getürmt, als er seinen Vater hatte kommen hören. Zumindest hätte der Personenschützer diesen begleitet und er wüsste nun, wo Jonouchi wäre. Er stand auf, zog sich ein Jackett über, dass er vorhin über die Rückenlehne seines Bürostuhls gehängt hatte. Seinen Rechner ließ er in den Schlafmodus wechseln und verließ dann das Büro. Er ging zu Mokuba, der vor dem Fernseher saß und eine Serie auf Netflix schaute. "Mokuba, ich muss noch einmal weg. Möglicherweise komm ich erst spät oder morgen früh wieder nach Hause", meinte er zu seinem kleinen Bruder, der die Folge pausierte und sich zu ihm umwandte. "Ist was passiert?", fragte der Schwarzhaarige besorgt, denn wenn sein Bruder erst einmal Zuhause war, kam es eigentlich nie vor, dass er noch einmal weg musste. "Jonouchi ist aus dem Krankenhaus weggelaufen", antwortete Kaiba wahrheitsgemäß. Sofort sprang Mokuba auf seine Knie und beugte sich über die Rückenlehne der Couch. "WAS?", kam es geschockt von ihm. "Ich komm mit." "Ich brauch dich hier, falls er her kommt", widersprach Kaiba ruhig und wuschelte Mokuba über den Kopf, denn er wusste, dass diese passive Rolle seinem Bruder nicht gefallen würde. "Verstehe", kam es von diesem nur. "Okay, aber ich will stündlich einen Statusbericht." "Ist gut", lenkte Kaiba ein und wandte sich dann zum Aufzug. Dort schlüpfte er in seinen Mantel und verließ das Penthouse. Honda saß an seinem Schreibtisch in seinem Zimmer und war über die Hausaufgaben gebeugt. Diese fielen ihm heute - wie auch in den letzten Tagen - schwer, denn gedanklich war er immer wieder bei seinem besten Freund im Krankenhaus. Morgen würde dieser entlassen werden und wie es aussah wollte dieser nicht zurück zu seinem Vater und seine Mutter würde ihn nicht aufnehmen. Also fragte er sich, ob der Blonde in einem Heim landen würde. Er wollte es nicht hoffen, denn in den letzten Jahren hatten immer wieder Missbrauchsfällen in Heimen Schlagzeilen gemacht. Vor allem Kinder gemischter oder ausländischer Herkunft waren davon betroffen gewesen. Vielleicht gab es ja noch eine andere Möglichkeit? "Hiroto", hörte er seine Mutter von unten rufen. Er stand auf, verließ sein Zimmer und ging zum oberen Absatz der Treppe und blickte nach unten. "Ja?", rief er zurück. "Hier ist Kaiba-kun", kam es von seiner Mutter und kurz fragte sich Honda, ob er sich verhört hatte. Er stieg die Treppe hinunter und musste feststellen, dass er sich nicht verhört hatte. Vor der Haustür stand der brünette Jungunternehmer. "Entschuldige bitte die Störung, Honda, aber ist Jonouchi hier?", fragte der Blauäugige ohne Umschweife. "Hier?", kam es überrascht von Honda. "Nein. Ist er denn nicht im Krankenhaus?" "War er, bis sein Vater auftauchte. Da ist er getürmt", informierte Kaiba ihn mit neutraler Stimmlage. "Ich suche ihn." "Warum?", kam es verwirrt von Honda. "Weil es eben begonnen hat zu schneien und er nur seine Schuluniform im Krankenhaus hatte", antwortete Kaiba und klang dabei, als wäre das doch sonnenklar. "Überlass die Suche mir und seinen Freunden", meinte Honda, der ohnehin nicht verstand, warum Kaiba neulich im Krankenhaus aufgetaucht war. "Jonouchi ist auch mein Freund", erwiderte Kaiba und ließ Honda ihn überrascht anstarren. "Er wohnt derzeit in meinem Gästezimmer." "Was?", kam es ungläubig von Jonouchis bestem Freund. "Ich hab jetzt keine Zeit dir das kindgerecht zu erklären. Fakt ist: Jonouchi ist aus dem Krankenhaus geflüchtet und es wird heute verdammt kalt. Wenn er nicht bei dir ist und auch nicht zu mir gekommen ist, wo könnte er dann sein?", fragte er etwas schnippig. Honda schlüpfte in seine Schuhe und griff nach seinem Winterparka. Dann trat er vor die Tür zu Kaiba. "Lass uns gehen", meinte er nur. "Ich hab nicht vor ...", wollte Kaiba abwiegeln, doch Honda blickte ihn streng an und machte so wortlos klar, dass er mitkommen würde. "Hiroto, meld dich bitte, wenn ihr ihn gefunden habt", hörten sie noch Hondas Mutter sagen, bevor sich Kaiba abwandte und zurück zu seinem Auto ging. "Mach ich, Ma", meinte er und eilte Kaiba hinterher. "Also hier ist er auch nicht", meinte Honda, als er wieder ins Auto einstieg. Unter einem Vorwand, der darauf hinaus lief, dass er sich im Tag geirrt hatte, hatte er gerade Yugi gefragt, ob Jonouchi bei ihm sei. Dieser hatte das verneint und daraufhin gewiesen, dass der Blonde doch erst am nächsten Tag aus dem Krankenhaus entlassen werden würde. "Also, wir haben eure Clique abgefrühstückt, waren in der Schule, im Park ... gibt es noch einen Ort, von dem du weißt, dass er da mal unter gekommen ist?", fragte Kaiba angespannt. "Nein", antwortete Honda ehrlich. "Dann fahr ich dich jetzt nach Hause", meinte Kaiba und startete den Motor seines Autos. "Vielleicht sollten wir zum Krankenhaus fahren", schlug Honda vor. "Zum Krankenhaus?", hakte Kaiba überrascht nach. "Das Krankenhaus ist riesig. Nur weil er aus seinem Zimmer abgehauen ist muss er ja nicht auch aus dem Gebäude geflohen sein", erklärte Honda. "Klingt einleuchtend", erwiderte Kaiba, auch wenn er das nicht glaubte. "Auf dem Weg halten wir noch wo." "Was tun wir hier?", wollte Honda wissen, nachdem sie seit einer halben Stunde parkten und in eine Gasse im Schwulenviertel starrten. "Warten", war die schlichte Antwort, die Kaiba ihm gab. "Auf was?", hakte Honda nach. "Nicht was, wen", berichtigte Kaiba Honda. Dieser seufzte schwer. "Auf wen?", kam es schließlich von dem anderen Brünetten. "Sehen wir dann", erwiderte Kaiba. Er war nicht bereit jetzt schon zu offenbaren, dass er eine Seite an dem Vermissten kannte, die Honda fremd war. "Man, Kaiba, was verschwenden wir hier unsere Zeit? Wir müssen Jou finden", wurde Honda energisch. Immer wieder schritten Männer durch die Gasse, manchmal blieben sie stehen, redeten mit den Jungs, die an den Seiten wartend standen. In der Regel schloss sich der Angesprochene dann dem Fragenden an und verschwand mit diesem aus der Gasse. Die meisten dieser Jungs kamen nach fünfzehn bis dreißig Minuten zurück. "Vermisst du dein Lieblingsstricher?", stichelte Honda. Kaiba blickte kurz zu ihm, musterte ihn missbilligend und richtete seinen Blick wieder nach vorne durch die Frontscheibe. "Mal überlegt, dass die Jungs in dieser Gasse gar nicht da stehen und sich verkaufen wollen?", kam es ruhig von dem Jungunternehmer. "Was?", kam es überrascht von Honda. Ihn überraschte nicht was Kaiba gesagt hatte, sondern dass er überhaupt Partei für die Männer dort in der Gasse ergriff. "Manche brauchen einfach das Geld", ergänzte Kaiba. "Für die Miete oder einfach für etwas zu essen. Sie stehen da und bieten ihren Körper feil, weil sie Hunger haben." "Worum geht es überhaupt?", fragte Honda etwas genervt. Wieder blickte Kaiba zu ihm. Stumm. Musternd. Plötzlich dämmerte es Honda. Kaiba wollte ihm damit etwas sagen. Er blickte in die Gasse und ließ sich die Worte des anderen noch einmal durch den Kopf gehen. 'Weil sie Hunger haben', wiederholte sich Kaibas Stimme in seinem Kopf und dann machte es Klick. Honda zog seine Stirn kraus und blickte wieder Kaiba an, dessen Gesichtsausdruck etwas trauriger wurde, bevor er nickte. Denn er war sich sicher, dass Honda es nun verstanden hatte. Erschüttert ließ sich Honda wieder gegen die Rückenlehne seines Sitzes fallen. Sie warteten noch eine halbe Stunde, nur um auf Nummer sicher zu gehen, doch Jonouchi tauchte nicht auf. Kaiba wusste nicht, ob er darüber erleichtert war, oder nicht. Immerhin hätten sie ihn dann gefunden gehabt. . Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)