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Last Seed

Die letzte Hoffnung der Menschheit
von

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Die Unsterbliche


 

“Vergessen können ist das Geheimnis ewiger Jugend. Wir werden alt durch Erinnerung.”

(Erich Maria Remarque)
 

Liberty Bay, 8. April 2037
 

Mit voller Geschwindigkeit raste die Lok des Güterwagens auf den Übergang zu. Die Signalleuchten blinkten und erloschen im Wechsel. Mal das linke, mal das rechte Licht. Das Adrenalin in ihrem Blut ließ die Zeit für Merrill immer langsamer erscheinen. Die Abstände zwischen den Warntönen wirkten jedes Mal weiter voneinander entfernt. Dann erreichte der Sportwagen endlich den Übergang und zerstörte beide heruntergelassenen Schranken mit ihren Stoppschildern in der Mitte. Der weiße Pfeil schoss um Haaresbreite an der Lok vorbei und landete sicher auf der anderen Seite auf dem Asphalt. Kurz schwenkte der Wagen nach rechts und dann nach links aus. Dank Victors Fahrkünsten war die Maschine jedoch schnell wieder unter Kontrolle gebracht.

Derweil barsten die Splitter der Schranken weiter, als sie mit dem Triebfahrzeug des Gütertransport kollidierten.

Die Verfolger wurden jäh ausgebremst und mussten vor dem Güterzug klein beigeben. Die nicht enden wollende Phalanx aus Waggons zog an ihnen vorbei und nur durch die schmalen Lücken zwischen den Containern konnten die Häscher verfolgen, wie ihre Beute allmählich in der Ferne auf nimmerwiedersehen verschwand.
 

“Whooo!”, entwich Victor ein Freudenlaut. Er trommelte mit der flachen linken Hand auf das Lenkrad ein, während er weiter mit der rechten steuerte.

Merrill saß wie versteinert auf dem Beifahrersitz und war unsicher, ob sie sich vor Aufregung ins Hemd gemacht hatte oder nicht. Solch einen Stunt hätte sie niemals gewagt!

Der Kerl musste des Wahnsinns sein!

“Die sind wir los!”, verkündete Victor indes freudig.

Heute erfuhr Merrill, wie sich ihre Beifahrer fühlen mussten. “Und ich meine Schutzengel!”, kommentierte sie.

“Meine haben schon vor Jahren gekündigt.” Victor fluchte laut auf. “Scheiße! Die Karre sieht aus wie ein rollender Schrotthaufen!”

“So wie du fährst!”

“Witzig, Ruby!”

“Ich heiße Merrill!”

“Ruby passt aber besser zu deinen Haaren. Ich nenn dich ab sofort Ruby.”

“Du hast doch einen Schaden!”

Der Schwarzhaarige verlangsamte das Tempo des Wagens und brachte ihn am Straßenrand zum stehen.

“Wieso halten wir?”, fragte Merrill argwöhnisch.

Das schelmische Grinsen auf Victors Lippen reichte von einem Ohr bis zum anderen. Er öffnete das Handschuhfach und holte ein schwarzes Tuch heraus.

“Was hast du mit dem Ding vor?!”

Victor bedeckte Merrills Augen mit dem Halstuch, neigte ihren Kopf nach vorn und band es hinter ihrem Kopf zusammen. “Ich bringe dich zu meinen Leuten. Bis wir dir trauen können, solltest du aber nicht wissen, wo wir abhängen. Hab’ mal etwas Vertrauen.”

“Klar vertraue ich einem Kerl, der mich aus dem Krankenhaus entführt, einen Hang zum Suizid mit schnellen Autos hat und obendrein noch Blitze schießt!”

“Gut dass wir das geklärt haben, Ruby. Ich hatte schon befürchtet, dich ambulant betäuben und in den Kofferraum stopfen zu müssen.”

Ihrer Sicht beraubt, wollte Merrill nicht mal gegen den Kosenamen protestieren. Sie konnte nicht sehen, dass die Fahrt fortgesetzt wurde, allerdings spüren. Victor hielt nichts davon einen Wagen sanft zu beschleunigen. Nein, es musste gleich Vollgas sein, sodass die Reifen quietschten. Sie war sicher, dieser Typ hätte die Karre auch ohne die Verfolger in absehbarer Zeit zu Schrott gefahren. In ihrem Kopf ging die junge Frau mehrere mögliche Schreckensszenarien durch, was Victor und “seine Leute” mit ihr vorhaben könnten. Keines davon gefiel ihr, so beschloss sie zu versuchen, sich einzuprägen, wenn sie in eine Kurve einbogen und welche Richtung es war. Die nächste Gelegenheit zur Flucht wollte sie ergreifen. Dazu musste sie wissen, welche Weg sie kamen. Das hatte sie mal in einem alten Actionfilm gesehen. Ob das allerdings wirklich funktionierte, musste sie erst ausprobieren.

Nach einer Weile blieb der Wagen erneut stehen. Merrill wollte ihre Augen von dem Tuch befreien, wurde jedoch von Victor gestoppt. “Noch nicht!”

Sie vernahm ein Summen und daraufhin fuhr der Wagen weiter, allerdings nur im Schritttempo. Waren sie vielleicht in einer Tiefgarage?

Victor stieg aus und trat um die Motorhaube herum. Er öffnete die Tür auf der Beifahrerseite und löste den Gurt um Merrill. Sofort schnellte dieser zurück in seine Ruheposition neben dem Sitz. Vorsichtig half er der nichts sehenden Rothaarigen, den Wagen zu verlassen und geleitete sie durch eine Tür, deren Hälften offenbar mit Luftdruck bewegt wurden.

Schon nach wenigen Schritten fühlte Merrill keinen steinernen Boden, sondern stattdessen kaltes Metall unter ihren nackten Füßen.

Hinter ihr zischte abermals die vermeintliche Tür.

Endlich nahm Victor das Tuch von ihrem Gesicht und gab ihr so das Augenlicht zurück.

Was Merrill dann erblickte, erinnerte mehr an das Innere des Raumschiff Enterprise als an ein irdisches Gebäude. Ein Gang mit Rohrleitungen und blinkenden Lichtern an dessen Ende eine weitere automatische Tür darauf wartete, durchschritten zu werden.

“Wir sind da!”
 

Clinton Hill, Liberty Bay, 25. April 2033
 

Catherine Connery war gerade erst zarte zwölf. Für sie begann ein normaler Schultag, wie auch die Tage zuvor. Allerdings bedeutete das Wort “normal” für sie etwas anderes, als für die meisten Kinder in ihrem Alter. Früh am Morgen weckte sie nicht ihre Mutter Fiona. Stattdessen sah Catherine mit dem Klingeln ihres Weckers zuerst nach ihrer Mutter. Die Frau, die ihr das Leben schenkte, fesselte jede Nacht die Dialysemaschinen an das Bett. Qualen verlängernde Blutwäsche, statt erholsamer Schlaf, dominierten ihr Leben. Und Catherine konnte nur hilflos zusehen. Zwar stand ihre Mutter auf der Empfängerliste, doch um auf ihr nach oben zu rutschen, musste man im Stadtstaat Liberty Bay tief in die Tasche greifen. Und alles was Familie Connery bei sich vorfand, waren Löcher im Stoff. Die Schmerzen waren in den vergangenen Monaten schlimmer geworden und das Mädchen spürte jeden Morgen als erstes das Verlangen, sich zu allererst nach dem Zustand ihrer Mutter zu erkundigen.

Oft kam sie noch vor ihrem Vater Anton, welcher im Wohnzimmer schlief, da die Maschinen ihm den Schlaf raubten. Und irgendwer musste schließlich Buckeln und das Geld für die Familie verdienen.

Die Behandlung von Catherines Mutter war aufgrund einer Spätfolge einer überstandenen RAID-Infektion notwendig geworden. Der Virus infizierte damals ihr gesamtes Gefäßsystem und machte auch vor den Nieren nicht halt. Die vom Erreger ausgelöste akute Vaskulitis schädigte die Organe nachhaltig. Doch erst Jahre später machte sich dieser Effekt bemerkbar. Es fing an mit Schmerzen im Rücken. Später vergilbten die Augen und Fiona fühlte sich immer schwächer. Ein Arzt diagnostizierte schlussendlich Nierenversagen. Anfangs kam Fiona ins Krankenhaus, doch holte ihr Mann sie nach Hause zurück und mietete die Geräte für die Dialyse. Wenn seine Frau schon sterben musste, konnte sie es auch zuhause bei ihrer Familie tun, anstatt im Krankenhaus.

Catherine ließ den Kopf sinken. Sie wusste, dass sich ihr Vater stark verschuldete, um ihre Mutter am Leben halten zu können. Der Wind blies um ihren beschäftigten Kopf machte ihr zuvor akkurat gekämmtes brünettes Haar ganz liederlich. Selbst das Wetter ärgerte sie. Doch damit war es nicht allein. Catherine verstand sich nicht mit den Gleichaltrigen.

In der Schule hielt sie sich von den anderen Kindern fern. Früher hatte sie versucht, sich mit ihnen anzufreunden, aber sie stellte schnell fest, dass sie anders waren. Das sie nicht mit ihnen klar kam. Darum tat sie ihr möglichstes, ihnen aus dem Weg zu gehen.
 

Am Nachmittag kehre Catherine nach Hause zurück. Ihr Vater war noch nicht nach Hause gekommen. Offenbar musste er länger arbeiten. Eilig warf sie den Rucksack mit den verhassten Schulsachen in eine Ecke. Wozu musste sie überhaupt noch etwas lernen, wenn die Menschheit sowieso vor die Hunde ging? Doch das war erst Mal egal. Sie musste nach ihrer Mutter sehen. Während des Tages versuchte Fiona ihren Haushalt in den Griff zu bekommen und ein wenig zu schlafen, bevor ihr die nächste anstrengende Nacht an der Dialysemaschine bevorstand.

Als das Mädchen das Wohnzimmer betrat, vernahm es einen dumpfen Knall und ein lautes Scheppern.

“Ahhhrg!”, schrie die Stimme der Mutter. “Mrrrrrgh. Nein, verdammte Scheiße!”

Catherine hielt nichts mehr und sie stürmte die Küche. Dort angekommen, bot sich ihr der Anblick ihrer Mutter, welche halb auf dem Rücken lag, umringt von den Scherben einiger Teller. Neben ihr befand sich eine kleine Fußbank und die Tür des Hängeschrank stand noch offen. Aus der Öffnung blitzten weitere unversehrte Teller hervor.

“Oh Gott, Mum!”, gab Catherine entsetzt von sich und eilte zu der gestürzten Frau. “Geht es dir gut?”, fragte sie voller Sorge.

Langsam rappelte sich Fiona wieder auf. “Warum passiert das immer mir. Das Leben hat sich gegen mich verschworen!”

“Was ist passiert?”

“Ich wollte die Teller einräumen. Aber dann ist mir schwindelig geworden.”

“Mum, du musst das doch nicht machen!”

“Ich will nicht nur krank rumliegen!”

Catherine packte ihre Mutter und half ihr wieder auf die Beine. “Hast du dich verletzt?”

“Nein, ich glaube nicht. Es tut zumindest nicht mehr weh als sonst.”

Mit einem Seufzer geleitete Catherine ihre Mutter zum Sofa im Wohnzimmer.

Vorsichtig legte sich Fiona auf den bequemen Einrichtungsgegenstand.

“Du kannst mir nicht so einen Schreck einjagen!”, entrüstete sich Catherine, nun da für ihre Mutter nicht mehr die Gefahr bestand, aus den Latschen zu kippen. “Du bist krank! Du musst dich schonen!”

“Wofür? Damit ich etwas länger leiden kann?”

“Mum, sag bitte sowas nicht. Ich liebe dich doch.”

“Ich weiß.” Fiona schloss die Augen und versuchte etwas zu schlafen.

Es klingelte an der Tür.

Als ihre Mutter sich anschickte, sich zu erheben, stoppte Catherine sie. “Lass mal, ich geh schon.” Darauf schloss Fiona wieder die Augen und sank zurück auf die Couch.

Catherine trat vor die Tür.

“Ich bin es!”, rief ihr Vater von der anderen Seite.

Natürlich öffnete das Mädchen sofort und kam hinaus zu ihrem Vater.

Die Tür fiel ins Schloss.

Anton trat unverhofft zur Seite und ein drei Männer in Schwarz näherten sich ihr. Zwei von ihnen packten die überraschte Catherine an den Unterarmen und zerrten sie mit sich. Der dritte trug einen großen Metallkoffer bei sich.

Catherine versuchte sich zur Wehr zu setzen, doch als zwölfjähriges Mädchen hatte sie zwei ausgewachsenen Männern nicht viel entgegen zu setzen. “Hey, lasst mich los, ihr Schwanzlutscher!”, schrie sie sie verzweifelt an.

Allerdings ließen sich die Männer nicht davon beeindrucken.

Catherine warf einen Blick über die Schulter und musste mit Ansehen, wie ihr Vater das große silberne Behältnis entgegen nahm. “Mr. Connery”, sprach der Kofferträger. “Hier ist die vereinbarte Summe. Möchten Sie nachzählen?”

Entsetzt und Abgelenkt von dieser Szene bemerkte Catherine den in Chloroform getränkten Lappen nicht, welcher ihr im nächsten Moment ins Gesicht gedrückt wurde. Es fielen weitere Worte zwischen ihrem Vater und dem Fremden, doch sie zogen sich durch die Wirkung des Betäubungsmittels in die Länge und waren unverständlich. Dann verlor sie langsam das Bewusstsein.
 

Gegenwart
 

Merrill befand sich in einem kleinen Raum, welcher anmutete wie eine Kajüte auf einem Schiff. Ein kleines ovales Fenster verleitete sie zu diesem Gedanken. Es zeigte jedoch nicht den Ozean, sondern einzig Schwärze. Victor hatte sie hier abgeladen, zusammen mit einer Auswahl von Kleidungsstücken und war einfach gegangen. Er würde auf sie warten, hatte er zuvor noch gesagt. Sobald sie umgezogen und bereit sei, solle sie ihm über die Sprechanlage Bescheid geben. Sie war gelinde gesagt froh, die Krankenhauskleidung ablegen zu können. Sie saß nun auf einem Bett und betrachtete die Auswahl. Augenscheinlich schienen alle Sachen ihre Größe zu haben. Das traf sogar auf die Unterwäsche zu. Ein Umstand, den Merrill besonders interessant fand. Sie hatte Victor weder ihre Maße mitgeteilt, noch diese in irgendwelchen sozialen Medien verbreitet. Dieser Mann hatte offensichtlich eine gute Beobachtungsgabe.

Anstelle weiter darüber nachzudenken, entschied und bekleidete sie sich. Dabei fiel ihre Wahl auf eine schwarze Jeans, ein rotes ärmelloses Shirt und eine ebenfalls schwarze Lederjacke. Auf ihren Schultern könnte man die breiten Träger des schwarzen Sport-BH sehen, wären diese nicht von der Jacke bedeckt.

Endlich von diesem Fetzen befreit, war es Merrill nun möglich, sich voll und ganz auf ihre Umgebung einzulassen. Neben dem Bett, welches sich an der Wand mit dem kleinen Fenster befand, gab es noch einen Kleiderschrank neben einer Tür, welche in ein kleines Badezimmer führte. Außerdem stand neben der Eingangstür ein Schreibtisch mit einem Bürostuhl und einer silbernen Lampe. An der Decke waren verkleidete LED-Leuchten angebracht, die ein kaltes Licht abgaben. Durch die stählernen Wände, Boden und Decke erschien es gar frostig.

Da sie die übrigen Stücke nicht einfach so auf dem Bett liegen lassen wollte, öffnete Merrill den Kleiderschrank. In ihm gab es Fächer für Socken und Unterwäsche. Sie sortierte die nicht benutzten Höschen, Büstenhalter und Strümpfe in je einen von ihnen ein. Oben fand sie eine Stange mit Kleiderbügeln vor. Allmählich bestückte sie sie mit den übrigen Kleidungsstücken. Nach getaner Arbeit schloss sie die Türen. Als letztes faltete sie noch die Krankenhauskleidung ordentlich zusammen und legte sie auf den Schreibtisch. Jetzt fühlte sie sich bereit um nach Victor zu rufen.

Dieser ließ sich nicht lange bitten. Er geleitete Merrill in einen Raum, welcher sie erneut an das Raumschiff Enterprise erinnerte. Es wirkte wie eine Art Kommandobrücke. An den Wänden zeigten verschiedene Monitore blinkende Bildchen an, mit denen die Rothaarige nichts anzufangen wusste. Auf einer Seite des Raumes befanden sich außergewöhnlich viele von ihnen. Dort saß auch ein schüchterner junge, offenbar asiatischer Abstammung. Sein Gesicht wirkte blau, angestrahlt von den unzähligen Monitoren. In der Mitte des Raumes standen mehrere Leute um einen großen Tisch herum. Die Oberfläche des Tisches schien aus undurchsichtigem schwarzem Glas zu bestehen.

“Darf ich vorstellen: Merrill”, kündigte Victor an und schob seine Begleitung augenblicklich ein Stück nach vorn.

“Hey, betasch’ mich nicht!”, beschwerte sich diese.

“Das ist sie also?”, gab ein blondes Mädchen von sich. Sie besaß einen Körper, nachdem sich ein jeder Mann verzehren täte.

Merrill fühlte sich von ihren musternden Blicken wie durchbohrt.

“Du hast Recht, Jian. Sie ist echt niedlich.”

Der asiatische Junge sank peinlich berührt in seinem Stuhl zusammen.

Neben der Blonden standen noch zwei weitere Personen um den Tisch herum. Eine Frau mit ausdruckslosen Gesicht und ein Mann mittleren Alters.

Der Mann trat an Merril heran und reichte ihr die Hand. “Ich bin erfreut, Ihre Bekanntschaft zu machen, Senorita Sturm”, begrüßte er sie. “Mein Name ist Miguel Rivera. Ich bin der Leiter dieser bescheidenen Einrichtung.”

Zurückhaltend nahm Merrill die Geste an. Er hatte einen festen, aber leicht schwitzigen Händedruck. Seine Zuvorkommenheit war ihr bis dahin unbekannt. Sie wusste nicht, wo sie Mr. Rivera einordnen sollte. Etwas an ihm kam ihr Spanisch vor.

“Einrichtung?”, fragte Merrill zynisch. “Sind hier alle so durchgeknallt, wie der da?” Sie deutete mit dem Daumen über ihre Schulter zu Victor, welcher noch immer hinter ihr stand. So versuchte sie ihre Unsicherheit herunterzuspielen.

“Nein, er ist der einzige bekloppte hier”, meinte die Blonde.

“Halt den Rand!”, forderte Victor.

“Was, wenn nicht?”

“Ich hab dir wohl zu lange nicht den Hintern versohlt.”

“Ach ja?! Komm ran auf einen Meter!”

“Vielleicht sollten ich Ihnen alle vorstellen”, unterbrach Rivera, um die Spannung aus der Situation zu nehmen. Es schien zu funktionieren und sowohl der Schwarzhaarige als auch das blonde Mädchen beruhigten sich. Rivera zeigte auf Victor. “Senior Krueger kennen Sie bereits.” Der Einrichtungsleiter wandte sich zu der anderen Streitpartei und deutete mit der Hand auf sie.

“Ich bin Mandy”, stellte sich die Blondine vor. Mandy winkte Merrill kurz zu.

Riveras Finger schwenkte zu dem Asiaten. “Der junge Mann dort ist Senior Cheng. Er ist etwas schüchtern, aber wenn es um die Missionsbetreuung geht, erkennt man ihn nicht wieder.” Zaghaft hob dieser den rechten Arm, welcher eine Prothese zu sein schien.

Merrill musste an den Dialog zwischen Victor und der lauten frechen Stimme aus dessen In-Ear zurück denken. Waren sie und dieses Häufchen Elend dort drüben etwa ein und dieselbe Person? Nein, das konnte nicht sein. “Was läuft eigentlich zwischen den zweien?”, erkundigte sie sich. “Haben die was miteinander laufen oder wieso sind die so nett zueinander?” Sie meinte offensichtlich Victor und Mandy.

“Ha ha, schlimmer”, kommentierte die Blondine. “Der Vollpfosten ist mein Bruder.

“Wir sind Zwillinge”, ergänzte Victor. “Zweieiig versteht sich.”

“Ich wollte auch nicht aus dem selben Ei entsprungen sein, wie du!”

“Hilfe, dann wäre ich auch ein Mädchen.”

“Hast du deshalb früher immer meine Kleider getragen?”

“Die familiäre Liebe zwischen euch ist echt herzerwärmend!”, kommentierte Merrill.

“Aber natürlich lieben wir uns!” Mandy trat an ihren Bruder heran und komplementierte Merrill gleichzeitig mit einem Hüftschwung beiseite.

“Immerhin sind wir Geschwister”, vervollständigte Victor und umarmte seine Schwester.

“Die Schönheit zu meiner Linken ist Senorita Cortez”, setzte Mr. Rivera fort. “Sie ist meine rechte Hand. Sollte ich nicht zu sprechen sein, Senorita Cortez hat immer ein offenes Ohr.”

Die soeben vorgestellte Frau rührte sich kein bisschen. Sie zeigte keine Regung, fast schon als ob sie eine Statue war.

“Senior Cheng, wie sieht es aus?” Mr. Rivera reichte den imaginären Redestock weiter. “Hat er sich schon gemeldet?”

“N-Noch nicht”, antwortete der Schüchterne.

“Das Team hat noch ein weiteres Mitglied”, erklärte der Leiter.

Wie auf ein Stichwort ploppte ein Kasten mit dem Foto eines dunkelhäutigen jungen Mann darin auf Jian Chengs Monitoren auf. Begleitet wurde er von einer Wellenanimation und einem eingängigen Klingelton, den man nicht so schnell aus dem Kopf bekam, selbst wenn man es wollte. Daraufhin klimperte der Asiate auf der Tastatur herum und im nächsten Moment wurde das Bild auf die Fläche des Tisches übertragen. Mit einem Fingertipp durch Mr. Rivera stoppten Vibration und Geräusch und der Rahmen weitete sich aus. Es handelte sich augenscheinlich um Internettelefonie.

“Wenn man vom Teufel spricht…”, meinte Victor.

“Ich geb dir gleich Gefrierbrand!”, erwiderte der Dunkelhäutige, welcher ihn offenbar klar und deutlich verstanden hatte. Daraufhin bemerkte er die Anwesenheit eines unbekannten Gesichts. “Wer ist denn das Mädchen?”

“Gut, dass Sie jetzt anrufen”, sprach der Leiter. “Das ist Senorita Sturm. Vielleicht möchten Sie sich ihr selbst vorstellen.”

“Guten Tag, Miss Sturm. Ich bin Lamar.”

“Du kannst mich Merrill nennen.”

“Gut.”

Mr. Rivera schmunzelte. “Was haben Sie uns zu berichten?”

“Ich wollte nur mitteilen, das das Paket zugestellt wurde.”

“Paket?”, fragte Merrill interessiert. “Liefert ihr auch Post aus?”

“Alles zu seiner Zeit”, trat Victor auf die Bremse.

“Ich erledige nun den nächsten Auftrag.” Lamar wollte gerade auflegen, hielt sich jedoch noch zurück. “Hat mich gefreut.” Dann legte er wirklich auf.

“So ist er.”, kommentierte Mandy. ”Sparsam mit den Worten.”

“Also”, ergriff Merril das Wort. “Das ist ja alles ganz nett. Aber warum bin ich hier?”

“Wir sind eine Organisation, die sich für die Rechte von jungen Menschen einsetzt”, erklärte Mr. Rivera. Er swipte auf der Tischoberfläche herum, woraufhin verschiedene Fenster mit Informationen erschienen. “Wie Ihnen bekannt ist, hat der RAID-Virus die Menschheit unfruchtbar gemacht. Das ist allerdings nur die halbe Wahrheit. Einige der letzten geborenen Kinder haben ihre Fruchtbarkeit behalten. Seit einiger Zeit kommt es vermehrt zu Teenager-Schwangerschaften unter dieser Gruppe. Regierungen und einflussreiche Leute haben davon Wind bekommen und nun sind diese Menschen Freiwild. Wir, Last Seed, wollen diesen Menschen helfen.”

“Klar. Was mich aber mehr interessiert ist, wieso hat Victor Superkräfte?”

“Der Virus hat das Genom der Kinder verändert. Jedes dieser Kinder hat ein besonderes Talent entwickelt.”

“Ach, wie die X-Men?”

“Wenn es Ihnen hilft sich die Sache vorzustellen, Ja. Wie die X-Men.”

“Sie sagten, sie sind hinter den letzten Kindern her. Diese Leute müssen 2020 bis 2021 geboren sein. Damit wären sie sechzehn Jahre alt. Ich bin achtzehn. Was zum Teufel wollten sie dann von mir?”

“Du hast ebenfalls veränderte Gene!”, mischte sich Victor ein.

Blitzartig kam Merrill der Gedanke an das Testgerät der Männer in Schwarz in den Sinn. “Aber das ist unmöglich!”

“W-Wir werden schon h-herausfinden, warum du d-diese Mutation hast”, versicherte Jian.

“Ich möchte Sie einladen, Teil unserer Organisation zu werden”, fuhr Mr. Rivera fort. “Es steht Ihnen jedoch frei zu gehen. Wir haben alle Spuren verwischt. Sie sollten Ihr bisheriges Leben unbehelligt fortführen können. Allerdings würde ich mich freuen, wenn Sie sich entschließen uns beizutreten.”

Merrill schüttelte den Kopf und ging langsam rückwärts. “Das ist doch alles Schwachsinn!”

Urplötzlich wurde sie von Mandy gepackt. “Hey, mein Bruder hat dir deinen süßen kleinen Knackarsch gerettet!”, sprach sie der Rothaarigen ins Gewissen. “Du bist ihm was schuldig!”

“Senorita Krueger, ich darf doch bitten!”, ermahnte der mittelalte Mann.

“Aber…”

“Wir zwingen niemanden!”

Widerwillig ließ Mandy Merrills Arm los und entfernte sich von ihr.

“Kommen Sie doch bitte wieder an den Tisch heran.”

Merrill erfüllte die Bitte. Sie sah Mr. Rivera in die Augen. “Und wie läuft das jetzt? Geben sie mir eine blaue und eine rote Pille?”

“So in etwa. Nur dass es in diesem Fall keine blaue Pille gibt. Was Sie hier erleben ist die Realität. Sie haben nur die Wahl so zu tun, als wüssten Sie von nichts oder für unsere Sache zu kämpfen. Egal was Sie tun, Sie können nicht mehr zurück und es gibt auch keine Matrix, die wir für Sie hacken können, damit alles wieder ist wie früher.”

Merrill schwieg. Sie konnte das alles noch nicht wirklich begreifen. “Ich kann das nicht einfach über den Zaun brechen!”

“Darum bitte ich Sie, bei der laufenden Mission zuzusehen. Dann können Sie sich Ihr eigenes Bild machen und dann eine Entscheidung treffen.”

Verwirrung machte sich in Merrills Herzen breit.

Was sollte sie tun?
 

Vergangenheit
 

Sie hatte das Gefühl für die Zeit verloren. Ungezählte Tage waren vergangen, seitdem die Männer in Schwarz sie abgeholt hatten. Seither sah Catherine nichts anderes als an ihr herum doktorierende Männer in Laborkitteln und schwer bewaffnete Wachen.

Jedes Mal wenn sie die Augen öffnete, befand sie sich entweder in einer trostlosen Zelle oder, wie in diesem Moment, in einem Labor auf einem harten stählernen Tisch. Man hatte sie an den Handgelenken und den Knöcheln gefesselt und eine Doppelreihe von Gurten schnürte ihren Rumpf zusätzlich fest. Dazu kleidete man sie in einen blass-grauen Anzug, welcher einer Sträflingskleidung gleich kam. Auch dieses Mal stand ihr eine weitere Tortur bevor. Was war es dieses Mal?

Catherine sah sich im Raum um. Vor ihr befanden sich drei getönte Scheiben. Sie konnte nicht hindurch sehen, doch auf der anderen Seite studierten die Kittelträger die Ergebnisse und machten sich Notizen wie Schüler im Chemieunterricht. An der Decke hing eine Kamera, deren rotes Licht unter der Linse zeigte, dass die Aufnahme bereits gestartet war.

Die Tür öffnete sich und jemand schob einen metallenen Wagen mit einem orangenen Koffer darauf in den Raum.

Catherine hatte keine Zeit sich zu fragen, welche Grausamkeiten sie diesmal für sie vorbereitet hatten, als plötzlich der Tisch auf dem sie gefesselt worden war in eine aufrechte Position gebracht wurde.

Der Mann im weißen Kittel, dessen Gesicht von einer OP-Maske bedeckt wurde, öffnete den Koffer mit lautem klicken.

“Testen Sie zuerst B-1654!”, befahl eine Stimme aus den Lautsprechern.

Der Mann griff in den Koffer und präsentierte eine schwarze Handfeuerwaffe. Er fügte ein Magazin mit der eben genannten Nummer darauf ein und entsicherte die Waffe. Zögerlich richtete er die Pistole auf Catherine.

Angst stieg in dem Mädchen auf. Angst vor den bevorstehenden Schmerzen.

“Gegen Sie einen Schuss auf das Testsubjekt ab!”

Der Mann stockte. Er wollte scheinbar nicht auf ein zwölfjähriges Kind schießen.

“Machen Sie schon, oder wir testen Morgen an Ihnen!”

Widerwillig betätigte er den Abzug. Catherine hörte den Knall, spürte den Einschlag jedoch gar nicht mehr. Eine Fontäne aus Blut schoss aus der Eintrittswunde in ihrem Brustkorb. Das Projektil trieb durch ihre Eingeweide, machte vor dem stählernen Tisch nicht halt, durchschlug auch ihn und kam erst in der Apparatur dahinter zum stehen, welche dafür konstruiert war, Kugeln zu fangen. Catherines Kopf kippte schlaff zur Seite, bis das Kinn den Oberkörper berührte. Ihre rehbraunen Augen starrten kalt und tot ins Leere.

Der Schütze trat an den Körper heran und stocherte mit OP-Besteck in der Wunde herum, welche bereits begann sich zu schließen. Er gab seine Erkenntnisse zur Wirkung des Geschosses an seine Vorgesetzten weiter.
 

Nichts als Schwärze befand sich an jenem Ort, an dem sich Catherines Geist nun befand. Aber sie verspürte keine Angst. Dieser Ort war ihr nur zu vertraut. Unzählige Male hatte sie bereits die Experimente dieser Wissenschaftler durchlebt. Oder war vielmehr an ihnen zu Grunde gegangen, nur um anschließend zu erwachen, wie Jesus am dritten Tag nach der Kreuzigung. Die Schwärze erlaubte ihr eine Atempause zu nehmen, bis zu dem unvermeintlichen Punkt, an dem sie erneut in der gnadenlosen Realität die Augen öffnete und ihr Martyrium fortgesetzt wurde.

Es war soweit.

Catherine bereitete sich darauf vor, erneut Qualen zu leiden.

Im nächsten Moment kehre sie, einen tiefen Atemzug nehmend, von den Toten zurück. Verwirrt sah sie sich um. Sie befand sich wieder in ihrer Zelle. Immer wenn sie erwachte, fehlten ihr die Erinnerungen an ihre letzten Momente. Sie wusste nicht, wie oft sie dieses Mal für die Wissenschaft gestorben war.

Immerhin war es fürs erste ausgestanden!
 

Gegenwart
 

Lamar empfing ein GPS-Signal auf sein Navigationsgerät. Es zeigte einen beweglichen roten Punkt auf der Karte. Er war nicht weit entfernt. Sofort startete Lamar den Motor und nahm die Verfolgung auf.

Als er aufgeschlossen hatte, sah er einen kleinen Transporter. Sein Auftrag war es, dem Wagen zu beschatten und alle besonderen Vorkommnisse zu melden. Um keine Aufmerksamkeit zu erregen, blieb er auf Abstand.

Das verdächtige Fahrzeug führte ihn zu einem Krankenhaus. Zwei Männer trugen einen Gegenstand, welcher aussah wie eine Camping-Kühlbox, hinein in das Gebäude. Nach einigen Minuten kehrten sie ohne die Box aber dafür mit einem schwarzen Koffer zurück, stiegen in den Wagen ein und fuhren wieder los. Lamar folgte ihnen zurück bis zu dem Ort, von dem sie ihre Ladung bezogen.

Und wieder beobachtete er. Dieses Mal wurde zuerst der schwarze Koffer in das Gebäude getragen und anschließend kehrten sie mit einer neuen Kühlbox zurück und trugen sie in ihren Wagen. Lamar ließ sie jedoch davon fahren, ohne sie weiter zu verfolgen. Er konnte nun die der Mission zu Grunde liegende Vermutung bestätigen. Schnell rief er erneut in der Zentrale an. “Die Gerüchte scheinen wahr zu sein”, teilte er den anderen mit. “Sie liefern andauernd Kühlboxen aus, und erhalten Geldkoffer im Austausch dafür.”

“Alles klar!”, antwortete Jian. “Mandy und Victor werden sich darum kümmern. Verschwinde jetzt, bevor du noch entdeckt wirst!”
 

Vergangenheit
 

Jeder neue Tag hielt eine neue böse Überraschung für Catherine bereit.

Weiterhin achtete man auf ihre Gesundheit, gab ihr regelmäßig Essen und verhalf ihr zu einem einigermaßen gepflegten Äußeren. Allerdings zu einem fürchterlichen Preis. Immer wieder wurden grausame Experimente an ihr verübt. Anfangs schienen sie noch auf eine perverse Art Sinn zu ergeben, doch mit fortschreitender Zeit sah es mehr und mehr danach aus, als wollten die Wissenschaftler nur noch herausfinden, was nötig war, damit sie nicht wieder ins Leben zurückkehrte.

Inzwischen schrie sie nicht einmal mehr, wenn sie sie verletzten.

Sie hatte gelernt, den Schmerz auszublenden.

Sie hatte gelernt, ihre Menschlichkeit abzuschalten.

Sie hatte gelernt, den Tod nicht mehr zu fürchten.

Denn endgültig zu sterben, war ihr sowieso nicht vergönnt. Der Tod war ein Luxus, welcher ihr verwehrt blieb. Die Erinnerungen an ihre Familie waren das einzige, das sie bei Verstand hielt. Das unbändige Verlangen ihren Vater für all die Schmerzen büßen zu lassen, die sie wegen ihm erleiden musste, weil er sie an diese Leute verkaufte. Diese Rachegelüste geleiteten sie durch ihr Dasein als menschliche Laborratte und verhinderten, dass sie dem Wahnsinn verfiel. Oder vielleicht befeuerten sie es auch.

Eines schönen Tages hatten die weißen Teufel, wie sie ihre Peiniger inzwischen nannte, endgültig genug von ihr und verkauften sie kurzerhand weiter. Am Morgen schon fühlte Catherine, dass dieser Tag eine Veränderung brächte. Es stand außer Frage, dass es keine gute sein würde. Wie üblich erhielt Catherine ihre erste Mahlzeit. Doch dann gab man ihr eine Spritze und sie verlor das Bewusstsein.

Als sie wieder zu sich kam, erblickte sie einen Mann in einem grauen Anzug und einem Melone auf dem Haupt, welcher sich mit einem anderen unterhielt. Es war alles noch verschwommen und wie in Watte gepackt.

“Sie werden Ihre Kaufentscheidung nicht bereuen!”, beteuerte die Person außerhalb von Catherines Blickfeld.

“Es erscheint mir immer noch unbegreiflich, doch Ihr Videomaterial hat mich überzeugt”, meinte der Mann in grau.

“Sie dürfen das Testsubjekt gern selbst verletzen und Zeuge der Regeneration werden.”

“Nein, ich vertraue Ihnen. Sollten sie mich betrügen, finden Sie sich schneller am Grund des Hanson Rivers wieder, als sie Cosa Nostra sagen können.”

Dem Mädchen vielen die Augen für einen Moment zu.

Eine Stimme holte ihr Bewusstsein abermals aus der Traumwelt zurück. Sie öffnete die Augen und blickte dem Mann in Grau direkt in das eiskalte Antlitz.

“Du wirst viele Leben retten!”, sagte der Mann.

Dann verrichtete das Betäubungsmittel erneut seinen Dienst und ihr Geist driftete ab.
 

Gegenwart
 

Ein Krankenwagen befand sich auf dem Weg zum Krankenhaus.

“Findest du es nicht etwas unverschämt, was wir mit den Sanitätern gemacht haben?”, fragte Victor während er sich im Beifahrersitz lümmelte.

“Wieso?”, fragte seine Schwester. “Sie liegen doch nur mit Klebeband gefesselt und geknebelt unter irgendeiner Brücke rum.”

“Wieso darf ich nicht fahren?”

“Man, höre auf zu nerven. Wir brauchen die Karre intakt.”

“Was soll das denn jetzt heißen?”

“Frag deinen Sportwagen!”

Einem beleidigten bockigen kleinen Jungen gleich, wandte Victor den Blick von seiner Schwester ab hinaus aus dem Fenster auf der Beifahrerseite. So verblieben sie den Rest der Fahrt, bis sie das Krankenhaus erreichten.

Um kein Aufsehen zu erregen, fuhren sie mit dem Krankenwagen in die dafür vorgesehene Tiefgarage und nahmen den Personaleingang. Dank der gestohlenen Ausweise der Sanitäter, gelang dies Problemlos. Auf ihnen befand sich ein Name, ein Magnetband und ein QR-Code, welchen Jian bereits gehackt hatte.

Als sie unbeobachtet waren, meldeten sie sich bei der Emissionskontrolle.

“Der Igel ist im Bau”, gab Victor durch.

“Lass den Schwachsinn”, tadelte Jian.

“Ich mache doch nur Spaß!”

“Könntest du dich bitte auf die fucking Mission konzentrieren!”

“Wie sollen wir vorgehen?”, fragte Mandy.

“Ihr vermeidet Konfrontationen und schleicht euch in die IT-Zentrale ein. Dort stöpselt ihr dann den USB-Stick ein, den ich euch gegeben habe. Ich scanne das Netzwerk und dann werden wir schon herausfinden, wo sie ihre Quellen haben.”

“Du kannst es ruhig aussprechen! Ist doch klar, dass sie Organe verticken.”

“Wir wissen gar nichts! Jetzt macht gefälligst, was ich sage!”
 

In einem menschenleeren Flügel des Krankenhauses standen zwei Männer gemeinsam einsam an den beiden Seiten einer Doppeltür. Sie trugen dunkelgraue Anzüge und waren mit schallgedämpften Maschinenpistolen ausgestattet. Offensichtlich bewachten sie etwas.

“Hoffentlich kommt bald die Ablösung”, meinte einer. “Sofia macht heute abend Lasagne.”

“Danke, jetzt hab ich hunger!”, beschwerte sich der andere.

Es war eine trostlose Arbeit diese Tür zu bewachen. Ab und an kamen einige Ärzte und verschwanden für eine Weile in dem Raum hinter ihnen, nur um dann wieder herauszukommen und zu verschwinden. Natürlich mussten sie sich fragen, welches Geheimnis hinter diesen Türen verborgen lag. Allerdings gehörte es zu ihrem Credo die Befehle der Familie nicht in Frage zu stellen.

Auf einmal näherte sich ihnen jemand.

Es war nicht das übliche Ärzteteam sondern eine einzelne blonde Frau. Sie trug die Kleidung einer Krankenschwester, welche an der Oberweite arg spannte und mindestens zwei Nummern zu klein war. Misstrauisch beobachteten die Männer ihren Auftritt und ließen sie bis kurz vor die Tür heran kommen. “Wer sind Sie?”, fragte einer daraufhin.

“Ich soll die Patientin waschen”, behauptete die Frau.

“Patientin?!”

Die Blondine trat an den skeptischen Mann heran, bis dieser ihren Atem spüren konnte. “Habt ihr euch nie gefragt, was ihr da bewacht?”

Ihre Nähe war ihm offensichtlich unangenehm. “S-Selbst wenn, das geht mich nichts an!”

“Wir wissen nichts davon, dass Sie kommen”, sagte der andere.

“Bitte gehen Sie, bevor wir von unseren Waffen gebrauch machen!”

“Zu schade!”, entgegnete die Frau. Sie wandte sich ab und deutete an Folge zu leisten, nur um sich dann wieder umzudrehen und dem einen Wachmann einen Kuss zu geben.

Dieser begann plötzlich zu Husten und Wasser zu spucken.

Schockiert beobachtete der andere, wie sein Kollege zu Boden ging und offensichtlich von innen heraus ertrank. Er erhob seine Waffe und schoss auf die Krankenschwester. Die Kugel traf und der Körper der Frau löste sich in Wasser auf. Die Kleidungsstücke stürzten feut zu Boden, als sei die Frau niemals da gewesen. Verwirrt sah sich der Mann um und bemerke dabei nicht, wie ein Strom von Wasser um ihn herum floss und sich hinter ihm zum Körper der Frau verdichtete, welche nunmehr nackt war. Sie packte den Kopf des Mannes und drehte ihm mit einem abscheulichen Knacken den Hals um. Der leblose Körper stürzte zu Boden und lies sie nunmehr unverhüllt zurück.

Lässig trat die Frau an den Haufen mit der Kleidung heran und suchte nach etwas. Sie fand einen kleinen schwarzen Gegenstand und steckte ihn in ihr Ohr. “Die Wachen sind erledigt”, sagte sie. “Du kannst kommen!”
 

Gefesselt und abgeschirmt von der Welt, bekam die Person auf der anderen Seite der Tür nicht viel von dem Geschehen mit. Es handelte sich um eine junge Frau mit brünetten Haaren, welche schon seit langer Zeit nichts anderes als diesen Raum gesehen hatte. Von Zeit zu Zeit kamen die Weißen Teufel zu ihr und schnibbelten an ihr herum. Doch hauptsächlich verblieb sie hier. Einsam. Plötzlich wurden jedoch die Türen aufgestoßen und zwei Personen stürmten hinein. Ein Mann in Sanitäteruniform und eine Frau in der durchnässten Kleidung einer Krankenschwester. War es Zeit für eine weitere Operation?

Als die Eindringlinge die Sensoren von ihrem Körper entfernten und die Geräte so fälschlicherweise ihr Ableben bescheinigten, wurde ihr klar, dass etwas anders war als sonst. Die Fremden griffen je eine Seite des Bettes und begannen die Frau mit unbekanntem Ziel aus dem Zimmer zu schieben.

“Ich kann nicht glauben, dass ich schon wieder ein Mädchen aus einem Krankenhaus entführe!”, sprach der Mann.

“Vielleicht solltest du das zu deiner Berufung machen!”, entgegnete die Frau.

Unauffällig und dennoch eilig ging die Reise durch die Gänge das Krankenhaus. Ihr tun konnte den Verantwortlichen nicht verborgen geblieben sein. Noch schien jedoch niemand vom Personal Verdacht zu schöpfen. Für die Patientin war es zu unwirklich, um es zu begreifen. Waren tatsächlich Fremde gekommen, um sie zu entführen. Oder gar, um sie zu retten? War das Realität oder nur ein weiterer Wunschtraum?

In der Tiefgarage angekommen fasste sich der Mann an sein Ohr. “Wir haben sie”, sagte er. “Wir laden sie jetzt ein und bringen sie zum Safe House.”

Daraufhin taten die Fremden, wie angekündigt und verfrachteten sie in einen Krankenwagen. Während der Mann sich hinter das Steuer setzte, blieb die Frau bei ihr im Behandlungsraum des Krankenwagen und beäugte sie mitleidig. Die Patientin ertrug es nicht und schloss die Augen, in der Hoffnung, den Blicken ausweichen zu können. Doch sie wusste, dass sie immer noch da waren.

Derweil beschleunigte das Fahrzeug, als sie eine Hauptstraße erreichten.
 

FORTSETZUNG FOLGT...



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Tasha88
2021-10-23T06:22:32+00:00 23.10.2021 08:22
Hallo mach 500 Jahren. Entschuldige bitte, ich wollte schon viel früher weiter lesen und kommentieren 🙈

So, nun taucht also Catherine auf. Ich bin gespannt. Tatsächlich könnte ich mir vorstellen, dass sie böse wird, mach jahrelanger Gefangenschaft und den Sachen, die mit ihr gemacht wurden...

Und Organverkäufe, der tobak nimmt weiter zu.

Und ich mag sie wilde Gruppe von last Generation :) da hast du ein tolles Repertoire von Charakteren erschaffen :)

Bis zum nächsten hoffentlich nicht mehr so lange
Liebe Grüße
Antwort von:  totalwarANGEL
23.10.2021 11:23
> Hallo mach 500 Jahren.
So "oft" wie ich daran weiter schreibe, passt das schon.

> Und Organverkäufe, der tobak nimmt weiter zu.
Warum kleckern, wenn man klotzen kann.

Es wird bestimmt noch wilder werden.
Antwort von:  Tasha88
23.10.2021 11:30
Ich mag die aussage - warum kleckern, wenn man kotzen kann 👍😂
Das merke ich mir 😉
Von:  Regina_Regenbogen
2021-04-03T09:09:41+00:00 03.04.2021 11:09
Wieder sehr spannend! Die Charaktere sind sehr interessant! Catherine gefällt mir. Ich bin so froh, dass sie die Arme endlich da rausgeholt haben! Coole Idee übrigens, was mit ihr geschehen ist.
Und ich finde es auch toll, dass du ein Geschwisterpaar hast, das sich zankt, statt dem typischen Pärchen.
Und so süß, dass Jian bei der Mission so knallhart redet und ansonsten so schüchtern ist. 😂
Die Truppe gefällt mir schon mal sehr. Bin schon gespannt, mehr von ihrem Kräfteeinsatz zu sehen. Mandys Kraft ist auch sehr schön. Ich liebe ja solche Truppen aus mehreren, die coole Kräfte haben. Und ihre Missionen sind auch schon mal sehr vielversprechend.
Ich freue mich schon auf das nächste Kapitel! 😃
Und das Kapitel passt ja auch noch zu Ostern mit der wieder auferstehenden Catherine. 😁

Antwort von:  totalwarANGEL
03.04.2021 11:20
> Und das Kapitel passt ja auch noch zu Ostern mit der wieder auferstehenden Catherine.
Deshalb musste es auch rechtzeitig fertig werden.

> Coole Idee übrigens, was mit ihr geschehen ist.
Ist doch naheliegend, dass man seine Tochter verkauft, um die eigene Frau zu retten. ;) Ich finde das auch voll cool. :P

> Catherine gefällt mir.
Abwarten. :D

> Ich freue mich schon auf das nächste Kapitel!
Bist du sicher? ]:)
Antwort von:  Regina_Regenbogen
03.04.2021 11:46
XD Ich meinte die Idee, dass Leute dann mit ihren Organen Geld machen. Das ergibt einfach sehr viel Sinn. Erschreckenden Sinn.
Ich kann mir schon denken, dass Catherine zum Bösewicht wird aufgrund ihrer Rachegefühle. Aber ich mag sie trotzdem. 😜
Oh Mann, jetzt hab ich Angst vor dem nächsten Kapitel. *heul*


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