28 More Nyas von Doresh (Eine Fortsetzung aus Sicht des Albinos) ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Sie kam sich oft vor wie ein Puppe: Wehrlos den Launen anderer ausgesetzt, sei es nun in der Schule, oder ganz besonders im Waisenhaus. Einige Male spielte sie mit dem Gedanken zu fliehen, doch die Welt draußen fand sie auch nicht viel einladender. Sie entschloss sich auszuharren und nach einer günstigen Gelegenheit Ausschau zu halten. Die Gelegenheit kam schließlich in Form eines Mannes auf der Suche nach Dienstmädchen für seine wohlhabenden Auftraggeber. Ein etwas seltsames Angebot, aber sie ergriff ihre Chance... Herzhaft gähnend richtete sie sich im Bett auf und machte sich auf den Weg ins Badezimmer. Beim Zähneputzen studierte sie ihr Spiegelbild. Das Weiß ihres Nachthemds unterschied sich nur unwesentlich von ihrer Hautfarbe. Sie könnte wohl leicht als ein Geistermädchen aus einem Horrorfilm durchgehen, wenn ihr langes Haar schwarz wäre. Allerdings war es ebenfalls weiß, was in diesem Genre wohl nicht so üblich war. Überhaupt war das einzig bisschen Farbe an ihr ihre roten Augen, wodurch man sie wiederum für einen Vampir halten könnte. Aber das war natürlich Quatsch. Sie war kein Vampir. Sie arbeitete nur für welche, und die sahen alle recht normal aus. Nach einem Abstecher in die Dusche zog sie ihre Uniform an, ganz klassisch in Schwarz und Weiß. Sie war nicht annähernd so kitschig wie der Kram, den man in diesen Maid Cafés sieht. Mit dem knielangem Rock und der schwarzen Strumpfhose war es auch viel sittsamer. Sie fand den ganzen Aufzug trotzdem etwas übertrieben, aber er gehörte nun einmal zum Job. Den Großteil des Tages darin zu verbringen brachte auch einen gewissen Gewöhnungseffekt mit sich. Schließlich schlüpfte sie in ihre Riemchenschuhe - Pantoffeln wären ihr lieber, aber das ist wohl "stilvoller" so - und verließ ihr Zimmer. Als sie die Tür hinter sich schloss hielt sie kurz inne. Die Herrin hatte sie zu Beginn ihrer Schicht oft begrüßt. Ein nettes Wort hier, ein Kuss auf die Stirn da... Dann wurden die Nettigkeiten mit dem Tod des alten Meisters seltener. Am Ende wurde sie von ihrer Herrin quer durch den Raum geworfen, wie eine Puppe, die sie nicht mehr brauchte... Sie seufzte tief und machte sich auf in Richtung Küche. Ihr kam für heute ein Joghurt mit frischen Früchten in den Sinn. Vor der Küchentür hielt sie wieder inne. Seit dem einen Tag ist ihr immer noch etwas mulmig, wenn sie die Küche betreten wollte. Es war ganz am Ende ihrer Schicht. Eine Gruppe von Gangstern und Möchtegern-Vampirjägern waren in die Villa eingedrungen. Zwei von ihnen hatten sie in der Küche überrascht und in er Annahme, es mit einer Vampir zu tun, fast getötet. Ein mulmiges Frühstück später fing sie mit Putzen an. Kein sehr aufregender Job, aber so konnte sich zumindest auf andere Gedanken bringen. Die Fenster in den Fluren waren immer etwas besonders nervig, weil sie unnötig hoch waren und man zum Putzen auf die Fensterbank steigen musste. Aber wenigstens konnte man so die Aussicht genießen - sofern man in der Tagesschicht arbeitete. Jetzt sah man hauptsächlich Dunkelheit. Sie war bereits mit einem Fuß auf der Fensterbank und war gerade beim Hochklettern, als sie endlich nach oben blickte. Eine Fledermaus erwiderte ihren blick. "Huuaah!" Sie landete mit ihrem Hintern auf dem Flur. Glücklicherweise war da nichts, was sie hätte umwerfen können. Den Eimer und den Rest ihrer Putz-Ausrüstung hatte sie vor ihrer Kletteraktion schon auf die Fensterbank gestellt. Die Fledermaus ließ sich fallen und verwandelte auf dem Weg nach unten in eine ihr nur allzu gut bekannte Kollegin. Sie war bekannt als Neko Meido, und das einzige Dienstmädchen, das womöglich noch seltsamer war als sie. Neko Meido war nämlich ein Catgirl, ein Ex-Ninja und seit einigen Wochen auch ein Vampir. "O-oh, Entschuldigung!", rief Neko. "Hier, lass mich dir mal hoch helfen..." Sie nahm die Hand des Catgirls dankend an. Als sie wieder fest auf beiden Beinen stand klopfte sie ihren Rock ab und prüfte, ob alles richtig sitzt. "Du kannst dich in eine Fledermaus verwandeln?", fragte sie dabei. "Wusste ehrlich gesagt nicht, dass Vampire das wirklich können. Die Meister hab ich jedenfalls noch nie dabei erwischt." "Miauster meinte, dass er die Fähigkeit nicht wirklich oft brauchen würde." Sie konnte den Ansatz eines Lächelns nicht unterdrücken. Neko hatte nicht einen annähernd so schlimmen Sprachtick wie manche Anime-Catgirls, aber es war immer wieder drollig zu hören, dass gerade "Meister" ein Wort war, wo ihre Katzen-Natur durchschien. "Eine Villa und Handlanger sind wohl meist praktischer, nehme ich an." "So in etwa. Außerdem ist das ehrlich gesagt etwas gewöhnungsbedürftig, so mit den eigenen Schreien zu 'sehen'. Aber immerhin habe ich diesmal meine Kleidung mit verwandelt." "Oha." "Jetzt lass mich aber mal mit dem Fenster hier helfen. Dass bin ich dir schuldig." "Nur zu..." Gemeinsam waren die restlichen Fenster in Windeseile geputzt. Sie hätte wohl das meiste Neko überlassen können - Vampire hatten eine ziemlich gute Ausdauer - aber so etwas lag ihr nicht. Sie bestand immer darauf, ihren Teil der Arbeit zu machen. "Endlich!", rief Neko schließlich. "Hast du jetzt eigentlich noch was vor?" "Nichts Dringendes. Warum?" "Ich wollte mal raus und nach meinem Kleid gucken. Das müsste jetzt eigentlich trocken sein." "Klingt gut. Ein bisschen Frischluft kann wohl nicht schaden..." * Kalte Nachtluft wehte um sie herum, als sie sich zur Wäscheleine auf machten. Das Kleid war recht einfach geschnitten und schwarz, mit einem Glitzern wie die Sterne des Nachthimmels. Selbst mit dem Lichtschein aus den Fenstern der Villa hätte sie wohl Probleme gehabt, dass Kleid in der Dunkelheit auszumachen. Neko hingegen hätte dank ihrer Katzenaugen wohl auch vor ihrer Zeit als Vampir keine Probleme gehabt. "Sieht gut aus", sagte Neko nach einer kurzen Begutachtung. "Dann wollen wir mal wieder rein." "Gibt es bald wieder ein Treffen?" "Ja..." Aus gesellschaftlicher Sicht war in den letzten Wochen deutlich mehr los als in den Monaten zuvor. Der Meister wurde zum alleinigen Geschäftsführer des "Familienunternehmens" (irgendwas mit Schmuggeln, wenn sie es richtig verstanden hatte), und ein neuer Vampir ist natürlich auch eine kleine Sensation. Folglich gab es allerhand Termine mit anderen Vampiren oder Geschäftspartnern, sei es nun hier in der Villa oder außerhalb. "Dieses mal ist es ein Verwandter aus Europa", fuhr das Catgirl fort. "Ein Halb-Bruder des Miausters, allerdings wesentlich älter." "Mmh, ich glaub, von dem hab ich schon mal gehört..." Der alte Meister - oder "Miauster", wie Neko sagen würde - hatte damals fast seinen gesamten Besitz aufgegeben, als er nach Japan zog und dort neu anfing. So etwas soll nicht unüblich sein bei Vampiren, denen ihr ewiges Leben zu langweilig geworden ist. Sein Sohn hatte wohl wenig Grund zur Klage, weil dies wohl der einzige friedliche Weg ist, als Vampir etwas zu "erben". "Klingt jedenfalls spannend", fuhr sie fort. "Na ja", wand Neko ein. "Gibt wohl nur wieder das übliche: Komplimente. Dezente Fragen nach meinen Ohren und dem Katzenschwanz. Geschäftlicher Kram, bei dem ich immer noch nicht ganz durchblicke. Und natürlich nach Attentätern Ausschau halten, was hier in der Villa wohl leider überflüssig ist." "Noch dazu hast du hier 'Heimvorteil'." "Wenigstens gewöhn ich mich langsam an diese Absatzschuhe. Meine Füße tun nach so einem Termin nicht mehr höllisch weh." "Gut zu wissen. Hast du eigentlich heute noch was vor?" "Ein Selbstverteidigungs-Kurs wäre nicht schlecht..." * Seit dem Überfall in der Küche hat sich ein neues Ziel: "Ich will nicht mehr schwach sein". Also hatte sie Neko um Hilfe gebeten. Sie kamen nicht jede Woche dazu (vor allem wegen der ganzen Termine), aber sie versuchten, so oft es geht ein oder zwei freie Stunden dafür zu finden. Anfangs hatte sie nichts Passenderes als ein Yoga-Outfit, aber mittlerweile hatte sie sich einen Gi bestellt. Neko bestand wie bei allen sportlichen Unternehmungen auf einen Gymnastik-Catsuit - oder "Unitard" nach ihren Recherchen. Anscheinend ist das die offizielle "Uniform" von Nekos Ninja-Clan, aber das Catgirl vermeidet, bei ihren Geschichten zu sehr ins Details zu gehen ("Je weniger ihr wisst, desto besser für euch."). Möglicherweise war Ein Supertrio gerade angesagt, als der Clan nach einem neuen Uniform-Design suchte. Ursprünglich hatte Neko nur ein schwarzes Exemplar aus ihrer Ninja-Zeit, aber in letzter Zeit verwendete das Catgirl oft eine Variante in rot mit kürzeren Ärmeln. Wohl auch, um die Vergangenheit hinter sich zu lassen. Ihr selbst wäre ein derart figurbetonter Aufzug etwas arg affig, aber es bestand kein Zweifel das Neko genau die richtige Figur dafür hatte. Allerdings wurde was immer das Catgirl auch an Eleganz oder Sex Appeal an den Tag legen wollte etwas gedämpft durch die flauschigen Pfotenschuhe, die sie zu fast jeder Gelegenheit trug. Die wirkten schon in der Dienstmädchen-Uniform etwas sonderbar, aber hier kam ihre zu ihrer Trägerin so gar nicht passende Niedlichkeit voll zur Geltung. Der Kampfstil war - wenig überraschend - Ninjutsu, allerdings eine Variante mit Muay-Thai-Einflüssen. Das flauschige Schuhwerk soll gut zum Schleichen sein, hilft aber nicht wirklich bei Tritten. Das klang ein wenig wie die Lösung zu einem selbst verursachten Problem, aber Ninja - besonders Catgirl-Ninja scheinen etwas andere Prioritäten zu haben. Ihre Trainings-Einheit beinhaltete wie die meisten zuvor einen Übungs-Kampf. Selbst mit ihrer begrenzten Kampfsport-Erfahrung konnte sie erkennen, dass Neko ihr eigentlich haushoch überlegen war und sich stark zurück hielt. Keine ihrer Angriffe schien das Catgirl zu überraschen oder anderweitig aus der Fassung zu bringen, und jede von Nekos geschmeidigen Bewegungen war bis zum letzten Muskel durchgeplant. So ganz perfekt schien diese Körperkontrolle jedoch nicht, was sie schmerzhaft zu spüren bekam als ein etwas zu fester Kniestoß von Neko sie zu Boden schleuderte. Das gibt bestimmt... einen blauen Fleck... "Alles in Ordnung?!", rief das Catgirl besorgt. "G-geht schon... ich brauch nur... ein bisschen... dann kann's... weiter gehn..." Ich werde nie stärker werden, wenn ich nach einen Treffer schon aufgebe... Sie biss die Zähne zusammen und richtete sich trotz ihres immer noch schmerzenden Magens auf. Neko hatte in der Zwischenzeit eine Flasche Wasser besorgt. "D-danke...", sagte sie und nahm die entgegen. "Es tut mir Leid", sagte Neko reumütig. "Ich hatte da wohl zu viel Schwung..." "Mach dir nichts draus", sagte sie nach einem kräftigen Schluck Wasser. "Du bist sicher Partner gewöhnt, die mehr einstecken können." Neko ließ ihre Ohren hängen. "Das ist keine gute Entschuldigung. Ich muss einfach vorsichtiger sein..." "Könnte wohl auch nicht schaden, die knie etwas auszupolstern..." "Mmh, das klingt nach einer guten Idee." "Aber jetzt erst mal weiter mit dem Programm." "Sicher?" "Ja." "In Ordnung..." * Sie hatte gerade noch genug Kraft in ihr Nachthemd zu wechseln, bevor sie sich aufs Bett fallen ließ. Ihr ganzer Körper tat weh, und es würde morgen wohl noch schlimmer werden, aber damit konnte sie leben. Sie machte sich keine Illusionen daraus, dass es nicht leicht war, stärker zu werden. Zudem träumte sie nach einem derart anstrengenden Tag nicht. Meistens jedenfalls. Als einziges Albino-Mädchen der Villa - vom Rest des Landes ganz zu schweigen - erregte sie schnell die Aufmerksamkeit der Herrin. Ehe sie es sich versah wurde sie für die wöchentliche "Nahrungsaufnahme" der Herrin auserkoren. Sie konnte sich noch gut an den ersten Biss in den Gemächern der Herrin erinnern. Das leichte Piksen. Das anschließende Ziehen. Das Gefühl, wie ihre Körperwärme aus ihr herausgezogen wurde. "Das tat doch nicht weh, oder?" "Nein, Herrin." Die Herrin kicherte. "Hach, wo sind nur meine Manieren geblieben. Ich habe dich noch gar nicht nach deinem Namen gefragt." "Shiroko, Herrin." "Ein hübscher Name. Klingt fast italienisch..." Ihre Herrin strich ihr eine Strähne aus dem Gesicht. "Wenn du willst, kannst du noch ein bisschen hier blieben." "Ja, Herrin..." Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)