Maskenball von blackNunSadako ================================================================================ Kapitel 7: Borderline --------------------- Eine Erinnerung der Seele. In ihren Tiefen verankert.   In Ketten der Zeit gelegt, führend zum Existenzabgrund. Der Anbeginn.   Dunkelheit. Warm, beschützend, friedvoll.   Ich sehe nichts, doch nehme wahr.   Höre, aber verstehe nicht.   „Penguin... So sei dein Name.“   Ein Herzschlag. Nicht meiner. Über mir.   Ich existiere, bin lebendig, ohne zu leben.   Bewege mich nicht, bin gefangen, bin frei.   Schlafe, aber träume nicht.   Die Welt dreht sich, ohne mich, mit mir. Erwartet mich.   Die Zeit rinnt, scheint stillzustehen.   Etwas ruft nach mir. Leise. Lauter. Lockt mich zu sich.   Das Leben.   Aus Dunkel wird Licht. Aus Nichts wird Alles. Aus Herz wird Liebe.   Und plötzlich... hört es auf. Alles.   Der Anker meiner Seele bricht. Die Kette klirrt. Reißt mich zurück.   Kalt. Kälter.   Still. Stiller.   Exitus.   Nie geatmet, Nie gelebt.   Von Anfang an gescheitert. Zum Tode verurteilt.   Vom Schicksal getroffen. Zerschießt mein Herz.   ...Peng...   . . .   Ich war eine Totgeburt.    💔   ∞ ⚞♡⚟   ⛨   „Ein Glück, dass er lebt!“ „Ein Glück im Unglück.“ „Ein Wunder.“   Geboren als Kind des Unglücks, lebend mit falschem Glück. Lügen, die zu meiner Wahrheit wurden. „Wir sind so froh, dich bei uns zu haben. Unser... Kleines.“ Dies waren nicht meine Eltern. Ich nicht ihr Kind. Nicht ganz.   „Pass auf dein Herz auf, Junge.“ Die Männer in weißen Kitteln betonten stets das Selbige. Täglich wurde ich untersucht und ausgefragt. Über Dinge, die mich verwirrten. Ich verstand nicht. „Warum bin ich hier?“, suchte ich den Grund, erhielt immer die gleiche Antwort. „Zur Beobachtung“, bedachten mich die Erwachsenen mit diesem Blick, der Kindern verheimlichte, „zu deinem Besten.“   Von Geburt an trug ich ein X auf der Brust. 'Narbe' nannten es die Ärzte. Hinter meinem Rücken redeten sie über mich. Dann, wenn sie dachten, ich hörte es nicht. „Herzschwäche“, eines der Worte, die ich aufschnappte, „Komplikationen bei der Transplantation.“ Was bedeuteten diese komischen Dinge? An der Tonlage der Erwachsenen konnte ich erahnen, dass es etwas Schlimmes war. „Wäre unsere Tochter doch nur...“ „Nein. Jetzt haben wir einen Sohn.“   War es ein Fehler, dass es mich gab? Hatte ich etwas Böses getan? Durfte ich deswegen nicht wie die anderen Kinder spielen, toben, Kind sein?   „Zu gefährlich“, verneinten sie dauernd mein Erfragen, stellten mich mit falschen Versprechungen ruhig. „Bald... Wenn du groß genug bist...“   Ich wartete. Tage, Wochen, Jahre. Nichts änderte sich.   „Wie fühlst du dich?“ Eine der Fragen, die ich beantworten musste. Jeden Tag. Sie erwarteten von mir, dass ich fühlte... manchmal wünschte ich, dass es aufhörte. Gefühle. Das laute Pochen in meiner Brust erinnerte mich daran. Der Fremdkörper, der in mir wohnte. Ich fühlte mich nicht richtig. Fühlte mich falsch. Etwas stimmte mit mir nicht. Bin ich der Fehler?   Die Tests, die sie mit mir machten. Reaktionstests. Wie mein Körper auf verschiedene Situationen reagierte. Mein falsches Herz es tat. War das echt, was ich spürte? War es erlogen? Mein gesamtes Dasein nur ein Lügengebilde? Es ist so verwirrend... Leben.   Ich ließ es über mich ergehen, wusste nicht weiter, wollte nicht wissen. Als Kind von so vielem manipuliert. So viele Eindrücke, die mich erdrückten. Wann hört es auf? Hört es jemals auf?   Eine der Krankenschwestern strich mir über meine Hand, die an dieses piepende Gerät angeschlossen war. „Eines Tages, mein Junge“, sprach sie sanft, „wirst du es erfahren... das stärkste Gefühl von allen.“ Was sie damit meinte, war mir unklar, doch ihre seltene Berührung beruhigte mich. „Dann muss dein Herz stark genug sein...“   Das Piepen wurde hektischer, lauter, schreiender. Bis es eine eintönige Melodie anstimmte. Die Monotonie der Kälte.   Wie Kiras. Der Name funkte in meine Erinnerung, mischte sich zu den Schatten, verzerrte Traum und Realität. Nur kurz, ehe ich erneut von Vergangenem gefangen wurde.   „Wir dürfen ihn nicht verlieren!“, brüllte ein Mann in das hohe Piepen. Für mich hatte der Monoton etwas Friedliches. Geborgenheit. „Wir brauchen ihn noch. Holt ihn zurück!“   Gebraucht werden... War ich dafür gut genug? Reanimiert. Wieder und wieder. Ein Kreislauf aus Tod und Leben. Als könnte sich meine Seele nicht entscheiden, als wäre mein Herz im Zwiespalt. Emotionale Schizophrenie.   Zwei Herzen; Ein totes und ein lebendes. Geschaffen für zwei Seelen, die ich zu lieben fähig.   ...Nur mich selbst nicht. Niemand brachte mir das Gefühl von Liebevollem bei. Das Fremdartige in mir verhinderte jegliche Selbstliebe. Ich fühlte mich mir selbst fremd. All die Gefühle verängstigten mich. Das Leben machte mir Angst. Hör auf... bitte.     Es war ein Tag wie jeder andere, als es geschah. Eine markerschütternde Tragödie.   Mein Krankenzimmer bebte. Eine Vibration des Bodens, erst schwach, dann intensiver. Breitete sich über den Raum aus. Das gesamte Gebäude erschüttert. Heulende Sirenen erschallten von überall. Das grollende Beben immer stärker werdend. In den Nachrichten wurde oft darüber berichtet. Den Katastrophengebieten, von denen das Krankenhaus verschont blieb. Nun nicht mehr.   Für ein Kind wie mich, war es … der Weltuntergang. Panische Schritte trommelten über die Gänge, hektische Rufe, Schreie, Hysterie. Wo waren meine sogenannten Eltern? ...Fort. Ich ihnen nicht wichtig genug. Niemandem wichtig. Nicht einmal mir selbst.   Ein trauriger Ausdruck versteinerte mein Gesicht. Kühlte mein Inneres. Ich spürte eine innere Ruhe, die Zufriedenheit brachte. Ich spürte, dass sich etwas änderte. Endlich. Mein Blick schweifte vom Krankenbett zum Fenster. Draußen, wo die Welt zusammenbrach. Die Natur in Aufruhr, der Himmel bereit für neue Engel.   Die Fensterscheibe klirrte, rauschender Wind hämmerte gegen das Glas, bat um Einlass. Langsam und geruhsam stand ich auf, ging hinüber zum Fenster, öffnete es. Und grinste dem Sturm entgegen. Komm und hol mich. Hol mich hier raus.   Der Luftstrom aggressiv und zerstörerisch, bahnte sich einen Weg ins Gebäudeinnere. Brauste Wut tobend ins Zimmer, riss alles mit sich. Die Nachttischlampe zerschellte auf dem Boden, gefolgt von der quietschenden Kommode, die kratzend über den glatten Untergrund rutschte. Die Rollen des Bettes aus ihrer Befestigung gerissen, sodass es haltlos durch den Raum schlitterte. Ich krallte mich mit aller Macht ans Fensterbrett, um nicht umgeworfen zu werden. Ich wollte sehen, verstehen, miterleben, wie es endete.   Ein Fenster in eine andere Welt. Nie sah ich einen schöneren Anblick, als den Verfall meiner Welt, der meinem Herz Friede brachte. Die Bäume bogen sich schwankend in Windstürmen, einige durch die Naturgewalt ausgerissen, wirbelten umher, trafen schellend auf Häuser, aus denen die Menschen flohen. Autos, die hupend durchdrehten, krachten in Nächstgelegenes. Trümmer wie ein Feuerwerk. Bunte Lichter, die ein Schauspiel aus Regenbögen von Überwelten erschufen. Eine schrille Geräuschkulisse aus Schreien und Lärm, die in der alles verschlingenden Stille des Sturms untergingen. Verstummt, ruhig. Endlich Ruhe.   Ich mochte die Stille, die mir die Freiheit schenkte. Die Leere der Welt, die meine innere füllte. Erstmals fühlte sich mein Herz wie mein an. Es stoppte, fand Ruhe, fühlte nicht. Schwärze riss mich in Ohnmacht.   Doch meine Seele leuchtete weiter. Hielt am Leben. Konnte noch nicht gehen. Etwas wartete auf mich.   Kinderaugen, die sich erstmals öffneten, um klar zu sehen. Als ich erwachte, war dort das Nichts. Eine weiße Leinwand aus Emotionslosigkeit. Das Krankenzimmer der Zerstörung zum Opfer gefallen, der Tod mich geopfert für das Leben. Schwerfällig rappelte ich mich auf, suchte einen Weg hinaus aus dem Labyrinth der Eintönigkeit. So viele Gänge, so viel Zeit verstrichen. Bis ich den Ausgang fand. Erstmals ins Leben trat. Wahrhaftig.   Menschenleer die zerfallene Stadt, verwüstet von der Natur, die eine malerische Idylle aus Scherben reflektierte. Ein Mosaik aus zerbrochenen Träumen. Gar wunderschön traurig. Ich lief weiter, immer weiter. Ziellos, nicht wissend wohin. Nur weg. Weg von meinem alten Ich, das ich nie besitzen durfte. Was ist erlogen, was wahr? Bin ich echt?   Was bedeutet Mensch sein? Was bin ich? Ein Fehler, ein Ersatz, eine Maske? Nie war ich jemandem wichtig genug, nie war ich mir selbst wichtig. Wohin führt mich mein Lebensweg, wenn er doch längst zu Ende scheint? Ein Labyrinth aus Fragen, durch das ich irre.   Etwas stoppte mich. Ein Summen. Leise, schwach, kaum hörbar. Eine seelenvolle Melodie, die der Wind durch die Ruinen wehte. Jemand sang. Sang dem Untergang der Welt entgegen. Ein Abschiedslied.   Kraftlos schleppte ich mich durch die zerstörten Straßen, vorbei an Geröll und Scherben, vorbei an einstigem Leben. Folgte dem Klang der Stimme, die so viel Schwermut und Weltschmerz verinnerlichte. Anders als ich, der nichts davon spürte. Je näher ich der Quelle kam, desto mehr zerriss es mich. Und doch gab es etwas, das mich zusammenhielt. Wie ein unsichtbares Band, das mich führte. Ein Tau, das mich zu ihm zog. Unaufhaltsam, stark, verbunden.   Eine Hütte. Eingestürzt, zu Einzelteilen in sich zusammengefallen. Schwer atmend stützte ich mich an den Überresten der Tür ab, duckte mich unter ihr weg, um ins Innere zu gelangen. Zwängte mich an den eingekrachten Deckenbalken vorbei. Und sah ihn; Ein Überlebender. Mitten in den Trümmern saß er, zwischen Schutt und Asche, blickte zum Himmel. Graue Wolken von Schwarz verfinstert. Das Summen verklungen, die Trauer verstummt. Der Junge lächelte. Ein Lächeln des Wiedersehens.   „Die Welt ist so schön“, flüsterte er leise zu sich selbst, den ersten Regentropfen entgegen, die auf sein orangenes Haar fielen. „Manchmal geht sie unter... aber geht sie auch wieder auf. Dann lächelt die Sonne umso heller.“   Seine Stimme schwach und kratzig, rau von seinen beruhigenden Gesängen. Wie viele Stunden musste seine Stimme der Einsamkeit trotzen? Sein Lippenzug wich in Herzenswärme auseinander, die er sich in der kalten Zeit selbst spendete. „Die Welt ist schön... weil ich daran glaube, dass sie es ist.“   Seine Worte, untermalt vom sachten Klopfen des Regens, füllten die Stille, die uns umgab. Vor ihm stehend, betrachtete ich ihn. Seine verwaiste Erscheinung, seine löchrigen Kleider, verwüsteten Haare, den unterernährten Körper. In seinen zitternden, blassen Händen ein Stück Stoff haltend, den er nah an seine Brust drückte. Etwas, was ihm Halt gab. Sein Lächeln, das bitter weinte.   Es löste etwas in mir aus. Etwas Echtes. Bedacht näherte ich mich ihm, setzte mich neben ihn, unter das eingeschlagene Fenster, blickte mit ihm zum Horizont. Schwach sprach ich ihn an, mein Stimmton müde. Müde vom Leben. „Was machst du hier?“, fragte ich energielos. Ließ unausgesprochen, was offensichtlich war: Der Verlust seiner Familie.   Ein fernes Glitzern trat in seine Honigfarbenen Augen. „Ich warte auf jemanden.“ Fand sein hoffnungsvoller Blick den trostlosen meinen. „Jemanden, der das Leben wieder lebenswert macht.“   Das Funkeln seiner Augen. So hell. Ein Stern in der Nacht. Sein Strahlen griff nach mir, erreichte mein Inneres. Lebenswärme. Das war es, was sein Seelenlicht mir zeigte. Echte Wertschätzung, die er mir entgegenbrachte. „Ich bin so froh, dass du bei mir bist.“ Das Sternenklar seiner Augen wässerte. „Dank dir bin ich nicht mehr allein.“   Ein Seelensplitter, den ich fand. Teilend ein Schicksal. Aus Einsamkeit wurde Zweisamkeit. Ich fühlte es. Menschlichkeit. Jeder braucht ein Mensch zum Mensch sein. Er war es. Derjenige, der auf mich wartete. Um zusammen einen Lebensweg zu bestreiten.   Schwach grinste ich den Jungen an, der noch immer lächelte. Langsam entkrampfte er seine Schutzhaltung, lockerte seine um sich selbst geschlungenen Arme. Und hielt mir das behütete Objekt hin; Die Kappe ohne Aufschrift, die einen Namen suchte – und fand. „Möchtest du meine Familie sein?“ Ein Flüstern der Hoffnung. Ein Anker in trauernder Flut. Ein Seelenband, das längst entschieden.   Ich lernte die Wahrheit, lernte wahres Gefühl. Mitgefühl. Ich fühlte; für ihn, mit ihm. Derjenige, der mir Liebe zeigte. Erstmals, in aller Echtheit. Die Liebe eines Bruders. Meines Bruders.   Ich schwor, ihn zu beschützen. Zu leben, um Leben zu schützen. Vorsichtig umarmte ich ihn, legte meine Arme behutsam um seine zerbrechliche Figur, zog ihn an mich. Und sein Lächeln brach, das die Tränen hielt.     Das erste und letzte Mal, dass ich Shachi weinen sah.   Seelenperlen, die der Regen forttrug, in einen neuen Morgen.   In unsere Zukunft.   . . .   ...Eine düstere Zukunft...   * * *   „Sweet Dreams~ Are Made Of These~“   Wahnsinnig schnurrte ich die Melodie, die mein Opferlamm in Hypnose wiegte. Penguin lag wie auf dem Präsentierteller serviert vor mir, zitternden Leibes. Deliziös. Leidend. Schutzlos. Eines Killers Dartscheibe für einen tiefen Stich ins Bull's Eye. Fa Fa~ Wäre da nicht dieser Abtörner, namens mein zweites Ich. Kira.   Warum wacht Penguin nicht auf? Kiras nervtötende Stimme, die mich unsere Augen rollen ließ. Was hast du mit ihm gemacht, Killer?! Überlegend tippte ich mit meinem Zeigefinger gegen unsere schmunzelnden Lippen. Hm... lass mich resümieren... Ich habe mich köstlich an ihm vergangen... Ihn angegraben, verführt, geküsst, ihm Smile verabreicht... Wovon möchtest du eine detaillierte Ausführung? Du hast-?! Penguins Lippen sind so süßlich~ Hast du seinen Schlafzimmer-Blick gesehen? Kiras Knurren in allem Hass, den er mir gegenüber empfand. Oho~ haben wir eine neue Emotion gelernt? Mein Beileid.   Ich hatte die Kontrolle über unseren Körper. Weil Kiras Beinahe-Bums ihn tief sinken ließ. Fa Fa~ Seit der selbsternannte Held – Applaus, Applaus! – aus seinem Orgasmustief gekrochen kam, nervte er mich. Bin ich denn nicht schon genug mit mir gestraft? Für Außenstehende musste dies äußerst geisteskrank aussehen. Wie wir uns mit uns selbst unterhielten, unsere Mimik stetig wechselte, unser Körper geteilt in Gegensätzlichkeiten und doch verbunden als Eins. Ich seufzte, Kira fauchte. Wie eine Mutterglucke, die ihr kleinstes Ei verteidigte. Oder Küken. Mhh~ Chicken-Nuggets.   Kira steuerte unseren Blick, unsere Augen auf den in Alpträumen gefangenen Penguin gerichtet, der sich im Sofa unruhig hin und her wälzte. Sieht er nicht entzückend aus? Wie er den Schatten verfällt... Ein Bild für die Teufel. Du fucking Mistkerl! Wie schmeichelhaft... Da könnte ich doch glatt wieder hart werden. Hättest du Lust auf ein Fingerspielchen zu zweit? Ich erinnere mich noch genau daran... wie wir uns- Schweig! Du bist krank. Krank in Manie... für dich. Wir lieben uns, nicht wahr? Nur weißt du noch nichts davon. Steck dir deine psychopathischen Heucheleien in dein seelisches Arschloch. Uh, jetzt wird es aber pervers~ Einmal abgespritzt und du lässt den Macho raushängen. Kira, du Hoden-Hengst~   Ich spürte die Nachwirkungen von seinem Höhepunkt, wenn auch nicht so deliziös, als wenn ich ihn gepimpert hätte. Bedauerlich. Meine Eichel weint. Seit wann sind wir denn egoistisch? Nächstes Mal gönnst du mir aber auch etwas Spaß... Es wird kein nächstes Mal geben. Oh? War er so schlecht im Bett? Oder warst du es? Schnauze. Na, na. Fluchen gehört sich nicht, Darlin'~   Mein Schmunzeln verdunkelt unsere Lippen. Schließlich warst du es... der mich hat zusehen lassen. Kira schwieg. Das Gefühl von Reue unseren Körper ergreifend. Du hast gewusst, dass ich da war... immer da bin. Wie lächerlich naiv von dir zu glauben, dass du eine Beziehung mit jemandem eingehen kannst... außer mir. Penguin ist anders. Inwiefern? Weil er dich ranlässt? Weil ich ihn 'ranlasse'. An mich. An uns.   Aww~ wie ekelhaft süß von dir. Da kommt mir fast das Ejakulat hoch. Kira haute uns eine rein, schlug sich selbst, brachte mich zum Lachen. Wie wild du geworden bist, hawrr~ Im Fisten solltest du dich aber noch üben, werter Anal-Soldat. Leider musste ich zugeben, dass der Schwächling stärker geworden war. Ich konnte ihn nicht mehr so leicht verscheuchen, musste ihn aushalten, mit ihm den Körper teilen. Vorerst. Sobald sich die Gelegenheit ergab, würde ich ihm einen seelischen Arschtritt geben. Mit sadistischem Vergnügen. Zunächst ergötze ich mich an unserem unterhaltsamen Machtspielchen.   Warum so schweigsam? Kira zeigte mir die Antwort. Mit seinen Erinnerungen, die unseren Kopf verpesteten. Unseren Körper mit Gefühlen erkrankte. „Lawliet.“ Penguin. Wie er unser beider Nachnamen sprach. Unser Herz, das schlug. Der Moment, der unsere Seelen unwiderruflich verknüpfte. Siehst du? Er hat nicht dich gewählt – sondern uns beide.   Er hatte Mitleid mit dir. Ich liebe es, wenn Menschen wegen mir leiden. Du nutzt ihn für deine kranken Fetische aus. Dies haben wir wohl gemein. Tust du nicht das selbige? Nein, ich- Du stillst dein Sehnen an ihm. Klammerst dich an ihn, benutzt ihn als dein seelischer Mülleimer. … Ich bin wenigstens so ehrlich und sage es ihm. Erkenne den Unterschied. Erkenne das Lügengebilde unseres Herzens. Es wird nie dessen Schwärze verlieren. Wird nie frei sein können. Immer des Todes sein.   Ich verunsicherte Kira. Erfolgreich. Schwächte seinen Geist. Spürte, wie ich mächtiger wurde. Qualvoll stöhnte Penguin. Ein Geräusch, das den Beschützer in Kira weckte, meine Dominanz wieder verdrängte. Vom Dom zum Sub, gefickt Euch Wohl mein Herr.   Kira wollte Penguin beruhigen, unsere Arme nach ihm strecken – Ich unterband die Berührung. Lass ihn leiden, lass ihn unsere Qual teilen. Penguin kämpfte sichtlich. Ein anerkennender Punkt auf der schwächlicher-Trottel-Skala. Ich bin die Bösartigkeit in Persona. Wie kannst du nur so ekelhaft sein? Wegen dir. Du hast mich dazu gemacht. Habe ich n-   Versuche erst gar nicht, es abzustreiten!, wurde ich ungehalten, verlor die Fassung, verfiel dem Hass. Meine dunkle Stimme in Gedanken schärfer, brüllte ihm zu, in einer finsteren Tonlage von Morddrohung. K-i-r-a … Du hast mich in der dunkelsten Stunde heraufbeschworen. Allein gelassen, als du dich am einsamsten gefühlt hast. Hast mir all deinen Schmerz, den du nicht erleiden wolltest, aufgedrückt. Hast mir all deine negativen Eigenschaften gegeben. Du bist das Monster, nicht ich!   Die reine Wahrheit. Jeder Vorwurf in Zornes-Kälte in unser Herz geschnitten. Ich... wollte nicht... Sterben? Du bist längst tot. Getötet von deiner eigenen Unfähigkeit zu leben. Lügen. Alles Lügen!, wurde Kiras klare Stimme verzweifelter, dachte sich in Selbstzweifel. Du verlogener Bastard. So? Besser als eine verlorene Leiche. Tu uns allen einen Gefallen; Geh dich begraben, Kira.   Das traf ihn. Unter die Seelenlinie. Ich... lebe. Lebst mit deiner Lüge. Mit mir. Ich lebe! ...Liebe!   „H-Hilfe...“, zitterte Penguin hervor, ließ uns beide das abartige Gefühl von Herzschmerz fühlen. Lass das. Ist ja ekelhaft. Ich fühle so viel ich will. Angeekelt verzog ich unsere Lippen, deren Mundwinkel durch Kiras Mitleid hinabsanken. Ein Arm streckte sich zu Penguin, der andere zerrte ihn an dessen Handgelenk zurück. Fass ihn nicht an!   Siehst du nicht, wie er lächelt? Ihm gefällt die Seelenfolter der Schatten. Das Gift lächelt. Wir müssen ihn entgiften. Dies muss er schon selbst schaffen... Ich möchte keinen schwachen Mann an meiner Seite. Er ist nicht dein-! Noch nicht. Weißt du es nicht mehr? Wie vergesslich von dir... Wenn er dich will, muss er auch mich wollen.   Das werde ich zu verhindern wissen. Kira dominierte, präsentierte sein schnuckeliges Ego. Und wenn ich erneut sterben muss, um dich loszuwerden. Wie liebreizend. Die Vorstellung törnt mich so richtig an. Darf ich zustechen? Fick dich selbst, Killer. Aber gern doch~   Ich dirigierte unseren Blick zu der gelöcherten Maske auf dem Boden. In ihr ein mittiger Riss. Was hast du nur getan? Das, was ich längst hätte tun sollen. Die Überreste der Vergangenheit zerstört. Auch, wenn er es nicht wollte, führte ich unsere Hand, die die Maske aufhob und setzte sie uns auf. Der gezackte Riss erzeugte ein widerwärtiges Licht in ihrem Inneren. Hässlich. Dann belauerten wir ihn. Mein Opferlamm leiden zu sehen, meine liebste Beschäftigung. Er quält sich... für uns. Ist das nicht putzig? Hey, ignorierst du mich? Das ist aber nicht nett...   Der Idiot schwieg zwar, aber fühlte weiter. Verdrängen war so leider nicht drin. Pfui, was ist dieses ekelhaft warme Gefühl? Igitt. Als würde es einem die Brust mit einem Lötkolben verkleben. Dies wirst du nie verstehen. Wir können ja reden! Kommt nur Fäkal bei raus.   Unsere Lippen glitten auseinander, von mir geführt, zu einem dunklen Schmunzeln. Mitnichten. Du verstehst nicht... Neugier, gepaart mit Misstrauen keimte in unserem Körper. Kira schien interessiert. Hast du gewusst... dass Penguin getötet hat? Unglaube, Ablehnung, Weigerung. Du glaubst mir nicht? Ist es dir denn nie aufgefallen?, zeigte ich ihm mein Gedankenbild, meine Erinnerung, meine Wahrnehmung. Penguin aus meiner Sicht. Das Dunkel in den Scherben seines Blickes. Die grünen Seelenmesser.   Penguin hat die Augen eines Mörders... die nur ein Killer erkennen kann. Etwas, was uns untrennbar verbindet. Das muss Schicksal sein~ Eine Täuschung. Können diese Hände lügen? Neigte ich die Maske zu unseren Fingern; Mittelfingern, die ich uns entgegenhielt. Ich geb nen flying Fuck drauf, was du denkst, Verlierer-Kira~ Verlust steht dir, weißt du? Es ist die geilste Lust von allen.   Ich streichelte uns verhätschelnd über den Kopf, verhöhnte ihn. So blind... So unwissend... Warte nur... Der Spaß hat gerade erst begonnen~   Die Schatten sind heute besonders lüstern. Ob Penguin sich ihnen hingeben wird? Uh~ Es bleibt spannend~ Hol das Popcorn, Darlin'!   * * *   Shachi und ich auf Mission; Katastrophengebiete, in denen wir aushalfen. Zivil-Dienst leisteten. Aus Mitgefühl wurde der Wunsch zu helfen. Menschen in Not zu unterstützen. Das tun, wofür ich gut war – gebraucht werden.   „Du schaust wieder so trüb aus der Wäsche, Peng“, summte Shachi ernst, „dabei ist heut gar nicht Waschtag.“ Shachi-Logik. Das Bleichmittel zu meinem schwarzen Zynismus. Ich arschiger Pessimist. In all meiner Kotzbrockenheit murrte ich; „Sicher, dass du als Kind nicht zu viele Schleudergänge in der Waschmaschine hattest?“ Jeder andere hätte es falsch verstanden. Jeder. Nur einer nicht. Funkelnd sah Shachi mich an. „Du hast echt die tollsten Ideen! Warum bin ich da nie drauf gekommen? Das macht bestimmt total viel Spaß!“   Er war immer so, wirklich immer. Idiotisch, kindisch, optimistisch. Mein Ausgleich. Das DE meines doppelten P. Mit niemand andrem hätte ich die letzten Jahre verbringen wollen.   Wir waren ein Team. Gemeinsam trugen wir eine große Versorgungskiste zum Dorf, das sich im Wiederaufbau befand. Vor uns der lichtlose Horizont, unter uns der Schnee. Die Temperaturen siedend heiß. Moment. Das ist falsch... Wir sind in einem Wintergebiet. Wo kommt die Hitze her? Verwirrt schüttelte ich meinen Kopf, unfähig zu hinterfragen. Mein Kopf bewegte sich nicht. Mein Körper gehorchte mir nicht, agierte von selbst. Etwas stimmt nicht.   „Gleich sind wir da~“, flötete Shachi strahlend. Über sein Lächeln huschte etwas Schattenhaftes, das schnell wieder verschwand. Was war das? Alles wirkte so anders, dunkler. Fühlbar fremdartig. Unheilvoll lauernd. Etwas ist hier bei mir. In meiner Erinnerung.   Wir kamen in der überschaubaren Siedlung an. Begrüßt von bedrückten Gesichtern, die Verlorenes widerspiegelten. Die Gemeinschaft nur noch halb so groß, wie vor der Katastrophe. Extremwetter, Winterstürme, Schneegräber. Vor den Launen der Natur war niemand sicher.   „Huhuuu~ ihr tollen, tapferen Menschen!“, posaunte Shachi übertrieben fröhlich. Überstrahlte das Leid stets mit einem Sonnengruß. Lächelnd, laut, herzhaft. Eine Macke von ihm, die ihn echt bescheuert besonders machte. Shachis Taktgefühl ähnelte einem überzuckerten Tic-Tac. Meines glich einer schimmelnden salzigen Kaffeebohne.   Mit einem dumpfen Knall stellten wir die Kiste ab. Die Menschen scharten sich zurückhaltend um uns, als wir sie öffneten. Ihr Oberhaupt trat zu uns. „Dalton“, stellte er sich uns distanziert, doch freundlich vor, nickte dankbar. Er beorderte die Leute dazu, eine Schlange zu bilden, woraufhin wir mit der Verteilung beginnen konnten. Wärmende Kleidung, haltbares Essen, Hygienemittel. Nach und nach leerte sich die Kiste, bis fast alles an die Hilfsbedürftigen ausgehändigt war.   Ein kleiner Junge mit rosa Zylinder tapste scheu vor. Shachi – die hat-alles-lieb-Nulpe – hockte sich zu dem Kind auf Augenhöhe, lächelte es an. „Magst du etwas Süßes?“, fragte er ihn, kramte in seiner Jackentasche – wo er immer etwas Zuckerhaltiges dabei hatte – und überreichte es dem schüchternen Jungen. Ein Lutscher mit Zuckerwatte Geschmack. „Was für eine hübsche Waschbär-Mütze du hast“, wollte Shachi dem Kind auf den Zylinder klopfen, Betonung auf 'wollte'. „Ich bin ein Rentier!“, trotzte der Junge ihn an, ging auf Abstand, nahm aber den Lutscher an sich. Shachi nickte überschwänglich. „Ein super cooles Rentier!“   Der Junge errötete, murrte leise, tänzelte verlegen. „Komplimente ziehen bei mir nicht~“ Taten sie doch. Sehnsüchtig funkelten Kinderaugen die Süßigkeit an. „Doc Bader hat gesagt, dass Süßes nicht gesund ist...“ Shachis Weisheit der Stunde: „Was er nicht weiß, weiß er nicht.“ Jop, ich hatte mir eine echte Wal-Trantüte als besten Freund geangelt.   Daltons führende Stimme erklang. „Wir könnten Hilfe gebrauchen. Die Leute sind müde, arbeiten seit Tagen... Würdet ihr-?“ „Klaro!/Natürlich“, antworteten Shachi und ich zeitgleich. Dafür waren wir schließlich hier. „Habt Dank.“ Dalton überreichte uns Werkzeug. „Uns mangelt es an Holz. Die Wälder sind gefährlich, seid vorsichtig.“ Shachi salutierte. „Jupp Jupp!“ Seit ich den hyperaktiven Sonnenfluter kannte, fragte ich mich, ob seine Unbeschwertheit von seinem untergewichtigen Gehirn rührte. Ich hatte ihn gern gewonnen.   So machten wir uns auf den Weg. Durch den knirschenden Schnee, hin zu den dichten Wäldern. Je weiter ich ging, desto stärker wurde das Gefühl beschattet zu werden, das sich konstant an meinen Nacken heftete, mich unwohl fühlen ließ. Etwas, was sich in mein Herz schlich, es verdunkelte. „Lass es zu...“ Das schemenhafte Flüstern ignorierend, konzentrierte ich mich auf Shachis schiefe Pfeif-Gesänge, die 'Yellow Submarine' verunstalteten. Das arme Lied war echt zu bemitleiden. „We all live in~ … despair.“ Das verzerrende Echo ließ mich zusammenzucken. Blass sah ich Shachi an. „Was hast du gesagt?“   Er reagierte nicht. Im nächsten Moment fiel mir auf, wieso: Meine Stimme erklang nicht. Als hätte sie keinen Platz in dieser Irrealität. Alles wurde immer verschwommener, die Bilder vor meinen Augen unklarer. Die Winterbäume warfen Schatten, die sich mehr und mehr ausdehnten. Shachi trat auf einen der schwarzen Schemen, reflexartig wollte ich ihn aufhalten – Doch erreichte ihn nicht, griff durch seinen Arm durch. Auch Shachi war nur ein Schatten einer Erinnerung.   Meine Beine bewegten sich weiter. Ohne mein Zutun, wurde ich dazu gezwungen. Die Perspektive wechselte. Von erster Person zur dritten. Ich sah mich von oben, als würde ich schräg hinter mir stehen und über meine Schulter schauen. Wie ein Film, der unaufhaltsam lief, mit mir als Hauptperson. Alles wirkte befremdlich vertraut. Surreal echt. Ein Déjà-vu, das ich erlebte. Erinnerte, was gleich geschah. Etwas, was ich niemals wieder sehen wollte. Verdrängt hatte. Es holte mich mit vollster Intensität ein.   Das hohe Kreischen zerriss den Wald. Alles verschreckend. Vögel flatterten aufgescheucht davon. Shachis verzweifelte Stimme. „Peng! Peng, sieh nur, dort!“ Und rannte los, dicht gefolgt von mir. Eine Szene, die entschleunigte, in Zeitlupe spielte. Langsam, immer langsamer. Grauenvoller.   Wir erreichten ihn. Dort im roten Schnee lag er. Ein großer, weißer Hase. Sterbend.   Der Anblick fraß sich in meine Brust, zerschellte in Scherben vor meinen Augen, kerbte sich tief in mich. Wie sehr das Tier kämpfte, keuchte, litt. Dessen Lebenslicht im Sekundentakt erlosch. Seitlich liegend, bewegungsunfähig, von Bisswunden übersät. Das weiße Fell von fließendem Rot verfärbt. Ein Fluss von Leid, der über mich einstürzte. Mein Herz ertrank. Mir die Luft abschnürte, unerträglich schmerzhaft. Jedes Leben ist es wert, gerettet zu werden. Dieses Leben konnte nicht gerettet werden. Die Erkenntnis zerfetzte mich innerlich.   Der Hase knurrte uns an, als wir uns ihm näherten. Das Knurren eines in die Ecke gedrängten Tieres. Shachi kniete sich neben es. „Psch... ganz ruhig“, flüsterte er ihm gut zu, während ich schockgefroren daneben stand. Nichts tun konnte. Unfähig und nutzlos. Die große Tatze wollte nach uns schlagen, zu kraftlos, um sich zu heben. Shachi strich ihm sanft übers Fell, färbte seine Finger rot. „Bald wird es besser... alles wird gut.“ Er glaubte wirklich daran. An das Gute. Selbst wenn alles verloren war.   Ein Fiepsen. Die zerbissenen Ohren des Hasen zuckten, das Knurren tiefer werdend, ehe er panisch nach uns biss, erfolglos. Und wir erblickten den Grund: Die kleinen Ohren, die hinter den umarmenden Tatzen herausragten. Der Hase war eine Häsin. Ein Muttertier.   Shachis Hand strich von den felligen Schultern über dessen Tatze. „Darf ich?“, fragte er sacht, hob die Pfote vorsichtig an, enthüllte die Kleinen. Ängstlich rückten sie näher an ihre Mutter, die Augen noch geschlossen, kahle Körper, fast wie neu geboren. Ein wildes Raubtier musste die Mutter direkt bei oder nach der Geburt angegriffen haben... wo sie am schwächsten war. Es war grausam. Ungerecht, abartig, bitter. So bitter.   Verkrampft zog ich meinen Kappenschirm über meine Augen, verwehrte ihnen die Tränen. Stark bleiben, Peng. „So schwach~ Schwächling... Nichtsnutz... Feigling...“ Die flüsternden Stimmen vervielfältigten sich, wurden lauter. Blieben von mir ungehört.   Die Häsin wimmerte. Mit letzter Kraft streckte sie ihre Tatze nach uns, als würde sie uns packen wollen. Bitten wollen. Shachi und ich tauschten einen Blick aus. Ein Blick, der alles sagte. „Wir retten deine Kleinen“, schworen wir ihr. Shachi nahm die zerbrechlichen Geschöpfe behutsam in seine Arme, lächelte sie warm an. „Wir beschützen euch.“ Umarmend lehnte er die Lebewesen an seine Brust, schirmte sie ab, ersparte es ihnen; Das Unausweichliche.   Etwas Friedliches fand den Blick der Häsin. Im Wissen um das Wohl ihrer Kinder, konnte sie loslassen. Blieb nur noch Eines zu tun. Das Einzige, was wir tun konnten. Ich musste es tun. Shachis Wesensweste sollte weiß bleiben. Mein Herz so schwer. Meine Bewegung noch schwerer. Ich zog das Messer.   „Töte... Töte es~“ Begeistert flüsterten die Schatten mir zu. „Mach uns stolz.“ „Gib uns Blut~ Werde ein Teil von uns~“   Die Welt um mich verschwamm. Wie ein Gebilde aus Wasserfarbe, die auseinander floss. Das Messer in meiner Hand zitterte. Stark. Meine Augen zuckten vom Hals des Tieres zu dessen Seelenscherben. Blickten es an, stumm, in schweigenden Botschaften. Hätte ich es retten können? Hätte ich... Zu spät. Die Endgültigkeit zertrümmerte mein Herz zu Staub. Es starb. Es wusste es, spürte es, hatte sein Schicksal akzeptiert. Friede kehrte in das schwindende Seelenlicht. Und meines verdunkelte.   Ein Stich der Erlösung. Ein giftiger Pfeil; Mitten in mein Herz.   An diesem Tag wurde ich zum Mörder.   Klirrend fiel das Messer zu Boden, gefolgt von meinem Schrei. Ich schrie, voller Verzweiflung, in Schuldgefühlen ertrinkend. Schrie, bis mir die Kehle brannte, meine Stimmbänder zerrieben. Dann die Stille. Leere in mir. Die Welt verstummt. Nicht lange.   „Diebe!“ Ein aggressives Brüllen. „Haltet sie!“ Ein vielfaches Klicken. Ich nahm alles wie fern wahr, obwohl ich mich mittendrin befand. Plötzlich waren wir umzingelt von Wachen. Bewaffneten Wachen. Alle Pistolen auf uns gerichtet. Zwischen ihnen der König – ein Walross-Typ – der wütend auf uns zu stampfte. „Was habt ihr angerichtet!?“, herrschte er uns an, fuchtelte wild herum. „Mein Eigentum! Ihr habt mein Eigentum gestohlen!“ Angewidert trat er gegen den leblosen Tierleib. „Schmutz!“   Einer seiner Minister trat vor, verlas eine Schriftrolle, die er aufrollte. „Die Tiere von Drumm stehen unter königlichem Eigentum. Auf Diebstahl folgt die Todesstrafe-“   Jemand stellte sich vor uns. „Nun hab dich nicht so, Wapol“, lachte der Mann mit großem Zylinder, „hast du denn immer noch nicht verstanden?“ „An einer Kugel im Herz stirbt ein Mensch nicht!“ Lächelnd hob Doc Bader die Sake-Schale. Kirschblüten tanzten friedlich um ihn. „Ein Mensch stirbt erst, wenn er vergessen wird.“   Vergesse nicht... Erinnere dich...   Die Schatten lachten hysterisch. „Komm~ Komm zu uns, Penguin.“   Die Welt färbte sich rot. Dreckiges Rot.   Leere in meiner Brust. Wie ein schwarzes Loch, das in meinem Herzen klaffte. Ich kannte dieses Gefühl.   Sterbe ich? ...Erneut? In der Erinnerung? Oder der Realität?   Nein... Ich kann noch nicht gehen... Jemand wartet auf mich.   „Bleib bei mir.“   Fest presste sich etwas auf meinen Brustkorb. Hände. Schlugen gegen mein stilles Organ.   „Du hast es versprochen.“   Herzschwäche... Unbrauchbar... Ein Fehler...   „Wach auf!“ Kristallklar die Stimme, die wie Eissplitter durch mein gläsernes Ich klirrte. Zu Scherben zerbrechend. Reue, Schuld, Zweifel. Für was bin ich gut? Für wen?   „Penguin!“   Ich falle. In den Scherbenhaufen. Jemand greift nach mir, schneidet sich. Lässt mich nicht los. Hält mein Seelenherz.   Nein... Nicht irgendjemand...   „Mein Partner.“ Bu...bump.   Bu- K -bump Bu- I -bump Bu- R -bump Bu- A -bump   Ich lächle. Schwebe. Im Meer aus Wärme. Das Rot wandelt sich. Zur Farbe des Herzens.   Rhythmisch schlagend. Die Wellen des Sturms, der mich zu sich ruft.   Eine Flut an Gefühlen. Fluten der Erinnerung.   Sozialstunden. In einer Psychiatrie. Don Flamingos Puppenhaus.   Meine Mission. Mein Ziel. Du.   Ich fühle es. Fühle dich. Erinnere.   Wo ich bin. Wer ich bin. Was ich bin.   „Ich bin...“   Kiras.   * * *   „...Killers.“   Hörst du, Kira? Er hat mich gewählt~ Der flimmernde Schatten auf Penguins Lippen tat nichts zur Sache. Der Sieg ging an mich. Kiras Reanimation gelungen, doch seine letzten Kraftreserven gekostet. Emotional am Ende, angreifbar. Ab hier würde es wahnsinnig chaotisch werden.   Der Augenaufschlag Penguins, hinter dem die Panik schimmerte – ein Genuss. Mein Schmunzeln pure Schadenfreude.   „Willkommen zurück im Fegefeuer, Hottie~“, begrüßte ich ihn entzückt. „Wie elend fühlst du dich?“ Kira kämpfte sich an unsere geistige Eisoberfläche. Meine Stimme abgelöst von seiner. „Bist du in Ordnung, mein Herz?“   Die Verwirrung auf Penguins Gesicht deutlich. Weil wir beide anwesend waren, statt nur einer. „Du... Wer?“, kratzte er konfus hervor, sichtlich überfordert. Ich wollte mal nicht so sein, antwortete amüsiert: „Wir.“ Dies brachte ihn noch mehr durcheinander. Wie putzig.   Penguins Mimik wechselte von Emotion zu Emotion. Erkenntnis flackerte durch seinen wiederkehrenden Blick. Letztlich blieb die Röte seiner Wangen. Rasch zog er die Decke enger um seinen Körper. Schämt sich da etwa jemand~? „Du erinnerst dich?“, schnurrte ich pervers. „An unser Techtelmechtel?“ Bilder der Sinnlichkeit strömten durch unseren Geist. Kiras Erinnerung, mitsamt meiner. Auch unser Gesicht wurde plötzlich warm. Nun wirklich... Kira, Timing.   Sind die beiden nicht schnuckelig zusammen? Wer könnte so gemein sein und ihr Glück zerstören? ...Ich.   Mein Blick belauerte mein Opferlamm. „Wie hat es sich angefühlt“, gierte ich zu erfahren, „dein erster Mord?“   Penguins Reaktion so hübsch anzusehen. Die Leichenblässe seines Porzellan-weißen-Gesichts, die Schweißperlen auf seiner Stirn, der Ausdruck panischer Pein. Fühle es, erinnere es, tue es erneut. Im Kontrast das kalte Grün seiner Augen, in denen sich eine gnadenlose Emotion spiegelte. Siehst du, Kira? „Also ist es wahr...“ Kiras Stimme, die mir endlich Glauben schenkte. Nein, nicht mir – ihm.   Ich spürte Wut. Ein Schalter, der sich in mir umlegte. Für Kira spielte ich nicht mal die Nebenrolle. Als gäbe es mich nicht, als wäre meine Existenz nichtig. Dir ist es egal, wenn ich verrecke, nicht wahr?   Ich lächelte eiskalt. Du denkst nur an dich... Glaubst noch immer nicht an mich. Ich beweise dir, wie real ich bin! Gurgelgeräusche. Unsere.   Ich würgte uns. Ich hasse dich, Kira. Hasse dich so sehr. Spürst du wie sehr? Fester. Immer fester drückten meine Hände zu. Du wolltest erneut dem Tod begegnen? Diesen Wunsch erfülle ich dir liebend gern. Suchen wir uns noch einen kuscheligen Sarg, Darlin'~   „Sti-irb!“, gurgelte ich hervor, krallte unseren Hals fester, hinterließ ungesunde Spuren, indessen Kira dagegen ankämpfte. Unser Körper schlingerte unkontrolliert, wir stolperten nach hinten, gegen die Tür. Welch süßliche Emotion... der Bewusstlosigkeit so nah... Koste es aus. Es wird das Letzte sein, was du fühlst.   „Aufhören, alle beide!“ ...Oder auch nicht. Spielverderber. Wieder dieses Gefühl. Es verpestete unser Herz. „Kira!“, rief Penguin nach ihm. Natürlich. Wem auch sonst.   Verbittert gruben sich meine Finger tiefer in unseren Hals. Sieh genau hin, Penguin... Sieh, was ich deinem Liebsten antue... Stolpernd sprang er auf, hetzte zu uns, zerrte verzweifelt an meinen Händen, klammerte sich an meine zudrückenden Finger, die nicht nachließen. Nur noch ein bisschen... „Lass los“, legte Penguin seine ekelhaft warmen Handflächen auf meine Handrücken. Ein Blick der Gnadenlosigkeit, gepaart mit Hilflosigkeit. „Bitte...“, flehte er, „lass los, Killer.“ Wie er ihn aussprach. Meinen Namen. Die Pest an Gefühlvollem. Dazu seine Augen, die mich direkt ansahen. Mich – nicht Kira.   Das Grün schimmernd, wie von frisch gewetzten Klingen. Scharf. Dies war es also... Deswegen hatte ich ihn am Leben gelassen. Weil er mich so ansieht... So tödlich... Eines Killers Seelensense würdig.   Langsam trennte er meine Hände von unserem Hals, wie von selbst ließen sie sich von ihm führen. Traurig hoben sich Penguins Mundwinkel. Er lehnte seine Stirn gegen unsere Maske. „Verletz dich nicht selbst“, flüsterte er, „wenn genug andere dir weh tun.“   Wie Messerstiche rissen seine Worte etwas auf. Etwas lange Begrabenes. Mich. So stark diese eine Emotion aus tiefster Schwärze, übergab mir die Kontrolle. Kira räumte das Feld. Freiwillig. Das letzte Gefühl seinerseits: Vertrauen. Meines: Blutdurst. Psychopathisch funkte es in meinen Augen, die mein Opfer aufspießten. Ihn quälen wollten. Penguins Blut sehend, wollte ich es ihm Tropfen für Tropfen einzeln auskratzen. Die Schatten zeigten es mir.   Nur dafür bin ich gut. Einzig um zu schaden. Alle sagten ich würde mich nie bessern, könne es nicht – und ich wurde schlimmer. Abschaum. Ich bin ein Fluch, sagten sie. Defekt, unnötig, krank. Eine Missgeburt, die nicht einmal geboren wurde. Nie leben sollte. Niemand fragte, ob ich leben wollte. Eine Existenz, die mir aufgezwungen wurde – von Kira.   Ich erinnerte mich genau daran. An den Beginn. Der erste Switch – Der Anfang meiner Existenz. Das Erste, was ich mit eigenen Augen erblickte, waren Kiras Tränen. Tausende Kriegsgräber, mitsamt meinem eigenen. Meine erste gespürte Emotion war Schmerz. Das Gehörte meine schreiende Stimme. Schmeckend Blut, riechend Erde. Der Tod allgegenwärtig.   In eine grausame Welt gestoßen, verurteilt zum Scheitern. Meine Interaktion mit einem Menschen – Kid – der mich ansah, als wäre ich ein Monstrum. Verachtend, strafend, anschuldigend. Ich bin der Sündenbock, der Schuldige, der Verurteilte. So wurde ich zu dem, wie die Welt mich wollte. Wie die anderen mich wollten, ohne Mitspracherecht. Wer konnte es mir verübeln? Ich wollte kein Mitleid – wollte Leid verursachen. Zerstören, bösartig sein, gehasst werden.   Meine Hand schnellte hervor, packte Penguin erbarmungslos am Nacken und zerrte ihn zu mir. Geisteskrank lächelte ich ihn an, kippte meinen Kopf zur Seite. „Hasse mich“, flüsterte ich ihm in manischer Finsternis zu. „Hasse mich für das, was ich bin. Fürchte mich, verachte mich.“ ...Aber tue Eines nicht.   Trotz schmerzverzerrter Mimik blieb sein Blick auf mir, schaute nicht weg. Das Grün seiner Augen intensivierte sich, griff auf mich über. Penguin sah mich. „Warum?“ Eine so simple Frage – Die mich vollends aus dem Konzept brachte.   Was interessiert es ihn? Das Mitgefühl seiner Augen ließ das Böse in mir wütend fauchen. Nach allem, was ich getan habe. Er müsste mich verabscheuen. Woher nimmt er die emotionale Stabilität? Oder ist es die Instabilität? Ist er etwa... auch schizophren? Anders?   Mein Geist klarte, meine Stimme festigte sich. „Es gibt kein Warum“, raunte ich leise, beinahe knurrend, „Was zählt, ist das Ergebnis. Die Verzweiflung.“ Statt sich von meiner aggressiv-passiven Art einschüchtern zu lassen, blickte er tiefer in mich. „Warum... bist du so verzweifelt?“, drehte er meine Worte um, manipulierte den Manipulator. Ein Wispern seine Lippen verlassend, die zu einem mitleidenden Lächeln weichten. „Warum hasst du dich? ...Fürchtest du dich vor dir? ...Verachtest du dich?“   Mit jedem seiner Worte kochte es in mir hoch. Heiß, heißer, siedend. Tobsucht schrie aus mir. „Weil alle es tun!“, stieß ich ihn grob von mir, ballte meine Fäuste und schlug zu. Penguin blieb bei mir. Der Knall meines Schlags ertönte, der die Wand neben seinem Kopf traf. Angestrengt atmete ich aus und ein. Spürte seine Hand, die sich sacht um meine Faust legte.   „Du...“ Die Sanftheit seiner Stimme schmerzlich zärtlich. „Du bist furchtbar einsam.“ Peng – Volltreffer. Ich wollte das nicht hören. Wollte sein Mitgefühl nicht. Nicht das Betrauern seines Blickes. „Schweig!“, zischte ich toxisch, mein wutentbrannter Blick biss sich in seinen. Ungehindert sprach er weiter. „Es ist nicht Kira, der über all die Jahre vereinsamte... sondern du.“ Die Erkenntnis traf ihn mehr als mich. „Du hattest niemanden, von Anfang an nicht. Du tust all dies... um in Erinnerung zu bleiben. Um nicht vergessen zu werden.“ Das Grün seiner Augen seelenvoll und innig. „Denn erst dann stirbt man wahrhaftig.“   Mein Kopf senkte sich, blondes Haar fiel über meine Augen, die ihn nicht verließen. Ihm auflauerten, ihn vergifteten. Ein krankhaft gestörtes Lächeln erfasste meine Lippen. „Meinen Glückwunsch, wir haben einen Gewinner!“, spie ich aus, „fühlst du dich nun besser? Labst du dich an meinem Leid? Löst es das widerliche Verlangen deines minderwertigen Helferkomplex' aus?“   Ich lachte. Geistesgestört und herablassend. Ehe ich dünkelhaft in sein Ohr flüsterte. „Jemand, dessen Herz nicht sein eigenes ist, kann es mit falscher Liebe belügen, so viel er will“, traf ich gezielt seinen wunden Punkt, drehte das Blatt. Penguins Gesichtszüge blichen, sein Körper verkrampfte sich, als ich schmunzelnd endete; „Du wirst niemals wahre Gefühle erfahren. Sie werden immer erlogen sein.“   „Woher...?“ Entsetzt starrte er mich an, während ich die Oberhand gewann. „Woher ich von deinem kleinen Geheimnis weiß?“, tat ich auf unschuldig, war höchst amüsiert. „Die Schatten sind sehr redselig...“ Absichtlich erinnerte ich ihn an die dunklen Bilder, die vor seinen inneren Augen erneut aufflackerten – über sein Augenlicht huschten Schatten. Das gefiel mir. Sehr.   Meine Chance... Bald ist es soweit... „Wie fühlt es sich an?“, lauerte ich zu wissen. „Das Gefühl, von Dunkelheit verschlungen zu werden?“ Stumm blieb er ein Gefangener seiner Erinnerungen, weswegen ich das Finster weiter schürte. „Mein Schattenreich... ist es nicht entzückend? Du bist dort immer willkommen, Sweetheart.“   Nur langsam fand Penguin zurück, sein unruhiger Blick zuckte zu dem eiskalten meinen. Trocken schluckte er, sein Adamsapfel hüpfte bei der Bewegung. „Das...“, rang er atemlos um Worte, „das ist es, was du all die Zeit gespürt hast?“ Wieder. Wieder drehten sich seine Emotionen nur um mich. Beherrscht ruhig raunte ich ihm zu. „Fühle dich geehrt“, beugte ich mich zu ihm, seinem Gesicht, nah, näher, unsere Blickfessel vertiefend. „Du hast die Ehre, sie zu sehen... ab nun sind sie auch ein Teil von dir.“ Und du von mir.   Trotz der Furcht in seinen Augen, die leider nicht mir galt, lächelte er. Wortlos. Erfreut? Irre? Oh armes verwirrtes Lämmchen... So naiv, so unschuldig... Weckt die Gier in mir. Bald bist du Mein.   Zufrieden schmunzelte ich in mich hinein, klopfte ihm auf den Kappen-Kopf – wie einem gelobten Hund – und widmete mich geschäftlichen Angelegenheiten. Die Zeit killt sich schließlich nicht von allein. Ohne Abschiedsfloskel strebte ich die Tür an, schüttelte nebenbei meine knackende Faust aus und schritt aus dem Zimmer. Gefolgt von Penguin. Weswegen ich meine Augenbraue hob.   „Habe ich dir gestattet, mich zu begleiten?“ „Nö“, verschränkte er die Arme hinter seinem Kopf, grinsend. „Aber einer muss ja auf dich aufpassen, wenn du es selbst nicht kannst.“ Hört, hört. Der treudoofe Giftpinscher will von seinem Herrchen Gassi geführt werden. Welch folgsamer Feini.   Stumm seufzte ich vergnügt. Kann es sein? Sind die Schatten leiser geworden? Irrsinn. Ein Seitenblick hinter meiner Maske zu ihm. Heh... Ein Licht, das den Schatten trotzt? Alles Aberglaube. Solange er mich nicht in meinem Vorhaben störte, sei es ihm vergönnt, mir folgen zu dürfen. Wie nett von mir – Eigenlob masturbiert das Ego. So dackelte der Kletten-Kläffer brav neben mir her, unterhielt mich. Hunde die bellen, beißen nicht... Oder doch?   „Wohin gehen wir?“ „Zum Psychologen. … Haben wir wahrlich nötig.“ „Verarschen kann ich mich allein!“ „Zu zweit hat dein Arsch aber mehr Spaß.“   Murrend verdrehte er die Augen. „Der Liebestöter ist wieder unterwegs, haltet eure Schlüpfer fest!“ Trocken erwiderte ich: „Ich trage keine-“ „Zu viel Information!“, hielt er sich halbherzig die Ohren zu. „Behalt das für dich!“ „Aww“, schnurrte ich, „dabei teile ich doch so gern – am liebsten dich.“   „Lass dein Messer bloß stecken – aber nich in mir!“ „Möchtest du stattdessen-“ „Nein.“ „Wie wäre es mit-“ „Nein.“ „O-“ „Nein.“   Welch widerspenstiger WauWau. So unerzogen. Lässig schlang ich meinen Arm um ihn, legte meine Hand schwer auf seiner Schulter ab und zog ihn an mich. Hielt ihn im Schwitzkasten, bevor er auf dumme Ideen kam. Wehren zwecklos. Prahlerisch sah ich auf ihn herab. „Du darfst meine Muskeln küssen.“   Gespielt rümpfte er seine Nase. „Schon mal was von Deo und Duschgel gehört?“ „Das ist der Duft von Männlichkeit“, erwiderte ich sein Grinsen mit einem Schmunzeln. „Apropos Gel... Hast du noch Gleitgel in-?“ „Gespräch beendet.“   Dass Kira sich und ihn gewaschen hatte, musste er merken. Wohl erst jetzt. Ein wahrer Blitzmerker. Hüstelnd räusperte er sich. „Würdest du die Nettigkeit besitzen, mich loszulassen?“ „Wenn dir Händehalten lieber ist...“ „Ich nehm die enge Achsel!“ „Diskussion geklärt.“   So schleppte ich ihn ab. Anders als erhofft – aber an Hoffnung glaubte ich ohnehin nicht. Weil ich noch keine Leine für meinen Hasso hatte, musste ich ihm vorerst Bei-Fuß beibringen. Ob er auf Pet-Play steht? „Stehst du auf-?“ „Nein.“ Wuff.   . . .   Im Folterkeller angekommen, fand etwas Bösartiges meine Lippen. Wie leichtsinnig von ihm, mir zu folgen... In eine offensichtliche Falle. Vertrauen und Dummheit trennt nur ein Hauch von Gefühl. Auf der letzten Treppenstufe eingefroren, sah Penguin sich vorsichtig im Raum um. Zwischenzeitlich hatte ich ihn aufgeräumt – für mein Date sollte es schließlich hübsch hergerichtet sein – Doch der Geruch von geronnenen Blut haftete ewiglich an den Steinwänden. Die Folterbank in Mitte des Ortes der größte Hingucker, zog den Blick des Kappenträgers auf sich. Fragen über Fragen mussten seinen Geist quälen. Welche von ihnen wirst du mir zuerst stellen?   Lässig schob ich meine Hände in die gefranste Jeans, lehnte mich mit meinem Unterrücken an die Folterbank, auf die ich mit meiner beschädigten Maske deutete. „Setz dich doch.“ Wiedererwartens trat er zu mir. Verunsicherten Schrittes, doch sicheren Blickes blieb er vor mir stehen. Zum Sprechen benötigte er mehrere Anläufe, bis er seine Gedanken formulierte. Das, was ihn am meisten beschäftigte. „Warum tötest du?“ Eine Frage der Schuld, in Unschuld gesprochen.   So viel hätte er fragen können... So vieles. Wieder denkt er nur an andere... An mich. 'Warum'? Dies wünscht er zu wissen?   Meine Augen fokussierten einen unbestimmten Punkt am Boden, intensiv und nachdenklich. Meine Stimme leer und stumpf, uncharakteristisch. „Ich töte nicht – Ich morde“, stellte ich klar, „dies macht den Unterschied.“ Das Ende ist gleich, der Anfang das entscheidende Segment. Deswegen möchtest du es erfahren, nicht wahr? „Die Überzeugung, einen Mord zu begehen, statt nur sinnfrei im Affekt zu töten.“   „Ist es Rache?“, riet er ins Blaue, „hegst du einen Groll gegen Menschen? Weil sie... normal sind?“ Amüsiert schüttelte ich meinen Kopf. „Dies wäre zu simpel... Ein lächerlicher Grund.“ „Warum dann?“ „Der Auffassung, etwas Gutes zu tun.“   Völlig perplex sah er mich an. „Das passt nicht zusammen.“ „Tut es nicht?“, lachte ich spöttisch, unterband abrupt das Lachen, das Geisteskrankheit annehmen wollte. Mit endgültigem Blick sah ich zu ihm, in seine verstehen wollende Augen. „Gänzlich gleich, was ich sage... Es ist nicht das, was du hören willst.“ Weil du längst verurteilt hast. „Dein Glaube ist falsch, deine Erwartungen nicht erfüllbar. Wer erwartet wird enttäuscht.“   Stille. Er wusste, dass ich ihn durchschaute. „Die Augen eines Mörders“, erforschte ich das Grün seiner Augen, in dem ich fand, wonach ich suchte, „sind immer gleich: kalt, entschlossen, gnadenlos. Zu opfern bereit.“   Und doch kämpfte etwas in Penguin dagegen an. Etwas Warmes, das sein attraktives Gesicht verunstaltete. Gefühle für das Leben, das er fürchtete. Sich selbst zu opfern bereit. Es schürte meine inneren Klingen, die die Schatten wetzten. Bald... Gleich... Binnen eines Wimpernschlags hielt ich sein Kinn, reckte es zu mir, vertiefte unsere aneinander gefrorenen Blicke. Tief dunkel mein besessener Stimmton. „Ich will dich ängstlich. Ich will deine Reinheit ruinieren.“   Die Atmosphäre wallte in Unruhen auf. Unsichtbare Schatten tanzten um unsere Figuren, still lachend, erfreut von den Befehlen, die ihr Meister ihnen gab. Penguin ein Teil von ihnen geworden, angreifbar, manipulierbar. Das grüne Licht seiner Augen flackerte. Wie eine Flamme, die im Inneren zu ersticken drohte. Ein Kampf, den er nicht gewinnen konnte. Gleich bist du Mein... Ich schmunzelte hypnotisch.   „My Sweetheart~“, summte ich betörend. „Pass auf, was du dir wünschst“, nahm meine Stimme finstere Prophezeiung an, „die Schatten erfüllen Begehren, locken mit Sünden, holen dein Dunkelstes hervor...“ Schleichend näherten meine Lippen sich Seinen, gegen die sie wisperten. „Du wolltest, dass es aufhört...“, fuhr er zusammen, wusste genau, wovon ich sprach. „So hört es endlich auf.“ Penguin sah mich an, wie ein verschrecktes Reh im Scheinwerferlicht. „Fühlst du es?“, gierte ich, „das Nichts?“ Wie dein Herz zu fühlen aufhört. Mein wird.   Grob riss er sich von mir los, schüttelte vehement seinen Kopf, wollte nicht wahrhaben. Wehrte sich vergeblich. Er musste die Veränderung spüren, die sich in seinen Augen abzeichnete. Wie sich die Schatten über seine inneren Trümmer legten, sie verschlangen, ihm den Schmerz nahmen. Die Gefühle. Verdrängen, vergessen, vergraben. So, wie ich – So sollte er werden. Meine perfekte Marionette.   Ich wollte ihn nicht als neuen Leibeigener – wie Hakuba – dies war nicht nötig. Die Schatten hatten Penguin längst auserwählt – vielleicht bereits bei seiner Geburt. Ein Bösewicht, der Held spielte. In dem Sinne glich er sich mit uns – Kira, der selbsternannte Held, ich der Schurke. Kiras Auserwählter ein wahrlich passender Kandidat. Jemand Brauchbares...   Es war vollbracht. Er war Meines. Der Feinschliff in Penguins Augen die Kälte, seine Aura verbunden mit meiner, in seelische Ketten gelegt. „Komm“, befahl ich meinem Spielzeug, das gehorsam folgte. Kein Wiederwort, kein Gegenargument. Die Stille hatte ihn sich zu Eigen gemacht. Meinem Eigen. Smile das perfekte Mittel zum Abrichten.   Genug geredet. Ich verpasste meinen Termin. Der Folterkeller nur ein Zwischenstopp, um durch das Kellersystem zu einem anderen Ort zu gelangen. Ins Asylum.   ...Zum Thronsaal. Dort, wo das Böse herumlungerte. Die dunkle Energie herrschte über ganz Dress Rosa. Verschönerte das Königreich mit Finsternis. Je näher ich der Quelle kam, desto mehr hörte ich es; Den Impuls. Das Herz des Dunkel. Eine umgarnende Melodie, als würde jemand eine Teufelsharfe spielen und deren Saiten einzeln ausreißen.   Bei genauerer Betrachtung der prunkvollen Doppeltür, sah ich den schwarzen Nebel, der durch die Tür waberte. Zischend, gar fauchend, in Form von Händen, die nach ihrem nächsten Opfer lechzten. Bebend öffnete sich die schwere Tür, offenbarte besagtes Opfer. „Killer-ya“, empfing mich der Chirurg des Todes apathisch, ehe sein Blick auf meinen neuen Diener fiel. Graues Beton, das einen winzigen Riss bekam, bis es zu Granit verhärtete. „Tretet ein. Der Hausherr wartet ungern.“   Die schattenhaften Hände. Sie waren überall an ihm. Der Körper von Trafalgar Law verwoben von Fäden, die nicht zu ihm führten – sondern von ihm. Eine Puppe, die selbst zum Puppenspieler geworden war. In einem seidenen Kokon gefangen. Keine Raupe, kein Schmetterling, nichts Lebendiges mehr. Nur noch eine leere Hülle.   Mein letzter Besuch der Hoheit lag bereits einige Zeit zurück. Hier spielten nicht nur die Verlorenen verrückt, auch die Zeit. Eine Lebensuhr tickte anders, weil jeder in seiner eigenen Welt existierte. Wie Zeiger, die sich entweder unaufhörlich drehten oder stillstanden. Meiner in Stille, Penguins überdreht. Bei Trafalgar war der Zeiger längst abgebrochen.   Viel verändert hatte sich hier nicht. Das Gemach des Königs noch immer widerlich pink und protzig. Er selbst eine verwöhnte Rektalgeburt, die nie an den Busen seiner Mutter gelassen wurde. Eine Runde Mitleid, wenn ich bitten dürfte. Ich konnte Don Flatulenz nicht ausstehen, konnte niemanden ausstehen. Mein Hass auf alles von Vorteil – So punktete ich bei dem selbsternannten Inzest-Oberhaupt. Sweet Home, Alabama~ Niedertracht war der Schlüssel; wenn ich meine gezinkten Karten richtig ausspielte, konnte ich die Situation zu meinen Gunsten wenden. Ich war ein ehrlicher Schwindler.   „Patient Nummer Acht-Punkt-Eins ist anwesend“, stellte Trafalgar mich vor. Als Zusatz von Kira. Eine Nebenfigur seinerseits. Eine Unwichtigkeit. Das tut weh, weißt du? Mein armes mickriges Herz weint Säure. Das ätzende Lachen der schwarzen Witwe erschallte, tief und ansteigend, lachte mich offen aus. Da hat jemand zu viel Smile geschnüffelt.   „Fu Fu~“, verzerrte sich sein krankes Lächeln zu einer abartigen Grimasse, „knie nieder vor deinem König.“   Ich kniete, Penguin nicht. Nur, wenn ich es ihm befehle. ...Und dies tat ich nicht. Weil ich ein Mistkerl war. Reglos stand meine Marionette neben mir, starrte ins Leere, hatte keinen Willen. Es langweilte mich. Etwas Drama würde das Ganze interessanter machen. Drama Baby, Drama~   Das aggressive Pulsieren einer Ader war Musik in meinen Ohren. Das Böse war nicht erfreut. Joker erhob sich aus seinem Thron, näherte sich in feingliedrigen Spinnen-Bewegungen. Seine zuckenden Hände vergrub er in seiner pinken Zebra-Halbhose, reckte sein Kinn in arrogante Höhen, baute sich vor meinem Anhängsel auf und- platzierte seinen schwarzen Schuh auf Penguins Brust. Drückte ihn gewaltsam zu Boden, zwang ihn zu Gehorsam. Grrr … ??? Was? Das Bestialische in mir knurrte. Dies gefiel den Schatten nicht. Ein Gefühl verbiss sich in meine Brust. Aber... Kira ist nicht anwesend... Unholy Shit!   Schrecklichkeit bewahren, Killer. Der königliche Schuh trat auf Penguins Rücken... Ruhig bleiben. Er leidet. Dies ist gut. ...Fester, bohrte sich tiefer in den Overall. Ruhig. Gänzlich ruhig. ...Holte erneut zum Tritt aus. Gänzlich- Zürnend erbebten meine Stimmbänder.   „Verzeiht, Master Doffy.“ Habe ich gerade um verdammte Vergebung gebeten?! „Mein Lakai ist noch nicht richtig erzogen.“ Jokers Schuh hielt in der Luft an. Trat dennoch zu – des Eitles wegen, aber mit weniger Kraft. „Niederes Gewürm“, spie er auf Penguin herab, besah sich seinen beschmutzten Schuh angeekelt, ehe seine Aufmerksamkeit mir galt. Welch Ehre. „Erziehe dein defektes Spielzeug, bevor es beseitigt wird.“ Ein Ton der Absolutheit. In geisteskrankem Stolz drehte sich Jokers Kopf zu Trafalgar. Betrachtete ihn krankhaft besessen. Wie ein Kind, das sein Spielzeug prahlend vorführte. Dies war auch der Grund, warum er ihn frei herumlaufen ließ; Um zu zeigen, was er erschaffen.   Der Anblick seines treuesten Fußabtreters besänftigte seine Wutader, sodass er sich wieder auf seinem Thron niederließ. In aller Arroganz und Erhabenheit. „Zum Geschäftlichen“, sprach er, ohne mich eines Blickes zu würdigen, den ich nicht wert war, „wie weit bist du mit den Vorbereitungen?“   „Beinahe fertig“, antwortete ich ergeben. Die Antwort missfiel ihm. „Nur beinahe?“ Was wie eine Frage klang, war reine Bedrohung. Sein freundlicher Ton in Wohlwollen eine kranke Farce. „Meine Großzügigkeit kennt ihre Grenzen. Die Zeit läuft... Oder soll ich dem Schmetterling hier und jetzt einen Flügel ausreißen?“ Er würde Penguin einen Arm brechen, wenn nicht schlimmer. Ohne Zögern.   Das Knurren in mir lauter werdend, was ich mir nicht anmerken ließ. „Dies wird nicht nötig sein. Die Verzögerung unserer Verhandlung nehme ich auf mich-“ Eine leichte Handbewegung des Königs – Ein Skalpell vom Chirurgen. Blitzschnell gezogen, geworfen. In meiner Schulter stecken geblieben. Es schmerzte nicht. Schmerz kannte ich nicht. Zu oft hatte ich Kiras Qualen übernommen. So sprach ich unbeirrt weiter. „Wenige Stunden, dann ist es soweit.“   „Wie viele?“, forderte er ungeduldig zu wissen. „Fünf.“ Oder Sechs. „Ich gebe dir drei“, wie gnädig er doch war, „dann wirst du ihn foltern.“   Damit schickte er mich fort, schwenkte seine Hand zur Tür, als würde er ein lästiges Insekt loswerden wollen. Ich ging, „folge mir“, wies ich Penguin an, der meinem Fordern nachkam. Im Rücken das abgrundtief fiese Lachen Doflamingos. „Bald... Bald wird mein Bruder zur Besinnung kommen. Nicht wahr, Law~?“ Ein Zögern. Kurz, kaum erkennbar. „Wie Ihr wünscht, Master-ya.“     Die schweren Türen fielen zu, wir entfernten uns vom Thronsaal. Und plötzlich blieb meine Marionette stehen. Ohne mein Zutun. Leer sah er mich an, leer blieb seine Stimme. „Du bist verletzt.“ Nur seine Worte besaßen Gefühl. Wie ist dies möglich? Agiert er aus Gewohnheit? ...Nein. Es ist etwas Tieferliegendes.   „Sorge dich nicht“, befahl ich, wollte weitergehen. Aufgehalten werdend von seinem Blick. Der Lichtfunke, der in seine verdunkelte Augen fand. Ah... Verstehe... Seine Sorge gilt nicht mir. Kiras Körper- „Killer, du blutest.“   Das Biest brüllte – Ich wütete. Ruckartig zog ich das Skalpell aus meiner Schulter, schepperte es zu Boden. Es schellte laut. Meine Stimme verfinsterte sich gefährlich. „Bluten tun nur die Lebenden.“   Es schmerzt. Sieh mich nicht so an!   Doch der rebellische Glutfunke glimmte weiter. Auch in seine gefühllose Stimme fand Nachdruck. „Du musst behandelt werden.“ Seine Hand, die er in Richtung Wunde streckte. Ein Schritt, den er auf mich zuging- Ich wich zurück. Ehe ich auf ihn zu jagte. Mein Unterarm gegen seinen Hals gedrückt, preschte ich ihn gewaltsam gegen die Flurwand. Erdrosselte seinen Atem, erstickte seine Stimme. Das seelenvolle Grün glühte weiter. Knisterte in den Ascheregen meiner innersten Hölle.   Bu-bump.   Ich sah es. Deutlich vor meinen inneren Augen. Die Erinnerung. Mein Existenzbeginn. Das Erste, was ich mit eigenen Augen erblickte. Im Schleier Kiras Tränen an seinem Grab. Die einzelne Grab-Blume, die sich durch den Schnee kämpfte. Der Bluttropfen, der auf sie fiel. Mein Blut. Das Rot, das sich mit Grün vereinte.   Schmerz. Seelischer. Ich spüre keinen... Meine Brust krampfte. Reflexartig blinzelte ich mich aus meiner Trance. Erkannte den Grund, warum ich dies fühlte. Penguin. Seine Augen geschlossen, sein Körper reglos. Einzig von meinem Arm oben gehalten, der noch immer gegen seinen Hals drückte. Er ist... Er hat...   Gepeinigt verzog ich mein Gesicht, senkte meinen Arm – den ich um seinen Unterrücken legte, um ihn hochzuheben. Ihn vor mir haltend, blickte ich auf ihn herab. Er hätte sich wehren können, hätte irgendeinen Laut von sich geben können. Irgendetwas tun können. Etwas aus Eigennutz, für sich. Doch er blieb still. Opferte, selbstlos. Aus eigenem Willen heraus. ...Oder ist es Vertrauen?   „Du Narr“, hauchte ich bitter, „vertraue keinem herzlosen Killer.“   Ich senkte meine Maske, mein blondes Haar fiel über ihn, schirmte ihn ab, wie ein beschützender Vorhang. Näher hielt ich ihn an mich, sein Kopf fiel zur Seite, legte seinen Hals frei. Und ich schob meine Maske über meine Lippen, die ich gegen seinen Hals drückte. Erspürend seinen Puls. Schwach, doch lebendig. Leid. Eigentlich hätte ich mich daran ergötzen sollen. Eigentlich. Ich begann... ihn nicht mehr zu hassen. Nicht mehr vollends.   Wortlos schritt ich voran, trug ihn fort, ignorierte das gehässige Flüstern der Schatten. „So wehrlos~ So schwach~ Töte ihn~“ Erstmals spürte ich nicht das Verlangen, ihrem Gieren nachzukommen. Erstmals lehnte ich mich gegen sie auf. Gegen die dunkle Seite. Gegen mich.   „Ich bin krank“, seufzte ich mir selbst zu, schmunzelnd, „gänzlich gestört.“   Niemals hätte ich gedacht, je diesen Ort aufzusuchen: Die Krankenstation. Ein schlichter Raum mit dem Nötigsten. Ähnelnd diesen schäbigen Schul-Krankenzimmern, wo die Jugendlichen meist nur schwänzten und nicht richtig behandelt wurden. Sozusagen ein Ruheraum.   Ich legte Penguin auf die einzige Liege hinter dem Motten zerfressenen Vorhang, den ich mit einem Quietschen hinter uns zuzog, Privatsphäre schuf. Preisfrage: Was geschah dann? Tze, Tze. Dies war doch offensichtlich.   Wäre dies eine klischeehafte Romanze, würde das unglückliche Paar wie folgt vorgehen: Person A – der Patient – erweckte Mitleid, während Person B – sein Fürsorger – sich ans Krankenbett setzte, kitschig Händchen-haltend und irgendwann an dessen Seite einschlief, bis – Überraschung! – er aufwachte. Drama, Baby, Drama!   Nun... weil ich nicht der Protagonist war, sondern der Antagonist, sah das Ganze anders aus: Ich nahm mir eines meiner Messer – versteckt unter meinem roten Hüfttuch – und bereitete den Tatort vor. Romantisch. Hieß: Ich ritzte die Umrisse von Penguins Körper in die Matratze. Wie nett von mir, der Spurensicherung die Arbeit zu erleichtern. Mein Sinn für Humor glich schwarzem Leichenbalsam. Wer konnte es mir verübeln? Ladies und Gentleman: Ich war ein messerscharfer Killer. Fa Fa!   Geschickt ließ ich das Springmesser zwischen meinen Fingern rotieren. Mit meinem Daumen über den Auslöser am Griff fahrend, sprang die Klinge vor, wieder zurück, erzeugte ein scharfes Kling-Geräusch, das mich beruhigte. Es gab doch nichts Schöneres als ein guter Stich am Morgen. Killer Rulez. Entspannt lehnte ich mit dem Unterrücken am Bettgestell des Fußendes, warf hin und wieder einen desinteressierten Blick zu dem Liegenden. Prüfend, ob er schon ins Gras gebissen hatte. Eine Kriegsredewendung. Bei Gelegenheit sollte ich Kira mal fragen, wie das schmeckte. Das gute Gras. Oder eher der Schnee? Ich Fiesling.   Warum ich dennoch blieb? Ich wollte den Moment seines Dahinscheidens nicht verpassen. Nur deswegen. Schnell begann ich mich zu langweilen, entdeckte den alten Computer am Schreibtisch und vertrieb mir die Zeit mit dem neuesten Videospiel-Hit. ...Snake. Ich knackte gerade den Highscore von dem Namen: 'Chi', als- Game Over.   Die Tür knallte auf. „Yo-ho~!“, plärrte etwas unerträglich grell in meine zart-beschatteten Ohren. Ein Junge, der mich an die Spielotheken Sonne erinnerte. Mit Sonnenbrille. „Ich bin Shachi, fünfundzwanzig Jahre alt, meine Hobbies sind...“, begann er zu quietschen – Ein nervtötendes Geräusch, das ich geflissentlich ausblendete. Bestürzt starrte ich noch immer auf den Game Over-Screen. Indessen er weiter vor sich hin quasselte, drehte ich meinen finsteren Blick langsam zu ihm. Wartete ab, ob er einen neuen Haarschnitt mit meinem Frisiermesser wert war.   Schwungvoll warf er sich auf den Drehhocker, mit dem er jubelnd durch die Gegend rollte. Einmal holte er noch Luft, ein einziges Mal. „Coole Maske!“, schwemmte seine ekelhafte Nettigkeit zu mir. „Bist du ein Bösewicht? Das ist so cool~!“ Das Funkeln hinter den getönten Gläsern glich einer Wunderkerze, die Licht sprühte. Verseuchend hell seine Ausstrahlung, erinnerte mich an Regenbogen-Kotze. Ich hatte soeben einen Fan gewonnen – Die Oberniete gezogen.   Euphorisch riss er die Arme in die Luft, rollte weiter mit dem Hocker über den glatten Boden, erzeugte ein grässliches Quietsch-Geräusch und drehte sich mehrmals um sich selbst. „Krieg ich ein Autogramm?“ Oh? Ich ritz dir gern meine Initialen ein, Kleiner. „So böse siehst du gar nicht aus...“ Hat der Fruchtzwerg mich gerade beleidigt?! „Aber der Riss in der Maske hat das gewisse Etwas... Wie Two-Face! Hast du mal ne Münze, die ich mir leihen kann?“ Mein Daumen am Springmesser zuckte gefährlich. Der Quälgeist hob meldend den Zeigefinger. „Oh! Oh! Oder wie der Typ von Scream. Kennste, kennste?“, verstellte er seine Stimme; „'Wazzaap'?!“   In Gedanken richtete ich eine hübsche Ruhestätte für ihn vor. Die Grabaufschrift des abgelaufenen Glückskeks wie folgt: 'ungeöffnet zurück.' Mit Forever-Alone-Face. Ich schmunzelte in mich hinein, hing meinen Tagalpträumen nach, ehe ich aus ihnen gerissen wurde.   „Peng!“, stürzte das hyperaktive Happy-End auf den Kappenträger zu. Gedanklich wetzte ich mein Messer. Kling... Kling... „Aufwachen, Peng!“, sprang er auf die Liege, hüpfte auf dem Bewusstlosen herum, wie auf einem Trampolin. Auch, wenn ich nicht viel Ahnung von Medizin hatte – Wenn dies die moderne Methode der Reanimation sein soll, war ich froh, keinen solchen Berufszweig ergriffen zu haben. „Peng, ich hab's geschafft!“, hielt die Seuchenschleuder etwas hoch, stolz lächelnd. „Peng?“, bemerkte er dessen Zustand. Ein wahrer Blitzmerker – 1 Volt hat wohl seine Happy-Hirnzellen zerschossen.   Besorgt legte der Grashüpfer seinen Kopf schief, von einer Seite zur anderen, suchte etwas Imaginäres in den schlafenden Gesichtszügen. Bis ihm etwas einfiel. Die rettende Idee: „Um es heile zu machen, muss man das Aua wegbusseln!“ Wie meinen? Erst klebte der Letzte-Hilfe-Profi Penguin ein Pflaster auf die Stirn, dann knautschte er seine Lippen zu einem Kussmund. Ähnlich einem Knutsch-Fisch, der sich an etwas festsetzen wollte, ehe- Der Patient schlagartig seine Augen öffnete. Wunderheilung! Der Fisch knutschte seine Faust. „Shachi, was zum-?!“   „Guuuten Morgen~!“ Ein strahlendes Lächeln traf auf einen Blick, der Einhörner über einem Feuer röstete. Penguin war nicht erfreut. Und doch irgendwie schon. Welches Verhältnis die beiden wohl haben? Penguin ignorierte ihn. Winkend versuchte Shachi ihm eine Reaktion zu entlocken. Erfolglos. Daraufhin probierte er Methode Zwei: Den Kappenträger an den Schultern packen und durchschütteln. „Hast du gut geschlafen? Geht's dir nicht gut?! Hast du Hunger? Soll ich dir eine Hühnersuppe machen?“ Das zeigte Wirkung. Penguin blinzelte, ehe er die Lippen verstört verzog. „Bloß nicht! Bei deinen Kochkatastrophen brennt selbst Wasser an!“ „Nur das eine mal, hehe...“, kratzte sich der Kleinere an der Wange, „und das war Wodka.“ Wer kocht Suppe mit Wodka? ...Außer Kid.   Seufzend verschränkte Penguin die Arme vor seiner Brust. „Bei dir wundert mich gar nichts mehr.“ „Ich bin ein Wunder!“, quiekte das Meerschwein, „das hast du aber echt lieb gesagt.“ „Hab ich nicht.“ „Zwischen den Zeilen lesen sich Welten!“   Je mehr ich die überfunkende Wunderkerze beäugte, desto mehr fiel es mir auf: Der Schatten, den sein Licht warf. Die helle Fassade der weißen Wand, die um dessen Seele bröckelte. Sieh an... Ein Schattenkind. Ob er ihr finsteres Flüstern mit seiner helleren Stimme zu übertönen versucht? Das Zusammenspiel der zwei Quälgeister zeigte eines deutlich: Penguin war die Lichtseite der beiden, nicht umgekehrt.   „Shachi... warum bist du hier?“, zeigte der Kappenträger Skepsis, in die sich Sorge mischte. „Um dich zu sehen, Dummerchen!“ „Hast mich gesehen, kannst jetzt gehen.“   Shachi blies die Backen auf. „Nö!“, bestand er auf seine Besuchszeit und kramte einen Keks aus seiner Overall-Tasche. „Hier, für dich!“ „Was soll das sein?“, beäugte Penguin das ominöse Objekt, erhielt einen empörten 'das-sieht-man-doch'-Blick. „Ein Hase!“, verteidigte der Bäcker seine künstlerische Freiheit, „nur ohne Ohren und Gesicht.“ Ein simpler, deformierter Keks eben.   „Viel wichtiger!“, hielt Shachi seinen Zeigefinger hoch, „Es ist nicht irgendein Keks...“ In Heimlichtuerei beugte er sich zu Penguin und flüsterte ihm das Geheimnis zu. Penguins Augen weiteten sich, spiegelten ein neues Level von Schock wieder. „Du hast... Shachi, ist nicht wahr!“   Wäre ich eine neugierige Person, hätte ich es aus ihm herausgefoltert. So war es mir gänzlich egal. Shachi steckte ihm den zerbröselten Keks zu, tätschelte ihm auf die Schulter, ehe er es sich anders überlegte und Penguin in eine Umarmung zog. „Bei dir ist er in guten Händen... Pass gut auf Kevin auf.“ Dann verabschiedete er sich mit einem geträllerten; „Kevin allein in Pengs Jackentasche~“ Und sprintete weiter zu seinem nächsten Opfer, das er mit Nettigkeiten überfluten konnte. „Ich werd Heats Rastalocken mit gepflückten Blümchen schmücken!“ Beileidswünsche gehen raus.   Der Knall der Tür, dann war er weg. Stille kehrte ein. Meine Maske blieb auf Penguin gerichtet, der noch immer das Gebäck anstarrte. Geistesabwesend, im Zwiespalt mit sich, als wenn er innerlich gegen etwas ankämpfte. Eine Antwort suchte. Worauf? Ihn umgab etwas äußerst Sonderbares. Eine Aura von Ohnmacht und Macht. Etwas Schizophrenes. Mein Blick glitt nach oben, zur Zimmerdecke. Auch hier klebten Spinnenweben. Nicht nur an Decke und Wänden, auch in der Luft schwebten sie. Hinabblickend, sah ich die Veränderung: Die Fäden mieden Penguin. Noch immer wollten sie nach ihm greifen, doch erreichten ihn nicht, wurden abgestoßen. Wegen der Schatten, die sein Herz umdunkelten? Oder wegen...   „Was hat er dir gegeben?“, riss meine dominante Stimme ihn aus seiner Abwesenheit. Leicht zuckte er zusammen, fand in die Realität zurück, schaute mich an. Schaute durch mich durch. Seine Hand zur Faust geballt, in der er das ominöse Gebäck hielt. Kurz haperte er mit sich, zögerte, ehe er es mir erzählte. Fassungslos und ungläubig; „Ein Gegenmittel. Gegen Smile.“ So leise gesprochen, dass ich ihn fast nicht gehört hätte. Der Feind hörte hier stets mit. Doch auch ich bin ein Feind. Warum hast du es mir gesagt?   „Lächerlich“, zischte ich verstimmt. „Es gibt keine Heilung.“ Penguins Blick festigte sich, seine Stimme nahm Hoffnung an. „Ein Heart findet immer einen Weg.“ Der Spinner sollte das Unmögliche geschafft haben? Niemals! Dafür bräuchte er die Formel, bräuchte einen Chemie-Experten, bräuchte- „Liebe“, lächelte Penguin, „Die Geheimzutat ist-“, meine Hand schnitt ihm das Wort ab. Hart presste ich meine Handfläche auf seinen Mund, drückte ihn in die Liege, fixierte ihn mit psychopathischen Augen. Über ihm kniend, knurrte ich ihm bestialisch zu. „Schweig“, sprach die Finsternis aus mir, „oder stirb.“   So stumm sein Mund, so laut seine Augen. Mitfühlend. Er erkannte es. Die Angst. Meine. Es durfte keine Hoffnung geben. Kira durfte nicht geheilt werden. Sonst...   Penguins Hand umgriff mein Handgelenk. Doch statt mich von sich zu stoßen, strich er mit seinem Daumen über meinen Handrücken. Gefühlvoll. Die Intensität seines Blickes. Das Grün, das mein Blut rauschen ließ. Wie sich aufbauende Wellen im toten Meer. Von Ebbe zur Flut. Lebendigkeit heraufbeschwörend.   Zwischen meinen Fingern presste er einzelne Worte hervor. „Bleib.“ Etwas, womit er Kira einlullen konnte, nicht mich. Nicht-! „Bleib... bei uns.“ Im umgekehrten Kontrast. Sein Versprechen an Kira: 'Ich bleib bei dir.' Zu einer Bitte an mich: 'Bleib bei uns.' Uns.   „Lebe, Killer.“ Eine unsichtbare Träne, die in meine Brust tropfte. Aufschlug, im stillen Meer, seichte Wellen erzeugte. Erschuf einen Strudel in den Untiefen, wo meine Seele ertrank. Nein, ich will das nicht fühlen. Ich spürte, wie ich die Kontrolle verlor. Wie Kira wiederkam, mich verdrängte. Ich kämpfte dagegen an. Bleib weg! Verschwinde! Ich blutete. Innerlich.   Ein Stich im Herz. Erinnernd. Penguins Lächeln. „Auch wenn die Welt dich nicht will“ … „Ich will dich.“   Mich? Oder Kira? In kaltem Hass hauchte meine Stimme ihm finster zu. „Das Gegenmittel... Mit ihm willst du mich loswerden? Mich wegwerfen?“ Krankhaft mein Ausdruck des Wahnsinns. „Das traust du dich nicht, du Feigling.“   Penguins Blick traurig. „Nein... Du irrst.“ Noch immer hielt er das Gebäck vor sich, zwischen uns, betrachtete es. „Ich werde es nicht gegen dich einsetzen“, entschied er. „Es ist noch unausgereift, ein Prototyp... Ich werde es selbst-“   Weiter kam er nicht. Ein Impuls in mir reagierte schneller.   Mein hasserfüllter Blick intensivierte sich. Hass – Selbsthass. Selbstzerstörerisch.   Ein Gegenmittel. Gefährlich. Verlockend.   Was geschieht, wenn ich es nehme? Wenn die Wirkung von Smile umgekehrt wird?   Werde ich... geheilt verschwinden?   Ich lächelte. Das Lächeln eines Killers.   Morden ist meine Profession. Selbstmord ein neues Level dessen.   Knack. Biss ich in das Gebäck. Und es geschah.   Zwei Herzen vereint, zu einem Impuls. Ein Spiegel.   Knack. Biss Penguin in die andere Hälfte. Seine Lippen berührten die meinen.   In einem Kuss. Des Abschieds.   . . .   Ich verschwand. 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