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Maskenball

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
♥-lich willkommen! ◠ヮ◠
Für alle, die sich für psychologische Themen interessieren, Killer und Penguin mögen oder einfach mal reinschnuppern möchten.
Danke fürs Anklicken❣

Pünktlich zu Halloween – Ein neues Kilguin-Projekt mit ein wenig Gruselfaktor.
Ich habe mich mal an einem etwas anderen Genre versucht, mich an ein paar Horrorelementen probiert, die mir hoffentlich nicht ganz misslungen sind. Humor wird es natürlich auch geben! :)
Die Idee hat mich nicht mehr losgelassen, trotz aktiver Projekte – die natürlich nicht in Vergessenheit geraten! – wollte dieses hier zu virtuellem Papier gebracht werden. Bitte verzeiht mir.
Mit der Geschichte habe ich mich einer größeren Herausforderung angenommen, deren Umsetzung gar nicht so einfach war, mir aber richtig Spaß gemacht hat. Ich hoffe, dass du auch Freude daran haben wirst.
Viel Spaß beim Lesen! ^ᴗ^ Komplett anzeigen

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Porzellan

 

Facetten des Irrsinns – Der Wahnsinn hat einen Namen:

'Das Puppenhaus' unter Leitung von Don Quichotte de Flamingo

 

Artikel recherchiert

und geschrieben

von Absalom

 

Sie haben den Verstand verloren in dieser verrückten Welt. Die schlimmste Generation, die die Menschheit je hervorgebracht hat. Monster in Menschengestalt. Auf den Pfaden der D-monen schreitend.

Unzählige Horrorgeschichten werden über sie erzählt. Die Wahrheit ist viel entsetzlicher. Unvorstellbare Grausamkeiten, die hinter den verschlossenen Türen der Hochsicherheitsanstalt zum Schweigen gebracht werden. Um ihre Opfer weiß nur der Tod selbst.

Niemals dürfen diese Abtrünnigen auf die Bevölkerung losgelassen werden. Der selbsternannte Held Don Quichotte de Flamingo verspricht eine sichere und glückliche Zukunft für Dress Rosa.

Aber kann man ihm trauen?

Dunkel munkelt man, dass er einer von ihnen ist...

 

 

„Das wird so cool~!“, platzte es aus Shachi heraus. Mit funkelnden Augen besah er sich den Zeitungsartikel, auf dem mein verstörter Blick ruhte, dann zu ihm wechselte.

„'Cool'?“, wiederholte ich ungläubig, „das ist kein verdammter Zoobesuch!“

Ahnungslos blinzelte er mich an. „Ich weiß. Es ist viel besser!“, wackelte er mit seinen Augenbrauen. „Die Anti-Helden waren schon immer cooler!“

Dem Comic-Freak war nicht mehr zu helfen.

 

Warum hab ich mich bloß von ihm dazu überreden lassen?

Zivildienst in einer Klapse! In der allerschlimmsten!

 

„Peng?“, stupste Shachi mich mit seinem Zeigefinger an meinem gelben Kappenschirm an. Ein Lächeln prangte auf seinen Lippen. „Danke, dass du mitkommst.“ Mist. Sein überzuckerter Honigblick zieht immer.

Seufzend rang ich mich zu einem Grinsen durch. „Kein Ding“, legte ich ihm meine Hand auf sein orangenes Haar, verstrubbelte es. „Große Brüder sind schließlich dafür da, um auf ihre kleineren aufzupassen.“

 

Seine Augen hellten sich auf, strahlten mich in all ihrer penetranten Heiterkeit an.

„Ich werde dich heldenhaft beschützen!“ Natürlich wirst du das...

Wie bei dem Fussel unter dem Bett, vor dem ich dich retten musste, weil du ihn für ein Ungeheuer gehalten hast.

 

Ein greller Schrei ließ uns aufschrecken.

„Hast du das gehört?“, fragte ich Shachi und schluckte. Unsere Augen wanderten von der Zeitung, die mir der Starkwind aus den Händen riss, zu dem großen Stahltor, vor dem wir standen.

 

Riesige Mauern umschlossen das gigantische Gebäude, das auf der Spitze von Dress Rosa empor ragte. Der Umriss eines prunkvollen Schlosses verwehrte den Blick auf die Anstalt, die sich hinter der schmuckvollen Fassade befand. Der Eigentümer hatte einen echt grotesken Geschmack, einen Hang zu Größenwahn und Perfektion.

Über den hohen Schlosstürmen schwebten dunkle Wolken wie ein Grauschleier, der etwas vor der Außenwelt verstecken wollte. Eine unsichtbare Kraft herrschte machtvoll über das Territorium, wie eine zweite Mauer, die jegliches Leben ausgrenzte.

Die schwere Luft wirkte beklemmend und abschreckend.

 

Ich will hier weg.

Noch bevor ich angekommen bin.

 

„Shachi?“, drehte ich meinen Kopf in seine Richtung. Dorthin, wo er nicht mehr stand. Wo-?

Er betätigte die Klingel. Vehement malträtierte sein Finger den Knopf, der ein grausiges Kratzgeräusch ertönen ließ. Beinahe klang es wie ein verzerrtes 'Fu~Fu~'-Lachen.

„Hallooo?“, rief Shachi dem Tor zu. „Ist jemand Zuhause?“

„Keiner da“, schnappte ich mir seinen Arm und zog ihn mit mir. Nichts wie weg von hier! Doch ließ mich etwas in meiner Bewegung anhalten.

Die dumpfe Stimme aus dem Lautsprecher.

„Tretet ein.“

Folgend dem Öffnen des schweren Doppeltors, das ein dröhnendes Beben verursachte. Wir sind sowas von geliefert.

 

Innerlich überlegte ich mir meine letzten Worte. Shachi zerrte mich überschwänglich durch das Tor, dem ich verabschiedend nachsah. Mein Blick auf die Sonnenblumenfelder gerichtet, auf die Freiheit, auf alles, von dem ich Abschied nehmen musste.

Eine böse Vorahnung überkam mich. Ich würde hier nicht mehr rauskommen.

Meine letzten Worte: „Nicht ohne meine Kappe!“ Mein gepolsterter Anker, an dem ich mich festhielt, je eine Hand in den azurblauen Seitenstoff gekrallt.

Und die fremde Stimme erschrak mich fast zu Tode.

 

„Nun seid ihr einer von uns. Tragisch.“ Da wusste jemand, wie er einem Hoffnung machen konnte. Eine echt freundliche Begrüßung.

Hinter meinem Kappenschirm musterte ich den Kerl, der uns so herzlich in Empfang nahm. Seine silbernen Augen hatten etwas Beunruhigendes in sich. Das Schmunzeln auf seinen Lippen war noch viel Beängstigender. Als wollte es dein Herz fressen.

 

„Huhu~“, grüßte Shachi ihn fröhlich und winkte ihm energisch, obwohl er direkt vor ihm stand. „Wie schön, dich kennenzulernen!“

Mit einer hochgezogenen Augenbraue erwiderte der Typ kühl;

„Es ist mir keine Freude.“ Meine Damen und Herren, darf ich vorstellen: Die Freundlichkeit in Person. „Trafalgar Law.“

Knapp und kalt seine Bekanntmachung.

Wie wir hießen, wollte er gar nicht wissen, drehte uns den Rücken zu und schritt die Treppen zum Schlosseingang herauf. Hinter dem zweiten Mauerring das Herrenhaus erkennbar – Das Asylum. Im Gegensatz zu dem pompösen Außenbild, was der Palast ertrügte, schien das Herrenhaus veraltet und verwahrlost. Ein schauriger Anblick.

 

Je näher wir dem Hauptgebäude kamen, desto weniger Leben schien existent. Die wenigen Pflanzen am Wegrand verkümmert und ausgetrocknet, kein Vogel oder ähnliches Wildtier traute einen Mucks, traute sich hierher.

Bei der Anzahl der Treppenstufen würde es eine Weile dauern, bis wir oben waren. Jeder Schritt fühlte sich schwerer an, meine Beine wollten nicht dorthin, mein Körper wehrte sich, meine inneren Alarmglocken schrillten unaufhörlich. Es fühlte sich an, als würde ich den Henkersweg bestreiten.

Wenn Shachi den atmosphärischen Wandel spürte, ließ er es sich nicht anmerken. Seine gute Laune blieb ungetrübt.

Laws Ausstrahlung weiterhin finster und distanziert, völlig unberührt von der grausigen Umgebung. Ohne uns eines weiteren Blickes zu würdigen, sprach der Plüschmützenträger in geschliffen neutralem Ton weiter.

 

„Ich nehme an, ihr seid die Zivilisten, die hier ihr Leben lassen wollen.“ Oho, schwarzer Humor hat er auch noch. Da fühlt man sich doch gleich wie Zuhause.

Ein Grinsen zupfte an meinen Mundwinkeln. „Du trinkst deinen Kaffee auch pechschwarz, oder?“

Laws finsteres Schmunzeln nahm Amüsement an. „Exakt.“ Vielleicht ist er gar nicht mal so unerträglich- „Aus Herzkranzgefäßen mundet er deliziös.“ Bitte?!

„Ein kleiner Scherz unter Kollegen.“ Ich nehm's zurück; der Typ ist total furchteinflößend!

Wir werden bestimmt keine Freunde. Ganz bestimmt nicht!

 

Shachi rannte vor, hüpfte vorfreudig die Treppen rauf, ließ mich mit dem Irren allein. Warte! Bleib hier und beschütz mich!

Laws geheimnisvolle Aura wurde spürbar kälter, nahm an Bedrohlichkeit zu. Abrupt blieb er stehen, aus Reflex tat ich es ihm gleich, starrte auf seinen Rücken. Keinen Millimeter rührte er sich, kein Ton verließ seine Lippen. Die Stille war unangenehm und einschüchternd.

Langsam drehte er seinen Kopf zu mir, sein Seitenprofil erkennbar, seine Mimik wie versteinert. Das ausdrucksvolle Silber seiner Augen schnitt sich in meine.

 

„Warum seid ihr hier?“ Laws schauderhaftes Flüstern ließ es mir kalt den Nacken herunterlaufen. „Ihr hättet diesen Ort niemals betreten sollen.“

 

Die Heidenangst, die er mir einjagte, drängte ich in die hinterste Ecke meines Kopfes, raufte meinen Mut zusammen, stellte mich neben ihn und begegnete ihm auf Augenhöhe. Meinen Kappenschirm schief über meine Augen legend, blitzte eines meiner Augen hervor.

Meine Stimme war charakterfest und entschlossen.

 

„Wir sind hier, um zu helfen!“ Das war meine vollste Überzeugung. „Wenn wir den Verlorenen nicht helfen, wer dann?“, hielt mein Blick seinem intensiven unerschütterlich stand.

Emotionslos fragte er; „Aus welchem Grund?“

 

Kämpferisch klopfte ich meine Faust auf meine linke Brustseite.

„Ich habe mich den Menschenleben verpflichtet, die aufgegeben wurden, weil-“, stoppte ich mich selbst. Beinahe hätte ich zu viel gesagt. Schnell räusperte ich mich und endete;

„Weil jedes Leben es verdient hat, gerettet zu werden.“

 

Schweigend hatte Law mir zugehört, niemals seine Augen von mir gelassen, mich durchdringend analysiert. Sein Gesichtsausdruck unverändert steinern, bis seine Mundwinkel plötzlich in die Höhe zuckten.

„Ich verstehe.“ Ist seine Aura wärmer geworden?

Es schien, als wäre er mir gegenüber weniger distanziert, als hätte ich einen Sympathiepunkt bei ihm gewonnen. Einen einzigen.

Jetzt liefen wir sogar fast nebeneinander, fast. Die Stille war auch minder erträglicher geworden.

 

Laws Aufmerksamkeit richtete sich wieder nach Vorne, auf die gesicherte Tür am oberen Treppenansatz, die wir ansteuerten. Bevor wir in Sichtweite unerwünschter Augen waren, steckte er mir etwas zu, ließ es in der Tasche meiner schwarzen Jeansweste verschwinden.

Auf meinen fragenden Blick erwiderte er;

„Du wirst es brauchen.“

 

Ohne weiteres Wort erreichten wir den Schlosseingang, an dem uns Shachi viel zu gut gelaunt erwartete. „Lasst uns endlich reingehen! Ich bin so gespannt auf all die besonderen Menschen!“

Nur Shachi, der Menschenfreund, konnte sich darauf freuen, Psychopathen kennenzulernen. Sein unbeirrbarer Optimismus war das Yang zu meinem zynischen Pessimismus.

Ich der Schwarzseher, er der Hellseher; die hellste Leuchte mit dem größten Sprung in der Birne.

 

Bevor ich mich in das Horrorkabinett begab, studierte ich dessen Bauwerk und die Informationen, die ich darüber hatte.

Das überragende Gebäude wirkte eher unbewohnt und verlassen. Es besaß mehrere Türme ringsum, von denen der größte sich mittig gen Himmel hoch reckte. Auf ihm prunkte das Symbol eines durchgestrichenen Smileys. Dort residierte wohl der Hausherr selbst.

Bloß die vergitterten Halbrundfenster im Herrenhaus ließen auf die lauernde Gefahr schließen. Zig Kameras waren am hellen Gemäuer angebracht, dessen Farbe weiß – wie die Unschuld. Ein echt makaberer Scherz.

Über die Patienten waren nicht viele Informationen preisgegeben worden. Die Schmierblätter berichteten oft falsche Reportagen und von übertriebenen Entsetzlichkeiten, damit die Leute etwas hatten, worüber sie sich aufregen konnten.

Ich wollte mir ein eigenes Bild von den Menschen machen, die hier auf Lebzeiten eingesperrt waren. Sie taten mir leid. Niemand wollte seiner Freiheit beraubt werden.

 

Law bog ab. „Zunächst zeige ich euch die Außenanlage.“

Verwundert tauschten Shachi und ich einen Blick, zuckten dann mit unseren Schultern und folgten ihm. Law war der Boss.

Um das Mauerwerk war eine schnöde Grünfläche, ohne Blumen nur welkes Gras, nichts Besonderes. Warum er uns hier herumführte, war mir ein Rätsel.

Stumm begleiteten wir ihn einmal um die Anlage, kein einziges Mal blieb er stehen. Nur kurz huschten seine Augen zu etwas, was mein Interesse weckte: Eine Metallluke, die zwischen Büschen versteckt war. Sehr verdächtig.

Doch lief er schlicht an ihr vorbei, brachte uns wieder zum Eingang, an dem wir erneut verweilten.

 

Shachi zog einen Schmollmund, den er Law präsentierte.

„Wann sehen wir die Superhelden?“ Die Bezeichnung ließ Laws Augenbraue in die Höhe wandern. Uneingeschüchtert plapperte Shachi weiter. „Na, das 'D' steht doch für Hel.d.“

Das Strahlen auf Shachis Lippen traf auf das Granit von Laws Augen.

Ist Shachi zu weit gegangen?

 

Plötzlich spürten wir sie. Laws tätowierte Hand, die er auf je eine Schulter von uns legte.

Ein weicher Ton ergriff seine Stimme, als er uns zuflüsterte.

„Treue Seelen wie euch brauchen die Seelenlosen.“

Was er damit meinte, war mir zu diesem Zeitpunkt nicht bewusst. Ich spürte aber, dass seine gehaltvollen Worte etwas in mir auslösten.

Den Wunsch, mein Bestes zu geben.

 

Shachi lächelte ihn warm an.

„Wir schwören dir die Treue.“

Und ich verstand. Verstand, wen Law mit 'seelenlos' meinte – sich selbst.

Shachi hatte es vor mir erkannt, hatte ihm soeben ein Versprechen gegeben. Woraufhin Laws unleserliche Mimik erstmals eine tiefe Emotion offenbarte, in all ihrer Echtheit: Ein dankbares Silberfunkeln, mit dem er uns bedeutsam besah.

 

„Wie heißt ihr?“, wollte er wissen. Doch kamen wir nicht dazu, ihm zu antworten.

Die großen Türen öffneten sich geräuschvoll, in Begleitung eines ächzenden Quietschen. Hinter ihr erschien eine grünhaarige Frau, deren Harpyien-Blick sich auf Law visierte.

Law lief emotionslos an ihr vorbei, Richtung Außenanlage, während sie ihn hartherzig anfuhr.

„Patient Nummer 1, zurück in Ihr Zimmer!“ W-Was? Er ist-?!

 

Er war einer von ihnen. Einer der Schlimmsten.

Einer der Menschen, die die Gesellschaft aufgegeben hatte – wir nicht. Wir werden unser Versprechen halten.

Einen letzten Blick warf er uns zu, den wir freundschaftlich erwiderten.

„Wir sehen uns“, entgegnete ich ihm grinsend. Shachi rief ihm fröhlich nach. „Bis bald, Law!“

 

Verabschiedend hob er seine tätowierte Hand, dann war er aus unserem Blickfeld verschwunden, weswegen die streng wirkende Frau sich uns zuwandte. Sie war mir sofort unsympathisch.

„Miss Monet“, stellte sie sich uns mechanisch vor und rückte ihre große Spiralbrille, „die persönliche Anrede von Insassen ist untersagt. Unterlasst dies von nun an.“

Ihre unterkühlte Stimme konnte einem einen Frostschock verpassen. „Folgt mir. Ich zeige euch euren Arbeitsbereich.“ Ihr schadenfrohes Grinsen gefiel mir nicht. „Und euer Schlafgemach.“

Wir würden also ab heute hier wohnen. In einem Irrenhaus. Nette Aussichten. Da bekommt man ja allein vom Ambiente einen an die Waffel.

 

Dem eintönigen Gefasel der Trulla hörte ich nur mit halbem Ohr zu, achtete viel mehr auf das Herrenhaus, das wir betraten.

„Der Hausherr empfängt nur hochrangige Mitglieder. Wenn ihr euch hocharbeitet, könnte euch die Ehre zuteil werden, zur Familie gehören zu dürfen.“ Nein, Danke.

 

Ich verkniff mir den Kommentar und ging widerwillig mit ihr, dicht neben Shachi bleibend. Das Innere des Asyls wirkte neu restauriert, behielt jedoch den verwitterten Eindruck. Die Tapete wies Fetzen und Löcher auf. Auch die wenige Dekoration – Blumen in unzerbrechlichen Vasen, Familienportraits und Landschaftsgemälde – hinterließ keine einladende Wirkung. Der Boden weiß gefliest, einzig ein rot-goldener Teppich vom Eingang zur gegenüberliegenden Treppe gelegt, die ins Obergeschoss führte. Dessen Holzgeländer verschnörkelte Verzierungen schmückte.

Die Empfangshalle war so riesig, dass man sich leicht in ihr verlaufen konnte. An den weißen Säulen waren Kameras angebracht, auch zwischen den glitzernden Plastikblumen steckten kleine Linsen. Die reinste Überwachung. Hier fühlte ich mich auf Schritt und Tritt beobachtet.

Mein Bruder hingegen, winkte jeder Kamera fröhlich zu.

 

Unsere Schritte hallten nach, untermalten das Schweigen, das nur Monet ab und an brach.

Hinter der breiten Treppe führte je ein Gang weiter ins Innere. „Die Personalabteilung.“

Links und Rechts zweigten je vier Türen ab, über denen Schilder der nummerierten Bereiche angebracht waren. „In Station 1 A bis 1 D rechts von euch sind die harmlosesten Patienten untergebracht. Station 2, links, betrifft diejenigen, die ein mildes Risiko darstellen, aber mit Medikamenten ruhig gestellt werden.“

Teilnahmslos deutete sie mit einem Handschwenken zu den angesprochenen Sektoren, zeigte dann auf die Treppe zur oberen Etage, die wir passierten. Die Treppe gab unter meinen Schuhen nach, quietschte und knarzte, sodass ich mich sicherheitshalber am dunklen Holzgelände stützte.

Hier oben schien alles noch kahler und kontrollierter, die Flure waren von Sicherheitstüren versperrt.

„Im Obergeschoss, in den Abteilungen 3 und 4, sind die härteren Fälle. Genannte Flügel werdet ihr nicht betreten, dort herrscht die höchste Gefahrenstufe.“

 

Etwas kam mir seltsam vor. Eines von vielen Dingen hier.

„Gibt es noch eine Station?“, fragte ich sie, erinnerte mich an die Richtung, in die Law gegangen war.

Ihr kaltblütiger Blick kratzte mir die Augen aus. Ihre Stimme wurde plötzlich viel zu freundlich.

„Nein.“ Ihre Antwort, die gelogen war. Untermauert von ihren bedrohlich leisen Worten.

„Hier ist es nicht gern gesehen, wenn jemand unerlaubt Fragen stellt.“

 

„Was ist das?“, fragte Shachi sogleich und bestaunte eine beschriftete Tafel, die hier hing.

„Das ist die Aktivitäten-Liste der- Hey!“ Empört über Shachis Hyperaktivität, sah sie schockiert, wie er sich einen der Eddings genommen hatte und die Tafel munter mit kleinen Bildchen bekritzelte. Ein lächelnder Smiley – gegensätzlich zu dem durchgestrichenen der Anstalt. Sowie eine Kritzel-Hexe, die wohl die nette Frau darstellen sollte.

Durch die Ablenkung meines Bruders, griff ich ungesehen in meine Westentasche und erfühlte den Gegenstand, den Law mir zugesteckt hatte:

Schlüssel. Wofür?

 

Schnell zog ich meine Hand aus der Tasche, als die Furie die Hinterlassenschaften meines Bruders beseitigt hatte und wie mechanisch weiter die Fakten herunter schwafelte.

„Hier gelten strenge Regeln, die es einzuhalten gilt. Der Kontakt zu Patienten ist verboten, nur auf das Nötigste zu reduzieren. Damit wird sichergestellt, dass unseren Bewohnern die beste Heilungschance ermöglicht werden kann. Sobald wir den Mitarbeitertrakt erreichen, überreiche ich euch das Regelbuch-“

 

„Laaangweilig!“, fiel ihr Shachi quengelnd ins Wort. „Wann dürfen wir die tollen Leute sehen?“

Verkrampft versuchte sie ihre Professionalität beizubehalten. „Wie ich bereits sagte, ist der Kontakt verboten.“ Der Blick, den sie Shachi zuwarf, triefte vor Gift. Als Antwort trällerte Shachi fröhlich pfeifend ein gute-Laune-Lied.

Der Glückskeks begegnete Negativität stets mit noch mehr Positivität. Sein Zuckerschloss war hochgradig Diabetes-erzeugend.

 

Shachi hatte das Limit seines Stillseins erreicht. Länger konnte er seine Aufgedrehtheit nicht zurückhalten.

Während die Eisdame uns mit noch mieserer Laune durch den Mittelflur im ersten Geschoss führte, uns über die dortigen Therapieräume aufklärte, dauerte Shachi das Warten auf Action zu lange. Weswegen er eine der einheitlichen Türen einfach aufriss.

Mit Wucht platzte er mitten in eine Therapiestunde rein.

 

Zwei Augenpaare erfassten uns. In dem Raum saßen ein Therapeut und sein Patient. Ersterer trug einen Zylinder, Zweiterer einen Strohhut.

„Ich bin Shachi, wer bist du?“, flötete er ihnen entgegen, erhielt eine ebenso übertrieben fröhliche Antwort. „Ich bin der König der Piraten!“

 

Und Monet knallte die Tür vor Shachis Nase zu. „Ein Patient mit Wahnvorstellungen“, erklärte sie faktisch und schritt weiter voran, ehe ihre 'freundliche' Stimme einen zischend frostigen Ton annahm. „Ich verbitte mir solche Aktionen.“

Um es uns am ersten Tag nicht gleich komplett hier zu vermiesen, nuschelte ich Shachi ein gehetztes; „benimm dich“ zu.

Auf mich hörte er. Zumindest manchmal.

 

Wir passierten die Büroabteilung. „Einer meiner Zuständigkeitsbereiche“, führte sie uns knapp herum, „dahinter geht es in den Innenhof. Das Nebengebäude ist für die untersten Mitarbeiter reserviert.“ Sie gab sich nicht mal Mühe, ihren herablassenden Unterton zu verbergen. Für sie waren wir unbedeutend und störend. Und genau so behandelte sie uns auch.

 

Durch den Hinterausgang, eine Treppe abwärts, dann waren wir im Schlosshof. Ein trockener Brunnen und ein paar Steinbänke waren ringsum aufgestellt, die einstigen Blumenbeete leer. Shachi besah sie sich traurig, bis ihm die Idee kam. „Ich werd sie besamen!“ Wortwahl, Shachi.

 

Monet äußerte sich nicht dazu, ging stoisch weiter.

Draußen auf dem ummauerten Innengelände ging die Sonne langsam unter. Als würde sie unseren Untergang ankündigen. Das Gefühl der schlechten Vorahnung begleitete mich allzeit, verschlimmerte sich stetig.

Vor einem der kleineren Türme blieb sie stehen, schloss die Tür auf.

„Für heute könnt ihr euch ausruhen. Euer Arbeitsbeginn ist erst Morgen. Ihr werdet die Pflege und Betreuung harmloser Insassen übernehmen.“ Heißt: Wir erledigen die Drecksarbeit.

„Bis euch jemand in der Früh abholt, dürft ihr eure Gemächer nicht verlassen. Zu eurer eigenen Sicherheit“, ratterte sie ihre Standartfloskel herunter.

Rabiat drückte sie uns noch einen dicken Wälzer mit den Regeln auf. Das staubige Teil war verdammt schwer.

Ihre Verabschiedung fiel so gleichgültig aus, wie ihr gesamtes Auftreten.

„Ich wünsche einen angenehmen Aufenthalt.“

Damit überließ sie uns unserem Schicksal.

 

Mehrmals schloss sie hinter uns ab. 'Zu unserer Sicherheit', natürlich.

Hier war etwas faul. Die ach so perfekte Fassade von Dress Rosa schrie förmlich nach Scheinheiligkeit. So leicht ließ ich mich nicht veraschen.

Alles, was wir hier gezeigt bekommen hatten, war zu oberflächlich und makellos um wahr zu sein. Kaum einer Menschenseele waren wir begegnet, kaum jemandem vom Personal. Als wollte man uns so fern wie möglich von allem halten. Wir wurden wie Störenfriede abgefertigt.

Warum haben die uns überhaupt erst angenommen?

Mich beschlich das ungute Gefühl, dass wir es bald erfahren würden.

 

„Jippie~ Wir sind da!“, jubelte Shachi und sprintete die Spiraltreppe des Turms rauf. Ich blieb hinter ihm, verschränkte meine Arme vor meiner Brust und sah mich skeptisch um. Auch hier hingen Kameras. Hier hatten selbst die Wände Augen und Ohren. Jedes unserer Worte hörten sie ab. Es würde mich nicht wundern, wenn irgendein kranker Typ uns dreckig grinsend beobachtete und sich an unserem Unheil ergötzte.

Unser neues Zuhause fühlte sich nicht im Geringsten sicher an. Von wegen eigene Sicherheit.

 

Seufzend ging ich mit Shachi die Treppen rauf, hoffte, dass wenigstens unser Wohnraum vor fremden Blicken geschützt war.

Shachis heiteres Gemüt konnte wie immer nichts erschüttern. Er war nach wie vor in Abenteuerlaune und freute sich über jeden Winkel, den er neu entdeckte.

„Schau mal, eine Spinni!“, posaunte er und zeigte auf das kleine Krabbeltier, dessen Spinnenweben überall klebten. Wenig begeistert gab ich gelangweilte Brummlaute von mir, ließ ihn einfach machen. „Da! Noch ein Spinnchen!“

„Ja, Ja...“, gab ich Laut, bis ich merkte, dass er auf mich deutete. Eher gesagt auf meinen Kappenschirm, den ich jetzt entsetzt anstarrte. Sag mir nicht-

Ein behaartes Bein ragte vor meinen Augen, griff unter den Kappenschirm. Das ist ganz bestimmt kein 'Spinnchen'! Das ist ne Spinn-Ih!

„Shachi“, knirschte ich ihm so leise wie möglich zu, um das Biest nicht auf mich aufmerksam zu machen. Meine Kappe ausziehen kam nicht infrage, niemals!

Das schwarze Bein bewegte sich. „Shachi!“

 

„Schh...“, lächelte er meinen Kappenschirm an, „du verschreckst das niedliche Tierchen noch.“ Niedlich?!

Behutsam legte er seine Hände zusammen, die er langsam zu dem Monster streckte, redete sanft auf es ein. „Ganz ruhig. Komm, ich such dir ein schöneres Plätzchen.“

Fest kniff ich meine Augen zu, konnte nicht hinsehen. Mein Kappenschirm fühlte sich leichter an, bildete ich mir ein – die Gefahr war gebannt.

„Siehst du? Ich beschütze dich, Peng!“, linste ich aus einem Augen zu ihm. Und fiel fast aus den Latschen. Er hielt mir das haarige Ding direkt vor die Augen!

„Ich geh schon vor, bis dann!“, haspelte ich und rannte im Eiltempo die Treppe rauf. „Und wehe du bringst es mit rein!“

 

Hastig preschte ich durch die Tür, die ich offenließ.

In den Wohnräumlichkeiten angekommen, schmiss ich mich auf die Couch, machte es mir dort gemütlich. So übel sah es hier gar nicht aus. Die Möblierung war im mittelalterlichen Stil gehalten – in dunklen rot und braun Tönen – erinnerte mehr an ein Schloss, als die kalte Einrichtung der Anstalt.

Für eine Raumbesichtigung war ich viel zu aufgewühlt, so überließ ich Shachi die Entdeckung. Hier im Wohnzimmer knisterte ein Kamin, dessen Feuer den Raum erhitzte. Es hatte etwas Beruhigendes.

Der hyperaktive Wirbelsturm flitzte durch die Tür, sprang durch die Zimmer und zählte alle Funde einzeln auf, von denen ich nur „Schlafzimmer mit Doppelbett, Küche und Bad“ hörte. Das Wichtigste: „Keine Kameras und Wanzen.“

Zwischenzeitlich döste ich vor mich hin, bis Shachi sich nach erfolgreicher Erkundung schwungvoll neben mich aufs Sofa warf.

 

„Was machen wir jetzt?“, fragte er hibbelig, voller Tatendrang. Mit meinem Zeigefinger schob ich meinen Kappenschirm nach oben, warf ihm einen alles sagenden Blick zu.

Wir grinsten uns an, hatten beide den gleichen Gedanken, den wir synchron aussprachen.

„Spurensuche.“

 

Shachis Diebeskünste konnten noch jedes Schloss knacken. Meine Spionage-Fähigkeiten hatten jeden Schlupfwinkel der Kameras ausfindig gemacht. Dank Shachis Hilfe – Das Zuwinken der Kameras, das mich auf ihren Standort aufmerksam machte.

Zusammen waren wir das beste Team. Gemeinsam würden wir den Geheimnissen der Anstalt auf die Schliche kommen.

Wir waren hier, um die dunklen Machenschaften aufzudecken, Beweise zu finden und Don Flamingo auffliegen zu lassen.

 

Locker warf ich den Schlüsselbund in die Luft, fing ihn geschickt auf. Nun würde ich herausfinden, in welches Schloss die Schlüssel passten. Ab hier begann unser wahres Abenteuer.

Bei Nachtanbruch brachen wir auf, teilten uns auf.

Aber wie in jedem billigen Horrorfilm sollten wir das bereuen.

 

 

--

 

 

Die Nacht hatte etwas beängstigend Stilles.

Meinen Körper an das Schlossgemäuer gepresst, um die Kameras auszutricksen, schlich ich mich in den Vordergarten. Ich vermied jegliches Geräusch, bildete mir ein, dass das Knirschen meiner Schuhe im Gras viel lauter wirkte und mein hektischer Puls jemanden auf mich aufmerksam machen könnte. Meinen Atem hielt ich so ruhig wie möglich.

Das Gefühl beobachtet zu werden, ätzte sich permanent in meinen Nacken.

 

Ein dickes Vorhängeschloss war an der Metallluke angebracht. Schnell kramte ich den Schlüsselbund hervor, suchte nach einem passenden Schlüssel und steckte ihn mit zittriger Hand ins Schloss. Erst beim dritten Versuch klappte es. Es ist also wirklich der Bund für diesen Bereich...

Das öffnende Knacken ließ mich zusammenschrecken. Hektisch prüfte ich, ob ich gesehen wurde. Nichts als Nachtschwere umgab mich.

Ich hob die knarzende Luke, schluckte all meine Zweifel herunter. Was ich hier tat war irre, komplett irre.

Flüchtig warf ich einen Blick ins Innere, sah kaum etwas. Es schien eine Art Keller zu sein.

Zur Beruhigung nahm ich einen tiefen Atemzug, zog meinen Kappenschirm herunter und traute mich ins Ungewisse.

 

Ein Kellergewölbe, stickig und furchteinflößend. Vor mir ein langer Flur, beinahe stockfinster.

Die Neonröhren an den Decken gaben kaum Licht von sich, viele funktionierten nicht, ein paar flackerten unruhig, verliehen der beklemmenden Atmosphäre Schauerliches. Der Geruch von Undefinierbarem prägte die dünne Luft. Die teils vergilbten und bröckeligen Steinwände machten die Kälte noch grauer, die Stimmung noch trister.

Es fröstelte mich. Am ganzen Körper.

 

Noch war Zeit, noch konnte ich umdrehen. Doch tat es nicht.

Wenn ich jetzt einen Rückzieher machte, würde es mir keine Ruhe mehr lassen. Lebt hier unten jemand?

Mit zitternden Knien wagte ich mich voran, stützte mich an der kalten Wand ab, tastete mich im Dunklen vor. Meine Nervosität ließ mich fast durchdrehen, raubte mir jegliche Denkfähigkeit, ließ mich in höchster Alarmbereitschaft bleiben. Was zum Henker tue ich hier?!

Immer, wenn ich eine lichtlose Stelle passierte, beschleunigten sich meine Schritte, bis ich eine der spärlich beleuchteten Ecken erreichte. Das wenige Licht wiegte mich in trügerische Sicherheit.

 

Vor einer Abzweigung machte ich Halt. Links war ein rostiges Schild angebracht: 'Behandlungsräume'

Ich fühlte mich wie in einem schlechten Horrorstreifen. Zu allem Übel spielte mein Kopf mir Streiche, malte sich die schlimmsten Szenarien aus, ließ alles noch erschreckender wirken. Selbst die einzelne Motte, die um die leise brummende Lichtquelle flog, schien aufgeregter zu flattern.

Mein Nervositätspegel stieg rapide.

 

Ich war allein und doch fühlte ich mich nicht so.

Versteift schritt ich weiter, nahm instinktiv den rechten Gang, der unbeschildert war. Fünf Metalltüren konnte ich erkennen, je zwei an den Seiten, eine direkt geradeaus. Als mein Blick über eine Plakette der verriegelten Türen huschte, blieb mir der Atem im Hals stecken.

'Patient Nummer 1' Laws Zimmer?!

Er... wohnt hier?

Mich überkam Ekel und Mitleid zugleich. So etwas Unmenschliches konnte nicht wahr sein, durfte nicht real sein. Wer sperrte Menschen im Keller ein?

Ich hatte gerade mal einen winzigen Teil der Wahrheit herausgefunden und war mir nicht sicher, ob ich den Rest überhaupt erfahren wollte.

Es warf mehr Fragen auf, als es beantwortete.

 

Ich brauchte einen Moment, um mich wieder zusammenzuraufen.

Verkrampft atmete ich mehrmals durch. Es brachte nichts, half nicht im Geringsten. Mein Unwohlsein verschlimmerte sich mit jeder Sekunde, die ich hier verbrachte. Ich wollte kehrt machen, wollte so schnell wie möglich aus dem Keller raus.

Doch zwang mich etwas, hierzubleiben.

Etwas, was mein Herz ergriff.

 

Als ob meine Augen dazu gezwungen wurden, fixierten sie sich auf die Tür, die am Ende des dunklen Gangs still meinem Blick begegnete. Sie unterschied sich kaum von den anderen Metalltüren, hatte jedoch eine anziehende Wirkung auf mich. Als würde sie mich rufen.

Einen wackligen Schritt ging ich auf sie zu. Und gefror in meiner Bewegung.

Es drang in meine Ohren. Seine kristallklare Stimme, die mir mehrere Schauer verpasste.

 

„Komm zu mir...“ Ein Flüstern, so leicht wie eine Feder, welches mich zu sich lockte.

Wie ferngesteuert folgte ich seiner Stimme, die hörbar schmunzelte, als er meine nähernden Schritte hörte. „So ist es gut... Gleich bist du bei mir.“

 

„W-Wer ist da?“, schwankte meine Stimme so stark, dass ich sie kaum wiedererkannte, während seine die Ruhe selbst blieb.

„Keine Angst“, ging er nicht auf meine Frage ein. „Ich tu dir nichts.“ Das bezweifle ich stark.

 

'Patienten Nummer 8', las ich das Türschild. Acht ist meine Glückszahl – was fürn Unglück.

Vor der dicken Metalltür stehend, fanden meine zitternden Finger wie von selbst das Schiebefenster, das ich freilegte. Ich wollte nicht hineinsehen, verfluchte meine Neugier, die über meine Nervosität siegte.

Nur ein Blick, schwor ich mir, Ein einziger und dann geh ich sofort-

Meine Augen erfassten ihn. Und ich wusste, dass ich nicht ging.

Ich fand etwas und verlor etwas. In genau diesem Augenblick.

 

In Ketten gelegt, seine Hände in Fesseln an der Wand eingesetzt, sein Hals im Eisenring, sein Gesicht von einer blau-weiß gestreiften Maske umschlossen.

Obwohl er auf dem Boden kniete, hatte seine Körperhaltung etwas Mächtiges und Ausdrucksstarkes. Als würde ihm die Welt zu Füßen liegen, als wäre er der freieste Mann, als hätte er stets die Kontrolle über alles.

Seine Erscheinung besaß etwas Zeitloses. Wie in den Moment eingebrannt.

Die gepunktete Bluse, die über seine Brustmuskeln spannte, wies mehrere zerrissene Stellen auf und verlieh seinem Äußeren etwas Wildes. Passend zu seiner animalisch blonden Mähne, die sein vollblütiges Erscheinungsbild abrundete. Und doch strahlte er etwas Kaltblütiges aus. Etwas, was ich nicht benennen konnte. Etwas Mysteriöses.

 

„Gefällt dir, was du siehst?“, legte er seine Maske schief. Mich beim Starren erwischt, zupfte ich peinlich berührt am Seitenstoff meiner Kappe herum. Bis sein messerscharfer Stimmton mich erschreckte.

„Öffne die Tür.“ Ein unmissverständlicher Befehl, den er mit sanfter Monotonie überspielte. „Leiste mir etwas Gesellschaft.“

 

Ich soll da rein gehen? Garantiert nicht, keine Chance, niemals!

Alles in mir sträubte sich dagegen. Warnend schrien mir meine inneren Stimmen zu, das unter keinen Umständen zu tun-

Und das Knacken des geöffneten Schlosses ließ sie allesamt verstummen.

Was mich dazu brachte, wusste ich selbst nicht. War es Mitgefühl? Neugier? Idiotie? Egal, was es war, es kam aufs Gleiche heraus:

Ich betrat die Höhle des Löwen.

 

Er ist gefesselt, klammerte ich mich an den Gedanken, der mich in Sicherheit wiegte, Er kann mir nichts.

 

Gegen meine Vermutung eines Zellen-ähnlichen oder gar leeren Raumes, war er eingerichtet, wie ein Zimmer. Ein Wohnzimmer, an das noch ein Raum angrenzte. Es glich eher einer Wohnung, die unpersönlich eingerichtet war. Die wenigen Möbel alt und abgenutzt.

Untätig stand ich hier, im Sicherheitsabstand zu ihm, dessen Stimmton dunkle Vorfreude zierte.

„Ich beiße nicht“, leckte er sich hörbar über die Lippen, „es sei denn, du möchtest dies.“ W-Was?

 

Kläglich versuchte ich cool zu bleiben.

„Ich schmecke nicht“, lachte ich verhalten und fuhr mir wirr über meinen Nacken, grinste schief. „An mir beißt du dir nur die Zähne aus.“

 

Ich neigte in Angstzuständen dazu, mit bescheuerten Kommentaren zu scherzen. Rein instinktiv machte ich mich mutiger, als ich war. Wie ein verschrecktes Karnickel, das mit den Hinterpfoten aufstampfte.

So wählte ich die sicherste Ecke des Zimmer, in die ich mich verkroch. Eine unsichtbare Fessel hielt mich hier gefangen, die geschlossene Tür schien unerreichbar, obwohl ich gerade noch durch sie gegangen war.

Polternden Herzens setzte ich mich auf das violette Sofa-ähnelnde Kistending schräg gegenüber von ihm, starrte verkrampft auf meine Hände, die ich in meine Hose krallte und vermied es, ihn anzusehen. Seine Präsenz prägte den Raum mit spürbarer Gefahr. Doch hatte sie auch etwas Sanftes und Harmloses.

Dieser Mann war ein Wolf in Schafspelz.

 

Lauf, Peng, lauf!

Beweg dich, hau ab!

Warum gehorchen mir meine Beine nicht, verdammt!?

 

„Kira“, sprach er plötzlich, riss mich aus meinen sich überschlagenden Gedanken. Verwundert sah ich aus dem Augenwinkel zu ihm, nur kurz, dann musste ich meinen Blick wieder von ihm abwenden. Ergänzend fügte er hinzu; „Mein Name.“

Die Art, wie er sich ausdrückte, hatte etwas Edles und zugleich Manipulatives. Als würde jedes seiner Worte dich einwickeln.

 

„Penguin“, fiel meine Vorstellung ebenso knapp aus, glich mehr einem Nuscheln. Erneutes Schweigen bedrängte uns.

Die angespannte Atmosphäre schnürte mir die Kehle zu, mehrmals versuchte ich meinen trockenen Mund zu befeuchten, scheiterte.

Es brannte mir auf der Zunge, ich musste ihn fragen. „Warum... bist du gefesselt?“

 

Einen Moment schien er zu überlegen, ehe er antwortete.

„Ich weiß es nicht.“ Die Monotonie seiner kristallenen Stimme wich einem unbestimmbaren Ton, der etwas Trauriges barg. „Als ich aufgewacht bin, befand ich mich in Ketten. Mein Nacken juckt bereits seit einer Weile...“ Amüsement überspielte die trübe Emotion.

Durch seine Kopfbedeckung wirkten seine Worte stumpfer und trugen einen metallischen Hall mit sich. „Bist du immer so unvorsichtig und schleichst dich nachts in fremde Wohnungen?“, schien er belustigt, „oder bin ich die Ausnahme?“

 

Meine Mundwinkel zuckten schräg in die Höhe.

„Ich bin ein Einbrecher aus Höflichkeit“, hob ich meine Kappe in vornehmer Manier, spielte mein Unbehagen mit einem fehlerhaften Lachen herunter, „gibt's hier was Wertvolles zu holen?“

 

Er summte nachdenklich.

„Gibt es.“ Und hüllte sich in Schweigen.

Mein Blick glitt zu ihm, seine Maske lag allzeit auf mir, als wäre ich eine Hauptattraktion. Aus den Maskenlöchern auf Höhe seiner Augen blitzte etwas Lebensbedrohliches. So belauert zu werden war ungesund für mein Herz, das wie Torpedos gegen meine Rippen feuerte. Als würde es von Killer-Blicken durchstochen werden.

 

„Sage mir, Penguin...“, ließ er meinen Namen auf seiner Zunge zergehen, „fürchtest du dich vor mir?“

Allein die Frage ist furchteinflößend!

 

„Sollte ich das?“, konterte ich mit einer Gegenfrage, auf die er zunächst nicht einging. Seine Ketten rasselten kurz, erinnerten mich an die Sicherheit, die sie mir gaben. Ich Idiot.

„Wer weiß...“, schmunzelte er hörbar, „finde es heraus.“

Es herausfinden? Wie-?

Seine nächsten Worte ließen mir das Blut in den Adern gefrieren.

„Mach mich los.“

Seine Mundwinkel glitten so weit auseinander, dass ich ihre finstere Kälte spüren konnte. Mir rutschte das Herz in Höllen-Tiefen.

Ihn losmachen? Hat er den Verstand verloren?!

 

„Ich-“, fand ich keine Worte, wollte ihn nicht verärgern. „Ich würde mich lieber noch ein wenig mit dir unterhalten.“

Im Lügen war ich schon immer miserabel, aber war es nur teils gelogen. Ich wollte wirklich mehr über ihn wissen.

 

„Oh?“, schien er überrascht, „wenn dem so ist... sprich.“

Nur worüber?

Wie weit kann ich gehen, ohne es mir bei ihm zu verscherzen?

 

„Warum bist du hier?“, landete ich einen Volltreffer unter die persönliche Gürtellinie. Oh verflucht.

Die Temperatur des Raumes wurde spürbar kälter. Ein heftiges Frösteln schlich sich über meine Haut, deren Härchen sich aufstellten.

Ich war zu weit gegangen, viel zu weit.

 

„Dies möchtest du erfahren?“, schärfte sich seine Stimme zu etwas Hochgefährlichem. „Es ist mir ein Vergnügen, es dir zu zeigen.“

 

Die Stille, die ihn umgab, schrie mir zu. Seine Aura die Finsternis.

Das Dümmste, was ich hätte tun können, war, seine dunkle Welt zu betreten. Mich in seinen finsteren Bann ziehen zu lassen. Nun war ich in seinem Visier. Seine Zielscheibe.

Aus einem Fluchtreflex heraus, wollte ich fliehen, doch konnte keinen Muskel bewegen, war wie versteinert. Die Angst lähmte mich.

Ich starrte auf seine Maske. Sie wirkte wie zerbrochenes Porzellan.

 

Es war zu spät.

 

Erst, als ich merkte, dass er gar nicht gefesselt war, wurde mir mein fataler Fehler bewusst.

Erst, als er seine Fesseln löste, er wie in Zeitlupe aufstand und er sich mir schleichend näherte.

Erst dann war ich hoffnungslos verloren.

 

 

 

.

.

.

 

 

 

In tödlicher Zärtlichkeit

lechzen die Finger eines Killers

begierig nach ihrem Opfer.

 

Die Schatten dürsten nach Licht.

 

Die Melodie der Stille

singt die lautesten Strophen.

 

Angeführt von des Herzen Taktes,

tanzt das Leben auf Irrwegen.

 

Warum hat es uns zueinander geführt?

 

Das Nichts ist die ausdrucksvollste Antwort.

Schweigende Lippen

erzählen die wortreichsten Geschichten.

 

Die Schicksalsglut ist entfacht.

Der Puls der Seele brennt

über die Notenblätter der Ewigkeit.

 

Als ich dein Lebenslied hörte...

wollte ich deiner Monotonie Symphonie sein.

 

Kira...

Nimm mich mit in dein Schattenreich.

 

 

 

 


Nachwort zu diesem Kapitel:
Bei Interesse:
Titellied der Geschichte

Teils inspiriert von den Spielen:
Resident Evil 1 (das Herrenhaus) und Batman Arkham Asylum.


Danke für die liebe Unterstützung❣ Egal welcher Art, jede Einzelne ist wertvoll.♥ ^-^ Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Hisoka_Hebi
2021-08-31T20:53:09+00:00 31.08.2021 22:53
Huhu,

Jetzt hab ich das Kapitel geschafft und muss sagen obwohl ich ja den düsteren Touch nicht so gerne lese, habe ich dieses Kapitel verschlungen. Sachi und Penguin sind super herüber gekommen und ich hab mich in deinen Dialogen verloren und köstlich amüsiert.
Am besten fand ich die Szene mit Law und dem Wendepunkt dazu :3

Der zweite, düstere Part, fand ich sehr gut beschrieben, ich konnte mir alles bildlich vorstellen und hab mit Peng mutgefiebert.
Mir gefällt diese Geschichte bisher mit am besten. Mal sehen wenn ich zum weiter lesen komme, Interesse würde auf jeden Fall geweckt :3

Antwort von:  blackNunSadako
12.09.2021 21:34
(。・ᴗ・。)ノ♡
Hiso-Liebes 🌷
Du wundervolles Lieblicht ♥

So viele Tage hast du mir verschönert, mir so viele werte Rückmeldungen verfasst – mir fehlen noch immer die Worte, ich schätze mich unfassbar glücklich und danke dir von ❤️ ʕ´•ᴥ•`ʔ

Entschuldige bitte, dass ich so lange gebraucht habe, um dir zu antworten. Ich wollte mir Zeit für dich nehmen, dir in Ruhe schreiben, mit Herz – alles andere würde deiner Liebenswürdigkeit nicht gerecht werden! Du bist so lieb. ♥ (ó﹏ò。)
Nicht nur einmal hast du mir mit deinen herzerwärmenden Worten die Tränchen in die Augen getrieben. Deine lieben Zeilen rühren mich zu Glück. ; - ;
So wünsche ich auch dir nur das allergrößte Glück auf Erden.🍀

Dankeschön, Liebes❣ (୨୧ ❛ᴗ❛)✧

Mit einem Lächeln werde ich nun all deine lieben Kommentare nacheinander beantworten, beginnend bei diesem hübschen hier. ♥ Du hast eine wunderhübsche Art, deine Gedanken und Gefühle in Worten wiederzugeben. Wirklich toll❣ ^-^

Es freut mich ungemein, dass die Geschichte dein Interesse wecken konnte. Danke, dass du ihr trotz des düsteren Hauchs eine Chance gegeben und sie bis zum aktuellen Kapitel gelesen hast. Sogar deine Lieblingsszene hast du mir mitgeteilt, wow – Danke dir! (⺣◡⺣)*♡

Shachi und Peng sind zwei Herzchen, oder? ^-^ Ich mag sie sehr. Auch Nebencharakter haben es verdient, Hauptdarsteller zu werden – so sind sie hier in den Vordergrund gerückt, aber auch Law, Killer, Kid, Luffy und all die anderen sind nicht vergessen. Wie schön, dass dir die Balance zwischen ihnen allen gefällt. :)

Law als Patient war ein Konzept, das ich mal aufgreifen wollte, weil er in so vielen Geschichten ein Arzt/Chirurg ist, seinem Original entsprechend. Ich probiere mich einfach gern an Neuem aus. ^^
Dass du dir alles so gut vorstellen konntest, zeugt von einem wundervollen Vorstellungsvermögen, welches du besitzt. Bemerkenswert! ♥

Danke fürs Dabeisein und Mitfiebern! (ᴖ ᴗ ᴖ✿)

Bis gleich, Liebes!🌺


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