Deine Tränen auf meiner Wange von Stiffy (Meine einzige Freiheit) ================================================================================ Kapitel 12: Deine Vernunft ist mein Verzweifeln ----------------------------------------------- Mittlerweile hatte die Königin ihrem Gatten erzählt, was geschehen war. Dieser, nicht weniger erschüttert denn sie, brauchte einen Moment, bis er es überhaupt realisiert hatte, was soeben über ihre Lippen gedrungen war. Und dann sank er in seinen Sessel hinein, kreidebleich und nicht begreifend, wie so etwas schrecklich hatte passieren können. „Der Diener sagt“, sie nutzte seinen Namen aus Abscheu nicht, „dass es seine Schuld sei.“ „Das muss es sein“, nickte der König abwesend und faltete die zitternden Hände. „Lucius würde niemals…“ Er sprach nicht zu Ende, sondern schüttelte nur den Kopf, um sich selbst zu bestätigen. Nein, niemals würde sein Sohn freiwillig etwas Derartiges tun. Dazu war er nicht erzogen worden! Das Thema spross noch weiter durch die Residenz hindurch. Außer Liz wusste zwar niemand, was geschehen war, doch die Scherben in der Königin Gemach musste beseitigt werden und es war für alle ersichtlich, dass etwas vorgefallen war. Außerdem hatte man einen bleichen Xaves durch die Flure laufen sehen, bis er nicht in des Prinzen, sondern in seinem eigenen Zimmer verschwunden war. Das alleine war schon ungewöhnlich genug. Irgendetwas war vorgefallen, doch niemand malte sich aus, wie schlimm es war. Xaves hatte sich in seinem Bett zusammen gekrochen und war vollends verzweifelt. Immer wieder schüttelte er den Kopf und konnte immer noch nicht fassen, dass sie wirklich gesehen worden waren, genau in dem Moment, in dem alles wieder in eine bessere Richtung gegangen war. Er hielt sich die Ohren zu, als er das von Lucius gesprochene „Ich liebe dich auch“ in seinen Erinnerungen hörte, doch es half nichts, schallte es doch wieder und wieder in seinem Kopf herum. Er hatte immer gesehnt, irgendwann diese Worte zu hören, obwohl er auch so gewusst hatte, dass die Gefühle existierten; doch nun wäre er froh, wenn sie nie in diesem Stall hervorgedrungen wären. Mitten in diesen Qualen vernahm er, wie die Tür geöffnet wurde. Einerseits rechnete er mit dem Schlimmsten, andererseits dachte er, es könnte Lucius sein, vor ihm aber stand Liz mit mitleidigem Blick. „Der Prinz möchte dich sehen“, sprach sie vorsichtig und ahnte schon, dass er sofort den Kopf schütteln würde. Und dem war so, Xaves krampfte sich zusammen und verzog wie schmerzvoll das Gesicht. „Ich kann nicht“, sagte er und sah sie flehend an. „Ich kann das jetzt nicht…“ „Aber du musst.“ Sie trat langsam zu ihm ans Bett heran, streckte die Hand nach ihm aus. Eindringlich sah sie ihn an, mit so viel Trauer in den Augen. „Vielleicht ist es das letzte Mal.“ Und da weinte er, als sie dies sagte. Er ließ zu, dass ihre Arme ihn umschlangen und er drückte sich gegen die schwesterliche Brust. Er schüttelte immer wieder den Kopf und wiederholte, dass er das nicht ertragen würde. Letztendlich jedoch wusste er, dass sie Recht hatte. Wenn er Lucius noch mal sehen wollte, war dies womöglich die letzte Möglichkeit dazu. Wer wusste schon, wie schnell das Königspaar ihn von hier verbannen ließ. Oder schlimmeres. Lucius war noch immer wie erstarrt, lag regungslos in seinem Bett und starrte aus dem Fenster hinaus, als er zweierlei Schritte kommen hörte. Er drehte den Kopf und fuhr erleichtert in die Höhe, als er Xaves sah. Der allerdings hatte den Blick gesenkt und wirkte abwesend. Liz schob den Jungen ins Zimmer, verbeugte sich kurz und schloss dann die Tür von außen. Lucius sprang sofort aus dem Bett heraus und lief zu seinem Freund. Er schlang die Arme um den Körper und vergrub seine Nase im geliebten Duft des Haares. „Ich lass nicht zu, dass sie uns trennen!“, flüsterte er energisch. „Ich werde das nicht zu-“ Er brach ab, da Hände sich gegen seine Brust stemmten. Xaves entfernte sich einen Schritt rückwärts. Nun hob er den Blick und seine blauen Augen schienen Lucius traurig entgegen. „Das kannst du nicht“, sprach die flache Stimme. „Und das darfst du nicht.“ „Wie meinst du das?“ Lucius fuhr vor, doch Xaves wich nun zur Seite weg. „Wir müssen sagen, dass ich es war. Ich bin schuld, ich habe dich verführt. Du kannst zu all dem nichts. Und es ist nur dieses eine Mal geschehen.“ Man merkte, das Xaves sich diese Worte zurechtgelegt hatte; auch Lucius merkte das und es machte ihn wütend. „Aber es stimmt nicht!“, schrie er und griff nach seinem Liebsten. „Ich bin genauso schuldig! Ich werde dich nicht gehen lassen!“ „Aber das musst du.“ Xaves zog an seinen Armen. „Wenn du mich liebst, musst du das tun.“ „Ich verstehe dich nicht.“ „Du bist ein Prinz, Lucius. Du hast Pflichten und diese gehört dazu. Du kannst dem nicht entrinnen.“ Es klang bitter und endgültig. „Aber-“ „Du kannst es nicht.“ Lucius hatte Xaves festhalten wollen. Er hatte ihn küssen, berühren, überzeugen wollen. Doch der Blonde wehrte sich gegen den Griff und auch gegen einen weiteren Blickkontakt. Er hatte gesagt, was er hatte sagen wollen; mehr würde er nicht ertragen. Doch Lucius lief ihm hinterher, bis in das andere Zimmer hinein. Hier schrie er ihn an, hier begann er zu weinen und zu flehen. „Das kann nicht dein Ernst sein!“, sagte er wieder und wieder, doch Xaves blieb stur. „Es ist mein ernst“, sagte er nur. „Ich werde bald hier weg sein und du wirst weiter leben ohne mich.“ „Das kann ich nicht!“ „Du musst es, du hast gar keine Wahl.“ Xaves schien mit einem Mal so viel älter zu sein als er, so viel erwachsener, ernster, entschlossener. Vielleicht lag es daran, weil er schon seit Monaten, wenn nicht seit Jahren auf diesen Zeitpunkt gewartet hatte. Bereits zuvor hatte er sich selbst so weit gedrängt, diesen Schritt zu akzeptieren; nun also wäre es so weit. Er hatte sich geschworen, dass er den Prinzen nicht binden würde. Das durfte er nicht, nicht er als der Diener. Er musste ihn frei lassen, ihm vielleicht sogar Mut zu sprechen. Und das tat er, immer wieder, egal wie sehr es ihn selbst in Stücke riss. „Du bist stark“, sagte er irgendwann, als Lucius am Boden zusammengesunken war, verzweifelt und erschöpft. Er ging in die Knie und berührte seinen Liebsten vorsichtig im Haar. „Das bin ich nur mit dir“, flüsterte der Prinz, dem mittlerweile klar war, dass Xaves es ernst meinte. Er hatte es in den Augen gesehen, in dem entschlossenen Blick. Doch er begriff es nicht, er sah keinen Sinn darin. „Warum kann ich nicht König werden mit dir an meiner Seite?“ „Weil das nicht geht. Du brauchst eine Königin, keinen Diener, erst recht keinen männlichen…“ „Ich will aber niemanden sonst.“ „Darauf kommt es nicht an.“ Es tat Xaves weh, ihn so zerrissen vor sich zu sehen. In dem Moment bereute er alles, was hier je geschehen war. Er bereute, dass er damals zu Lucius ans Bett gekommen war; bereute, dass sie sich des Nachts in den Armen hielten. Er bereute auch, dass er damals im Winter zu dem kranken, frierenden Prinzen ins Bett gekrochen war, um ihn zu wärmen, und er bereute den ersten richtigen Kuss, dass er sich nicht gewehrt hatte, als Lucius einen weiteren hinterher setzte. Sogar seine eigenen Gefühle bereute er; dass er sie zugelassen hatte; dass sie noch immer da waren. Wäre es nicht so, wäre es nie so weit gekommen. Vielleicht würden sie noch immer ab und an das Bett teilen, doch sie wären nur Freunde, die viel zusammen lachten und Spaß hatten, sie würden einander nicht begehren und er könnte immer an der Seite des Prinzen bleiben. Er könnte für immer bei ihm sein. Nun in diesem Augenblick erhob er sich, da diese Gedanken ihn unfähig machten, weiter hocken zu bleiben. Er lief im Zimmer herum und versuchte dem Prinzen Vorzüge einer Braut darzulegen. Lucius aber presste sich die Hände an die Ohren, schüttelte den Kopf wieder und wieder. Er wollte das alles nicht hören. Letztendlich sah Xaves keinen anderen Ausweg mehr. Er packte Lucius und riss ihn zu sich hoch; er zwang ihn, ihm ins Gesicht zu sehen, er fixierte die braunen Augen genau. „Hör mir zu“, sprach er nun so deutlich er es konnte. „Wenn sie dich fragen, sagst du ihnen, dass es meine Schuld war, verstehst du?“ „Nein, i-“ „Doch, das wirst du! Auch wenn du es nicht tust, ich werde bald nicht mehr hier sein, und dann hast du nicht nur mich verloren, sondern auch deine Eltern! Also musst du es sagen.“ „Das kann ic-“ „Hör endlich auf damit!“ Nun schrie Xaves. „Du kannst es, du musst es und dir wirst es!“ Er schob den Prinzen zurück zur Tür und sprach Worte, die ihn selbst zerrissen: „Wir hatten unsere Zeit, aber sie ist nun vorbei.“ Und damit stieß er ihn raus und schlug die Tür zu, lehnte sich dagegen und war so froh, der Stärkere von ihnen beiden zu sein. Er begann augenblicklich zu weinen und er hörte das Weinen auf dem Flur. Er hielt sich die Ohren zu und versuchte, nicht mehr zu denken. Dass der Prinz draußen von zwei Bediensteten geholt wurde, das bekam er auf diese Weise nicht mehr mit. Er merkte nur, dass es irgendwann still geworden war und da er dachte, dass Lucius aufgegeben hatte, verzweifelte er nun nur um ein Vielfaches mehr. Und so hoffte er fast, dass sie ihn bald holen würden. Denn ab hier war es ihm egal, was nun mit ihn passieren würde. Ein Leben ohne Lucius wollte er nicht führen, also war es gleich, wie es nun für ihn weitergehen würde. Lucius wehrte sich, doch gegen die beiden starken Männer hatte er keine Chance, vor allen nicht in seinem Zustand. Er wurde zu seinen Eltern gebracht und dort in einen Stuhl gesetzt. Er wollte aufspringen, doch man hielt ihn fest. Und dann sah er das verzerrte, wütende Gesicht des Vaters. Zunächst hielt der König eine Art Ansprache. Sie war nicht feierlich, sondern drohend. Er sagte, dass er, egal was heute herauskommen würde, Xaves wegbringen lassen würde. „Nie wieder wird man ein Haar von ihm sehen!“, waren seine Worte, welche Lucius bis ins Mark gefrieren ließen. „Aber ich habe-“ „Er ist schuldig, so oder so!“, donnerte der Vater auf ihn hinab. „Aber-“ „Schweig!“ Fast schien der Kronleuchter über ihnen zu erzittern, so laut und finster war das einfache Wort. Und es ließ Lucius tatsächlich schweigen. Doch er schüttelte den Kopf, immer wieder. Er musste daran denken, was mit Xaves’ Eltern geschehen war, nur weil sie etwas kaputtgemacht hatten; er wollte es sich nicht ausmalen, was man ihrem Sohn antun würde. Und all das war seine Schuld! Als man Lucius endlich fragte, ob er etwas zu dieser Sache zu sagen habe, schwieg er beharrlich weiter. In seinem Kopf spukte Xaves herum, wie er ihm sagte, dass er ihm die Schuld zuschieben sollte. Doch das konnte Lucius nicht, es würde nur erst recht den Tod seines Liebsten bedeuten. Aber auch sich selbst konnte er die Schuld nicht geben, denn sein Vater hatte mit noch viel mehr gedroht. „Du wirst es dir nie verzeihen!“, waren die vagen Worte, doch sie genügten, um Lucius schweigen zu lassen. Und so ging dieser grausame Moment über ihn dahin, ohne dass er irgendeinen Ausweg zu finden vermochte. Nachdem das Königspaar ihn entlassen hatte, wurde er in sein Gemach gebracht. Und hier wurde er eingeschlossen, während er mitbekam, wie Xaves aus dem gegenüberliegenden Raum geholt wurde. Er schrie und stieß sich gegen seine Tür, doch es bracht nichts, und so konnte er nur ahnen, was nun geschehen würde. Seine Ahnungen waren schlimm, grausam und er bereute augenblicklich, nicht alles versucht zu haben, um Xaves’ Leben irgendwie zu retten. Doch nun war es zu spät. Er fühlte sich schwach, verloren und endlos allein wie noch nie in seinem Leben. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)