Deine Tränen auf meiner Wange von Stiffy (Meine einzige Freiheit) ================================================================================ Kapitel 11: Was uns verbindet und trennt ---------------------------------------- Es war ein warmer Sommerabend, an dem Lucius alleine von einem Ausritt zurückkam. In der letzten Zeit passierte es öfter, dass sie alleine unterwegs waren, vielleicht um ihre Gedanken zu sortieren oder um sich irgendwo selbst wieder zu finden. Lucius ritt dann oft zu der Stelle hin, an der er Xaves vor Monaten gefunden hatte. Hier kauerte er sich an einem Baum nieder und versuchte, den Moment wieder und wieder zu durchleben. Es schmerzte ihn höllisch, wenn er die Worte wieder hörte, wenn er den Blick wieder sah, den Abschied in den blauen Augen, selbst wenn deutlich zu sehen gewesen war, dass der Junge es auch nicht wollte. Dennoch war der Ausdruck da gewesen und es war grausam schwer, sich daran zu erinnern. Lucius fragte sich, ob er irgendeinen Fehler begangen hatte, aber er kam auf keinen einzigen. Nur seine Herkunft war falsch, nur da lag ihr Problem begraben. Er war ein Prinz, Xaves aber ein normaler Junge. Wenn sie dies beide wären, ob sie dann zusammen sein könnten? Er war auch an diesem Sommerabend zu keinem Ergebnis gelangt, da der Gedanke unweigerlich damit einherging, dass er in dem Falle, ein ganz normaler Junge zu sein, Xaves wahrscheinlich niemals begegnet wäre. Und so ritt er mit diesem erdrückenden Gefühl auf den Stall zu, stieg von Calvaro hinab und führte diesen in seine Box. Hier den Hengst trocken reibend, vernahm er ein Stück weiter entfernt eine Melodie. Sie war ihm bekannt, war es doch das Lied, welches er früher immer von Xaves hatte gesungen bekommen wollen. Zögernd schlich er sich an die Box Filenas heran, obwohl er sich eigentlich sicher war, dass Xaves ihn und Calvaro ohnehin gehört hatte. Der blonde Junge aber summte immer weiter, während er mit der Bürste über das Fell der Stute fuhr, die sichtlich diese Liebkosungen genoss. Lucius lehnte sich gegen das offene Gatter und beobachtete seinen Freund dabei, während die Melodie immer weiter an sein Herz heran trat. Eine unglaubliche Melancholie ergriff von ihm Besitz. Dann verstummte das Summen mit einem Mal. „Am ersten Tag habe ich dich gehasst“, traten stattdessen Worte an ihre Stelle; sie wogten schwer zu Lucius hinüber. Der trat nun endlich neben Xaves an Filena heran. Er antwortete nicht, denn er glaubte, dass es besser war; scheinbar wollte Xaves einfach sprechen. „Das war, weil dein Vater meine Eltern hat umbringen lassen und mich danach als deinen Diener einstellte… daher glaubte ich, dass ich dich hassen müsste… und ich habe geweint in der ersten Nacht.“ „Ich weiß.“ Lucius’ Herz tat weh bei dem Gedanken daran. „Aber schon am nächsten Tag…“, fuhr Xaves fort, „hab ich angefangen… zu merken, dass ich dich eigentlich gar nicht hassen wollte… immerhin warst du das einzige Kind in diesem großen Haus… und Calia sagte mir, dass du niemanden hattest, mit dem du spielen konntest. Also hatte ich Mitleid…“ Lucius runzelte die Stirn. Hass und Mitleid, nicht gerade die schönsten Gefühle, doch ihm tat es trotzdem gut, das zu hören, irgendwie. Seit langem sprachen sie überhaupt wieder über Gefühle. „Und dann habe ich angefangen, dich zu mögen… du warst nett zu mir und ich hatte dich gern… außerdem lag ich so gerne nachts bei dir im Bett und habe dich atmen gehört. Es beruhigte mich immer so sehr…“ „Beruhigte?“ Lucius betonte die Vergangenheit in dem Wort. „Ja.“ Nun ließ Xaves die Bürste endlich fallen und drehte sich um. „Es hat sich alles verändert“, drang der Schmerz aus seiner Stimme hervor. „Wir haben uns verändert.“ „Aber weshalb?“, flüsterte Lucius die Frage, welche sie sich beide stellten, hervor. „Ich weiß es nicht. Dabei liebe ich dich.“ Xaves’ Augen glühten in dem Moment und Lucius’ Herz schrie. Das mag daran liegen, da diese Worte noch nie zwischen ihnen gesagt worden waren. Sie hatten sie gedacht, aber nie gesprochen; nun aber hingen sie in der Luft und verbanden sie beide auf einmal so stark miteinander wie nie zuvor. „Ich liebe dich auch“, riss Lucius den Jungen an sein Herz heran. Er vergrub seine Lippen bei dessen Ohr und küsste es. „So sehr“, hauchte er hinein. Und Xaves nickte „Ich weiß“. Er küsste ihn sanft, griff ihm in die Kleider und drängte ihn zu Boden. Sehr schnell fanden sie einander, mit der nackten Haut und mit einer Leidenschaft, welche sie verloren hatten, in den vergangenen Wochen. Nun aber loderte sie auf, hitziger als sonst, wärmer und erfüllender. Sie umgriffen sich fest und küssten sich oft, lange, gierig. Sie flüsterten sich so viele liebende Worte in die Ohren, die sie lange nur erdacht hatten, und sie spürten, wie die Kälte um sie herum, in ihnen drin, sich auflöste, ganz langsam, mit jeder Berührung und mit jedem Wort, dass sie sich sagten. Es war als würden sie wieder eins werden nach so langer Zeit; zumindest für einige viel zu kurze Minuten konnten sie genau das spüren, bis plötzlich ein spitzer Schrei sie auseinander riss. Ein unverkennbarer Laut, welchen auf dieser Residenz nur eine einzige Person zu Stande brachte. Sie beide erkannten es sofort und es war bereits zu spät, als sie nach ihren Kleidern griffen und aufsprangen, um alles zu bestreiten. Die Königin hatte sie bereits gesehen. Und ihre Lage war eindeutig gewesen. Es war Xaves, der sofort begriff, was passiert war; er war es auch, der aufsprang und sich verbeugte und sagte, dass es nicht so sei wie es aussah. „Was?“, konnte Lucius da nur flüstern und starrte zwischen seinem Freund und seiner Mutter hin und her. „Was sagst du da?“ Doch die Frau hatte keine Augen für ihren Sohn sondern prüfte mit kaltem Blick den anderen Jungen, der noch immer den Kopf vor ihr senkte. „Ich war es!“, sagte dieser immer wieder. „Es ist meine Schuld, er wollte es nicht!“ „Xaves! Das ist nicht-“ Nun sprang auch Lucius auf, doch ehe er weit sprechen konnte, schüttelte Xaves heftig den Kopf. „Doch!“, schrie er nun fast. „So hören Sie doch, es war meine Schuld!“ Die Königin war noch immer schreckensbleich und wusste nichts mit dieser Situation anzufangen. Das was sie gesehen hatte, schien ihr so unwirklich und doch war es passiert, das wusste sie; sie konnte nur nicht damit umgehen. Mitten im Betteln und Bitten Xaves’, man möge ihn bestrafen, nicht aber Lucius, drehte sie sich einfach um und ging. Ihr Blick war starr und die Pferdebürste, welche sie sich eigentlich für ihre Stute genommen hatte, fiel ihr irgendwo auf dem Weg aus der Hand. Ihre Schritte trieben sie einfach immer weiter, zurück zur Residenz, eine Treppe hinauf, in ihr Arbeitszimmer hinein. Niemand wusste was für ein Jähzorn in ihr brodeln konnte. Nur der König kannte diese Seite seiner Frau, nur er wusste, dass sie ebenso wie bisweilen ihr Sohn von Zerstörungswut gepackt wurde, wenn sie sauer war. Und sauer, das war sie, in diesem Moment. Sie konnte ihre Wut nicht greifen, da ihr Kopf das Gesehene nur sehr schwer verarbeitete, doch sie schlug einen schönen Krug zu Scherben, weil ihr das Klirren gut tat, und sie fegte ihren gesamten Tisch leer. Noch viel mehr ging zu Bruch, doch es half ihr nicht. Letztendlich brach sie davor zusammen und in Tränen aus. Wie hatte so etwas nur ihrem Sohn passieren können? Die Jungen waren alleine im Stall zurückgeblieben und minutenlang, wie es schien, bewegte sich keiner vom Fleck. Xaves weinte jetzt und Lucius begriff, vielleicht ebenso wie seine Mutter, noch überhaupt nicht, was soeben geschehen war. Dann aber, in der nächsten Sekunde, fuhr er vor, riss Xaves herum und zwang diesen, ihm ins Gesicht zu sehen. „Sag mal… spinnst du?“, schrie er so laut, dass Filena ihm mit der Schnauze gegen den Rücken stieß. Sie wollten ihren Herrn schützen, so schien es. Xaves reagierte nicht, sah ihn nicht mal direkt an, und das machte Lucius nur noch rasender. Er fuhr in der Box herum, in ihm kämpfte irgendetwas, und er konnte nur schwer mit ansehen, wie Xaves in seine Kleider schlüpfte. Dann ließ der Junge ihn alleine. „Sprich mit mir!“, brüllte Lucius ihm hinterher, aber ohne Kraft, ihn nochmals festzuhalten oder nachzulaufen. „Sprich mit mir!“ Xaves aber ging ungeachtet des Flehens seines Freundes. Er ertrugt Lucius’ Nähe gerade nicht länger, denn er wusste, dass an dieser Stelle nun alles ein Ende gefunden hatte. Wahrscheinlich auch sein Ende. Liz war es, die den verzweifelten Prinzen bei Filena fand. Xaves hatte ihr gesagt, dass sie nach ihm sehen sollte; er hatte ihr mit blassem Gesicht aber nicht sagen wollen, was geschehen war. Doch es musste schrecklich sein, soviel hatten seine Augen verraten, und nun, da sie Lucius neben Filena gekauert fand, nackt und zitternd, wusste sie, dass es vielleicht noch viel schlimmer war, als sie zunächst angenommen hatte. Sie wickelte eine Decke um ihn herum. Diese roch nach Pferd, aber sie war warm und er schmiegte sich in sie hinein; er ließ sich auch in Liz’ Arme ziehen. „Was ist passiert?“, fragte sie ihn, doch er reagierte nicht darauf. „Was ist denn nur?“ Der Junge ließ sich nicht hochziehen, also blieb sie bei ihm sitzen, sah ihm zu, wie er ins Nichts starrte. Seine Lippen zitterten dabei und es schien, als würde er gerne weinen, könne es aber aus irgendeinem Grunde nicht. Und dem war so. Lucius spürte es selbst, wie ihm die Wut, die Trauer im Körper brannte, doch irgendwas hielt sie in ihm zurück. Die Verzweiflung vielleicht, oder der Gedanke an Xaves’ Worte. Weshalb hatte der Junge die Schuld auf sich geschoben? Wieso war er ohne ein Wort gegangen? Hatten sie nicht gerade wieder begonnen, miteinander zu sprechen, einander zu fühlen und zu verstehen? Das alles war zu viel für Lucius’ Verstand. Er begriff es nicht. Zudem konnte er noch immer den Schrei der Mutter in den Ohren klingen hören. Sie hatte sie gesehen, in einer eindeutigen Lage, welche keine Missverständnisse zuließ. Und er wusste, dass das nichts Gutes bedeutete. Er wusste, dass sich nun etwas verändern würde; drastisch und vermutlich sehr schnell. Er konnte sich bloß nicht ausmalen, was es war. Er wollte es sich nicht ausmalen. Irgendwann schaffte Liz es doch, den Jungen rein zu bringen. Er fror fürchterlich und sie ließ ihm ein Bad ein, blieb daneben sitzen, damit er nicht im Schaum versank. Er aber war steif und bewegungslos in der Wanne und starrte noch immer vor sich hin. Ihm war das alles zu viel; er hatte keine Ahnung, wie es nun weitergehen könnte. „Sie hat uns gesehen“, flüsterte er irgendwann. Liz verstand ihn nicht, da sie nicht darauf vorbereitet gewesen war, dass er so plötzlich sprechen würde. Also fragte sie nach und in dem Moment drehte er den Kopf zu ihr. Verzweifelte Augen blickten in ihre. „Mutter… sie hat uns gesehen.“ Natürlich wusste Liz nicht, in welch prekärer Situation genau die beiden Jungen erwischt worden waren, doch andererseits konnte sie es sich denken, hatte sie den Prinzen doch nackt vorgefunden. Dementsprechend wurde sie nun blass wie er und schloss den geöffneten Mund, weil ihr nicht sofort etwas als Erwiderung einfiel. „Was passiert denn jetzt?“, stellte Lucius die Frage endlich irgendwann, nachdem Liz noch immer nichts gesagt hatte. Seine Augen schienen mit jeder Sekunde mehr nach Erlösung zu flehen. „Ich weiß es nicht“, kam es ihr nur schwer über die Lippen und sie streckte die Finger aus, um sein Haar zu berühren. Er zuckte zusammen, als sie es tat, blieb aber ruhig sitzen. „Alles wird sich ändern, nicht wahr?“, flüsterte er dann und ihr blieb nichts anderes übrig, als zu nicken. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)