Epos von Tyra-Leonar (One Shots) ================================================================================ Kapitel 10: Tsunami ------------------- Charon kündigte sich mit einer nebelartigen Schwärze direkt vor dem Büro an. Normalerweise hatte er Zeit, doch jetzt wusste er nicht, ob er sie wirklich besaß. Wenigstens ans Klopfen dachte er noch. Als er eintrat blieb er mitten in der Tür stehen, er wartete nicht, bis man ihm zum Sprechen aufforderte. „Hades? Auf den Philippinen wütet ein Tsunami. Unsere Kora ist dort, oder?“ Er nannte sie immer so im Scherz. Jetzt hoffte er, dass wirklich alles gut war. Persephone hatte sich auf einem halb zerstörten Haus positioniert. Die Welle war schnell gekommen, nur einer Warnung durch sie hatten es einige der Leute noch rechtzeitig geschafft. Jetzt rissen die Wassermassen unter ihr alles, was sie finden konnten, mit sich fort. Einige Gebäude hielten dem Druck nicht stand und das Wasser stieg immer weiter. Dagegen konnte sie reichlich wenig tun. Sie musste zusehen, wie eine ganze Stadt zerstört und Menschen getötet wurden. Ihr Blick, der über das Unglück schweift, ist ruhig, auch wenn die Stränge der Linie, die ihr Mund bildet eindeutig klar macht, wie sie über die Sache denkt. Aber nicht ihr Gebiet und sie konnte sowieso nicht alle retten. Egal wie sehr sie sich auch bemühte. War es da nicht wichtiger, diejenigen, die hinter ihr saßen, zu beschützen, anstatt alle zu einem grausamen Schicksal zu verdammen? Ein Ruf zu ihrer Rechten lässt ihren Kopf herumschnellen. Eine Frau mit Kind in den Armen wird immer wieder mit dem Kopf unter Wasser gedrückt. Von den Wellen wie ein Spielball hin und hergeworfen kommt sie nah genug an dem Dach vorbei. Persephone rennt zur Kante hin und streckt sich soweit wie möglich vor, um die Frau gerade noch rechtzeitig am Kragen zu packen. Die Fluten reißen an ihr, doch die Rothaarige behält die Kontrolle. Bis der Boden unter ihr nachgibt. Sie blickt hinab und fällt eine Entscheidung. Mit einem Fluch legt sie Kraft in ihren Arm, katapultiert die Frau regelrecht aus dem Wasser aufs Dach und stürzt selbst mit einem lauten Platschen in den Strom. Kein Sterblicher konnte das Überleben. Sie hingegen schon. Persephone wird unter Wasser gedrückt und um sich selbst gekugelt. Anstatt sich dagegen zu wehren nimmt sie den Schwung auf und leitet ihn in eine Position über, die es ihr erlaubt an die Oberfläche zu tauchen. Angst hatte sie keine. Sie musste nur ein Dach erreichen und das Problem war geklärt. Vielleicht konnte sie sogar zu den Leuten zurück. Da vorne würde es gehen. Ihr Blick war abgewandt, als ein Holzbalken von der Seite kam und sie plötzlich einkeilte. Klar, warum nicht? Haufenweise Wasser und Persephone gelangte zwischen Holz und Schutt. Sie beschloss gerade einfach ihre Macht einzusetzen und sich locker lässig direkt aus dem Wasser zu werfen, da erblickte sie das Auto, welches auf sie zu gerauscht kam. Sie verlor die Konzentration auf das Gesamte, stemmte die Hände von unten gegen den Balken und schob ihn gerade soweit genug, sodass sie darunter abtauchen konnte. Die Karosse wurde von den Wassermassen erst gegen den Balken und dann auf sie zugetrieben. Nur die Flucht zurück durch ein ausgeschlagenes Fenster brachte sie in Sicherheit. Der Zugang wurde versperrt. Toll! Persephone trieb rückwärts in das Gebäude und war noch damit beschäftigt sich das neue Problem anzusehen als sie gegen etwas stieß. Sie drehte sich herum und unterdrückte den panischen Schrei, um keine Luft zu verlieren. Ihr blickten die Toten Augen eines Ertrunkenen entgegen. Der ganze Raum war voll damit. Verflucht! Beruhige dich, Persephone, sprach sie sich innerlich selbst zu und blickte sich um. Da hinten gab es noch ein zerstörtes Fenster. Da konnte sie raus. Für die Leute konnte sie eh nichts mehr tun, auch wenn sie für wahr keinen angenehmen Tod gehabt hatten. Noch immer war sie weder ängstlich noch beunruhigt. Der Vertrag würde sich aktivieren, wenn sich ihre Situation arg verschlimmerte. Im Moment war es nur ein ungewöhnlicher Tauchgang in einem übergroßen Pool. Nur, dass sie in diesem Planschbecken nicht alleine war. Manchmal fragte sie sich, ob diese Sachen immer genau dann passierten, wenn Hades nicht da war und es an ihr lag. Persönliches, schlechtes Karma, oder so. Sie hatte das Fenster schon erreicht und war halb hindurch, als sie einen stechenden Schmerz im Bein spürte und zurückgerissen wurde. Die Rothaarige blickte zurück, etwas hatte seine kleinen, spitzen Zähne in ihr Fleisch geschlagen. Sah aus wie eine Nyxe. Eine ziemlich böse, blutrünstige. Persephone trat nach ihr, doch die Unterwasserfrau wich aus. Aus den Augenwinkeln sah Persephone weitere Bewegungen, es waren insgesamt Drei und sie würden ihr garantiert nichts vorsingen. Das war seltsam. Solche wie die hatte sie noch nie gesehen. Sie waren dunkler, hatten im Vergleich zu ihren Artgenossen, kantigere Flossen. Ihre Haut war dunkel und gräulich. Wie ein Schwarm Haie umkreisten sie Persephone, ehe sie gemeinsam auf sie zuschossen. Persephone löste die Kontrolle ihrer Macht und entzündete blaues Feuer. Unter Wasser kostete es sie immense Anstrengung überhaupt eine Flamme zu entzünden. Der Bogen um sie herum ließ sie sofort die Konsequenzen spüren. Zwei hauten immerhin durch das Fenster ab. Die Dritte hatte wohl schon zu viel Blut geleckt und näherte sich erneut als das Blau verlosch. Ok, der Vertrag konnte vielleicht jetzt so langsam mal Meldung geben. Tat er nicht. Denn, was keiner wusste, er war verschwunden. Als hätte er sich in Luft aufgelöst. Die dunkle Nyxe öffnete ihr Fischmaul, um ihre Zähne in Persephones Arm zu schlagen. In einer Drehung entwischte sie dem Angriff, bekam aber die scharfen Flossen zu spüren, die über ihre Haut ritzten, als wäre sie aus weicher Butter. So langsam wurde der jungen Göttin klar, dass sie die erste Regel des Survivals übergangen hatte: Vermeide Kämpfe unter Wasser. Ihr ging langsam die Luft aus. Doch sie blieb ruhig und wartete auf den nächsten Angriff, der alsbald folgte. Dieses Mal wich sie nicht aus. Ihre eine Hand zischte vor, um die Nyxe am Kopf zu packen. Die Finger in ihren spärlichen Haaren vergraben, holte sie mit dem anderen Arm aus und donnerte ihrem Gegner die Faust ins Gesicht. Persephone konnte das Geräusch nicht zuordnen, aber sehr wohl den Anblick, den die Nyxe ihr lieferte, als Knochen brachen, Fleisch zermalmt wurde und das Gehirn dahinter sich zusammendrückte. Sobald sie sicher war, dass die Nyxe tot war lies sie los und wandte sich herum, um durch das Fenster zu schwimmen. Ihre Lunge brannte und ihr verschwamm der Blick, doch sie würde es schaffen, da war sie sich sicher. Wären da nicht die Hände, die sie umschlangen und wieder hinabzogen. Die anderen Zwei waren wieder da und zogen sie in die Tiefe. Vor Schreck hatte sie den Mund geöffnet und alle Luft aus ihren Lungen gelassen. Ihre Hand streckte sich nach oben, doch sie wusste, dass sie zu weit weg war. Und sie sah auch den schwarzen Rand in ihrem Blickfeld, der sich beunruhigend schnell zusammenzog, bis sie das Bewusstsein verlor. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)