Epos von Tyra-Leonar (One Shots) ================================================================================ Kapitel 6: Mutter Tanz ---------------------- Aus dem kleinen Proberaum ertönte das Rumpeln eines zu Boden fallenden Körpers, der sich nicht mehr rechtzeitig abfedern konnte. Kurz darauf folgte Persephones Stimme, die in einem Knurren mit den Fäusten dem Parkett einen Schlag versetzte. Dann stoppte die schnelle Musik, Stille kehrte ein in der die Rothaarige im Zimmer auf- und abging. Ihr Blick glitt aus dem Fenster, auf den Garten und zur Stadt hin, zu den Hochhäusern, all den Sterblichen. Und zu ihrer Mutter. Sie wusste, warum es ihr gerade so schwer fiel Freude in ihren Tänzen zu empfinden. Denn ihr Herz schmerzte zu sehr. Dann änderte sich die Musik. Persephone stellte sich auf. Ruhige, melancholische Klänge erfüllten den Raum. Sie wollte, dass ihre Mutter sie sah. Demeter sollte sehen, wer Persephone wirklich war, wie sehr sie das Tanzen liebte, wie sehr sie zu Hades gehörte. Wie sie aus sich herausging, wenn sie im Einklang mit sich war. Und das war sie hier. Bei all den Göttern wäre jede andere Wahl schlechter ausgegangen. Es gab nur Einen, der sie vervollständigte, mit dem sie durch jedes wilde Meer des Schicksals segeln konnte. Er war nicht so, wie Demeter manch anderen beschrieb. Genauso wenig war ihre Tochter nur das, was sie sich einredete all die Jahre gesehen zu haben. Langsame, fließende Bewegungen, so ganz anders wie sonst. Sie gab ihre Seele hinein, ihr gesamtes Herz, hielt die Augen geschlossen und spürte allein die Bewegungen ihres Körpers, der regelrecht über das Parkett schwebte. Vor ihrem inneren Auge sah sie sie ihre Mutter im Laden, am Abend, wenn sie sich nach einem arbeitsreichen Tag erholte. Sie sah ihr wie polierte Kastanien schimmerndes Haar in der Sonne eines goldenen Herbsttages. Die Bilder, wie ihre Mutter sie zum Lernen anleitete, ihr zeigte, wie man pflanzte und Sträuße band. Und sie sah ihr Lächeln, als sie mit dem roten, alten Pick Up durch den Regen fuhren. Sie hatte sie so einiges gelehrt, nur so war die Persephone von jetzt zustande gekommen. Ohne ihre Aufopferung, Liebe und Zeit hatte sich ihre Seele entwickeln können, um zu einer starken, selbstbewussten Schönheit heranzuwachsen, die nun, zum Schluss des Liedes, sich hinkniete, die Arme lang nach vorn ausgestreckt, wie in einer Yogaübung, und dort sitzen blieb. Persephone wollte, dass sie es sah. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)