Epos von Tyra-Leonar (One Shots) ================================================================================ Kapitel 5: Wedding Bells ------------------------ Dort saß sie nun, in einem Hinterzimmer irgendeiner Kirche, zwischen Tüll… und Tränen. Doch egal wie sehr sie sich bemühte, ihre Augen schienen ausgetrocknet. Vermutlich hatte sie für dieses Leben bereits alles aufgebraucht. Langsam sah sie auf, sah sich um. Es gab kein Entkommen. Die Fenster waren weit oben, vor der Tür hörte sie den Lärm der letzten Vorbereitungen. Pure Verzweiflung herrschte in ihrem Kopf. Zumindest bis die Tür geöffnet und die Visagistin hereinkam. Während sie fertig gemacht wurde dachte sie über die Vergangenheit nach. Darüber, dass sie ihm nie würde sagen können, dass sie ihn liebte. Er, der heute nicht vor dem Altar auf sie warten würde. Um sie herum schnatterten sie gemütlich, bis auf ihre Mutter, die nicht wirklich glücklich mit der Wahl von Zeus war, doch was sollte sie machen? Sie konnte sich ihm nicht widersetzen und die Absprache war klar getroffen worden. Die Geräusche um Persephone herum lullten sie irgendwie ein und als sie die Augen schloss konnte sie es vor sich sehen, den Frühling von vor knapp einem halben Jahr… Er war wegen einem Auftrag für Demeter gekommen. Einfach so stand er da, schien ein wenig verloren in seiner dunklen Kluft. In dem Versuch ihr nicht zu nahe zu treten und doch irgendwie Bestimmtheit durchscheinen zu lassen, bat er um Ambrosia. Persephone kam gerade herein als ihre Mutter ihn ein wenig dämmlich aussehen ließ. Nun, so war sie eben – wusste einiges besser und war von sich gern überzeugt. Der Mann ließ es mit sich machen und zog sich einen Schritt zurück während Demeter den Krug vorbereitete. Persephone lehnte sich neben ihm gegen den Tresen und sah schließlich lächelnd zu ihm hoch. Er mied irgendwie ihren Blick und sie war sich nicht sicher, ob er nervös war. „Sie tut nur so. Keine Sorge, es liegt nicht an Euch.“ Er sah sie an, mit den schönsten Augen, die sie je gesehen hatte. Ihr Grinsten wurde leicht schief und ihre Knie weich als er lächelte. „Demeter war schon immer so“, antwortete er, ganz und gar nicht nervös. Persephone versank in seinem Blick, ihr Herz machte seltsame Dinge. Setzte manchmal aus, schlug überschnell und kraftvoller als sonst weiter. Gerade als sie den Mut fand, um erneut etwas zu sagen, kam ihre Mutter zurück, drückte dem Mann den Krug in die Hand und scheuchte ihn regelrecht hinaus. Er war… der Wahnsinn. Einen Monat später war er wieder da, bat erneut um Ambrosia und sah sich verstohlen im Raum um. Die junge Frau, die er neulich hier getroffen hatte, war nicht da, stellte er enttäuscht fest. „Hades, suchst du etwas?“ Demeter tauchte in seinem Blickfeld auf, die Hände in die Seiten gestemmt und eindeutig nicht bereit ihn weiter hier herumspionieren zu lassen. „Äh… nein… Danke für das Ambrosia.“ „Ja ja“, winkte sie ab und ihn damit gleichzeitig hinaus. Draußen seufzte er. Die Enttäuschung lag ihm schwer auf dem Herzen, obwohl er es nie zugegeben hätte. Mit dem frisch befüllten Krug trat er den Weg zurück in die Unterwelt an. Der Wald lag schnell hinter ihm, warum er nicht den Äther benutzte, fragte er sich da gerade. Da kam ihm jemand entgegen und er erkannte den roten Schopf sofort. Beinahe wäre ihm der Krug aus der Hand gefallen. Gerade noch rechtzeitig verbarg er seine Erleichterung, stellte sich so gerade wie möglich hin… oder sollte er das besser nicht tun? Seine Größe könnte sie verängstigen. Oh, also nicht. Er beugte die Schultern. Aber das sieht nach nichts aus. Hin- und hergerissen erreichte ihn Persephone, die in höflichem Abstand zu ihm stehen blieb und ihn anlächelte. Bei den Sternen, dieses Lächeln. Diese Lippen. „Guten Tag.“ „Hallo“, antwortete sie gut gelaunt und sah ihn aufmerksam an. Los, Junge, sag etwas. Irgendetwas. Aber was soll ich sagen? Persephone kam ihm zuvor. Oder wusste sie etwa von seiner Misere??? Oh, bitte nicht! „Nachschub?“ „Ja.“ Er hob den Krug als bedurfte es dieser Geste. Ja? Ist das alles? Hades, komm schon. Wie viele Frauen hast du schon angeflirtet? Du kriegst doch wohl was Besseres hin als nur ein ‚Ja‘. Er räusperte sich. „Ich… brauchte Nachschub.“ Innerlich schlug er sich vors Gesicht. „Gut.“ Sie wusste wohl auch nicht was sie damit anfangen sollte. Da ging es der Schönheit wie ihm. „Nun, ich will Euch nicht aufhalten.“ „Tut Ihr nicht!“ Hatte er das gerade wirklich gesagt? Hatte er verzweifelt geklungen??? „Nächste Woche komme ich wieder, für einen Auftrag. Ich gehe dann wieder hier entlang.“ Sie antwortete erst nicht, sah ihn nur verdutzt an. Dann begann sie zu strahlen und er war sich sicher, spätestens jetzt hatte ihn ein Liebespfeil getroffen. Sie schien genau auf solche Worte gewartet zu haben. „Ich verstehe. Dann werde ich in einer Woche hier sein.“ Persephone, so hieß sie. Sie war Demeters Tochter und das wohl unglaublichste Geschöpf, welches er je gesehen hatte. Egal was sie tat, bei ihr sah alles schön und anders aus. Ihre Nähe war beruhigend und quirlig zugleich. Ihre ganze Art strahlte eine positive Aura aus, die ihn bei jedem Treffen einlullte und von seiner Vergangenheit ablenkte. Er trug diese nicht offen mit sich herum, redete nicht darüber. Doch wenn er bei ihr war, dann kamen manche Erinnerungen in ihm hoch, schienen von ihr wie ein Fisch an Land gezogen und dann von ihrem Lachen eingepackt zu werden, woraufhin alles in weite Ferne rückte. So oft er es einrichten konnte kam er aus der Unterwelt herauf, suchte Demeter oder die Umgebung unter irgendwelchen Vorwänden auf und traf sich mit ihr. Sie stellte keine Fragen, zumindest nicht über ihn oder seine Herkunft. Persephone wusste nicht, dass er der Bruder ihrer Mutter war und damit auch der Bruder von Zeus. Sie wusste weder, dass er wesentlich älter war als sie noch, dass er der König der Unterwelt war. Nichts davon schien sie zu interessieren. Alles, was sie wissen wollte, hing mit seinem Charakter und seinen Neigungen zusammen. Sie hatten sich verabredet, immer öfter. Waren sich immer nähergekommen bis zu jenem Tag am See. Sie hatte dort auf einem Baumstumpf gesessen, traurig, weil das Schicksal sie nicht erhörte und dann war er einfach aufgetaucht. Genau heute hatten sie nicht geplant sich zu sehen. Als würde er davon wissen raschelte es im Gebüsch und mit einem warmen Lächeln kam er auf sie zu. Doch als er sah, dass sie Kummer hatte, sanken seine Mundwinkel herab und er eilte zu ihr. „Persephone, Liebes, was ist geschehen?“ Wieder fiel ihr auf, dass sie seinen Namen nicht kannte, doch auch jetzt war keine Zeit dafür. In zehn Minuten musste sie zurück bei ihrer Mutter sein, andernfalls würde man sie suchen und sie wollte nicht, dass er am Ende noch Ärger bekam, weil sie sich trafen. Also schilderte sie ihm in Kürze das Problem. Zeus hatte das Recht über seine Tochter nun eingesetzt und wollte sie verheiraten. Bald. Er würde keine Dekade mehr warten, nicht einmal mehr ein Jahr. Just in diesem Moment suchte er womöglich einen Mann für sie aus. Hades Gesicht war wie aus Stein gemeißelt. Hinter ihren Tränen sah sie es erst nicht, doch dann war sie erschrocken. Er stand auf, hielt zwar noch ihre Hand, doch sein Blick war eindeutig. „Das tut mir leid. Ich muss jetzt gehen.“ Persephone nickte nur, sie wusste nicht warum. In ihrem Herzen brach etwas entzwei. Sie wollte ihn aufhalten. Doch er wollte genau das wohl nicht, denn das, was sie in seinem Blick gelesen hatte, war Abneigung und Distanz. Dann war er fort. Und jetzt saß sie hier. Eine letzte Haarsträhne wurde drapiert, ein letzter Blick und dann legten sie den Schleier um. Das war gut, fand sie. So würde ihr Mann nicht den geschockten Ausdruck sehen, wenn sie um die Ecke in die Kirche trat und ihn das erste Mal erblickte. Allein bei der Vorstellung krampfte sich ihr Herz zusammen. Sie führten sie hinaus und in einen Gang, durch einen Torbogen war Orgelmusik zu hören, zu ihren Füßen ein dunkel blauer Teppich mit goldenen Ornamenten. Persephone sah darauf ohne ihn wirklich zu betrachten. Konnte sie jetzt vielleicht noch weglaufen? Oder nein sagen? Sie könnte es wie Artemis machen, das Gelübde ablegen und für immer ihre Jungfräulichkeit bewahren. Ja, das müsste doch möglich sein, oder? Jemand ergriff ihren Arm und führte sie zum Torbogen. Dort ließ sie die Person los und scheinbar erwartete die gesamte Welt, dass sie freiwillig von selbst in ihr Verderben ging. Vielleicht war es gar nicht so schlimm, flüsterte eine Stimme der Hoffnung ihr zu. Vielleicht war er ganz nett. Klar, nett. Der zweite Vorname der olympischen Götter. Sah man ja an Zeus, der seiner Lust kein Einhalt gebieten konnte und ständig Hera verletzte. Das würde sie nicht ertragen. Die Orgel wiederholte das Intro, weil die Braut sich nicht bewegte. Wieder fasste sie jemand am Arm, schob sie vorwärts. Ihr Blick war noch immer zu Boden gesunken, auf das schöne Blau und das Gold. Persephone legte den Kopf schief. Wenn sie genauer hinsah, waren das dann Figuren? Die Hand wurde jetzt energisch und sie stolperte, doch ihr Kopf wandte sich herum, betrachtete den golden eingestickten Zerberus. Unfreiwillig sah sie nach vorn, weil sie fast gestolpert wäre und blickte zum Altar. Dort stand er. Hades. Seine Brust hob und senkte sich selbst für sie sichtbar und um seine Mundwinkel zuckte ein Lächeln und Besorgnis, weil sie nicht zu ihm kam. Persephone kam es so vor als hätte jemand ihre Füße in Zement gegossen, sie bewegten sich keinen Zentimeter. Während sie hinauf starrte musste der Orgelspieler schon wieder wiederholen, der Enthusiasmus ließ ein wenig zu wünschen übrig. In all seinen Details nahm sie das Bild von ihm auf. Der schwarze Anzug verlieh ihm etwas Bedrohliches. Und sie liebte es. Immer, wenn er zu ihnen gekommen war, hatte er geschlossene Roben getragen, nicht mehr als nötige nackte Haut. Berührt hatten sie sich so gut wie gar nicht, doch nun konnte sie sehen, dass er sehr stattlich war. Demeter stand auf und schob sich dazwischen. Ihre Hand machte eine ruckartige Bewegung. Endlich wurde ihr bewusst, dass sie sich für eine Hochzeit total seltsam verhielt. Sie sollte sich zusammenreißen, aufrichten und nach vorne gehen. Gut, das würde sie tun! Persephone ließ den Strauß fallen, ergriff den Schleier und warf ihn zurück. Keine Sekunde später griff sie die Seiten ihres Kleides und rannte, so schnell das mit all den Lagen ging, nach vorn. Von Hades Schultern schien ein Felsbrocken zu fallen. Er atmete erleichtert auf und sein Lächeln gewann. Der Orgelspieler kam aus dem Takt, ratterte plötzlich die Noten nur so herunter. Es war ihr egal, völlig egal. Die Blicke auch. Demeters heruntergeklappter Unterkiefer. Dass sie die Stufen hinaufrannte und Hades überrascht die Augen weitete, weil sie nicht langsamer wurde und sie plötzlich die Arme um seinen Hals warf, um ihn zu küssen. „Tausendmal Ja.“ Er lachte brummend. „Ich glaube, dieser Teil kommt erst noch.“ Er legte seine Stirn auf ihre, genoss ihre Nähe. „Für einen Moment dachte ich, du willst mich nicht.“ „Natürlich will ich das“, bestätigte sie energisch und voller Freude in der Stimme. „Aber ich weiß nicht einmal wen ich will.“ „Hades. Gott der Unterwelt und des Reichtums. König und Bräutigam.“ Persephones Überraschung währte nicht lang. Dann lachte sie und küsste ihn erneut. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)