KiraNatural von KiraNear ================================================================================ Kapitel 2: Rettung am Straßenrand --------------------------------- Als sich das Licht uns näherte, versuchte ich mit zusammengekniffenen Augen zu erkennen, woher das Licht nun stammte. Ob meine Vermutung, dass es sich dabei um ein Auto handelte oder nicht, richtig war. Es dauerte ein paar Sekunden, bis sich meine Augen geringfügig an die plötzliche Helligkeit gewöhnt hatten, und ich sah, dass ich mit meiner Vermutung richtig lag. Doch den Fahrer oder das Auto selbst konnte ich nicht erkennen. Sofort musste ich an die unzähligen Momente denken, als ich im Winter am Bahnhof darauf gewartet hatte, dass mein Freund mich abholt und ich in der Dunkelheit nichts außer dem Licht von einem Auto erkennen konnte, jedes von ihnen sah gleich aus für mich. Und so erging es mir nun auch. Da ist wohl noch jemand sehr spät unterwegs. Ob der Fahrer wohl von der Arbeit kommt? Für einen Moment erwartete ich, dass das Paar Scheinwerfer zu einer Person gehören würde, welche einfach zufällig gerade jetzt die Straße entlangfuhr. Dass sie an uns vorbeifahren würde und ich würde das Auto auch sofort wieder vergessen. Doch das Auto fuhr nicht an uns vorbei, sondern blieb kurz vor unserer Bushaltestelle stehen. Sekunden später hörte ich, wie die Tür geöffnet wurde und jemand aus dem Wagen stieg. Warum kommt da jemand? Hat sich die Person verfahren? Aber dann könnte er ja auch einfach aus dem Fenster raus fragen, Andy könnte ihm bestimmt weiterhelfen. Das ist doch unnötig, da wird der doch nur nass bei dem Regen … Gerade, als ich mir noch über das Verhalten des Fahrers Gedanken machte, sah ich aus dem Augenwinkel, wie sich etwas vor mich schob und somit den Blick auf das Auto verdeckte. Es dauerte ein paar Sekunden, bis ich erkannte, dass sich mir Andy in den Weg gestellt hatte. Doch den Grund, den sah ich immer noch nicht. „Was ist denn los?“, fragte ich etwas zu leise, da ich mir nicht sicher war, ob es nicht doch an mir lag und ob ich die Antwort hören möchte oder nicht. Vielleicht ist es ja seine Freundin oder Frau und er will nicht mit mir gesehen werden, weil sie eifersüchtig werden könnte. Doch er antwortete mir nicht, stattdessen schien er die Person zu beobachten, die aus dem Auto gestiegen war. Dummerweise war er größer als ich und so konnte ich, wie ich es beispielsweise von diversen Flohmarktbesuchen gewohnt war, nicht über oder an dem menschlichen Körper vor mir sehen, was sich auf der anderen Seite befindet. Nur, dass ich im Gegensatz zum Flohmarkt nicht mögliche günstige Pokémon Karten sehen wollte, sondern die Person, die bei dem Regen aus dem Wagen gestiegen war. „Sam?“, konnte ich Andy fragen hören und ich begann mich zu fragen, ob mit Sam nun seine Partnerin oder ein Kumpel gemeint war. Oder eine Freundin oder sein Partner. Allerdings schien er wohl auch Probleme damit zu haben, den Fremden gut erkennen zu können, denn er klang mehr als unsicher beim Aussprechen des Namens. Neugierig trat ich so hinter seinem Rücken hervor, dass ich nun an ihm vorbeischauen konnte. Wieder blickte ich in das helle Licht, wieder brauchte ich ein paar Sekunden, bis ich mehr sehen konnte als die pure Helligkeit, die mich blendete. Dann fiel mein Blick auf die Person, die zu uns herübergekommen war, es handelte sich um eine Frau. Wie erwartet sagte mir der Anblick nichts, weder kam mir die Frisur, noch das Gesicht oder ihre Kleidung bekannt vor. Es war eine völlig fremde Frau für mich. Doch Andy schien sie was zu sagen, zumindest konnte ich einen leisen Fluch von ihm hören. Was ist denn nun los? Geht mich das überhaupt was an? Andy ist ja eigentlich noch ein Fremder für mich … Doch so richtig ernsthafte Gedanken über die Frau konnte ich nicht machen, denn Andy drehte sich zu mir um und der Ausdruck in seinem Gesicht war jetzt nicht gerade einer, den ich erwartet hätte. Ich dachte, er wäre genervt oder frustriert, aber stattdessen sah er mich mit großen Augen an. Er machte den Eindruck, als wollte er etwas sagen, aber wusste nicht genau was. An was auch immer es lag, die Situation schien sich für ihn verschlechtert zu haben. Seine Atmung hatte zugenommen und er wirkte auf mich, als würde er jederzeit wegrennen wollen. Was er wohl auch tatsächlich geplant hatte. Ehe ich irgendwie reagieren konnte, hatte er mich am Arm gepackt und zog mich mit sich auf die Straße, in den Regen hinein. „Hey, was wird das?“, konnte ich gerade noch herauspressen, da ich es nicht gerade nett fand, in den unangenehmen, nassen Regen rausgezogen zu werden. Doch Andy schien sich nicht die Zeit für lange Erklärungen nehmen zu wollen oder gar zu können. „Wir müssen hier weg“, war seine einzige Antwort und ich bekam das Gefühl, als wäre ich in einer Videospiel Cutszene von irgendeinem Resident Evil Spiel, in welcher der Endgegner gerade seine Aufmachung machte, damit der Spieler eine ungefähre Ahnung hatte, mit wem er es eigentlich zu tun hat, wer im Hintergrund die Fäden zieht und hinter allem steckt. War es das, bin ich in einer Horrorwelt gelandet? Verwundert und verwirrt sah ich erst Andy an, der immer noch meinen Arm festhielt und die Frau, die sich nun mittlerweile in dem Häuschen befand, genau an der Stelle, an welcher wir gerade eben noch gewesen waren. Sein Griff um meinen Arm verstärkte sich, fühlte sich aber auch leicht verschwitzt an. Sein Blick wirkte nun sehr verzweifelt. So sehe ich also aus, wenn ich mal wieder eine Impfung bekomme, fuhr es mir als erstes durch den Kopf, als ich die Angst in seinem Gesicht sah, in seinen Augen. Auch seine Körperhaltung sprach sehr dafür, er wirkte wie ein Reh, welches sofort weglaufen wollte. Die Frau dagegen machte einen sehr zufriedenen Eindruck, sie schien der Regen und die Tatsache, dass Andy vor ihr zurückwich, nicht zu stören. Schließlich begann sie zu lachen, ein sehr hässliches Lachen, was mich stark an die Krähen aus Japan erinnerten. Ein trockenes, hohes und merkwürdiges Lachen, das da aus ihrem Mund herauskam. Irgendwas stimmte an der Gesamtsituation nicht, aber ich wusste nicht genau, was. Nur, dass wir offenbar hier wegmüssen, warum auch immer. Schnell sah ich zwischen den beiden hin und her, eine Speicherfunktion wäre jetzt echt schön gewesen, damit ich beide Optionen testen und gucken kann, welche besser ist. Doch auf der anderen Seite, Andy war mein Unterstands-Bruder und ich kannte ihn so gesehen ein wenig besser als die Frau, die gerade eben erst jetzt in mein Leben getreten war. Außerdem machte sie keinen vertrauenserweckenden Eindruck. Die Aussicht, noch weiter im Regen zu bleiben, gefiel mir überhaupt nicht, aber ich war schon gefühlt klitschnass bis auf die Haut, da machte es nun auch keinen Unterschied mehr. Wenigstens fühlte sich der Regeln nicht ganz so kalt an, wie ich es für einen Winterregen vermutet hätte. „Gut, dann lass uns gehen“, sagte ich, weil ich meine Antwort so kurz und präzise wie möglich halten wollte. „O-ok“, konnte ich Andy hören, da zog er mich auch bereits mit sich. Dass er dabei rannte, war zwar etwas, was mir logisch erschien, angesichts seiner Reaktion und der Situation, dennoch hatte ich gehofft, dass es nicht dazu kommen würde. Vor allem wegen meiner sehr geringen Ausdauer. Doch das konnte ich Andy nicht mitteilen, er zog mich zwar mit sich mit, was vermutlich einen sehr großen Teil davon ausmachte, weshalb ich mit ihm Schritt halten konnte und trotzdem fing ich sehr kurzer Zeit stark zu schnaufen an. Eventuell wäre es doch besser gewesen, hätte ich mal auf Sinni gehört, als er meinte, ich sollte mal was für meine Ausdauer tun. Und so rannten wir, er mit mehr Energie als ich, die Straße entlang. Der Regen fiel mir in die Augen, aber ich kam nicht ran, um sie wegzuwischen, da er sich meinen rechten Arm geschnappt hatte. Außerdem versuchte ich mehr auf meine Atmung zu achten, damit war ich schon mehr als genug beschäftigt. „Tut mir leid, dass ich dich in diese Sache hineingezogen habe“, sagte er, kaum hatte er mich um eine Ecke gezogen und blickte kurz um diese, um zu schauen, ob wir verfolgt wurden. „Eigentlich wollte ich das nicht machen, aber wer weiß, zu was diese Frau alles im Stande ist. Möglicherweise denkt sie, dass wir uns kennen und dann wäre es auch für dich vielleicht gefährlich geworden. Das hört sich möglicherweise seltsam an, aber sie will mich umbringen … es tut mir wahnsinnig, ich bin mir sicher, du hast dir deinen Abend auch ganz anders vorgestellt.“ Besorgt sah ich Andy an, dann die Hand, mit welcher er mich immer noch festhielt. Andere Leute würden jetzt vermuten, dass er unter Drogen stand oder irgendwelchen anderen Substanzen, die ihn in eine Art Wahn gepackt hatten, weswegen er deshalb solche Dinge sagte. Gut, ich kannte so gut wie keinen, der unter Drogeneinfluss gestanden hatte und ich wusste nicht, wie sehr die Stereotypen aus dem Fernsehen der Wahrheit entsprechen. Aber ich hatte nicht das Gefühl, dass Andy mich anlog, ob nun mit Absicht oder ohne; oder dass er auf irgendeinem schlechten Trip wäre. Auf mich diese Frau hatte irgendeinen einen seltsamen Eindruck gemacht. Ohne, dass sie was gesagt hat, wirkte ihre Erscheinung, ihr Auftreten sehr bösartig, fast schon dämonisch finster. Anders konnte ich es mir nicht erklären oder beschreiben. „Schon in Ordnung, ich denke, du bist ein feiner Kerl und hast es nicht mit Absicht gemacht. Die Frau war wirklich sehr seltsam, glaub nicht, dass ich gerne mit der alleine geblieben wäre“, sagte ich und merkte, wie mir die Luft ausging, kaum hatte ich den Satz beendet. Denn im Gegensatz zu Andy, der nur leicht schnaufte, atmete ich, als müsste ich eine Lunge in der Größe eines Fußballfeldes mit Sauerstoff versorgen. Meine roten Blutkörperchen taten mir auch leid, die mussten ja geradezu durch meinen Körper rasen. „Es tut mir trotzdem leid“, sagte er und ich konnte es verstehen. Auch konnte ich verstehen, dass wir hier nicht lange stehen bleiben, sondern wiederrennen mussten, auch wenn meine Lunge, mein Körper, meine gesamte Existenz nach einer Sitzgelegenheit schrien, damit ich mich draufsetzen und sie für Stunden nicht verlassen würde. Doch auf diese Gelegenheit würde ich erstmal warten müssen.   Bedauerlicherweise gelang es mir nun nicht mehr ganz so gut, mit ihm mitzuhalten. Nicht nur, dass meine Beine kürzer waren als seine, meine Energie war auch an ihre Grenzen gekommen. So hatte sich recht schnell ein großer Abstand zwischen uns gebildet und da Andy mich nicht zurücklassen wollte, hatte er mich wieder am Arm genommen und mit sich mitgezogen. Ob er dabei einem bestimmten Weg folgte oder einfach nur wegwollte, konnte ich nicht sagen. Wir rannten immer weiter in eine Richtung, doch um welche Himmelsrichtung es sich handelte, konnte ich nicht sagen. Wir liefen an diversen Gärten und Häusern vorbei, die ich alles andere als erwartet hätte. Ich sah viele einstöckige Häuser, merkwürdige Gehwegplatten und Vorgärten mit mal mehr, mal weniger Deko darin. Offenbar bin ich in den USA – erinnert mich an den einen Ort in Indiana, als wir dort Urlaub gemacht hatten. Wie hieß der nochmal? Mir fällt der Name nicht ein … Die meiste Zeit rannten wir, ich spürte, wie meine Lunge und meine Luftröhren brannten, wie sehr mein Körper nachließ und wie laut mein Atem sich anhörte. Auch erntete ich hin und wieder mitleidige Blicke von Andy, vermutlich versuchte er auch, mich dazu zu überreden, durchzuhalten. Und ich wollte auch durchhalten, auch wenn keiner von uns beiden wohl wusste, wie lange. Nur hin und wieder blieben wir stehen, versteckten uns hinter Ecken oder Hindernissen, um zu sehen, ob wir von der Frau verfolgt wurden, ob nun zu Fuß, oder, was wahrscheinlicher war, mit dem Auto. Doch es war ruhig, bis auf mich und mein angestrengtes Atmen war nichts zu hören. Und so rannten wir weiter, immer weiter, bis wir neben einem großen Paket-Postkasten zum Stehen kamen. Auch Andy war mittlerweile ausgepowert und ich vermutete, dass er nicht nur mir zuliebe stehen geblieben war, sondern auch, weil er selbst wohl keine Puste mehr hatte um weiterlaufen zu können. Noch immer konnten wir die Frau nicht sehen, worüber ich sehr froh war. Meine Beine fühlten sich weich an und ich wusste nicht, wie lange ich das mitmachen konnte. Vor allem, da sich der empfindliche Muskel in meinem rechten Bein meldete, jetzt weiter zu laufen könnte für mich nun noch schwieriger werden. Doch ich wollte nicht nachgeben, ich konnte es nicht, nicht, bis wir nicht mehr von der Frau verfolgt wurden. Nur für immer rennen könnte selbst Andy nicht. Während wir uns von der Flucht erholten und uns immer mal wieder umsahen, bemerkten wir ein Auto, was sich uns näherte. Oh nein, bitte nicht schon wieder, ich kann nicht mehr! Andy schien den gleichen Gedanken zu haben, er nahm die gleiche Körperhaltung wie zuvor ein und sein Hand griff nach meinem Arm, den ich ihm wie selbstverständlich hinhielt. Doch so recht machte er nicht den Eindruck, dass er gleich weglaufen würde. Als hoffte er darauf, nicht weglaufen zu müssen. Vermutlich war auch seine Ausdauer nicht die Beste und er fühlte sich müde, erschöpft, wie ich. „Komm, lass uns gehen“, sagte er kraftlos und wir gingen mehr, als dass wir rannten, von dem Auto weg. Wobei sich mein Gehen mehr wie ein Humpeln anfühlte, ich spürte, wie mein rechtes Bein protestierte und Schmerzen in den empfindlichen Muskeln schickte. Auch mein linkes Bein, welches wieder als Anschiebekraft diente, fing langsam zu schmerzen an. Doch es half alles nichts, der Wagen holte uns natürlich mit einer hohen Leichtigkeit ein. Zwei ausgepowerte Menschen waren für ein Auto keine Herausforderung. „Verdammt, wir müssen hier weg!“, sagte Andy recht widerwillig und ließ meinen Arm los. Wir standen vor einem Zaun, welcher weitaus höher als ich war, einer aus Metall. Da waren wir durch zaunlose Nachbarschaften gelaufen und ausgerechnet jetzt in einer gelandet, wo die Nachbarn es mit ihren Grundstücksgrenzen nun ganz genau nahmen. Ich wusste nicht, wohin Andy gehen wollte, sobald er den Zaun überwunden hatte, sah ihm aber dabei zu, wie er es versuchte. Dass ich ihm über den Zaun nicht folgen konnte, die Worte dafür steckten mir im Hals, und irgendwo schloss ich bereits mit meinem Leben ab. Irgendwo, ganz tief und klein in mir drin. Andy stellte sich bei seiner Kletterpartie alles andere als gut an und ich hatte meine Zweifel, ob er es überhaupt bis zur Spitze des Zauns schaffen würde. Erst, als hinter uns eine Männerstimme ertönte, hielt er inne. „Andy?“, konnte ich den Mann hören und für einen kurzen Moment hatte ich das Gefühl, die Stimme zu kennen. Die kommt mir so bekannt vor, die klingt wie … ach, das ist doch Unsinn, dachte ich mir und sah dabei Andy zu, wie er dort oben an dem Zaun hing, innehielt und dann runter blickte, zu der Person, die sich wohl neben ihrem Auto befinden musste. Dann kletterte er herunter und ließ sich neben mir auf den Gehweg fallen, er wirkte sichtbar erleichtert und ich hatte das Gefühl, dass wir nun doch in Sicherheit waren.   „Jungs, ich bin so froh, euch zu sehen!“, konnte ich Andy hören und im Augenwinkel sehen, wie er auf die Stimme zuging, offenbar war dort mehr als eine Person. Andy klang mehr als erleichtert, das bedeutete, wir waren nicht nur in Sicherheit, sondern auch in Gesellschaft von Menschen, die er kannte. Uns konnte nun erstmal nichts passieren, oder? Neugierig drehte ich mich um, und wusste nicht, wohin ich zuerst gucken sollte. Wusste nicht, was ich zuerst verarbeiten sollte. Eigentlich wollte ich mich bedanken, meine Atmung normalisierte sich langsam, aber sicher, aber ich bekam kein Wort heraus. Während Andy neben den beiden Männern stand, bekam ich meine Beine nicht vom Fleck weg. Das kann doch nicht wahr sein, das … das ist doch nicht möglich, das ist doch ein Traum?! OMG, OMG, OMG! Vor mir stand ein langer, schwarzer, mir wohlbekannter Impala, einer der berühmtesten Autos der Welt. Eines, wie es als Spielzeug bei uns im Wohnzimmerschrank stand, mein Freund hatte es mir mal zum Geburtstag geschenkt. Und neben dem Impala standen die beiden Besitzer, zwei junge Männer, die das Auto nutzten, um tagein, tagaus durch die amerikanische Landschaft zu fahren, Menschen zu retten und das Böse zu jagen. Um dem Familienauftrag zu erfüllen. Oft genug hatte ich sie dabei beobachtet, entweder alleine oder mit meinem Freund, mit ihnen vor dem Bildschirm gelacht, gelitten, gefiebert und auch gelegentlich geshippt; aber nun standen sie vor mir. Vorsichtig sah ich mich um, konnte jedoch nichts erkennen, was wie ein Filmstudio aussah. Um mich herum normale Dunkelheit, aber der Himmel nahm kein Ende. Auch konnte ich nirgendwo ein Kamerateam sehen, welches uns gerade für irgendeine Szene filmte. Wieder blickte ich zu den beiden zurück und konnte es nicht glauben: Dean und Sam Winchester standen vor mir. Nicht ihre Darsteller, keine Pappfiguren, die echten, lebendigen Brüder. Ich zwang mich dazu, meine Augen wieder auf normale Größe zusammenzukneifen und sie nicht anzustarren, stattdessen guckte ich mir immer wieder das Auto an. Mein Kopf war wie leergefegt und ich war froh, dass Andy für uns das Sprechen übernahm. „Ich bin wirklich froh, dass es dir gut geht. Vor allem nach deiner letzten SMS haben wir uns Sorgen gemacht“, sagte Sam und die beiden umarmten sich brüderlich. Sam klopfte ihm dabei auf den Rücken und auch Dean machte, soweit ich es erkenne konnte, einen erleichterten Eindruck. Offenbar hatte Andy irgendwann zuvor den Brüdern geschrieben und diese waren nun auf der Suche nach ihm gewiesen. Vermutlich hatte Sam vom Beifahrersitz aus das Handy von Andy am Laptop geortet und Dean dann gesagt, wie er fahren muss. Dass wir durch so manche Gasse gegangen waren, hatte die beiden bestimmt auch zum Fluchen gebracht. „Gut, dass ihr da seid, es ist auch schön, euch zu sehen“, sagte Andy, kaum hatte er seine Umarmung mit Sam gelöst. „Wir müssen sofort weg von hier. Er ist in der Nähe und wir dürfen keine weitere Zeit verlieren.“ Sowohl sein Tonfall, als auch sein Blick waren ernst und dann sah er zu mir herüber. Er? Aber wir wurden von einer Frau verfolgt, ist da etwa noch jemand hinter ihm her? Ein Komplize? Oder der Boss der Frau? „Ja, gut, dann fahren wir lieber“, sagte Dean und ging sofort zur Fahrerseite. Sam dagegen sah erst Andy, dann mich an. „Hey, wenn du möchtest, dann können wir dich auch gerne ein Stück mitnehmen, zum nächsten Ort oder nach Hause, was dir lieber ist. Wegen Entfernungen musst du dir keine Gedanken machen, das ist nichts ungewöhnliches für uns“, sagte Sam freundlich. „Das wäre cool, Jungs, ich möchte sie hier ungern alleine lassen. Sie hat mich zusammen mit ihr gesehen und wer weiß, was die Frau mit ihr macht, wenn sie jetzt hier alleine auf der Straße stehen bleibt. Eine Chance hat sie auf jeden Fall keine.“ Sam nickte und ging auf den Impala zu, öffnete die Tür hinter seinem Sitz und machte eine einladende Geste. „Dann setz dich erstmal zu uns ins Auto und sag uns, wohin wir dich fahren können. Immerhin scheinst du eine Freundin von Andy zu sein und er macht sich um dich Sorgen, also wollen wir dir helfen.“ Dabei lächelte er mich freundlich an. Ich versuchte zurückzulächeln, aber wie gewohnt gelang es mir nur mäßig. Auch versuchte ich Worte zu finden, wollte sagen, dass wir keine Freunde sind, aber da Andy nichts dazu sagte, ließ ich es bleiben. Vermutlich sah er mich sogar schon als Freundin an, denn obwohl ich ihn als meinen Unterstands-Bruder bezeichnet hatte, war er für mich nach wie vor ein Fremder. Aber ich wollte nicht unhöflich sein. „Danke, das ist sehr nett, ich weiß auch gar nicht mehr den Weg zur Bushaltestelle zurück“, sagte ich, weil es das Einzige war, was mir einfiel. Dann folgte ich seiner Einladung und ließ mich auf die Rückbank des Impala fallen.   Wie ich es von geräumigen, amerikanischen Autos gewohnt waren, war der Impala sehr bequem und angenehm zu sitzen. Kaum waren Andy und Sam mit in den Wagen gestiegen, war Dean auch schon wieder losgefahren. Sie hatten sich kurz über die Frau unterhalten, doch Andy erzählte nur, was wir zusammen erlebt hatten. Offenbar wollte er in meiner Anwesenheit nicht über Dinge reden, die mich in seinen Augen nichts angingen; immerhin bereute er es jetzt schon, dass ich involviert war und ich hatte absolut keine Ahnung, was hier nun eigentlich los war. Ich verstand ja noch nicht einmal, warum ich überhaupt hier war oder wie es überhaupt alles möglich sein konnte. Unter mir spürte ich das sanfte Leder des Impalas, was meine Traumtheorie komplett ausschloss. Denn wäre es ein Traum, könnte ich das Leder nicht wirklich spüren. „Wie heißt du eigentlich?“, wollte Sam nun wissen und sah kurz zu mir hinter. Ich konnte es immer noch nicht glauben, und ich musste mich zusammenreißen, dass ich nicht in Tränen ausbrach vor Freude. „Ich heiße Kira; und du?“, fragte ich, obwohl die Frage für mich total überflüssig war. Aber ich wollte den Schein waren. „Ich bin Sam und das hier ist mein Bruder Dean. Wir sind Freunde von Andy“, sagte Sam und beließ es ebenfalls bei dem Nötigsten. Ich wusste schon, warum er es tat, anderen Leuten zu erzählen, dass sie Jäger sind, taten sie auch nur, wenn es sich nicht vermeiden ließ. „Das ist schön, dass Andy so hilfsbereite Freunde hat, die hat nicht jeder!“, lobte ich die Brüder und es schien gut anzukommen. Zumindest begann Sam zu lächeln und auch Dean konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen, soweit ich es im Rückspiegel erkennen konnte. „Sag mal, Kira, wo sollen wir dich hinfahren, was wäre dir lieber? Nach Hause oder zum nächsten Ort?“ Ich überlegte, doch da ich keine Ahnung hatte, was der nächste Ort wäre, sagte ich, leicht unüberlegt: „Nach Hause?“ Sam nickte, dann drehte er sich wieder nach vorne und begann, auf seinem Laptop einzutippen. „Gut, dann sag mir am besten deine Adresse, damit wir dich gleich hinfahren können.“ Wieder überlegte ich. Sollte ich ihnen meine Adresse wirklich nennen? Immerhin ist es eine deutsche Adresse, aber was werden sie sagen? Ob ich dann einfach sagen kann, dass ich deutsche Touristin bin? Ne, dann würden sie ja denken, ich habe irgendwo ein Hotel gebucht. Blöd, dass ich die ehemaligen Adressen von Sinnis Mutter nicht mehr weiß. Mit dem Wissen, dass es die Sache noch komplizierter machen würde, als nötig, nannte ich Sam meine Adresse. Als er es wiederholte, meinte er nur: „Ah, einer der vielen Orte, die nach Deutschland klingen“, und da fiel mir ein, dass die USA sich gerne mal an Städtenamen anderer Länder bediente, wenn es darum ging, ihre eigenen Orte zu benennen. Es dauerte jedoch nicht mehr lange, da schien Sam auf Probleme zu stoßen. „Oh, bist du dir sicher, was die Adresse angeht? Ich kann sie leider nicht finden, mein Navi hat Probleme damit“, sagte Sam und drehte sich wieder zu mir um. Dabei nahm er seinen Laptop mit, sodass ich ebenfalls mit draufschauen konnte. Adresse nicht gefunden; stand dort in einem kleinen, weißen Fenster. Ich sah mir die Adresse an und nickte. „Ja, doch, die Adresse stimmt, dort wohne ich.“ Merkwürdig, dass das Navi nicht mal die Adresse in Deutschland zeigt. Oder ist es auf die USA beschränkt? „Das ist merkwürdig, also du bist dir absolut sicher?“, fragte Sam und ich konnte im Rückspiegel Deans Blick sehen. Ich kannte ihn, so sah er immer aus, wenn er irgendeinen Verdacht gegen jemanden hegte. Die meiste Zeit hatte er auch noch Recht mit diesem Blick. Schnell sah ich wieder zu Sam. „Ja, ich bin mir sicher, aber ich weiß auch nicht, warum das Navi die Adresse nicht finden kann.“ Sam sah zu Dean hinüber, dieser erwiderte kurz seinen Blick. Erneut drehte sich Sam wieder nach vorne und klappte den Laptop hörbar zu. „Ok, dann nehmen wir dich erst einmal mit zu uns, dann versuchen wir herauszufinden, was da jetzt eigentlich los ist“, sagte er und dann herrschte für den Rest der Fahrt Schweigen.   Nach einer stummen Fahrt, in welcher das Tippen von Sam auf seiner Laptoptastatur das einzige Geräusch war, erreichten wir unser Ziel. „Blue Motel“, hieß das Gebäude, an dessen Parkplatz Dean den Impala parkte. Wie gewohnt sah das Motel sehr schäbig, sehr alt und sehr billig aus, aber dafür würde wohl die Zimmermiete nicht so viel kosten. Zum Glück hatte der Regen mittlerweile aufgehört oder war in dieser Gegend nicht aktiv, ich war jedoch froh, beim Aussteigen nicht noch nasser zu werden. Da die zwei Brüder ihr Zimmer direkt ansteuerten, musste es bedeuten, dass sie bereits länger als einen Tag lang hier waren. Als Andy und ich ihnen hineinfolgen wollten, blockierte Sam die Tür. „Hey, wartet mal, mein Bruder hat dort drin ein ziemliches Chaos hinterlassen, wir räumen das nur mal schnell weg, dauert auch nicht lange“, sagte Sam mit einem gezwungenen Lächeln, bevor er die Tür vor unserer Nase verschloss. Andy und ich sahen uns an, dann zuckte ich mit den Schultern, um eine kleine Reaktion zu zeigen. Ich konnte mir schon denken, was sie dort drin eigentlich machten. Mit Sicherheit waren sie wegen einem Fall in der Nähe und räumen nun alles weg, was nach Jäger aussah. Andy wusste es mit Sicherheit, aber sie taten es ja wegen mir, einer völlig Fremden. Sie taten mir leid, wenn die Karten auf dem Tisch liegen würden, dann hätten sie die Arbeit jetzt nicht. Doch ich konnte ihnen auch schlecht sagen: Hey, ich weiß, wer ihr seid und was ihr so macht. Also wartete ich mit Andy draußen, bis Sam wieder die Tür öffnete und uns mit einem nun viel aufrichtigerem Lächeln hineinbat. Kaum hatte Andy die Tür hinter uns geschlossen, drückten uns die Brüder je einen kleinen Stapel an Klamotten in die Hände. „Wenn ihr möchtet, könnt ihr euch umziehen, wir haben ein paar trockene Klamotten für euch finden können, die müssten euch beiden passen“, sagte her, hob eine Hose hoch und sah mich an. Ich war jetzt nicht gerade die Schlankste, aber als er die Hose weit dehnen konnte, war ich überzeugt. „Danke, das ist sehr nett von euch“, bedankte ich mich, doch Sam winkte nur ab. „Hey, das ist doch kein Thema. So durchnässt, wir ihr seid, könnt ihr euch noch was einfangen. Wir brauchen die Sachen sowieso gerade ja nicht, die …“ „Die haben wir mal geschenkt bekommen, aber wir haben uns beide erst vorhin umgezogen“, sagte Dean hastig, weil er wohl befürchtete, dass sich sein Bruder verplappern könnte. Dabei sah ich die Gefahr eher bei Dean, als bei Sam. „Ja, genau, unsere Anziehsachen sind noch alle frisch. Daher könnt ihr euch die Sachen ruhig ausborgen“, fügte Sam hinzu. Dann deutete er auf eine kleine Tür am anderen Ende des Flurs. „Kira, wenn du möchtest, kannst du gerne unser Bad zum Umziehen benutzen. Lass dir auch ruhig so viel Zeit wie du möchtest. Denke, da müsste auch ein Föhn sein, pass nur ein wenig auf, der kennt nicht viel zwischen kalt und heiß.“ „Ja, mit dem Mistding habe ich mir doch gestern fast die Kopfhaut geräuchert!“, beschwerte sich Dean und Sam sah ihn ungläubig an. Offenbar war es für ihn etwas Neues, dass sein Bruder überhaupt einen Föhn benutzte. Dankbar nickte ich den Brüdern zu. „Dann mache ich es gleich, fühlt sich auch nicht mehr so angenehm an, wenn alles an einem so klebt“, sagte ich und ging mit schnellen Schritten ins Bad, da ich die nassen Sachen wirklich so schnell wie möglich loswerden wollte. Im Bad angelangt verschloss ich die Tür, die drei Jungs wussten zwar, dass ich hier drin war, aber es war mir lieber so. Dann legte ich meinen Stapel auf den runtergeklappten Klodeckel, bevor ich mich stückchenweise aus meinen eigenen Sachen schälte. Ob ich für meine Klamotten eine Tüte bekomme? Oder ob ich die irgendwo trocknen kann, in ‚nem Trockner oder auf einer Wäscheleine? Aber ich habe dummerweise keine Dollars bei mir… Kaum war ich aus meinen Sachen draußen, sah ich mich nach einem Handtuch um. Es stört die Jungs bestimmt nicht, wenn ich mir eins davon nehme. Ich nahm eins der kleineren Handtücher, die ich finden konnte und rubbelte mich überall ab, zuletzt meine Haare. Sam hatte mir zwar vorgeschlagen, sie mit dem Föhn zu trocknen, aber ich entschied mich, sie an der Luft trocknen zu lassen, da sie kurz genug waren, dass es nicht lange dauern würde. Jetzt kommt der Moment der Wahrheit. Bitte, Hose, passe mir! Langsam stieg ich in die Hose und zog sie an mir herauf. Sie näherte sich meinem breitesten Punkt des Körpers; und ich konnte sie mühelos überstreifen. Ein Glück, dass Stoffhosen so viel flexibler sind als andere, mit ‚ner Jeans von den Jungs wäre es jetzt richtig peinlich geworden. Peinlich und unangenehm, besonders für mich. Gerade, als ich mir die Socken angezogen hatte, hörte ich ein Geräusch aus dem Nebenzimmer. Reden die gerade miteinander? Klar, warum sollten sie es nicht tun? Über was sie wohl gerade reden? Neugierig hielt ich mein Ohr an das Schlüsselloch, glücklicherweise waren die amerikanischen Türen so dünn, wie es das Klischee immer über die Wände sagt, so dass ich einigermaßen verstehen konnte, was dort drüben besprochen wurde. „Also ich weiß nicht, wirklich verdächtig kam sie mir jetzt nicht vor“, konnte ich Sam sagen hören. „Trotzdem“, reagierte Dean prompt. „Wir sollten sie trotzdem kurz testen, du weißt nicht, ob sie nicht vielleicht doch ein Dämon ist. Oder eine Hexe. Was, wenn sie gerade ihre Körperflüssigkeiten da drin verteilt? Oder einen Hexenbeutel versteckt?“ Ich konnte Sam vor meinem inneren Auge sehen, wie er verwundert, aber auch amüsiert den Kopf langsam schüttelte. „Ach was, ich denke nicht, dass sie irgendein Monster ist, dafür stellt sie sich dann doch zu menschlich an. Außerdem machte sie vorhin alles andere als einen fitten Eindruck, Dämonen suchen sich dann doch eher fitte Menschen für ihre Pläne aus.“ Nun mischte sich auch Andy ein. „Also ich denke auch nicht, dass sie ein böser Mensch ist, sie war einfach nur zur falschen Zeit am falschen Ort. Sie tut mir auch total leid, dass ich sie da in die ganze Sache mit reingezogen habe, die Arme war total fertig nach unserer Flucht. Aber ich konnte sie auch nicht bei der Frau stehen lassen, das Risiko war mir dann doch zu groß. Sie scheint nett zu sein, aber sie hat nichts mit mir oder euch am Hut. Wir sollten sie so bald wie möglich gehen lassen, am besten in einer anderen Gegend, damit sie sicher ist vor … denen.“ Nun stellte ich mir vor, wie Sam und Dean sich ansahen und nickten. „Wir können verstehen, dass du so gehandelt hast, auch wenn es die Sache jetzt nicht gerade einfach macht. Was sagen wir ihr überhaupt? Jeder normale Mensch wird jetzt Fragen haben und ich bin mir sicher, dass sie da keine Ausnahme ist“, meinte Sam und klang dabei nachdenklich. „Aber gut, wie wir jetzt genau mit ihr umgehen, wie lange wir auf sie aufpassen und wie es dann mit ihr danach weitergeht, das können wir uns ja noch überlegen. Nun sag mal, kannst du uns irgendwas über die Frau sagen, die hinter euch her war?“ Ein Bett knarrte und knackte, offenbar hatte sich einer der drei auf eines der alten Betten hingesetzt. „Nun ja, viel kann ich euch leider nicht sagen, leider“, sagte Andy angestrengt. „Soweit ich weiß, ist sie jetzt schon seit Tagen hinter mir her. Ich habe natürlich versucht, falsche Spuren und Fährten zu legen, aber offenbar ist sie schlauer als ich. Was sie genau von mir möchte, hat sie mir nicht gesagt, aber es kann auf keinen Fall etwas Gutes sein, dass sagt mir schon alleine mein Bauchgefühl.“ „Oh Mann, Andy“, konnte ich nun Dean hören. „Wenn dieses gruselige Killerweib hinter dir her ist, warum hast du sie nicht einfach um die Ecke gebracht? Am Ende ist sie sowieso nur irgendein 08/15 Dämon, hättest du sie getötet, dann hättest du den ganzen Schlamassel nicht. Dann hättest du sie da jetzt auch nicht reinziehen müssen und dein Problem zu ihrem gemacht, genauso wie du sie jetzt zu unserem Problem gemacht hast.“ Doch Andy schien entweder davon nicht begeistert zu sein oder er war auf die Idee nicht gekommen. „Nein, ich meine, ich habe nichts bei mir, keine Waffe, nichts. Außerdem habe ich keine Ahnung, wie man einen Dämonen tötet. Und was, wenn sie keiner ist, sondern etwas ganz anderes?“ Er seufzte laut, offenbar machte ihm die Gesamtsituation sehr zu schaffen. „Das mit Kira tut mir ja wirklich leid, das ist sehr blöd gelaufen. Andererseits, ihr hättet sie doch auch nicht stehen gelassen?“ „Nein, natürlich nicht“, beschwichtigte Sam ihn. „Was passiert ist, ist nun mal passiert.“ Er pausierte ein paar Sekunden, bevor er schließlich sagte: „Aber dafür weiß ich nun, was wir mit ihr machen können.“ „Ach ja, und was? Mit uns im Impala herumschleppen, bis wir das Killerweib erledigt haben, weil Mr. Unbewaffnet hier sie nicht erledigen konnte?“, fragte Dean in seinem gewohnt sarkastischem Ton. „Nein, wir müssen sie nicht länger bei uns behalten als nötig“, sagte Sam nachdenklich. „Abgesehen davon mache ich mir auch ein wenig Sorgen um sie, daher würde ich vorschlagen, dass wir sie am besten ins nächste Krankenhaus bringen sollten. Zur Not drücken wir ihr ein wenig Geld in die Hand, für die Behandlung und für die Fahrkarte nach Hause. Sie wusste ihre Adresse nicht und wenn sie kein Dämon oder anderes Monster ist, dann hat sie vielleicht Probleme mit dem Gedächtnis.“ „Du meinst, sowas wie eine Amnesie?“, fragte Andy nach. „Ja, genau, das meine ich“, sagte Sam und ich hörte ein weiteres Knarzen, wer auch immer auf dem Bett gesessen war, war nun wieder aufgestanden. „Das klingt doch gut. Wir geben ihr ein wenig Geld mit, sie lässt sich ordentlich untersuchen und dann kann sie in ihr normales Leben zurückkehren. Am besten erklären wir ihr das noch so einfach wie möglich, natürlich ohne die Wahrheit zu sagen, aber sie soll nicht über die Sache nachdenken.“ „Das wäre am besten, immerhin habe ich ihr erzählt, dass die Frau mich umbringen will“, sagte Andy in einem Tonfall, der verriet, dass er es wohl mittlerweile bereute, es mir erzählt zu haben. „Da wird uns schon was einfallen“, meinte Sam. „Gut, dann machen wir es so? Wir geben ihr eine einfache, normale Erklärung für all das hier ab; und dann bringen wir sie mit ein wenig Taschengeld in einem nahen Krankenhaus unter. Danach wird man sich um sie kümmern und im Anschluss ist sie wieder ein ganz normaler Mensch mit ganz normalen Alltagsproblemen.“ Schweigen breitete sich im Raum aus, ich konnte mir nur vorstellen, dass die beiden Brüder ihm via Körpersprache zugestimmt hatten. Irgendwie machte mich die Vorstellung traurig, dass sich unsere Wege wieder so schnell trennen würden und ich sie dann vermutlich nie wieder sehen würde, aber ich konnte es verstehen. Aus ihrer Sicht machte es nur Sinn, eine random Zivilistin, die zufällig in die Sache gestolpert war, so schnell wie möglich wieder ins normale Leben entlassen zu können. Doch wohin sollte ich gehen? Egal, wie viel Geld sie mir mitgeben würden, wie sollte ich nach Europa kommen? Ob ich es wohl mal mit Beten versuchen sollte? Ob mir wohl ein Engel helfen würde? Ich schüttelte den Kopf. Zuerst einmal musste ich schauen, wie ich das mit dem Krankenhaus überstehen würde, zumal ich keine Papiere hatte. Oder reichte einfach nur das Geld, das ich dort zahlen müsste? Meine aufkommende Traurigkeit runterschluckend, nahm ich mir das Leihshirt und zog es mir über. Da die Jungs natürlich keine Frauenunterwäsche bei sich hatten, legte es sich deutlich an meinen Oberkörper heran. Da fiel mein Blick auf das Motiv des Shirts, es handelte sich dabei um schwarzes mit einem weißen „Rock’n’Roll“ Aufdruck und einem blau-weißen Bass darunter. Ich konnte mir vorstellen, wem das Shirt vorher gehört hatte und musste ein wenig schmunzeln. Vielleicht, wenn ich ganz lieb fragen würde, würde ich das Shirt behalten können und das würde mir gefallen, aus mehreren Gründen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)