Know Your Darkness von stone0902 (Sasuke x Sakura) ================================================================================ Kapitel 1: Kapitel 1 -------------------- „Ich denke immer noch, dass das keine gute Idee ist.“ Von ihrem Standort aus konnten sie Konoha bereits sehen. Die Sonne ging gerade hinter dem Horizont unter und nahm die letzten hellen Strahlen, die die Umgebung erleuchteten, mit sich. Über ihren Köpfen erstreckte sich der dunkelblaue Himmel, dessen Sterne beinahe ebenso spärlich leuchteten, wie die Lichter, die in den Häusern Konohas angezündet wurden. Das Dorf, das versteckt unter den Blättern lag, versank nun unter einem friedlichen Nachthimmel, der sanft das Ende des Tages einläutete. Über die Gesichter der einstigen Hokage, die in den riesigen Felsen gemeißelt waren, zogen sich lange Schatten. Genau dort befand sich das Büro der Hokage. „Was du denkst interessiert keinen“, murmelte Karin kühl, woraufhin Suigetsu die Augen verengte und die spitzen Zähne fest zusammenbiss. Die beiden Streitköpfe fingen wieder einmal an zu zanken, doch Sasuke hörte ihnen nicht zu. Seine schwarzen Augen blickten unverwandt in die Richtung seines ehemaligen Heimatdorfes, dem er vor vier Jahren den Rücken gekehrt hatte. Seit damals war es das erste Mal, dass er sich so nah an Konoha heranwagte. Bisher war es ihm immer gelungen, einen großen Bogen um seine Vergangenheit zu machen. Seitdem er zu Orochimaru übergelaufen war, war er viel in der Welt herumgekommen. Der Sannin besaß, abgesehen von Otogakure, das im Reich der Reisfelder lag, zahlreiche Verstecke, die sich über alle Länder erstreckten. Sie waren viel umher gereist und auch nach Orochimarus Tod hielt Sasuke sich nie länger als nötig an einem Ort auf. Ein richtiges Zuhause besaß er nicht. Mit seinem Team war er ständig unterwegs, wanderte von Versteck zu Versteck, von Dorf zu Dorf und von Land zu Land. Letztendlich hatte es ihn doch hierher zurück verschlagen. Die Wachen, zwei lausige Chūnin, lagen bewusstlos einige Meter von ihnen entfernt auf dem Erdboden. Karin hatte die beiden Wachmänner schnell aufgespürt. Selbstverständlich achtete Konoha auf die Sicherheit des Dorfes, doch diese beiden untauglichen Shinobi waren alles andere als eine Herausforderung gewesen. Mithilfe seines Sharingan und eines Genjutsus hatte Sasuke noch die nötigen Informationen aus ihnen herausbekommen: Tsunade bekleidete immer noch das Amt der Hokage und arbeitete oft in ihrem Büro bis spät in die Nacht. Das war alles, was er wissen wollte. Und wenn die Wachen in der Nähe des Hokagegebäudes ebenso leicht auszuschalten waren, würde diese Mission vielleicht sogar einfacher werden als gedacht. „Bist du sicher, dass nicht vielleicht doch lieber ich gehen sollte?“, fragte Suigetsu, weniger besorgt, eher skeptisch. Karin schnaubte augenblicklich missbilligend, da ihr Teampartner es wagte die Anordnung ihres Anführers in Frage zu stellen. Sasuke blickte über seine Schulter zu ihnen. „Ich gehe.“ Seine Antwort war schlicht und besaß dennoch genügend Autorität, dass seine Entscheidung von niemandem mehr angezweifelt wurde. Suigetsu seufzte nur kapitulierend und versuchte den darauf folgenden überheblichen Blick seiner rothaarigen Teamkameradin zu ignorieren. Nur Jūgo blieb still. Schon beinahe emotionslos beobachtete er die Szenerie. Aber auch er würde sich an den Plan halten. Sasuke musterte die drei. Nicht nur die anbrechende Dunkelheit sorgte dafür, dass er die Mitglieder aus Team Hebi nicht wirklich sehen konnte. Ihre Umrisse waren verschwommen. Das ganze Bild wirkte wie ein dunkles Gemälde aus verwischten Farben. Seine Augen schmerzten, seitdem er vor wenigen Minuten sein Sharingan benutzt hatte, um das Genjutsu anzuwenden. Dafür, dass er die drei kaum erkennen konnte, konnte er ihr Chakra umso besser spüren. Als seine Augen begannen vor einigen Monaten ihr Licht zu verlieren hatte Sasuke zuerst ungeheure Wut empfunden. Mit jedem Tag, an dem die Erblindung fortschritt, wuchs der Zorn zu einem qualvollen Geschwür, das sich immer mehr in Angst und Verzweiflung verwandelte. Nun empfand er nichts anderes als pure Entschlossenheit. Das Sharingan, das mächtigste Dōjutsu, war seine Identität und das, was ihn als Shinobi ausmachte. Seitdem er es erweckt hatte waren seine Augen seine stärkste Waffe. Doch das Schicksal war ein mieser Verräter, denn so kam es, dass seine Gabe auch gleichzeitig den größten Fluch beherbergte. Itachi hatte ihm während ihres Kampfes vom Fluch der Mangekyō Sharingan erzählt. Das mächtige Kekkei Genkai forderte seinen Tribut, in dem es das Augenlicht seines Besitzers auslöschte. Sein Bruder, der zu diesem Zeitpunkt womöglich schon halb erblindet war, hatte versucht ihm die Augen zu stehlen, um an das ewige Mangekyō Sharingan zu gelangen, der einzigen Möglichkeit, der Erblindung zu trotzen. Sasuke, der nach Itachis Tod ebenfalls in der Lage war das Mangekyō Sharingan zu erwecken, hatte versucht es so wenig wie möglich zu gebrauchen. Und doch waren die wenigen Male schon ausreichend gewesen, um ihm seine Sehkraft zu nehmen. Mittlerweile konnte er kaum noch etwas erkennen und manchmal schmerzten seine Augen so sehr, dass er sich am liebsten die Seele aus dem Leib schreien würde. Sasuke dachte an die Worte seines Bruders und die Informationen, die er ihm hinterlassen hatte. Seitdem er seine Rache erlangt hatte war der Gedanke an Itachi weniger schmerzhaft, aber er hinterließ immer noch einen bitteren Geschmack. Die einzige Möglichkeit an das ewige Mangekyō Sharingan zu gelangen, wäre es, Itachis Augen zu nehmen. Augenblick verdunkelte sich Sasukes Gesicht. Unwillkürlich verkrampfte sich sein Kiefer und er hätte beinahe geknurrt, wie ein angriffslustiger Wolf. Er wollte die Augen dieses Verräters nicht. Selbst wenn er wollte, er wusste nicht einmal, wo sich seine Leiche im Augenblick befand – ob sie immer noch dort lag, wo sie ihren Kampf ausgetragen hatten, oder ob irgendwer ihn mitgenommen und vielleicht sogar begraben hatte. Es interessierte ihn auch herzlich wenig. Alles, woran Sasuke sich noch erinnern konnte, war, dass er irgendwann nach dem Kampf wieder zu sich gekommen war, in einem ihrer Verstecke. Team Hebi hatte ihn gefunden, schwer verletzt von diesem fast machtgleichen Kampf, auf den er sich all die Jahre vorbereitet hatte. Und er erinnerte sich noch genau an das Gefühl, dass er empfunden hatte, als er realisierte, dass er sein Ziel endlich erreicht hatte. Itachis Tod und seine erhaltene Rache ließen nichts weiter in seiner Brust zurück als eine quälende Leere. Es musste noch einen Weg geben. Einen Versuch war es wert, denn Sasuke wollte keinesfalls auf die Augen seines verhassten Bruders zurückgreifen. Vielleicht gab es ein medizinisches Jutsu, das ihm helfen konnte. In der Welt der Ninja war beinahe alles möglich. Sein ehemaliger Sensei hatte sogar Fushi Tensei, das Jutsu der Wiedergeburt erschaffen – auch wenn es ihn am Ende nicht vor dem Tod retten konnte. Hinter sich konnte er Karin wieder mit Suigetsu streiten hören. Die Rothaarige war nicht nur ein hervorragender Sensor, sondern auch eine Medic-Nin, wobei ihre Kenntnisse leider nicht ausreichten, um ihm zu helfen. Von daher benötigte er eine Iryōnin, die sich besser mit der Medizin auskannte, wobei ihm niemand geringeres einfiel als Tsunade. Die amtierende Hokage hatte ihn vor einigen Jahren schon einmal gerettet, in dem sie ihn aus dem Koma erweckt hatte, in das er aufgrund des Tsukuyomis von Itachi gefallen war. Die Fähigkeiten der Sannin waren legendär. Auf diesem Gebiet gab es keine Bessere. Wenn ihn jemand heilen konnte, dann sie, da war er sich sicher. Sein Entschluss stand fest. Sie war seine letzte Möglichkeit. „Spürst du sie?“, fragte Sasuke, woraufhin Karin augenblicklich von dem Weißhaarigen abließ. Sie schloss die Augen und bildete ein Fingerzeichen. Nach einigen Sekunden der Konzentration deutete sie auf den Hokagefelsen. Er versuchte das Ziel zu fokussieren, doch seine Sicht war immer noch verschwommen, egal wie sehr er die Augen zusammenkniff und versuchte mit seinem puren Willen eine Veränderung zu erzwingen. „Ich kann dort ein mächtiges weibliches Chakra spüren“, antwortete die Rothaarige. „In unmittelbarer Nähe ihres Büros spüre ich zehn weitere Präsenzen. Sechs befinden sich außerhalb und vier innerhalb des Gebäudes. Entweder unterdrücken sie ihr Chakra oder sie sind nicht besonders stark. Die nächsten Personen halten sich erst zwei Stockwerke darunter auf.“ Und nach einem kurzen Zögern fügte sie mit leicht belegter Stimme hinzu: „Pass auf jeden Fall auf dich auf, Sasuke.“ Selbst wenn die Wachen leicht zu besiegen wären, mit der Hokage würde es alles andere als einfach werden. Tsunade mochte vielleicht nicht mehr die Jüngste sein, doch sie trug nicht umsonst nicht nur den Titel einer Sannin, sondern auch den einer Hokage. Selbst wenn Sasuke es sich ungern eingestand, er respektierte ihr Können und ihre Stärke. Der Uchiha warf einen letzten Blick über die Schulter und verabschiedete sich von seinen Kameraden mit einem kurzen Nicken. Dann machte er sich lautlos auf den Weg. Sein Team würde ihm den Rücken freihalten und eingreifen, sollte etwas schiefgehen. Konoha hatte sich in den letzten Jahren kaum verändert. Die Straßen und Häuser wirkten einerseits völlig vertraut und andererseits ebenso fremd wie jede andere Stadt. Die Dunkelheit der Nacht war von Vorteil, allerdings trug sie dazu bei, dass er noch weniger sehen konnte, als ohnehin schon. Von daher verließ er sich auf seine anderen Sinne. Sobald er ein fremdes Chakra spürte umging er es in einem großen Bogen. Seine Ohren registrierten jedes kleinste Geräusch und jede Bewegung. Es dauerte nur wenige Minuten, bis er das Hokagegebäude erreichte. Tz, es war beinahe schon zu einfach. Die Wachen auf dem Dach sackten bewusstlos zu Boden, als er sie mit gezielten Schlägen in den Nacken außer Gefecht setzte. Zwei von ihnen gelang es sogar ihn zu bemerken und ihre Kunai zu ziehen, doch Sasuke war nicht unvorbereitet hergekommen. Er warf die präparierte Rauchbombe, die sich in einen lautlosen blauen Nebel verwandelte, sobald sie auf dem Boden aufschlug. Sasuke sprang einige Meter in sichere Entfernung zurück, sodass er das Schlafgas nicht einatmete. Nach nur zwei Atemzügen sackten auch diese beiden Shinobi zusammen und lagen nun tief schlummernd auf dem Boden. Diese Waffe gehörte zu den wenigen lautlosen Methoden einen Gegner außer Gefecht zu setzen. Seine Feuer- oder Blitzjutsus hätten viel zu viel Lärm verursacht, ebenso wie ein Kampf mit seinem Chokutō und die Geräusche aufeinander treffender Waffen. Niemand durfte ihn bemerken. Er musste sich beeilen. Wer wusste schon, wann jemand die ausgeschalteten Wachen bemerken würde oder wann sie wieder das Bewusstsein erlangten. Umso eher er hier wieder weg kam, desto besser. Sasuke kniete nun mithilfe seines Chakras an der senkrechten Wand neben den hohen Glasfenstern, durch die das Oberhaupt Konohas das Dorf überblicken konnte. Durch die Fensterscheiben drang Licht. Innen spürte er eindeutig ein starkes und vertrautes Chakra. Es wirkte vollkommen ruhig. Anscheinend hatte Tsunade von dem kleinen Kampf in ihrer unmittelbaren Nähe nichts mitbekommen. Sasuke hätte am liebsten überheblich geschnaubt. Die Ninja aus Konoha sollten sich schämen, dass sich jemand so leicht und ungesehen Zutritt zu ihnen verschaffen konnte. Aber egal, es sollte ihm recht sein. Das größte Hindernis stand ihm nämlich noch bevor. Denn Tsunade würde ihn alles andere als freiwillig heilen, da Sasuke nicht mehr zu Konoha gehörte und als Abtrünniger galt. Er hatte auch nicht vor, sie höflich darum zu bitten. Nein, Sasuke war mit einem ganz bestimmten Ziel hierher gekommen: Er würde Tsunade entführen. Sie würden sie mit in ihr Versteck nehmen und wenn es nötig war würde Sasuke sie mit seinem Sharingan dazu zwingen, ihn zu heilen. Dazu war er noch in der Lage. Sasuke schloss die Augen und konzentrierte sich auf das Chakra, das sich auf der anderen Seite der Wand befand, nur wenige Meter von ihm entfernt. Er konnte das Büro direkt vor seinem inneren Auge sehen. Unzählige Male war er als Genin dort drin gewesen, um Missionen anzunehmen oder Bericht zu erstatten. Er konnte sich noch genau an das alte, faltige Gesicht von Hiruzen Sarutobi, dem dritten Hokage, erinnern, und es fiel ihm nicht schwer, sich statt des Pfeife rauchenden Mannes die große blonde Frau mit dem üppigen Vorbau am Schreibtisch sitzend vorzustellen. Jetzt jedoch bewegte sie sich genau in diesem Moment in Richtung der Tür. Sie wollte gehen. Er machte sich bereit. In dem Moment, in dem das Licht im Büro ausging, drang er lautlos, ohne auf sich aufmerksam zu machen, in ihrem Büro ein. Seine Augen suchten den Raum ab, der voller schwarzer Schatten zu bestehen schien. Die Dunkelheit umfing ihn. Aber er konnte sie spüren. Und ganz leicht, sah er ihre Umrisse. Tsunade wollte gerade den Raum verlassen. Die Finger wanderten vom Lichtschalter zur Türklinke und genau dann, als sie sie berührte, schlug er zu. Das war der Moment, in dem er bemerkte, dass etwas nicht stimmte. Seine Faust rammte ins Leere, denn die Hokage duckte sich, machte eine halbe Drehung und versuchte ihn mit einem Tritt abzuwehren. Aber Sasuke wich zurück, nur um im selben Moment wieder anzugreifen. Sie wehrte seinen Schlag mit gekreuzten Armen ab und es überraschte ihn, dass sie offenbar so viel Kraft besaß ihm standzuhalten. Was ihn allerdings irritiere war ihre Größe, denn er hatte Tsunade als wesentlich größer in Erinnerung. Für den Bruchteil einer Sekunde kam ihm der Gedanke, dass er der falschen Person gegenüberstand. Die altbekannte Wut überkam ihn wieder. Wären seine Augen unbeschadet, wäre dieser Kampf längst entschieden. Nichts sehen zu können war für ihn einfach unerträglich. Der nächste Schlag traf ihn völlig unerwartet. Er hatte es weder gesehen noch gespürt, als ihre Faust ihn schon mitten an der Wange traf und ihn ins nächste Bücherregal beförderte. Für einen Moment schwirrte ihm der Kopf – und er musste sich eingestehen, dass sie stärker zuschlagen konnte, als so mancher Mann – doch ihm blieb nicht viel Zeit sich wieder zu sammeln, als er schon spürte, wie sie erneut angriff. Er rollte zur Seite und ihre Faust schlug ins Leere. Ein Kampf ohne Waffen war alles andere als leicht. Er wollte sie schließlich nicht verletzen sondern möglichst unbeschadet mitnehmen. Eine tote Medic-Nin nützte ihm auch nichts. Das Vorhaben, möglichst leise einzubrechen, konnte er nun aufgeben. Vermutlich würde jeden Moment Verstärkung eintreffen. Jede Sekunde die verstrich konnte das Scheitern dieser Mission bedeuten. Erneut griff er an, aber ohne etwas zu sehen gingen seine Schläge mehr daneben, als dass sie ihr Ziel trafen. Und so kam es, dass Tsunade bei ihm einen weiteren Treffer landete. Ihre Handfläche berührte seinen Arm nur kurz, doch er spürte sofort, dass etwas geschehen war. Der reglos baumelnde rechte Arm an seiner Seite war nun zu nichts mehr nütze. Sie musste einen Chakrapunkt lahmgelegt haben. Er kämpfte gegen eine Medic-Nin, das stand definitiv fest. Vielleicht waren seine Zweifel ja doch unbegründet. In dem Moment vernahm er auch schon das leise Geräusch einer Bewegung und er spürte den Lufthauch, der auf ihn zukam. Er neigte seinen Kopf instinktiv nach hinten, um dem Schlag auszuweichen. Die geballte Faust blieb direkt vor seiner Nase stehen. Für einen Moment rührte sich keiner von ihnen. Ein leises, irritiertes Flüstern durchbrach die Stille: „Sasuke-kun?“ Ihre Stimme erkannte er sofort. Er nutzte ihren unachtsamen Moment, griff mit seiner linken Hand nach ihrem Handgelenk, wirbelte sie herum und schlug ihr mit der Handkante in den Nacken, woraufhin sie bewusstlos zusammensackte. Bevor ihr Körper den Boden erreichte fing er sie mit dem Arm, den er noch bewegen konnte, auf. Ihr Kopf fiel in den Nacken und auch aus der Nähe betrachtet konnte er in der Dunkelheit das Gesicht immer noch nicht erkennen. Aber ihre Stimme … ihre Stimme hatte er eindeutig erkannt. Hinter der Tür hörte er bereits Geräusche. Der Kampf hatte für Aufsehen gesorgt. Sasuke musste sich entscheiden – was sollte er tun? Sie mitnehmen? Oder mit leeren Händen zurückkehren, um eventuell ein anderes mal wiederzukommen – wobei es ein weiteres Mal nicht so einfach sein würde in Konoha einzudringen. Tsunade würde bestimmt nicht zweimal denselben Fehler begehen. Ihm blieb keine Zeit mehr um weiter darüber nachzudenken. Soweit er wusste war Sakura ebenfalls eine Medic-Nin. Deshalb tat er das einzig Logische … Kapitel 2: Kapitel 2 -------------------- Noch bevor Sakura die Augen öffnete spürte sie, dass sie nicht allein war. Vorsichtig hoben sich ihre Augenlider und sie kniff sie wieder zusammen, als der Schmerz sich in ihrem Kopf meldete, der bis zu ihrem Nacken hinablief. Sie stöhnte und wollte intuitiv ihre Hand anheben, um sie in den Nacken zu legen, als sie einen Ruck an ihrem Arm spürte, sowie ein schepperndes Klirren hörte. Schlagartig war sie hellwach.   Sie riss die Augen auf und bemerkte, dass sie sich in einem ihr unbekannten Raum befand. Ihre Instinkte meldeten sich und ihr Kopf wanderte umher, versuchte sich einen schnellen Überblick über die Situation zu verschaffen. Sie lag seitlich auf einem kargen Bett ohne Bettzeug und ihre Handgelenke steckten in eisernen Handschellen, die an einer rostigen Kette hingen, die über dem Kopfende des Bettes angebracht war. Irritiert zog Sakura daran.   Was war hier los?   Neben dem Bett stand jemand. Misstrauisch musterte Sakura die junge Frau mit den roten langen Haaren und der dunkelgrauen Brille, die mit einem trotzigen Ausdruck auf sie hinabsah. Als wäre sie die Gefangene. Dabei stand es ihr nicht zu sie so anzusehen. Wer war sie überhaupt? Sakura überlegte, ob sie sie in Konoha vielleicht schon einmal gesehen hatte, aber dieses Gesicht war ihr völlig fremd.   „Ich habe gehört, dass die Hokage ein Jutsu verwendet, um ihr junges Aussehen zu bewahren“, begann die Rothaarige mit verschränkten Armen vor der Brust. „Aber du erscheinst mir etwas zu jung. Also sag mir … wer bist du?“   In Sakuras Kopf begann es zu arbeiten. Erneut ließ sie den Blick den spärlich eingerichteten Raum absuchen, dessen Steinwände lediglich von einigen langen weißen Kerzen erhellt wurden. Abgesehen von einem Bett befanden sich in diesem Zimmer bloß noch ein Tisch und ein Stuhl, sowie ein kleiner Schrank. Es gab kein Fenster. Die eisige Kälte, die nicht von den Temperaturen zeugte, sondern von etwas anderem, das sie nicht definieren konnte, ließ sie frösteln.   Sakura versuchte sich zu erinnern, was geschehen war. Das letzte, woran sie sich erinnerte, war, dass sie gearbeitet hatte. Eine normale Schicht im Krankenhaus, wie jeden Tag. Nichts Ungewöhnliches. Danach wollte sie Tsunade Bericht erstatten. Ihr Kopf dröhnte.   Mit leicht verengten Augen musterte sie die Rothaarige. Wenn diese Frau Tsunade nicht kannte, dann hieß das, dass sie keine Bewohnerin aus Konoha war. Demzufolge schlussfolgerte sie, dass sie sich außerhalb des Dorfes befand.   „Wo bin ich?“, fragte Sakura, ohne auf die vorige Frage eine Antwort zu geben. Dieser Schnepfe würde sie gar nichts sagen! Und außerdem, wenn sie nicht wusste, wer sie war, wieso war sie dann hier? Hatte man sie zufällig gefangen genommen? Was hatte man mit ihr vor?   Der Blick der Rothaarigen verfinsterte sich und sie senkte leicht den Kopf. „Ich stelle hier die Fragen.“ Ihre verschränkten Arme lösten sich und eine Hand wanderte um ihre schmale Taille zu ihrem Rücken. Als sie sie wieder hervorholte hielten ihre Finger ein Kunai umschlossen.   In diesem Moment sah Sakura rot. Sie zog an ihren Fesseln. Die Ketten klirrten und spannten sich. Und als sie mit all ihrer Kraft und einem wütenden Knurren daran zerrte, brach die Halterung scheppernd aus der Wand.   Die Rothaarige schrie erschrocken auf, hielt das Kunai schützend vor sich und stolperte ein paar Schritte zurück. „Wag es ja nicht mich anzugreifen, du … du …“   Sakuras Lippen formten sich zu einem angriffslustigen Schmunzeln. Langsam kniete sie sich auf das Bett und ballte ihre Fäuste. Die offensichtliche Panik in den roten Augen konnte nur bedeuten, dass sie nicht besonders stark zu sein schien. Eventuell ein leichter Gegner. Sakura sprang auf und holte mit der Faust aus. Die Rothaarige schrie erneut, konnte dem Schlag aber gerade noch durch einen Sprung zur Seite ausweichen und Sakura demolierte stattdessen die Wand. Grün aufloderndes Chakra umgab ihre Faust.   In dem Moment wurde die Tür aufgerissen und ein weißhaariger junger Mann trat ein. Ungläubig blickte er zuerst zur Rothaarigen, dann zu Sakura und er bemerkte mit einer hochgezogenen Augenbraue die Handschellen mitsamt der Kette, die immer noch an Sakuras Handgelenken hingen.   „Karin!“ rief er anklagend. „Er hat doch gesagt, wir sollen sie nicht fesseln!“   „Er hat mir gar nichts zu sagen!“, schnappte die Brillenträgerin sofort zurück. „Außerdem ist sie eine Gefangene und da wo ich herkomme gehören Gefangene angekettet!“ Sie richtete das Kunai auf Sakura. „Du siehst doch, wie irre sie ist! Sie hat versucht mich zu töten!“   Wer von uns beiden ist hier irre?, dachte Sakura bitter. Schließlich hatte diese Karin zuerst versucht sie anzugreifen.   Der Weißhaarige wollte etwas erwidern, doch Sakura ließ ihm keine Zeit. Sie griff nun auch ihn an. Hinter ihm stand die Tür offen – der Weg zu ihrer Freiheit schien zum Greifen nahe! Auch wenn sie immer noch nicht wusste, was hier vor sich ging, sie wollte diese Gelegenheit nutzen. Deshalb stürmte sie auf den Unbekannten zu, sammelte Chakra in ihrer rechten Hand und stieß ihn mit aller Kraft ihre Faust ins Gesicht.   Erschrocken wich Sakura zurück, als sich sein Schädel plötzlich verflüssigte und das Wasser sich platschend in einer großen Pfütze auf dem Boden sammelte. Kopflos stand er nun vor ihr. Sie wich einige Schritte zurück. Jeder normale Mensch wäre schon längst umgekippt. Schockiert huschten ihre geweiteten Augen von ihrer immer noch geballten Faust, von der einige Wassertropfen auf den Boden perlten, zu dem Mann, der langsam wieder aus einer wässrigen Flüssigkeit einen Kopf zu formen schien. So etwas hatte sie noch nie gesehen.   „Aua“, sagte er bloß und rieb sich die Wange, als sein Gesicht wieder ganz war.   Wo zur Hölle war sie nur gelandet? Bei einer Verrückten und einem Wassermenschen?   „Lasst mich hier raus“, forderte Sakura mit fester Stimme an den Weißhaarigen gewandt. Er schien der normalere von den beiden zu sein. Wenn auch nicht ganz normal …   Ein entschuldigendes Lächeln trat auf sein Gesicht und entblößte seine spitzen Zähne. „Nah, das geht leider nicht. Unser Boss will dich haben.“   Eine Ahnung befiel sie, ein abscheulicher Gedanke. So wie er das sagte lief es Sakura kalt den Rücken hinunter und grauenvolle Bilder formten sich vor ihrem inneren Auge. Wollte er sie etwa …?   Nein, das würde sie niemals zulassen! Sie musste hier raus und zwar schnell!   Ruckartig drehte sie sich um und entriss der unachtsamen Frau das Kunai, die nur erschrocken aufquiekte. Sakura beachtete sie nicht weiter und widmete sich dem Weißhaarigen, der ihr entgegenkam.   „Schätzchen, das bringt doch nichts“, behauptete er gutgemeint, als er ihren Arm mitsamt dem Kunai mühelos abfing. Nur wenige Zentimeter vor seinem Gesicht zitterte die Klinge, aber er wirkte völlig unbeeindruckt. Sakura holte mit der anderen Hand aus und schlug zu, doch auch diesen Schlag fing er ab. Die rostigen Ketten klirrten dabei. Vielleicht konnte sie ihn damit ja erwürgen … Sakura biss die Zähne zusammen und erwiderte entschlossen seinen leicht amüsierten Blick. Sie wollte ihr Knie heben und es ihm am liebsten direkt in die Weichteile rammen, doch dann erinnerte sie sich daran, wie ihr Faustschlag ihm bereits nichts anhaben konnte und sein Kopf sich einfach verflüssigt hatte. Physischen Angriffen konnte er dadurch problemlos ausweichen. Es musste sich um ein spezielles Ninjutsu handeln.   „Lasst mich hier raus“, wiederholte sie und sie schaffte es das Kunai weiter in seine Richtung zu drücken. „Sonst–“   „Sakura.“   Augenblicklich erstarrte sie in der Bewegung.   Diese Stimme …   Das war …   Langsam bewegte sie den Kopf in Richtung Tür, in dessen Rahmen nun zwei weitere Männer standen. Der eine von beiden war groß; sein oranger Haarschopf berührte fast den hölzernen Türrahmen und er musste den Kopf leicht schräg halten, um ihn sich nicht anzustoßen. Ihr Blick lag jedoch nur für den Bruchteil einer Sekunde auf ihm und haftete dann auf dem Mann, der neben ihm stand und sie ausdruckslos ansah. Mehrere Sekunden lang starrte sie ihn einfach nur an, versuchte zu realisieren, dass dieser Moment wirklich war und kein Traum, aus dem sie gleich erwachte.   Ihr erster Gedanke war, dass Sasuke hier war, um sie zu retten. Wie der Ritter auf einem weißen Pferd kam er in der Dunkelheit der Nacht angeritten, um sie zu retten und sie aus den Klauen ihrer Peiniger zu befreien.   „Leg die Waffe weg“, forderte Sasuke ruhig, aber kühl.   Erinnerungen strömten auf sie ein: das Büro von Tsunade, der Angreifer. Sie hatte sich nicht geirrt. Es war tatsächlich Sasuke gewesen. Und sie begriff, dass er nicht ihr Retter war sondern ihr Entführer, er war der Boss, der sie brauchte.   Immer noch starrte Sakura ihn an und der Weißhaarige nutzte den Moment, um ihr problemlos das Kunai aus der Hand zu nehmen, worauf sie gar nicht mehr reagierte. Er warf es der Rothaarigen zu, die es anschließend wieder schützend vor sich hielt.   „Sasuke-kun?“ Ihre Stimme klang weit weg in ihren Ohren und ihr Verstand versuchte immer noch zu verarbeiten, was hier gerade vor sich ging. In ihrem Magen rumorte es, als würde er sich überschlagen. Übelkeit stieß ihren Hals empor und ihr wurde schlecht. „Was ist hier los?“   Unter anderen Umständen hätte sie sich gefreut ihn wiederzusehen, doch die Lage, in der sie sich befand, sorgte dafür, dass sie sich sehr unwohl fühlte. Sie war gefangen und befand sich an einem Ort, den sie nicht kannte, mit feindlichen Ninja und sie wusste nicht wieso.   „Unser Boss will dich haben.“   Bei ihrem letzten Treffen vor ein paar Monaten hatte Sasuke ihnen deutlich zu verstehen gegeben, dass er nicht nach Konoha zurückkehren wollte und dass sie nichts mehr für ihn waren, als irgendwelche Leute die er einmal gekannt hatte. Angeblich bedeuteten sie ihm nichts mehr, weder Naruto, noch Kakashi. Noch sie.   In den kalten schwarzen Augen konnte sie weder Gedanken noch irgendwelche Gefühle erkennen, die daraufhin deuteten, welche Absichten er verfolgte. Er sah sie immer noch an, als er sagte: „Lasst uns allein.“   Sakura löste sich nun aus ihrer Starre und beobachtete, wie die anderen ohne Widerworte dem Befehl Folge leisteten. Lediglich die Rothaarige schenkte ihr noch einen Blick, der ihr offenbar einen grausamen Tod wünschte, bevor sie durch die Tür schritt und sie hinter sich zu knallte.   Dann waren sie allein.   Langsam wurde Sakura nervös und sie spürte, wie ihr Herz schneller anfing zu schlagen. Jetzt, da die Fremden weg waren und sie einem vertrauten Gesicht gegenüberstand, fühlte sie sich zwar wohler, aber das Unbehagen blieb. Noch dazu kam die Tatsache, dass sie Sasuke gegenüberstand, der Person, die sie über alles liebte. Wie lange hatte sie sich danach gesehnt?   Aber doch nicht so. Nicht als Gefangene.   „Was mache ihr hier, Sasuke-kun?“, durchbrach ihre leise Stimme das Schweigen.   „Ich habe dich hierher gebracht“, antwortete er sachgemäß.   Ja, mit Gewalt, dachte sie und sie spürte erneut den Schlag ins Genick. Eine Geste, die ihr nur allzu vertraut schien. „Aber wieso?“   „Hast du schon mal einen Blinden geheilt?“, stellte er die Gegenfrage.   Sie dachte kurz darüber nach. „Ich nicht, aber Tsunade hat es schon mehrmals getan. Wieso fragst du?“   „Und sie konnten dann wieder sehen?“   „J-ja.“ Verunsichert musterte Sakura ihn. Was sollten diese Fragen? Und er beantwortete keine der Ihrigen. Ihre Augen blickten in seine und warteten auf eine Erklärung, die nicht kam. Seine schwarzen Augen sahen sie unentwegt an, teilnahmslos, emotionslos, so, wie Sakura es von früher kannte. Schon damals hatte Sasuke sie nie wirklich gesehen. Doch dann bemerkte sie noch etwas anderes in seinem Blick. Es schien, als würde er geradewegs durch sie hindurchsehen. Und sie begriff.   „Deine Augen“, stellte sie fest. Zögerlich ging sie einige Schritte auf ihn zu, als würde von ihm plötzlich eine unsichtbare Anziehungskraft ausgehen. Er senkte den Blick und schlug die Augen nieder. Konnte es sein, dass …   Als sie vor ihm stehenblieb musste sie den Kopf in den Nacken legen, um zu ihm hinaufschauen zu können. Konnte es sein, dass er blind war? Trotz seines mächtigen Sharingans? Die Augen, die alles sehen konnten? Seine schwarzen Augen fanden ihre ziemlich zielsicher und sie wusste, dass er nicht blind sein konnte.   „Kannst du mich sehen?“, fragte sie dennoch und ihre Stimme glich fast einem Flüstern. Sie sah ihn klar und deutlich vor sich, im spärlichen Licht der Kerzen, ein schlechter Abklatsch gegenüber dem sonst so hellen Tageslicht. Sein wunderschönes Gesicht brannte sich in ihre Netzhaut, die versuchte sich jedes kleinste Detail einzuprägen. Wenn sie sich vorstellte, dass sie ihn eines Tages nicht mehr sehen könnte, ihn, den sie immer wieder nachts in ihren Träumen sah. Der Gedanke brach ihr das Herz.   Unwillkürlich streckte Sakura die Hand nach seinem Gesicht aus, doch er fing sie ab, bevor sie ihn berühren konnte.   „Kann ich“, entgegnete er kühler als zuvor. Die nächsten Worte klangen bitter. „Wenn auch nicht sehr gut.“ Er ließ ihr Handgelenk los und sie zog es so schnell zurück, als hätte sie sich verbrannt. Instinktiv trat sie zwei Schritte zurück. „Du bist eine Medic-Nin“, stellte er fest. „Eigentlich wollte ich Tsunade …“ Seine Worte drangen tief wie Messerstiche. Sie war also nur die zweite Wahl. Der Trostpreis. Verbitterung machte sich in ihr breit. Und sie fühlte sich wieder wie das Zwölfjährige abgelehnte Mädchen. „Du musst mir helfen.“   Am liebsten hätte Sakura bitter aufgelacht. Welch eine Ironie. Sasuke Uchiha brauchte sie – eine Situation, die sie sich früher immer gewünscht hatte. Stets hatte er in ihr einen Schwächling gesehen, ein Klotz am Bein, und Sakura hatte sich nichts Sehnlicheres gewünscht, als seine Anerkennung. Und jetzt brauchte er sie oder vielmehr, ihre medizinischen Fähigkeiten. Und wenn sie ihm nicht freiwillig gab, was er wollte, dann würde er es sich mit Gewalt nehmen. Allein ihre Anwesenheit an diesem Ort ließ sie zu dieser Erkenntnis kommen.   Jedem anderen hätte sie den Vogel gezeigt.   Aber es war schließlich Sasuke, der sie darum bat …   „Was ist das geschehen?“ „Das geht dich nichts an.“   Sakura rollte innerlich mit den Augen. Er schien immer noch so stur und stolz zu sein, wie früher. „Wie soll ich dir helfen, wenn ich nicht weiß, womit ich es zu tun habe?“, fragte sie sanft.   Er ließ sich nicht beirren. „Versuch es einfach.“   Erneut trat sie auf ihn zu und hob bereits ihre Hände, als sie sie wieder sinken ließ. Die Ketten ihrer Handschellen klirrten. „Und dann?“, fragte sie mit einem Hauch von Misstrauen. „Was passiert wenn ich dich geheilt habe?“   „Dann kannst du gehen.“   Sie schluckte nervös. Die nächste Frage bereitete ihr mehr Unbehagen. „Und wenn ich dich nicht heilen kann?“   Die Anspannung zwischen ihnen beiden nahm zu. Er erwiderte ihren Blick und immer noch wurde sie nicht schlau aus ihm. Wozu war er in der Lage?   „Dieselbe Antwort.“   Sakura musterte ihn noch einen Moment, dann nickte sie ihre Vereinbarung ab. Für den Moment würde sie ihm glauben. Sasuke würde ihr sicher nichts tun und sobald diese Sache erledigt war würde er sie freilassen und sie konnte nach Konoha zurück spazieren, als wäre nie etwas gewesen. Ihre innere Stimme fragte sie, ob es klug war, dem Nukenin, der sein Team ohne mit der Wimper zu zucken zurückgelassen hatte, so blind zu vertrauen, doch sie drängte die innere Sakura in die Tiefen ihres Verstandes zurück.   Ein Teil in ihr schmerzte, bei dem Gedanken daran, dass er dann wieder aus ihrem Leben verschwinden würde, jetzt, da er ihr so nah war. Nach all der Zeit, des Wartens und des Hoffens.   „Abgemacht“, sagte Sakura schließlich. Langsam hob sie ihre Hände, in denen das grüne Chakra aufleuchtete. Behutsam führte sie sie zu seinem Gesicht. „Schließ die Augen.“ Sasuke schien mit sich zu ringen, ehe er ihrer Aufforderung nachkam. Sie vertraute vielleicht ihm, aber er sicherlich nicht ihr. Sie spürte ihr Herz verräterisch gegen ihre Brust schlagen, als sich ihre Handflächen über seine geschlossenen Lider legten. Eine kleine, doch für sie bedeutungsvolle Berührung.   Die anfangs empfundene Freude, über diesen irgendwie seltsam intimen Moment, verblasste jedoch schnell, als sie bitter feststellen musste, wie es um seine Augen stand. Kapitel 3: Kapitel 3 -------------------- Ihr so nah zu sein war nicht so unangenehm, wie er zuerst befürchtet hatte. Womöglich lag es daran, dass sie trotz der geringen Distanz einen gewissen Abstand hielt und im Augenblick professionell ihrer Arbeit nachging. Ganz anders als Karin, die sich bei jeder ihr bietenden Gelegenheit an ihn klammerte und mit ihrer Aufdringlichkeit keine Rücksicht auf seine Privatsphäre nahm. Dennoch, mit geschlossenen Augen und völlig unbewaffnet fühlte er sich praktisch wehrlos in seiner Haut. Seine empfindlichen Ohren achteten auf jedes trügerische Geräusch einer unerwarteten Bewegung oder eines unvorhergesehenen Angriffs. Sasuke glaubte nicht an Zufälle. Es war einfach nur ungeheures Pech, dass er sie und nicht die Hokage erwischt hatte. Was für eine Ironie. Die letzten drei Jahre hatte er mit Mühe und Not versucht Sakura von sich fernzuhalten und jetzt stand sie ihm gegenüber, mitten in einem der geheimen und inzwischen verlassenen Verstecke von Orochimaru. Ebenso wie Naruto und Kakashi gehörte sie zu seinem ehemaligen Team, das sich im Laufe der gemeinsamen Zeit zu einer Art zweiter Familie für ihn entwickelt hatte. Doch mit dem Wort Familie verband er inzwischen nur noch Schmerz … In seinem Herzen gab es keinen Platz für so etwas wie Freundschaft oder Liebe. Nur Dunkelheit, die ihn umhüllte, von innen, wie nun auch von außen, sowie eine unerträgliche Leere, die den Gedanken an die Rache ersetzte, der ihn all die Jahre zuvor begleitet hatte. Itachi, das ist alles bloß deine Schuld, dachte Sasuke bitter. Selbst in deinem Tod noch schaffst du es mich zu quälen und gönnst mir keinen Frieden. Ohne ihn hätte er nie das Mangekyō Sharingan erweckt. Ohne ihn wäre er jetzt kein nutzloser Shinobi, der die Welt um sich herum verschwinden sah. Trotz allem, was sein Bruder ihm und seinem Clan angetan hatte, war er immer die Person gewesen, die ihm am nächsten gestanden hatte. Die einzige Person, die sein Denken erfüllt und der er seine Zukunft gewidmet hatte. Wieso musste nur das Erreichen seines Ziels solch einen bitteren Beigeschmack haben? Seinetwegen war Sasuke nun fast blind. Die einzigen Personen, die ihm zwar nicht gerade viel bedeuteten, aber auch nicht egal waren, waren die anderen Mitglieder aus Team Hebi: Suigetsu, Karin und Jūgo. Diese drei sollten zu Beginn seiner Rekrutierung eigentlich nur Mittel zum Zweck sein, doch ebenso wie Team Sieben war es ihnen gelungen, schleichend ein Band mit ihrem Anführer zu knüpfen. Dieses Band war zwar nicht sehr dick, aber es war da. Sasuke fühlte sich ihnen gegenüber verantwortlich. Im Gegensatz dazu konnte er ihnen vertrauen. Team Hebi, dessen Parallelen zu Team Sieben an manchen Tagen völlig logisch erschienen und an manchen Tagen wiederum vollkommen abwegig. Vor allem über Jūgo machte Sasuke sich in letzter Zeit Gedanken. Sein Sharingan war die einzige Möglichkeit, die den sonst so friedlichen Naturchakra-Nutzer davon abhielt den Verstand zu verlieren und wie eine wildgewordene Bestie Amok zu laufen. Bei ihrer ersten Begegnung hatte Sasuke ihm das Versprechen gegeben sein Käfig zu sein und ihn unter Kontrolle zu halten. Und wenn Sasuke ein Versprechen gab, dann hielt er sich auch daran. Er wusste, dass Jūgo sich auf ihn verließ und wie sehr er unter diesen unkontrollierten Mordgedanken litt. Aber ohne sein Sharingan würde er ihm nicht helfen können. Das Chakra, das durch Sakuras Hände in seinen Körper strömte, fühlte sich nicht unangenehm an. Es war weder warm noch kalt, aber die Präsenz war deutlich zu spüren. Es wirkte seltsam vertraut. Sasuke kannte es noch von früher, aus seinen Tagen als Genin. Die Erinnerungen, die dadurch an die Oberfläche kamen, versuchte er wieder zu verdrängen. An diesem düsteren Ort gab es keinen Platz für sie. Diese Untersuchung dauerte ihm sichtlich zu lange. Sakuras Schweigen schien an einem gewissen Punkt unerträglich. Er wollte endlich Gewissheit. Hoffentlich war sie fähig genug ein Urteil ziehen zu können. Was wusste er denn schon über sie? Sie war vielleicht eine Medic-Nin, aber ob sie kompetent genug war konnte er nicht beurteilen. Vielleicht befand sie sich erst am Anfang ihrer Ausbildung. Sie selbst hatte zugegeben, dass sie auf diesem Gebiet keine Erfahrung besaß. Würde doch bloß Tsunade vor ihm stehen und nicht sie. Trotz seiner inneren Unruhe spürte Sasuke deutlich, wie sie sich vor ihm anspannte. Das Chakra hörte auf durch seine Augen zu fließen und ihre Hände entfernten sich wieder von ihm. Als er seine Augen öffnete sah er sie undeutlich vor sich stehen. Sakura bestand aus den Farben Rosa, Beige, Rot und Grün. Ihre Gesichtszüge waren unscharf, doch sein Verstand ergänzte die fehlenden Informationen mit Erinnerungen aus seiner Vergangenheit. Nachdem sie nichts sagte fragte er ungeduldig: „Und?“ Er ließ sie nicht aus den Augen, achtete auf jedes einzelne Wort und versuchte aus ihren Sätzen herauszuhören, ob sie eventuell Informationen für sich behielt oder ob er eine Lüge entlarvte. Ihre Stimme klang bedrückt, aber ehrlich. Sie bemühte sich um eine distanzierte professionelle Tonlage, die ihr allerdings nicht gelang. Bei dem Wort irreparabel erlosch seine letzte Hoffnung. „Verstehe.“ Er hatte genug gehört. Schon fast ruckartig wandte Sasuke sich von ihr ab und öffnete die Tür. Während er hindurchschritt hörte er noch dumpf wie sie seinen Namen rief, als wäre sie endlos weit weg und nicht direkt hinter ihm. Er bemühte sich die Fassung vor ihr zu bewahren, was ihm nicht recht gelang, denn er hörte, dass er die Tür lauter zu knallte, als beabsichtigt. Mit schnellen Schritten eilte er den langen Korridor entlang. Verdammt! Die Sicht schien an ihren Enden plötzlich noch dunkler zu werden, als ohnehin schon. Seine Atmung beschleunigte sich und er spürte, wie die Emotionen ihn überfielen. Nicht hier! Nicht jetzt! Sasukes Schritte wurden noch schneller, glichen schon fast einem Laufschritt. Auf halbem Wege kam ihm Suigetsu entgegen. Der Weißhaarige öffnete seinen Mund, um etwas zu sagen, doch Sasuke ging ohne ihn eines Blickes zu würdigen an ihm vorbei. Seine Zähne bissen aufeinander und er spürte, wie sein Kiefer sich schmerzhaft verkrampfte. Er wollte jetzt nicht reden. Geräuschvoll atmete er durch die Nase ein und aus. Als er sein Zimmer erreichte, schloss er die Tür hinter sich und lehnte sich mit der Stirn dagegen. Dabei bemerkte er, dass seine Hände zitterten. Seine Atmung ging immer schneller. Er schnappte nach Luft, da ihn das Gefühl überkam, zu ersticken. Langsam schienen ihn seine Kräfte zu verlassen und er rutschte an der Tür hinunter, bis er sich davor auf seinen Knien wiederfand. Er lehnte seinen Oberkörper soweit nach vorne, sodass seine Stirn beinahe den Boden berührte. „Verdammt!“, zischte er und schlug mit der Faust auf den Boden. „Verdammt! Verdammt! Verdammt!“ Sakuras Worte echoten durch seinen Kopf. Hatte er es nicht irgendwie geahnt? Natürlich hatte er diese Möglichkeit in Betracht gezogen. Sasuke war schließlich weder dumm, noch naiv. Es gab nur eine Fivty-fivty-Chance auf eine Heilung. Ein simples Ja oder Nein. Und dennoch war da die Hoffnung gewesen… Auf der die bittere Enttäuschung folgte … Ihre Heilkünste konnten einen solch mächtigen Blutfluch letztendlich nicht bezwingen. „Auge und Netzhaut scheinen unbeschadet zu sein. Aber dein visuelles Nervensystem ist fast komplett zerstört. Die Verbindung zwischen Sehnerv und Gehirn ist schon fast komplett unterbrochen. Der Schaden ist bei deinem rechten Auge schwerwiegender.“ Übelkeit stieg in ihm hoch und er hielt sich den Magen. Ihm wurde plötzlich so schlecht, dass er befürchtete sich jeden Moment übergeben zu müssen. Sasuke rang nach Luft, immer und immer wieder. Stets beherrschte er die Kontrolle über seine Emotionen, doch in diesem Augenblick überströmten sie ihn wie ein gigantischer, alles zerstörender Tsunami. Was war hier nur los? Was geschah mit ihm? Er fand keine Erklärung, denn das Denken fiel ihm schwer. Als es ihm das letzte Mal so schlecht gegangen war hatte er sich in Itachis Tsukuyomi befunden, in dessen illusionärer Gedankenwelt er die Nacht, in der er seine Eltern gefunden hatte, wieder und wieder erleben musste. Er konnte es nicht verhindern, dass bei der Erinnerung daran Bilder in seinem Kopf erschienen – die ausdruckslosen Gesichter seiner Eltern, ihre regungslosen und blutverschmierten Körper auf dem Boden. Plötzlich befand Sasuke sich wieder im Uchiha-Viertel, in jener verhängnisvollen Nacht. Nein, jetzt bloß nicht daran denken … Ein weiterer Schmerz durchfuhr seine Brust, bei der Erinnerung an seinen Verlust und die Qualen, die er damals durchlebt hatte. In seinem aufgewühlten Zustand hörte er nicht einmal die Schritte vor der Tür. Er bemerkte die Person erst, als es klopfte. Suigetsu. „Verschwinde!“, brüllte Sasuke schon beinahe. „Hau ab!“ Er versuchte sich soweit zu beruhigen, bis er die sich entfernenden Schritte hören konnte, um sicherzugehen, dass er wieder allein war. Der Gedanke, dass ihn jemand so sah … Das konnte er nicht zulassen. Zwischen all diesen unkontrollierten Gefühlsausbrüchen steckte immer noch sein Stolz. Angst schnürte ihm die Kehle zu. In ihm tat alles weh, doch es handelte sich nicht um körperlichen Schmerz. Seine Seele litt unaussprechliche Qualen. Dabei war er doch immer so schmerzresistent. Nur dass ihn diese psychische Qual momentan völlig überforderte. Itachis Gesicht blitzte vor ihm auf. „Mangekyō Sharingan … Diese Augen sind sehr speziell“, flüsterte ihm Itachi ins Ohr. Bilder ihres Kampfes erschienen vor seinem inneren Auge. Sein Bruder, wie er versuchte, seine Augen zu nehmen, da ihn dasselbe tragische Schicksal ereilt hatte. Seine ausgestreckten, blutigen Finger. Und wie er ihm in einem weiteren Tsukuyomi sein linkes Auge gewaltsam entriss. „Vom Moment ihrer Erweckung an schreiten sie gen Finsternis. Je mehr man sie benutzt, desto fester werden sie versiegelt. Mangekyō verlieren irgendwann das Sehvermögen.“ Itachis Augen. Die blutroten Augen des Mangekyō Sharingan bohrten sich in ihn. Klar und deutlich sah er sie in seinen Gedanken vor sich. Die einzige Chance, die ihm noch blieb, der völligen Erblindung zu entgehen. Die Augen seines Bruders … Nein!, dachte Sasuke bitter. Endlich war er seinem Bruder und dem jahrelangen Alptraum, in dem er gelebt hatte, entflohen, und hatte seine Eltern und seinen Clan gerächt! Und nun sollte er seine Augen nehmen? Itachi würde dadurch für immer ein Teil von ihm sein. Ihm wurde erneut übel. Doch was war die Alternative? Trotz der Warnung war Sasuke nicht vorsichtig genug gewesen. In seiner endlosen Arroganz hatte er seine neue Macht austesten wollen und ein Teil von ihm hatte sich schlichtweg geweigert, Itachis Erzählung zu glauben, schließlich war sein Bruder schon früher ein guter Lügner gewesen. Und als er die ersten Anzeichen bemerkte und er sich darum bemühte vorsichtiger zu sein und die erweiterte Form seines Kekkei Genkai weniger, wenn nicht sogar überhaupt nicht mehr zu gebrauchen, war es bereits zu spät gewesen. Was sollte er denn jetzt tun? Er wollte nicht erblinden und sein Sharingan verlieren. Selbst wenn er nur sein Bluterbe verlieren würde, wäre er immer noch in der Lage etwas zu sehen und ein halbwegs ordentlicher Shinobi zu sein. Denn auch ohne Sharingan überragten seine Fähigkeiten noch die der meisten Ninja. Aber ganz ohne Augenlicht wäre selbst er mächtig eingeschränkt. Er könnte es versuchen, sich auf seine anderen Sinne zu verlassen, aber Sasuke wusste, dass es eines Tages sein Todesurteil bedeuten würde. Schon früher hatte er immer zu den Besten gehört, doch war es nie genug gewesen. Inzwischen war er nah dran an der Perfektion, aber im Moment machte er gewaltige Rückschritte. Was würde nur sein Vater von ihm denken? Ein blinder Uchiha? Ohne Sharingan? Er wäre nutzlos … Wertlos … „Eigentlich sollte es funktionieren. Aber … es tut mir leid, Sasuke-kun, aber mein Chakra und meine Heilkräfte scheinen nichts zu bewirken. Die Nerven wollen sich einfach nicht miteinander verbinden. Sie reagieren gar nicht auf meine Heilkünste. So etwas habe ich noch nie erlebt.“ Ein Wimmern entfuhr ihm. Allmählich ebbte die Panikattacke ab, doch dann durchzuckte ihn ein neuer Schmerz. Er fuhr hoch und presste sich die Handballen gegen die Augen. Wieso genau jetzt? Hatte ihre Untersuchung das etwa bei ihm ausgelöst? Oder gaukelte ihm seine labile Psyche nur etwas vor? Sasuke nahm die Hände hinunter und versuchte seine Atmung zu kontrollieren, als er spürte, wie etwas langsam seine Wangen herablief. Seine Finger betasteten zitternd sein Gesicht und berührten die träge Flüssigkeit. Weinte er etwa? Seine Augen öffneten sich und selbst verschwommen konnte er die dunkelrote Farbe erkennen, die sich so deutlich von seinen blassen Fingern abzeichnete. Schlagartig war er ruhig, hörte auf zu hyperventilieren, vergaß fast das Atmen. Sein Kopf schien merkwürdig leer. Seine zittrigen Finger wanderten vorsichtig zurück zu seinem Gesicht und er berührte erneut die klebrige Flüssigkeit und verschmierte sie dabei. Dann verbarg er das Gesicht in seinen blutigen Händen und lehnte sich wieder vorne über, bis sein Kopf auf den kalten Steinboden traf. „Irreparabel …“ Er versank in einem tiefen Abgrund, aus dem es kein Entkommen gab. Alles um ihn herum wurde schwarz und er versank in der Dunkelheit. Kapitel 4: Kapitel 4 -------------------- Nervös knabberte Sakura an ihren Fingernägeln. Wie lange sie nach dieser kurzen Auseinandersetzung auf diesem Bett saß wusste sie nicht, doch sie schätzte, dass es sich um zwei bis drei Stunden handeln musste. Jedes Zeitgefühl hatte sie verloren. Ohne zu wissen, wie lange sie bewusstlos gewesen war und ohne ein Fenster, das ihr die aktuelle Tageszeit verriet, konnte sie nur raten, wie spät es wohl gerade sein mochte. Ihre letzte Mahlzeit lag schon mindestens einen halben Tag zurück. Der Hunger meldete sich allmählich bei ihr und ließ ihren Magen knurren.   Was, wenn sie hier nie wieder raus käme? Würde jemand nach ihr suchen, sobald man ihr Verschwinden bemerkte? Ihre Eltern waren bestimmt schon krank vor Sorge! Tsunade würde sicher einen Suchtrupp losschicken und nichts unversucht lassen, um sie zu finden. Der Gedanke war irgendwie tröstlich, aber einerseits auch belastend. Das Oberhaupt Konohas hatte im Moment schon genug andere Sorgen. Die Nachricht von Jiraiyas Tod war noch frisch und seine hinterlassene Nachricht immer noch nicht entschlüsselt. Eigentlich müsste Sakura ihrer Mentorin helfen, statt ihr zusätzlich zur Last zu fallen. Nur Naruto würde von alledem nichts mitbekommen, da er sich momentan im Reich der Kröten aufhielt, um mit Fukasaku zu trainieren. Sakura lächelte leicht. Ansonsten wäre er vermutlich schon längst hier.   Wieder einmal ging ihr unsicherer Blick zur Tür. Sie war weder verriegelt, noch wurde sie bewacht, denn Sakura konnte weit und breit kein fremdes Chakra spüren. Theoretisch könnte sie einfach hinausspazieren. Eine Vorstellung, die ihr seltsam vorkam, da sie vor kurzer Zeit noch an dieses Bett gekettet gewesen war. Die schweren Handschellen lagen immer noch um ihre Handgelenke. Bisher hatte sie sie noch nicht abbekommen, aber ihre Versuche waren auch nur halbherzig gewesen.   Ihre innere Stimme rief ihr zu, sie solle einfach aufstehen und gehen, und diesen düsteren Ort für immer verlassen. Doch etwas in ihr ließ sie zögern. Sasukes Reaktion hatte einen bleibenden Eindruck bei ihr hinterlassen. Er hatte versucht es sich nicht anmerken zu lassen, doch sie hatte gespürt, wie sehr ihn ihre Diagnose aufgewühlt hatte. Mitleid formte sich in ihrer Brust und sie kam nicht umhin sein Schicksal zu bedauern.   Bisher hatte sie noch nie gehört, dass beim Uchiha-Clan so etwas wie Blindheit vorgekommen war. Das Sharingan war berühmt und berüchtigt für sein Können und die Macht, die es inne hielt. Aber was wusste sie schon? Sasuke war der einzige Uchiha den sie kannte. Andere Vergleichspersonen hatte sie nicht. Als die anderen Mitglieder seines Clans gestorben waren, war sie noch zu jung gewesen.   Nein, nicht gestorben, dachte Sakura bitter, ermordet!   Ermordet von seinem Bruder … Itachi …   Es war noch gar nicht solange her gewesen, als sie die Nachricht erreicht hatte, dass es Sasuke tatsächlich gelungen war, seinen Bruder zu töten und seine lang ersehnte Rache zu erhalten. Beinahe hätten sie ihn gefunden, doch als ihr Acht-Mann-Team, bestehend aus Team Sieben und Team Acht, den Schauplatz des Kampfes erreicht hatte, hatten sie nur Itachis Leiche gefunden und von Sasuke war weit und breit keine Spur gewesen.   Was hatte sich seitdem alles ereignet?   Sakura verlor sich in den altbekannten Grübeleien über Sasuke, seine mögliche Gedankenwelt und sein Leben als Abtrünniger, und knabberte dabei weiterhin an ihren Fingernägeln. Irgendwann hörte sie Schritte näherkommen. Angespannt wartete sie ab, lauschte dem rhythmischen Geräusch in der unheimlichen Stille. Wer auch immer das sein mochte – würde er oder sie weitergehen oder zu ihr wollen? Insgeheim hoffte sie, dass es sich dabei um Sasuke handelte, doch anhand des schweren Klangs der Schritte konnte sie ihn ziemlich schnell ausschließen.   Die Person blieb vor ihrem Zimmer stehen und die Türe wurde geöffnet. Der große orangehaarige Mann, den sie vorhin hinter Sasuke hatte stehen sehen, betrat den Raum. Sie starrten sich einige Sekunden lang an und Sakura spürte die Anspannung in sich wachsen. Was würde er wollen? Das ruhige Gesicht mit den bernsteinfarbenen Augen wirkte weder feindselig, noch hinterlistig. Im Gegenteil, dieser junge Mann, der vielleicht nur ein paar Jahre älter als sie sein mochte, wirkte ruhig und gelassen.   Er hielt einen langen rostigen Schlüssel hoch und warf ihn ihr kurz darauf zu. Sakura fing ihn auf und als sie ihn musterte erkannte sie sofort, wofür er war. Sie steckte ihn ins Schloss ihrer linken Handschelle und er passte perfekt. Mit einem Klicken sprang sie auf und sie öffnete auch schnell die zweite Fessel. Auch wenn die daran befestigte Kette nicht mehr an der Wand hing war es doch ein gutes Gefühl, sie los zu sein.   „Du heißt Sakura, richtig?“   Sakura musterte den riesigen Kerl, der so ganz anders zu sein schien, als diese Karin und der weißhaarige Typ. Auch wenn sie nicht so ein guter Menschenkenner war wie Kakashi, konnte sie spüren, dass von ihm keine Gefahr ausging. Er wirkte beinahe … freundlich? Sie wäre allerdings keine Shinobi, wenn sie nicht beschließen würde trotzdem misstrauisch zu bleiben.   „Ja“, antwortete sie, wobei es schon fast nach einer Frage klang. Er musste vorhin mitbekommen haben, wie Sasuke ihren Namen genannt hatte.   „Ich bin Jūgo“, erwiderte er und wandte sich bereits wieder zur Tür. „Komm mit.“   Während sie mit zögernder Skepsis und gleichzeitig ungesunder Neugierde vom Bett aufstand fragte sie: „Wohin?“   Jūgo sah sie einen Moment ruhig über seine Schulter an. „Mittagessen.“   Sakura folgte ihm durch die offensichtlich unterirdischen Gänge und versuchte sie sich für ihre spätere Flucht bestmöglich einzuprägen, doch nachdem sie unzählige Male nach links und wieder nach rechts abbogen verlor sie die Orientierung. Keine Fenster, nur Fackeln und steinerne Mauern, die hin und wieder von hölzernen Türen unterbrochen wurden, hinter denen sie nur vermuten konnte, was sich dort verbarg. Dieser Ort erinnerte sie an das Versteck von Orochimaru, in dem sie damals Sasuke begegnet waren. Hier herrschte die gleiche bedrückende Kälte.   Letztendlich öffnete Jūgo eine Tür und sie fanden sich in einer spärlich eingerichteten Küche wieder. Sakuras Augen verengten sich, als sie dem Blick von Karin begegnete, die sie mit unverhohlenem Hass ansah.   Karins rechte Hand hielt die Essstäbchen und mit der linken deutete sie nun anklagend auf Sakura. „Was macht sie denn hier?“ Es schien der Rothaarigen gewaltig gegen den Strich zu gehen, dass die Gefangene hier war und Sakura fragte sich, was der Grund für ihre Abneigung sein mochte.   Jūgo schien der wortkarge Typ zu sein, stellte sie fest. „Essen“, lautete seine simple Antwort. Karin schnaubte missbilligend und begann dann verärgert mit den Stäbchen in ihrem Essen herumzustochern. Ihr gegenüber saß der weißhaarige Wassermensch, der in Ruhe aß, als wäre er ganz allein in diesem Raum. „Komm“, sagte Jūgo zu Sakura und deutete auf den Tisch. „Es gibt Nabemono.“   Sakura, die bisher gezögert hatte, bekam den leckeren Duft des Essens in die Nase und ihr Magen knurrte leise. Sie wählte den freien Platz, der am weitesten von Karin entfernt lag. Jūgo ging zu einem Hängeschrank, holte zwei Schüsseln heraus und stellte sie auf den Tisch. Mit einem Schöpflöffel füllte er aus einem großen Topf, der auf einem Gaskocher stand, den Eintopf in die Schüsseln. Eine davon gab er Sakura. Anschließend reichte er ihr zwei Essstäbchen. Dann setzte er sich neben Suigetsu und begann zu essen.   Ungläubig blickte Sakura auf ihr Nabemono. Die Stille, die sich über ihnen ausbreitete, war erdrückend, doch abgesehen von ihr schien sich niemand daran zu stören. Der Eintopf schien nicht vergiftet zu sein, immerhin aßen zumindest sie und Jūgo aus ein und demselben Kochtopf. Von daher genehmigte sie sich einen Bissen und musste feststellen, dass es gar nicht mal so schlecht schmeckte. Einen Moment lang fragte sie sich, wer von ihnen dieses Mahl wohl gekocht hatte.   Während sie aß versuchte sie die anderen drei Personen in diesem Raum so gut es ging zu inspizieren. Wer waren diese Leute und was hatten sie mit Sasuke zu tun? Einer von ihnen hatte ihn als Boss betitelt. Waren sie seine Untergebenen? Gab es hier an diesem Ort vielleicht noch mehr Menschen, die sie bisher nur noch nicht zu Gesicht bekommen hatte? So viele Fragen lagen Sakura auf der Zunge. Und sie stellte zuerst die, die sie am meisten interessierte.   „Wo ist Sasuke?“   Augenblicklich rammte Karin ihre Faust auf den Tisch und die Stäbchen, die sie dabei noch in der Hand hielt, machten ein furchtbar knackendes Geräusch. Sakura zuckte zusammen. „Das geht dich gar nichts an!“, zischte sie mit zusammengepressten Zähnen. Ihre roten Augen funkelten sie über ihre Brille hinweg boshaft an. „Halte dich bloß fern von ihm!“   Der Trotz und ihr Stolz sorgten dafür, dass Sakura die nächsten Worte aussprach. „Wenn ich mich nicht irre, dann hat er mich hierher geholt.“   Karin knurrte wütend und lief so rot an, dass sich Gesicht und Haare kaum noch voneinander unterscheiden ließen. Ihr gegenüber musste sich der Weißhaarige ein Lachen verkneifen und Jūgo schien die Szene komplett zu ignorieren. „Du warst aber nicht das Ziel!“, schnaubte sie ungehalten. „Suigetsu, sag doch auch mal was dazu! Lässt du es zu, dass die so mit mir redet?“   Suigetsu, der gerade seine Schüssel an den Mund hob, um den letzten Schluck Brühe daraus zu trinken, murmelte nur: „Vergiss es. Ich halte mich da raus.“   Karin schnaubte erneut, diesmal noch lauter, dann stand sie auf und schleuderte die Essstäbchen – als wären sie Senbon – in seine Richtung. Ohne hinzusehen wich er ihnen aus. Wie eine wildgewordene Furie verließ sie die Küche und donnerte die Tür hinter sich zu. Während das Scheppern in ihren Ohren verklang fragte sich Sakura, ob die Türen hier wohl immer so geschlossen wurden.   „Ist sie immer so … liebreizend?“, fragte sie an niemand bestimmten gerichtet. Wütend stocherte sie in ihrem Essen. Am liebsten hätte sie dieser Hexe eine Backpfeife à la Sakura verpasst.   Spielerisch hob Suigetsu seine Stäbchen, als wäre er ein Lehrer, der seinem Schüler eine wichtige Weisheit mitteilte. „Die beste Art mit Karin klarzukommen ist ihr aus dem Weg zu gehen. So mache ich es immer. Lass dich bloß nicht von ihr einschüchtern.“   „Mit Sicherheit nicht“, murmelte Sakura entschieden.   „Vermutlich ist sie eifersüchtig.“ Suigetsu stemmte seinen rechten Ellenbogen auf den Tisch und stützte das Kinn in seiner Hand ab. Dabei musterte er sie interessiert.   Sakura merkte, wie sie rot anlief. Was genau wollte er damit sagen? Eifersüchtig worauf? Verlegen stocherte sie in ihrem Nabemono. Sollte das etwa heißen, dass …? Betrachtete Karin sie als Konkurrenz? Ging es hier etwa um Sasuke?   „W-wo ist Sasuke eigentlich?“, versuchte Sakura auf das eigentliche Thema zurückzukommen. Es kam ihr merkwürdig vor, hier mit ihnen gemeinsam zu sitzen, zu essen und sich so völlig normal zu unterhalten. Fühlte sich so etwa eine Gefangenschaft an? Nach wie vor wollte sie hier weg und ihre Entführer schienen sie Kami sei Dank halbwegs human zu behandeln. Außerdem hatte Sasuke ihr zugesichert, dass sie nach Konoha zurückkehren durfte, auch wenn sie nichts für ihn tun konnte. Aber Sakura wollte nicht gehen, bevor sie nicht wusste, was anschließend mit ihm passieren würde. Jetzt konnte sie ihn doch nicht einfach so zurücklassen, nachdem sie wusste, wie schlecht es ihm ging. Das Gefühl, ihm helfen zu wollen, hielt sie hier fest.   Suigetsu seufzte und er lehnte sich mit verschränkten Armen in seinem Stuhl zurück. „So wie ich ihn kenne wird er sich erst einmal eine Weile zurückziehen.“   So wie er das sagte verspürte Sakura einen leichten Stich. Zu wissen, dass er ihn so gut kannte, machte sie eifersüchtig. Wie viel von dem Sasuke, den sie einst gekannt hatte, war noch von ihm übrig geblieben? Allmählich zweifelte sie daran, dass diese Leute seine Untergebenen waren. Vielleicht waren sie ja Kameraden oder so etwas in der Art. Hatte Kakashi nicht erwähnt, dass Sasuke möglicherweise ein Team zusammengestellt hatte, als sie versucht hatten, seiner Fährte zu folgen?   „Wer oder was genau seid ihr?“, fragte Sakura. „Du hast vorhin behauptet, Sasuke sei so etwas wie euer Anführer. Arbeitet ihr für ihn?“   Zuerst zogen sich Suigetsus Augenbrauen irritiert zusammen, doch dann stieß er ein belustigtes Lachen aus. Lässig lehnte er seinen Arm über seine Stuhllehne und beugte sich zu dem Orangehaarigen, der bisher immer noch schweigend sein Mittagessen aß. „Was sagst du dazu, Jūgo? Denkst du, wie sind nur seine Lakaien, die die Drecksarbeit für ihn erledigen?“   Jūgo sah ihn über den Rand seiner Schüssel hinweg an, eher er die Brühe zu trinken begann. In seinen bernsteinfarbenen Augen schien Suigetsu die Antwort erkannt zu haben, die Sakura verborgen blieb.   „Er hat uns befreit“, erklärte Suigetsu. „Wir sind alle freiwillig bei ihm. Ohne Zweifel ist er unser Anführer, doch wir verfolgen–“   „Suigetsu“, unterbrach Jūgo ihn ruhig, aber bestimmt. „Du redest zu viel.“   Suigetsu rollte mit den Augen, erklärte dann aber abschließend: „Wir sind ein Team.“   Sakura sog diese seltenen Informationen über Sasuke auf wie ein Schwamm das Wasser. Er hatte sie befreit? Befreit wovon? Diese Karin wirkte alles andere als stark und war sicher auf fremde Hilfe angewiesen. Suigetsu strahlte eine enorme Selbstsicherheit aus und sein Hidenjutsu hatte ihr bereits offenbart, dass man ihn schlecht verletzen konnte. Ihr Blick wanderte weiter zu Jūgo. Ihn konnte sie bisher am schlechtesten einschätzen, da sie über ihn am wenigsten wusste.   Vielleicht lautete die Frage ja auch nicht, wovon er sie befreit hatte, sondern vielmehr, von wem … Wenn sie sich wirklich in einem der ehemaligen Verstecke von Orochimaru befanden, wie sie vermutete, dann würde es auch naheliegen, dass diese Personen ebenfalls etwas mit dieser miesen Schlange zu tun hatten.   Suigetsu drehte eins seiner Essstäbchen gedankenverloren in seinen Fingern und lehnte sich mit einem wissenden Grinsen in Sakuras Richtung. „Du stellst sehr viele Fragen über Sasuke.“ Sein Grinsen wurde noch breiter, während er langsam eine Augenbraue hob. Die spitzen Zähne verliehen ihm ein diabolisches Aussehen. „Ich frage mich wieso.“   Sakura fühlte sich ertappt und dennoch antwortete sie ohne zu zögern und mit einem bitteren Ernst in der Stimme. „Wir waren auch mal … ein Team.“ Auch wenn dies stimmte, so handelte es sich hierbei nur um die halbe Wahrheit. Sasuke war für sie schließlich immer mehr gewesen, als ein Teamkamerad. Aber diese Information würde sie diesen Fremden niemals anvertrauen.   Ihre Vernunft riet ihr davon ab, die nächste Frage zu stellen und ihr Herz schien die Antwort darauf bereits schon zu kennen. „Hat er mal … von uns erzählt?“ Sobald die Frage raus war verstrichen die darauf folgenden Sekunden wie eine Ewigkeit. Sie schluckte nervös. Die Hoffnung starb schließlich zuletzt. All die Jahre hatte sie an ihn gedacht. Jeden Tag. Immer.   Dachte er denn auch an sie?   Suigetsu tippte sich nachdenklich ans Kinn und schien zu überlegen, ehe er den Kopf schüttelte. „Du meinst aus seiner Zeit aus Konoha? Hm, nee, eigentlich nicht.“   Sakura versuchte sich an einem selbstbewussten Lächeln, was sich jedoch wie eine fremde Grimasse in ihrem Gesicht anfühlte. Diese Antwort hätte sie sich denken können. Trübselig blickte sie in ihre Schüssel, in den halb aufgegessenen Eintopf, durch den sie glatt hindurch zu starren schien.   „Aber Sasuke redet ja eh nie viel“, fügte Suigetsu hinzu, als handle es sich dabei um eine unbestreitbare Tatsache und Sakura konnte nicht umhin diese Aussage als Aufmunterung aufzufassen. Er hatte ja recht, nur weil Sasuke etwas nicht sagte, hieße das nicht, dass er nicht darüber nachdachte. In den Kopf eines anderen Menschen konnte man schließlich nicht hineinschauen. Und Sakura hatte nie die Hoffnung aufgegeben, dass Konoha und Team Sieben immer noch einen Platz in seinem Herzen besaßen.   Seitdem Sasuke das Dorf verlassen hatte wartete sie verzweifelt auf seine Rückkehr und gemeinsam mit Naruto versuchte sie ihn immer wieder zu finden und ihn zurückzuholen. Schon zwei Mal hatte sie versagt. Das erste Mal war es ihr nicht gelungen ihn aufzuhalten, als er das Dorf verlassen hatte, und beim zweiten Mal hatten sie es nicht geschafft, ihn umzustimmen, seine Rache aufzugeben und sich von Orochimaru loszusagen, als sie ihn in einem der Verstecke des Sannin aufgespürt hatten. Nun, da weder Orochimaru noch Itachi am Leben waren, gab es in ihren Augen keinen Grund mehr für ihn sich gegen Konoha zu stellen. Wenn es nach Sakura ginge würde sie ihn, obwohl Sasuke ein Nukenin war, mit offenen Armen und Begrüßungsgeschenken empfangen. Als geachtete Schülerin der Hokage würde sie sicher ein gutes Wort für ihn einlegen können und ebenso in der Lage dazu sein Tsunade umzustimmen, sollte sie Einwände gegen eine Wiederaufnahme haben.   „Auch wenn ich mir die Antwort darauf schon denken kann“, begann Suigetsu langsam und Sakura hatte das erste Mal das Gefühl, ihn wirklich ernst zu erleben. „Was hast du bei der Untersuchung herausgefunden?“   Jetzt schaute auch Jūgo sie abwartend an. Abermals stocherte Sakura mit ihren Stäbchen in ihrer Schüssel herum, als würde sie damit Zeit schinden können. Der Appetit war ihr plötzlich vergangen. „Es sieht nicht gut aus.“   „Jah, das wissen wir auch“, seufzte Suigetsu. „Aber kannst du ihm helfen?“   „Ich weiß nicht wie“, gab sie verbittert zu. Daraufhin folgte langes Schweigen.   Vielleicht konnte man ihm in Konoha besser helfen? Möglicherweise würde Tsunade das gelingen, was ihr nicht gelungen war. Bisher hatte die Hokage sie noch nie enttäuscht. Sakura wollte die Hoffnung nicht aufgeben, Sasukes Augenlicht zu retten. Was wäre, wenn sie eine Art Deal mit ihm aushandeln könnte? Dass er mit nach Konoha käme und sie ihn dort im Gegenzug heilen würden, sollte er sich reumütig zeigen und sich anständig benehmen? Würde er sich darauf einlassen? Würden sie das überhaupt können? In Konoha lebten abgesehen von Tsunade, Shizune und ihr selbst mehrere fähige Medic-Nin, aber Sasukes Fall schien durchaus komplizierter zu sein, als es den Anschein hatte. Noch dazu wurde Sakura das Gefühl nicht los, dass er ihr etwas Wichtiges verschwieg. Zu wissen, wie es überhaupt zu dieser Erkrankung gekommen war, würde ihr vielleicht schon weiterhelfen, die richtige Behandlung zu wählen.   Und selbst wenn er nicht mit ihr zurückkehren würde, dann würde sie ihn bitten, dass sie schnellstmöglich nach Konoha aufbrechen durfte, einerseits um ihren Eltern und Freunden mitteilen zu können, dass es ihr gut ging, andererseits, um nach einem Heilmittel für ihn zu forschen. Sie würde nicht aufgeben. Wenn es sein musste, dann würde sie alle medizinischen Bücher lesen und alle Heiljutsus dieser Welt lernen, um ihm zu helfen.   Und selbst wenn es dafür noch kein bekanntes Heilmittel gab, dann musste Sakura eben eins erfinden!   Shannarō! Kapitel 5: Kapitel 5 -------------------- Das Wasser lief aus dem Duschkopf auf sie herab, wie ein heißer, stürmischer Sommerregen. Sakura schloss die Augen und genoss das Gefühl, wie die Wassertropfen auf ihre Kopfhaut prasselten – ein schon fast massierender Effekt – und wie die Wärme ihren angespannten Körper hinunterfloss. Einige Minuten erlaubte sie sich hier einfach nur zu stehen, dem beruhigend klingenden Geräusch des Duschregens zu lauschen, die steifen Glieder ein wenig zu entspannen und zu vergessen, an welchem Ort sie sich momentan befand. Das Wasser sammelte sich am tristen grau gefliesten Boden zu einer kleinen Pfütze, die langsam im Abfluss versickerte. Leichter Dunst verbreitete sich in dem Badezimmer und die Spiegel begannen zu beschlagen.   Das hier war nun schon der zweite Tag, den sie hier verbrachte. Seit ihrer ersten Begegnung mit ihm hatte sie Sasuke nicht mehr gesehen. Er war weder zum Abendessen, noch am darauffolgenden Tag zum Frühstück erschienen, noch hatte er sie von sich aus aufgesucht. Ihr selbst wurde es verwehrt zu ihm zu gehen. Von Stunde zu Stunde wurde ihre Angst um ihn größer. Sie spürte, dass es ihm nicht gut ging und sie wollte zu ihm und mit ihm reden. So vieles musste noch geklärt werden, doch alles, was ihr blieb, war warten. Momentan fühlte sie sich vollkommen nutzlos.   Die anderen drei sah sie nur zu den Mahlzeiten. Die restliche Zeit verbrachte Sakura grübelnd in ihrem Zimmer auf dem Bett, das inzwischen sogar über Decke und Kissen verfügte, sodass sie einigermaßen gut schlafen konnte. Karin sprach seit ihrem letzten Ausraster nicht ein Wort mit ihr, was ihr nur recht war. Suigetsu wirkte ihr gegenüber sehr offen, doch sie bemerkte, dass er ihr auch nur das sagte, was sie wissen durfte. Derjenige, der ihr am vertrauenswürdigsten erschien, war Jūgo, deshalb war er es auch gewesen, den sie nach der Möglichkeit gefragt hatte duschen zu dürfen. Schließlich würde es niemandem schaden, wenn sie sich gelegentlich frisch machte. Ohne große Worte hatte er ihr zwei ausgeblichene, leicht abgenutzte Handtücher besorgt und sie zum Bad geführt. Sie wusste, dass er im Augenblick vor der Tür stand und auf sie wartete. Einerseits wurde sie in ihrem Zimmer nicht eingesperrt, doch man achtete darauf, wo Sakura hin ging. Vermutlich versuchten sie zu vermeiden, dass sie sich auf die Suche nach Sasuke machte. Offenbar wollte er sie nicht sehen.   Das Badezimmer war riesig und bot Platz für acht Personen. Mehrere Duschvorrichtungen zeugten davon, dass dieser Raum früher als Gemeinschaftsbad genutzt wurde, was Sakura schlussfolgern ließ, dass sich hier zu einer unbestimmten Zeit viel mehr Menschen aufgehalten haben mussten. Inzwischen wusste sie, dass sie in diesem Versteck nur zu fünft waren. Außer ihr, Sasuke, Suigetsu, Jūgo und Karin befand sich sonst niemand in diesen unterirdischen Gemäuern. Die Annahme, dass es sich um ein ehemaliges Versteck Orochimarus handelte, wurde ihr ebenfalls bestätigt. Diese Information hatte sie aus Suigetsu herausbekommen. Vermutlich war es nicht wichtig genug, um es vor Sakura geheim zu halten. Wo sie sich genau befand konnte sie von daher trotzdem nicht sagen. Dieser Ort musste zumindest in der Nähe von Konoha sein, vermutlich noch im Reich des Feuers.   Die Auswahl an Pflegeprodukten war recht kläglich. Sakura war aber froh, dass sie überhaupt so etwas wie Shampoo und Duschgel vorfand. Für Shinobis war es nicht ungewöhnlich auf Missionen manchmal tagelang, wenn nicht sogar wochenlang nicht zu duschen. Waschen konnte man sich nur an Bächen oder Seen. Und Männer waren ohnehin anspruchsloser, als Frauen, was die Körperhygiene betraf. Vielleicht hatte sie es Karin zu verdanken, der einzigen Frau in Sasukes Team, dass sie sich gerade mit einem leicht nach Vanille duftenden Duschgel einrieb. Bei dem Gedanken daran Sasuke völlig verschwitzt und stinkend gegenüberzutreten stellten sich ihr die Nackenhaare auf.   Als nächstes griff Sakura nach der Shampooflasche. Mit routinierten Bewegungen verteilte sie es auf ihrem Kopf und wusch sich das rosa Haar. Dabei starrte sie gedankenverloren an die Wand ihr gegenüber. Ging Sasuke ihr aus dem Weg? Wieso wollte er nicht mit ihr reden? Oder dachte er womöglich, dass sie schon längst weg war, auf dem Rückweg nach Konoha? Der Gedanke zu wissen, dass er nur einige Zimmer von ihr weg sein mochte, machte sie beinahe wahnsinnig, da sie nicht in der Lage war, ihn sehen zu dürfen. Sie konnte nicht einmal sein Chakra spüren. Entweder unterdrückte er es oder er war doch weiter von ihr entfernt, als sie vermutete.   Sakura hielt den Kopf unter den Wasserstrahl und wusch sich Shampoo und Duschgel vom Körper. Jetzt fühlte sie sich endlich wieder ein wenig wohler in ihrer Haut. Sie drehte das Wasser ab und griff nach den Handtüchern, die an der Wand an einem Haken hingen. Eines wickelte sie sich um ihren schlanken Leib, mit dem zweiten rubbelte sie sich über den Kopf, um die Haare zu trocknen. Vorsichtig, um auf dem vom Wasserdunst feuchten Boden nicht auszurutschen, ging sie zu einem der Waschbecken, um in den Spiegel schauen zu können, der über dem Becken an der Wand hing. Er war völlig beschlagen. Mit der linken Hand rieb sie weiterhin mit dem Handtuch das Haar trocken, die rechte streckte sie nach dem Spiegel aus. Langsam fuhr sie mit der Handfläche über die Scheibe, um eine klare Sicht zu erhalten.   Ihr Blick fiel auf das Spiegelbild, das sie selbst sowie die gegenüberliegende Tür zeigte. Sie sah gerade noch, wie sie aufgerissen wurde und sich jemand auf sie stürzte. Sakura wich keuchend zur Seite und der Angreifer stieß mit voller Wucht ins Waschbecken, das er dadurch völlig zerstörte. Vor Schreck ließ Sakura das Handtuch fallen, mit dem sie die Haare trocknen wollte. Das andere, das sie sich um ihren Körper gewickelt hatte, hielt sie krampfhaft am Knoten zusammen.   Der Angreifer wandte den Kopf in ihre Richtung und ihre Augen weiteten sich vor Schreck, als sie ihn erkannte. „Jūgo?“, flüsterte Sakura entsetzt. Sie wich einige Schritte zurück, versuchte mehr Distanz zwischen sich und ihren Angreifer zu bringen. Dieser Mann war Jūgo und gleichzeitig auch wieder nicht. Ohne Zweifel sah er ihm ähnlich, aber dieses Wesen zeigte nichts mehr von dem sonst so ruhigen und harmlosen Shinobi, den sie bisher kennengelernt hatte. Seine Augen waren weit aufgerissen und der Mund zu einem mordlustigen zähnefletschenden Grinsen verzerrt. Die Hälfte seines Körpers wurde von dunklen Malen geziert und sein rechter Arm hatte sich in etwas verwandelt, das eindeutig nicht menschlich sein konnte. Seine Ausstrahlung hatte sich verändert und zeigte nun ein angriffslustiges Monster, mit einer deutlichen Spur Wahnsinn in den Augen.   „Was ist mit dir passiert?“, fragte Sakura schockiert. War das wirklich Jūgo, der vor ihr stand? Wieso griff er sie auf einmal an? Vielleicht hatte er die ganze Zeit über nur auf einen Moment gewartet, in dem sie unachtsam war und sich in Sicherheit wog?   Er zog seine geballte Faust aus den Trümmern des Waschbeckens und wandte sich ihr vollends zu. „Ich werde dich töten“, hauchte er erregt. Sein ganzer Körper zitterte vor unterdrückter Lust. „Aber vorher …“ Sie sah, wie seine Augen lüstern über ihren Körper wanderten und automatisch drückte sie das Handtuch dichter um ihren halbnackten Körper. Eins seiner Augen war schwarz und zeigte eine gelbe Pupille. Dieser Anblick kam ihr schrecklich bekannt vor, ebenso wie die Male, die sich nun noch weiter auf seinem Körper ausbreiteten. Den Gedanken konnte sie allerdings nicht zu Ende führen, da er sich schon im nächsten Moment mit lautem Gebrüll auf sie stürzte.   Sakura wich erschrocken zurück und rutschte auf dem feuchten Boden aus. Für eine Sekunde verlor sie das Gleichgewicht. Im nächsten Moment packte er sie bereits, bevor sie fallen konnte, und presste sie mit voller Wucht gegen die Wand, dass ihr sofort die Luft wegblieb. Jūgo drückte seinen rechten mutierten Unterarm gegen ihre Kehle und hob sie damit hoch, sodass sie nun mehrere Zentimeter in der Luft hing. Verzweifelt versuchte sie mit den Füßen den Boden zu erreichen. Ihre rechte Hand klammerte sich immer noch verzweifelt um das Handtuch. Es war klar, was er vorhatte. Wenn sie es jetzt fallenließe würde sie nur noch mehr Öl ins Feuer kippen. Aus ihrem nassen Haar tropfte es auf ihre nackten Schultern. Ihr Gehirn versuchte immer noch zu analysieren, was so plötzlich mit Jūgo geschehen war, doch da ihr langsam die Luft ausging, musste sie schnell handeln und diese Frage später beantworten. Seine irren Augen bohrten sich in ihre.   „Du kleine geile Schlampe“, raunte er und sie konnte sehen, wie die Male weiter über sein Gesicht wanderten und kaum noch etwas von seiner hellen Haut übrig ließen. Langsam leckte er sich über die Lippen. Von dem Jūgo, der ihr den Schlüssel zu den Handschellen gegeben und sie zum Essen abgeholt hatte, war nichts mehr übrig. Sakura sammelte Chakra in ihrer linken Hand, bereit um zuzuschlagen. „Ich werde dich mal so richtig–“   „Jūgo!“ Augenblicklich ruckte Jūgos Kopf zur Seite und er sah direkt in die roten Augen von Sasuke. „Beruhige dich“, forderte der Uchiha mit kalter, ernster Stimme. „Lass sie los.“   Sakura hielt in der Bewegung inne, ließ das Chakra in ihrer Hand wieder erlöschen und drückte nun, da Jūgo abgelenkt war, gegen seinen Unterarm, sodass sie endlich wieder etwas Sauerstoff bekam. Aus den Augenwinkeln konnte sie Sasuke neben sich stehen sehen. Sein Gesicht war direkt neben ihrem, um sich in Jūgos Sichtfeld zu schieben. Sie hatte gar nicht bemerkt, wie er so plötzlich ins Bad gekommen war. Der Lärm und Jūgos Chakra, das überdeutlich zu spüren war, mussten ihn alarmiert haben.   Jūgo starrte ihn wie gebannt an, blickte in sein Sharingan und allmählich verebbte seine Lust und sein Todesdrang. Die schwarzen Male auf seinem Körper zogen sich zurück und auch sein Arm verwandelte sich wieder in ein menschliches Körperteil. Als wäre plötzlich ein Schalter umgekippt riss Jūgo panisch die Augen auf. Er blickte zu Sakura und ließ sie erschrocken los, woraufhin sie wieder auf ihren Füßen landete und erst einmal nach Luft rang.   „Was …? Was hab ich …?“ Seine geweiteten Augen huschten immer wieder von Sakura zu Sasuke und wieder zurück. Langsam hob er seine zitternden Hände und raufte sich die Haare, als er die Situation zu begreifen begann. „Oh nein …“, flüsterte er entsetzt und Sakura fragte sich noch einmal, was zu Hölle hier vor sich ging. Jūgo schien wieder völlig verändert, als wäre er ein ganz anderer Mensch.   Sakura erwiderte seinen Blick ebenso erschüttert. Erst als Jūgo schon fast fluchtartig das Badezimmer verließ fand sie ihre Stimme wieder. „Was war das gerade?“ Ihr Herz schlug immer noch laut in ihrem Brustkorb. Erst jetzt bemerkte sie das Adrenalin, dass durch ihren Körper pulsierte, und dass sie ebenfalls leicht zitterte. Sie sah zu Sasuke, der mit einem undefinierbaren Blick die Tür fixierte, durch die Jūgo gerade gerannt war. Ohne ihm überhaupt die Zeit zu geben zu antworten fragte sie: „Das war das Mal des Fluches, nicht wahr?“ Bei der Erinnerung an den Wald des Schreckens erschauderte sie. Das Bild von Sasuke, übersät mit dem Fluchmal, und völlig außer Kontrolle, würde sie wohl ihr Leben lang verfolgen.   Mit einem Mal wurde ihr klar, dass sie nur in ein schäbiges Handtuch gewickelt war. Erschrocken sah sie an sich hinab und ihre Finger versuchten den Knoten an ihrer Brust, der das Tuch an Ort und Stelle hielt, krampfhaft festzuhalten, damit er sich bloß nicht löste und sie sich vor ihm entblößte. Und Sasuke stand immer noch direkt neben ihr. So nah. Ihr Herz schlug nun noch schneller, als ohnehin schon. Sie sah zu ihm auf und wollte sich gerade für seine Hilfe bedanken, als er plötzlich zusammenzuckte. Mit schmerzverzerrtem Gesicht presste er sich eine Hand aufs rechte nun wieder schwarze Auge.   „Sasuke!“ Alle Gedanken an Jūgo waren mit einem Mal vergessen. „Was ist mit dir?“ Sanft legte sie eine Hand an seine Schulter, doch er wischte sie mit einer schnellen Bewegung weg.   „Lass das“, fauchte er gereizt. „Mir geht’s gut.“   „Aber ich–“   Ohne sie auch nur eines Blickes zu würdigen ging er los, in Richtung Tür.   „Warte!“, rief Sakura aufgeregt. Jetzt da er nun endlich wieder in ihrer Nähe war wollte sie ihn keineswegs einfach so gehen lassen. Offensichtlich hatte er Schmerzen. Doch natürlich tat er ihr nicht den Gefallen und ging durch die Tür, die Jūgo bei seiner Flucht offen gelassen hatte, und schloss sie hinter sich. Eine deutliche Botschaft, dass sie ihm nicht folgen sollte.   Eine Sekunde lang starrte Sakura mit offenem Mund auf die verschlossene Tür, doch dann befreite sie sich aus ihrer Schockstarre. Kurzerhand riss sie sich das Handtuch vom Körper und warf es einfach beiseite, dann suchte sie Kleidung und Schuhe zusammen und zog sich in Rekordtempo an, nur um anschließend ebenfalls aus dem Bad zu rennen, Sasuke hinterher. Sie konnte noch sein Chakra spüren und wusste dadurch, in welche Richtung er gegangen war. Sakura rannte, als hinge ihr Leben davon ab. So einfach würde sie jetzt nicht aufgeben.   So leicht kommst du mir nicht davon!, dachte sie entschlossen. Kapitel 6: Kapitel 6 -------------------- Sie konnte ihn zwar nicht sehen, aber dafür nun umso deutlicher spüren. Sasukes Chakra war ganz in der Nähe. Sakura lief und lief, bis sie vor einer unscheinbaren Tür stehen blieb. Für einen Moment verharrte sie davor, versuchte ihre beschleunigte Atmung zu kontrollieren, die nicht vom Laufen herrührte, und ihren raschen Herzschlag zu beruhigen. Dann griff sie nach der Klinke und öffnete die Tür. Ohne zu zögern trat sie ein und schloss sie hinter sich. Sasuke saß auf der Bettkante, mit dem Rücken zu ihr. Auf seinem weißen Oberteil blickte ihr das aufgestickte Uchiha-Emblem entgegen.   „Was willst du noch?“, kam es kühl aus seiner Richtung. Seine unfreundliche Art hatte sich seit früher nicht verändert und auch wenn man meinen könnte, dass sie es mittlerweile gewöhnt sein müsste, dass er so mit ihr sprach, kränkte es sie. Sie waren immerhin einmal ein Team gewesen, verdammt nochmal! Team Sieben! Sie war nicht irgendjemand. Wann begann er endlich sie zu respektieren? Sakura wusste, dass er eigentlich nicht sie haben wollte, sondern Tsunade. Noch ein Auslöser, der dafür sorgte, dass sie sich so schrecklich nutzlos fühlte.   Früher mochte es vielleicht so gewesen sein, doch nicht nur er hatte sich in den letzten drei Jahren verändert: Aus Sakura Haruno war eine mutige und starke Kunoichi geworden, eine begabte Medic-Nin, die Schülerin der Hokage und Sannin. Sie war nun alles andere als nutzlos. Inzwischen konnte sie helfen. Deswegen war sie schließlich hier.   Sakura durchquerte den Raum, ging um das Bett herum und blieb direkt vor ihm stehen. Es kam nicht oft vor, dass sie auf Sasuke Uchiha herabblickte; er saß am Rand des Bettes, leicht vorne über gebeugt, den rechten Ellenbogen auf seinem Oberschenkel abgestützt und hielt sich nach wie vor das rechte Auge. Das linke starrte stur geradeaus, direkt an ihr vorbei. Wieder einmal fragte sie sich, wie viel er wohl noch sehen konnte … Die sonst so emotionslose Maske wirkte angespannt, beinahe schon verkrampft. Sie konnte deutlich sehen, wie sein Kiefer sich anspannte und er die Zähne fest aufeinander biss. Sein gequälter Anblick versetzte ihr einen Stich in ihrem Herzen.   Langsam kniete Sakura sich vor ihm hin, um mit ihm auf einer Augenhöhe zu sein. „Du hast Schmerzen“, stellte sie unnötigerweise fest. Doch Sasuke sah sie weder an, noch antwortete er, beinahe, als würde er ihre Anwesenheit gar nicht bemerken, was das beklemmende Gefühl in ihrer Brust nur noch verstärkte.   „Wieso redest du nicht mit mir?“, fragte Sakura traurig. Beinahe tat er so, als würden sie sich nicht kennen, als wären sie nie Teamgefährten gewesen. Als hätte es nie ein Band zwischen ihnen gegeben. „Warum lässt du mich dir nicht helfen?“ Sie war eine Medic-Nin. Wieso suchte er sie dann nicht auf? Auch wenn sie bisher ratlos war, wie sie die Erblindung aufhalten sollte, Schmerzen zu lindern war für sie ein Kinderspiel. Dieses schon fast kindische Verhalten schrieb sie seinem unkaputtbaren Stolz zu. Womöglich wollte er ihr gegenüber keine Schwäche zeigen. Vielleicht konnte er sie auch einfach sich selbst gegenüber nicht eingestehen.   Jetzt sah er sie endlich an. Sein linkes Auge erwiderte ihren Blick, während das rechte weiterhin unter seiner Handfläche begraben lag. „Du sagtest bereits, dass du mir nicht helfen kannst.“   Sakura zog leicht verärgert die Augenbrauen zusammen. „Das eine hat nichts mit dem anderen zu tun.“ Sture Patienten und trotzige Kinder, die sich nicht helfen lassen wollten, kannte sie von ihrer Arbeit im Krankenhaus zur Genüge, weshalb sie sich nicht so einfach abwimmeln ließ. In ihr schlummerte der Wunsch anderen Menschen zu helfen, sie so gut es möglich war zu heilen, und ihnen ihren Schmerz zu nehmen. Doch als sie ihre Hand nach ihm ausstreckte, fing er sie kurz vor seinem Gesicht am Handgelenk ab und hielt sie fest. In seinem finsteren Blick zeigte sich Abneigung, doch ihre grünen Augen strahlten voller Entschlossenheit.   „Jetzt reicht es mir langsam!“, knurrte sie schon fast. Sie lehnte sich weiter vor, zeigte ihm somit, dass sie keine Angst vor ihm hatte. Sein bockiges Verhalten würde sie nicht weiter tolerieren. „Wieso vertraust du mir nicht? Ich will dir nur helfen!“ Ihre innere Stimme würde jetzt wohl zustimmend nicken. Er ließ ihr Handgelenk immer noch nicht los, aber sie war stärker als er. Von daher legte sie ihre Handfläche mit sanfter Gewalt an seine Schläfe, ließ ihr grünes Chakra aufleuchten und behutsam in seinen Körper fließen. Ihre andere Hand folgte kurz darauf und tat es ihr gleich.   Sich zu konzentrieren fiel ihr gar nicht so leicht, wenn man bedachte, dass ihr die Liebe ihres Lebens im Augenblick so nah war.   Nachdem Sasuke seine rechte Hand von seinem schmerzenden Auge genommen hatte beobachte er sie ganz genau, mit einem leisen Anflug von Misstrauen. Seine linken Finger umklammerten immer noch ihr rechtes Handgelenk. Verdammt, Sakura war ein Profi! Sie würde sich doch nicht von Sasuke Uchiha aus dem Konzept bringen lassen! Um seinem bohrenden Blick zu entfliehen, der sie nur ablenkte und verwirrte, schloss sie einfach die Augen. Hochkonzentriert blendete sie alles andere aus, fokussierte sich nur auf den Patienten vor sich und sorgte mithilfe ihres Chakras dafür, dass sie ihm seine Schmerzen nahm. Diese Behandlung bekämpfte zwar nicht die Ursache, aber sie überdeckte die Symptome. Beinahe so, als würde man sich eine einfache Kopfschmerztablette einwerfen.   Am Rande bemerkte sie, wie seine Finger sich um ihr Handgelenk langsam lösten und sie schließlich ganz losließen. Ein Stück seines inneren Widerstandes schien endlich aufzugeben. Na bitte, geht doch … Ihre Hände mochten zwar zart sein, aber sie waren zu enormer Stärke fähig. Das wusste Sasuke spätestens, nachdem sie ihn im Büro der Hokage geschlagen und ins nächste Regal befördert hatte. Von daher war es nur allzu verständlich, dass er sich nicht ganz wohl in seiner Haut fühlte. Sakura war dazu in der Lage alles und jeden zu zertrümmern. Eigentlich hätte sie ihn auch gar nicht berühren müssen. Es hätte gereicht, ihre Handflächen nur neben seinem Kopf zu halten, so wie sie es sonst immer bei ihren Patienten tat, aber diese simple Berührung gab ihr das Gefühl, dass er sich nicht so schnell wieder von ihr entreißen konnte. Als wäre sie ihm ein Stückchen näher gekommen, nicht nur körperlich, sondern auch emotional.   Nach einer Minute öffnete sie ihre Augen und ließ beide Hände sinken. „Geht es dir jetzt besser?“ Zur Antwort erhielt sie ein schwaches Nicken. Sie seufzte. Ein einfaches „Danke“ würde sie vom Uchiha wohl nicht erhalten.   Nicht noch einmal …   Vielleicht war dies ja die Möglichkeit, ihn danach zu fragen, denn schließlich wusste sie bis heute nicht, wofür genau Sasuke sich damals bei ihr bedankt hatte. Immer wieder hatte sie sich darüber den Kopf zerbrochen. Womöglich hatte sie es sich ja auch nur eingebildet. Immerhin konnte sie sich nur noch bruchstückhaft daran erinnern, da er sie kurz danach ausgeknockt hatte. In der Nacht, in der Sakura ihm ihre Liebe gestanden und er ihr das Herz gebrochen hatte.   Sie musterte sein Gesicht, während er an die gegenüberliegende Wand starrte. Jetzt wirkte er schon viel entspannter und ruhiger, woraufhin sie sich erleichtert fühlte. Ihn leiden zu sehen konnte sie kaum ertragen, so sehr liebte sie ihn. Doch wie erging es ihm und wie dachte er über sie? Wie gern würde sie jetzt seine Gedanken lesen. Die Ungewissheit und die Befürchtung, er würde ihre Gefühle nicht erwidern, taten so unendlich weh …   Keiner von beiden sprach und so legte sich eine erdrückende Stille über das Zimmer. Sakura sah sich vorsichtig im Raum um … Sasukes Zimmer … Sie schluckte nervös. Da ihr langsam die Beine weh taten setzte sie sich in den Schneidesitz und verknotete unruhig die Finger in ihrem Schoß. Ihr von der Dusche immer noch nasses Haar tropfte ihr in den Nacken.   Tatsächlich war es Sasuke, der die Stille durchbrach. „Wieso bist du noch hier?“   Sakura sah kurz zu ihm, doch er blickte sie immer noch nicht an. Ihr war klar, dass sich seine Frage nicht auf das Hier und Jetzt, sondern auf diesen Ort allgemein bezog. Immerhin hatte er ihr gesagt, dass sie gehen konnte, sobald er sie nicht mehr brauchte. Traurig senkte sie den Blick.   Aber er brauchte sie doch noch ...   Oder?   „Du bist so einfach davon gestürmt, ohne dass …“, begann sie leicht verzweifelt bei der Erinnerung an ihr letztes Aufeinandertreffen. Ihre Finger in ihrem Schoß wirkten auf einmal so wahnsinnig interessant. „Ich wäre nie gegangen, ohne mich zu verabschieden.“   Sasuke wandte den Kopf und sah sie direkt an. Er öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch Sakura fuhr ihm sofort dazwischen. Das war jetzt nicht der Moment um sich zu verabschieden!   „Ich werde einen Weg finden, um dir zu helfen! Gib mir nur etwas Zeit.“ Ihre grünen Augen sahen ihn flehend an. Am liebsten hätte sie nach seiner Hand gegriffen, doch sie unterdrückte diesen Impuls. „Du darfst die Hoffnung nicht aufgeben.“   „Hoffnung?“ Er schenkte ihr einen abfälligen Blick. „Tz, du bist immer noch so naiv wie früher.“   Sakura schmunzelte bitter. „Und du bist immer noch so stur wie früher.“   Leicht legte er den Kopf schief, wobei er fragend eine Augenbraue hoch zog. Ihr Schmunzeln verwandelte sich bei diesem Anblick in ein verlegenes Lächeln. Spürte er diese Anziehungskraft denn nicht auch? Sie fühlte sich so sehr von ihm angezogen, dass es ihr schwerfiel, ihn nicht hier und jetzt auf der Stelle zu küssen. Einen Moment lang erlaubte sie sich, in seinen atemberaubenden dunklen Augen zu versinken.   Dann räusperte sie sich. „Ich habe nachgedacht.“ Jetzt war der Zeitpunkt gekommen ihm ihre Überlegungen mitzuteilen. „Dass ich dir nicht helfen kann bedeutet nicht, dass es niemand kann. Tsunades Können überschreitet meines bei Weitem. Wenn du mit nach Konoha–“   „Nein!“   „Aber …“ Fassungslos sah sie ihn an. Sie hatte doch noch nicht einmal ausgesprochen.   „Ich werde mit Sicherheit nicht nach Konoha zurückkehren, falls es das ist, was du gerade vorschlagen wolltest.“ Seine Augen wurden wieder kalt und sie spürte, wie er sich erneut von ihr entfernte. „Ich will mit Konoha nichts mehr zu tun haben.“   „Ach ja?“ Sakura versuchte den Schmerz in ihrem Herzen zu ignorieren und ließ die Wut überhand nehmen. „Dann warst du also nur zufällig im Büro der Hokage ja? Gib es zu, Sasuke-kun, du brauchst uns!“   Sasuke schnaubte bloß. Sein Blick sagte eindeutig: Ich brauche niemanden. Aber sie beide wussten, dass es nicht stimmte, denn sonst wäre sie schließlich nicht hier, ansonsten gäbe es nicht sein Team. Erneut brach Schweigen aus. Die Stille war diesmal unerträglich. In dieser Zeit versuchte Sakura ihre Gedanken zu sortieren.   „Dann werde ich nach Konoha zurückkehren.“ Allein, dachte sie bitter. Ein Teil in ihr wünschte sich, dass er sie nicht gehen ließe. Sie wollte alles andere, als ihn hier zurückzulassen und womöglich nie wieder zu sehen. Hier gerade bei ihm zu sein fühlte sich so gut an, so richtig. Seine Nähe war alles, was sie sich wünschte, was sie schon immer gewollt hatte. Wieso war nur alles so kompliziert? „Aber ich verspreche dir“, fuhr sie entschlossen fort, während sie sich diesmal nicht zurückhalten konnte und ihre Hand auf seine legte, um sie liebevoll und aufmunternd zu drücken. „Ich werde nicht aufgeben. Ich finde einen Weg, dir zu helfen. Es muss eine Lösung geben“, sagte sie verzweifelt. „Ein Jutsu oder … Irgendetwas …“   „Sakura.“ Seine Stimme klang bitter. Erneut wich er ihrem Blick aus, indem er an die gegenüberliegende Wand starrte. „Spar dir die Mühe. Das wird nichts bringen.“   „Wieso nicht?“   Sasuke seufzte und fuhr sich mit einer Hand durchs Haar. Dann stand er auf, wodurch sie gezwungen war seine Hand wieder loszulassen. Er ging ein paar Schritte durch den Raum, wandte ihr den Rücken zu. „Es liegt am Sharingan“, erklärte er emotionslos, dabei steckte er die Hände in die Hosentasche. Die vorgespielte Lässigkeit konnte seine Angespanntheit jedoch kaum verdecken. „Es ist ein Fluch. Ich dachte es gäbe eine Möglichkeit ihn aufzuhalten, aber … Offensichtlich habe ich mich getäuscht.“   In Sakura überschlugen sich die Gedanken. Sharingan? Fluch? Wovon redete er da? Von Anfang an hatte sie gespürt, dass er ihr eine wichtige Information vorenthielt. Dieser Sturkopf! Sofort war sie auf den Beinen und ballte unbewusst die Hände zu Fäusten. „Wieso hast du mir das nicht schon früher erzählt?“, schmetterte sie ihm wütend an den Kopf.   Unbeeindruckt drehte sich Sasuke zu ihr um. „Weil es dich nichts anging.“   „Aber das sind wichtige Informationen! Wie soll ich denn–“ Argh! Innerlich raufte sie sich die Haare. Dieser Kerl machte sie wahnsinnig! In ihrem Gedächtnis suchte sie danach, ob sie irgendwann mal etwas über einen Fluch gehört hatte, der mit dem Sharingan zusammenhing. Aber ihr wollte nichts einfallen. Alles, was sie über dieses Kekkei Genkai wusste, hatte sie von Sasuke und Kakashi. Damals, als Sasuke es während ihrer ersten gemeinsamen Mission erweckt hatte, war sie schließlich dabei gewesen. Verzweifelt fuhr sie sich über das Gesicht. „Es muss eine Lösung geben“, murmelte sie mehr zu sich als zu ihm. Fieberhaft suchte sie bereits danach.   „Die gibt es.“   Irritiert blickte sie zu dem Uchiha. „Und die wäre?“ Sein Blick war ernst geworden. Es war ihm deutlich anzusehen, wie er mit sich haderte, es ihr zu sagen. Sie drängte ihn, ihr zu antworten: „Sasuke-kun …“   Nach einigen Sekunden holte er tief Luft und wandte den Kopf zur Seite. Diese Geste glich schon fast einer Kapitulation. „Die Augen eines Blutsverwandten.“   Sakura erstarrte, als sie begriff. Das Sharingan konnte nur gegen ein anderes Sharingan ausgetauscht werden. In der Theorie klang das ziemlich einfach, doch praktisch gesehen besaß Sasuke keine Familie mehr. Seine Eltern und sein gesamter Clan waren vor vielen Jahren ausgelöscht wurden. Und seinen Bruder, der für dieses Massaker verantwortlich war, hatte er erst vor kurzem umgebracht. Sasuke war der letzte, der über das legendäre Sharingan verfügte. Deshalb hatte er auch nach einer anderen Lösung suchen müssen.   Sie dachte nach. Was wäre wenn … Nein, das würde sicher nicht funktionieren. Oder etwa doch? Nach wie vor kannte sie noch nicht alle Einzelheiten, denn sie bezweifelte, dass Sasuke ihr alles erzählt hatte. Dass er ihr solch private Einblicke gewährte bedeutete noch lange nicht, dass er ihr die komplette Geschichte anvertraute. Dafür kannte sie ihn zu gut. Wenn er ihr etwas erzählte, dann nur, weil er es für notwendig hielt. Wenn Sasuke wirklich denken würde, dass er keine Chance auf Heilung besaß, hätte er sie einfach gehen lassen, ohne ihr ein Wort vom dem Fluch des Sharingans zu verraten.   Das konnte nur bedeuten, dass …   „Itachi.“   Sasuke nickte. Sein Bruder war zwar tot, aber noch nicht allzu lange. Es war erst wenige Wochen her, dass sie ihn gefunden hatten.   „Seine Augen wären die einzige Möglichkeit. Ich weiß aber nicht, wo sich seine Leiche befindet“, gestand Sasuke schließlich.   Beinahe hätte sie aufgelacht. Sakura ging einige Schritte auf ihn zu und blieb direkt vor ihm stehen. Ihre Augen glühten geradezu. „Aber ich weiß es“, entgegnete sie aufgeregt. „Ich weiß, wo seine Augen sind.“   Sasukes Augenbrauen zogen sich skeptisch zusammen und ein irritierter Ausdruck erschien auf seinem Gesicht. „Was? Wo?“   „Na wo wohl.“ Sakura lächelte leicht bei ihrer Antwort. „Sie sind in Konoha.“ Kapitel 7: Kapitel 7 -------------------- „Ich habe eine Entscheidung getroffen. Hört genau zu. Ich erkläre euch jetzt meinen Plan.“   Sasuke sah seine Teamgefährten der Reihe nach an: Rechts von ihm saßen Suigetsu und Jūgo, links von ihm Karin. Zu viert saßen sie am Küchentisch. Er hatte noch lange mit Sakura gesprochen – natürlich hatte er ihr nichts vom Mangekyō Sharingan erzählt, das ging sie nach wie vor nichts an, außerdem war es nichts, das sie notgedrungen wissen musste – und nach einiger Bedenkzeit war er zu einem Entschluss gekommen. Jetzt galt es schnell zu handeln. Es war inzwischen abends und noch in dieser Nacht sollte die Mission starten.   „Ich werde Itachis Augen nehmen.“   Keiner von ihnen schien groß überrascht ob dieser Aussage. Dennoch fragte Suigetsu: „Wie kommt es, dass du dich umentschieden hast?“   „Ich weiß jetzt, wo sich Itachis Leiche befindet.“ Das und sein kleines Abenteuer ins Innerste seiner Psyche. Seinen Zusammenbruch hatte er immer noch nicht ganz überwunden. Bei der Erinnerung an seinen Kontrollverlust zog sich sein Magen krampfhaft zusammen. Ihm war klar, dass er keine andere Wahl hatte, auch wenn diese Entscheidung einen bitteren Beigeschmack hinterließ.   Neugierig beugte sich Karin über den Tisch. „Wo?“   „In Konoha.“   „Was?!“   „Was für ein Zufall“, murmelte Suigetsu.   Sasuke kam es ja selbst merkwürdig vor. Vielleicht konnte man es auch als glückliche Fügung betrachten – ein Problem weniger, das er lösen musste. „Erinnert ihr euch, dass die Ninja aus Konoha hinter uns her waren, als wir auf der Suche nach Itachi waren? Wir sind einem von ihnen, Naruto, auf unserem Weg begegnet. Sakura war ebenfalls bei ihnen. Allem Anschein nach sind sie kurz nach euch auf dem Kampfplatz aufgetaucht.“   Suigetsu schnalzte mit der Zunge. „Hartnäckige kleine Biester.“   Sasuke nickte in Gedanken. Er selbst konnte sich an nichts erinnern, da er nach dem Kampf gegen seinen Bruder bewusstlos geworden war. Gut, dass die drei ihn so schnell gefunden hatten, ansonsten würde er sich jetzt wohl in einer Zelle in Konoha aufhalten. Kaum auszudenken, wenn Naruto ihn tatsächlich vor ihnen gefunden hätte. „Als sie ankamen war ich schon weg. Allerdings haben sie Itachi, den ihr zurückgelassen habt, gefunden und ihn mitgenommen. Ursprünglich kam er ebenfalls aus Konoha und auch wenn er ein Abtrünniger war würde das Dorf sein Sharingan lieber in seinen Händen wissen, als in denen der Feinde.“   Karin nickte. „Verständlich. Der Körper eines Ninja birgt oft viele Geheimnisse.“   „Aber Itachi ist doch schon seit ein paar Wochen tot“, warf Suigetsu leicht verunsichert ein. „Müsste er nicht schon längst … naja … anfangen zu verwesen?“   Darüber hatte Sasuke natürlich auch schon nachgedacht. Der Zustand von Itachis Körper war schlecht einzuschätzen, denn das Fortschreiten einer Verwesung hing von unterschiedlichen Faktoren ab, wie der Witterung und dem Ort an dem sich der Körper befand. „Das wird sich zeigen.“   Sasukes Augen wanderten in Jūgos Richtung, der am Ende des Tisches saß. Bisher hatte der orangehaarige Hüne weder ein Wort gesagt, noch ihn überhaupt angeschaut. Das heutige Erlebnis im Bad schien ihn noch immer zu erschüttern. Sasuke war froh, dass er noch rechtzeitig eingreifen konnte, aber andererseits hatte er sein Sharingan einsetzen müssen, was im Moment äußerst unklug war. Trotzdem bereute er seine Entscheidung nicht.   „Sakura gehörte dem Team an, das ihn obduziert hat“, fuhr Sasuke fort. „Sie hat mir auch gesagt, wo er begraben liegt. Als Abtrünniger stand ihm kein Grab auf dem Friedhof im Dorf zu. Die Gefahr von Grabschändung war zu groß. Deshalb liegt er außerhalb des Dorfes begraben.“   Er schob eine Karte von Konoha über den Tisch. Ein großes X markierte die Stelle, wo er liegen sollte. „Suigetsu und Karin, ihr werdet euch auf den Weg nach Konoha machen. Hier“ – er deutete mit dem rechten Zeigefinger auf das große schwarze X, während sich Suigetsu und Karin über den Tisch einen giftigen Blick zuwarfen – „befindet sich das Grab. Es wird nicht groß gekennzeichnet sein, aber da es noch frisch ist dürfte es nicht schwer zu übersehen sein. Auch wenn es außerhalb Konohas liegt, achtet auf Wachtruppen. Karin, dafür bist du zuständig.“   Sie nickte, wirkte aber von seiner Entscheidung sie mit Suigetsu loszuschicken, alles andere als begeistert. Es war kein Geheimnis, dass die beiden Streithähne oft aneinander gerieten. Weshalb war Sasuke nicht klar, aber er ließ sie machen, solange es ihn nicht zu sehr auf die Nerven ging.   „Jūgo, da wir nicht wissen, wie sehr du dich im Moment unter Kontrolle hast, wirst du nicht mitgehen.“ Sasuke holte ein zweites Pergament hervor und schob es über den Tisch in Jūgos Richtung. „Das ist eine Liste mit Dingen, die wir für die Transplantation benötigen. Wir haben hier zwar ein paar nützliche Werkzeuge, aber bei weitem nicht alles, was Sakura benötigt. Du wirst gleich morgen früh ins nächste Dorf gehen und die Sachen besorgen.“   „Und was machst du?“, fragte Suigetsu trotzig mit vor der Brust verschränkten Armen.   „Ich bleibe hier“, antwortete Sasuke ungerührt.   „Wir sind wohl doch seine Lakaien“, murmelte Suigetsu hinter vorgehaltener Hand in Jūgos Richtung, woraufhin er einen eisigen Blick vom Uchiha erhielt.   „Wenn ich ins Dorf gehen würde und stattdessen Jūgo mit Sakura hier im Versteck bliebe, wäre die Gefahr zu groß, dass er wieder die Kontrolle verliert.“ Sasuke wusste nicht genau was es war, aber Jūgo schien auf irgendetwas bei Sakura zu reagieren. Ganz verdenken konnte er es ihm ja nicht, schließlich war die rosahaarige Kunoichi eine junge hübsche Frau. Dass ein Mann, vor allem solch ein labiler wie Jūgo, ihretwegen die Kontrolle verlor, vor allem bei dem Gedanken daran, wie sie nackt unter der Dusche stand, konnte er gut nachvollziehen. Genau deshalb war er eine zu große Gefahr und er würde dafür sorgen, dass dies nicht noch einmal passierte. Wenn Jūgo so extrem auf Sakura reagierte, musste er ihn von ihr fernhalten.   „Ich werde nicht noch einmal nach Konoha gehen. Meine Sehkraft wird immer schwächer. Außerdem glaube ich, dass ihr die Mission auch zu zweit bewerkstelligen könnt.“   „Sie könnte mitkommen und uns den Weg zeigen“, schlug Suigetsu vor.   Doch Sasuke schüttelte den Kopf. „Nein. Auf keinen Fall.“   „Ich denke nicht, dass sie versuchen würde zu fliehen, falls du das annimmst“, meinte der Weißhaarige. „Dann wäre sie schon längst weg. Außerdem will sie dir wirklich helfen. Allein deshalb würde sie nicht abhauen.“   „Wozu brauchen wir sie denn überhaupt noch?“, platzte Karin dazwischen. „Wir wissen jetzt, wo wir suchen müssen. Soll sie wirklich hier bleiben, Sasuke? Du hast doch gesehen, was mit Jūgo passiert ist.“ Sie deutete auf Jūgo, der auf seinem Stuhl noch mehr zusammen zu schrumpfen schien.   „Sie bleibt. Sie wird als Medic-Nin die Transplantation übernehmen.“ Karin seufzte genervt. Und Sasuke ergänzte schonungslos: „Und du wirst dabei helfen, Karin.“   Die Rothaarige rollte mit den Augen. „Ich kann sie nicht leiden“, nuschelte sie betrübt.   Suigetsu schnaubte belustigt. „Ach, was du nicht sagst. Davon merkt man ja gar nichts.“   „Du musst sie auch nicht mögen“, erklärte Sasuke ungerührt. Irgendwie schien Karin niemanden so richtig leiden zu können – außer ihn, versteht sich. Manchmal war sie wirklich anstrengend. „Unsere Wege werden sich wieder trennen, sobald ich wieder richtig sehen kann.“   „Je eher, desto besser“, murmelte Karin mit verschränkten Armen vor der Brust, wie ein schmollendes Kind.   „Wann soll es losgehen, Boss?“, fragte Suigetsu.   „So schnell wie möglich“, antwortete Sasuke ohne zu zögern. „Am besten noch heute Nacht. Wir sollten keine Zeit verlieren.“ Wieder ließ er den Blick über seine Kameraden wandern, die er nur noch schemenhaft erkennen konnte. Er wusste, dass er ihnen vertrauen konnte. Sie folgten ihm, wohin er sie auch führte, stellten seine Anweisungen nie in Frage und er wusste, sie würden für ihn ihr Leben aufs Spiel setzen, wenn es sein müsste.   Wieder einmal musste er seine beiden Teams miteinander vergleichen. Team Sieben war es zwar gelungen, bei ihm familiäre und freundschaftliche Gefühle zu wecken, doch bei Team Hebi fühlte er sich verstanden. Seine drei Weggefährten akzeptierten ihn so, wie er war, und versuchten nicht ihn zu verändern. Er konnte in ihrer Gegenwart er selbst sein, denn sie waren ihm nicht unähnlich. Sie alle beschritten den Pfad der dunklen Seite. In Konoha hatte er sich immer als Außenseiter gefühlt. Die Ninja dieses Dorfes schienen in ihrer glücklichen und heilen Welt zu leben, in der es für ihn keinen Platz gab. Seine eigene Welt war kalt, bitter und dunkel. Sie alle lachten und waren glücklich, während in ihm nur dieser unerträgliche Hass herrschte.   Nachdem, was ihm in seiner Kindheit widerfahren war, hatte er gedacht, nie wieder solch ein Vertrauen aufbauen und Nähe zulassen zu können. Ohne Zweifel war es Team Sieben gelungen, ein wenig Licht in sein dunkles Herz zu bringen. Angefangen bei Naruto, der sich vom unfähigen Trottel, der jede Mission in eine Katastrophe verwandelte, zu seinem besten Freund und ehrwürdigen Rivalen entwickelt hatte, der ihn wiederum als Bruder bezeichnete, über Kakashi, der zu anfangs desinteressierte Taugenichts, der ihn unterstützte und seine Talente förderte, ihn ermunterte und stolz auf ihn war, wie sein Vater es vielleicht eines Tages gewesen wäre, bis hin zu Sakura, der weinerlichen Stalkerin, die ihm nur mit ihrer Oberflächlichkeit auf die Nerven gegangen war, die er später einfach nur beschützen wollte, weil sie ihm ans Herz gewachsen war und zu der weder der Begriff „Freund“ noch „Familie“ passen wollten. Es war irgendetwas dazwischen, etwas, das er nach wie vor nicht benennen konnte.   Schon früher hatte Sasuke sie immer beschützen müssen. Beinahe kam es ihm so vor, als hätte sich seitdem rein gar nichts verändert. Wäre er nicht eingegriffen, wie wäre die Situation mit Jūgo ausgegangen? Hätte sie sich wehren können? Beinahe spürte er den Schmerz auf seiner Wange, als er sich die Erinnerung an ihr Aufeinandertreffen im Büro der Hokage in Erinnerung rief. Ja, sie war stark geworden, andernfalls hätte sie sich nicht so gut gegen ihn wehren können. Sasuke mochte zwar durch sein verschlechtertes Sehvermögen nicht im Besitz seiner vollen Kraft gewesen sein, weshalb der kleine Kampf vielleicht sonst noch sehr viel schneller beendet gewesen wäre, aber doch musste er sich eingestehen, dass der ein oder andere Treffer von ihr überraschend gewesen war. Wenn sie nicht gezögert hätte, als sie ihn erkannt hatte, wäre der Kampf vielleicht anders ausgegangen. In den letzten drei Jahren hatte sie sich verändert. Immerhin war sie die Schülerin der Hokage, einer legendären Sannin. Sogar der stolze Uchiha musste zugeben, dass ihn das überraschte, wenn nicht sogar beeindruckte.   Nacheinander erhoben sie sich von ihren Plätzen. Zuerst verließ Suigetsu den Raum, dann Jūgo. Nur noch Karin blieb zurück. Sie starrte durch ihre Brille auf ihre gefalteten Hände, die auf dem Tisch vor ihr lagen. Dass die Rothaarige gerne jede Möglichkeit nutzte, um mit Sasuke allein zu sein, war nichts Neues. Meistens ignorierte er sie dann. Doch diesmal schien es irgendwie anders zu sein. Heute war sie ungewöhnlich ruhig. Wenn er sich nicht täuschte wirkte sie bedrückt.   Deshalb fragte er nach einiger Zeit: „Was ist los?“   Karin antwortete nicht sofort. Sie fummelte weiter an ihren Nägeln rum, eine nervige Angewohnheit, die er schon öfter bei ihr beobachtet hatte. Die zusammengezogenen Augenbrauen hinterließen eine tiefe Furche auf ihrer Stirn. „Ich mache mir Sorgen“, gab sie schließlich zu.   Diese gefühlvolle und sensible Seite zeigte sie nur ihm gegenüber, wenn sie beide alleine waren. Sasuke musterte sie in Ruhe, zumindest so gut wie es seine getrübten Augen zuließen. Er antwortete nicht, denn er brauchte nicht zu fragen, worüber sie sich Sorgen machte.   Karin seufzte tief und niedergeschlagen. „Was ist, wenn es schiefgeht?“ Noch immer konnte sie ihm nicht in die Augen schauen.   Sasuke wusste nicht so recht, was er darauf erwidern sollte. Er stellte sich die gleiche Frage, wobei er sich ziemlich sicher war, dass sein Plan funktionieren würde. Itachi war schließlich derjenige gewesen, der ihm vom ewigen Mangekyō Sharingan erzählt hatte und er bezweifelte, dass es sich dabei um eine Lüge handelte. Sein Bruder hatte selbst versucht, ihm die Augen zu nehmen, um seiner eigenen Erblindung zu entkommen. Aber was, wenn Itachis Augen zu lange erkaltet waren? Wenn sein Körper zu lange tot war, schon am verwesen? Oder was, wenn Konoha seine Sharingan behalten hatte und an einem geheimen Ort aufbewahrte, damit sie dem Feind nicht in die Hände fielen? Sakura hatte jedoch nichts dergleichen berichtet.   „Als du aus Konoha zurückkehrtest“, fuhr Karin fort, „und du nicht die Hokage bei dir hattest, da dachte ich schon, dein Plan wäre gescheitert. Tsunade schien die letzte Möglichkeit zu sein. Und ich wusste nicht, ob dieses Mädchen überhaupt in der Lage war, etwas ausrichten zu können.“ Sie verzog traurig den Mund. „Naja, und ich hatte ja auch recht, oder? Dabei hatte ich wirklich gedacht, dass–“ Sie stockte und schluckte kurz. Bei ihrer brüchigen Stimme fühlte er sich ganz unwohl in seiner Haut. Sasuke wusste nicht wieso, aber er bekam ein schlechtes Gewissen. Noch dazu hatte er keine Ahnung, wieso sie diese aufrichtigen Gefühle für ihn hegte, die er nicht einmal erwiderte. Ebenso wie Karin, so würden auch Suigetsu und Jūgo alles für ihn tun. Sie selbst verlangten dafür nichts, und er kam sich deshalb manchmal vor wie der arroganteste Kerl aller Zeiten.   Karin hob ihre Brille an und wischte sich die aufkommenden Tränen weg. „Wenn sie diese Operation verpatzt, mache ich sie kalt“, murmelte sie in dem Versuch, ihre übliche Arroganz zu zeigen. Sie bemühte sich um ein selbstbewusstes Grinsen, das ihr allerdings nicht gelang. Langsam wanderten ihre Mundwinkel wieder hinunter. „Ich wünschte nur, ich könnte dir helfen.“   „Du hilfst mir“, versicherte Sasuke ihr ruhig, „indem du nach Konoha gehst und Suigetsu unterstützt. Und bei der Operation hilfst.“   Niedergeschlagen schaute sie zu Boden. „Das meinte ich nicht.“ Ohne ihn anzuschauen stand sie auf und verließ den Raum. Sasuke starrte noch lange auf die geschlossene Tür. Was genau meinte sie dann?   Verstehe einer die Frauen. Solch kryptische Aussagen machten Suigetsu und Jūgo glücklicherweise nicht. Die verstand er zumindest, wenn sie etwas sagten. Karin ließ sich immer viel zu sehr von ihren Gefühlen leiten. Dabei war eine der wichtigsten Regeln eines Shinobi sich nicht von seinen Emotionen beherrschen zu lassen. Das hatte er in der Vergangenheit auch oft genug zu Sakura gesagt. Wieder einmal wurde ihm klar, dass Gefühle einen nur behinderten. Sie verursachten nur Leid und Schmerz. Denn wo Liebe war, da war auch Hass. Hätte er seine Eltern nicht so sehr geliebt, hätte er auch nie die Rache gewählt. Er wollte nie wieder solch einen Verlust erleben, wie damals. Deshalb ließ er niemanden an sich ran, hielt jeden auf Abstand. Sasuke schloss die Augen und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. Seit Sakuras Behandlung fühlte er sich deutlich besser. Der Schmerz, der ihn schon so lange gequält hatte, hatte nachgelassen. Allerdings war ihm durchaus bewusst, dass er früher oder später wiederkommen würde. Vielleicht würde er das nächste mal nicht so lange warten und sich eher von ihr helfen lassen.   Wieso verflucht noch mal fiel es ihm überhaupt so schwer?   Er öffnete wieder seine Augen und starrte auf den Tisch vor sich, den er verschwommen wahrnahm. Frustriert fuhr er sich mit einer Hand über das Gesicht. Es gab wohl nicht nur einen, sondern gleich mehrere Gründe dafür. Der einfachste, aber entscheidendste Grund war, dass Sasuke Uchiha keine Gefühle zulassen wollte, denn er war nicht noch einmal bereit dazu, verletzt zu werden. Damals war sein Plan gewesen sich von Konoha zu trennen und alles was ihn an seiner Rache hinderte hinter sich zu lassen. Niemals hätte er Sakura auf diesem dunklen Weg mitnehmen können, egal wie sehr sie ihn damals angefleht hätte. Sie wollte das Licht in seiner Dunkelheit sein, doch die Wahrheit sah so aus, dass die Dunkelheit sie verschluckt und ihr Leuchten zum Erlöschen gebracht hätte. Das wollte er keinesfalls zulassen.   Außerdem wollte er sie nicht noch einmal verletzen. Der Abschied in Konoha hatte sich tief in sein Gedächtnis gebrannt. Ihre bitterlichen Tränen und ihre flehenden Worte waren kaum zu ertragen gewesen und hatten etwas in ihm gerührt, das ihm heute noch Angst einjagte. Dennoch würde er ihre Gefühle nie auf die Art erwidern können, wie sie es sich von ihm wünschte. Dazu war er einfach nicht in der Lage. Sakura hatte etwas Besseres verdient, als ihn. Früher hatte er sie ständig von oben herab behandelt, doch egal wie oft er sie von sich gestoßen hatte, sie hatte sich an ihm festgekrallt und nicht mehr losgelassen.   Dann war er sie endlich losgeworden. Doch jetzt war sie wieder da. Und war kurz davor alles durcheinander zu bringen.   Seitdem sie hier in seinem Versteck war erwischte er sich immer wieder dabei, wie er an sie dachte. Eigentlich hätte er froh darüber sein können, dass er im Moment so schlecht sah, doch sein Verstand formte das verschwommene Bild von ihr, wie sie nass von der Dusche und nur in ein Handtuch gewickelt, nach seinen Belieben neu, und dieser Anblick wollte ihm einfach nicht mehr aus dem Kopf gehen. Vermutlich gab er sich diesen Gedanken auch nur hin, weil sie eine willkommene Ablenkung zu seinen sonstigen depressiven Grübeleien bot. Denn das war Sakura Haruno schon immer gewesen, nicht wahr? Eine Ablenkung – auf der Akademie, während ihrer Missionen und bei seinem Wunsch stärker zu werden. Sie war eine Ablenkung gewesen, die er sich nicht erlauben durfte, weshalb er auch das Band zu ihr zerschnitten hatte, ebenso wie die Bänder zum Rest ihres Teams.   Noch dazu sorgte sie dafür, dass er wieder über Konoha nachdachte, wie es allen ging, was sich in der Zwischenzeit alles ereignet hatte und wie es wäre, wenn er tatsächlich zurückkehren würde …   Ja … je eher er sie wieder los wurde, desto besser … Kapitel 8: Kapitel 8 -------------------- Herzhaft gähnend spazierte Sakura durch den Korridor in Richtung Küche. Es war noch viel zu früh um aufzustehen – das sagte ihr zumindest ihre innere Uhr – und doch konnte sie einfach nicht mehr weiterschlafen. Nachdem sie eine Stunde im Bett gelegen und sich von einer zur anderen Seite gerollt hatte, hatte sie den Entschluss gefasst, dass sie auch ebenso gut aufstehen konnte. Dabei war sie erst wenige Stunden zuvor eingeschlafen. Als sie die Nacht zuvor ins Bett gegangen war, hatte sie noch lange an die Zimmerdecke gestarrt und nachgedacht, über alles, was sich am Tag über ereignet hatte. Angefangen von Jūgos Angriff, bis hin zu Sasuke, mit dem sie endlich einmal mehr als ein paar Worte gewechselt hatte. Womöglich hatten sie endlich eine Möglichkeit gefunden, ihn zu heilen.   Nachdem sie ihm berichtet hatte, wie sie damals mit Team Kakashi und Team Kurenai, die bei dieser Mission von Yamato vertreten wurde, auf der Suche nach ihm gewesen waren, und letztendlich lediglich Itachi an dem zerstörten Ort ihres Kampfes vorgefunden hatten, schien es, als würden sich zwei Puzzleteile zusammenfügen. Selbstverständlich hatten sie Itachis Leiche mitgenommen – wenigstens ein Uchiha, der wieder nach Konoha zurückkehrte.   Sie hatten lange über die Vorgehensweise einer Transplantation gesprochen und es schien, als würde Sasuke endlich etwas offener werden. Er sprach mit ihr, ließ sie an seinen Gedanken – wenn auch nur teilweise – teilhaben und schmiedete mit ihr Pläne, wie es weitergehen sollte. Sie verspürte endlich die Anerkennung und den Respekt, den er ihr vorher vergönnt hatte. Sie hatten alles weitere geplant. Sein Team – wie sich herausstellte nannten sie sich Hebi – würde die Augen von Itachi besorgen. Sakura wäre am liebsten selbst gegangen, allein schon weil es ihr wie krimineller Diebstahl und ein Eindringen in die Privatsphäre Konohas vorkam, wenn Abtrünnige sich an der Leiche des ehemaligen Dorfbewohners vergingen, doch ein eiskalter Blick von Sasuke hatte gereicht, um ihr diesen Gedanken wieder aus dem Kopf zu treiben.   Nun hieß es also Abwarten und Tee trinken. Und genau das hatte sie jetzt vor: ein schöner warmer Tee an diesem kalten, tristen Ort. Eine Heizung oder wärmende Feuerstellen gab es hier nicht, weshalb Sakura oft fror. Sie konnte sich kaum vorstellen, wie die anderen dies nicht bemerken oder stören konnte. Hoffentlich gab es hier so etwas wie Tee überhaupt … Aber bisher wurde sie immer wieder aufs Neue überrascht. Am Tag zuvor hatte es zum Nachtisch sogar Mochis gegeben.   So früh würde bestimmt noch niemand wach sein. Von daher störte es sie nicht, dass sie hier mit völlig zerzausten Haaren und verschlafenem Gesicht herumlief. Sie trug lediglich ihr gelbes Shirt, das gerade so ihren Hintern bedeckte. Den blauen Rock sowie die rote Weste hatte sie in ihrem Zimmer zurückgelassen. Wenn sie jemand so sah war es ihr herzlich egal. Hauptsache, sie lief Sasuke nicht über den Weg, aber ihn hatte sie bisher noch nie in der Küche angetroffen, was sie manchmal denken ließ, dass der Uchiha vielleicht überhaupt nichts aß – was natürlich völliger Quatsch war.   Deshalb war sie umso überraschter, als sie die Küche betrat. Erschrocken keuchte sie auf und blieb in der Tür stehen. Geschockt starrte sie Sasuke an, der am Ende des Tisches saß und bei ihrem Eintreten aufsah.   „Ä-ä-ähm“, stotterte sie verlegen und sie spürte, wie ihr die Hitze in die Wangen schoss. Schnell fuhr sie sich durch ihr zerzaustes Haar und versuchte es mit den Fingern zu glätten, sodass es halbwegs ordentlich aussah. „G-Guten Morgen.“   Sasuke verengte seine Augen. „Du solltest hier nicht so herumlaufen“, bemerkte er ohne ein Wort der Begrüßung. „Wenn Jūgo dich so sehen würde wäre er bestimmt wieder durchgedreht.“   Verlegen räusperte sie sich. Ihre Kehle wurde plötzlich staubtrocken und das Schlucken fiel ihr schwer. An Jūgo hatte sie gar nicht gedacht. Beschämt fummelten ihre Finger am Saum ihres Shirts herum. Es kam ihr plötzlich so verflucht kurz vor. „O-oh“, war alles, was sie entgegnen konnte. Sie kam sich total dämlich vor. Was sollte sie jetzt tun? Immerhin hatte sie nicht erwartet so früh jemanden anzutreffen. Sollte sie zurück in ihr Zimmer laufen und sich schnell etwas überziehen und dann wiederkommen?   Sasuke wandte den Blick von ihr ab. „Sei froh, dass er im Moment nicht da ist.“ Beinahe gelangweilt widmete er sich seiner Tasse, aus der er einen großen Schluck nahm. Sakura verzog den Mund. Irgendwie hatte sie sich eine Begegnung mit ihm anders erhofft. Einige Sekunden lang stand sie unschlüssig im Türrahmen, bis seine schwarzen Augen sie wieder fixierten.   „Rein oder raus“, forderte er genervt.   Na wenigstens warf er sie nicht hinaus und überließ ihr die Entscheidung. Das war doch schon einmal ein Erfolg. Sakura betrat die Küche und schloss hinter sich die Tür. Da dies hier schon ihr dritter Tag war kannte sie sich in dieser kleinen Küche inzwischen ein wenig aus. Sie wusste immerhin schon, wo die Tassen standen. Der Wasserkocher befand sich auf der Arbeitsplatte. Jetzt musste sie nur noch den Tee finden. Sie öffnete mehre Schränke und musste bei den Hängeschränken auf die Zehenspitzen steigen, worauf sie wieder am Saum ihres Shirts zog, sodass es nicht mehr entblößte, als es sollte. Doch der Uchiha saß mit dem Rücken zu ihr und schenkte ihr keinerlei Aufmerksamkeit, was sie in diesem Moment mit stiller Dankbarkeit entgegennahm. Es war ihr peinlich, in seiner Gegenwart so herumzulaufen. Hoffentlich dachte er nicht, sie hätte das extra gemacht, um ihn zu verführen.   Langsam hielt Sakura in der Bewegung inne und schaute über die Schulter zum Uchiha.   Ob es funktionieren würde?   Sie suchte weiter und fand schließlich in einem Holzkästchen eine Ansammlung verschiedenster in Beuteln verpackter Teesorten. Die Auswahl war nicht sehr groß, aber es war besser als nichts. In der Spüle goss sie Wasser in den Wasserkocher und schaltete ihn kurz darauf ein. Dann legte sie einen Teebeutel in die Tasse, stellte die Teebox zurück in den Schrank und wartete. Eigentlich wollte sie sich nur schnell einen Tee machen und wieder in ihrem Zimmer verschwinden, aber jetzt, da sie auf Sasuke getroffen war, hatte sie es nicht mehr eilig, die Küche wieder zu verlassen. Sie rieb sich die Oberarme. Es war wirklich etwas frisch hier.   „Wo ist Jūgo denn?“, fragte sie, als sie die Stille nicht mehr aushielt.   „Er besorgt die Gegenstände, die du brauchst. Wie besprochen.“   „Aha.“ Stimmte ja, darüber hatten sie gesprochen. Schließlich konnte sie schlecht mit bloßen Händen solch eine Operation durchführen. Sie benötigte gewisse Hilfsmaterialien, Verbände und Medikamente.   Das laute Klicken des Wasserkochers teilte ihr mit, dass das Wasser die gewünschte Temperatur erreicht hatte. Sie goss ihre Tasse voll und setzte sich auf den Platz Sasuke gegenüber. Sie spielte ein wenig mit dem Teebeutel, tunkte ihn am Faden immer wieder ein und wieder aus, damit der Geschmack sich schneller entfaltete. Sasuke hielt seine Tasse mit beiden Händen umklammert. Sie versuchte unauffällig einen Blick hineinzuwerfen. Was er wohl trank? Kaffee oder vielleicht Tee, so wie sie? Leider konnte sie es nicht sehen.   „Suigetsu und Karin sind auf dem Weg nach Konoha“, sagte er schließlich. „Sie sind schon seit ein paar Stunden unterwegs und müssten bald wieder hier sein. Ich habe sie eigentlich schon längst zurück erwartet.“   Ach, so war das also, deshalb konnte er nicht schlafen. Vielleicht war er gar nicht schon so früh wach, sondern hatte diese Nacht überhaupt nicht geschlafen. Sakura musterte sein Gesicht auf der Suche nach Augenringen, die irgendetwas darüber verraten würden, doch er sah so makellos aus, wie immer.   „Dann sind wir beide also allein?“, schlussfolgerte sie und erst als er kaum merklich zusammenzuckte und zustimmend brummte wurde ihr klar, was sie da gerade gesagt hatte.   Sie beide waren allein …   Ihr Herz begann augenblicklich schneller zu schlagen. Dümmlich grinste sie in ihren Tee hinein und biss sich auf die Unterlippe, um ihr Grinsen irgendwie zu unterdrücken. Aufgeregt baumelte sie mit den Beinen unterm Tisch. Oh man, das frühe Aufstehen hatte sich gelohnt.   Als Sasuke sie ansah schenkte sie ihm ihr strahlendstes Lächeln, doch er verzog keine Miene und stand einfach auf, trank dabei hastig einen großen Schluck und stellte anschließend die leere Tasse in die Spüle. Sakura musterte ihn nachdenklich. War ihm diese Situation etwa unangenehm?   „Was genau ist gestern eigentlich mit Jūgo passiert?“, fragte sie, um die Atmosphäre etwas aufzulockern. „Der Mann, der mich gestern angegriffen hat, hatte überhaupt nichts mit dem Jūgo zu tun, den ich bisher kennengelernt habe. Er wirkte so … verändert. Als wäre er plötzlich ein ganz anderer Mensch.“ Bei dem Gedanken daran schauderte es sie. Aus welchem Grund sich Jūgos und Sasukes Wege gekreuzt hatten, er schien einfach anders zu sein, als die anderen Mitglieder seines Teams. Alle drei umwehte diese dunkle Aura. Nur Jūgo wirkte, als würde er keiner Fliege etwas zu leide tun können. „Diese Male auf seinem Körper“, fuhr sie mit bitterer Stimme fort, „die habe ich schon einmal gesehen.“   Sasuke blickte über die Schulter in ihre Richtung, wodurch sie einen perfekten Blick auf die Stelle werfen konnte, an der sich einst das Juin befunden hatte, welches Orochimaru ihm aufgebürdet hatte. Doch die Stelle zwischen Schulter und Nacken war völlig unbefleckt, wie sie überrascht feststellte. Bisher war es ihr noch nicht aufgefallen, da sonst der weite Kragen seines weißen Oberteils diesen Bereich verdeckte, doch nun trug er ein schwarzes Shirt, ohne Kragen, mit einem runden Ausschnitt.   Sasuke lehnte sich neben dem Tisch an die Wand und verschränkte die Arme vor der Brust. Ob er vielleicht gerade an das gleiche dachte wie sie? An den Augenblick, im Wald des Schreckens, als Orochimaru ihn gebissen hatte und er vor Schmerzen zusammengebrochen war? Sakura war bei ihm gewesen, hatte versucht ihm irgendwie zu helfen. Seine qualvollen Schreie waren unerträglich gewesen. Noch nie zuvor hatte sie solch eine Angst gehabt. Sie hatte erneut die gleiche Furcht empfunden, ihn zu verlieren, wie damals, als er gegen Haku gekämpft und es für einen Moment so ausgesehen hatte, als wäre er tot. Bei der Erinnerung daran überkam sie unendliche Traurigkeit und ihr Herz krampfte sich schmerzhaft zusammen.   Reiß dich zusammen, mahnte sie sich.   Leise fragte sie: „Hat er auch das Mal des Fluches?“   „Nein“, antwortete Sasuke ruhig. „Aber Jūgo ist sozusagen der Grundstein dafür. Aus seiner DNS hat Orochimaru das Juin erschaffen.“ Er machte eine kurze Pause, ehe er weitersprach. Vielleicht überlegte er, wie viel er ihr erzählen sollte. „In seinem Körper leben zwei Persönlichkeiten. Der Jūgo, den du kennengelernt hast, ist sein wahres Ich, doch manchmal, wenn er die Kontrolle verliert, wird er zu einem Wesen, das nur töten will.“ Dann sah Sasuke sie an. „Mit meinem Sharingan kann ich ihn kontrollieren und seine Mordlust bändigen, wenn sie die Oberhand gewinnt.“   Sakura hatte aufmerksam zugehört. Einerseits war sie erleichtert über diese Erklärung, denn das bedeutete, dass sie sich in Jūgo nicht getäuscht hatte. Er war doch der nette Kerl, für den sie ihn hielt. Andererseits kam sie nicht umhin ihn zu bemitleiden. Während ihrer Ausbildung unter Tsunade war sie auch in Berührung mit einigen psychischen Erkrankungen gekommen, weshalb sie sich mit dem Fall der multiplen Persönlichkeitsstörung auskannte. Je nach Charakterzug musste der Betroffene immens darunter leiden. In Jūgos Fall dürfte es besonders schlimm sein. Zumindest deutete seine geschockte Reaktion, als er wieder bei klarem Verstand war, darauf hin. Noch dazu war sie ihm seitdem nicht mehr begegnet, was sie vermuten ließ, dass er es vermied ihr erneut zu begegnen.   Sakura musterte Sasukes Augen. Bei der Erwähnung seines Sharingans fiel ihr auch wieder ein, dass er es benutzt hatte, als er sie im Bad vor Jūgo beschützt hatte, und das obwohl seine Augen so angeschlagen waren und er sie eigentlich schonen sollte. Nach dem Gebrauch seines Dōjutsus hatte er solche Schmerzen empfunden und das nur ihretwegen. Mit einem ungeheuer schlechten Gewissen blickte sie in ihren Tee. Wäre sie doch nur nicht so überrumpelt gewesen und hätte sich sofort gewehrt, dann hätte er nicht eingreifen müssen.   „Danke“, murmelte Sakura. Bisher hatte sie sich noch gar nicht erkenntlich gezeigt. Andererseits sollte er sie auch nicht für schwach halten. Schließlich hatte sie Jūgo gerade eine verpassen wollen, als er aufgetaucht war. „Ich, ähm, hätte das aber auch allein hingekriegt.“   Sasuke hob eine Augenbraue und sah spöttisch in ihre Richtung. „Das sah aber nicht danach aus.“   „Unterschätze mich bloß nicht!“ Grimmig ballte sie die Hand zur Faust. Anscheinend hielt er sie immer noch für das nervige kleine Mädchen, das gerettet werden musste. Wenn er wüsste, dass sie gegen ein Mitglied von Akatsuki nicht nur gekämpft, sondern Sasori auch noch besiegt hatte, würde er vielleicht anders von ihr denken.   Schon fast arrogant reckte er das Kinn und er sah von dem Platz, an dem er stand, auf sie herab. „Du lässt dich zu sehr von deinen Gefühlen beeinflussen“, belehrte er sie. „Nicht nur im Kampf gegen Jūgo, sondern auch gegen mich. Du zögerst und so etwas kann dich das Leben kosten.“   Ihre grünen Augen funkelten ihn wütend an und sie hoffte, dass er das auch sehen konnte. Ihre Fingerknöchel traten bereits weiß hervor, so sehr ballte sie ihre Faust zusammen. Meinte der das etwas ernst? „Danke für den Tipp!“, presste sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor, ihre Stimme triefte vor Sarkasmus.   Sasuke zuckte unbeeindruckt mit den Schultern. „Ich sage nur, wie es ist.“   Natürlich wusste sie, dass er irgendwo recht hatte, dennoch tat es weh. Einem Shinobi musste immer bewusst sein, dass er sein Leben für seine Mission aufs Spiel setzte und dass nicht nur er, sondern auch seine Teamkameraden dabei ihr Leben lassen konnten. Ein Shinobi sollte stets rational und objektiv handeln. Wieder hatte sie das Bild vor Augen, wie Sasuke regungslos vor ihr lag, sein Körper durchzogen von unzählbaren Senbon und wie sehr sie versucht hatte sich zusammenzureißen nicht zu weinen. Doch es war ihr nicht gelungen.   Dieses Bild wurde nun durch andere Erinnerungen ersetzt. Auch wenn es in ihrer Vergangenheit viele traurige und gefährliche Momente gab, so konnte sie sich auch noch an die schönen Zeiten erinnern – wie sie erfolgreich von einer Mission zurückkehrten, wie sie zusammen bei Ichiraku saßen, wenn ihr Sensei sie einlud, oder wie sie Seite an Seite gekämpft hatten. Wie sie nicht nur Naruto besser kennenlernte und anfing ihrem Sensei zu vertrauen, sondern auch wie sie durch Sasuke über sich hinausgewachsen war.   „Gefühle sind nicht nur schlecht“, meinte Sakura daraufhin. „Sie können auch schön sein. Naja, wenn man sie zulässt, zumindest“, fügte sie leise murmelnd hinzu.   Vorsichtig lugte sie zu ihm, um seine Reaktion zu sehen. Er stand nur da, mit geschlossenen Augen, die Arme vor der Brust verschränkt. Der Gesichtsausdruck völlig verschlossen. Sakura seufzte. Ihre grünen Augen musterten ihn besorgt. Irgendetwas musste doch auch er fühlen. Niemand fühlte nichts. Das war unmöglich. Doch der Sasuke, der ihr nun gegenüberstand, war noch distanzierter, noch kälter, als der Junge, den sie von früher kannte. Wieso nur wollte er sich dieser Einsamkeit hingeben? Was hatte seine Rache ihm gebracht? War er nun glücklich? Er wirkte zumindest nicht so …   „Was denkst du gerade, Sasuke-kun?“   Er schweig lange und gerade als sie dachte, er würde gar nicht mehr antworten, löste er seine verschränkten Arme und fuhr sich mit einer Hand müde übers Gesicht. „Deinetwegen bekomme ich Kopfschmerzen.“   Sofort war Sakura auf den Beinen und umrundete den Tisch. Leicht überrascht sah er auf, als sie plötzlich vor ihm stand. „Lass mich mal sehen“, sagte sie besorgt und im nächsten Moment legte sie beide Handflächen an seine Schläfen und aktivierte ihr Chakra. Diese Situation war schon beinahe viel zu vertraut. Immerhin hielt er sie inzwischen nicht mehr davon ab, sondern ließ sie gewähren. Sakura musste sich leicht auf die Zehenspitzen stellen, um an ihn heranzukommen, da er wesentlich größer war, als sie. Auch wenn ihr Shirt jetzt mehr entblößte, als es sollte, er würde es von seinem Standpunkt aus eh nicht sehen können.   Sie konzentrierte sich und merkte dabei gar nicht, wie nah sie ihm wieder war. Erst nach und nach wurde es ihr bewusst. Seine dunklen Augen sahen sie aufmerksam und interessiert an. Wie gebannt erwiderte sie seinen Blick. Das grüne Chakra wurde immer schwächer und schwächer, bis es schließlich ganz erlosch. Statt ihre Hände wieder herunter zu nehmen, fingen ihre Finger an, an seiner Schläfe langsam hinab und liebevoll über seine Wange zu streichen. Unbewusst drängte sie sich ihm weiter entgegen. Ihre Augen lösten sich von seinen und studierten seine Gesichtszüge, als sähe sie ihn zum ersten Mal. Ihre Finger wanderten weiter zu seinem Kinn. Ihr Daumen strich sanft über seine Unterlippe. Sein Mund stand leicht offen, sodass sie seinen warmen, süßen Atem auf ihrem Gesicht spüren konnte. Tee, ging es ihr durch den Kopf. Er hat Tee getrunken. Die andere Hand wanderte in seinen Nacken und sie stellte sich noch weiter auf die Zehenspitzen, den Blick weiter auf seine Lippen gerichtet.   „Gehört das auch zur Behandlung?“, fragte er ruhig und so leise, dass es beinahe einem Flüstern glich.   Sie konnte ihm nicht antworten, ihr Kopf war wie leergefegt. Nur am Rande nahm sie wahr, wie seine warmen Hände unter ihr Shirt schlüpften, sich an ihre Hüften legten und sie leicht an sich zog, sodass ihre Oberkörper sich nun berührten. Die Fingerkuppen seiner beiden Daumen hinterließen auf ihrer nackten Haut eine Gänsehaut, als sie zärtlich über ihren Bauch strichen, und sorgten für ein Kribbeln, das in ihrer Magengegend begann und langsam weiter abwärts wanderte. Er war so nah und er roch so gut, sie konnte ihm einfach nicht widerstehen. Ihr Verstand setzte aus, als sie ihre Augen schloss und sich weiter vorbeugte. Ihre Lippen berührten seine federleicht.   Sich nähernde, laute Fußschritte rissen sie zurück in die Realität. Geschockt sprang Sakura von ihm weg, gerade noch rechtzeitig, bevor die Tür aufgerissen wurde. Augenblicklich wurde sie knallrot.   „Da bist du ja!“, keuchte Suigetsu. Überrascht huschten seine Augen zwischen Sasuke und Sakura hin und her, bis sie einmal an Sakura runter und wieder rauf wanderten. Fragend zog er eine Augenbraue hoch. Mit seinem Körper und seinem linken Arm versperrte er den Durchgang der Tür.   Hinter ihm ertönte eine genervte Stimme. „Suigetsu, geh aus dem Weg, du Vollidiot!“   „Wir haben sie!“ Suigetsu hielt ein gläsernes Gefäß hoch, in der in einer durchsichtigen Flüssigkeit zwei weiße kleine Kugeln schwammen. Mit dem anderen Arm versperrte er weiterhin seiner Teamkameradin die Sicht.   „Hast du nicht gehört?“, ertönte es verärgert von Karin. Offensichtlich verpasste sie ihm gerade eine Kopfnuss, da er sich kurz darauf mit schmerzverzerrtem Gesicht den Hinterkopf rieb.   Sakura war wie zur Salzsäule erstarrt. Sie wagte es nicht jetzt zu Sasuke zu schauen. Diese verdammten Störenfriede! Wieso auch mussten sie ausgerechnet jetzt auftauchen? Sie seufzte frustriert. Nervös fummelte sie an ihren Fingern und starrte peinlich berührt auf den Boden. Oh mein Gott, sie hätten sich beinahe geküsst! Sie musterte ihr gelbes Shirt. Ob sie das vielleicht doch ihrem freizügigen Outfit zu verdanken hatte?   „Äh, Sasuke“, begann Suigetsu, der nun mit der linken Hand nach hinten griff und nach Karin schlug, um ihren Angriff abzuwehren. „Könnte ich dich kurz sprechen? Ähm, allein?“ Er warf Sakura einen Blick zu, den sie nicht ganz deuten konnte. Ob er ahnte, was hier gerade passiert, oder vielmehr beinahe passiert war? Allein ihre Reaktion war völlig offensichtlich. Andererseits … sie und Sasuke hätten sich vielleicht auch einfach bloß nett unterhalten haben können …   Wortlos drängte Sasuke sich an ihr vorbei und ging in Richtung Tür. Suigetsu machte den Weg frei und verschwand gemeinsam mit dem Schwarzhaarigen aus der Küche. Die Tür ging zu, woraufhin Sakura aus ihrer Starre erwachte. Ein tiefer Seufzer entfuhr ihr. Mit langsamen Schritten nahm sie wieder Platz, umfasste die warme Tasse und starrte in den dampfenden Tee hinein. Sie lächelte verliebt.   Ihr Herz schlug immer noch viel zu schnell.   * * *   Sasuke war froh, als er diesen Raum endlich hinter sich ließ. Sein Abgang glich schon beinahe einer Flucht. Was zur Hölle war das gewesen? Wieso hatte er sich nicht gewehrt und das einfach so zugelassen? Seine Gedanken überschlugen sich. Aus irgendeinem unerfindlichen Grund hatte er herausfinden wollen, was passierte. Noch dazu hatte sie sich ihm so leicht bekleidet an den Hals geworfen. Kein Wunder, dass er sich nicht unter Kontrolle hatte. Sasuke schluckte. Das war nicht gut, nein, das war überhaupt nicht gut! Verdammt, er hätte beinahe eine Grenze überschritten.   Darüber würde er ein anderes Mal nachdenken müssen – jetzt war etwas anderes viel wichtiger!   Sie betraten ein leeres Zimmer, deutlich entfernt von der Küche. Was auch immer Suigetsu ihm mitteilen wollte war nicht für Sakuras Ohren bestimmt, was Sasuke merkwürdig vorkam, denn schließlich war sie bei der weiteren Vorgehensweise ihres Plans mit einkalkuliert.   „Hier.“ Suigetsu reichte ihm das Glas und er wirkte sichtlich erleichtert, als er es endlich los war. Sasuke nahm es entgegen und hielt es auf Augenhöhe. Er kniff die Augen zusammen, um besser sehen zu können. In der Flüssigkeit schwammen Itachis Augen. Diese mächtigen Augen, die ihn so viele Schmerzen hatten durchleiden lassen. Er schluckte, wandte seinen Blick angeekelt ab. Von nun an würden sie ihm gehören.   „Verlief alles nach Plan?“   Suigetsu und Karin tauschten einen Blick. „Nun ja“, begann Suigetsu und es war ihm deutlich anzusehen wie unwohl er sich in seiner Haut fühlte. „Die Mission verlief nach Plan. Die Leiche war dort wo sie sein sollte. Auch wenn der Anblick etwas eklig war. Und die Dinger“ – er deutete auf das Glas – „scheinen noch intakt zu sein. Hoffe ich zumindest.“   Irgendetwas stimmte hier nicht. Sasuke schaute zu Karin, die ihn mit einem undefinierbaren Ausdruck ansah. Wenn alles reibungslos verlaufen war, wieso benahmen sich die zwei dann so komisch?   „Was ist passiert?“, fragte er nun ungeduldig. „Ist euch jemand aus Konoha begegnet? Oder gefolgt?“   Wieder tauschten die beiden einen Blick.   „Ähm“, sagte Suigetsu wieder, womit er Sasuke allmählich zur Weißglut brachte. Der Typ sollte endlich Klartext reden. „Die Leute in Konoha haben im Moment glaube ich andere Probleme, als sich mit uns zu befassen.“   Karin warf ihm einen wütenden Blick zu. „Hör auf um den heißen Brei herumzulabern, du Schwachkopf!“ Sie drohte ihm mit der Faust, dann wandte sie sich an Sasuke und sprach die unschöne Wahrheit aus, zu der Suigetsu nicht in der Lage war. „Sasuke, Konoha existiert nicht mehr. Das Dorf wurde vollkommen zerstört.“   Verständnislos sah er sie an.   „Was?“   Das konnte unmöglich wahr sein.   Er musste sich verhört haben.   „Anscheinend ist Akatsuki für den Angriff verantwortlich“, erklärte Karin. „Wir haben ein wenig herumspioniert, deshalb hat es auch so lange gedauert, bis wir zurückgekehrt sind. Von Konohagakure ist nichts mehr übrig. Nur noch die Denkmäler der Hokage. Der Anblick ist schockierend“, seufzte sie wehmütig. „Kaum zu glauben, dass vor ein paar Tagen, als wir dort waren, noch alles in Ordnung war. Es muss kurz danach geschehen sein.“   Noch immer versuchte Sasuke diese Informationen zu verarbeiten. Konoha – zerstört? Wieso? Wie war das möglich? Was war mit Tsunade, Kakashi oder den anderen fähigen Shinobi des Dorfes, den Jonin und Anbu? Sogar Naruto kam ihm in den Sinn. Hatten sie nichts gegen Akatsuki ausrichten können?   „Was ist mit den Bewohnern geschehen?“, fragte er tonlos. Zahlreiche bekannte Gesichter tauchten vor seinem inneren Auge auf.   „Das ist ja das Merkwürdige“, meldete sich nun auch Suigetsu zu Wort. „Anscheinend haben alle überlebt, obwohl das Dorf pulverisiert wurde. Und egal wen wir belauscht haben, sie haben alle das gleiche erzählt.“ Suigetsu und Karin wechselten einen Blick.   Die Rothaarige nickte und sah ihn dann wieder an. „Dieser Naruto soll den Anführer von Akatsuki im Alleingang platt gemacht haben. Krass oder?“   Sasuke blickte sie ungläubig an. Das musste doch ein Scherz sein, oder? In seinem Kopf überschlugen sich die Gedanken. Das konnte unmöglich … Naruto könnte nie … Wie hatte er es geschafft so stark zu werden? Nein, er weigerte sich das zu glauben. Rasende Wut erfasste ihn und vergiftete sein Denken. Seine Hände ballten sich zu Fäusten.   Suigetsu riss ihn aus seinen wirren Gedanken. „Was ist mit Sakura? Sollten wir es ihr sagen?“   Sasuke hob seinen Blick, dachte immer noch an Naruto. Er sah das grinsende Gesicht des Blondschopfs deutlich vor sich. Dieser Schwächling konnte niemals so stark geworden sein. Nicht im Alleingang. Akatsuki war alles andere als ein leichter Gegner. Itachi hatte schließlich ebenfalls dieser Organisation angehört. Wenn er sich überlegte, dass sie alle so stark waren, wie sein Bruder … Beim Kampf gegen Deidara war er ebenfalls an seine Grenzen gekommen. Aber vielleicht lag es ja auch am Kyubi. Vielleicht war der Neunschwänzige ausgebrochen und … nein … denn dann hätte er das Dorf eher angegriffen, als beschützt.   „Sasuke?“, fragte Karin besorgt.   „Behaltet diese Information für euch“, antwortete er schließlich, immer noch leicht zerstreut. „Wir sagen ihr vorerst nichts.“   Sakura wäre sicher am Boden zerstört. Es war besser, wenn sie erst einmal nichts davon wusste, auch wenn sie es früher oder später erfahren würde. Nicht mal ihn als Abtrünnigen ließ diese Nachricht kalt, wie musste es dann erst für sie sein? Ihre Freunde und Familie befanden sich schließlich dort, ihr Zuhause …   Anscheinend hatte Sasuke sie vor einer großen Katastrophe bewahrt, als er sie entführt hatte. Wer wusste schon, was ihr sonst zugestoßen wäre. Es schauderte ihm bei dem Gedanken daran. Vielleicht hatte er ihr sogar das Leben gerettet. Kapitel 9: Kapitel 9 -------------------- „Bist du bereit?“   Sakura verspürte die altbekannte Euphorie, die sie jedes Mal erfasste, wenn sie sich einer schwierigen Operation mit voller Entschlossenheit widmete. Menschen zu heilen war einfach ihre Berufung und sie war optimistisch, dass sie am Ende erfolgreich sein würden.   Sie hatte dafür gesorgt, dass in seinem Zimmer so viele Kerzen und Lampen standen wie möglich, damit sie in diesem Raum ohne Fenster ein gutes Licht erhielt. Jūgo hatte alle erforderlichen Gegenstände und Materialien besorgt und sie lagen bereits aufgereiht und steril auf einem Tablett neben ihr. Sasuke lag in einem schwarzen Kimono auf seinem Bett und schien völlig unbeeindruckt, als wäre es nichts besonderes, dass sie ihm gleich die Augen aus dem Kopf schnitt und durch neue ersetzte.   Seine trüben Augen blickten sie an. „Bereit“, antwortete er.   Sakura schenkte ihm ein warmes Lächeln, das er entweder ignorierte oder nicht mehr sehen konnte. Er hielt ihrem Blick jedoch stand und sie sah in seinen schwarzen Augen eine Regung. Sie wusste, was er ihr sagen wollte: Ich vertraue dir.   „Ich bin auch noch da“, murmelte Karin leicht beleidigt. Die Brillenträgerin saß auf der anderen Seite von Sasukes Bett, Sakura direkt gegenüber, und wirkte leicht blass um die Nase.   „Na dann legen wir mal los.“ Sakura hob ihre rechte Hand und legte Zeige- sowie Mittelfinger an seine Stirn. „Schlaf schön“, sagte sie noch, ehe sie durch einen Chakraimpuls sein Schlafzentrum aktivierte und ihm augenblicklich die Augen zufielen.   „Wie hast du das gemacht?“, fragte Karin leicht verblüfft. Aufmerksam musterte sie Sasukes schlafendes Gesicht.   Sakura schmunzelte leicht. Dann griff sie nach einem Tuch, das sie mit einem starken Sedativum tränkte. „Hier, nimm das und leg ihm das über Mund und Nase, damit er nicht mittendrin aufwacht. Dadurch wird sein zentrales Nervensystem gedämpft, wodurch er nichts spüren wird.“ Anschließend reichte sie Karin zwei weiße Latexhandschuhe und zog sich selbst zwei über, um die Möglichkeit einer Infektion gering zu halten.   „So“, sagte Sakura und griff nach dem Skalpell. „Dann wollen wir mal loslegen.“   Es war überraschend, doch während der Operation stellte sich Karin als eine durchaus kompetente und unterstützende Gehilfin heraus. Wenn man bedachte, dass Sakura bei ihrer ersten Begegnung noch mit einem Kunai von ihr bedroht und bei allen weiteren Aufeinandertreffen entweder angeschnauzt oder mit mordlustigen Blicken durchbohrt worden war, hatte sich ihre Beziehung zueinander nun drastisch verändert. Karin arbeitete professionell, tat alles was Sakura ihr auftrug ohne zu murren und wirkte auch gar nicht mehr so kratzbürstig, wie sonst. Der besorgte Ausdruck auf ihrem Gesicht entging Sakura natürlich nicht und sie vermutete, dass die Sorge um Sasuke größer war, als der Hass auf Sakura. Vielleicht mochten sie beide wirklich Konkurrentinnen sein, doch in diesem Moment zogen sie beide an einem Strang.   „Hast du so etwas schon mal gemacht?“, fragte Karin leicht skeptisch. Ihre roten Augen sahen die Rosahaarige über ihre Brille hinweg prüfend an.   „Augen transplantiert? Nein, aber schließlich ist irgendwann immer das erste Mal.“ Und nach einigen Momenten fragte Sakura, um den Smalltalk aufrechtzuerhalten: „Wie ich hörte bist du auch Iryōnin?“   Karin nickte.   Sakura schenkte ihr ein kurzes Lächeln, ehe ihre Augen wieder zu Sasuke wanderten. Es fühlte sich merkwürdig an, sich normal mit ihr zu unterhalten, aber im Moment war es ihr durchaus willkommen. Offensichtlich schien sich die Rothaarige nicht ganz wohl in ihrer Haut zu fühlen, was ihr blasses Gesicht und die leichten Schweißperlen auf ihrer Stirn offenbarten, deshalb versuchte Sakura sie ein wenig abzulenken. Karin zeigte sich zwar tapfer aber das ganze Blut schien sie nicht kalt zu lassen.   „Erzähl mir davon.“   Karin zögerte erst einen Moment, ehe sie schließlich antwortete. „Ich kann heilen.“   Sakura löste ihren Blick von ihrem Patienten und sah sie mit hochgezogenen Augenbrauen an. „So?“   Wieder nickte die Rothaarige. Sie zog an dem Kragen ihrer hellvioletten Jacke und entblößte ein paar Zentimeter blasse Haut. Darauf erkannte Sakura mehrere Bissspuren.   „Verstehe.“   Sie arbeiteten weiter Hand in Hand und nach etwa einer Stunde, nachdem Sakura den Verband um Augen und Kopf gewickelt hatte, verkündete die Medic-Nin zufrieden: „Fertig.“   Augenblicklich wandte Karin sich auf ihrem Stuhl um und fing an trocken zu würgen. Sakura warf ihr einen mitleidigen Blick zu, während sie ihre Handschuhe auszog. Karin krümmte sich, presste sich eine zitternde Hand vor den Mund und versuchte sich zu beruhigen, damit sie nicht doch noch den Boden mit ihrem Mageninhalt benetzte. Anscheinend schien sie der Anblick doch mehr mitgenommen zu haben, als sie zugeben wollte.   „Du hast dich gut geschlagen“, versuchte Sakura sie ein wenig aufzubauen.   Karin zog die Luft mehrmals tief ein und wieder aus, richtete sich wieder auf und sah sie trotzig durch ihre Brille an. „Ich bin kein Weichei“, zischte sie eingeschnappt, ihre Stimme noch leicht zittrig. „Wenn man für Orochimaru arbeitet sieht man so einiges.“ Ihre roten Augen wanderten zu Sasuke und ihr Blick wurde wieder weicher. „Aber es ist etwas anderes, wenn es jemand ist … den man … ganz okay findet“, endete sie dann schnippisch, wandte den Blick ab und zog sich die Handschuhe aus, die sie kurz danach in den bereitgestellten Mülleimer pfefferte. Ihre Wangen zierte ein zartes Rosa.   Sakura musterte die andere Frau und ihr wurde zum ersten Mal bewusst, wie hübsch sie eigentlich war. Lange rote Haare, die ihr fast bis zur Taille reichten, ein schlanker, durchtrainierter Körper und ein attraktives Gesicht, mit sinnlichen Lippen und ausdrucksvollen roten Augen, die, wenn sie über ihre Brille verführerisch hinwegblickten, sicher viele Männerherzen höher schlagen ließen. Im Grunde wusste Sakura nichts über sie. Wie hatten Karin und Sasuke sich kennengelernt? Wie war sie in sein Team gekommen? Dass die Rothaarige etwas für den Uchiha empfand war offensichtlich. Sakura erkannte die Anzeichen, da sie sie von sich selbst nur zu gut kannte. Ein Gedanke schoss ihr durch den Kopf: Ob zwischen den beiden vielleicht mehr war, als bloße Kameradschaft? Jetzt? Oder früher einmal? Unwillkürlich verzog sie das Gesicht und ein flaues Gefühl bildete sich in ihrem Magen bei der Vorstellung, Sasuke würde eine andere lieben und nicht sie. Ihre Augen huschten zu Karin. Sie könnte sie einfach fragen … Nein … Nein, das würde sie sich nicht trauen. Denn sie hatte zu viel Angst vor der Antwort.   Sakura nahm Sasuke das Tuch vom Gesicht, damit die Sedierung nachließ und er erwachen konnte, was vermutlich noch ein bis zwei Stunden dauern würde. Dabei blieb ihr Blick an seinen entspannten Gesichtszügen hängen, wanderte weiter hinab zu seinen Lippen. Aber sie hätten sich doch beinahe geküsst, nicht wahr? Deutete das denn nicht darauf hin, dass er sie mochte? Sakura wollte nicht glauben, dass er so etwas tun würde, wenn er mit jemand anderem zusammen wäre.   Sie riss sich von seinem Anblick los, legte das Tuch auf das Tablett, nahm es in die Hand und stand auf.   „Lass uns gehen“, meinte Sakura während sie versuchte den Kloß in ihrem Hals herunter zu schlucken. „Er braucht jetzt Ruhe. Ich schätze, dass er erst in ein bis zwei Stunden aufwacht.“ Mit der zweiten Hand griff sie nach dem Mülleimer, in dem die blutigen Mullbinden lagen. Sie wollte den Raum ordentlich verlassen, damit nichts mehr von der Operation zu sehen war, wenn er aufwachte. Das Operationsbesteck würde sie im Anschluss reinigen.   Karin setzte sich wieder auf den Stuhl, der neben Sasukes Bett stand. Ihr Blick lag voll und ganz auf dem Schwarzhaarigen und sie beachtete Sakura nicht eine Sekunde, als könnte sie etwas verpassen, wenn sie ihn aus den Augen ließ. „Du kannst gehen, wenn du willst. Ich bleibe hier.“   Einen Moment lang blickte Sakura auf die Szene, die sich ihr bot. Karin streckte ihre Hand aus, legte sie auf Sasukes und hielt sie fest umschlungen. Die beiden waren umringt von sanftem Kerzenschein. Sakura schluckte bitter, nickte schließlich und ging. Es fühlte sich so falsch an, als hätten sie vertauschte Rollen.   * * *   Es war immer jemand bei ihm, für den Fall, dass er frühzeitig erwachte. Irgendwann war Karin endlich gegangen und Sakura hatte sie abgelöst. Sakura wollte diejenige sein, die bei Sasuke war, wenn er erwachte. Dies machte einerseits aus ärztlicher Sicht Sinn, andererseits entsprang dieser Gedanke purem Egoismus. Während sie an seinem Bett saß betrachtete Sakura das schlafende, entspannte Gesicht und lauschte seinem ruhigen Atem. Er lag einfach so da und sie konnte ihn ungeniert anstarren, sich an ihm satt sehen und sich seine Gesichtszüge genauestens einprägen. An einem gewissen Punkt musste sie dem Drang widerstehen ihn einfach zu berühren, sanft über seine Wange oder sein schwarzes Haar zu streichen oder sich seinen Lippen auch nur ansatzweise zu nähern. Hin und wieder entfuhr ihr ein leises Seufzen, wenn ihre Augen weiter hinab wanderten, über den schwarzen Kimono, den er trug. Die dunklen Farben hatten ihm schon immer gut gestanden.   Sakura war nervös. Nicht wegen der Operation. Alles war perfekt verlaufen. Die junge Iryōnin war sich ihrer Fähigkeiten durchaus bewusst. Nein, es lag vielmehr an der Präsenz ihrer Jugendliebe, der momentanen Situation und dem Gedanken daran, wie es weiterginge, wenn dies alles vorüber wäre. Soweit wollte sie noch gar nicht denken.   Mit ihrer Einschätzung hatte sie richtig gelegen, denn genau nach der berechneten Zeit konnte sie die ersten Anzeichen seines Erwachens beobachten. Seine Atmung veränderte sich kaum merklich; die regelmäßigen Atemzüge wurden länger und tiefer, als wolle sich sein Körper genug Sauerstoff holen, um wieder zum Wachzustand überzugehen. Allmählich fing Sasuke an sich zu regen. Seine rechte Hand wanderte langsam in die Richtung seines Gesichts. „Es ist alles gut verlaufen“, informierte Sakura ihn. Sie sprach leise, um ihn nicht zu erschrecken, schließlich konnte er sie durch den Verband um seine Augen nicht sehen. Er zuckte nicht einmal zusammen. Vermutlich hatte er sofort gespürt, dass er nicht allein in seinem Zimmer war. Vorsichtig richtete er sich auf in eine sitzende Position.   Sakura ließ ihn dabei nicht aus den Augen. „Wie fühlst du dich?“   Sasuke hielt sich die Hand vors Gesicht, als versuche er sie zu sehen. Leicht vorne über gebeugt betasteten seine Finger langsam den Verband an seiner Stirn. „Seltsam.“   Sakura holte tief Luft und seufzte. „Das liegt vermutlich an der Sedierung. Du wirst noch etwas benommen sein. Das ist ganz normal. Aber das vergeht wieder.“ Die Patienten befanden sich danach oft in einer Art Dämmerzustand, in dem sie kaum wahrnahmen, was sie taten, geschweige denn sich später daran erinnern konnten. Einige brachten kaum artikulierte Wortfetzen heraus oder sprachen wirres Zeug, als fantasierten sie oder als wären sie betrunken. Sasuke Stimme klang tief, rau und alles andere als verwirrt. Aber er war ja schon immer in allem die Ausnahme gewesen. Sakura würde es auch nicht mehr wundern, wenn er dieses ganze Prozedere besser verkraftete, als die meisten Patienten.   Sasuke ließ die Hand langsam sinken und wandte den Kopf in ihre Richtung. Sakura sah ihn aufmerksam an. Auch wenn es früher schon schwierig gewesen war, eine Gefühlsregung auf seinem Gesicht zu erkennen, jetzt, da sie seine Augen nicht mehr sehen konnte, war es noch schwieriger. Seine Mimik war vollkommen ausdruckslos. Er ist vermutlich noch nicht ganz wach, sagte sie sich.   „Wichtig ist, dass du dich jetzt ausruhst, Sasuke-kun. Wir müssen abwarten, wie du die Transplantation verkraftest, und hoffen, dass dein Körper die neuen Augen nicht als Fremdkörper abstößt.“ Über diese Möglichkeit hatte sie ihn im Vorfeld bereits unterrichtet. Es war selten, aber es kam vor, dass ein transplantiertes Organ, das dem Patienten eigentlich helfen sollte, vom eigenen Körper nicht angenommen und wieder abgestoßen wurde. So etwas konnte man im Vorfeld nie wissen. „In ein paar Tagen wissen wir mehr“, versprach sie. Sasuke nickte schwach. „Hast du Schmerzen?“ Langsam schüttelte er den Kopf. Das war zumindest schon mal gut. Die Betäubung wirkte noch und sobald sie anfangen würde nachzulassen würde Sakura sich darum kümmern. Jūgo hatte einige Kräuter für sie besorgt, aus denen sie in der Zwischenzeit einen schmerzstillenden Trank gekocht hatte, der am Kopfende seines Bettes auf dem Boden für ihn bereit stand, damit er jederzeit danach greifen konnte.   Einige Sekunden verstrichen in denen keiner von ihnen etwas sagte. Schließlich meinte Sakura: „Ich lass dich dann mal alleine. Du brauchst jetzt Ruhe. Ich gehe und sag den anderen Bescheid, dass du aufgewacht bist. Ich werde dann nachher noch einmal nach dir sehen.“   Sakura stand von ihrem Stuhl auf und wandte sich von ihm ab, doch gerade als sie den ersten Schritt machte spürte sie, wie er sie am Handgelenk packte. Überrascht drehte sie sich wieder zu ihm um. Seine Finger hatten sie obwohl er nach wie vor nichts sehen konnte zielsicher gefunden. Fragend sah sie ihn an und blinzelte mit leicht geöffnetem Mund ein paar Mal. Aber Sasuke sagte kein Wort. Stattdessen zog er sie am Handgelenk näher an sich heran.   Ihr Herz begann plötzlich schneller zu schlagen, als er sie so nah an sich zog, dass sie sich bereits mit einer Hand auf seinem Bett abstützen musste, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren.   „Was machst du denn?“, fragte sie leise und verwirrt. Die Hitze schoss ihr in die Wangen. Zum Glück konnte er nicht sehen, wie sie seinetwegen errötete. Die plötzliche Nähe war ihr seltsamerweise unangenehm. „Du sollst dich doch ausruhen.“   Die Situation überforderte sie total. Seine Finger umklammerten immer noch ihr Handgelenk und seine andere Hand legte sich nun auf ihre Schulter, fuhr langsam herauf zu ihrem Hals, und hinterließ dabei einen wohligen Schauer. Seine Finger wanderten weiter in ihren Nacken und mit leichtem Druck dirigierte er ihren Kopf in seine Richtung.   Was war denn jetzt auf einmal los? Wieso tat er das so plötzlich? Eben noch hatte er friedlich geschlafen und die Welt war noch in Ordnung gewesen und jetzt lag sie halb auf seinem Schoß und ihre Münder trennten nur noch wenige Zentimeter. Ihre Atmung beschleunigte sich und er konnte sicher ihren Puls an ihrem Handgelenk wild gegen seine Finger schlagen spüren. Wusste er, was er gerade mit ihr anstellte? So schön die Vorstellung auch war, dieses Verhalten war so untypisch für Sasuke, dass sie vermutete, dass er nicht bei klarem Verstand sein konnte.   „Du weißt nicht was du machst“, murmelte sie verlegen. „Du bist noch ganz benommen.“   Sasuke legte den Kopf leicht schief. „Wenn du meinst“, murmelte er leise, wobei er wacher klang, als er sollte, und kam ihr noch ein Stückchen näher, um sie zu küssen, doch Sakura wich mit aller Kraft, die sie momentan aufbringen konnte, zurück. Er war verwirrt! Eindeutig!   „W-wir sollten das nicht tun“, wisperte sie, doch ihr Körper schien gegen ihre Worte rebellieren zu wollen. Sie wollte nichts lieber, als sich ihm in die Arme zu werfen und diesen Moment vollkommen zu genießen. Aber sie wollte seine Lage auch nicht ausnutzen. Das verstieß gegen ihren Ehrenkodex als Ärztin! „Sakura“, hauchte er ihren Namen und sie schloss beim Klang seiner rauen, tiefen Stimme die Augen. Ein Prickeln lief ihre Wirbelsäule hinab. Wieso nur hatte er diesen Effekt auf sie? „Das ist deine Chance. Willst du sie wirklich verstreichen lassen?“   Sakura öffnete die Augen und sah ihn an.   Und überlegte.   Er hatte Recht.   Sie lehnte sich nach vorne, schlang ihre Arme um seinen Nacken und presste ihre Lippen gegen seine. Hungrig und verzweifelt küsste sie ihn und steckte all ihre Emotionen, die sie in den letzten Jahren angesammelt hatte, in diesen einen Kuss. Sie drückte sich an ihn, als hätte sie Angst, ihn wieder verlieren zu können, wenn sie ihn nicht fest genug festhielt. Seine Arme schlangen sich um ihre Hüften und erwiderten die Umarmung. Zwischen zwei Küssen öffnete sie für einen Moment die Augen, um ihn zu betrachten, und sicherzugehen, dass sie sich das gerade nicht einbildete. Aber es geschah wirklich. Viel schöner, als in all ihren Träumen und Fantasien. Ihm so nahe zu sein fühlte sich so gut an. Seine Lippen auf ihren eigenen, die sich immer wieder trafen und zu einem weiteren Kuss verschmolzen, als würden sie nicht ohne einander können. In diesem Moment wollte sie ihm so nah sein, wie es nur möglich war.   Kurzerhand setzte sie sich rittlings auf seinen Schoß, wobei ihr der Rock hoch rutschte. Seine Hände wanderten über ihre entblößten Oberschenkel. Dort, wo seine warmen Finger ihre nackte Haut berührten, hinterließen sie eine Gänsehaut. Seine Hände wanderten weiter, über ihre Hüften und er zog sie noch fester auf seinen Schoß, sodass ihr ein Seufzen entwich. Seine Lippen lösten sich von ihren und wanderten ihren Hals hinab. Sie stöhnte, als seine Zunge über die empfindliche Stelle über ihrem Schlüsselbein strich und sie spürte, wie sich das Verlangen in ihr weiter ausbreitete. Ihre Augen waren geschlossen, der Kopf in den Nacken gelegt, während er ihren Hals weiterhin liebkoste. Seine Finger zogen langsam am Verschluss ihrer Weste und strichen sie ihr von den Schultern. Die plötzlich aufkeimende Unsicherheit wurde sofort verdrängt von dem atemberaubenden Gefühl seiner Berührung unter ihrem Shirt. Seine andere Hand in ihrem Nacken zog sie abermals zu sich heran und er drückte seine Lippen schon beinahe ungeduldig gegen ihre. Seine Berührungen wurden schneller, drängender. Sein Mund fing ihr Stöhnen auf, als er über ihre rechte Brust fuhr und anfing sie zu massieren. Nun hatte sich ihr Verstand komplett abgemeldet. Der letzte Zweifel, so klein er auch gewesen sein mochte, löste sich im Nichts aus. Diese Gefühle, die er in ihr auslöste, waren zu gut, um ihnen entgegenzusteuern. Wie hatte sie auch nur eine Sekunde daran zweifeln können, dass das nicht das Richtige war? Es fühlte sich verdammt gut an! Und es wurde noch besser, als er ihr Shirt hochschob und sich verbeugte, um ihre Brüste zu küssen. Sie vergrub ihre Hände an seinem Hinterkopf in seinem Haar und genoss seine Berührungen. Ihre Atmung ging immer schneller und das Verlangen zwischen ihren Beinen wurde immer größer.   In diesem Moment könnte er einfach alles mit ihr anstellen …   Mit einer schnellen Bewegung zog er sich den Kimono von den Schulten. Der Stoff rutschte herunter und enthüllte seinen nackten Oberkörper. Er griff nach ihren Händen und legte sie sich auf seine Brust und sie verstand seine Aufforderung. Seine Haut schien unter ihren Handflächen geradezu zu glühen. Sie strich über seine Brust und seine Schultern, wanderte wieder hinab zu seinem Bauch und seinen Seiten, erkundete sehnsüchtig seinen Körper. Er öffnete die Lippen, atmete tief aus und sie spürte seinen heißen Atem auf ihrem Gesicht. Dann fing sie seine Lippen wieder mit ihren ein. Sein Atem ging fast so schnell wie ihr eigener. Seine Hände wanderten zu ihrem Hintern und schlüpften unter ihren Rock, drückten ihr Becken gegen seines. Als sie sein Keuchen gegen ihre Lippen vernahm, brachte es ihr Herz zum Stolpern. Sie wollte mehr davon hören! Ihr Magen zog sich vor Aufregung zusammen, bei dem Gedanken daran, dass sie ihn erregte, dass sie diese Wirkung auf ihn hatte. Sie schlang die Arme erneut um seinen Nacken und drückte ihren Oberkörper gegen seinen, spürte ihre Brüste auf seiner nackten Haut und bewegte sich auf seinem Schoß.   Ich liebe dich … schoss es ihr durch den Kopf. Dies war alles, was sie sich schon immer gewünscht hatte. Sasuke nahe zu sein. Ihn bei sich zu haben. Ihn zu spüren. Dass er ihre Gefühle erwiderte.   Ich liebe dich … Dieser Mann war einfach perfekt! Mit jeder Berührung ließ er sie erzittern und ihren Körper nach mehr verlangen. Die Anziehungskraft war schon fast unerträglich. Seine Lippen, seine Zunge, seine Hände. Sie wollte mehr von ihm, viel mehr. Hoffentlich würde dieses unbeschreibliche Gefühl nie wieder vorübergehen. In seinen Händen war sie wie Wachs. Gott, wie sehr sie diesen Mann einfach liebte!   „Ich liebe dich …“   Dass sie es laut ausgesprochen hatte, merkte sie erst, als er mitten in der Bewegung erstarrte und sich sein Körper komplett versteifte.   „Was?“   Sakura schwirrte immer noch der Kopf, viel zu berauscht war sie, um einen klaren Gedanken zu fassen, doch sie merkte sofort, dass sie etwas Falsches gesagt hatte. Als sie die Augen öffnete und ihn ansah, bemerkte sie die angespannten Züge um seinen leicht geöffneten Mund, die Lippen rot und geschwollen, die Atmung immer noch beschleunigt. Einen Moment lang war es still, nur ihr rasendes Herz schlug ihr laut gegen ihren Brustkorb und ein unwohles Gefühl breitete sich in ihrer Magengegend aus.   Schon fast grob schob er sie auf Armeslänge von sich weg, wodurch sie beinahe das Gleichgewicht verlor und sich nach hinten abstützen musste. „Du hast Recht“, meinte er kühl. „Wir sollten das nicht tun.“ Er wirkte wie ausgewechselt. Als hätte jemand einen Schalter umgekippt. Sakura war zu verdutzt, um etwas zu erwidern. Sie öffnete den Mund, aber brachte kein Wort hervor. Was sollte sie auch sagen? Entschuldigung? Es war ihr einfach so rausgerutscht, ohne darüber nachzudenken. Eigentlich hatte sie es gar nicht laut sagen wollen. Außerdem musste er doch wissen, was sie für ihn empfand, schließlich hatte sie dem Uchiha schon vor Jahren ihre Liebe gestanden und auch davor nie ein Geheimnis aus ihrer Zuneigung gemacht. Nichts daran hatte sich seitdem geändert. Und genau jetzt, als sie anfing zu glauben, dass er ihre Gefühle anfing zu erwidern, blockte er plötzlich ab.   Ungläubig beobachtete sie, wie er nach dem Stoff seines Kimonos griff und wieder in die Ärmel schlüpfte. Noch vor wenigen Sekunden hätte sie nichts und niemand in ihrem Vorhaben aufhalten können, doch dieses Verhalten war mehr als ein Schlag ins Gesicht.   „Geh“, forderte Sasuke diesmal mit Nachdruck, nachdem sie sich immer noch nicht rührte. Dann endlich erwachte sie aus ihrer Starre. Gekränkt wandte sie den Blick ab und zog sich ihr Shirt wieder herunter. Die Schamesröte zierte ihr Gesicht. Unbeholfen glitt Sakura von seinem Schoß und stand mit wackeligen Beinen vom Bett auf, wobei sie ungeschickt gegen das Fläschchen mit dem schmerzlindernden Trank stieß. Es fiel um, zerbrach und ergoss seinen Inhalt über den Boden, doch es konnte sie in diesem Moment nicht weniger interessieren. Noch nie in ihrem Leben war sie so gedemütigt worden. Mit pochendem Herzen griff sie nach ihrer Weste, die auf dem Boden lag, und richtete sich schnell ihren Rock. Die Tränen stiegen ihr bereits in die Augen, als sie auf die Tür zueilte und den Raum verließ, ohne einen Blick zurückzuwerfen. Kapitel 10: Kapitel 10 ---------------------- Das Uchiha-Wappen prangte riesengroß an der Wand des Raumes, so wie es überall in diesem Viertel der Stadt die Mauern der Gebäude zierte. Es brannte kein Licht und doch war das Zimmer gut genug erleuchtet, um alles genau sehen zu können. Vor ihm knieten zwei Personen. Er konnte lediglich ihre Rücken sehen. Ein Mann und eine Frau. Sie strahlten eine seltsame Ruhe aus in Anbetracht ihrer misslichen Lage. Er zückte sein Katana.   Innerlich weigerte er sich, doch all seine Bemühungen diese Bewegungen zu unterdrücken blieben erfolglos. Er bohrte die Klinge tief in den Rücken des Mannes, spürte, wie es Fleisch und Knochen durchstieß. Ein erstickter Laut erklang und der Körper fiel schlaff zu Boden. Er wollte am liebsten schreien. Was geschah hier bloß? Er wollte das nicht sehen! Nie wieder wollte er Zeuge dieses grausamen Massakers werden. Ihm blieb keine Wahl. Sein Körper gehorchte ihm nicht, als wäre er nicht er selbst sondern von jemand Fremden gesteuert.   Mit einem Ruck zog er sein Katana aus dem Körper seines Vaters, bedachte die Leiche mit keinem weiteren Blick und wischte sich das schmutzige Schwert an seiner Hose ab, um es vom Blute des Mannes zu reinigen. Dann ertönte ein lauter Schrei. Die Frau wollte weglaufen, doch mit seinen schnellen Reflexen griff er nach ihr und hielt sie fest. Er sah ihre Augen. Weit aufgerissene, schwarze Augen, die ihn stumm anflehten, sie zu verschonen. Die Angst in ihnen entwickelte sich zu reiner Panik, als sie sah, wie er das Schwert hob.   „Nein!“, schrie sie aus vollem Hals und versuchte sich zu wehren. Sein Herz schmerzte bei dem Wissen seine Mutter so zu sehen und als sie abermals anfing zu schreien, schrie er mit ihr.   „Nun siehst du, was ich sehe“, wisperte eine Stimme, die er trotz der schrillen Schreie ganz genau hören konnte, als wären sie in seinem Kopf.   Er rammte ihr das Katana mit voller Wucht in den Magen, in den Laib, in dem er einst selbst herangewachsen war. Über seine Hand strömte warmes Blut, das Blut, das in seinen eigenen Adern floss. Ihre hektischen Bewegungen endeten abrupt und ihr Körper sackte reglos zu Boden und blieb über dem ihres Gatten liegen. Es schmerzte ihn seine Eltern so zu sehen. Wieso nur hatte er das getan? Er schrie und schrie, doch seine Lippen blieben stumm. Kein Wort verließ seinen Mund und der Schmerz in ihm wurde nur noch größer. Er glaubte, er müsste sich übergeben. Der Gestank nach Blut war ekelerregend. Seine Beine würden am liebsten nachgeben und er wollte sich neben seine Eltern kauern und weinen, einfach nur weinen, weinen und schreien … Doch er blieb stehen und rührte sich kein Stück.   Die Schiebetür wurde aufgerissen und er erschrak, als er sich selbst sah. Wie konnte das sein? Das war er, viele Jahre jünger, lediglich ein kleines unschuldiges Kind, das zu zittern begann, als es seine Eltern tot auf dem Fußboden liegen sah. Er wollte sich selbst zurufen: „Lauf weg!“ Stattdessen hörte er sich mit eigener Stimme murmeln:   „Dummer, kleiner Bruder.“   Dann ging alles ganz schnell. Seine Hand ließ das Katana zu Boden fallen und für einen Moment war in den Augen des Jungen ein Hoffnungsschimmer zu erkennen. Doch dann zog er hinter seinem Rücken ein Kurzschwert hervor und stürzte sich auf das unschuldige Kind.   „Nein!“, dachte er panisch. Hilflos musste er mit ansehen, was geschah. Wieder und wieder rammte er die Klinge in den Laib des Kindes, während ein grausames Lachen an den Wänden widerhallte. Er sah sich selbst in die Augen, sah sich selbst sterben. Er weinte und schrie und flehte sich selbst an aufzuhören, doch erst als er tot war, kam das brutale Wüten seines Körpers zur Ruhe.   Für einen Moment erdrückte ihn die Stille. Der Schmerz in seiner Brust war unerträglich. Die Luft blieb ihm weg und er hatte das Gefühl zu ersticken. Es war kaum noch zu ertragen, dieser Schmerz, dieses Grauen ...   Alles um ihn herum wurde dunkel.   Eine Stimme sprach ruhig, aber in ihr lauerte ein gefährlicher Unterton. „Ich bin jetzt immer ein Teil von dir, Sasuke.“   Widerstrebend schüttelte er den Kopf.   Nein!   Ein Gesicht erschien in der Dunkelheit und er hätte beinahe geschrien, bei dem Anblick. Leere, tiefe Augenhöhlen blickten ihm entgegen, blutige Tränen überströmten das blasse Gesicht.   „Gefallen dir meine Augen?“, wisperte die Stimme seines Bruders.   Er versuchte sich zu wehren, versuchte panisch aus dieser Welt zu entkommen. Das Gesicht kam immer näher und in ihm kroch die pure Angst seinen Nacken empor und hinterließ eine Gänsehaut über dem gesamten Körper.   Die Stimme wurde nun gehässig. „Du warst zu schwach, Sasuke, so wie du schon immer zu schwach warst. Ohne mich bist du nichts … nichts … NICHTS!“ Das leblose Gesicht war direkt vor ihm, doch die Stimme war direkt neben seinem Ohr. Er konnte den ekelerregenden Atem auf seiner Haut spüren, sodass sich seine Nackenhaare aufstellten.   „Mit diesen Augen wirst du unbesiegbar sein“, flüsterte Itachi nun ehrfürchtig. Doch ihm wurde nur schlecht bei der Vorstellung. Er wollte sie nicht mehr, hatte sie nie gewollt …   „Aber du kannst immer noch nicht die Wahrheit sehen …“   Eiskalte Hände packten ihn am Hals …   … und er wachte mit einem erstickten Schrei auf. Kerzengerade saß er in seinem Bett und keuchte so schwer, als hätte er einen schweren Kampf hinter sich. Er wusste genau, dass seine Augen unter dem Verband und den geschlossenen Lidern das Sharingan aktivierten, so wie immer, wenn er in Panik geriet.   Verzweifelt flogen seine Hände zu den Bandagen und er zerrte an der Stelle, an der sich seine Augen befanden. Sie schmerzten, doch er hätte jeden Schmerz in Kauf genommen und sie sich aus dem Kopf gerissen. Die Nachwehen des Alptraums waren noch zu gegenwärtig. Immer noch sah er seine Eltern sterben, spürte das Katana in seiner Hand, roch das Blut …   Sasuke wandte sich zur Seite und würgte. Die Übelkeit siegte beinahe über seine Selbstdisziplin. Gerade so konnte er sich noch beherrschen sich nicht zu übergeben. Er keuchte nur noch mehr und wischte sich über das Gesicht, spürte überdeutlich den kalten Schweiß auf seiner Stirn und seinen Wangen. Ihm war plötzlich heiß und im nächsten Moment wieder eiskalt. Sein Körper durchlebte eine Achterbahn an Gefühlen. Einerseits war da die Erleichterung, dass es sich lediglich um einen Traum gehandelt hatte, andererseits war ihm nur sehr deutlich bewusst, dass dieser Traum auf wahren Begebenheiten basierte und somit mehr seine Erinnerungen zeigte, als irgendwelche Hirngespinste seines verrückten Verstandes. Auch wenn Itachi ihn damals nicht umgebracht hatte.   Sasuke wusste, dass es ein Fehler gewesen war, Itachis Augen zu nehmen. Die Augen eines Clanmörders, eines Verräters, …   Seines Nii-sans …   Sasuke gab ein Wimmern von sich. Frustriert schlug er mit der Faust auf die Matratze des Bettes. Ein Fehler, ein Fehler, ein Fehler …   Alles was er sah war schwarze Dunkelheit. Er konnte nichts sehen und somit auch nicht verhindern, dass die Bilder des Traums sich wieder vor seinem inneren Auge materialisierten. Das Gesicht seiner Mutter, wie sie ihn panisch ansah und wie sie schrie, schrie, schrie …   Er bedeckte seine Ohren und schüttelte den Kopf. Es sollte aufhören, verdammt!   „Gefallen dir meine Augen?“   Er hielt das nicht mehr aus! Sasuke griff nach der Bettdecke, schlug sie zur Seite und schwang die Füße aus dem Bett. Langsam und mit zittrigen Beinen stand er auf. Sein Herz hämmerte wie wild in seiner Brust. Immer noch heftig atmend bahnte er sich einen Weg durch sein Zimmer. Obwohl er nicht in der Lage war zu sehen, fand er sich gut zurecht. Sasuke verfügte über einen ausgezeichneten Orientierungssinn und würde sich auch im Dunkeln in Orochimarus Versteck zurechtfinden. Nur in eine Trainingshose gekleidet öffnete er die Tür. In seiner momentanen Verfassung dachte er gar nicht daran sich etwas überzuziehen. Abgesehen davon wäre es sowieso wieder viel zu schnell durchgeschwitzt. Sasuke tastete sich an der linken Wand entlang, mit nur einem Ziel vor Augen.   „Ich bin jetzt immer ein Teil von dir, Sasuke.“   Wütend knirschte er mit den Zähnen. Er musste sich zusammenreißen. Er durfte sich nicht von Itachi in die Knie zwingen lassen. Ja, er besaß nun die Augen eines Mörders, seines verhassten Bruders, doch was war ihm für eine Wahl geblieben? Andernfalls wäre er erblindet. Der sichere Untergang eines jeden Shinobi!   Augen … Es waren doch nur Augen … Wieso nahm ihn das so sehr mit?   Wieder dachte er an das Bild seiner Eltern, wie er sie gefunden hatte, in jener schicksalshaften Nacht. Wenigstens hatte er sich an Itachi gerächt und ihn büßen lassen für das, was er seiner Familie angetan, was er ihm angetan hatte …   Sasuke tastete sich weiter den langen Flur entlang und zählte nebenbei die Türen, die er berührte. Stein, Holz, Stein, Holz … Itachi war nun tot und konnte kein Unheil mehr anrichten. Und doch verlieh ihm dieses Wissen nur ein geringes Maß an Befriedigung. Sein Tod, seine Rache würde seine Eltern und seinen stolzen Clan niemals zurückbringen. Nichts würde sich ändern. Nichts würde die Einsamkeit in seinem Herzen vertreiben und die Vergangenheit sowie die qualvollen Jahre seiner Kindheit wieder gut machen. Und nun war er ganz alleine. Hatte niemanden mehr. Nicht mal seinen Bruder.   Stein, Holz … Sasuke zählte weiter. Er wusste genau, wie viele Türen zwischen ihren beiden Zimmern lagen. Ihre letzte Begegnung lag erst wenige Stunden zurück und da hatte er sie alles andere als nett behandelt, doch er wusste sich nicht anders zu helfen. Sie war sein erster Gedanke. Arrogant wie er war kam er nicht mal auf die Idee, dass sie seiner Forderung nicht nachkommen könnte. Früher hatte sie ihm schließlich jeden Wunsch von den Lippen abgelesen.   Hoffentlich lief ihm niemand aus seinem Team über den Weg. Kaum auszudenken, was geschehen würde, wenn sie ihren Anführer in diesem seelischen Ausnahmezustand sehen würden. Sie würden jeglichen Respekt vor ihm verlieren.   Stein, Holz … Nicht mehr weit. Ihr Chakra konnte er bereits spüren. Er wusste nicht, wie spät es war, aber es kümmerte ihn auch wenig, ob sie vielleicht schon schlief. Er war immer noch viel zu aufgewühlt. Sie musste etwas tun, irgendwas, das ihn vergessen ließ, etwas, dass ihm Ruhe gab. Diese Träume, er hielt sie einfach nicht mehr aus. Seit dem Sieg über seinen Bruder waren sie wieder schlimmer geworden. Sasuke konnte viel ertragen doch auch er geriet irgendwann an seine Grenzen.   Dann berührten seine Hände den letzten Türrahmen und seine Finger umschlossen zitternd die Klinke. Ohne zu Klopfen trat er ein. Wenig später hörte er das Rascheln ihrer Decke.   „Sasuke-kun?“ Ihre Stimme klang noch ganz verschlafen.   „Mach, dass es aufhört!“, sagte er frustriert. Er ging einige Schritte in ihr Zimmer, fasste sich an den schmerzenden Kopf, zerrte an dem Verband über seinen Augen. „Ich ertrage das nicht mehr!“   Wenig später hörte er Schritte und kurz darauf folgte eine sanfte Berührung, als ihre Hände nach ihm griffen. Vorsichtig legte sie ihre Finger auf seine Arme, doch er zuckte panisch zurück, als hätte er sich verbrannt.   „Beruhige dich, Sasuke-kun.“   Ihre vertraute Stimme hatte etwas seltsam Tröstliches an sich. Als sie das nächste Mal seine angespannten Arme berührte wich er nicht mehr zurück. Der Stolz in ihm verspottete ihn und spuckte ihm vor die Füße, bei der Blöße die er sich ihr gegenüber gab. Wie tief war er nur gesunken, dass er jemanden Einsicht in sein innerstes Chaos gewährte? Er hatte seine Gedanken stets vor sich selbst verborgen und seine Gefühle nie an die Oberfläche gelassen. Aber nun hatte er sich nicht mehr unter Kontrolle. Er flippte aus. Und das ausgerechnet vor ihr.   „Was ist passiert?“, fragte sie vorsichtig.   Er raufte sich die Haare und fuhr mit seinen Fingern über seine bandagierten Augen. „Ich halte das nicht mehr aus!“, gestand er verzweifelt. „Ich ertrage diese Träume nicht mehr!“    Am liebsten hätte er sich alles von der Seele geschrien und seine Fäuste gegen die nächste Wand geschlagen, damit der physische Schmerz den psychischen überdeckte. Doch bevor es soweit kommen konnte spürte er wie ihre Hände sanft sein Gesicht umfassten. Er spürte noch ihr vertrautes Chakra durch seinen eigenen Körper strömen und wie es ihn allmählich beruhigte.   Dann setzte sie ihn außer Gefecht. Bewusstlos sackte er in ihren Armen zusammen. Kapitel 11: Kapitel 11 ---------------------- Der Prozess des Aufwachens zog sich ungewöhnlich in die Länge. Üblicherweise besaß er einen leichten Schlaf, die Sinne allzeit geschärft, für den Fall eines Angriffs oder sonstigen Überraschungen. Und wenn er erwachte war er sofort bei klarem Verstand und im Besitz der vollen Kontrolle über sich selbst und seine Umgebung. Doch dieses Mal war es anders, als erwache er aus einem tiefen, alles außer Gefecht setzenden monatelangen Winterschlaf. Selbst nach der Sedierung war er zum Zeitpunkt seines Erwachens bei vollem Bewusstsein gewesen. Jetzt lag er da und es schien als würde sich der Schlaf aus seinem Körper so langsam zurückziehen wie zähflüssiger Honig und einen ebenso süßen Nachgeschmack hinterlassen. Zuerst waren da nur seine Gedanken, erst nach und nach kam Regung in seine Gliedmaßen. Er spürte, dass er in einem weichen Bett lag, spürte die wohlige Wärme, die ihn umgab. Die Finger seiner rechten Hand zuckten leicht und befühlten die Matratze. Er lag auf der rechten Seite, seine Finger strichen über das Laken und kamen kurz darauf zum Halt, als sie bereits die Bettkante erreichten, früher als erwartet.   Gegen seinen Willen musste er zugeben, wie gemütlich dieses Bett war und dass er am liebsten – ganz untypisch für ihn – liegenbleiben wollte. Er wollte weiterschlafen, wieder ruhen und nichts träumen. Dieser Schlaf war seit langem mal wieder erholsam gewesen und ihn überkam eine tiefe Zufriedenheit. Er atmete einmal tief ein, entspannte sich und lag einfach nur da, genoss das beinahe schwerelose Gefühl, als würde kein Gewicht, keine Last mehr an ihm zerren. Die Schrecken der vergangenen Nacht waren für den Moment vollkommen vergessen.   Eine Weile schwebte er zwischen Wachsein und Schlafen, bis er tatsächlich wieder einnickte. Sein Körper – und noch viel dringender sein Verstand – benötigten eine längst überfällige Pause. An diesem Ort, an dem er sich befand, fühlte er sich so selten sicher, dass er sein Schutzbedürfnis ein wenig unbeachtet lassen konnte.   Irgendwann wachte er wieder auf. Ob er nur Minuten oder gar Stunden geschlafen hatte vermochte er nicht zu sagen. Er schloss spontan auf letzteres, da er sich wirklich erholt fühlte. Und wieder bemerkte er die angenehmen Eindrücke: warm und weich.   Allmählich bemerkte er auch, wo diese Wärme herkam und dass es nicht nur das Bett war, das sich so weich an seinen Körper schmiegte. Er hätte überrascht sein sollen, über die Erkenntnis darüber, dass es sich dabei um Körperwärme handelte, doch sein Verstand war immer noch zu vernebelt vom Schlaf. Und noch ehe er ihr Chakra identifizieren konnte wusste er instinktiv, dass es Sakura war, die neben ihm lag. Seine Finger tasteten wieder nach der Bettkante direkt vor ihm. Bruchstückhaft kamen Erinnerungsfetzen zurück, die sich langsam aber sicher wie ein Puzzle zusammensetzten und ein deutliches Bild ergaben. Ihm wurde klar, dass er nicht in seinem, sondern in ihrem Bett lag. Sie hatte ihn bei sich im Zimmer schlafen lassen, statt ihn in sein eigenes zurückzubringen und allem Anschein nach hatte sie es vorgezogen sich das Bett mit ihm zu teilen, statt auf dem kalten und harten Fußboden zu schlafen, was man ihr auch nicht wirklich verdenken konnte. Da das Bett lediglich für eine Person gedacht und der Platz ziemlich begrenzt war, blieb ihr nichts anderes übrig, als ihm so nahe zukommen. Ob gewollt oder im Schlaf unbewusst ausgeführt, nun lag sie direkt an seinen Rücken geschmiegt, den Arm unter seinem durchgeschoben und ihre Hand ruhte unschuldig auf seinem blanken Bauch. Er konnte ihre Haut auf seiner spüren, da er, wie ihm nun ebenfalls langsam dämmerte, lediglich eine Trainingshose trug. Die Decke lag über ihnen, weshalb er trotz seiner spärlichen Bekleidung nicht fror. Der Uchiha verfügte Dank seiner Chakranatur ohnehin über genügend Körperwärme, weshalb es durchaus möglich war, dass sie in der Nacht seine Nähe gesucht hatte, um nicht zu frieren. Er wusste, es konnte in diesen unterirdischen Räumen manchmal ziemlich kalt werden.   Für einen Moment fragte er sich, weshalb er das zuließ, dass sie ihm so nahe kam, und dass es das Beste wäre, wenn er sich sofort zurückzog und sich klammheimlich aus dem Staub machte, noch ehe sie die Chance erhielt aufzuwachen. Die Gedanken verweilten in seinem Kopf, doch sein Körper blieb reglos. Die angenehme Wärme tat viel zu gut, um sich ihr jetzt zu entziehen. Sasuke lauschte ihren ruhigen und langsamen Atemzügen. Sakura schien noch tief und fest zu schlafen. Instinktiv unterband er jede kleinste Bewegung, um sie nicht zu wecken. Was für ein seltsamer Gedanke. Eigentlich sollte es ihn doch nicht kümmern, nicht wahr? Freiwillig hätte er sich niemals in diese Situation begeben. Wenn er ehrlich war hatte er vorher gar nicht darüber nachgedacht, wie diese Begegnung im Anschluss verlaufen würde, er hatte einfach nur gehandelt, da er nicht mehr im Stande gewesen war klar zu denken. Für einen Moment verdüsterte sich seine Stimmung bei der Erinnerung daran, wie aufgelöst er noch in der Nacht zuvor gewesen war. Dieser Albtraum hatte ein bereits sehr volles Fass zum Überlaufen gebracht. Mittlerweile schämte er sich dafür, seinen Gefühlen nachgegeben zu haben und dass er ausgerechnet Sakura in dieser Situation aufgesucht hatte. Er war immerhin ein Uchiha und wusste sich stets selbst zu helfen. Dass er die Hilfe von jemand anderen in Anspruch nahm war einfach nur demütigend. Und doch bereute er es nicht, immerhin war es ihr gelungen ihn aus dieser Hysterie zu befreien und ihn wenigstens für eine Nacht einen traumlosen Schlaf zu schenken. Ihre medizinischen Fachkenntnisse waren manchmal wirklich ein Geschenk des Himmels.   Sasuke drehte vorsichtig den Kopf zur Seite in ihre Richtung, bemüht, kein Geräusch von sich zu geben. Durch den Verband, den er nach wie vor um seine Augen trug, konnte er nichts sehen, als die Schwärze, an die er sich bereits so sehr gewöhnt hatte. In diesem Moment fragte er sich, was er wohl sehen würde, wenn er sehen könnte. Wieder lauschte er ihren friedlichen Atemzügen.   Bei ihren früheren Ge-Nin-Missionen war es öfters vorgekommen, dass Team Sieben die Nacht gemeinsam unter den Sternen verbracht hatte. Nichts Ungewöhnliches für einen Ninja und erst recht nicht für aufgeregte Ge-Nin, die sich vor ihrem Sensei, und vielmehr noch vor ihren Teammitgliedern bei ihrer ersten richtigen Mission beweisen wollten. Ninja konnten manchmal tagelang, wenn nicht sogar wochenlang unterwegs sein. Es gehörte zum Training, die Nacht im Freien zu verbringen. Wenn man ein wenig Glück hatte durfte man ein Zelt benutzen, aber das war meist die Ausnahme. Viel eher gehörten kalte Nächte auf dreckigen Waldböden ohne ein Lagerfeuer, das ihre Anwesenheit den Feinden offenbaren würde, zur Tagesordnung. Für den disziplinierten Uchiha natürlich kein Problem. Viel mehr hatten ihn immer Narutos lautes Schnarchen oder Kakashis aufmerksame Augen gestört – die wie immer alles und jeden zu beobachten schienen –, ebenso wie Sakuras nervige Annäherungsversuche. An einem gewissen Zeitpunkt hatte er sich einfach daran gewöhnt, dass sie ihren Schlafsack stets direkt neben seinem ausrollte.   Diese Situation war vollkommen anders. Mittlerweile waren sie keine Kinder mehr. Sie waren allein – weder die Mitglieder von Team Sieben noch von Team Hebi waren anwesend – und sie lagen in einem Bett. Noch dazu war er spärlich bekleidet.   Dennoch fühlte er sich alles andere als unwohl.   Bei jedem ihrer Atemzüge spürte er, wie ihr Brustkorb sich sanft gegen seinen Rücken drückte. Da er nichts sehen konnte wusste er nicht, was sie zum Schlafen trug, doch es musste erstaunlich wenig sein, denn er konnte ziemlich viel Haut spüren. Warme, weiche Haut …   Etwas begann sich in ihm zu regen und spätestens jetzt war er hellwach. Ein kleiner Teil von ihm wünschte sich, dass sie niemals aufwachen würde, damit er sich dieser vermutlich sehr peinlich werdenden Konfrontation nicht stellen musste. Heimlich davonkommen würde er ohnehin nicht, da ihr Arm ihn regelrecht festzuhalten schien. In ihm gab es aber noch einen anderen Teil, einen, der nur von menschlichen Instinkten und jugendlichen Bedürfnissen geleitet wurde. Und dieser Teil wurde immer größer, immer lauter.   Sasuke biss die Zähne fest aufeinander. Nein, das konnte er nicht machen. Auch wenn er wollte, und er wollte im Moment wirklich sehr. Vor allem, wenn er daran dachte, dass sie die erste Grenze bereits überschritten hatten.   Als er nach der Operation aufgewacht war, hatte er lediglich aus dem Impuls heraus gehandelt, seine inneren Konflikte zum Schweigen zu bringen, in dem er sich mit etwas ablenkte. Itachis Augen zu besitzen war nach wie vor ein erschreckender Gedanke für ihn und dieses Gefühl, dieses Wissen, nun tatsächlich über sein Sharingan zu verfügen, seine Macht zu erfahren, war etwas, womit er durchaus nicht gut umgehen konnte. Die Gedanken und Emotionen waren wie ein plötzlicher Regenschauer über ihn hereingebrochen und er konnte sich nicht entscheiden, ob er über die geglückte Transplantation erfreut sein sollte oder nicht. Immerhin war er somit der völligen Erblindung entgangen.   Andererseits …   Er hatte sich seltsam gefühlt, wie er ihr geantwortet hatte, auch wenn dies maßlos untertrieben war. Um seinem gedanklichen Chaos zu entgehen hatte er sich Sakura gerade zu an sich gerissen, damit sie ihm dabei half zu vergessen und an etwas anderes zu denken. Wie sehr hatten sie sich verändert, dass er inzwischen auf ihre Hilfe angewiesen war. Früher war es immer anders herum gewesen. Sein spontaner Plan hatte nicht nur Wirkung gezeigt, sondern ihm auch noch ziemlich gefallen. Sehr gefallen. Und er hätte auch liebend gerne weitergemacht, wenn sie ihn dann nicht daran erinnert hätte, was er ebenfalls lange versucht hatte zu vergessen.   Sie liebte ihn, liebte ihn immer noch, so wie schon seit ihrer Kindheit. Selbst wenn sie es nicht gesagt hätte, hätte er es gewusst, auch wenn er es immer wieder versuchte sich selbst gegenüber zu leugnen. Man hörte es in ihrer Stimme, sah es in ihrem Blick und selbst in ihrer Körpersprache konnte man ihre Gefühle ihm gegenüber erkennen. Den Mitgliedern seines Teams war es ebenfalls nicht entgangen, jedoch schwiegen sie zu diesem Thema, was ihm nur recht war. Sakura liebte ihn, auch wenn er nie etwas getan hatte, was dies rechtfertigte und obwohl er in der Vergangenheit oft versucht hatte, ihre Liebe für ihn erkalten zu lassen. Wenn er gewusst hätte, dass es reine Begierde war, die sie in seine Arme trieb, dann hätte er sie für seine Zwecke benutzen können, aber mit dem Wissen, dass ihre Zuneigung aufrichtig war, hatte er es einfach nicht über sich bringen können. Er wollte ihr keine falschen Hoffnungen machen und sie sollte nicht denken, dass aus seinem Handeln mehr hervorging, als körperliches Verlangen.   Denn das war es nicht.   Sasuke dachte lange darüber nach, aber ihn schien diese Antwort nicht zu überzeugen.   Ihre Finger strichen über seinen Bauch, als sich ihr Arm langsam zurückzog. Hinter ihm wachte Sakura allmählich auf und begann sich zu strecken, um wieder Leben in die steifen Glieder zu kriegen. Sie schien sich auf den Rücken zu legen, denn die angenehme Wärme an seinem eigenen verschwand und als ihr Arm nicht mehr um ihn lag nutzte er sofort die Gelegenheit, um sich aufzusetzen und etwas Abstand zwischen ihnen zu schaffen. Er streifte die Decke zurück, schwang die Beine aus dem Bett, blieb aber an der Bettkante sitzen und verharrte dort. Mit seiner rechten Hand fuhr er sich durch das vermutlich ziemlich durcheinander geratene Haar, während er hinter sich das Rascheln der Bettdecke vernahm, das danach klang, als würde sie sich aufsetzen.   „Guten Morgen.“ Ihre Stimme war leise, leicht schüchtern und etwas rau, wodurch man deutlich hören konnte, dass sie gerade erst aufgewacht war. Sasuke antwortete nicht, sondern drehte nur seinen Kopf in ihre Richtung, um ihr zu zeigen, dass er sie gehört hatte. Daraufhin folgte ein unangenehmes Schweigen. Er wusste nicht, was er sagen sollte. Viel weniger wusste er, weshalb er überhaupt noch hier war.   Nach langen quälenden Sekunden durchbrach sie dann die Stille. „Hast du gut geschlafen?“ In diesem Satz klang die versteckte Frage mit, die Frage, nach seinen Albträumen. Wie viel hatte er ihr davon erzählt? Er wusste es nicht mehr.   Erst nickte er, dann entschloss er sich doch dazu, zu einer Antwort anzusetzen. „Sehr gut.“ Es war die Wahrheit und vorerst alles, was er zu diesem Thema sagen wollte. Er würde ihr keineswegs danken. Ein bisschen Stolz hatte er immerhin noch behalten. Hoffentlich bezog sie das Kompliment auf ihre Heilkünste und nicht auf ihre Gesellschaft.   Wieder herrschte Schweigen. Die Bettdecke raschelte leise. „Willst du darüber reden?“   Sie hatte den Satz kaum beendet, da verneinte er bereits, vermutlich schärfer, als wirklich notwendig. Er würde mit ihr nicht über seine Alpträume reden. Mit niemandem!   „Das ist okay.“ Er spürte, wie sich die dünne Matratze des Bettes leicht bewegte und als sie das nächste Mal sprach war ihre Stimme näher, als zuvor. „Wenn du möchtest kann ich dir helfen. Es gibt Tränke für einen traumlosen Schlaf. Ich könnte dir einen brauen.“   Sasuke dachte einen Moment darüber nach. Diese Offenbarung klang wie ein Heilmittel gegen eine zuvor noch aussichtslos erscheinende Krankheit. Bisher hatten seine Träume selten solch einen heftigen Eindruck bei ihm hinterlassen, doch er konnte nicht sichergehen, dass sie in Zukunft wieder weniger aufdringlich sein würden. Seit seiner Kindheit traten sie in Wellen auf, sie kamen und gingen. Doch es würde nicht schaden, solch ein Rezept in seinem Besitz zu wissen, für den Fall, dass Itachi ihn wieder einmal nachts in den Wahnsinn trieb.   Deshalb nickte er.   Die angespannte Stille, die darauf folgte, verstärkte sein Unbehagen noch mehr. Sakura schien es ähnlich zu gehen, denn sie räusperte sich und klang leicht nervös bei ihren folgenden Worten. „Entschuldige bitte, dass ich, ähm, ich meine, du hast geschlafen und ich kenne mich doch hier nicht aus. Ich wusste nicht, wo ich sonst hätte schlafen können, und da dachte ich, naja …“ Ihre Stimme war zum Ende hin immer leiser geworden.   „Hn.“ Es hatte ihn nicht wirklich gestört, schließlich hatte er geschlafen und von ihrer Anwesenheit nicht das Geringste mitbekommen. Zumindest nicht, bis er wieder aufgewacht war. Es war ja schließlich nicht so, dass sie ihn mit irgendwelchen Tricks in ihr Bett gelockt hätte. Vielmehr hatte er sie nachts einfach aus dem Schlaf gerissen.   Wieder raschelte die Bettdecke, als sie ihr Gewicht verlagerte. „Sasuke-kun?“   „Hn?“   „Es tut mir leid“, murmelte sie leise. „Wegen … gestern … und dem … was ich gesagt habe ...“   Sasuke unterdrückte ein genervtes Seufzen. Sie wollte doch nicht wirklich darüber reden? Und überhaupt: Wieso sollte sie sich entschuldigen? Sie hatte schließlich nichts falsch gemacht. Er war derjenige, der sich wie ein Arschloch benommen und sie verletzt hatte. Erst hatte er sie schon beinahe mit Gewalt an sich gerissen und dann wieder eiskalt von sich weggedrückt. Sein Mund war nur noch ein Strich, die Lippen fest aufeinander gepresst. Verdammt, er bereute, was er getan hatte und wünschte, es wäre nie so weit gekommen. Wenn er sich dieses eine Mal– Moment, das war nicht nur dieses eine Mal gewesen. Nur wenige Stunden zuvor hätten sie sich in der Küche ebenfalls beinahe geküsst, wenn Suigetsu nicht hineingeplatzt wäre. Verdammt, dieses Was-auch-immer-es-war ging schon viel zu lange!   Da war nichts, sagte er sich. Da war nie was und da wird nie etwas sein … Weder früher, noch heute, noch in der Zukunft!   „Allerdings“, fuhr sie nun fort, die Stimme fester als zuvor, „bereue ich es nicht, dass ich es gesagt habe. Es ist immerhin die Wahrheit. Es war … naja, vielleicht nicht ganz der richtige Zeitpunkt“, nuschelte sie leicht beschämt.   Äußerlich blieb er ruhig und unbewegt. Innerlich musste er sich stark beherrschen nicht die Fassung zu verlieren. Schon wieder dieses Gerede über ihre Gefühle. Er wollte das alles nicht hören. Was brachte es ihr schon, wenn sie es ihm sagte? Es würde schließlich nichts ändern.   „Was bezweckst du damit?“, äußerte er seine Gedanken, denn er kam zu keiner anderen Schlussfolgerung, als dass sie irgendwie versuchte ihn zu manipulieren. Ebenso wie damals, als sie versucht hatte ihm ein schlechtes Gewissen einzureden und ihn im Dorf zu behalten. Sie konnte seine Entscheidung einfach nicht akzeptieren und versuchte ihn mit allen Mitteln umzustimmen und ihm ihren Willen aufzuzwingen. Und das würde er mit Sicherheit nicht zulassen. Er würde sich nicht ändern. Nicht für sie.   Sakura schien seine Frage zu verwirren. „Was ich damit bezwecke?“ Sie schnaubte, als hätte er ihr sonst etwas vorgeworfen. „Gar nichts.“ Nun klang ihre Stimme traurig. „Ich gebe zu, in dem Moment, in dem ich es gesagt habe, habe ich nicht wirklich nachgedacht. Aber es macht mir nichts aus, wenn du es weißt. Im Gegenteil.“ Und nach einer kurzen Pause fügte sie leise hinzu: „Weißt du, manch einer würde sich von solch einem Geständnis geschmeichelt fühlen.“   „Geschmeichelt?“ Die Frage klang schon beinahe höhnisch. Diesmal war er derjenige, der ein Schnauben von sich gab. Er wandte den Kopf ab. Sie wusste ja nicht, was sie da sagte. Wie konnte sie jemanden wie ihn lieben? Noch dazu konnte er mit diesem Wissen überhaupt nichts anfangen. Es half ihm nicht weiter, vielmehr hinderte es ihn. Sasuke wusste nicht wirklich woran es lag, aber ihre Worte machten ihn wütend. Wenigstens verdrängte diese neue Emotion die Begierde, die er noch kurz nach dem Aufwachen empfunden hatte. Unbewusst sorgte sie dafür, dass er nicht schon wieder Dummheiten anstellte.   Gut, dass er ihr Gesicht im Moment nicht sehen konnte. Ihren enttäuschten Blick würde er vermutlich nicht ertragen können. Dieser lästige Verband nervte ihn tierisch, doch diesmal konnte er dankbar dafür sein, dass er ihn hatte. Kaum zu glauben, dass er sich vor einigen Minuten noch wohl in ihrer Nähe gefühlt hatte. Jetzt wollte er nur noch weg. Dieses Mädchen machte ihn einfach verrückt! Es war zum Haareraufen!   Aber wieso gab es dann immer wieder Momente, in denen er sich zu ihr hingezogen fühlte? Er öffnete entschlossen seinen Mund, um ein Machtwort zu sprechen, damit dieses Was-auch-immer-es-war endlich aufhörte.   Es war, als hätte er plötzlich vergessen, wie man sprach. Kein Wort kam über seine Lippen. Das machte ihn einerseits wütend, doch da war auch noch eine andere Emotion: Irritation.   „Wie lange muss ich diesen Verband noch tragen?“, fragte er stattdessen, um auf ein wichtigeres Thema umzuschwenken. Seitdem er nicht mehr über das Mal des Fluches verfügte konnte er sich nicht mehr auf Orochimarus Heilkräften ausruhen. Ein schöner Luxus seines ehemaligen Senseis, auf den er nun verzichten musste.   Als sie antwortete klang sie mehr nach der Medic-Nin, die er inzwischen kennenlernen durfte, als der Kunoichi. „Eigentlich würde es mindestens eine Woche dauern, bis die Wunden verheilen und der Körper sich von dem Eingriff erholt. Schließlich müssen sich die ganzen Nerven miteinander verbinden. Aber wenn ich etwas nachhelfe, sollte es schneller gehen.“   Kurz nach dieser Aussage spürte er eine vorsichtige Berührung. Fast wäre er zusammengezuckt, als sich ihre Fingerspitzen sanft auf seinen Rücken legten. Diese Berührung war so federleicht und unschuldig, als würde sie nicht wissen, was sie damit bei ihm anrichtete. Augenblicklich versteifte er sich und er spürte, wie ihm ein leichter Schauer über den Rücken fuhr. Sie strich behutsam und aufmunternd über seine Schulter, wie eine Ärztin es vielleicht im Krankenhaus bei einem Patienten tun würde. Eine stumme Aufforderung, ihr seine Aufmerksamkeit zu widmen.   Sasuke drehte sich daraufhin zu ihr, sodass er wieder halb auf dem Bett saß. Sakura legte jeweils eine Handfläche auf seinen Verband, dort, wo sich seine Augen verbargen, und aktivierte ihr Chakra. Wenig später bemerkte er eine Veränderung, als würde ein Druck, den er zuvor nicht bemerkt hatte, langsam nachlassen. Die Behandlung dauerte nur wenige Minuten, in denen ihm nichts anderes übrig blieb, als zu warten.   Umso eher er wieder sehen konnte, desto besser. Denn dann würde er sich auch endlich an die Abmachung halten können und Sakura würde wieder verschwinden. In den wenigen Tagen, in denen sie hier war, hatte sie ihn ziemlich durcheinander gebracht. Und das gefiel ihm überhaupt nicht. Sobald er wieder richtig sehen konnte würde er zu seinem alten, gewohnten Leben zurückkehren. Und in dem war für sie kein Platz.   Sakura nahm die Hände von seinem Gesicht. „Es sieht alles sehr gut aus. Morgen nehmen wir den Verband ab.“ Ihre Stimme klang, als würde sie lächeln. Sasuke nickte knapp. Er spürte, dass sie ihm immer noch sehr nah war und die Anspannung nahm weiterhin zu. Was würde sie tun? Er rechnete schon damit, dass sie versuchen würde sich ihm wieder zu nähern. Schon fast sehnsüchtig wartete er darauf, dass sie etwas unternahm, dass sie den ersten Schritt machte. Nur um sie daraufhin abzuweisen, selbstverständlich.   Stattdessen überraschte sie ihn. „Ich schlage vor du gehst jetzt wieder in dein Zimmer“, sagte sie ruhig, aber bestimmt. „Du solltest dich noch etwas ausruhen.“   Sasuke verstand sofort die versteckte Bedeutung hinter diesen Worten. Sie schmiss ihn raus. Völlig überrumpelt verharrte er eine Weile, um ihre Aufforderung sacken zu lassen. Das kam wirklich unerwartet. Schließlich hätte er angenommen, dass sie alles tun würde, um ihn in ihrer Nähe zu behalten, wenn er schon einmal da war. Sein Ego bekam einen gewaltigen Dämpfer. Da war er schon mal aus freien Stücken bei ihr und sie schickte ihn einfach weg. Er musste zugeben, dass sich diese Erkenntnis alles andere als gut anfühlte. Aber vermutlich war das die Revanche für sein Abblocken vom Tag zuvor, als er sie erst heiß gemacht und dann eiskalt hat abblitzen lassen. Wahrscheinlich hatte er diese Behandlung verdient.   Ohne ein Wort stand er auf und ging Richtung Tür. Er streckte die Hand aus und fand zielsicher die Türklinke. Während dieser paar Schritte und dem Öffnen der Tür wartete er darauf, dass sie noch irgendetwas sagte. Aber Sakura blieb stumm. Nachdem er die Tür hinter sich schloss lehnte er sich mit dem Rücken dagegen und legte den Kopf in den Nacken.   Er konnte sich nicht helfen und noch weniger verstehen wieso, aber irgendwie war er enttäuscht. Kapitel 12: Kapitel 12 ---------------------- Die nächsten vierundzwanzig Stunden verstrichen quälend langsam. Einfach nur im Bett zu liegen und sich auszuruhen war gegen seine Natur. Schon viel zu lange vernachlässigte er sein Training. Sobald er wieder fit war würde er einiges nachholen müssen. Sein Körper hatte in den vergangenen Tagen viel zu stark abgebaut. Doch nun war es endlich soweit und das Warten hatte ein Ende. Sasuke saß an der Kante seines Bettes und Sakura, die den Stuhl vor ihm platziert hatte, saß ihm direkt gegenüber und öffnete gerade den Knoten seines Verbandes. Die anderen Mitglieder seines Teams schliefen, frühstückten oder taten was auch immer. Sie wussten, dass sie ihn jetzt nicht stören sollten, auch wenn sie selbst neugierig auf das Ergebnis der Transplantation warteten.   Sakura wickelte die Lagen des Verbandes Schicht für Schicht ab. Ihr Gesicht war das letzte, das er vor der Operation gesehen hatte, und es sollte nun wieder das erste sein, das er mit seinen neuen Augen erblickte. Als er sie öffnete befand sie sich direkt vor ihm, mit einem warmen Lächeln im Gesicht. Mehrere Male blinzelte er und versuchte sich nach der tagelangen Dunkelheit erst einmal wieder an das Licht zu gewöhnen. Auch wenn sich im Raum nur Fackeln und Kerzen befanden schien ihr Leuchten für ihn ungewöhnlich hell.   Sasuke studierte ihr Gesicht, als sähe er es zum ersten Mal. Seine Sicht war gestochen scharf und ihm entging nicht das kleinste Detail, wie ihre vollen Wimpern oder die kleinen Grübchen, die sich durch ihr Lächeln auf ihren Wangen bildeten. Ihr Gesicht war wirklich schön. Ihre grasgrünen Augen leuchteten geradezu und sahen ihn unvermittelt an. Das rosa Haar fiel ihr leicht in die Stirn und die längeren Strähnen umrahmten ihr schmales Gesicht. Es war blass, aber nicht so, dass es ungesund wirkte. Ihre Haut war makellos, die Lippen voll und beinahe in dem gleichen Farbton, wie ihr Haar, nur einige Nuancen dunkler.   Seit ihrer Begegnung im Büro der Hokage hatte er sie nur verschwommen gesehen, stets nur schleierhafte und verwaschene Farben. Natürlich wusste er, wie Sakura aussah. Früher hatten sie sehr viel Zeit miteinander verbracht und er kannte sie nicht nur äußerlich, sondern auch ihren Charakter. Nachdem er sie vor einigen Monaten mit den anderen Konoha-Nins getroffen hatte waren ihm selbstverständlich nicht die Veränderungen entgangen, die sich bei ihr in den letzten zweieinhalb Jahren entwickelt hatten. Sie jetzt so klar und deutlich vor sich zu sehen war dennoch anders. Vollkommen unbeschreiblich. Er konnte einfach nicht aufhören sie anzusehen.   „Aber du kannst immer noch nicht die Wahrheit sehen …“   Was genau bedeuteten Itachis Worte?   Sakura lächelte immer noch, als sie eine silberne Diagnostikleuchte aus ihrer Westentasche hervorholte und sie mit einem Klicken einschaltete. Sie leuchtete ihm damit erst in das linke, dann in das rechte Auge, um die Reaktion seiner Pupillen zu beobachten. Zufrieden schaltete sie sie wieder aus und steckte sie zurück in ihre Tasche. Als nächstes hielt sie ihm einen Zeigefinger nahe vors Gesicht. „Schau auf meinen Finger“, instruierte sie leise und bewegte die Hand nach links und rechts, worauf er ihr mit den Augen folgte und sich dabei ein wenig blöd vorkam.   Daraufhin schaute er wieder zu ihr und sah, wie sie zufrieden nickte. Sakura beugte sich leicht vor und legte beide Handflächen an seine Schläfen. „Warte bitte noch einen Moment. Ich will noch etwas überprüfen.“ Er beobachtete ihren konzentrierten Blick, während sie mithilfe ihres Chakras seine Augen und Nerven untersuchte. „Hast du irgendwelche Schmerzen?“, fragte sie, weiterhin auf ihre Untersuchung konzentriert.   Es war das erste mal, dass er etwas sagte, seitdem sie sein Zimmer betreten hatte. „Nein.“   Wieder nickte sie und er konnte nicht anders, als sie die ganze Zeit über anzustarren. Ihr Anblick überwältigte ihn. Nachdem er am Tag zuvor ihr Zimmer verlassen hatte, hatte er sich verboten weiter über sie nachzudenken, da ihn seine Grübeleien einfach nicht weiter brachten und sich immer wieder im Kreis drehten. Doch nun ging etwas in ihm vor, das er sich nicht erklären konnte und ihn beschäftigte wieder einmal die Frage, was er in ihrer Nähe, was er für sie empfand.   In den letzten Tagen war er wirklich blind gewesen.   Sasuke streckte seine Hand nach ihr aus und umfasste mit seinen Fingern sanft ihr Kinn. Überrascht sah sie ihn an, den Mund leicht geöffnet, die Hände immer noch an seinen Schläfen. Sie war so unglaublich schön. Mit dem Daumen strich er über ihre Unterlippe, den Blick vollkommen auf ihren Mund fixiert. Langsam beugte er sich vor und zog sie gleichzeitig näher zu sich heran. Als sich ihre Lippen dieses Mal trafen war es nicht wild und überstürzt, wie bei ihrem ersten Kuss, sondern vielmehr vorsichtig und zärtlich. Obwohl er sich kaum zurückhalten konnte und am liebsten sofort die Kontrolle abgeben würde, wollte er sich nicht aufdrängen und ihr Zeit geben, für den Fall, dass sie es nicht wollte. Nachdem sie ihn am Tag zuvor aus ihrem Zimmer gebeten und er ihr nach ihrem Geständnis eine Abfuhr erteilt hatte, wusste er nicht mehr, wie Sakura auf einen weiteren Annäherungsversuch reagieren würde. Der Uchiha war unsicher, eine Eigenschaft, die er zutiefst missbilligte. Doch die Unsicherheit verschwand mehr und mehr, als sie ohne zu zögern begann seinen Kuss zu erwidern.   Sakura legte ihre Hände in seinen Nacken und allmählich wurde aus dem zuerst schon fast scheuen Kuss eine leidenschaftliche Küsserei. Ihre Lippen trafen sich immer schneller, immer fester und er spürte, dass er sie mehr und mehr wollte. Nun da er in den Genuss ihrer Lippen kam wurde ihm klar, dass er das schon eine Weile lang gewollt, dass er sie gerade zu begehrt hatte. Als sich ihre Zungen trafen schaltete er seinen Verstand ab. Sie schmeckte einfach zu gut und bescherte ihm eine unbändige Lust, die sich in seinem gesamten Körper ausbreitete. Um nichts in der Welt würde er sich diesmal stoppen lassen.   Sasuke zog sie ungeduldig zu sich und sie setzte sich rittlings auf seinen Schoß, so wie schon zwei Tage zuvor. Diesmal hatte sie etwas zu viel Schwung, wodurch er mit ihr nach hinten kippte und auf dem weichen Bett landete. Kurzerhand umfasste er ihre Hüften und drehte sich mit ihr um, sodass er nun über ihr lag. Er beugte sich über sie und sah ihr tief in die Augen, suchte nach etwas in ihrem Blick, das ihm sagte, was sie in diesem Moment dachte. Alles, was er in ihren grünen Augen sehen konnte, war das gleiche Verlangen, das auch er in sich spürte. Ein leichter Rotschimmer legte sich auf ihre Wangen, was sie mehr als verführerisch aussehen ließ. Er legte sich zwischen ihre Beine, umfasste ihr linkes Bein und winkelte es an, sodass es sich automatisch um seine Hüfte schlang. Er beobachtete weiterhin ihre Reaktion und sah, wie sie sich erregt auf die Unterlippe biss. In ihrem Blick lagen Lust und Erwartung.   Er gab die Kontrolle ab. Seine Finger fanden den Reißverschluss ihrer roten Weste und er zog ihn langsam herunter. Er streifte den lästigen Stoff zur Seite und schob ihr gelbes Shirt hoch, lehnte sich vor und begann ihren freigelegten Bauch zu küssen. Ihr Körper fühlte sich gut an, unter ihm. Auch wenn er sie nicht zum ersten Mal spürte fühlte es sich anders an, besser an. Er öffnete die Augen, diesmal wollte er sie unbedingt sehen. Langsam schob er das Shirt höher und entblößte ihre Brüste, dessen Anblick ihn noch härter werden ließ. Seine Hand wanderte über ihren Bauch, weiter nach oben und begann ihre Brust zu streicheln. Ihr Keuchen war Musik in seinen Ohren. Er wollte mehr davon hören. Wenn das so weiter ging konnte er sich nicht mehr länger zurückhalten. Aber es sollte nicht so schnell vorbei sein, weshalb er sich Zeit ließ, um alles genießen zu können. Ihr Körper wölbte sich leicht, als er ihre Brust küsste und seine Hand den Weg unter ihren Rock zwischen ihre Beine fand. Und als seine Finger unter den Stoff ihrer Unterwäsche wanderten wurde aus ihrem Keuchen ein tiefes Stöhnen. Dieser Klang brachte ihn beinahe um den Verstand. Er wollte sie so sehr, dass es schon beinahe weh tat. Die Erregung in seiner Hose verlangte nach Befriedigung.   Es würde das einzige Mal sein, weshalb er versuchte sich jedes kleinste Detail davon genauestens einzuprägen: ihr lustverschleierter Blick, wie sie durch halbgeschlossene Lider zu ihm aufsah, den Laut, den sie machte, als er in sie eindrang, ihre Arme, die sich um seine Hüften krallten, während er sich in einem rhythmischen Takt vor und zurück bewegte, ihre Hände, die ihn an seinem Nacken zu einem sehnsüchtigen Kuss zu sich herunterzogen, ihre blasse verschwitzte Haut, ihre geröteten Wangen, ihre sinnlichen Lippen, ihr weicher, zerbrechlicher Körper, ihr Stöhnen, ihre Augen, ihr Mund, ihr Geschmack, ihr Name …   Als es schließlich vorbei war lag er noch eine Weile auf ihr. Sein hektischer Atem und sein wild schlagendes Herz mussten sich erst einmal beruhigen und sein Verstand sich wieder einschalten. Sein Kopf ruhte neben ihrem im Kissen, seine Lippen an ihrer Halsbeuge, die hin und wieder einen Kuss auf ihre Haut hauchten, während ihre Finger in seinem leicht verschwitzten Haar seinen Nacken kraulten.   Für ihn könnte genau in diesem Moment die Zeit stehen bleiben. Die Nachwehen seines Höhepunkt setzten Ruhe und Befriedigung in seinem Körper frei, die ihn träge und entspannt werden ließen. Noch dazu genoss er einfach diesen engen Kontakt zwischen ihren Körpern und ein Gefühl der Vertrautheit breitete sich aus.   Sasuke hob den Kopf, um sie ansehen zu können. Sie begegnete seinem Blick mit einem glücklichen Lächeln. Ihr gesamtes Gesicht strahlte, was sie noch schöner aussehen ließ. Dieser Anblick bewegte ihn und er verspürte ein angenehm warmes Gefühl in seiner Brust. Er beugte sich hinab, streifte ihre Nase mit seiner, schloss die Augen und hauchte ihr einen kurzen Kuss auf die Lippen.   Dann rollte er sich von ihr runter und stieg aus dem Bett, auf der Suche nach seiner Kleidung. Er bückte sich, um seine Shorts aufzuheben und schlüpfte hinein, während er einen Blick zu der Schönheit in seinem Bett warf, nur um zu sehen, wie sie, die Bettdecke bis zum Kinn hochgezogen, ihn ungeniert, aber grinsend musterte. Ihr schien zu gefallen, was sie sah. Sasuke bückte sich, um ihr Shirt aufzuheben und warf es ihr dann mit einem gezielten Wurf mitten ins Gesicht, was sie mit einem erschrockenen „Uff!“ quittierte.   Seine Mundwinkel verzogen sich zu einem kleinen Lächeln.   Sakura zog sich gerade ihr Shirt über, als er beim Anziehen plötzlich erstarrte. Er spürte eine Präsenz auf dem Flur und es gelang ihm gerade noch sich seine Trainingshose hochzuziehen, als die Tür aufgerissen wurde und Karin hereinstürmte.   Sie hielt etwas in ihren Händen, trat strahlend ins Zimmer, erstarrte aber sofort, als ihr Blick auf Sakura fiel. Man konnte regelrecht sehen, wie auf ihrem Gesicht die Emotionen wechselten. Zuerst war es Verblüffung, dann Schock, gefolgt von Wut. Ihre Augen huschten zwischen Sasuke (verschwitzt und oberkörperfrei) und Sakura (erschöpft in seinem zerwühlten Bett) hin und her und ihr schien bereits beim ersten Anblick klar geworden zu sein, was hier gerade passiert war.   Sasuke stand für einen Moment wie zur Salzsäule erstarrt und überlegte, wie er reagieren sollte. „Kannst du nicht anklopfen?“, fragte er vorwurfsvoll das erste, das ihm einfiel. Sakura starrte sie nur erschrocken an, die Bettdecke bis zum Kinn hochgezogen, um ihre untere nackte Körperhälfte zu verstecken. Ihre Haare waren ganz zerzaust und Sasuke hätte diesen Anblick süß gefunden, wenn Karin diesen schönen Moment nicht zerstört hätte.   Diese wiederum blickte nun zum Uchiha und zeigte mit einem Finger anklagend auf ihn. „Du!“, zischte sie wütend und die Zornesröte breitete sich auf ihrem Gesicht aus. „Was zur Hölle?“ Sie stieß einen entgeisterten und frustrierten Laut aus. „Und ich habe extra für dich Tomaten gekauft, du, du … du ARSCHLOCH!“ Sie griff in die Schale und warf dann mit etwas nach Sasuke, das er gekonnt auffing, bevor es auch nur in die Nähe seines Gesichts kommen konnte. Mit gerunzelter Stirn betrachtete er die kleine rote Frucht in seiner Hand.   Sakura lief währenddessen vor Scham rot an. Karin warf wütend die Schale zu Boden, die daraufhin scheppernd zerbrach. Die Tomaten rollten über den steinernen Fußboden.   „Raus“, forderte Sasuke kalt, doch Karin schien ihn nicht zu hören. Sie machte einen großen Schritt auf Sakura zu und ballte die Hände zu Fäusten. Man könnte glauben, dass Karin jeden Moment vor Wut platzte. Sakura, die sonst nie eine Konfrontation scheute, war entweder zu peinlich berührt oder zu geschockt, um zu reagieren, und sah sie nur mit großen Augen an, während sie weiterhin die Bettdecke umklammerte. Sasuke versuchte es erneut. „Karin, ich sagte–“   „Du Miststück!“, zischte sie mit einem Todesblick in den roten Augen. „Was fällt dir eigentlich ein? Mach dich gefälligst nicht an Sasuke ran!“   „Karin!“   Daraufhin drehte sich die Rothaarige zu ihm. „Du hast versprochen, dass sie verschwindet, wenn du wieder sehen kannst, also schick sie endlich weg!“   Sasuke ging auf sie zu und sah sie kalt an. „Gehst du freiwillig“, zischte er leise, „oder muss ich nachhelfen?“   „Pah!“ Karin stemmte die Hände in die Hüften, so aufgebracht, dass nicht einmal der eiskalte Blick des Uchihas sie einschüchterte. „Na los, sie soll zurück nach Konoha!“, rief sie, drehte sich dann aber um und fokussierte wieder Sakura. „Ach ich vergaß, das geht ja nicht! Konoha wurde ja zerstört! Wie konnte ich das nur vergessen?“, fragte sie und warf dabei die Hände theatralisch und mit gespielter Empörung in die Luft. Sakuras Augen weiteten sich bei dieser Aussage noch mehr. Sasuke packte Karin am Arm und schob sie unsanft in Richtung Tür.   „Es reicht!“   „Oh, hat er es dir nicht erzählt?“, rief Karin noch gespielt geschockt über ihre Schulter in Sakuras Richtung, während sie versuchte sich aus seinem festen Griff zu befreien, was ihr allerdings nicht gelang. „Dein schönes Zuhause ist nur noch ein Trümmerhaufen! Na, wie findest du das?!“   Sasuke warf sie geradezu hinaus und sah sie wütend an. Zwischen zusammengepressten Zähnen zischte er: „Darüber reden wir später noch. Und jetzt verschwinde endlich.“ Dann schlug er ihr die Tür vor der Nase zu. Ihr wütendes Gezeter konnte man noch lange im Flur nachhallen hören und er schloss die Tür lieber zur Sicherheit ab, für den Fall, dass sie doch noch mal zurückkehren sollte.   Sasuke konnte das Seufzen, das seinen Mund verließ, nicht aufhalten. Hätte er doch nur schon eher daran gedacht abzuschließen. Aber das, was hier eben noch geschehen war, war schließlich nicht geplant gewesen.   „Stimmt das?“, hörte er Sakura hinter sich unsicher fragen. Langsam drehte er sich um und sah ihr geschocktes und verängstigtes Gesicht. Ihre Stimme zitterte leicht. „Sie lügt doch, oder?“   Eine Weile stand er nur da und sah sie an. Verdammt, er hatte gehofft, dass sie es nicht erfahren würde, zumindest nicht von ihm.   Mehrere Sekunden verstrichen, bis sie ungeduldig forderte: „Sag doch endlich was!“   Sein Gesicht wurde wieder reglos. Gut, sie wollte die Wahrheit wissen und er würde sie ihr nicht länger vorenthalten. „Es stimmt. Konoha wurde angegriffen“, bestätigte er und ihre Augen wurden noch größer.   „Angegriffen?“, wisperte sie. „Von wem?“   Dabei musste es ihr doch klar sein. Wer war schon in der Lage ein komplettes Dorf dem Erdboden gleichzumachen? Sasuke ging auf das Bett zu und setzte sich an das andere Ende, sah ihr fest in die Augen. Sie sah ihn immer noch geschockt an. „Von Akatsuki.“   „Aber wann … Wann ist das geschehen?“   „Anscheinend kurz nachdem wir dich aus dem Dorf geholt haben. Suigetsu und Karin haben es erfahren, als sie auf der Suche nach Itachis Leiche waren.“   Ihre Augen starrten nun an die gegenüberliegende Wand. Sie wirkte völlig aufgelöst und er konnte genau sehen, wie sie versuchte nicht die Beherrschung zu verlieren. Doch dann schaute sie ihn anklagend an. „Das heißt, du wusstest es schon so lange?“   Er nickte ohne Reue. „Ja.“   Eine Weile sahen sie sich nur an. In ihren Augen sammelten sich Tränen. „Meine Eltern“, wimmerte sie und sie begann zu schluchzen. „Was ist mit ihnen? Was ist … Was ist mit N-Naruto? U-und den anderen?“   Sasuke wandte den Blick ab, da er ihre Tränen nicht ertragen konnte. „Suigetsu meinte, dass niemand zu Schaden gekommen ist“, versuchte er sie zu beruhigen. „Es haben wohl alle Dorfbewohner überlebt. Obwohl Konoha zerstört wurde gab es keine Opfer und der Anführer von Akatsuki konnte besiegt werden.“ Sasuke erinnerte sich an den Bericht seiner Teamkameraden und an seinen Unglauben bezüglich der Information, dass Naruto derjenige sein sollte, der diesen Sieg erzielt hatte.   In den letzten Tagen war es ihnen gelungen an mehr Informationen zu gelangen. Während Jūgo in den umliegenden Dörfern unterwegs war, um diverse Besorgungen zu erledigen, hatte er sich aufmerksam umgehört. Der Angriff auf Konoha war in aller Munde. Von überall schickte das Feuerreich alle verfügbaren Handwerker zu Verstärkung, um das Dorf neu aufzubauen. Und sie alle waren sich einig in ihren Erzählungen. Jeder kannte nun den Namen Naruto Uzumaki, den Helden, der Pain besiegt hatte.   Sakura verbarg das Gesicht in ihren Händen, während sie unter Schluchzern fragte: „Wieso hast du mir nichts davon erzählt?“   Er antwortete nicht. Zu hören wie sie weinte war eine Qual. Es tat ihm unheimlich weh. Sie weinte sehr lange und es schien, als würde sie niemals aufhören. Vielleicht kannte sie jetzt etwas von seinem Schmerz. Er hatte auch alles verloren, was er einst geliebt hatte, nur gab es bei ihr noch Hoffnung. Ein wenig konnte er nachempfinden, wie sie sich fühlte. Da er dem Drang nicht länger widerstehen konnte, rutschte er auf dem Bett zu ihr und legte behutsam seine Arme um sie. Sofort krallte sie sich schluchzend an ihm fest. Tröstend strich er ihr über den Rücken und den Hinterkopf, solange, bis sie sich wieder beruhigt hatte.   „Ich will nach Hause“, murmelte sie irgendwann leise. „Ich will zu ihnen.“ Ihre Stimme klang völlig verzweifelt.   Sasuke drückte sie noch ein wenig fester an sich.   Ja, es wurde langsam Zeit. Kapitel 13: Kapitel 13 ---------------------- Das laute Klirren der aufeinandertreffenden Waffen sorgte dafür, dass augenblicklich alle Vögel im näheren Umkreis aufschreckten und panisch davonflogen. Die kleine Lichtung bot sich für ihr spontanes Training geradezu an. Die nächsten Siedlungen sowie die dazugehörigen Bewohner befanden sich meilenweit weg, weshalb sie sich nicht zurückhalten mussten, woraufhin die Umgebung schnell unter den Spuren ihres Kampfes litt.   Endlich, endlich konnte er wieder vernünftig kämpfen! Die letzten Tage und Wochen hatte er sich nicht mehr wie er selbst gefühlt. Die neuen Augen waren wirklich seine Rettung gewesen. Sasuke konnte so klar sehen wie noch nie zuvor und verspürte eine enorme Macht in sich. Mit aktiviertem Sharingan testete er seine Grenzen aus. Sein Körper war in letzter Zeit nicht genügend beansprucht worden und er wollte sich nun selbst beweisen, dass noch etwas seiner alten Stärke und Präzision übrig geblieben waren. Nachdem ihm am heutigen Morgen der Verband abgenommen worden war, hatte er nicht lange gezögert, sich seine Trainingskleidung übergezogen und sein Kusanagi geschnappt, nicht nur um zu trainieren, sondern auch um nach der Sache mit Sakura wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Da Suigetsu der erste gewesen war, der ihm über den Weg lief, hatte er ihn als Freiwilligen ausgewählt, was sich der Weißhaarige mit einem schiefen Grinsen gerne gefallen ließ.   Suigetsu hob sein Kubikiri Bōchō an und ließ es mit voller Wucht auf Sasuke herabsausen, der den Hieb mit seinem Kusanagi parierte. Dass sein Chokutō der Wucht des riesigen Enthauptungsmessers standhielt war erstaunlich, da es im Gegensatz zu dem Kubikiri Bōchō im Nachteil zu sein schien, was jedoch nur aufgrund des mächtigen Größenunterschieds auf den ersten Blick so erscheinen mochte. Kusanagi war hart wie Stahl und hielt beinahe jeder Waffe, jedem Gegner und jedem Angriff stand – selbst dem berüchtigten Schwert, das einst Zabuza Momochi gehört hatte.   Sasuke duckte sich unter dem nächsten Hieb, ging in die Knie und vollführte mit einem ausgestrecktem Bein eine halbe Drehung, um Suigetsu die Beine wegzutreten, doch der sprang ausweichend in die Höhe und wich mit einem Rückwärtssalto zurück. Blitzschnell folgte Sasuke ihm und griff mit seinem Chokutō an, schlug zu, doch Suigetsu wehrte ab. Er hob das Knie, um Sasuke damit im Magen zu treffen, aber dieser wehrte das Knie mit seiner linken Hand ab. Blitze zuckten um seine Finger, woraufhin sich Suigetsu schnell zurückzog. Er brachte mehrere schützende Meter zwischen sie und zückte das Schwert gerade zur Abwehr, als sein Gegner erneut angriff. Doch dieses Mal traf Kusanagi. Sasukes rechter Arm vollzog einen präzisen Halbkreis und die Klinge durchschnitt Suigetsu einmal komplett auf Bauchnabelhöhe. Die Klinge drang lediglich durch Wasser und Suigetsu grinste arrogant, da er nicht den kleinsten Schmerz verspürte.   Suigetsu hob Kubikiri Bōchō während Sasuke mit Kusanagi ausholte und die beiden legendären Schwerter trafen erneut mit einem lauten Klirren aufeinander.   Ihre Gesichter waren nur wenige Zentimeter von einander entfernt. Violette Augen blickten in rote. Die Tomoe des Sharingan fingen an zu rotieren und bildeten die erweiterte Form seines Kekkei Genkais. Während die beiden Shinobi weiterhin versuchten mit enormer Kraft den Gegner zurückzudrängen, ähnlich wie bei einem Armdrücken, bei denen beide gleich stark zu sein schienen, musterte Suigetsu das Mangekyō Sharingan.   „Hm, es sieht anders aus“, bemerkte er, als würden sie sich zufällig auf der Straße begegnen und lediglich höfliche Floskeln austauschen, statt sich einen erbitterten Schwertkampf zu liefern.   Sasuke verzog keine Miene. Sein Gesicht war teilnahmslos wie eh und je. „Wie, anders?“   „Naja, anders halt.“   „Beschreib es.“   „Kann ich nicht! Guck in ‘nen beschissenen Spiegel, verdammt!“ Mit diesen Worten vergrößerte Suigetsu seinen linken Arm auf die dreifache Größe und schlug zu. Sasukes Augen sahen den Angriff wie in Zeitlupe auf sich zukommen, wodurch er sofort ausweichen konnte. Er sprang einige Meter zurück, formte mehrere Fingerzeichen und holte tief Luft. Seine Finger formten an seinem Mund ein angedeutetes Blasrohr, wodurch er eine riesige Feuerflamme blies, die auf Suigetsu rasend schnell zueilte. Der riss panisch die Augen auf. Dagegen konnte sein Schwert nichts ausrichten, weshalb ihm nichts anderes übrig blieb, als in Deckung zu gehen. Der riesige Feuerball landete in den umstehenden Bäumen und setzte sie daraufhin in Brand.   Suigetsu rappelte sich gerade vom Boden auf, als er den Uchiha geradezu aus dem Himmel auf sich herabstürzen sah. Er zog sein Schwert und ein weiterer Schlagabtausch folgte. Sasuke traf ihn mehrmals, traf das Bein, den Arm oder auch mal den Kopf, doch bei dem Wassermenschen hinterließ das keine Verletzung. Völlig in den Kampf vertieft kam Sasuke zu dem Schluss, dass er mit dem Sharingan durchaus zufrieden sein konnte. Endlich fühlte er sich wieder ganz.   Sein Gōkakyū no Jutsu war nur zum Aufwärmen gewesen. Natürlich wusste Sasuke, dass bei den Chakranaturen Feuer Wasser unterlag. Es gab nur eine Möglichkeit gegen Suigetsu zu gewinnen und das waren weder Tai-Jutsu noch seine Feuernatur. Sasuke spannte seine linke Hand an und kurz darauf zuckten Blitze um seine Finger. Suigetsu riss für einen Moment panisch die Augen auf und Sasuke schmunzelte siegessicher. Nun griff er mit zwei Waffen an: Kusanagi in der Rechten, Chidori in der Linken. Zuerst gelang es Suigetsu beidem auszuweichen, doch ziemlich schnell konnte Sasuke ihn in die Enge drängen. Wieder schmetterten die Klingen gegeneinander. Der Weißhaarige erkannte ein Zögern des Uchihas und holte mit dem Enthauptungsmesser aus. Mit beiden Händen hielt er das Schwert über seinen Kopf, doch in dem Moment ging ein Ruck durch seine Brust. Entgeistert starrte er auf die Hand herab, die von Blitzen umgeben aus seinem Körper ragte. Der Shinobi vor ihm verpuffte und hinterließ einen Baumklotz, der stumpf zu Boden fiel. Das Jutsu des Tausches! Sasuke stand direkt hinter ihm und hatte den Kampf nun gewonnen.   Suigetsu durchzuckten die Blitze und setzten ihn außer Gefecht. Zitternd und zuckend fiel er zu Boden, wo er auch erst einmal regungslos liegen blieb.   „Autsch“, murmelte er anklagend. „Das tat weh.“   Zufrieden starrte Sasuke auf seinen Teamkameraden herab. Für ihn war dieser Kampf jedoch viel zu schnell vorbei gegangen. Er war noch lange nicht soweit sich wieder ins Versteck zurückzuziehen, weshalb er beschloss alleine weiter zu trainieren.   Und so trainierte er weiter, bis Suigetsu sich längst zurückgezogen hatte und die Stunden vergingen. Er testete die Grenzen seiner neuen Augen. Das Wissen, dass dieses mächtige Dōjutsu ihm nun nicht mehr genommen werden konnte ließ ihn sich unbesiegbar fühlen.   „Amaterasu!“   Der Baum vor ihm ging in Flammen auf. Das schwarze Feuer züngelte über Rinde, Äste und Blätter und vernichtete dabei alles auf seinem Weg, bis es nichts mehr übrig ließ, als tote Asche.   Im Moment fühlte Sasuke sich gut. Sein Körper hatte die Transplantation bestens verkraftet und die neuen Sehorgane angenommen. Nachdem er nicht nur wieder sehen konnte, sondern auch wieder in der Lage war sein Bluterbe bedenkenlos anzuwenden, schien es, als würde die Last, die mit den Augen seines Bruders einherging, ein wenig schwinden. Letztendlich war Itachi doch für etwas gut gewesen, indem er ihn vor dem Erblinden bewahrte. Wer wusste schon, was diese mächtigen Augen eines Tages vollbringen würden? Nun würde er sich nicht mehr zurückhalten müssen und konnte Amaterasu, Enton und vor allem Susanoo beliebig einsetzen.   Sasuke konnte seinen nächsten Kampf kaum erwarten.   Nach einer gefühlten Ewigkeit kehrte er zurück in Orochimarus verlassenes Versteck. Nach seinem erschöpfenden Training stellte er sich als erstes unter die Dusche. Sein Körper war lange nicht mehr so gefordert worden und seine Muskeln mussten sich erst wieder daran gewöhnen. In den nächsten Tagen würde er viel trainieren müssen, um zu seiner alten Form zurückzufinden. Lange stand er mit geschlossenen Augen unter dem warmen Wasser, das aus der Brause auf ihn herabprasselte und ihm den Schweiß vom Körper wusch. Das Serotonin, das durch sein Training ausgeschüttet wurde, hinterließ bei ihm ein Gefühl innerer Zufriedenheit. Seltsam, wenn man bedachte, welches Gefühlschaos ihn in der letzten Zeit heimgesucht hatte. Jetzt empfand er lediglich eine angenehme Erschöpfung. Sasuke war glücklich damit, wenn sich seine Gefühle nur aufs Körperliche bezogen, damit konnte er wenigstens umgehen.   Nachdem er aus der Dusche trat und vor einem der Spiegel stand, die über den Waschbecken hingen, betrachtete er sich selbst in der leicht beschlagenen Glasscheibe. Schwarze Augen blickten ihm entgegen. Sie sahen aus wie immer, als wären es die gleichen, die er seit seiner Geburt vererbt bekommen hatte. Mit der gewohnten Emotionslosigkeit starrten sie ihn an. Dann aktivierte er erst sein Sharingan und anschließend die erweiterte Form, die sich, wie er nun feststellte, tatsächlich verändert hatte. In den beiden Hexagrammen, die übereinander zu liegen schienen, befand sich nun eine weitere Form, die einem Shuriken glich, lediglich mit drei Zacken, statt mit vieren. Diese Form ähnelte sehr dem Mangekyō Sharingan seines Bruders und er vermutete, dass diese neue Variante eine Mischung aus ihren beiden Augen darstellte. Sasuke deaktivierte sein Sharingan wieder. Vielleicht müsste er sich einfach damit abfinden, dass Itachi, auch noch nach seinem Tod, stets ein Teil von ihm sein würde. Allein wegen ihrer gemeinsamen Vergangenheit würde das vermutlich so sein, ob er wollte, oder nicht.   Sasuke blickte zur Seite. Nur einige Meter weiter entfernt befand sich dort, wo ein Waschbecken sein sollte, eine klaffende Lücke. Die Überreste des zerstörten Beckens durch Jūgos Angriff waren beseitigt, aber der entstandene Schaden noch nicht erneuert worden. Es würde sich auch nicht mehr lohnen, da sie schon bald weiterziehen würden. Jūgo ließ sich nichts anmerken, schien aber diesbezüglich sichtlich erleichtert zu sein. Sakura hatte das Rezept für den Trank für einen traumlosen Schlaf aufgeschrieben und Jūgo hatte versprochen, bei der nächsten Gelegenheit die entsprechenden Zutaten zu besorgen und dieses Wundermittel für Sasuke herzustellen.   Der Uchiha zog sich frische Kleidung mit dem aufgestickten Uchiha-Emblem über und verließ das Gemeinschaftsbad, um sich auf den Weg zu machen. Eigentlich hatte er noch vorgehabt an diesem Tag mit Karin zu reden, doch letztendlich hatte er nicht mehr den Nerv dazu gehabt. Die wenigen Male, in denen sie sich seit ihrer Auseinandersetzung über den Weg gelaufen waren, hatte sie ihn ignoriert und weder mit ihm gesprochen, geschweige denn ihn überhaupt angesehen, was ihm im Moment ziemlich egal war. Sie hatte sich in seine Angelegenheiten schließlich nicht einzumischen. Später würde er allerdings noch ein ernstes Wörtchen mit ihr reden, um sie daran zu erinnern, wer hier das Sagen hatte. Ihren Willen würde sie dennoch bald bekommen.   Sasuke ließ sich Zeit. Er hatte keine Eile. Mit den Händen in den Hosentaschen vergraben ging er den schier endlos langen Flur entlang. Eine tiefe Ruhe erfüllte ihn. Die bekannte Emotionslosigkeit beherrschte ihn.   Schon von weitem konnte er das Tablett vor ihrer Tür stehen sehen. Als er sich dem näherte erkannte er, dass das Essen darauf unangerührt war. Sakura war weder beim Mittag- noch beim Abendessen erschienen, weshalb ihr jemand, seiner Vermutung nach Jūgo, einige Überbleibsel vors Zimmer gestellt hatte. Sasuke betrachtete die Teller mit dem inzwischen erkalteten Essen. Seitdem Sakura von dem Angriff auf Konoha erfahren hatte, hatte sie sich zurückgezogen. Ewig war er noch bei ihr geblieben, bis alle Tränen getrocknet und er schließlich gegangen war und angefangen hatte zu trainieren, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Inzwischen befand sie sich in ihrem eigenen Zimmer.   Zuerst war es nur eines von vielen gewesen, doch nun war es ihr Zimmer. Und Sasuke hatte dort drin sogar eine Nacht mit ihr verbracht. Obwohl es weniger als achtundvierzig Stunden zurücklag kam es ihm vor, wie eine Ewigkeit. Sasuke hob eine Hand, um anzuklopfen, verharrte allerdings in der Bewegung. Seine Finger hingen unsicher in der Luft, als wüssten sie nicht, wie diese simple Bewegung auszuführen war.   Dann griff er nach der Klinke und trat einfach ins Zimmer. Sakura lag bäuchlings auf dem Bett, das Gesicht im Kissen vergraben, das sie mit beiden Armen umschlungen hielt. Er schloss die Tür hinter sich, woraufhin sie aufblickte. Sie sagte nichts, sondern schaute ihn einfach nur an. Sie wirkte müde und erschöpft und in ihren Augen lag eine unendliche Traurigkeit. Eine Weile sahen sie sich einfach nur an, bis er einige Schritte auf sie zu trat und sich schließlich zu ihr aufs Bett setzte.   Bei ihrer letzten Begegnung war viel, sehr viel geschehen. Und Sasuke fragte sich manchmal, ob all diese Sachen der Realität entsprachen oder ob er sie sich nicht vielleicht einfach nur einbildete, so unwirklich, wie sie ihm erschienen. Was er getan hatte schien einfach nicht zu ihm passen zu wollen. Als wäre das nicht er gewesen, sondern jemand anderes, jemand der in der Lage war zu fühlen, zu empfinden und zu geben. Er konnte nicht glauben, dass er selbst dazu in der Lage war.   Sakura setzte sich nun ebenfalls auf und schaute ihn an. Ihre Augen waren immer noch gerötet und er erkannte einige geplatzte Äderchen auf der zarten Haut unter ihren Augen. Die Kunoichi mit dem starken Faustschlag wirkte nun äußerst schwach und zerbrechlich. Er wusste, dass es Zeit für sie war, nach Hause zurückzukehren. Selbst wenn sie dort Zerstörung erwartete, war es mehr, als das, was sie hier bei ihm bekommen würde. In Konoha warteten ihre Familie, ihre Freunde, ihre Heimat, ihre Zukunft. Ihr Aufenthalt hier war von Anfang an temporär. Ihre Wege würden sich nun wieder trennen.   Eine Weile herrschte Stille. Sie war nicht unangenehm, wie er feststellte. Er wägte seine folgenden Worte gründlich ab. Bevor er etwas sagen konnte, stellte sie ihm eine Frage.   „Hast du dich schon an deine neuen Augen gewöhnt?“   Ja und nein. Sakura hatte die Zweifel, die ihn plagten, nie erfahren, ebenso wenig wie den Inhalt seiner Alpträume. Vielleicht hatte sie Vermutungen, aber das konnte er nicht wissen.   „Mit Sicherheit werde ich das eines Tages.“   „Und dein Sharingan?“   Schwarze Augen verwandelten sich in rote, als er sein Bluterbe aktivierte. Daraufhin beugte sie sich ein wenig vor, um seine Augen näher betrachten zu können.   Ein leichtes Lächeln umspielte ihre Mundwinkel. „Sieht gut aus.“   Er deaktivierte sein Sharingan.   „Es freut mich, dass ich helfen konnte“, fügte sie hinzu. „Ich bin froh, dass es dir wieder besser geht. Du solltest aber in Zukunft mehr auf dich aufpassen. Hörst du?“ Sie grinste neckisch, aber es erreichte ihre Augen nicht. Anschließend starrte sie auf ihre Finger, die sie in ihrem Schoß nervös knetete.   Sasuke beobachtete sie und fragte sich, wie sie sich ihm gegenüber verhalten würde, wenn sie nicht von Konoha erfahren hätte, wenn Karin nicht ins Zimmer gestürzt wäre. Ein Teil in ihm hätte es gerne erfahren.   Sie sah kurz zu ihm auf und ein dezenter Rotschimmer breitete sich auf ihren Wangen aus. „Ich…“ Ihre Finger schienen auf einmal äußerst interessant. „Ich würde gern …“ Erneut sah sie zu ihm hoch und schaute gleich wieder weg. Frustriert seufzte sie, offenbar fehlte ihr der Mut für die folgenden Worte. Sasuke sah sie ruhig an und wartete. Auch wenn er schon ahnte, was sie nun sagen wollte.   Sie griff nach seiner Hand und hielt sie mit ihren beiden fest, als versuchte sie durch diese Geste auszudrücken, was ihr auf dem Herzen lag. „Kannst du nicht mitkommen?“ Beinahe hätte er sie nicht verstanden, so leise, wie sie gesprochen hatte. Der Rotschimmer wurde noch stärker. „Du bedeutest mir so viel und ich kann mir nicht vorstellen wieder von dir getrennt zu sein.“   Es war wie ein Déjà-vu, als wäre er wieder Dreizehn und in Konoha. Die Erinnerung an diese Nacht gehörte nicht gerade zu seinen schönsten. Vielleicht hatte er schon damals etwas für sie empfunden. Aber egal wie schmerzhaft es für beide gewesen sein mochte, er hatte diese Entscheidung, die er damals getroffen hatte, nie bereut.   Sie hob den Blick und ihre grünen Augen schienen sich in seine zu bohren. Voller Entschlossenheit sah sie ihn an, als würde sie ihn an die Wand nageln wollen. „Und du kannst nicht bestreiten, dass ich dir auch etwas bedeute.“ In ihren Augen lagen mehrere Emotionen: Sie waren einerseits anklagend, da sie wusste, dass der Uchiha sich bisher immer gesträubt hatte zu seinen Gefühlen zu stehen, aber in ihnen lag auch ein Hoffnungsschimmer.   Seine Finger erwiderten den Druck ihrer Hand. „Nein“, gestand er ehrlich. „Das kann ich nicht.“   Ja, bestreiten wäre nach allem, was geschehen war, nicht mehr glaubhaft, das sah selbst er ein. Sie waren sich so nahe gekommen, wie zwei Menschen sich nur nahe kommen konnten. Sasuke war noch nie ein Mann großer Worte gewesen, weshalb er höchstens durch Gesten zeigen konnte, was er empfand. Jahrelang war es ihm schon beinahe ins Blut übergegangen, sich selbst etwas vorzumachen, Gefühle zu unterdrücken, egal ob positiv oder negativ, weshalb er in den vergangenen Jahren zu dieser emotionslosen Hülle mutiert war. Aber so war es eben immer einfacher für ihn gewesen und er hatte sich im Laufe der Zeit damit arrangiert.   Ihre Augen weiteten sich leicht bei seiner Antwort und sie zog scharf die Luft ein. Sie öffnete bereits den Mund, um etwas zu sagen, doch er gab ihr keine Gelegenheit.   „Sakura.“   Sie stutzte. „Ja?   Seine Augen und sein Gesicht blieben weiterhin regungslos. „Danke.“   Fragend sah sie ihn an. „Wofür … bedankst du dich?“   „Alles.“   Und mit diesem Wort aktivierte er sein Sharingan. Ihr Blick war zuerst überrascht, doch dann veränderte er sich leicht, als seine Tomoe anfingen zu rotieren und sie sich in seinem Genjutsu befand. Sie umklammerte immer noch seine Hand, während seine Augen ihre fixierten und sie in eine Welt schickten, in der sie glücklich sein konnte. Er wusste, was sie sich von ihm wünschte, nur war er nicht dazu in der Lage, es ihr zu geben, weshalb er es ihr trotzdem nicht vorenthalten wollte, es zu erleben. Das war seine Art sich für ihre Hilfe zu bedanken. In seinem Genjutsu erlebten sie eine gemeinsame Zukunft, in der sie beide glücklich waren, glücklich miteinander. Die Jahre verstrichen und sie verbrachten ihre Zeit gemeinsam in Konoha, zusammen mit Naruto, Kakashi und den anderen, die sie von der Akademie kannten. So wie sie es sich immer gewünscht hatte. Ihr größter Traum erfüllte sich, als sie heirateten und er sie zu einer Uchiha machte, der Frau an seiner Seite. Sakura war nie glücklicher gewesen, bis zu dem Tag, an dem sie ihr erstes Kind bekamen. Die Jahre strichen ins Land und der Uchiha-Clan wurde voller Stolz neu aufgebaut, indem sie zwei Söhne und eine Tochter großzogen.   Sie bekam alles, was sie sich jemals gewünscht hatte und sie war glücklich. Glücklich mit ihm. Aber es war nicht die Realität.   Die Dekaden, die in seinem Genjutsu vergingen, waren in der Wirklichkeit höchstens Minuten. Schließlich sackte sie schlafend zusammen. Sasuke fing sie sanft auf und legte sie vorsichtig aufs Bett. Erneut überkam ihn das Gefühl eines Déjà-vu, das ihn an damals erinnerte, als er sie in Konoha auf die Bank am Dorfeingang gelegt hatte. Er erlaubte sich noch einen Moment sie zu betrachten, ehe er aufstand und das Zimmer verließ, um sich kurz darauf gemeinsam mit Team Hebi auf den Weg zu einem neuen Versteck zu machen. Er warf keinen Blick zurück, als er das Zimmer verließ.   Sobald Sakura wieder erwachte, würde sie einen verlassen Ort vorfinden und sich an nichts mehr erinnern können. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)