Nachhilfe von SuperCraig ================================================================================ Kapitel 27: ------------ Ich hatte Danny zur Therapie gebracht. Jetzt wo wir mehr oder weniger zusammen waren, hatte ich mehr Verantwortung für ihn. Dass Caleb nicht schnallte, dass Danny dringend Hilfe brauchte, das wollte ich nicht begreifen. Verließ er sich auf mich? Eher nicht. Hatte Nick ihn so um den Finger gewickelt, dass er für nichts anderes mehr Zeit aufbringen konnte? Auch nicht. Da musste etwas anderes sein. Vielleicht auch einfach jugendliche Unerfahrenheit? Caleb war nur drei oder vier Jahre jünger als ich und dementsprechend erwachsen genug, um zu begreifen, dass Danny mit fast 16 Jahren kaum reif genug für eine Beziehung war. Mit mir eventuell, aber das würde ein langer Weg werden. Es war nicht zu übersehen, dass Danny sich nur auf mich eingelassen hatte, weil er mich nicht verletzen wollte, sofern man das überhaupt als „Zusammen sein“ ansehen konnte. Das tat zwar weh, aber es erlaubte mir den Schmerz in meinem Herzen für ein paar Stunden zu vergessen. Die Kernfrage, die jedoch blieb, war eine andere: Wie würde ich mit Caleb umgehen? Gesetzt dem Fall, dass ich mit Danny tatsächlich eine langfristige Beziehung auf die Beine stellen konnte (was ich inständig hoffte), würde ich mit dem Bruder meines Freundes auch auskommen lernen müssen. Ich legte leise seufzend den Lappen weg. Die Küchenzeile war blitzblank und ich wischte noch immer wie ein Berserker. Hausarbeit oder Sport lenkten mich hervorragend von meinen Problemen ab, nur heute wollte das nicht so richtig klappen. Was sollte ich wirklich mit Caleb machen? Dannys Erzählungen nach war er der ideale große Bruder, Olivias Erzählungen nach wäre er ein interessanter Kandidat für einen Freund gewesen (ich betete inständig, dass sie nie zusammenfinden mochten) und laut Magnus war er… ich verdrängte den Gedanken kopfschüttelnd. Magnus´ Meinung war dementsprechend gefärbt und auch kaum objektiv. Noch weniger als die von Danny und Olivia. Magnus war, vorsichtig ausgedrückt, ungenießbar. Ich hatte ihn über David kennengelernt und meine Menschenkenntnis mich dabei nicht verlassen: Hinter dieser smarten und gutaussehenden Fassade verbarg sich ein kranker Psycho. Kein Wunder, dass es zwischen Caleb und ihm nicht funktionierte. Dannys Bruder wirkte auch nicht wie jemand, der auf irgendwelche kranken Spielchen beim Vögeln stand. Oder doch? Was wohl er und Nicky… Ich schüttelte erneut den Kopf. Meine Gedanken drifteten ab, und zwar an einen Punkt, den ich mir gar nicht vorstellen mochte. Mein Hauptaugenmerk sollte auf Danny liegen und niemandem sonst. Ich war sein Quasi-Freund und nicht der von Caleb. Ein Klingeln an der Tür riss mich aus meinen Gedanken. Es war Sonntagvormittag. Danny konnte es nicht sein, der saß gerade bei meinem Vater und mit meinen Freunden hatte ich mich auch nicht verabredet. Den Postboten schloss ich kategorisch aus. Mit einer Spur Neugierde ging ich zur Tür, wischte mir die Hände an meiner Jogginghose ab und öffnete sie. Kaum, dass das getan war, wurde ich schon grob an meinem T-Shirt gepackt und in die Wohnung zurückgeschoben. „Wo ist Danny?“, knurrte mich Caleb an. Seine Augen, die eine erstaunliche Ähnlichkeit zu denen von Danny besaßen, waren zu Schlitzen verengt. Von einem wildgewordenen Stier unterschieden ihn nur ein paar hundert Kilo, die Hörner und das Faktum, dass er auf zwei Beinen laufen konnte. „Er ist gerade bei der Therapie“, entgegnete ich bemüht ruhig und versuchte zu ignorieren, dass er mich in meiner eigenen Wohnung in einem schraubstockartigen Griff festhielt. „Therapie? Was?“, fuhr er mich an, ohne den Griff zu lockern. „Danny kommt sofort mit mir nach Hause.“ „Er ist aber nicht hier, wie du siehst. Zumal die Therapie wichtig ist. Dein Freund wird dir wohl erzählt haben, was im Club passiert ist, oder?“ Man konnte Caleb förmlich ansehen, wie es in seinem Kopf zu arbeiten begann. Rationalität kämpfte mit Wut und Aggression um die Vorherrschaft. Ich ging davon aus, dass Nick mit der Sprache hatte herausrücken müssen, nachdem er Danny abgeschossen hatte. Für den Hauch einer Sekunde hegte ich sogar die Hoffnung, dass die Rationalität siegen mochte, doch bereute ich diese Annahme just in dem Moment, als sich wieder der Zorn auf Calebs Zügen ausbreitete. Er holte mit der Faust aus und bevor ich reagieren konnte, spürte ich einen scharfen, brennenden Schmerz. Meine Zähne knallten aufeinander und mir flog der Kopf in den Nacken. Ich konnte meine Wohnzimmereinrichtung bestaunen, nur um dann nach vorne gerissen und grob durchgeschüttelt zu werden. „Er braucht, wenn schon, eine Therapie wegen dem kranken Mist, den du mit ihm gemacht hast“, schrie er mich an. „Danny ist weder schwul noch wird er es jemals sein, haben wir uns verstanden?“ Ich versuchte Calebs Worten zu folgen und dabei auszublenden, dass ich Blut im Mund schmeckte. Meine Zähne schmerzten höllisch, genauso wie mein Kinn. Das war ein schlechter Scherz, oder? Hatte er das tatsächlich gesagt? „Kümmere dich um deinen eigenen Kram und misch dich nicht in die Angelegenheiten anderer ein. Ich bin Dannys großer Bruder und passe auf ihn auf.“ „Sehr erfolgreich, wie mir scheint“, presste ich hervor. „Er war im Club alleine, du hast ihn mit seinen Problemen mit Nicky alleine gelassen und auch sonst mit Abwesenheit geglänzt.“ Calebs dunkelbraune Augen verfinsterten sich mit jedem meiner Worte. Die Finger, die mich festhielten, zitterten. Sein ganzer Körper bebte. Ein zweiter Faustschlag wäre in Ordnung gewesen, hätte er mir Dinge vorgeworfen wie, dass ich schuld an Dannys Problem war, ich ihn eingewickelt oder verführt hätte, oder einfach, weil er mich nicht leiden konnte, aber mir vorzuwerfen, ich würde seinen Bruder in die Homosexualität treiben, das ging mir eine Spur zu weit. Den ersten hatte ich vielleicht verdient, aber einen zweiten sicher nicht. „Du spinnst doch, Caleb. Danny hat schon vorher an Kerlen herumprobiert. Im Gegensatz zu denen, zwinge oder manipuliere ich ihn nicht dazu. Ich liebe Danny und ich würde dir jetzt raten mich loszulassen, sonst revanchiere ich mich.“ Den letzten Satz sagte ich bewusst nur leise. „Das… das… das geht dich alles nichts an!“, brüllte Caleb und ich konnte sehen, wie er erneut die Hand zur Faust ballte. Noch einmal würde ich mir das nicht gefallen lassen. Ich zog mein linkes Bein an und rammte Caleb das Knie in die Magengrube. Er ließ mich keuchend los und taumelte nach hinten. Die kleine Verschnaufpause nutzte ich, um mein lädiertes Kinn zu betasten. Es brannte wie Feuer und ich war mir auch ohne Spiegel sicher, dass es blau anlaufen würde. Vielen Dank einmal dazu, werter Schwager in spe. „Ich denke, damit sind wir quitt“, stellte ich fest und beobachtete Caleb dabei, wie er sich, noch immer die Bauchgegend haltend, ungefragt auf mein Sofa fallen ließ. Sein Gesicht war zwar noch wutverzerrt, aber er schien begriffen zu haben, dass ich durchaus in der Lage war mich zu wehren. „Wie ich sehe, hast du dich soweit beruhigt, dass wir normal miteinander reden können.“ Normal war ein wenig übertrieben, denn mir tat sogar das Sprechen weh, aber ich ignorierte den Schmerz einfach. Das hier war die Chance Caleb auf meine Seite zu ziehen. Wenn mir das gelang, dann hatten Danny und ich eine Zukunft. „Was hast du eigentlich gegen mich?“, wollte ich wissen und lehnte mich gegen meine Küchenzeile. „Ich habe dir überhaupt nichts getan.“ „Du bist genau diese Gattung von Mensch, die glaubt, sie sei etwas Besseres, nur weil sie reiche Eltern hat und studieren gehen kann.“ „Ein interessantes Vorurteil. Lassen wir es mal so stehen. Die Frage, die mich eher interessiert ist, was du dagegen hast, dass Danny mit einem Kerl zusammenkommen könnte. Du bist ja selbst mit Nicky zusammen?“ Calebs Blick verhärtete sich. Er starrte mich an als hätte ich ihm gerade vorgeworfen aussätzig zu sein. Das wollte mir nicht ganz in den Schädel gehen. Ich hatte hier doch keinen homophoben Schwulen vor mir, oder? Mein pochendes Kinn wollte mir da nicht so recht zustimmen. „Es geht dich nichts an, habe ich gesagt“, wich er meiner Frage aus, dieses Mal aber deutlich ruhiger. „Doch, das tut es. Ob es dir gefällt oder nicht, Danny scheint solche Neigungen, wenn man es so ausdrücken mag, zu haben. Die Alternativen wären aber in seinem Fall entweder dein Freund, was dir kaum recht sein kann, oder Magnus und, mit Verlaub, ich würde mich vorher vor einen Zug werfen, als Danny mit Magnus in Berührung kommen zu lassen.“ Dieser uralte Trick zog immer: Schuldgefühle. Caleb hatte sich, meines Wissens nach, noch immer nicht gänzlich von Magnus lösen können. Er fuhr zweigleisig und wusste auch ob der etwas fragwürdigen Neigungen, die Magnus im Bett hatte, ganz sicher. David hatte mir einmal gesteckt, dass der Sex zwischen Caleb und Magnus nicht funktionierte. Dass sich mein Freund wiederum von diesem Ekelpaket vögeln ließ, war mir zuwider, aber David alt genug, um einfach Nein sagen zu können. „Dazu wäre es nie gekommen. Ich hätte Danny nie in Magnus´ Nähe gelassen.“ „Das kannst du nicht garantieren. Selbst wenn, da ist immer noch Nicky. Danny ist so verliebt in ihn, dass er ihm auch jetzt noch nachtrauert.“ Ich stützte mich mit den Ellenbogen auf der Arbeitsfläche der Küchenzeile ab und verschränkte die Hände vor dem Bauch. „Caleb, Danny war oder ist so verliebt in Nicky, dass er sich von einer Dummheit in die nächste stürzt. Ich tue mein Menschenmöglichstes, um ihn einigermaßen zu beschützen.“ „Indem du ihn vögelst?“, spottete Caleb und schien sich allmählich von meinem Magen-Knie-Angriff zu erholen. „Er hat mich gevögelt, wenn du es ganz genau wissen willst, und ja, auch wenn ich nicht sonderlich stolz darauf bin, aber auch das war immer noch besser, als wenn er es mit Magnus versucht hätte oder gar einem Wildfremden. Für mich hat er ein gestörtes Verhältnis zur Sexualität. Er projiziert seinen wahnsinnigen Wunsch, Nicky nahe sein zu können, darauf, dass er gut im Bett sein muss. Danny ist noch nicht mal 16 und hat mehr Erfahrungen gesammelt als so mancher Kerl mit 20. Von der Beinahevergewaltigung einmal abgesehen. Das war übrigens der Verdienst deines Freundes.“ Diesen kleinen Seitenhieb hatte ich mir nicht verkneifen können. „Und wie stellst du dir das weiter vor? Dass ich zusehe, wie du meinen Bruder vögelst?“ Ich konnte schon wieder diesen latenten Anflug vom Wunsch, mir eine reinzuzimmern, aus seinen Zügen ablesen. Das passte ehrlich gesagt gar nicht zu dem Bild, welches mir Olivia von Caleb vermittelt hatte. Er sei ruhig, gut erzogen, etwas stoisch, aber kaum in der Lage aus sich herauszugehen, Gefühle zu zeigen. Das bedeutete für mich, Danny war ihm sehr wichtig. Natürlich war er das, so wie Olivia mir. „Ich hoffe, Danny stellt seine Versuche, mit mir schlafen zu wollen, fürs Erste ein“, gestand ich leise seufzend. „Caleb, mir würde es auch nicht gefallen, wenn du mit Olivia schlafen würdest, das verstehe ich. Nur es ist nichts Schlimmes daran, wenn er mit Jungs rummacht. Er hätte es deutlich schlechter treffen können. Ich verspreche dir ihn nicht zu überfordern, mich zu bemühen ihm ein guter Freund zu sein und auch, dass seine Leistungen in der Schule nicht absacken. Er kann auch Leo und Klein-Nicky bei mir unterbringen, wenn er mich besucht. Ich lerne mit ihm, passe auf ihn auf, reduziere den Körperkontakt auf ein Minimum und achte darauf, dass er sich von den möglichen Schäden, die dieser Abend im Club hinterlassen hat, erholt.“ Caleb kniff die Augen zusammen und musterte mich dann eindringlich. Innerlich machte ich mich bereit erneut mit ihm aneinanderzukrachen und mir wahrscheinlich sogar eine blutige Nase zu holen. Der Vergleich mit einem wildgewordenen Stier war wirklich sehr treffend. Ein kleiner Teil von mir fragte sich, wie es wohl wäre Calebs Freund zu sein. Er war älter, reifer, erwachsener und sah Danny dabei verdammt ähnlich. Was dachte ich da eigentlich? „Ich scheine sowieso nichts unternehmen zu können. Hoffentlich schießt er dich bald ab.“ ‚ „Ich hoffe es nicht, kann dich aber verstehen.“ Vorsichtig betastete ich erneut mein Kinn und schaute dabei auf die Uhr. Unser kleines Intermezzo hatte mich ziemlich aus meinem Zeitplan gebracht. Eigentlich wollte ich noch duschen und Eierkuchen für Danny backen, aber der Zug war wohl abgefahren. „Und diese Therapie hat einen Sinn?“, fragte mich Caleb plötzlich aus heiterem Himmel. „Hat sie“, bestätigte ich. „Mein Vater meint, Danny hat sehr gute Bezugspersonen.“ „Die da wären?“ „Dich und mich.“ Das laute Schnauben Calebs überging ich geflissentlich. „Er steckt es gut weg, aber es wird noch eine Weile dauern. Wenn du möchtest, kann ich Papa bitten, dass du Danny mal begleiten darfst, sofern du an der Seriosität der Therapie zweifelst. Papa ist ein guter Psychiater und er bemüht sich, weil er weiß, dass Danny und ich Freunde sind.“ „Dein Vater weiß, dass du mit Danny rummachst?“ „Nein. Er weiß nur, dass Danny mir sehr viel bedeutet und mir am Herzen liegt. Wahrscheinlich vermutet er es, aber bisher hat er sich noch nicht dazu geäußert. Genauso wenig wie meine Mutter oder Olivia.“ Ich zögerte und fügte dann an: „Caleb, wir müssen keine Freunde werden, und es ist nicht einmal sicher, dass Danny und ich ein Paar werden, aber was wir müssen ist ihn aufzufangen. Wenn diese Erlebnisse nicht aufgearbeitet werden, entwickelt er irgendeine Zwangsstörung oder noch etwas Schlimmeres. Er hängt an dir, er hängt an Nicky und er hängt an mir. Wir zwei sind aber vernünftiger als Nick. Bitte, gib mir einfach die Chance dir zu zeigen, dass ich es mit Danny ernst meine. Wenn ich es vergeige, dann darfst du mir gerne sämtliche Zähne rausschlagen, einverstanden?“ Anstatt zu antworten warf mir Caleb noch einen wütenden Blick zu, bevor er aufstand und wortlos meine Wohnung verließ. In dem Punkt war er deutlich anders als Danny: Dieser hätte jetzt geheult und sich im Zimmer eingeschlossen, aber er wäre nicht abgehauen. Vielleicht waren sie doch verschiedener als angenommen? Meine Wenigkeit musste jetzt jedenfalls Danny abholen und sich eine Ausrede überlegen, warum mein Kinn zerschrammt war. Ein Blick im Flurspiegel, als ich mir meine blau-weiße Collegejacke überzog bestätigte meine Vermutung: Ein netter Bluterguss. War ja schon mal ein guter Start mit meinem Wunschschwager. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)