Nachhilfe von SuperCraig ================================================================================ Kapitel 14: ------------ Ich warf die Autoschlüssel achtlos in die Schale neben der Eingangstür. Jetzt war Danny erst eine Stunde weg und er fehlte mir bereits. Ich hätte mich niemals auf dieses wahnwitzige Projekt „Nachhilfe“ einlassen dürfen. In mir zerbrach jedes Mal etwas, wenn Danny von Nicky erzählte. So als würde mir das Herz langsam aus der Brust gerissen. Lange hielt ich das nicht mehr aus. Ich schmiss mich seufzend aufs Sofa und rieb mir die Schläfen. Wie war ich eigentlich in diese Situation geschlittert? Für einen Romantiker wie mich, der sogar an so etwas wie Liebe auf den ersten Blick glaubte, war Danny natürlich der Hauptgewinn: jung, neugierig, gutaussehend, naiv. Vor allem in diese kindliche Art hatte ich mich verliebt. So unberührt, so unbefleckt, so rein. Keine Ahnung warum, aber er war nahezu perfekt. Ich schloss die Augen und rief mir Danny ins Gedächtnis. Das schwarze, unordentlich geschnittene Haar, dessen Strähnen ich ihm so gerne aus dem Gesicht strich. Die rehbraunen Augen, in denen ich mich hätte verlieren können. Ich liebte alles an ihm, sogar die rauen, aufgearbeiteten Hände. Mir jagte jedes Mal ein Schauer über den Rücken, wenn er mich damit berührte. Seine sanften, weichen Lippen, von denen ich mich nicht mehr lösen wollte. Ich konnte keinen Makel an meinem Prinzen finden. Selbst wenn da einer gewesen wäre, ich hätte ihn verdrängt. Danny war mit Abstand der schönste Junge, den ich kannte. Ich hatte beim Job vorwiegend mit alten Säcken zu tun, dazu Frauen, die jemanden zum Vorzeigen brauchte. Früher hatte ich ihnen irgendetwas vorgelogen. Auf meine „komische“ Art, wie Danny sagte. Dieser Gedanke zauberte mir ein Grinsen ins Gesicht. Jetzt war es aber ungleich schwieriger. Professionalität vorzugaukeln, wenn das Herz für jemand anderen schlägt, war eine Aufgabe, der ich nicht gewachsen zu sein schien. Ich hatte versucht mich abzulenken. Mehr Arbeit, dann in irgendwelchen Clubs abfeiern, mich sogar zu betrinken und mit jemandem rumzumachen: Es funktionierte nicht. Jedes Mal, wenn mich ein Kerl anfasste, fühlte ich mich, als würde ich Danny hintergehen. Gleiches bei der Arbeit. Ich hatte es sogar mit Mädchen versucht, mit dem gleichen Ergebnis. Es fiel mir schon das Küssen schwer. Unweigerlich verglich ich sie alle mit Danny und kam zum Schluss, dass sie nicht er waren. Logisch, oder? Nein, eher bescheuert. Ich war fast 22 Jahre, sah gut aus, war bei den Kunden beliebt, dementsprechend auch ohne das Geld meiner Eltern wohlhabend und hätte mehr Gelegenheiten gehabt mir eine feste Freundin oder einen festen Freund zuzulegen, als manche Bekannte hatten. Alles für die Katz, denn es gab nur mehr Danny. Ich verschränkte die Hände hinter dem Kopf und starrte an die Decke. Was hätte ich dafür gegeben, nur eine Stunde dieser Nicky sein zu dürfen? Ich hatte diesen Glanz in Dannys Augen bemerkt, wenn er von Nick sprach. Es war wunderschön. Seine Stimme wurde dabei ein bisschen höher und er wirkte so glücklich, aber zeitgleich traurig. Diese Bitterkeit, dieser Schmerz – er glich einem kleinen Engel, wenn er so dreinschaute. Wie sehr musste Danny diesen Nick lieben, dass er mit einem Fremden schlief, nur um an ihn heranzukommen? Wie krank war das eigentlich? Ich konnte nicht mal mehr an andere Männer und Frauen denken und der, in den ich mich so unsterblich verliebt hatte, vögelte mit mir, weil er einen anderen Kerl beeindrucken wollte. Resignierend fuhr ich mir durch die Haare. Was hatte ich eigentlich verbrochen? Wäre Danny nur ein wenig älter, ein kleines bisschen weniger naiv, dann… Ja was dann? Ich würde ihn nicht mehr lieben, zumindest nicht mehr so. Wenn das Handy klingelte fühlte ich mich wieder wie ein Teenager. Mein Herz schlug mir fast bis zum Hals und die Knie wurden mir weich, sobald sein Name auf dem Display aufleuchtete. Er hatte sogar einen eigenen Klingelton bei mir. Das war einfach nicht normal. Ich hatte alles: Gutes Aussehen, Geld, Unabhängigkeit und band mich dann an einen Jungen, der nicht begriff, was er mir antat. Bei dem Gedanken an seinen Verflossenen zog sich in mir alles zusammen. Ich musste unweigerlich an die Geschichte um Adonis denken, den Ares in rasender Wut als riesiger Eber zuerst zu Tode gehetzt und dann zertrampelt hatte. Das beschrieb ganz gut meine Position: Ich war mit Abstand der beste Nebenbuhler meiner persönlichen Aphrodite und war eifersüchtig auf jemanden, der mir, zumindest in meinen Augen, nicht das Wasser reichen konnte. Sobald dieser Gedanke zu Ende gesponnen war, schämte ich mich bereits wieder dafür. Ich kannte Nick ja nicht einmal richtig. Wahrscheinlich war er ein netter Junge. Er klang zwar ein wenig schwierig, aber wer war das in diesem Alter nicht? Olivia hatte auch nur Scheiße im Kopf, die ich in der Regel ausbaden durfte. Sie hatte auch schon etwas bemerkt. Ehrlich gesagt war ich froh, dass sie nicht ein Auge auf ihn geworfen hatte. Mit meiner kleinen Schwester um einen fünfzehnjährigen Jungen zu streiten wäre das Tüpfelchen auf dem I gewesen. Mein Problem war, dass ich zu feige war, wie Ares, zuzuschlagen. Tobende Eifersucht bestimmte mein Leben und dabei konnte ich am Ende, sollte ich in der Lage sein, Nick aus dem Weg zu räumen, nicht den finalen Schritt machen, denn es würde bedeuten Danny zu verletzen. Das brachte ich nicht übers Herz. Ich würde ihm unsägliche seelische Schmerzen bereiten, selbst wenn ich dann die Nummer eins wäre. Das konnte ich einfach nicht. Ich wollte mit ihm schlafen, zweifelsohne. Das erste Mal mit Danny war schöner gewesen als sämtliche meiner Bettgeschichten zusammen. Nicht nur körperlich, sondern auch geistig. Es war komisch gewesen, ihm zu zeigen, was er machen musste, eigentlich sogar beschämend: Ich nutzte die Naivität eines halben Kindes aus. Ich hätte mich schlecht fühlen müssen, tat es sogar bis zu einem gewissen Grad, doch dieser eine Moment, diese Verbindung, das war es wert gewesen. Mit Danny zu schlafen war als würde jemand in meinem Hirn den Stecker ziehen. Alles um mich herum wurde bedeutungslos: Die Uni, der Job, meine Freunde, es gab nur ihn und mich. Ein wenig Übung noch und ich würde beim Vögeln wahrscheinlich komplett den Verstand verlieren. Als er mich angefasst hatte, war das Brennen und Ziehen zwischen meinen Beinen schon unerträglich gewesen. Ich hatte mir geschworen nicht schwach zu werden und doch wäre ich schon beim Erklären fast eingeknickt. Wenn er noch ein wenig gebettelt hätte unten zu liegen… Ich schüttelte den Kopf. Nein, das durfte ich nicht. Es könnte ihm weh tun. Er würde mich unweigerlich mit Schmerz verbinden. In sein Gesicht zu schauen und dabei zu sehen, dass es ihn verletzte, dass ich ihn verletzte, das würde mir den Rest geben. Wenn ich eine Art Flashback erzeugte, das ihn an vorgestern erinnerte… Ich könnte mir das nicht verzeihen. Seufzend angelte ich mir den Laptop vom Beistelltisch und fuhr ihn hoch. Nicht einmal in der Uni wurde ich von Danny verschont. Meine Hausarbeit zum Thema „Tragik und Drama“ handelte schlicht und ergreifend von mir. Ich beschrieb meine Gefühle, meine Situation (natürlich nicht so, dass man direkt auf mich Rückschlüsse ziehen konnte) und wurde auch mit einer guten Note belohnt: einer Eins. Mein Professor hatte über beide Ohren gegrinst und mich vor dem gesamten Kurs gelobt. Meine Geschichte sei „einfühlsam“, die Motive „passend gewählt“ und sowohl Tragik als auch Drama würden perfekt harmonieren. Natürlich musste das Werk auch analysiert werden, denn alles andere hätte bedeutet mir meinen Frieden zu gewähren. Der Heros, geschützt von einer undurchdringlichen Rüstung, bewaffnet mit einem magischen Schwert, auf dem edelsten der Pferde reitend, schaffte es nicht, sich die Liebe eines einzelnen Mannes (das kam übrigens auch sehr gut an, denn es hatte einen verbotenen Charakter) zu erstreiten. Wo ich denn meine Vorlagen herhätte? Ein Ares, der Menschlichkeit besaß und seiner Aphrodite sogar diesen einen Wunsch, jemand anderen zu lieben, ermöglichte, war meine Antwort gewesen. Ich hoffe, die wirkliche Aphrodite wird meine Worte nie hören, aber neben Danny war sogar sie hässlich. Für ihren Gürtel hätte ich getötet. Ihn anzulegen und mir meinen Prinzen zu schnappen klang so verlockend. In meiner Welt hätte der trojanische Krieg sich wahrscheinlich um Danny gedreht. „Der Raub des Danny“, ging es mir durch den Kopf und ich schüttelte traurig lachend den Kopf. Ich hätte ihn mir gekrallt, ganz sicher. Damals, als wir in der Vorlesung das Motiv der Helena besprochen hatten, war ich nicht in der Lage gewesen, zu begreifen, wie man für eine einzige Person alles wegschmeißen konnte. Ich weiß noch, wie ich mit David diskutiert hatte, darüber, dass ich das Angebot der Athene, Unbesiegbarkeit im Kampf, gewählt hätte. Ja, damals, das war vor Danny gewesen. Heute würde ich auch Aphrodite den Apfel in die Hand drücken, mit den Worten: „Göttin der Liebe, für einen aufrichtigen Kuss von ihm bin ich bereit, das größte Königreich, das die Welt je gesehen hat, genauso wie ein Dasein als unvergleichlicher Krieger, auszuschlagen.“ Hatte ich so etwas nicht Danny auch gesagt? Ich würde Zeus bitten ihn zu einem Sternbild zu machen? Wäre ich Zeus selbst, ich hätte ihn zu meinem Streiter gemacht, meine Hand über ihn gehalten, ihm mein göttliches Erbe versprochen. Für ihn hätte ich mich mit den anderen Göttern gemessen, denn er war das Wichtigste in meinem Leben geworden, und das in so kurzer Zeit. Ich klappte den Laptop wieder zu, legte ihn beiseite und fuhr mir mit den Händen übers Gesicht. Was sollte ich jetzt machen? Danny zu sagen, dass ich ihn abgöttisch liebte, würde ihn nur verwirren und am Ende von mir entfernen. Ihm bei diesem wahnwitzigen Unterfangen Nick zu erobern zu helfen, würde mich an den Rand der Verzweiflung bringen. Am besten wäre es gewesen einfach den Kontakt abzubrechen, aber das konnte ich nicht. Ich fühlte mich für ihn verantwortlich. Er schien niemanden außer mir zu haben. Dazu kam diese Beinahevergewaltigung. Wenn ich ihn an mich heranließ, würde ihm das helfen, ihn vielleicht heilen. Und mich dabei zerbrechen. War es das wert? Mich aufzuopfern, zugrunde zurichten für ein halbes Kind? Natürlich, denn ich liebte es. Für Danny würde ich sogar den Himmel auf meinen Schultern tragen und dabei lächeln. Ich werde ihm beistehen, und wenn es mich wahnsinnig machen würde. Sein bezauberndes Lachen, das mir durch Mark und Bein ging, das durfte er einfach nicht verlieren. Er brauchte mich und ich würde da sein. Es war Zeit nicht nur von den alten Legenden und Helden zu lesen, nein, ich musste sie auch leben. Ich werde sein Ares sein, sein Schild und auch sein Schwert und selbst in der dunkelsten Stunde werde ich bei ihm sein, ihn stützen, ihn beschützen. Bestärkt durch diesen Gedanken stand ich auf und machte mich bettfertig. An Danny denkend ließ ich mich ins Kissen sinken und stellte fest, dass mein Bett nach ihm roch. Wenigstens etwas blieb mir: Meine Erinnerungen an ihn und die würde mir auch niemand nehmen. Egal wie die Geschichte ausging, ein Teil von mir ruhte in Danny, davon war ich überzeugt, genauso wie er einen Platz in meinem Herzen hatte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)