Nachhilfe von SuperCraig ================================================================================ Kapitel 11: ------------ Es war eine lange Nacht geworden. Immer wieder wurde ich wach. Es gab gefühlt nicht einen Moment in dem Connor nicht bei mir gewesen ist. Wenn mir schlecht war, trug er mich ins Badezimmer, hielt mich fest, während ich kotzte, wischte mir den Mund ab und betupfte sogar meine aufgesprungen, spröden Lippen mit einem nassen Tuch, weil ich nicht mal Wasser bei mir behalten konnte, aber immer wieder jammerte, so durstig zu sein. Weinte ich, weil wieder diese ekligen Bilder hochkamen und das Gefühl der Scham, nahm er mich in den Arm und tröstete mich. Ich weiß gar nicht mehr, was er mir alles ins Ohr gehaucht hatte. Es waren ähnliche Sätze wie damals am See. Dass ich wunderschön sei, wie die Sonne, die nach tagelangem Regen das Wolkenzelt aufbrach, oder dass ich mich für nichts schämen müsse, dass er da war und auf mich aufpasste, mich behütete, beschützte. Solche Dinge eben. Schreckte ich hoch, strich er mir die klitschnassen Haarsträhnen aus dem Gesicht und streichelte über meine Schulter. Er war wirklich der beste Freund den man sich wünschen konnte, fast wie ein großer Bruder. Caleb hätte mich auch umsorgt, aber nicht so. „Danny?“, fragte er sanft und strich mir über die Brust. „Hm?“, murrte ich todmüde. „Es ist nach neun. Meine Mutter meint du sollst versuchen was zu essen. Wenn du es unten behältst bist du wahrscheinlich über den Berg. Hast du Hunger?“ Beim Gedanken an Essen rebellierte mein Magen bereits. „Nicht wirklich.“ „Sicher nicht? Hast du einen Wunsch?“ Ich schaute in ein Paar blauer Augen die mich besorgt musterten. Diesen Blick hatte ich schon einmal wo gesehen. Einmal. Aber wo? „Mh, kannst du French Toast machen? So wie Caleb? Mit viel Zimt drauf und Zitrone?“ „Ich kann es versuchen. Dafür muss ich aber einkaufen gehen. Bleibst du die nächste halbe Stunde im Bett?“ „Okay“, nickte ich und wurde mit einem Kuss auf die Stirn belohnt. Kaum dass Connor verschwunden war, machte sich eine Leere in mir breit. Ich hörte wie die Tür ins Schloss fiel und starrte an die Decke. Mir ging Connors Blick nicht mehr aus dem Kopf. Er erinnerte mich an jemanden. Nicht blau, sondern braun, wie meine. Ja, genau diese Augen hatte ich vor mir. Aber wem gehörten sie nur? Seufzend kapitulierte ich: Mein Hirn war der anstrengenden Aufgabe des Denkens derzeit einfach nicht gewachsen. Ich verlagerte mein Handeln stattdessen darauf mich umzusehen. Das war also Connors Schlafzimmer. Grauer Teppichboden, ein großes, bequemes Doppelbett, das sehr nach ihm roch, dazu ein Schreibtisch mit großem Bildschirm, ein gigantischer Kleiderschrank, ein Wandregal gefüllt mit dicken Büchern, die teilweise verdammt alt wirkten und ein paar Poster von Superhelden und irgendwelchen Zeichentrickfiguren, die wahllos angeordnet schienen. Ich hatte Connor zwar versprochen liegen zu bleiben, aber erstens war ich neugierig und zweitens musste ich mal. Vorsichtig schwang ich mich aus dem Bett. Connors Shirt klebte komplett durchgeschwitzt an mir. Gleiches galt für meine Boxershorts. Ein Blick auf meine Seite der Matratze zeigte genau wo ich gelegen hatte. Ich drückte mich hoch und wankte mit zitternden Knien hinaus zur Küche, wobei ich die Wand als Stütze missbrauchte. Egal was ich gestern in mein Getränk gemischt bekommen hatte, es war nichts, das ich noch einmal gebraucht hätte. Im Türrahmen angekommen pausierte ich flach atmend und ließ meinen Blick schweifen. Die Küche war sehr hell und wirkte gehoben. Nicht so wie unsere, die mehr rustikal und einfach gehalten war. Gleiches galt für das Wohnzimmer, das nahtlos anschloss und mir fiel gleich der riesige Fernseher auf, der an der Wand, gegenüber einer großen Ledercouch, montiert worden war. Esstisch, Stühle, ein paar Pflanzen, es war irgendwie furchtbar steril aber auch heimelig. Wo das Bad war wusste ich sogar, einigermaßen zumindest. Ich arbeitete mich, unter Zuhilfenahme von Küchenzeile, Stuhllehnen und sonstigen Hilfsmitteln, zur Badezimmertür vor und schob mich hinein. Mit einem erleichterten Seufzen ließ ich mich auf die Toilette fallen. Länger hätte ich es wahrscheinlich nicht mehr ausgehalten. Das Badezimmer war weiß gefliest und vergleichsweise zu unserem riesig. Selbst eine große Eckbadewanne und eine Duschkabine hatten hier Platz, ohne dass man sich auf die Füße stieg. Es wirkte alles ordentlich und sauber, sogar die angebrauchten Duschgelflaschen schienen nach einem bestimmten Muster angeordnet zu sein. Gleiches galt für das Zeug auf dem Waschbecken wie Zahnbürste und Rasierer, samt Pasta, Schaum und Klingen, alles griffbereit. Ich schaute mich im großen Spiegel an und erschrak: Mein Aussehen war am besten mit grauenhaft zu beschreiben, so als hätte ich mehrere Nächte durchgemacht. Die dunklen Ringe harmonierten perfekt mit meinen eingefallenen Augen und ich wirkte so bleich wie ein Geist. Das hob mein schwarzes Haar besonders gut hervor. Ich stützte meine Ellenbogen auf den Knien ab und legte mein Gesicht in meine Hände. Keine Ahnung was ich gemacht hätte wäre Connor nicht aufgetaucht. Der Typ hatte schon seine Finger an meinen Hosenknöpfen gehabt. Ich fing wieder an zu weinen. Immer wieder kamen diese Bilder in mir hoch. Ein bisschen länger und er hätte etwas ganz anderes mit mir gemacht. Wie lange ich so dasaß konnte ich gar nicht sagen. Ich weinte einfach und schluchzte dabei laut. Zumindest bis ich einen Schlüssel hörte, der im Schloss herumgedreht wurde und eine Tür aufgestoßen wurde. Rasch versuchte ich mich zusammenzureißen und fuhr mir mit dem Handrücken über die laufende Nase. „Danny?“, rief Connor. „Ich bin wieder da.“ „Hier“, schniefte ich und stand auf. Es wäre ein wenig entwürdigend gewesen, wenn er mir auch noch die Boxershorts hochziehen hätte müssen, also versuchte ich zumindest das zu erledigen. Dass ich heulte war mir schon peinlich genug. „Hey, ich sagte doch du solltest liegen bleiben“, meinte er sanft und hatte schon einen Arm um mich gelegt. „Ich musste mal“, antwortete ich kleinlaut. „Schon okay. Tut mir leid, dass es so lange gedauert hat. Die Kassiererin hat eine gefühlte Ewigkeit gebraucht. Ist dir noch schlecht?“ „Ein bisschen.“ „Gut, also nicht gut, aber das ist schon besser als gestern. Willst du in die Wanne während ich dir deinen Toast mache? Du bist ja komplett durchgeschwitzt.“ Connor redete besorgt auf mich ein was ich ausblendete. So überfürsorglich war ich schon lange nicht mehr behandelt worden. Caleb machte das nicht einmal wenn er sich schuldig fühlte, und er war schließlich mein großer Bruder. Connor setzte mich wieder auf dem Toilettensitz ab und ließ mir Badewasser ein. Das beständige Rauschen des Wassers beruhigte mich ein wenig. „Danny?“ Connor kniete sich vor mir hin und nahm meine Hände in die seinen. Mit den Daumen strich er über meine Handrücken. „Das was da gestern passiert ist, ich weiß, dass du wahrscheinlich nicht darüber sprechen möchtest. Du hast aber nichts falsch gemacht. Das war der Typ und ich habe ihm die Nase dafür gebrochen, dass er dich angefasst hat. Niemand wird das je wieder bei dir machen, versprochen. Ich habe meinen Papa bereits angerufen, der ist Psychiater. So traumatische Erlebnisse belasten einen. Wenn du möchtest und du mit jemandem drüber reden willst, der von sowas Ahnung hat…“ Er zögerte kurz „Er kann dir auch Tabletten verschreiben, damit du ruhiger schläfst. Mein Papa sagt auch nichts, zu niemandem, das darf er gar nicht. Ich kann dich hinbringen und wieder abholen. Wenn du in der Praxis nicht möchtest, dann kannst du auch zu meinen Eltern ins Haus kommen oder ich frage ihn, dass er herkommt. Nicht jetzt, nicht heute, nicht morgen, aber irgendwann.“ In mir zog sich alles zusammen. Ich war ja nicht bescheuert oder so. Psychiater kannte ich aus dem Fernsehen und die waren ganz komisch, stellten unangenehme Fragen und bescheinigten einem am Ende irgendeinen Schaden. Connor glaubte also ich wäre jetzt nicht mehr ganz richtig im Kopf, was mich zu einem erneuten Heulanfall bewegte. „Sch, alles gut. Wir müssen nicht. Du hast wirklich nichts gemacht, wofür du dich schämen musst. Nicht weinen.“ Connor nahm mein Gesicht in seine Hände und legte seine Stirn gegen meine. „Beruhige dich. Ich mag es nicht, wenn du weinst, Danny. Das ist so, als würden die Sterne vom Himmel regnen und dabei einen leeren, schwarzen Himmel hinterlassen.“ „Es tut so weh. Ich schäme mich so“, schluchzte ich. „Ich kann es mir vorstellen. Wenn du baden gewesen bist ist es sicher besser. Ich mache dir inzwischen deinen French Toast und nachher gucken wir eine Film oder wir spielen eine Runde Playstation oder so. Nur hör auf zu weinen. Ich mache alles was du willst, aber bitte, Danny, hör auf damit.“ Connor und ich verharrten so eine Weile bis er sich schlussendlich von mir löste, sich aufrichtete und das Wasser abdrehte. Ich schaute auf und zögerte. Der Einstieg war hoch und ich noch immer wackelig auf den Beinen. Sollte ich etwas sagen? Gerade eben hatte ich es noch als entwürdigend empfunden, dass Connor mich so zu sehen bekam und jetzt wollte ich, dass er mir half. Mir wurde die Entscheidung aber abgenommen, als er sich wieder hinkniete und mir sein Shirt über den Kopf zog. Von meiner Unterwäsche befreite er mich ebenso um mich dann zur Wanne zu tragen. Ich protestierte nicht, im Gegenteil: Ich war ihm dankbar. „Halt mal deine Hand rein – ist es dir zu warm?“ Ich tauchte meine Fingerspitzen in das warme Wasser und schüttelte den Kopf. Behutsam ließ mich Connor ins Wasser gleiten. Ein wohliges Gefühl breitete sich in mir aus und ich musste ein wenig lächeln, als er mir sogar die Duschgelflaschen in Griffweite stellte. „So, ich lasse dich alleine, ja? Deine Sachen schmeiße ich in die Waschmaschine und heute am Abend kannst du wieder in deinem Zeug rumlaufen. Bleib aber in der Wanne, ja? Wenn du fertig bist, ruf nach mir, ich will nämlich nicht, dass du hinfällst. Dann bringe ich dir auch gleich noch frische Sachen von mir. Ach ja, ich habe noch mit David telefoniert. Nicky und seine Freundin haben Caleb Bescheid gesagt, dass du bei mir bist, mehr nicht. Wenn er sauer ist, schiebs auf mich, okay?“ Damit war ich auch schon alleine und ließ mich bis zum Hals in die Wanne gleiten. Daran konnte ich mich glatt gewöhnen. Wäre jetzt noch Nicky hier und die Sache gestern nicht gewesen, mein Tag wäre als perfekt einzustufen. Ich schnappte mir eines der Duschgels und schnupperte daran – Kokosnuss mit einem Hauch von Blaubeeren. Das musste das von Connor sein. Genau das wählte ich auch aus. Der Geruch von French Toast stieg mir beim Baden in die Nase und ich wäre fast eingeschlafen. Jetzt fühlte ich mich ein wenig besser. Ich tauchte einmal komplett unter, wusch mir die Haare und rief dann nach Connor, der Sekunden später schon da war und mich aus der Wanne hob. „Du wirst ja ganz nass!“, protestierte ich. „Dann ziehe ich mich eben um.“ Ich schlang meine Arme um seinen Nacken und wurde, in ein orange-rotes Handtuch eingewickelt, ins Schlafzimmer getragen, wo ich mich abtrocknete und in Sachen von Connor, bestehend aus einem weiten schwarzen T-Shirt, blauen, etwas zu weiten Boxershorts und viel zu großen, schwarzen Jogginghosen, schlüpfte. Der zog sich auch rasch um und huschte in die Küche. „Willst du im Zimmer essen?“, rief er von draußen. „Darf ich denn?“ „Möchtest du?“ Ich überlegte. Eigentlich wollte ich fernsehen. „Kann ich draußen auf deinem Sofa was haben?“ „Natürlich.“ Ich musste nicht einen einzigen Schritt machen. Connor war da, trug mich anstandslos zur Couch, die er vorher noch mit Decken ausgelegt hatte, drückte mir die Fernbedienung in die Hand und stellte mir mein Essen mitsamt einem Glas Mineralwasser vor die Nase. „Kauen darf ich aber noch selbst, oder?“, grinste ich schief. „Darfst du“, lächelte er und setzte sich neben mich. Ich biss vom Toast ab und er schmeckte köstlich, fast so gut wie der von Caleb. Connor hatte ihn mit genügend Zucker und Zimt bestreut und man konnte die Zitrone herausschmecken. Im Fernseher lief nur Schrott, aber ich ließ ihn trotzdem nebenher laufen. Mir wurde ein zweiter und ein dritter French Toast von der gleichen Qualität gebracht, die ich verputzte. Den letzten Bissen spülte ich mit Mineralwasser hinunter und ließ mich dann mit dem Kopf in den Schoß meines Retters sinken, der die ganze Zeit nicht von meiner Seite gewichen war. „Connor?“, fragte ich ihn nach einer Weile, in der er angefangen hatte mit meinen Haarspitzen zu spielen. „Hm?“ „Du hast mich vorhin so komisch angesehen. Ich kenne diesen Blick irgendwoher, weiß aber nicht genau woher.“ „Habe ich das?“ Traurig lächelnd strich er mir mit der Fingerspitze über die Nase, was mich kichern ließ. „Hast du.“ „Weißt du wie schön es klingt, wenn du kicherst oder lachst? So unbeschwert, so frei. Ich hatte schon Angst, ich würde das nach gestern nie mehr hören dürfen.“ Ich streckte meine Hände nach ihm aus und er beugte sich nach unten. Mit dem Kopf kam ich ihm ein wenig entgegen, legte ihm meine Arme um den Nacken und küsste ihn. Connor versteifte sich kurz, schloss dann aber die Augen und erwiderte den Kuss. „Danke nochmal“, sagte ich leise, nachdem wir uns voneinander gelöst hatten. „Du bist der beste Freund den man sich wünschen kann. Fast so wie ein großer Bruder.“ Connor biss sich auf die Unterlippe. „Du hast mir meine Frage von vorhin nicht beantwortet.“ Er schlug die Augen nieder und sah zur Seite. Dabei legte er seine linke Hand auf meinen Bauch und ich zuckte nicht mehr zusammen wie gestern noch. Das war Connor und Connor mochte ich. Er durfte mich anfassen. „Ich möchte nicht. Oder nicht direkt.“ „Wie kann man denn eine Frage indirekt beantworten?“ „Ich kann es versuchen.“ „Ist gut!“ „Also“, begann er und atmete tief durch, um mir dann wieder in die Augen zu sehen. „Laut einer Sage trieb vor mehr als tausend Jahren ein Dämon in China sein Unwesen. Er hatte die Fähigkeit sein Aussehen zu verändern, in jede Person und auch jedes Tier, auf dass er traf. Sein Name war Lang Tsai Ho, der Dämon mit den 1000 Gesichtern. Er konnte nur niemals in einen Spiegel schauen, denn dieser zeigte seine eigene, hässliche Gestalt und brach den Zauber.“ „Und warum schaust du dann so traurig?“, bohrte ich nach, die Arme noch immer um Connors Nacken geschlungen. „Weil ich so gerne mit Lang Tsai Ho tauschen würde. Mutige Menschen haben ihn gefangen und in einen Kristallsarkophag gesperrt. Dort ruht er nun schon seit einer kleinen Ewigkeit.“ „Und warum willst du mit ihm tauschen? Das klingt ja voll öde eingesperrt zu sein.“ „Weil…“ Connor schluckte hart und kraulte mir dann den Bauch. „Weil es bedeuten würde, dass ich so aussehen könnte wie jemand anderer. Nur für eine Stunde. Für eine Stunde tauschen würde ich alles aufgeben.“ „Du kannst dich doch verkleiden?“ Connor schüttelte schmunzelnd den Kopf: „Nein, Danny. Lang Tsai Ho konnte seine Opfer perfekt imitieren. Die Person, in die ich mich verliebt habe, die ist leider selbst schon verliebt. Würde ich die Gestalt ihres Liebsten annehmen können, hätte ich zumindest für eine Stunde, einen flüchtigen Moment, das Gefühl, dass sie mich lieben würde, wirklich. So wie ich es mir wünsche. Ich hasse mein eigenes Spiegelbild.“ Das klang hart. Hart und verzweifelt. Ich dachte nach. Connor war also in der gleichen Situation wie ich. Daran konnte ich leider auch nichts ändern. Was ich aber tun konnte war ihn aufmuntern! „Weiß die Person denn, dass du sie so lieb hast?“ „Ich denke nicht, nein.“ „Warum sagst du es ihr nicht?“ „Weil ich sie sonst traurig mache.“ „Das glaube ich nicht! Nicky war zwar niedergeschlagen, aber nicht traurig. Caleb auch! Komm schon! Ich habe mich auch getraut!“ „So einfach ist das nicht.“ „Probiers doch mal! Üben wir! Komm!“ Ich drehte mich ein wenig, sodass ich Connor tief in die Augen schauen konnte. „Sag zu mir, was du sagen würdest, und ich sage dir, ob es gut ist oder nicht!“ „Danny…“, zögerte er. „Bitte! Ich will dir helfen!“ Connor strich mir wieder durch die Haare und setzte diesen verträumten Blick auf. „Wenn ich dich ansehe, dann ist es, als würde ich ins Elysium blicken dürfen. Dort, wo die Helden und guten Menschen leben. Wo kein Hunger herrscht, das Getreide von selbst wächst und es keine Sorgen und keinen Kummer gibt. Du bist wie das Licht der Statue von Helios, des Sonnengottes. Du weist mir den Weg, selbst in der dunkelsten Stunde. Ohne dich fühle ich mich leer und einsam. Jeden meiner Atemzüge möchte ich dir widmen. Ich würde wie Achilles für dich in den Styx steigen, mich unverwundbar machen, bis auf eine Stelle.“ Er hielt inne, schnappte sich eine meiner Hände und legte sie auf seine linke Brust. „Mein Herz, denn das bist du. Ich würde genauso wie Odysseus Unsterblichkeit und Wohlstand ausschlagen, selbst die schönsten Frauen wie Kalypso und Circe verschmähen und die schlimmsten Prüfungen auf mich nehmen, nur um am Ende meiner Reise einmal in dein Gesicht schauen zu dürfen. Jeder Kummer, jeder Schmerz, jegliche Entbehrung – alles wird durch ein Lächeln von dir aufgewogen. Wenn ich könnte, ich würde Zeus anflehen dich zu einem Sternenbild zu erheben, nein zu einem Gott, denn dann würde ich wenigstens begreifen, warum du so unerreichbar bist. Ich liebe dich, mit jeder Faser meines Körpers, mit meinem Ganzen sein, mit Körper und Geist und meine Seele, sie soll immer dein sein.“ Auch wenn ich nicht alles verstand, so begriff ich doch eins: Es klang wunderschön. Connor hatte eine so weiche und sanfte Stimme benutzt, die dazwischen immer wieder brüchig geworden war. Manchmal hatte er weggeschaut, dann wieder in mein Gesicht und Tränen glitzerten in seinen Augen. „Wenn du das zu dem Jungen oder dem Mädchen sagst, dann muss sie dich einfach lieben. Das war so schön, klang so, so…“ Connor ließ mich meine Worte nicht mehr zu Ende sprechen, denn er küsste mich wieder. Ich konnte spüren wie er weinte und wusste mir nicht zu helfen. Das war ja schlimm! Was ich aber konnte, war den Kuss zu erwidern, nicht so wie Nicky es mir gezeigt hatte, oder wie Sophia, sondern wie er. Dabei kraulte er mir wieder den Bauch und hatte seine andere Hand in meinem Nacken gebettet. So hatte mich Connor noch nie geküsst! Wenn er das auch noch machte, dann hatte er sicher ihr oder sein Herz erobert. Genauso wie ich bei Nicky. Ganz sicher. Je länger unser Kuss dauerte, desto mehr weinte Connor, aber als ich mich lösen wollte, hielt er mich fest. Ich schmeckte seine salzigen Tränen, die unsere Lippen benetzten, aber er hörte einfach nicht auf. Es schien so, als wollte er mich gar nicht mehr gehen lassen. „Connor“, nuschelte ich kichernd und drückte mich ein wenig von ihm weg. „Ich bekomme ja fast keine Luft mehr!“ „Ich… entschuldige bitte.“ Er richtete sich wieder auf und angelte mit dem Fuß nach einem Controller, der auf dem Couchtisch vor uns stand. Zielsicher schnippte er ihn in die Höhe und fing ihn knapp über meinem Gesicht auf. „Lust zu spielen?“, fragte er und wedelte mit dem Teil vor meiner Nase herum. „Ich glaube, grade habe ich irgendein sinnloses Ballerspiel drinnen, für das du eigentlich noch viel zu jung bist. Wenn du mich bei Caleb nicht verpfeifst, darfst du wen über den Haufen knallen. Was hältst du davon?“ Er wischte sich mit dem Faustrücken über die Nase und ich nickte begeistert. „Au ja! Wobei… Ich muss doch bald heim, oder?“ Meine Euphorie bekam einen Dämpfer, als ich an Caleb dachte. „Musst du nicht. Caleb weiß wo du bist und er hat meine Nummer. Er kann mich ja anrufen. Du kannst das ganze restliche Wochenende bleiben. Du müsstest mir nur sagen, was du essen willst, damit ich mich vorbereiten kann“, grinste er schief. „Juhu! Wirklich alles?“ „Alles was du willst.“ „Sogar Chinesisch?“ „Sogar Chinesisch“, nickte er und ich fiel ihm wieder um den Hals. Das konnte doch noch ein tolles Wochenende werden! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)