Maskenball von aceri ================================================================================ Kapitel 1: Maskenball --------------------- Der Maskenball schien ein voller Erfolg. Craig quetschte sich durch die kostümierten Leiber auf der Suche nach Vanessa. Es roch nach Schweiß und billiger Theaterschminke aber das war ihm egal denn das hier, das sollte ihr erstes Date werden, allerdings nur unter der Bedingung das er sie trotz ihrer Verkleidung auch erkannte. Ein versonnenes leicht dümmliches Grinsen stahl sich auf Craigs Gesicht. Auf diesen Moment hatte er lange warten müssen, immerhin war Vanessa bis vor kurzem noch mit Tommy gegangen, dem Star der Fußballmannschaft. Aber der hatte sie sitzenlassen für genau die oberflächliche blonde Barbie aus der Oberstufe zu der er eindeutig besser passte. Craig hätte dem Gedanken an diese wundervolle Fügung des Schicksals noch ewig nachhängen können da tauchte vor ihm in der Menge plötzlich ein hellblonder Haarschopf auf. Den erkannte er sofort. Dieses Haar war unverkennbar! Vanessa! Schubsend und fluchend versuchte Craig sich zu seinem zukünftigen Date durchzudrängen aber die anderen Gäste behinderten ihn und machten kein Durchkommen möglich. Vanessas blondes Haar verschwand aus der Halle, im Durchgang zum Garten blieb sie kurz stehen, sah sich um, eilte dann aber weiter. Craig folgte ihr in hektischem Zickzack-Kurs. Immerhin hatte er sich ihre Maskerade merken können. Im Gegensatz zu den meisten anderen Gästen hier trug sie nicht die einfache mit glitzerndem Samtstoff bezogene Pappvariante wie es sie um diese Zeit an jeder Straßenecke zu erwerben gab sondern ein hübsch modelliertes Modell aus weißen Gips welches ihr komplettes Gesicht bedeckte. Nur die halbmondförmigen zu einer seltsam hämisch grinsenden Grimasse verzogenen Augenschlitze und die um den genauso grinsenden Mund gemalten Fangzähne machten das alles irgendwie…grotesk. Warum trug Vanessa eine so unheimlich untypische Maske? Und auch ihr Kostüm war irgendwie seltsam. Kein hübschen Ballkleid oder ein knappes wippendes Röckchen wie das ihrer Geschlechtsgenossinnen sondern ein langer schwarzer Mantel mit hellblauem Innenfutter der sie einhüllte wie eine schwere unförmige Decke. Man konnte nicht einmal erkennen was sie darunter trug; nur eine ebenso schwarze Stoffhosen und dunkle geschnürte Stiefel und Ränder weiße Spitze die aus den einmal umgeschlagenen Ärmeln herauslugte. Konnte das wirklich Vanessa sein? Aber niemand sonst aus ihrer Klassenstufe hatte so langes goldenes glänzendes Haar! Endlich erreichte Craig den Durchgang zum Garten und trat hinaus. Bis auf vereinzelte knapp über Kopfhöhe baumelnden Lichterketten die jemand in Tannen und Obstbäume und sogar einige Sträucher gehängt hatte herrschte schattenbehaftete undurchdringliche Dunkelheit. Von Vanessa keine Spur. Craig sah sich suchend um. Ein leises Rascheln erweckte seine Aufmerksamkeit und bevor er es sich anders überlegen oder überhaupt erst einmal darüber nachdenken konnte folgte Craig dem Geräusch um eine besonders große unbeleuchtete Tanne herum. Vanessa! Oder auch nicht. Die Gestalt in dem unangebracht dicken Mantel und mit der grimassenhaften Maske nahm eben jene ab und drehte sich kurz in Craigs Richtung. Das Haar war immer noch lang und blond und erinnerte an gesponnenes Gold und auch die Gestik wirkte immer noch irgendwie ein bisschen weiblich aber das da war eindeutig ein Kerl und sein Gesicht…trug er etwa noch eine weitere Maske? Craig duckte sich schnell wieder in sein Versteck. Der Fremde blickte noch einmal prüfend in seine Richtung, dann machte er ein paar eilige Schritte zu einem Quartett von Lebensbäumen hin in denen ebenfalls keine Lichterketten hingen. Craig folgte ihm mit Blicken. Der blonde Kerl in dem seltsamen Kostüm war kein Klassenkamerad, und Craig könnte schwören ihn auch sonst noch nie gesehen zu haben. Was tat er dann auf diesem Maskenball? Der war eine reine Schulveranstaltung! Nur für geladene Gäste! Eine hochgewachsene schlanke Person trat plötzlich hinter den vier Bäumen hervor und unterbrach Craigs Gedankengänge. Sie trug ebenfalls einen dunklen zugeknöpften Mantel aber offenbar keine Maske. Ein Lehrer vielleicht? Sein Gesicht konnte man aufgrund der unzureichenden Beleuchtung nicht eindeutig erkennen. Der blonde ungebetene Gast jedenfalls fing an aufgeregt auf sie einzureden wobei seine Hände gestikulierend durch die Luft fuhren. Dann verstummte er und legte den Kopf schief; wie ein Welpe der einen unbekannten Befehl befolgen sollte. Zwei atemlose Augenblicke verharrten die beiden Gestalten so, wartend, fast lauernd, dann schoss die Hand des größeren so blitzschnell nach vorn dass Craig ihr mit Blicken kaum folgen konnte und packte den anderen grob an der Kehle. Craig sog scharf die Luft ein, Adrenalin pulsierte durch seine Adern. Was sollte das? Hatten die zwei Streit? Einen Drogendeal? War der große Kerl ein Drogendealer? Der Typ zischte etwas das vom Tonfall her sowohl Beleidigung als auch Spott sein konnte und nach einigen eiligen Worten und gefühlt einer halben Ewigkeit später beendete der schlanke Schatten seine Rede und zog die Hand zurück und der blonde Junge sackte nach Luft schnappend zusammen. Er kniete im Gras, die Finger in seinen Hals gekrallt. Die Gipsmaske war zu Boden gefallen und glänzte wie ein Totenschädel im schwachen Schein der Lichterketten. Als wäre das gerade eben noch nicht genug gewesen holte die gewaltbereite Person plötzlich aus und trat dem gekrümmt dasitzenden Jungen mit ihren spitzen Stiefeln in den Magen und obwohl sie dabei nicht besonders weit ausgeholt hatte sackte der stöhnend in sich zusammen. Craig verließ wie von der Tarantel gestochen und mit einem empörten Aufschrei sein Versteck hinter der Blautanne. Der fremde Mantelträger fuhr wütend zu ihm herum, das Licht der hinter ihm hängenden Lichterketten schnitt ein bronzefarbenes nun doch erschreckend maskenhaftes Gesicht aus den Schatten, von dunklem Zorn und Überraschung verzerrt, dann huschte er davon, zurück hinter das Quartett Lebensbäume und…weg. Vielleicht raus auf die Straße und zurück in seine drogenverseuchten Gassen. Einen Moment blieb Craig noch unschlüssig stehen und blickte dem Kerl hinterher bevor er dann doch mit schnellen Schritten zu dessen am Boden kauernden, hustenden Opfer eilte. Das hielt sich jetzt nicht mehr den Hals sondern den Bauch, das blonde Haar hing ihm in wirren Strähnen ins Gesicht. „Alles okay?“ Der getretene Junge hob den Kopf und blickte Craig aus zusammengekniffenen Augen halb irritiert und halb zornig an. Seine blassen Lippen zitterten als er versuchte etwas zu sagen. Craig ging neben ihm in die Hocke und legte seine Hand zögernd auf die Schulter des Fremden. Durch den dicken, samtenen Stoff des Mantels drang ihm eine Kälte entgegen die im krassen Gegensatz zu den glühenden, lebendigen Augen seines Gegenübers standen. Es fühlte sich an als wäre er aus Stein gehauen. Oder schon lange tot. Der andere schien Craigs Gedanken zu erraten denn er bleckte urplötzlich die Zähne und fauchte. Craig zuckte erschrocken zusammen aber er ließ den seltsamen Jungen nicht los; stattdessen betrachtete er ihn genauer. Das Gesicht schien tatsächlich wie aus Marmor gemeißelt zu sein, es war weiß und makellos und hatte die irrsinnig perfekte Beschaffenheit eines Steinengels an einem Kindergrab. Nur die dunkelgrauen blitzenden Augen straften diesen überirdisch unschuldigen Anblick Lügen. Der fremde Junge fauchte erneut und endlich entschied Craig sich dafür das in dieser Situation einzig richtige und nächstliegende zu tun und ging hastig auf Abstand. Dunkle Perlmuttaugen verfolgten jede seine Bewegungen. "Wer…ähm, wie heißt du? Gehst du hier auf die Schule?" Craigs Stimme klang genauso unsicher wie er sich fühlte. Der Schreck über den unvorhersehbaren Angriff saß ihm immer noch in den Knochen. Der Fremde kniff prüfend ein Auge zusammen und unterdrückte dann ein Husten. "Meinen Namen willst du wissen? Warum?" Er schien zu überlegen ob Craig ihm die Antwort überhaupt wert war; und gab sie ihm schließlich doch, wenn auch mit einem deutlich resignierten Seufzen. „Mikael. Und jetzt wäre ich dir sehr verbunden wenn du dich einfach verziehen würdest. Ich…ich bin beschäftigt.“ Mikael machte eine ungeduldige Handbewegung so als ob er eine lästige Fliege verscheuchen wolle, aber Craig rührte sich nicht von der Stelle. Er deutete auf die Gruppe Lebensbäume hinter denen der vermeintliche Drogendealer verschwunden war und die Frage war ihm noch gar nicht über die Lippen da antwortete ihm Mikael schon. Seine Stimme klang ungeduldig. "Das war nur ein Bekannter. Er hat ein bisschen die Beherrschung verloren, das passiert ihm öfter. Ist nichts neues.“ Mit vor Schmerz verzogenem Gesicht versuchte Mikael auf die Beine zu kommen. „Hilfst du mir mal?“ Aus Reflex machte Craig einen Schritt auf ihn zu und griff nach Mikaels Hand. "Warum bist du so kalt?" fragte er erschrocken, ließ die Hand des anderen aber trotz des sich plötzlich einstellenden Unbehagens nicht los. Dieser richtete sich erst einmal unter lautem theatralischen Ächzen auf bevor er antwortete. "Schon mal was von Vampiren gehört? Ich bin schon seit über 500 Jahren ausgekühlt. Da sind kalte Hände nicht besonders ungewöhnlich." erklärte Mikael betont beiläufig, aber in seinen Augen blitzte es amüsiert. Er bückte sich und hob seine Maske auf. Sie hatte einen unschönen Riss unter dem rechten Auge und war mit Grasflecken bedeckt. Mikael rieb sie an seinem Mantel sauber und seufzte. "Schade drum, das war eine richtige Antiquität." Craig starrte ihn immer noch absolut fassungslos an, dann holte er tief und geräuschvoll Luft. "Du willst mir doch nicht ernsthaft erzählen dass du ein Vampir bist! Es gibt keine Vampire!" "Doch, gibt es." verbesserte Mikael ihn sofort. Er steckte die kaputte Maske unter eine Falte seines Mantels. "Es ist eigentlich egal ob du mir glaubst oder nicht, für mich macht das keinen Unterschied. Das Mädchen das vor dir hier im Garten war hat mir meine Geschichte auch nicht geglaubt.“ Noch ein Seufzen. „Schade um sie.“ Vanessa! Craig hatte den Namen nur gedacht, aber Mikael nickte trotzdem. Er machte einen Wink in Richtung der Lebensbäume bevor er antwortete. "Genau, Vanessa. Mein Bekannter hat nicht nach ihrem Namen gefragt, aber so hieß sie." "Was hast du mit ihr gemacht?!" Craigs Stimme zitterte vor Wut, und plötzlich auch vor Angst. Hatte dieser Verrückte ihr etwa etwas angetan? Aber Mikael hob nur in einer beschwichtigenden Geste die so eisig kalten Hände vor die Brust. Er lächelte. Und bleckte die Zähne. Ein Vampirgebiss? Natürlich, wie auf der Maske. Wie… "Ich habe gar nichts mit ihr gemacht, keine Sorge. Aber mein Bekannter…“ Den Rest des Satzes ließ Mikael unheilvoll in der Luft schweben. Das war genug. Ohne weiter darüber nachzudenken packte Craig diesen unverschämten Möchtegern-Fürsten-der-Nacht am Kragen seines protzigen Mantels und riss ihn zu Boden. Eiseskälte schlug ihm entgegen. Aber anstatt sich zu wehren und Craig von sich herunter zu stoßen blieb Mikael einfach nur ruhig und ohne mit der Wimper zu zucken unter ihm liegen. „Überraschung!“ Er grinste, dann schlang er beide Arme fest wie einen Schraubstock um Craigs Brust. Der keuchte erschrocken auf und versuchte sich zu befreien, aber keine Chance. Der Körper des anderen war so hart und unnachgiebig wie Stein. "Was...?" Craig versuchte von Mikael herunterzukommen aber der hielt ihn weiter in seiner eisigen Umklammerung. "Jetzt hab ich dich genau da wo ich dich haben wollte...das ging ja schneller als erwartet." Mikaels Stimme war nicht mehr als ein Flüstern direkt an Craigs Hals. Der versuchte immer noch sich loszureißen, das Herz hämmerte ihm panisch in der Brust, er schnappte nach Luft, heißes Blut rauschte in seinen Ohren… Hinter den Lippen des anderen spürte Craig nadelspitze Zähne. "Nein...!" Mikaels Zähne gruben sich in Craigs Fleisch noch bevor dieser Luft zum Schreien holen konnte. Craigs Sinne schwanden; ein heißer, pulsierender Schmerz kroch von seinem Hals in alle Teile seines zitternden Körpers. „Leben? Oder sterben?“ Mikaels Stimme drang leise an Craigs Ohr, offenbar hatte der Vampir bereits wieder von ihm abgelassen. Seine Lippen glänzten feucht. „Entscheide dich. Dir bleibt nicht mehr viel Zeit.“ Mikael stützte seine Ellenbogen links und rechts von Craigs Kopf auf den Boden und fuhr ihm mit einem kalten Finger sanft über die verschwitzte Stirn. Craig röchelte etwas Unverständliches; hinter seinen Schläfen hämmerte ein dumpfer Schmerz der ihm das Denken unmöglich machte. Verdammt, er starb. Er starb wirklich! In seinem Blickfeld tanzten plötzlich schwarze Flocken die sich immer weiter verdichteten und schließlich einen undurchdringlichen Schleier bildeten. Wie aus weiter Ferne hörte Craig Mikaels Stimme die versuchte zu ihm durchzudringen, dann fühlte er sich unverhofft am Kragen gepackt und hochgezogen. Er schmeckte etwas salziges, metallenes auf der Zunge das dick und warm bis in seine Kehle drang und von dort... Und plötzlich war Craig wieder da. Er richtete sich spuckend und keuchend auf, eine Hand an seinen blutverschmierten Lippen. "Was hast du getan?!" keuchte er entsetzt. Mikael kauerte nur einen halben Meter von ihm entfernt am Boden, ebenfalls eine Hand vor den Mund gepresst. "Dich gerettet du Idiot! Was stirbst du denn auch so schnell? Hast du denn gar keinen Mumm?“ Er wischte sich das Blut von den Lippen und rappelte sich auf. Craig starrte ihn immer noch entgeistert an. "Gerettet?! Du hättest mich fast umgebracht! Was fällt dir eigentlich ein…!“ Blitzschnell war Mikael bei ihm und stieß ihn hart vor die Brust. Craig taumelte überrascht zurück. Seine Nerven flirrten. Mikael fletschte drohend die Zähne. „Ich habe dich nicht FAST umgebracht! Ich HABE dich umgebracht. Hol mal tief Luft, und dann guck ob dein Herz noch schlägt.“ Er warf Craig einen ärgerlichen Blick zu, aber der registrierte das nicht einmal mehr. Lange Zeit sagte Craig nichts, er starrte blicklos ins Leere aber sein Geist arbeitete auf Hochtouren, und schließlich war es Mikaels Hand die ihn aus seinen ohnmächtigen Grübeleien holte. Jetzt erschien sie ihm gar nicht mehr so kalt, eher angenehm, wie ein kühlender Nachtwind. "Mach dir keine Sorgen, du packst das schon. Glaub mir, es ist wundervoll wenn man sich erst einmal daran gewöhnt hat.“ Mikael lächelte, und diesmal war es ein aufrichtiges Lächeln. Er beugte sich nach vorn und gab Craig einen Kuss auf den Mund. "Lass uns auf die Jagd gehen, es ist nicht mehr viel Zeit. Ich kenne da einen netten Maskenball und der ist sogar ganz hier in der Nähe. Er wird dir gefallen!" "Wo warst du solange? Wir haben uns Sorgen gemacht! Das beste ist schon lange vorbei!" Christiane nahm der späten Besucherin ungeduldig den Mantel ab als diese durch die Haustür trat. Das Mädchen sah sich suchend um. "Mein Bruder hat den Autoschlüssel nicht gefunden. Ist Craig schon da?" "Klar, er ist im Garten. Geh doch zu ihm Vanessa, er wartet bestimmt schon auf dich.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)